3711/J-BR/2019

Eingelangt am 20.11.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann,

Genossinnen und Genossen

an die Bundeskanzlerin

betreffend Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich in Bezug auf Genehmigungen für den Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen

Das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich in Bezug auf Genehmigungen für den Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen gibt Anlass zur Sorge, dass es in Folge zu einer weiteren Liberalisierung der Wasserwirtschaft kommen könnte. Die EU- Kommission ist der Auffassung, dass der Rechtsrahmen und die Praxis in Österreich betreffend Genehmigungen für den Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen, nicht vollständig mit der Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG), der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit (Artikel 49 und 56 AEUV) in Einklang stehen würden und hat daher ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet[1]. Insbesondere wird kritisiert, dass Genehmigungen erteilt wurden, ohne zuvor transparente und neutrale Auswahlverfahren durchzuführen.

Der Anteil der Wasserkraft an der Stromproduktion liegt in Österreich bei rd. 60 % und ist damit ein essentieller Faktor für die Erreichung der Klimaziele.

Die Wassernutzung ist in Österreich ein Gemeingut. Jeder kann in Österreich gemäß dem Wasserrechtsgesetz Gewässer nutzen sowie ein Wassernutzungsrecht beantragen. Die Nutzungsgenehmigung stellt keine Dienstleistung dar. Ebenso ist die Erteilung einer Genehmigung zur Wassernutzung keine Dienstleistungskonzession, sondern eine verwaltungsrechtliche Genehmigung.

Der österreichischen Bevölkerung ist der Schutz des Wassers ein wichtiges Anliegen, wie beispielsweise die BürgerInneninitiative Right2Water“ oder die Volksbefragung der Stadt Wien zeigen. 1.884.790 Menschen haben sich mit ihrer Unterstützung der Europäischen BürgerInneninitiative für drei klare Forderungen ausgesprochen: Alle EinwohnerInnen der EU sollen das Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung genießen, Wasserversorgung und Wasserwirtschaft sollen von der Liberalisierung ausgeschlossen werden, und die EU soll ihre Bemühungen hinsichtlich eines universellen Zugangs zu Wasser und sanitärer Grundversorgung verstärken. Eine Einführung von Wettbewerbsverfahren würde diesen Zielsetzungen zuwiderlaufen.

Die unterfertigten BundesrätInnen stellen daher an die Frau Bundeskanzlerin die folgende

Anfrage:

1.    Was wird Österreich konkret seitens der EU-Kommission vorgeworfen?

2.    Die österreichische Bundesregierung hatte nach dem Aufforderungsschreiben zwei Monate Zeit um auf die Argumente der Kommission zu antworten.

Welche Antworten wurden der Kommission übermittelt und von welchen Behörden oder welchen Verbänden wurden Stellungnahmen eingeholt?

3.    Welche Schritte wurden bzw. werden für eine Information der Betroffenen sowie der Öffentlichkeit gesetzt?

4.    Gegen 7 weitere Mitgliedstaaten wurde ebenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren betreffend Wasserkraft eingeleitet.

Ist die Rechtssituation in diesen Ländern mit jener in Österreich vergleichbar?

a.       Hat Österreich versucht, eine Allianz zu bilden?

b.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

c.       Wenn nein, warum nicht?

5.    Gab es über das offizielle Antwortschreiben Österreichs (des Bundeskanzleramts) hinaus Gesprächstermine mit der Europäischen Kommission?

Wenn ja, wie sind diese verlaufen?

Wenn nein, warum nicht?

6.    Gab es schon Reaktionen der Europäischen Kommission auf das Antwortschreiben der Republik Österreich?

Wenn ja, mit welchem Inhalt und wie wirkt sich dies auf das Vertragsverletzungsverfahren aus?

7.    Welche weiteren Schritte sind diesbezüglich geplant?

8.    Gab es in den letzten 5 Jahren ähnliche Beschwerden betreffend der Wassernutzung?

Wenn ja, welche und von wem?

9.    Das Wasserrechtsgesetz regelt unter anderem auch die Bewilligung der Benutzung/Entnahme des Grundwassers für die Trinkwasserversorgung.

Wie kann ausgeschlossen bzw. abgesichert werden, dass - angestoßen durch das aktuelle Vertragsverletzungsverfahren - hier eine Öffnung für den Wettbewerb eingeklagt wird?



[1] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_19_1477