Schriftliche Information des Bundesministers für Justiz

gem. § 6 Abs 3 EU-Informationsgesetz

 

 

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren

(Dok. Nr. COM [2015] 635 final)

 

1.    Inhalt des Vorhabens

 

·        Geltende Rechtslage

 

Vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren sind im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz geregelt. Dieses Gesetz enthält Vorschriften zum Rücktritt des Verbrauchers und zu den Informationspflichten des Unternehmers. Im Fall einer Lieferung von mangelhaften Waren gilt das allgemeine Gewährleistungsregime (§§ 922 ff ABGB), welches auf einer Umsetzung der Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44/EG basiert.

 

·        Vorschlag der EK – allgemein

 

Nach Auffassung der Europäischen Kommission sei der europäische Markt für den elektronischen Handel in der gesamten Einzelhandelsbranche in den vergangenen Jahren rasant gewachsen und stelle eine der wichtigsten Triebfedern für das gesamte Wachstum in der Europäischen Union dar. Er verfüge über erhebliches Potenzial, das noch nicht erschlossen worden sei. Statt die Chancen, die der elektronische Handel biete, in vollem Umfang zu nutzen, seien Unternehmen und Verbraucher zu häufig auf ihre eigenen nationalen Märkte beschränkt, weshalb die Kommission die „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ angenommen habe, um für zusätzliches Wachstum in Europa zu sorgen.

 

Ein Hauptziel der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt sei, einen besseren Zugang für Verbraucher und Unternehmen zu digitalen Waren und Dienstleistungen in ganz Europa sicherzustellen. Das übergeordnete Ziel der Initiative bestehe darin, zum rascheren Wachstum des digitalen Binnenmarkts zum Nutzen sowohl der Verbraucher als auch der Unternehmen beizutragen.

 

Da die Unterschiede im Vertragsrecht der Mitgliedstaaten den grenzüberschreitenden elektronischen Handel behinderten und die Mitgliedstaaten im Alleingang nicht in der Lage seien, jene Hindernisse abzubauen, die sich aus den unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften ergeben, hat die Kommission – als Nachfolge für die umstrittene Verordnung zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht – am 9. Dezember 2015 einen Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und einen Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren angenommen, die neben dem Vorschlag für eine Verordnung zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt zu den ersten Gesetzesinitiativen gehören, die im Rahmen der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt verabschiedet werden.

 

·        Vorschlag der EK im Detail

 

Mit der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Fernabsatzes von Waren soll im Wesentlichen ein neues Gewährleistungsregime für den Warenkauf im Fernabsatz eingeführt werden. Dadurch sollen Konsumenten europaweit in den Genuss eines hohen Verbraucherschutzniveaus kommen, und es soll gleichzeitig Unternehmen leichter gemacht werden, Waren EU-weit zu verkaufen. Es soll sich dabei um ein vollharmonisiertes Instrument handeln, das heißt, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in innerstaatliches Recht auch nicht zugunsten der Verbraucher von den Regelungen der RL abweichen können. Vorteile für Verbraucher sollen sich dadurch ergeben, dass eine Beweislastumkehr von zwei Jahren (bisher sechs Monate), die Möglichkeit der Wandlung auch bei geringfügigen Mängeln und ein Recht des Verbrauchers auf Zurückbehaltung des Kaufpreises bei Vorliegen von Mängeln vorgesehen sind.

 

2.    Hinweise auf Mitwirkungsrechte des Nationalrates und Bundesrates

 

Mitwirkungsrechte bestehen gemäß Art. 23e ff B-VG.

 

3.    Auswirkungen auf die Republik Österreich einschließlich eines allfälligen Bedürfnisses nach innerstaatlicher Durchführung

 

Die Richtlinie muss, sofern sie auf unionsrechtlicher Ebene beschlossen wird, in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden.

 

4.    Position des/der zuständigen Bundesminister/in samt kurzer Begründung

 

Österreich ist dem Vorgängerprojekt, dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht (GEKR), in der von der Europäischen Kommission präferierten Gestalt eines optionalen Regelungsinstruments von Beginn an kritisch gegenübergestanden, unter anderem auch aufgrund einer Subsidiaritätsrüge des österreichischen Parlaments. Nunmehr legt die Europäische Kommission zwei vollharmonisierte Richtlinien, nämlich die Richtlinie über Online-Warenhandel und die Richtlinie zu Verträgen über digitale Inhalte, mit – im Vergleich zum GEKR – sehr eingeschränktem Inhalt vor.

 

Die ersten nationalen Koordinierungsgespräche haben ergeben, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission über den Fernabsatz von Waren sowohl von Unternehmer- als auch von Verbrauchervertretern abgelehnt wird. Einerseits würde das vorgeschlagene Instrument zu einem komplizierten und parallelen Gewährleistungsregime führen, das sachlich nicht gerechtfertigt ist. Das Gewährleistungsrecht ist im Unternehmer-Verbraucher-Bereich durch die Verbrauchsgüterkauf-RL ohnehin bereits mindestharmonisiert, sodass der von dieser Richtlinie inhaltlich abweichende Vorschlag für ein spezifisches Gewährleistungsregulativ zu einer unnötigen und sehr bedenklichen Rechtsfragmentierung führen würde. Andererseits bestehen große Vorbehalte gegenüber dem Vollharmonisierungsansatz. Vertreter der Wirtschaft befürchten, dass es im Rahmen der Vollharmonisierung zu einem sachlich nicht berechtigten Hinaufschrauben des Verbraucherschutzstandards kommen könnte, so etwa zu einer Beweislastumkehr von zwei Jahren (statt bisher sechs Monaten). Verbrauchervertreter warnen wiederum vor der „Sperrwirkung“ einer vollharmonisierten Rechtslage, sodass geltendes Verbraucherschutzniveau abgesenkt werden könnte (zB Einführung einer Rügepflicht). Zudem haben die Verhandlungen zur Verbraucherrechte-RL gezeigt, dass die Vorschriften über die Gewährleistung aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten und Institutionen nicht sinnvoll vollharmonisiert werden konnten.

 

5.    Angaben zu Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität

 

In diese Richtung bestehen keine begründbaren Bedenken (wohl aber inhaltlicher Art).

 

6.    Stand der Verhandlungen inklusive Zeitplan

 

Die Kommission veröffentlichte den Vorschlag am 9. Dezember 2015. Der niederländische Vorsitz beabsichtigt, zunächst den Vorschlag zu den digitalen Inhalten vorrangig zu behandeln und die Diskussion über den Warenhandel im Fernabsatz erst nach Vorliegen der Evaluierung der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie im Rahmen des REFIT-Programms (wohl erst gegen Ende des Jahres 2016) zu vertiefen.