37/MT-BR/2016

M I T T E I L U N G

an die Europäische Kommission, den Rat und das Europäische Parlament

gemäß Art. 23f Abs. 4 B-VG

des EU-Ausschusses des Bundesrates

vom 30. März 2016

 

 

COM(2015) 634 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte

 

und

 

COM(2015) 635 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren

 

 

Mitteilung gemäß Art. 23 f Abs. 4 B-VG

 

Mit der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren soll im Wesentlichen ein neues Gewährleistungsregime für den Warenkauf im Fernabsatz eingeführt werden.

 

Die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte soll Vorschriften über die Konformität digitaler Inhalte, über Abhilfen, die VerbraucherInnen bei Bereitstellung nicht vertragsgemäßer digitaler Inhalte zustehen, und über das Recht auf Beendigung langfristiger Verträge sowie auf einseitige Änderung bestehender Verträge vollharmonisieren.

 

Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat den Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren, insbesondere auch unter dem Blickwinkel der einerseits UnternehmerInnen wie VerbraucherInnen andererseits betreffenden Aspekte geprüft und kommt zum Schluss, dass der gegenständliche Entwurf abzulehnen ist.

 

Aus Sicht des EU-Ausschusses des Bundesrates würde das vorgeschlagene Instrument zu einem komplizierten und parallelen Gewährleistungsregime führen, das sachlich nicht gerechtfertigt ist. Das Gewährleistungsrecht ist im UnternehmerInnen-VerbraucherInnen-Bereich durch die Verbrauchsgüterkauf-RL ohnehin bereits mindestharmonisiert, sodass der von dieser Richtlinie inhaltlich abweichende Vorschlag für ein spezifisches Gewährleistungsregulativ zu einer unnötigen und sehr bedenklichen Rechtsfragmentierung führen würde. Andererseits bestehen große Vorbehalte gegenüber dem Vollharmonisierungsansatz.

 

Es ist einerseits zu befürchten, dass es im Rahmen der Vollharmonisierung zu einem sachlich nicht berechtigten Hinaufschrauben des Verbraucherschutzstandards kommen könnte, so etwa – wie im Vorschlag bereits vorgesehen - zu einer längeren Vermutungsfrist für das Vorliegen eines Mangels bei Übergabe (zwei Jahre statt sechs Monaten) oder zu einem Recht auf Wandlung des Vertrags auch bei geringfügigen Mängeln. VerbrauchervertreterInnen warnen wiederum vor der „Sperrwirkung“ einer vollharmonisierten Rechtslage, sodass geltendes Verbraucherschutzniveau abgesenkt werden könnte (z.B. Einführung einer – momentan im Entwurf nicht vorgesehenen – Rügepflicht).

 

Zudem haben die Verhandlungen zur Verbraucherrechte-RL gezeigt, dass die Vorschriften über die Gewährleistung aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten und Institutionen nicht sinnvoll vollharmonisiert werden konnten. Dies gilt es insbesondere angesichts der Pläne der EK, nach Abschluss der Evaluierung der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie den Richtlinienentwurf auf den klassischen stationären Einzelhandel auszudehnen, zu bedenken.

 

Auch gegen den zweiten Vorschlag über bestimmte Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte bestehen Vorbehalte, obgleich hier einzuräumen ist, dass auf europäischer Ebene in diesem Bereich noch keine einheitlichen Vorschriften existieren. Allerdings enthält der Entwurf zahlreiche Unstimmigkeiten und Unklarheiten, sodass eine genaue Analyse und Überarbeitung der Bestimmungen erforderlich sein wird. Grundsätzlich  ist es begrüßenswert, EU-weit ein angemessenes Niveau für den Verbraucherschutz bei der Bereitstellung von digitalen Produkten sicherzustellen. Allfällige Rechtslücken im Bereich des Gewährleistungsrechts könnten – so wie nach der österreichischen Rechtslage – auch mit einer bloßen Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Verbrauchergüterkauf-RL auf Verträge über digitale Inhalte geschlossen werden.

 

Fragen stellen sich insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung der Regelungen des Entwurfs von oder ihrer Vereinbarkeit mit anderen unionsrechtlichen Vorschriften im Bereich des Verbraucherschutz-, Urheber- und Datenschutzrechts. Innovativ, aber gleichzeitig nicht unproblematisch ist der weite Anwendungsbereich, der sich auch auf Verträge erstrecken soll, bei denen der Verbraucher „aktiv eine andere Gegenleistung als Geld in Form von personenbezogenen oder anderen Daten“ erbringt. Der durch die Richtlinie gewährte Schutz soll daher Verbrauchern auch dann zu Gute kommen, wenn sie digitale Inhalte gegen die Preisgabe von Daten erhalten.

 

Aufgrund des weitgehenden Verzichts auf zwingende objektive Kriterien bei der Formulierung der primären Voraussetzungen für die Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte ist ein Nachteil für VerbraucherInnen zu befürchten. Dadurch haben es die AnbieterInnen digitaler Inhalte nämlich in der Hand, sich ihren Gewährleistungspflichten durch negative oder niedrig angesetzte Leistungsumschreibungen im Rahmen des Vertrags weitgehend zu entziehen.

 

Unter anderem unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit ist der gänzliche Entfall einer Gewährleistungsfrist problematisch. Die Mitgliedstaaten können aber auf nationale Verjährungsvorschriften zurückgreifen, um „für Rechtssicherheit zu sorgen“.  Die vorgesehene Ausgestaltung der Beweislastregelung sollte mit Blick auf eine insgesamt faire und ausgewogene Lösung noch einer eingehenden Prüfung unterzogen werden.

 

Schließlich sind die Regelungen über den Schadenersatz insbesondere unter Berücksichtigung des Vollharmonisierungsprinzips unklar und missverständlich formuliert, sodass dieser Bereich nach Ansicht des EU-Ausschusses des Bundesrates gänzlich den Mitgliedstaaten überlassen bleiben sollte.