2/SB-BR/2012

 

B E G R Ü N D E T E    S T E L L U N G N A H M E

 

des EU-Ausschusses des Bundesrates

vom 1. Februar 2012

 

gemäß Art. 23g Abs. 1 B-VG in Verbindung mit Art. 6 des Protokolls Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit

 

KOM (2011) 897 endg.

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe

 
 

A. Stellungnahme

Das gegenständliche Vorhaben ist mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar.

 

B.   Begründung

Nach mehrmaliger Neuterminierung hat die Europäische Kommission am 20. Dezember 2011 einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen (KOM(2011)897) veröffentlicht. Dieser umfasst die Vergabe von Dienstleistungs- und von Baukonzessionen und wurde zeitgleich mit Vorschlägen zur Änderung der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18 und der Vergabesektorenrichtlinie 2004/17 verabschiedet. Konzessionen unterscheiden sich von öffentlichen Aufträgen im Wesentlichen dadurch, dass die LeistungserbringerInnen nicht von der öffentlichen Hand entlohnt werden, sondern sich direkt über NutzerInnen der Leistung refinanzieren.

 

Mit dem Richtlinienvorschlag geht die EU-Kommission deutlich über die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Regeln für die Erteilung von Konzessionen hinaus. Aus der EuGH-Rechtsprechung ergibt sich schon heute klar, dass Konzessionen den Grundsätzen des europäischen Primärrechts (Nichtdiskriminierung, Transparenz, Binnenmarkt, Wettbewerb) unterliegen. Der EuGH hat in der Vergangenheit schon ausreichende Konkretisierungen für die Übertragung von Dienstleistungskonzessionen sowie europaweiter Begrifflichkeiten vorgenommen, wodurch kein – wie von der Kommission diagnostizierter – rechtsfreier Raum vorliegt. In diesem Sinne hat sich auch der Bericht des Europäischen Parlaments (EP) zum Öffentlichen Auftragswesen, welcher im EP am 18. Mai 2011 mit großer Mehrheit angenommen wurde, gegen einen europäischen Rechtssetzungsakt zu Dienstleistungskonzessionen ausgesprochen.

 

Grundsätzlich wird auf Artikel 5 EUV verwiesen, nach dem die Europäische Union nur tätig werden kann, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Jene auch vom Richtlinienvorschlag umfassten Dienstleistungskonzessionen stehen regelmäßig in Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI). Durch den Vertrag von Lissabon (Art. 3 EUV, Art. 14 und 106 AEUV, Protokolle 26 und 27) wurde die besondere Bedeutung der DAWI für die Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhangs betont und weiter Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten festgelegt. Neue Regelungen in diesem Bereich sind daher kritisch zu betrachten. Vor allem auch, da Artikel 4 Abs. 2 Satz 1 EUV vorsieht, dass die Union die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt. Aufgrund der angeführten Bestimmungen des Primärrechts darf den Mitgliedstaaten die Flexibilität nicht durch einen überschießenden Sekundärrechtsakt genommen werden. Dementsprechend sieht auch der Vertrag von Lissabon eine Verantwortung der Mitgliedstaaten vor, im Rahmen ihrer Befugnisse für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse Sorge zu tragen (Art. 14 AEUV). Gleichzeitig betont der Vertrag das Prinzip der kommunalen und lokalen Selbstverwaltung und anerkennt dieses als Bestandteil der nationalen Identität (Protokoll Nr. 9 zum AEUV).

 

Der Bereich, der von Konzessionsvergaben und öffentlich-privaten Partnerschaften betroffen ist, ist in der Regel nicht mit anderen Wirtschaftssektoren vergleichbar. Grundsätzlich sind diese Verträge charakteristisch für oligopolistische oder monopolistische Märkte, die nicht ohne Grund dem staatlich-demokratischen Einfluss vorbehalten werden. Privatisierung oder Einführung von wettbewerbsähnlichen Strukturen bringen in diesem Bereich hohen Regulierungsaufwand mit sich. Die Übertragung von Aufgaben, die häufig Daseinsvorsorgedienstleistungen umfassen, ist auch deshalb problematisch, weil sie eben gerade nicht den allgemeinen betriebswirtschaftlichen Regeln untergeordnet werden sollen. Betroffen sind davon einerseits Dienstleistungen, die für alle zu leistbaren Preisen zur Verfügung stehen sollen, die ein im Wettbewerb stehendes Unternehmen mangels Kostendeckung nicht anbieten würde. Andererseits sind es Sektoren, die durch Netzproblematik gekennzeichnet sind, wo ein Wettbewerb der Netze volkswirtschaftlich nicht sinnvoll wäre und einer Vergeudung von Ressourcen gleichkäme.

 

Eine Umsetzung des Vorschlags könnte erhebliche Auswirkungen auf die Strukturen kommunaler Aufgabenerbringung, vor allem im Bereich der kommunalen Wasserwirtschaft haben. Hier ist es gerade in Österreich üblich, diese Aufgaben in kommunalen Kooperationsformen, vor allem in Gemeindeverbänden zu erbringen. Mit dem jetzt unterbreiteten Richtlinienvorschlag verfolgt die EU-Kommission ihre Pläne fort, den Wasserbereich zumindest teilweise zu liberalisieren. Für eine direkte Marktöffnung fehlt zwar nach wie vor der politische Wille in den Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament. Genutzt wird daher das Instrument des Wettbewerbs- und insbesondere des Vergaberechts.

 

„Schwerwiegende Verzerrungen des Binnenmarktes“ sowie „ein Mangel an Rechtssicherheit und eine Abschottung der Märkte“ werden von der Kommission in der Begründung des Rechtsaktes lediglich behauptet, jedoch nicht belegt. Nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass beim Abschluss von Dienstleistungskonzessionsverträgen in der Regel keine öffentlichen Gelder verwendet werden, da die Gegenleistung nicht durch die öffentliche Hand, sondern durch die Dienstleistungsempfänger direkt erfolgt. Die Kommission kann vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar darlegen, warum eine Regelung erforderlich ist. Nicht nachvollziehbar ist die einseitig marktwirtschaftliche Ausrichtung des Rechtsaktes oder auch das Vorsehen einer derart detailreichen Regelung: Zusätzliche Bestimmungen zu technischen Spezifikationen, Auswahlkriterien und Veröffentlichungserfordernissen würden zu einem unverhältnismäßigem bürokratischen Aufwand führen.