3726/J-BR/2020

Eingelangt am 13.02.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

gemäß § 61 Abs. 3 GO-BR

 

der BundesrätInnen Mag.a Elisabeth Grossmann, Korinna Schumann, Prof. Stefan Schennach, Ingo Appé

Genossinnen und Genossen

betreffend Angriffe des Bundeskanzlers gegen die Justiz und insbesondere gegen die WKStA

 

„Die österreichische Justiz mit all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trägt entscheidend zu einem funktionierenden Rechtsstaat bei. Eine effiziente und qualitätsvolle Justiz sorgt für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden in Österreich und ermöglicht dadurch das nötige Vertrauen seitens der Bürgerinnen und Bürger. Sie ist somit Grundpfeiler eines jeden Rechtsstaates und jeder Demokratie. Vor diesem Hintergrund bekennen wir uns als Bundesregierung zu einer ausreichend ausgestatteten Justiz…“

Mit diesen staatstragenden Worten wird das Justizkapitel des Regierungsprogramms 2020 bis 2024 der türkis-grünen Bundesregierung eingeleitet. In den letzten Tagen und Wochen wurden von Herrn Bundeskanzler Kurz Feststellungen getroffen, die nicht unbedingt mit diesen lyrischen Sätzen aus der Regierungserklärung in Einklang zu sein scheinen. Ein Hintergrund dafür dürfte der Casino-Skandal sein, in der immerhin der frühere Finanzminister Hartwig Löger, Thomas Schmid (einer der engsten Vertrauten des Bundeskanzlers), der frühere Raiffeisen-General Walter Rothensteiner und der ehemalige Bundesparteiobmann der ÖVP und Vizekanzler Josef Pröll, aber auch Manager der Novomatic als Beschuldigte geführt werden.

 

Zu einem Hintergrundgespräch vor rund 40 JournalistInnen am 20. Jänner 2020 in der politischen Akademie der ÖVP schreibt „Der Falter“ 6/20 folgendes: „Der Kanzler nutzte den Talk dazu, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft massiv anzugreifen – und zwar, weil sie einen Fall von Regierungskriminalität untersucht, einseitig wie Kurz unterstellt. „Es war heftig, ungewöhnlich und emotional‘, erzählen mehrere Kollegen unter Zusicherung von Anonymität dem Falter.“

 

Die Angriffe des Bundeskanzlers auf die Justiz fasst der Falter in 7/20 folgendermaßen zusammen: „Er streut im Wesentlichen drei giftige Argumente in die Medienlandschaft. Erstens: Die Verfahren würden zu lange dauern, weil die Ankläger unfähig seien. Zweitens: Die SPÖ habe die WKStA unterwandert, die Behörde ermittle also politisch. Drittens: Die WKStA spiele Akten nach außen. Sie ist also auch kriminell.“

 

Zur langen Verfahrensdauer hat die Oberstaatsanwaltschaft Wien in einem letzte Woche veröffentlichten Revisionsbericht folgendes Ergebnis zusammengefasst: „An den langen Verfahren seien als ,ausschlaggebende Ursachen‘ überwiegend Gründe außerhalb des Verantwortungsbereichs des zuständigen Referenten ausgemacht worden, nämlich ,hinzukommende neue Sachverhalte, begrenzte Ressourcen im polizeilichen Ermittlungsbereich, schleppende Ermittlungen der Finanzbehörden, begrenzte Ressourcen im Sachverständigenbereich, die Dauer des Auswertungsprozesses sichergestellter elektronischer Daten, die Dauer der Widerspruchsverfahren, die gehäufte Rechtsmitteltätigkeit Beteiligter und die Rechtshilfeersuchen im Ausland.‘“

 

Zur angeblichen politischen Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaften sei auf die Stellungnahme der Bundesministerin für Justiz, Mag.a Alma Zadić verwiesen, nachlesbar auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz:

„Anlässlich der aktuellen Berichterstattung. Klarstellung des Bundesministeriums für Justiz…

Dem Justizministerium liegen keinerlei Hinweise vor, die ein politisches Agieren einer Staatsanwaltschaft nahelegen würden. Es steht somit außer Frage, dass die österreichischen Staatsanwaltschaften objektiv und unabhängig von Parteizugehörigkeit ermitteln und dem gesetzlichen Auftrag des § 3 Strafprozessordnung uneingeschränkt gerecht werden. Funktionierende Staatsanwaltschaften und eine effektive Korruptionsbekämpfung sind wesentliche Bestandteile eines Rechtsstaates. Um weiterhin starke Ermittlungsbehörden zu gewährleisten, ist es daher dringend notwendig, die Justiz mit notwendigen finanziellen und personellen Mitteln auszustatten…“

 

Zusätzlich zu diesen sehr klaren Worten aus dem Bundesministerium für Justiz ist es eine Tatsache, dass während der gesamten Existenz der 2009 gegründeten WKStA ausschließlich ÖVP-Justizminister (bis zur Übergangsregierung im Sommer 2019) amtiert haben. Kein einziges Mitglied der WKStA ist Mitglied bei der SPÖ oder dem BSA. Zum Vorwurf, die WKStA spiele Akten nach außen, ist festzustellen, dass es dafür nicht die geringsten Anhaltspunkte gibt. Vielmehr weiß man aus vielen anderen Verfahren, dass die zahlreichen Anwälte, die Akteneinsicht haben, Dokumente vollkommen legal an Journalisten weiterreichen.

 

Nachdem das Medienecho auf die Äußerungen des Bundeskanzlers offensichtlich nicht so war, wie er sich dies gewünscht hätte, hat er für Montag, 09. Februar 2020 die StandesvertreterInnen der StaatsanwältInnen zu einem „Runden Tisch“ in das Bundeskanzleramt eingeladen, zu dem auch die Justizministerin Zadić und die für EU-Agenden zuständige Bundesministerin Karoline Edtstadler kommen sollten. Zahlreiche Beobachter haben dies als politische Entmündigung für die für die Justiz alleinig zuständige Justizministerin Zadić gewertet.

 

Absolut aufklärungswürdig ist auch die Aussage des Herrn Bundeskanzlers, dass er von zwei „leitenden Journalisten“ erfahren habe, dass diese geheimen Informationen aus der Staatsanwaltschaft erhalten hätten.

 

Zu all den aufgeworfenen Fragen, aber insbesondere zu dem letztgenannten Themenkomplex ist dringender Aufklärungsbedarf vonnöten.

 

Die unterzeichnenden BundesrätInnen stellen daher an den Bundeskanzler folgende

 

Dringliche Anfrage

 

1.    Sind die im „Falter“ 6/20 betreffend das Hintergrundgespräch vom 20. Jänner 2020 in der politischen Akademie der ÖVP wiedergegebenen Ausführungen Ihrerseits im Wesentlichen richtig wiedergegeben?

a.    Wenn nein: Welche konkret Ihnen zugeschriebenen Aussagen entsprechen im Wesentlichen nicht den Tatsachen?

2.    Haben Sie vor Ihren Ausführungen beim Hintergrundgespräch zu Justizthemen zur Erhellung der Sachverhalte Rücksprache mit Justizministerin Zadić oder ihrem Ressort gehalten?

3.    Wenn ja, welche Auskünfte haben Sie diesbezüglich erhalten?

4.    Wenn nein, warum äußern Sie sich derart ausführlich zu justizpolitischen Themen und üben schwerste Angriffe gegen die Justiz und insbesondere die WKStA, ohne sich bei den zuständigen Stellen vorher um die wahren Sachverhalte zu informieren?

5.    Haben Sie mit Josef Pröll und Walter Rothensteiner Kontakt gehabt, seit dem diese als Beschuldigte in der „Causa Casinos“ geführt werden und die unlängst auch von Sektionschef Pilnacek im Justizministerium empfangen worden sind?

6.    Haben Sie mit Hartwig Löger Kontakt gehabt, seit dem dieser als Beschuldigter in der „Causa Casinos“ geführt wird?

7.    Wie beurteilen Sie die in der Begründung der Anfrage dargelegte Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft betreffend die Ursachen der langen Verfahrensdauer?

8.    Worin sehen Sie die Ursachen für die in der Stellungnahme des Revisionsberichts der OStA genannten begrenzten Ressourcen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es seit Existenz der WKStA nur ÖVP-Justizminister und ÖVP-Finanzminister gegeben hat?

9.    Werden Sie sich als Bundeskanzler vehement dafür einsetzen, dass die Justiz und insbesondere die WKStA künftig die längst notwendigen zusätzlichen Ressourcen erhalten werden?

10. Wie beurteilen Sie die Stellungnahmen der Bundesministerin für Justiz auf ihrer Homepage, aber auch in der ZIB 2 vom 10. Februar 2020, in der sie ein politisches Agieren der Staatsanwaltschaft eindeutig verneint?

11. Der „Falter“ schreibt in 7/20 auf Seite 13, dass ihr Vorwurf, dass die WKStA Akten nach außen spiele, ein Vorwurf einer kriminellen Handlung sei. Können Sie Ihren Vorwurf belegen? Wenn ja, womit?

12. Sie kennen sicher den Tatbestand § 297 StGB (Verleumdung), welcher in Abs. 1 lautet: „Wer einen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, dass er ihn einer von Amtswegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigt, ist, wenn er weiß (§ 5 Abs. 3), dass die Verdächtigung falsch ist, zu bestrafen“. Sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass Sie mit ihren Vorwürfen in die Nähe dieses Tatbestandes kommen könnten, sofern die Vorwürfe nicht stimmen und Wissentlichkeit gegeben ist?

13. In diesem Zusammenhang ist Ihre Aussage interessant, dass Sie „von zwei leitenden Journalisten“ erfahren hätten, dass diese geheimen Informationen aus der Staatsanwaltschaft erhalten hätten. Wie haben Sie auf diese Informationen reagiert? Haben Sie Anzeige erstattet?

14. Wenn nein, warum nicht?

15. Werden Sie dazu im Vorverfahren bzw. in einer allfälligen Hauptverhandlung vor Gericht aussagen?

 

16. Wer sind die beiden Journalisten, die Sie über die angebliche Weitergabe geheimer Akten informiert haben?

 

Unter einem wird in formeller Hinsicht verlangt, diese Anfrage im Sinne
des § 61 Abs. 3 GO-BR vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.