3722/J-BR/2020

Eingelangt am 11.02.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Bundesrates Christoph Steiner

und weiterer Bundesräte

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend Einhaltung der Schulpflicht in Tirol und Vorarlberg

 

 

§ 1 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes (SchPflG) 1985 normiert, dass für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht besteht. Abs. 2 führt weiter aus: „Unter Kindern im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Minderjährige zu verstehen, die nach Maßgabe dieses Abschnittes schulpflichtig oder zum Besuch einer allgemeinbildenden Pflichtschule berechtigt sind.“

 

Die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Schulpflicht und die diesbezüglichen Strafbestimmungen sind in § 24 leg. cit. niedergeschrieben:

 

„(1) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten sind verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler bzw. in den Fällen der §§ 11, 13 und 22 Abs. 4 für die Ablegung der dort vorgesehenen Prüfungen zu sorgen. Minderjährige Schulpflichtige treten, sofern sie das 14. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich dieser Pflichten neben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten. Sofern es sich um volljährige Berufsschulpflichtige handelt, treffen sie diese Pflichten selbst.“

 

„(4) Die Nichterfüllung der in den Abs. 1 bis 3 angeführten Pflichten stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die nach Setzung geeigneter Maßnahmen gemäß § 25 Abs. 2 und je nach Schwere der Pflichtverletzung, jedenfalls aber bei ungerechtfertigtem Fernbleiben der Schülerin oder des Schülers vom Unterricht an mehr als drei aufeinander- oder nicht aufeinanderfolgenden Schultagen der neunjährigen allgemeinen Schulpflicht, bei der Bezirksverwaltungsbehörde zur Anzeige zu bringen ist und von dieser mit einer Geldstrafe von 110 € bis zu 440 €, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen ist.“


Der so zitierte § 24 Abs. 4 SchPflG trat erst mit 1. September 2018 in Kraft, nachdem Schulpflichtverletzungen unter der türkis-blauen Bundesregierung deutlich verschärft wurden. Aufgrund zahlreicher Probleme mit Schülern, die oftmals tagelang unentschuldigt dem Unterricht fernblieben, hatte es sich die Koalition aus ÖVP und FPÖ zum Ziel gesetzt, die Nichterfüllung der Schulpflicht verschärft zu ahnden. Zudem wurde die Möglichkeit zur Festlegung von Verhaltensvereinbarungen mit klaren Konsequenzen bei Verstößen an Schulen geschaffen. Seit dem Schuljahr 2018/19 gelten bei „Schulschwänzern“ nun die verschärften Bestimmungen gemäß § 24 Abs. 4 SchPlfG.

 

Vor dem Schuljahr 2018/19 wurde ein Verfahren wegen Schulschwänzens erst dann eingeleitet, wenn ein Schüler fünf Tage bzw. 30 Unterrichtsstunden in einem Semester oder an drei aufeinanderfolgenden Tagen fehlte. Auch dann wurde jedoch nicht gleich gestraft. Stattdessen startete zunächst ein aufwendiger, zeitintensiver fünfteiliger Stufenplan mit verpflichtenden Gesprächen mit Eltern und Schülern sowie der Einschaltung des Direktors, von Schulpsychologen, der Schulaufsicht und allenfalls der Jugendwohlfahrt. Erst wenn all diese Maßnahmen nicht fruchteten, konnten Verwaltungsstrafen verhängt werden. Dieser „Fünf-Stufen-Plan“ hat sich in der Praxis als sehr aufwändig und im Hinblick auf die lange Dauer der Verfahren als nicht effizient erwiesen.

 

Die neue Regelung stellt in diesem Zusammenhang eine deutliche Verbesserung dar. Seit dem Schuljahr 2018/19 können rascher Konsequenzen gezogen werden. Fehlt ein Schüler bis zu drei Tage ungerechtfertigt, können Sofortmaßnahmen, etwa Verwarnungen, seitens der Schulleitung und Lehrer ausgesprochen werden. Mehr als drei ungerechtfertigte Fehltage bedeuten automatisch eine Verwaltungsübertretung, für die eine Geldstrafe von mindestens 110 und maximal 440 Euro verhängt wird.

 

Laut dem Bildungsministerium und der Lehrergewerkschaft hat die Verschärfung der Sanktionen für Schulschwänzer die erhoffte abschreckende Wirkung gezeigt. Im ersten Jahr seit Etablierung der strengeren Regelung wurde knapp 3.300-mal gestraft. Die mit Abstand meisten Strafen wurden mit 1.650 Fällen in Wien verhängt, in Tirol sollen 216 Strafmandate ausgewiesen worden sein. (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/kaernten/kaerntenaufmacher/5713882/Ab-viertem-Fehltag_3300-Strafmandate-fuer-Schulschwaenzer-im)

 

Nähere Informationen zur Erfüllung bzw. Nichterfüllung der Schulpflicht von Schülern in Tirol und Vorarlberg, zu den Ursachen und den möglichen Sanktionen sowie verhängten Strafen sind nicht bekannt. In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Bundesräte an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung folgende


ANFRAGE:

 

1.    Welche Bilanz ziehen Sie als zuständiger Bundesminister aus der in der vergangenen Gesetzgebungsperiode unter Türkis-Blau etablierten Verschärfungen im Hinblick auf die Nichterfüllung der Schulpflicht?

2.    Wie viele Verletzungen der Schulpflicht sind Ihnen seit dem Inkrafttreten der neuen Regelung jeweils in den Schuljahren 2018/19 bzw. 2019/20 tirolweit und in Vorarlberg bekannt (aufgeschlüsselt auf die jeweiligen Bezirke)?

3.    Wie gestaltet sich hierbei das Verhältnis zwischen Kindern mit österreichischer und nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Anzahl der Kinder und Staatsangehörigkeit)?

4.    In wie vielen Fällen wurden bei Verletzung der Schulpflicht klärende Gespräche mit den Eltern der betroffenen Kinder gesucht (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schule und Staatsangehörigkeit der Kinder sowie der Eltern)?

5.    In wie vielen Fällen waren diese Gespräche zielführend?

6.    Gab es Fälle, in denen derartige Gespräche seitens der Erziehungsberechtigten verweigert wurden?

7.    Wenn ja, um welche Fälle handelte es sich hierbei konkret (bitte um Aufzählung dieser Fälle unter Angabe des Schuljahres, des Bezirks, der jeweiligen Schule und der Staatsangehörigkeit der Kinder sowie der Eltern) und welche Konsequenzen hatten diese Gesprächsverweigerungen zur Folge?

8.    Wurden in diese Gespräche auch die Schulleitung, Schulpsychologen, die Schulaufsicht oder die Jugendwohlfahrt einbezogen?

9.    Wenn ja, um welche Fälle handelte es sich hierbei konkret (bitte um Aufzählung dieser Fälle unter Angabe des Schuljahres, des Bezirks, der jeweiligen Schule und der Staatsangehörigkeit der Kinder sowie der Eltern)?

10. In wie vielen Fällen wurden bei Verletzung der Schulpflicht Verwarnungen seitens der Schulleitung bzw. von Lehrern ausgesprochen (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schule und Staatsangehörigkeit der Kinder)?

11. In wie vielen Fällen hat die gesetzte Maßnahme, also die Verwarnung, Wirkung bzw. keine Wirkung gezeigt (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schule und Staatsangehörigkeit der Kinder sowie der Eltern)?

12. In wie vielen Fällen wurden bei Verletzung der Schulpflicht Geldstrafen gemäß § 24 Abs. 4 SchPflG verhängt und in welcher Höhe (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schule und Staatsangehörigkeit der Kinder)?

13. In wie vielen Fällen hat die gesetzte Maßnahme, also die Verhängung der Geldstrafe, Wirkung gezeigt (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schule und Staatsangehörigkeit der Kinder sowie der Eltern)?

14. In wie vielen Fällen wurde die Zahlung der Geldstrafe verweigert (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schule und Staatsangehörigkeit der Kinder sowie der Eltern)?

15. In wie vielen Fällen wurden bei Verweigerung der Zahlung der Geldstrafe Ersatzhaftstrafen verordnet und in welchem Ausmaß (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schule und Staatsangehörigkeit der Kinder sowie der Eltern)?

16. Wurden in Fällen bei Verletzung der Schulpflicht noch andere Maßnahmen bzw. Sanktionen gesetzt und wenn ja, welche (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schule, Staatsangehörigkeit der Kinder und Angabe der jeweiligen Maßnahme)?

17. Wurde den konkreten Schulpflichtverletzungen jeweils auf den Grund gegangen bzw. die Ursachen des Schulschwänzens ausgemacht?

18. Wenn ja, welche Erkenntnisse wurden draus gezogen?

19. In wie vielen Fällen in Tirol und Vorarlberg wurde dem Jugendwohlfahrtsträger aufgrund des Verdachts der Gefährdung des Kindeswohls Meldung erstattet (aufgeschlüsselt nach Schuljahr, Bezirk, jeweiliger Schuler, Staatsangehörigkeit der Kinder sowie der Eltern)?