3805/J-BR/2020

Eingelangt am 14.10.2020
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ANFRAGE

 

des Bundesrates Markus Leinfellner

und weiterer Bundesräte

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Gefängnisausbruch in Graz-Karlau

 

Was vier Insassen in der Justizanstalt Graz-Jakomini im Juli dieses Jahres misslang, haben drei Häftlinge der Justizanstalt Graz-Karlau am vergangenen Wochenende tatsächlich geschafft. In der Nacht auf Samstag sind drei inhaftierte Männer aus einem der vermeintlich bestbewachten Gefängnisse Österreichs ausgebrochen.

 

„Den Ermittlungen zufolge haben die Ausbrecher ein etwa 30 mal 30 Zentimeter großes Loch in die Wand geschlagen. Durch dieses konnten sie in Folge aus dem dritten Stock entkommen. Die Häftlinge haben dafür mehrere Leintücher zu einem Seil zusammengebunden und konnten sich zwölf Meter in Richtung Freiheit abseilen“, berichtete die „Kleine Zeitung“ am 10. Oktober 2020. Danach überkletterten die Ausbrecher einen Vorfeldzaun, wobei der Alarm ausgelöst wurde, erörterte der stellvertretende Leiter der Justizanstalt Gerhard Derler den Coup. „Schließlich konnten sie auch noch die hohe Schutzmauer, die die Grazer Karlau umgibt, mittels Seil bezwingen. Doch die Betroffenen wurden wenig später unverletzt festgenommen und zurück ins Gefängnis gebracht.“ (Quelle: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/5880230/Ausbruch-in-GrazKarlau_Drei-Insassen-haben-sich-ueber-12-Meter-in)

 

Bei den Tatverdächtigen handelte es sich um drei Männer, zwei Tschetschenen und ein Rumäne (19, 21 und 26 Jahre), die wegen Eigentumsdelikten inhaftiert und bisher in einem Haftraum untergebracht waren. Sie hatten noch ein bis drei Jahre abzusitzen. Nach deren Flucht und neuerlichen Verhaftung sollen sie getrennt voneinander untergebracht und besondere Schutzmaßnahmen über sie verhängt worden sein. Laut „ORF Steiermark“ hätten die jungen Männer bei ihrer Einvernahme nur wenige – und widersprüchliche – Antworten gegeben. Nach wie vor stehen die Ermittler vor einer Reihe offener Fragen, weswegen weitere Befragungen nötig sind. „Wie es unbemerkt zu der 30 mal 30 Zentimeter großen Öffnung kommen konnte, war am Sonntag noch ein großes Rätsel. Immerhin ist die Mauer in diesem Bereich 70 Zentimeter dick, wie der stellvertretende Anstaltsleiter Gerhard Derler schilderte: ‚Der Trakt stammt aus dem 19. Jahrhundert, es handelt sich um eine Ziegelmauer. Wir haben keine Erfahrung, wie lange es dauert, um diese Arbeit zu verrichten.‘ Auch konnte noch nicht geklärt werden, mit welchem ‚Werkzeug‘ gearbeitet wurde: ‚Messer, Löffel, Kochgeschirr, Teile von den Stahlrohrbetten, oder den Sesseln – alles kann infrage kommen und wird jetzt genau angeschaut‘, so Derler.“ Die Häftlinge, die am Sonntag einvernommen wurden, haben dazu keine Auskunft gegeben. Die Bediensteten der Justizanstalt seien noch nicht befragt worden. Hier wird noch zu klären sein, wie die Kontrollgänge stattgefunden haben und die Hafträume beobachtet wurden. Auch weitere Insassen sollen noch befragt werden. (Quelle: https://steiermark.orf.at/stories/3070870/)

 

Insgesamt waren bei dem nächtlichen Großeinsatz am Samstag gegen 3 Uhr früh zwölf Polizeistreifen mit rund 30 Beamten unterwegs. Verstärkt wurden sie im Rahmen einer sogenannten Netzplanfahndung von Justizwachebeamten. Nähere Informationen zu den Kosten des Polizeieinsatzes, zur Zellensituation der Justizanstalt Graz-Karlau sowie zu den nun verhängten besonderen Schutzmaßnahmen sind nicht bekannt. In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Bundesräte an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Wie erklären Sie sich den Umstand, dass es drei Häftlingen gelang, aus dem Hochsicherheitsgefängnis Graz-Karlau auszubrechen?

2.    Sehen Sie in dem gelungenen Gefängnisausbruch bauliches, technisches oder menschliches Versagen und wenn ja mit welcher Begründung?

3.    Könnte der Ausbruch Ihrer Ansicht nach auf zu wenig Sicherheitspersonal zurückzuführen sein?

4.    Wie viele Beamte sorgen derzeit für die Sicherheit in der Justizanstalt Graz-Karlau und ist das Sicherheitspersonal ausreichend?

5.    Ist in naher Zukunft eine Aufstockung des Personals in der Justizanstalt Graz-Karlau vorgesehen?

6.    Wenn ja, in welchem Umfang?

7.    Wenn nein, warum nicht?

8.    Entspricht der Trakt, in dem die drei Häftlinge untergebracht waren, bzw. die Justizanstalt insgesamt noch den baulichen und technischen Anforderungen eines Hochsicherheitsgefängnisses?

9.    Wenn ja, wie und mit welchem „Werkzeug“ (Besteck, Kochgeschirr, Möbelteile etc.) konnte dann unbemerkt ein 30 mal 30 Zentimeter großes Loch in eine 70 Zentimeter dicke Ziegelwand geschlagen werden?

10.  Wenn nein, soll in naher Zukunft in die bauliche und/oder technische Ausstattung der Justizanstalt Graz-Karlau investiert werden und wenn ja, in welcher Höhe?

11.  In Ihrer Anfragebeantwortung vom 16. September 2020 (3517/AB-BR/2020) berichten Sie über eine General- und Funktionssanierung des Zellentraktes 1 in der Justizanstalt Graz-Karlau – welche konkreten Sanierungen sollen dort wann vorgenommen werden?

12.  Handelt es sich bei dem Trakt, in dem die drei Häftlinge untergebracht waren, um den in Ihrer Anfragebeantwortung vom 16. September 2020 erwähnten „Zellentrakt 1“?

13.  Wie viele Justizwachebeamten waren bei der sogenannten Netzplanfahndung im Einsatz und verlief dieser nach Plan?

14.  Verursachte der Einsatz zusätzliche Personalkosten und wenn ja, in welcher Höhe?

15.  Warum waren die drei Männer in einem Haftraum untergebracht?

16.  Welche „besonderen Schutzmaßnahmen“ wurden nach der neuerlichen Verhaftung – abgesehen von der getrennten Unterbringung – über die drei Ausbrecher verhängt?

17.  Haben die drei Häftlinge nach deren Ausbruch mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen und wenn ja, mit welchen?

18.  Wie gestalten sich die kolportierten „strengeren Sicherheitsvorkehrungen“ des Hochsicherheitsgefängnisses Graz-Karlau im Vergleich zu anderen österreichischen Justizanstalten konkret?

19.  Wie viele Häftlinge sind derzeit in der Strafvollzugsanstalt Graz-Karlau untergebracht?

20.  Wie viele davon teilen sich einen Haftraum?

21.  Wie viele Hafträume gibt es für besonders gefährliche Insassen und sind diese ausreichend?

22.  Sollen in naher Zukunft mehr besonders gesicherte Hafträume in der Justizanstalt Graz-Karlau installiert werden und wenn ja, wie gestalten sich allfällige dahingehende Pläne?