3/SB-BR/2012

 

 

B E G R Ü N D E T E    S T E L L U N G N A H M E

 

des EU-Ausschusses des Bundesrates

vom 24. Mai 2012

 

gemäß Art. 23g Abs. 1 B-VG in Verbindung mit Art. 6 des Protokolls Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit

 

 

 

COM(2012) 150 final

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 1999/4/EG, 2000/36/EG, 2001/111/EG, 2001/113/EG und 2001/114/EG in Bezug auf die der Kommission zu übertragenden Befugnisse

 
 

A.       Stellungnahme

Das gegenständliche Vorhaben ist mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar.

 

B.       Begründung

 

Die Europäische Kommission besitzt nach den Verträgen fast keine eigenständige Rechtssetzungsbefugnis. Sekundärrechtsakte, also detaillierte Regelungen, die zwar als Basisrechtsakte im Rat bzw. im Rat und Parlament verabschiedet wurden, deren Behandlung im Rat aufgrund des Detaillierungsgrades nicht sinnvoll sind, sind daher im Rahmen der Artikel 290 und Art. 291 AEUV vom Rat zurück an die Europäische Kommission verwiesen. Zwar ist  Verwendung von Durchführungsrechtsakten (Komitologie) ein sehr praktikables Instrument für die Behandlung von komplexen Regelungen, sie wirft aber dennoch die Frage auf, in wie weit solche Regelungen noch demokratisch sind oder gar dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen.Die Mitgliedstaaten haben nur in sehr unklarer Weise die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben.

Im vorliegenden Vorschlag der Europäischen Kommission wird von einer „neuen Philosophie“ und einer dementsprechenden Anpassung der Regelungen zu den Durchführungsbefugnissen gesprochen. Die Prüfung der Europäischen Kommission in Sachen Folgenabschätzung wurde von Seiten der Kommission als nicht notwendig erachtet. Auch hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips wurde festgestellt, dass der Vorschlag in den Bereich der geteilten Zuständigkeit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten falle und somit dem Subsidiaritätsprinzip entspreche. Diese Ansicht wird vom EU Ausschuss des Bundesrates nicht geteilt.

Es ist aus der Sicht der Bundesräte nicht endgültig geklärt, ob die am 27. April 2012 im Amtsblatt veröffentlichte Fruchtsaft-Richtlinie die Bestimmung der Verkehrsbezeichnungen für Lebensmittel immer noch bei den Mitgliedstaaten belässt und in wie weit sich dahin gehend Änderungen ergeben.

Die Möglichkeit für delegierte Rechtsakte gem. Art 290 AEUV steht in einem offenkundigen Spannungsverhältnis zu den den nationalen Parlamenten eingeräumten Befugnissen zur Subsidiaritätsprüfung. Art. 290 AEUV ist daher restriktiv auszulegen.

Der vorliegende Vorschlag geht weit darüber hinaus: Entgegen Art. 290 AEUV wird keine Dauer für die Befugnis der Kommission zur Erlassung delegierter Rechtsakte festgelegt sondern diese Befugnis zwar widerruflich aber ohne konkrete Befristung eingeräumt. Ziel und Inhalt bleiben völlig unbestimmt, lediglich der Gegenstand – technische Merkmale, Verkehrsbezeichnungen und Definitionen – werden genannt. Dies eröffnet der Kommission eine nicht hinreichend determinierte Rechtsgestaltungsbefugnis in Bereichen, die etwa im Zusammenhang mit traditionellen oder regionalen Bezeichnungen substanziell in die Durchführungsbefugnisse der Mitgliedstaaten eingreifen können. Schließlich sollen in der Vorbereitung dieser Rechtsakte zwar Sachverständige konsultiert werden, aber es ist nicht einmal festgelegt, dass die Mitgliedstaaten oder die nationalen Parlamente Sachverständige für diese Konsultation nominieren können.

Nach dem europäischen Rechtsgrundsatz potestas delegata non delegatur und im Hinblick auf die Konzeption der Verträge für die Zuständigkeiten der Union nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung steht es dem Rat und dem Europäischen Parlament aber nicht frei, durch die Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen an die Kommission die Subsidiaritätsprüfung durch die nationalen Parlamente auszuschalten. Genau das soll aber aufgrund des vorliegenden Vorschlags geschehen.

Aus diesen Gründen ist aus der Sicht des Bundesrates der vorliegende Vorschlag nicht mit dem in Art. 5 EUV verankerten Prinzip der Subsidiarität vereinbar.