3621/J-BR/2019

Eingelangt am 05.02.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätin Ewa Dziedzic, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit, Tourismus

betreffend Klimapolitik der österreichischen Regierung

BEGRÜNDUNG

Österreich ist bei der Klimakonferenz in Katowice der „High Ambition Coalition“ beigetreten, dem Bündnis jener Staaten, die sich für einen stärkeren Klimaschutz  einsetzen wollen. Bis 2020 wollen diese Staaten ehrgeizigere Klimaschutzpläne vorlegen.

Gemäß der Verordnung über das Governance-System für die Energieunion und den Klimaschutz musste Österreich einen Entwurf für einen Nationalen Klima- und Energieplan (NEKP) bis spätestens 31.12.2018 nach Brüssel übermitteln. Seit dem 20. Dezember  2018 ist der Entwurf aua fder Homepage des BMNT abrufbar.

Im Mai 2018 hat Österreich die Nationale Klima- und Energiestrategie vorgelegt, die die Grundlage für den NEKP bildet, aber „auch den mittel- bis langfristigen Rahmen für die Transformation des Energiesystems im Sinne der Ziele des internationalen Klimaschutzübereinkommens von Paris“(NEKP Entwurf, S. 6) darstellt. Um die Ziele des Pariser Klimabkommens zu erfüllen, müsste Österreich laut ExpertInnen (z.B. Wegener Center, CCCA) mindestens 50% der derzeitigen Treibhausgasemissionen einsparen. Dies bedingt eine Senkung des Endenergieverbrauchs um mindestens 30 Prozent und eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie auf mindestens 60 Prozent.

Im Synthesebericht des Umweltbundesamts „Energie- und Treibhausgasszenarien im Hinblick auf 2030 und 2050“ wird festgehalten, dass „zusätzliche Maßnahmen unumgänglich sind, um die langfristigen Ziele zu erreichen. Im Jahr 2030 würde das Ziel ohne zusätzliche Anstrengungen (Szenario WEM) um rd. 8,3 Mio. Tonnen überschritten werden“ (UBA, 2017, S. 28).

In der Sitzung des Nationalen Klimaschutz-Komitees (NKK) vom 28. 11. 2018 haben VertreterInnen Ihres Ministeriums angegeben, dass Strafzahlungen in Höhe von bis zu 8,7 Mrd. Euro drohen, wenn Österreich die EU-Ziele nicht erreicht.

Weiters müssen die Mitgliedstaaten nach der Governance-Verordnung der Europäischen Kommission bis zum 1.1.2020 langfristige Strategien zur Emissionsminderung mit einer Perspektive von 50 Jahren übermitteln. Dies dient der

a)    Erfüllung der Verpflichtungen, die der Union und den Mitgliedstaaten aus dem UNFCCC und dem Übereinkommen von Paris erwachsen, um die anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen zu verringern und den Abbau dieser Gase durch Senken zu steigern;

b)    Verwirklichung des Ziels, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen;

c)    Erzielung von langfristigen Reduktionen der Emissionen sowie eines verstärkten Abbaus durch Senken von Treibhausgasen in allen Sektoren im Einklang mit dem Ziel der Union, im Kontext der laut Weltklimarat (IPCC) für die Industrienationen als Gruppe erforderlichen Reduktionen die Emissionen bis 2050 um 80-95 % gemessen am Stand von 1990 kosteneffizient zu verringern.

Die langfristigen Strategien zur Emissionsminderung haben Folgendes zu umfassen:

a)  Senkung der Emissionen von Treibhausgasen und Steigerung von deren Abbau durch Senken insgesamt;

b)  Emissionssenkungen und Steigerung des Abbaus in einzelnen Bereichen wie Stromerzeugung, Industrie, Verkehr, Gebäudesektor (Wohngebäude und Gebäude für den Dienstleistungssektor), Landwirtschaft und Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF);

c)  erwartete Fortschritte beim Übergang zu einer Wirtschaft mit niedrigem Ausstoß von Treibhausgasen mit Angaben zur Treibhausgasintensität und zur CO2-Intensität des Bruttoinlandsprodukts und zu Strategien für Forschung, Entwicklung und Innovation in diesem Zusammenhang;

d)  Verbindungen zu anderen langfristigen nationalen Plänen.

Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission für die Langfristige Strategie der EU sieht vor, dass die Union bis 2050 Klimaneutralität erreicht.

Klimaschutz gilt als eines der größten Investitionsprogramme weltweit, vermeidet hohe Klimarisiken sowie massive wirtschaftliche Schäden und soziale Probleme und bringt zudem zahlreiche positive Effekte für die Gesundheit und Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen folgende

Anfrage

1.   Stimmen Sie den Erkenntnissen der Wissenschaft zu, dass Österreich bis 2050 eine Reduktion des Treibhausgasaustoßes von mindestens 50% anstreben muss, um das 1,5- Grad-Ziel zu erreichen? Wenn nein, wie begründen Sie das bzw. auf welche Erkenntnisse stützen Sie das?

2.   Wie beabsichtigen Sie, die Ankündigungen im Rahmen der High Ambition Coalition in die Tat umzusetzen? Wird es eine Anpassung der Zielwerte des NEKP geben, die die Kompatibilität zu den Zielen des Pariser Abkommens hersteilen? Wenn ja, was ist der  neue Zielwert für die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030? Was ist der neue Zielwert für die Senkung des Endenergieverbrauchs? Was ist der neue Zielwert für die

Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie? Wenn nein, wie sollen die Ziele des Pariser Abkommens eingehalten werden? Wenn nein, zu welchem Zweck ist Österreich dann der High Ambition Coalition beigetreten?

3.   Welche konkreten Zielvorgaben liegen für die Senkung des Energieverbrauchs bis 2030 und 2050 vor? Mit welchen konkreten Maßnahmen soll diese Senkung erreicht werden?

4.   Mit welchen konkreten Maßnahmen soll der Anteil der erneuerbaren Energie am Energieverbrauch Österreichs erhöht werden? Wann werden die derzeit 200 baureifen, genehmigten Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 650 MW und einem CO2- Reduktionspotential von 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr, die derzeit auf eine Förderung warten, einen Fördervertrag bei der OEMAG erhalten? Wie wird sichergestellt, dass die Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energie nicht zulasten der einkommensschwachen Haushalte gehen? Wie wird sichergestellt, dass Großverbraucher einen angemessenen Anteil an diesen Kosten zahlen?

5.  Ab wann wird Österreich definitiv aus der Kohleverstromung aussteigen? Warum wurde das Datum des Ausstiegs nicht im NEKP verankert?

6.   Wird es in Österreich ein Ende der Neuzulassung von PKW mit Verbrennungsmotoren ab 2030 geben? Wenn nein, warum nicht? Wenn nein, mit welchen anderen konkreten Maßnahmen sollen die angekündigten Einsparungen der Emissionen im Bereich Verkehr erzielt werden?

7.  Ab welchem Datum wird es in Österreich ein Ende des sogenannten „Dieselprivilegs“ geben? Wenn kein Datum geplant ist, warum nicht? Mit welchen anderen Maßnahmen sollen die angekündigten Einsparungen im Bereich Verkehr erzielt werden?

8.   Wird Österreich ein kilometerabhängiges Mautsystems für Schnellstraßen und Autobahnen einführen? Wenn nein, warum nicht? Mit welchen anderen Maßnahmen  sollen die angekündigten Einsparungen im Bereich Verkehr erzielt werden?

9.   Ist eine Reform der Pendlerpauschale mit Fokus auf ökologisch verträgliche Transportmittel geplant? Wenn ja, welche konkreten Reformmaßnahmen sind geplant und ab wann? Wenn nein, warum nicht? Mit welchen anderen Maßnahmen sollen die angekündigten Einsparungen von Emissionen im Bereich Verkehr erzielt werden?

10.   Wird es in Österreich zu einer Senkung der generellen Höchstgeschwindigkeit für  PKW & leichte Nutzfahrzeuge auf Autobahnen und Autostraßen kommen? Wenn ja, ab wann? Wenn nein, warum nicht? Mit welchen anderen Maßnahmen sollen die angekündigten Einsparungen im Bereich Verkehr erzielt werden?

11.   Wie viele Budgetmittel sind für den Ausbau der Radinfrastruktur vorgesehen? Bitte um Aufschlüsselung in Bundes- und Ländermittel und konkrete Zahlen pro Kopf und Jahr bis 2030. Sollten keine Daten zu den Ländermittel vorliegen: Warum nicht und wann werden diese zur Gesamtplanung erhoben sein?

12.   Mit welchem Budget soll der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs vorangetrieben werden? Bitte um Aufschlüsselung in Bundes- und Ländermittel und konkrete Zahlen pro Kopf und Jahr bis 2030. Sollten keine Daten zu den Ländermittel vorliegen: Warum nicht und wann werden diese zur Gesamtplanung erhoben sein?

13.   Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die von ExpertInnen geforderte zusätzliche Nahverkehrsmilliarde budgetiert wird, um den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs voranzutreiben und Pendlerlnnen ökologische Transportmittel zur Verfügung zu stellen? Wenn nein, warum nicht? Mit welchen anderen Maßnahmen sollen die angekündigten Einsparungen im Bereich Verkehr erzielt werden?

14.   Wird sich die österreichische Regierung für die Besteuerung von Flugbenzin und Schiffstreibstoff auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen? Wenn nein, warum nicht?Wird unabhängig von der europäischen oder internationalen Ebene eine Erhöhung der Flugabgabe (zumindest auf das frühere Niveau) oder die Einführung der Grundsteuer bei Flughäfen und Flugplätzen erfolgen? Wenn ja, ab wann? Wenn nein, warum nicht?

15.   Mit welchen Budgetmitteln soll der dringend notwendige Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe für Heizungssysteme finanziert werden? Bitte um Aufschlüsselung in Bundes- und Ländermittel und konkrete Zahlen pro Kopf und Jahr bis 2030. Sollten keine Daten zu den Ländermitteln vorliegen: Warum nicht und wann werden diese zur Gesamtplanung erhoben sein?

16.   Ist ein Verbot der Förderung von Heizungssystemen mit fossilen Brennstoffen vorgesehen bzw. beinhaltet das „Erneuerbaren Gebot” laut Klima- und Energiestrategie dieses Verbot?Wenn nein, warum nicht?

17.   Wird Ihr Ressort sich dafür einsetzen, dass die Bundesländer ein Verbot für Ölheizungen in Neubau und Sanierung im Baurecht verankern? Wenn ja, ab wann? Wenn nein, warum nicht?

18.   Im Vergleich zu Benzin (48,2 Cent/Liter) und Diesel (39,7 Cent/Liter) fällt für Heizöl leicht in Österreich mit 9,8 Cent pro Liter ein deutlich geringerer Betrag für die Mineralölsteuer an. Treten Sie für ein Ende des Heizölprivilegs ein und damit für eine Anhebung des MÖSt-Satzes für Heizöl leicht, um einen Marktimpuls für den Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme zu schaffen? Wenn ja, ab wann soll der MÖSt-Satz angehoben werden und um wieviel? Wenn nein, warum nicht?

19.   Im Bereich Landwirtschaft werden im NEKP die Förderung des Humusaufbaus und die Ausweitung des Anteils der Biologischen Landwirtschaft genannt. Mit welchen konkreten Maßnahmen soll das geschehen? Welches Budget steht dafür zur Verfügung? Bitte um Aufschlüsselung in Bundes- und Ländermittel bis 2030. Sollten keine Daten zu den Ländermitteln vorliegen: Warum nicht und wann werden diese zur Gesamtplanung  erhoben sein?

20.   Wenn Österreich seine geplanten Reduktionsziele nicht erreicht, drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das BMF die drohenden Ausgaben ab 2019 durch Rückstellungen verbucht? Wenn nein, warum nicht?

21.   Der Umbau des Energiesystems, die Agrarwende, die Verkehrswende brauchen Investitionen der öffentlichen Hand. Mit den ab 2019 deutlich sinkenden Budgets für Umwelt, Energie und Klima können die notwendigen Investitionen nicht getätigt werden. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die notwendigen finanziellen Mittel budgetiert werden? Wenn nein, warum nicht?

22.   Laut Klima- und Energiestrategie sollen „in zukünftigen Budgetverhandlungsprozessen ... alle Ressorts darauf achten, keine den Klima- und Energiezielen entgegenstehenden Maßnahmen vorzusehen“. Wie soll dies Ihrer Meinung nach sichergestellt bzw. durchgesetzt werden? Werden Sie einem Budget zustimmen, das Maßnahmen enthält, die den Klima- und Energiezielen widersprechen? Wenn ja, warum?

23.   Im NEKP ist festgehalten, dass bis zum Juni 2019 eine Liste umweltschädliche Anreize und Förderungen erarbeitet wird. Derartige Listen bzw. Studien bestehen bereits, wie z.B. die WIFO-Studie. Wie stellen Sie sicher, dass umweltschädliche Förderungen und Anreize so rasch wie möglich eliminiert werden, wie im Regierungsprogramm vorgesehen?

24.   Ein wesentliches Mittel zur Erreichung der Klimaziele ist eine sozial-ökologische Steuerreform, die fossile Energie stärker besteuert und Arbeit steuerlich entlastet. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass diese Reform rasch und umfassend erfolgt? Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor? Welches Volumen soll die sozial-ökologische Steuerreform Ihrer Meinung nach umfassen, um Lenkungseffekte zu erzielen?

25.   Der vorgestellte Zeitplan zur Erarbeitung des NEKP sieht eine Beteiligung der Öffentlichkeit erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 vor, nachdem alle Inhalte erarbeitet wurden und die wissenschaftlichen Wirkungsabschätzungen bereits erfolgt sind. Dies widerspricht einer “frühzeitigen und effektiven” Einbindung der Öffentlichkeit, die in der Governance-Verordnung der EU vorgesehen ist. Wie stellen Sie sicher, dass Österreich seiner Verpflichtung zur frühzeitigen Einbindung der Öffentlichkeit nachkommt?

26.   Welche Vorarbeiten wurden zur Erstellung der langfristigen Strategien zur Emissionsminderung (Art. 14 Governance-Verordnung) bereits in Angriff genommen? Wie soll der Prozess zur Erstellung aufgesetzt? Wie sollen dabei andere Gebietskörperschaften, Interessenvertretungen, NGOs und Zivilgesellschaft zeitgerecht eingebunden werden? Wie soll die Öffentlichkeit darüber informiert werden? Welche Planungsunterlagen zur Umsetzung in Österreich liegen bereits vor?

27.   Das Governance-System erfordert insgesamt eine langfristige Planung, eine kompetente Umsetzung und eine komplexe Prozesssteuerung. Welche organisatorischen, dienstrechtlichen und budgetären Maßnahmen (personelle Neuaufnahmen; Änderungen der Arbeitsplatzbeschreibungen, Umstrukturierungen, Ausschreibungen, Vereinbarungen)mit externen Dienstleistern etc.) wurden veranlasst bzw. sind geplant?