3645/J-BR/2019

Eingelangt am 11.04.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Martin Weber, Korinna Schumann, Mag. Elisabeth Grossmann

Genossinnen und Genossen

an den Bundeskanzler

betreffend „klares Bekenntnis zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in allen seinen Formen - klares Bekenntnis zur Europäischen Union“

Beginnen wir mit einer Selbstverständlichkeit: Der Verfassungsgerichtshof hat sich in mehreren Erkenntnissen klar dazu geäußert, dass die kompromisslose Ablehnung aller Formen des Nationalsozialismus ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen Republik sei.

Dieser Konsens hat im Jahr 2019 dieselbe Selbstverständlichkeit zu haben und er hat nicht nur vom Verfassungsgerichtshof, sondern von allen Institutionen und Amtsinhabern und Amtsinhaberinnen dieser Republik geachtet und erhalten zu werden.

Umso besorgniserregender ist es, dass in den vergangenen Tagen eine Diskussion um eine politische Gruppierung entflammt ist, die diesen Konsens nicht mitträgt. Es ist insbesondere erschreckend, dass es nicht selbstverständlich scheint, dass eine Regierungspartei mit einer solchen Gruppierung nichts zu tun hat.

Es ist im Gegenteil auf besonders traurige Weise bezeichnend, dass sich Vertreter der FPÖ in den vergangenen Tagen immer wieder in Widersprüche verstrickt haben, wenn sie versuchten, die Distanz zwischen ihnen, ihrer Fraktion und dieser politischen Gruppierung aufzuzeigen oder zu behaupten.

Der langjährige Präsident des Nationalrates und Universitätsprofessor für das öffentliche Recht Dr. Andreas Khol hat in seinem Beitrag in der Diskussionsreihe im Zentrum am 7. April 2019 klargestellt, dass für die Definition der Grenze zum Rechtsextremismus nicht nur das Strafrecht maßgeblich ist, sondern dass diese Grenze deutlich weiter zu ziehen sei, nämlich in die Richtung, dass auch die Wertebasis solcher Bewegungen für die Bewertung heranzuziehen sei.

Nun ist es wohl für jedermann nachvollziehbar, dass die Identitäre Bewegung eine solche Wertebasis einnimmt und daher als rechtsextrem einzustufen ist.

Sollte der Bundeskanzler sich daher nunmehr mit Zusagen des Vizekanzlers zufriedengeben, wonach die FPÖ die Kontakte mit den Identitären einstellt, so ist das zunächst deutlich zu wenig und darüber hinaus unglaubwürdig, da diese Kontakte zwischen der FPÖ und den Identitären schon seit der Regierungsbildung bekannt und offensichtlich sind, ohne dass von Seiten der Bundesregierung die notwendigen Maßnahmen gezogen wurden.

Unter notwendigen Maßnahmen wäre die Auflösung aller personellen Verknüpfungen, aber natürlich auch der Verzicht auf jegliche Finanzierung und Unterstützung dieser Bewegung durch gemeinsame Auftritte oder durch die Zurverfügungstellung von räumlichen Ressourcen zu verstehen.

So vergaben bis zum 4. Jänner 2019 blaue Ressorts Inserate in der Höhe von insgesamt € 52.420 an vom DÖW als rechtsextrem eingestufte Magazine wie den „Wochenblick“, „Info direkt“ oder „alles roger?“, wie eine parlamentarische Anfrage ergab.

Eine weitere unverzichtbare Maßnahme wäre gewesen, dass umgehend nach Bekanntwerden des Kontaktes einer Person mit der Identitären Bewegung ein allfälliges Vertragsverhältnis zu einem Bundesministerium aufzulösen gewesen wäre. Auch dies ist in keiner Hinsicht veranlasst worden, vielmehr wurden erst in letzter Zeit Personen in Büros der Minister aufgenommen, bei welchen so ein Naheverhältnis besteht. Beispielhaft genannt für eine dieser Personen sei der Chefredakteur von unzensuriert.at, der eine zentrale Rolle in rechtsextremen Kreisen einnimmt und nunmehr die Arbeit dieser Bundesregierung mitgestaltet.

Es erscheint daher eine bloße Zusage zum Abbruch des Kontaktes zu wenig zu sein. Die Bundesregierung muss sich in ihrer Gesamtheit zum antifaschistischen Grundkonsens der  2. Republik voll inhaltlich bekennen, muss diesen Grundkonsens leben und muss eine Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Grundkonsenses wiedererlangen. Dem Bundeskanzler kommt nach dem österreichischen Bundes-Verfassungsgesetz, welches unseren Staatsaufbau normiert, eine zentrale Rolle zu. Der Bundeskanzler schlägt dem Bundespräsidenten gemäß Art. 70 B-VG die übrigen Mitglieder der Bundesregierung vor. Er ist daher für die personelle Zusammenstellung und damit politische Ausrichtung der Bundesregierung zentral verantwortlich. Er kann ebenso im Sinne dezidierten Bestimmung jederzeit einzelne Mitglieder der Bundesregierung entlassen. Die Bundesverfassung gibt daher auch dem Bundeskanzler Instrumentarien in die Hand, wie er in einer solchen Situation reagieren kann. Es ist seine politische Verantwortung, ob er diese Mittel nützt oder aus Koalitionsräson diese nicht nützt.

Genauso besorgt die österreichische Bevölkerung der Zugang von Teilen ihres Koalitionspartners zur Zukunft der Europäischen Union. So ist die FPÖ bei den anstehenden Europa-Wahlen Teil einer rechten Allianz im Europaparlament, der Parteien wie die AfD, die Lega, der Front Nationale und andere Rechte Parteien, aber eben auch die FPÖ, angehören sollen. All diese Parteien vereint jedoch ein ideologischer Grundsatz, nämlich jene die Europäische Union zu schwächen bzw. zu zerstören, um die Nationalstaaten und den Nationalismus in Europa zu stärken. Es ist daher festzustellen, dass zumindest Teile ihres Koalitionspartners einen antieuropäischen Politikansatz vertreten. Damit werden aber auch Institutionen wie die europäische Menschenrechtskonvention infrage gestellt, die Basis und Grundlage unseres liberalen Rechtsstaates ist. Auch hier trägt der Bundeskanzler Mitverantwortung; ein bloßer Hinweis auf die aktuellen Europawahlen ist als Reaktion auf diese besorgniserregende Entwicklung zu wenig.

Mit dieser dringlichen Anfrage soll daher der Herr Bundeskanzler in die Lage versetzt werden, klare Antworten auf die folgenden Fragen der zukünftigen politischen Ausrichtung Österreichs zu geben. Die unterzeichneten BundesrätInnen richten daher an den Herrn Bundeskanzler folgende

Anfrage:

1.     Die österreichische Vergangenheit zeigt die Notwendigkeit des sensiblen Umgangs mit Rechtsextremismus und die Notwendigkeit der dauerhaften Bekämpfung rechtsextremer Aktivitäten auf. Aus aktuellem Anlass ergibt sich Skepsis, dass die Notwendigkeit der dauerhaften Bekämpfung rechtsextremer Aktivitäten von allen Seiten der Bundesregierung geteilt wird.
Was werden sie als Bundeskanzler unternehmen, um Zweifel am Interesse der Bekämpfung des Rechtsextremismus in Österreich durch alle Teile der Bundesregierung restlos auszuräumen?

2.      Die vergangenen Tage zeigen die Notwendigkeit der Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichtes.
Werden sie als Bundeskanzler dafür eintreten, dass ihre Bundesregierung wieder einen Rechtsextremismusbericht jährlich erstellt und diesen dem Nationalrat und dem Bundesrat vorlegt?

a.      Wenn nein, warum nicht?

3.      In Deutschland wurde versucht auf die steigenden rechtsextremistischen Aktivitäten zumindest zu reagieren. So wurden die personellen Ressourcen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus verdoppelt.

Was werden sie als Bundeskanzler der Bundesregierung vorschlagen, um Rechtsextremismus in Zukunft noch professioneller bekämpfen zu können?

4.      Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf dem Nationalrat übermitteln, mit welchem eine ständige Berichtspflicht der Nachrichtendienste und des BVT an Sie als Bundeskanzler geschaffen wird?

a.      Wie wird diese Berichtspflicht im konkreten ausgestaltet sein, da Innenminister Kickl in der Öffentlichkeit äußerte, dass sie noch keine Vorstellungen ihm gegenüber geäußert haben?

5.      Durch eine Novelle im Bundesministeriengesetz wurde ein sogenanntes Auskunftsrecht für Sie als Bundeskanzler und für den Vizekanzler gegenüber den genannten Einrichtungen als eine der ersten Maßnahmen ihrer Bundesregierung geschaffen.

Haben Sie im Zusammenhang mit Rechtsextremismus bereits um Auskunft ersucht, wenn ja welche Ergebnisse brachte diese Auskunft, wenn nein, warum nicht?

6.      Der Präsident des Nationalrates Mag. Wolfgang Sobotka hat öffentlich angekündigt, dass weder Abgeordnete noch Parlaments-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Nähe zu rechtsextremen Kreisen haben dürfen. Hier sei laut dem Präsidenten ein Strich zu ziehen.

Werden sie sich als Bundeskanzler dafür einsetzen, dass die einzelnen Bundesminister hinsichtlich der Kabinette und Büros der Minister sowie der Generalsekretäre umgehend alle Verträge mit Personen auflösen, die Kontakte zu rechtsextremen Kreisen haben, und wie werden Sie diese Maßnahme umsetzen?

7.      Werden Sie als Bundeskanzler der Bundesregierung vorschlagen, keine Inserate in rechtsextremen Medien, digital oder analog, ab sofort zu schalten und wie werden Sie diese Maßnahme umsetzen?

8.      Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist gegenwärtig brennendes Thema. Welche Ergebnisse brachte der EU Sondergipfel vom 10. April 2019 hinsichtlich der BREXIT-Frage, welche konkreten Beschlüsse wurden gefasst und wie war die österreichische Position zu diesem Thema?

9.      Die Diskussion rund um die Verstrickungen der FPÖ mit der Identitären Bewegung hat auch im Ausland und insbesondere auch im konservativen Lager für etliche besorgte und skeptische Reaktionen gesorgt.

Haben Sie als Regierungschef diesbezügliche Gespräche mit Elmar Brock oder Tom Tugendhat, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im britischen Parlament, geführt?

a.      Zu welchen Ergebnissen kamen diese Gespräche?

b.      Welche Maßnahmen werden sie als Folge dieser Gespräche setzen?

c.      Wenn Sie zu keiner der Persönlichkeiten Kontakt aufgenommen haben, warum nicht?

10.   Welche Maßnahmen planen Sie und die Bundesregierung bzw. haben Sie und die Bundesregierung bereits unternommen, um gemeinsam auf europäischer und internationaler Ebene den Kampf gegen Rechtsextremismus verstärkt zu führen?

 

Gemäß 61 Abs. 3 GO-BR in Verbindung mit Abs. 4 wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung verlangt.