3796/J-BR/2020

Eingelangt am 30.07.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Bundesrätlnnen Korinna Schumann, Dominik Reisinger, Bettina Lancaster,

Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Gemeindefinanzen in Gefahr-es braucht jetzt konkrete Antworten, Herr Minister!

In den vergangenen Wochen und Monaten hat die Sozialdemokratie mehrfach versucht, Antworten
auf die drängenden Fragen im Bereich der Gemeindefinanzierung in der COVID19-Krise zu bekommen.
In Summe wurden dazu mehrere Anfragen gestellt, die bis heute zum größten Teil inhaltlich nicht beantwortet wurden.

Seit Anfang April wurde durch die SPÖ und zahlreiche BürgermeisterInnen darauf hingewiesen, dass
der Verlust von Arbeitsplätzen, die Ausfälle im Tourismus und die angespannte wirtschaftliche
Gesamtlage, die durch den Shutdown der Regierung ausgelöst wurde, sich direkt auf die Gemeinden durchschlagen würde. Fehlende Einnahmen und damit massive Schwierigkeiten bei der Erfüllung ihrer ureigensten Aufgaben - von der Erhaltung der Infrastruktur über den Betrieb von Kindergärten bis hin
zu Freizeiteinrichtungen - sind die Folge.

Aus unserer Perspektive ergibt sich dadurch ein dramatisches Bild - der Finanzminister scheint nicht in
der Lage oder willens zu sein, seriöse Zahlen zu liefern. Sollten im Finanzministerium tatsächlich keine Zahlen vorliegen, wie hoch die Einnahmenausfälle und damit die Verluste der Gemeinden sein
werden, bedeutet das, dass auch der Bundeskanzler keine validen Daten haben kann. Den Schluss,
dass hier Zahlenmaterial fehlt, legen zumindest die folgenden parlamentarischen Anfragen, deren Beantwortungen und Besprechungen derselben nahe:

-          Anfrage 3760/J vom 30. April 2020 mit der Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 vom 30.06.2020

-        Dringliche Anfrage 3779/J-BR/2020 mit der Beantwortung in der Sitzung am 24. Juni 2020

-          Anfragebesprechung betreffend 3486 zu 3760/J BMF am 2. Juli 2020

Bei all diesen Gelegenheiten war der Finanzminister nicht in der Lage oder willens, Antworten zu
geben und konkrete Zahlen zu nennen, sondern wiederholte teilweise wortident die Formulierungen,
die sich beispielsweise in den stenographischen Protokollen bzw. der schriftlichen Beantwortung auch öffentlich wiederfinden:

 - Vorläufiges stenographisches Protokoll der Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch den Finanzminister in der 908. Sitzung des Bundesrates am 24. Juni 2020:

.                     https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/BRSITZ/BRSITZ 00908/A -

15_27_03_00220454.pdf

-          Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 zu Anfrage 3760/J vom 30. Juni 2020: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/AB-BR/AB-BR 03486/imfname_807359.pdf

-          Vorläufiges stenographisches Protokoll der Antwort auf die Besprechung der schriftlichen Beantwortung 3486/AB-BR/2020 der Anfrage 3760/J vom 30. Juni 2020 in der 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/BRSITZ/BRSITZ 00909/A – 14_31_18_00221218.pdf

Als sozialdemokratische Bundesrätlnnen halten wir diese Art der Beantwortung für
demokratiepolitisch problematisch, weil damit unsere, als Teil des Parlaments, verfassungsrechtlich verbriefte Funktion - die Kontrolle der Organe der Vollziehung, also der Regierung - erschwert wird.
Auf diesen Umstand wies auch Bundesrat und Bürgermeister Dominik Reisinger hin, was ihm Seitens
des Finanzministers den Vorwurf der Unredlichkeit einbrachte. Konkrete Zahlen wurden in derselben
Rede des Ministers indes nicht genannt. Das ist auch der Grund, weshalb die Besprechung der Anfragebeantwortung mit Mehrheit nicht zur Kenntnis genommen wurde.

Letztlich bleiben seit Wochen zu viele Fragen offen, daher stellen die unterfertigten Bundesrätlnnen folgende

Anfrage

1.              Das Kommunalinvestitionsgesetz 2020 (KIG 2020) ist kein Konjunkturpaket. Planen Sie bzw. Ihr Ministerium ein Konjunkturpaket für Gemeinden, damit Projekte zur Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft umgesetzt werden können?

2.              Ist Ihnen bzw. Ihrem Ministerium bekannt, wie viele der 2095 Gemeinden in Österreich vom KIG real begünstigt sein werden?

a.         Wenn ja: Wie viele Gemeinden sind das?

b.         Wenn ja: Wie sind diese auf die Bundesländer verteilt?

c.   Wenn ja: Bis wann werden diese mit Zahlungen aus dem KIG 2020 rechnen können?

d.         Wenn nein: Auf Basis welcher Faktoren gehen Sie von der für das KIG budgetierten Summe von rd. 1 Mrd. Euro aus?

3.              Von welchen Annahmen, wie viel Geld aus dem KIG 2020 tatsächlich abgeholt werden wird,
geht Ihr Ressort aus?

a.         Wie hoch ist der Betrag der abgeholt wird?

b.         Was geschieht mit jenen Mitteln, die nicht abgeholt werden können?

c.          Wird der Rahmen des KIG 2020 ausreichen, um alle Gemeinden, die förderungswürdig sind, auch tatsächlich zu bedienen?

d.         Auf Basis welcher Faktoren gehen Sie davon aus, dass das KIG 2020 die Gemeinden
tatsächlich unterstützt?

4.              Planen Sie bzw. Ihr Ministerium ein Hilfspaket, um die sinkenden Ertragsanteile sowie die reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abzugelten?

a.         Wenn ja: Wie könnte ein solches Paket aussehen und wie hoch werden Sie dieses
dotieren?

b.         Wenn ja: Auf Basis welcher Zahlen und Annahmen planen Sie dieses?

c.          Wenn nein: Warum nicht?

5.              Planen Sie bzw. Ihr Ministerium Erleichterungen bei der Darlehensaufnahme und Lösungen bei Leistungsentgelten im Kinderbetreuungsbereich?

6.              Sollen Kommunen die Finanzierung der Kinderbetreuung, Rettungs- und Feuerwehrwesen, Schulerhaltung, Spitäler, Abwasserentsorgung und Wasserversorgung dadurch
aufrechterhalten, dass sie im Falle eines erheblichen Einnahmenentfalls, aufgrund des reduzierten Steueraufkommens, eine Privatisierung dieser Leistungen vorantreiben?

a.         Wenn ja: Wieso halten Sie das für die beste Lösung?

b.         Wenn nein: Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie dagegen?

7.              Welche Maßnahmen planen Sie, um eine Situation wie nach der Finanzkrise 2008, als sich die Investitionen auf Gemeindeebene nur sehr langsam erholten und de facto zehn Jahre
brauchten, um wieder an das Vorkrisenniveau anzuschließen, zu verhindern?

8.              Können Sie ausschließen, dass es zu Privatisierungen der in der Gemeinde befindlichen Dienstleistungen (z.B. Freibäder, Wohn- und Geschäftsgebäude) kommt?

a. Wie werden Sie eine mögliche Ausgliederung der Dienstleistungen von der öffentlichen in die private Hand verhindern?

9.              Gibt es konkrete Pläne, wie in Zukunft der Finanzausgleich gestaltet werden soll?

a.        Wenn ja: Umreißen Sie diese bitte.

b.        Wenn nein: Warum nicht?

10.          Wie stehen Sie bzw. Ihr Ministerium zu einem aufgabenorientierten Finanzausgleich?

11.           Sie haben darauf verwiesen, dass Gemeinden nach aktueller Rechtslage nur über den Weg der Kreditoperationen der Länder im Sinne des § 2 Abs. 4 Bundesfinanzierungsgesetz die
Möglichkeit hätten, Geld bei der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA)
aufnehmen zu können. Gibt es Überlegungen in Ihrem Haus, dass Gemeinden über die ÖBFA,
direkt Finanzmittel aufnehmen können?

a.        Wenn ja: Welche?

b.        Wenn ja: Bis wann werden Sie dem Nationalrat und dem Bundesrat einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem das möglich wird?

c.        Wenn nein: Aus welchen konkreten Gründen nicht?

12.           Gedenken Sie, bzw. ihr Ministerium in Zukunft sicherzustellen, dass Gemeinden unabhängig von der politischen Partei des Bürgermeisters, gleichmäßig Landeszuwendungen und -Zuschüsse
erhalten?

a.        Wenn ja: Wie gedenken Sie das sicherzustellen?

b.        Wenn ja: Bis wann ist mit der Umsetzung zu rechnen?

c.        Falls nicht: Warum nicht?

13.          Vor einigen Wochen wurde in Niederösterreich die Abrechnung der Abgabenanteile an die Gemeinden übermittelt. Es wurde zunehmend bekannt, dass hier Rückzahlungen zu leisten sind, während andererseits das Kommunalinvestitionsgesetz 2020 Ausgaben fordert, die dann zu maximal 50 Prozent vom Bund übernommen werden. Ist Ihnen bzw. Ihrem Ministerium dieser Umstand bekannt?

a.       Wenn ja: Welche Bedeutung haben solche Rückzahlungen für den Länderfinanzausgleich?

b.       Wenn ja: Wie schätzen Sie solche Maßnahmen mit Blick auf fehlende Finanzmittel auf Gemeindeebene ein?

c.       Wenn ja: Was tun Sie konkret dagegen, um weitere derartige Ausfälle auf Seiten der Gemeinden zu verhindern?

d.       Wenn nein: Wieso nicht, nachdem wir Sie bereits Ende Juni 2020 darauf hingewiesen
haben?

14.           Erscheint es Ihnen, als zuständigem Minister, nicht als kontraproduktiv, in einer finanziell angespannten Situation, in der Gemeinden um ihre Finanzmittel fürchten, auch noch Rückzahlungen zu fordern?

15.          Existieren Informationen oder Annahmen in Ihrem Ministerium, wie viele Gemeinden in Niederösterreich von solchen Rückforderungen des Landes betroffen sind?

a.         Wenn ja: Wie viele Gemeinden sind von derartigen Rückforderungen betroffen?

b.         Wenn ja: Nennen Sie die Gemeinden, die von Rückforderungen betroffen sind.

c.         Wenn ja: Wie hoch ist das Volumen der Rückforderungen in Niederösterreich gesamt?

d.         Wenn ja: Wie hoch ist das Volumen der Rückforderungen in Niederösterreich pro Gemeinde, listen Sie diese auf.

e.         Wenn nein: Wie erklären Sie konkret, dass Ihnen diese Zahlen nicht bekannt sind?

16.          Existieren in Ihrem Ministerium konkrete Informationen, ob auch in anderen Bundesländern ein derartiges Vorgehen gewählt wird?

a.         Wenn ja: In Welchen?

b.         Wenn ja: Nennen Sie die Beträge, die pro Bundesland zurück zu zahlen sind.

c.          Wenn ja: Nennen Sie die Gemeinden, in denen Rückforderungen gegeben sind und nennen
Sie die Höhe derselben.

d.         Wenn ja: Wie gedenken Sie, die Gemeinden zu unterstützen, damit sie hier nicht in einer ohnehin angespannten Situation weiter unter Druck kommen?

e.         Wenn nein: Wieso wählt Niederösterreich hier einen Sonderweg?

f.           Wenn nein: Aus welchen konkreten Gründen ist Ihnen bzw. Ihrem Ministerium das nicht bekannt, nachdem Sie bereits Ende Juni von uns darauf hingewiesen wurden?

17.          Ist es bei einer Rückverrechnung von Ertragsanteilen an das Land nicht so, dass die Gemeinden letztlich Teile des Kommunalinvestitionsgesetz 2020 selbst bezahlen?

a.         Wenn ja: Ist das von Ihrem Ministerium beabsichtigt?

b.         Wenn ja: Zahlen dann nicht benachteiligte Gemeinden die Förderungen für geförderte Gemeinden?

18.          Die Einschätzung der in Frage 17 thematisierten Effekte fällt, nachdem es das Kommunalinvestitionsgesetz 2020 betrifft, welches ein Bundesgesetz ist, eindeutig in den Vollziehungsbereich des Bundes. Inwiefern sehen Sie hier keine Kompetenz darauf einzugehen,
wie in der Beantwortung der Dringlichen Anfrage vom 24. Juni 2020 von Ihnen mitgeteilt?