SCHRIFTLICHE INFORMATION gemäß § 6 EU-InfoG

zu Top 2 der Tagesordnung des

EU-Ausschusses des Bundesrates am 13. März 2018

 

1.      Bezeichnung des Dokuments

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (COM(2017) 797 final)

 

2.      Inhalt und Ziel der Vorlage

Das übergeordnete Ziel des Richtlinienvorschlags ist es, sichere und verlässliche Beschäftigung zu fördern und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu erhalten und die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Geltungsbereich (Artikel 1): Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass diese Richtlinie nicht für Arbeitnehmer/innen gilt, die im Bezugszeitraum von einem Monat ein Arbeitsverhältnis von bis zu 8 Stunden haben. Die Ausnahmeregelung ist nicht auf Beschäftigungsverhältnisse anwendbar, bei denen vor dem Beschäftigungsbeginn kein garantierter Umfang bezahlter Arbeit festgelegt ist.

Begriffsbestimmungen (Artikel 2): Arbeitnehmer/in ist eine natürliche Person, die während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für dies sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Die Kriterien beruhen auf der Rechtsprechung des EuGH. Es fallen auch Arbeitnehmer/innen in atypischen Beschäftigungsformen darunter, solange die Kriterien erfüllt sind. Weiters werden die Begriffe des/der „Arbeitgebers/in“, „Beschäftigungsverhältnis“, „Arbeitszeitplan“ und „Referenzstunden und Referenztage“ bestimmt, sowie die Ausdrücke „Kleinstunternehmen“, „Kleine Unternehmen“ und „mittlere Unternehmen“ festgelegt.

Pflicht zur Unterrichtung (Artikel 3): Die Informationspflicht aus der Richtlinie 91/533/EWG wird um weitere Mindestanforderungen (gegebenenfalls Probezeit, gegebenenfalls Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung, Modalitäten und Vergütung von Überstunden, Informationen über den Arbeitszeitplan für Arbeitnehmer/innen mit sehr veränderlichen Arbeitszeitplan, sowie Angaben zum Sozialversicherungsträger) ergänzt.

Zeitpunkt und Form der Unterrichtung (Artikel 4): Die Informationen sind dem/der Arbeitnehmer/in individuell spätestens am ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses bereit zu stellen.

Die Mitgliedstaaten haben Modelle oder Vorlagen für die schriftliche Erklärung zu entwickeln und die Information über Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. die einschlägigen Kollektivverträge in leicht zugänglicher Form bereitzustellen.

Änderungen des Beschäftigungsverhältnisses (Artikel 5): Änderungen der Arbeitsbedingungen gemäß Artikel 3 müssen schriftlich ergehen und spätestens an dem Tag ihres Wirksamwerdens mitgeteilt werden.

Zusätzliche Information für ins Ausland entsandte oder geschickte Arbeitnehmer/innen (Artikel 6): Die Bestimmungen werden an die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 96/71/EG und 2014/67/EU angepasst. Die Verpflichtungen gelten nur, wenn die Dauer des Arbeitszeitraums im Ausland mehr als vier aufeinanderfolgende Wochen beträgt, es sei denn der Mitgliedstaat bestimmt etwas anders.

 

Höchstdauer der Probezeit (Artikel 7): Die Höchstdauer einer Probezeit beträgt sechs Monate. Ausnahmen sind möglich, in Fällen in denen dies gerechtfertigt ist.

Mehrfachbeschäftigung (Artikel 8): Diese darf vom/von der Arbeitgeber/in nicht verboten werden. Unvereinbarkeitskriterien können allerdings aus legitimen Gründen festgelegt werden.

Mindestplanbarkeit der Arbeit (Artikel 9): Arbeitnehmer/innen mit veränderlichen Arbeitszeiten, die größtenteils vom/von der Arbeitgeber/in bestimmt werden, müssen im Vorhinein erfahren, wann ihre Arbeit vom/von der  Arbeitgeber/in angefragt werden kann.

Übergang zu einer anderen Beschäftigungsform (Artikel 10): Der/die Arbeitnehmer/in kann, sofern möglich, ab sechs monatiger Beschäftigung um Übergang zu einer Beschäftigungsform mit verlässlicheren und sichereren Arbeitsbedingungen ersuchen. Der/die Arbeitgeber/in hat innerhalb eines Monates eine schriftliche Antwort zu erstellen. Die Frist kann bei natürlichen Personen, die als Arbeitgeber/in fungieren, bei Kleinstunternehmen sowie bei kleinen und mittleren Unternehmen vom Mitgliedstaat auf drei Monate verlängert werden.

Fortbildung (Artikel 11): Arbeitnehmer/innen haben ein Recht auf kostenfreie Fortbildung, wenn der/die Arbeitgeber/in aufgrund von Unions- oder nationalen Rechtsvorschriften oder aufgrund von Kollektivverträgen verpflichtet ist, Arbeitnehmer/innen eine Fortbildung anzubieten, damit diese ihre Aufgaben ausführen können.

Tarifverträge (Artikel 12): Die Mindeststandards der Artikel 7-11 können im Wege von Kollektivverträgen geändert werden, solange der Schutz der Arbeitnehmer/innen insgesamt gewahrt bleibt.

 

Einhaltung der Vorschriften (Artikel 13): Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass Einzel- und Kollektivverträge, Betriebsordnungen oder sonstige Vereinbarungen mit den

Bestimmungen der Richtlinie in Einklang gebracht werden.

Rechtsvermutung und Verfahren für eine frühzeitige Streitbeilegung (Artikel 14): Sofern der/die Arbeitnehmer/in dieses Versäumnis nicht innerhalb von 15 Tagen nachdem er/sie davon unterrichtet wurde abstellt, gibt es zwei alternative Möglichkeiten. Entweder es kommt zur günstigeren Vermutung für den/die Arbeitnehmer/in, oder es muss der Zugang zu einem Verwaltungsverfahren bzw. die Möglichkeit einer Beschwerde an eine Behörde gewährt werden, die befugt ist, den Sachverhalt festzustellen.

Anspruch auf Rechtsbehelfe (Artikel 15): Der Zugang zu einer wirkungsvollen und angemessenen Entschädigung muss sichergestellt werden, wenn die aus der Richtlinie zustehenden Rechte verletzt sind.

Schutz vor Benachteiligung oder negativen Konsequenzen (Artikel 16): Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, für Arbeitnehmer/innen und Arbeitnehmervertreter/innen, die über einen Verstoß gegen Bestimmungen der Richtlinie klagen, einen angemessenen Rechtsschutz vor Benachteiligung oder negativen Konsequenzen durch den/die Arbeitgeber/in einzuführen.

Kündigungsschutz und Beweislast (Artikel 17): Die Mitgliedstaaten haben ein Verbot der Kündigung und aller Vorbereitungen für eine Kündigung aufgrund der in der Richtlinie festgeschriebenen Rechte einzuführen. Arbeitnehmer/innen können von dem/der Arbeitgeber/in verlangen, schriftlich stichhaltige Gründe für die Kündigung oder eine vergleichbare Maßnahme anzuführen. Es gilt eine Beweislastumkehr.

Sanktionen (Artikel 18): Die Mitgliedstaaten haben wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für die Verletzung der aus der Richtlinie entstehenden Verpflichtungen vorzusehen und sicherzustellen, dass diese angewendet werden.

3.      Hinweise auf die Mitwirkungsrechte des Nationalrates und Bundesrates

Möglichkeit zur Stellungnahme des Nationalrates und des Bundesrates nach Art. 23g B-VG.

 

4.      Auswirkungen auf die Republik Österreich einschließlich eines allfälligen Bedürfnisses nach innerstaatlicher Durchführung

Der sich ergebende Anpassungsbedarf auf nationaler Ebene hängt vom Endergebnis der Verhandlungen ab und lässt sich derzeit noch nicht abschließend feststellen.

 

5.      Position der zuständigen Bundesministerin samt kurzer Begründung

Die Bundesministerin kann die Ziele des Richtlinienvorschlages, sichere und verlässliche Beschäftigung insbesondere für atypische Beschäftigungsverhältnisse und neue Formen der Beschäftigung zu fördern und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu erhalten, teilen. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund auch des Fachkräftebedarfs relevant.

Der Richtlinienvorschlag ist jedoch in vielen Bereichen zu detailliert und überschießend.

So wird u.a. die Pflicht zur Unterrichtung ausgeweitet. Hier ist weiterhin eine gewisse Flexibilität wie auch in der bestehenden Richtlinie anzustreben.

Es wird neu vorgesehen, dass das schriftliche Dokument über die Arbeitsbedingungen am ersten Tag des Beschäftigungsverhältnisses auszuhändigen ist. Hier muss nachgebessert werden und mehr Flexibilität möglich sein. Dies ist auch bei der Information über die Änderung des Beschäftigungsverhältnisses der Fall.

Die Richtlinie enthält weiters problematische Bestimmungen zum Kündigungsschutz, die eine Änderung des österreichischen Kündigungsrechtes bewirken würden. So wird dem nationalen Gesetzgeber vorgegeben, dem/der Arbeitgeber/in die Beweislast aufzutragen, wenn dies der Schutz des/der Arbeitnehmer/in vor Benachteiligung bei Wahrnehmung seiner Rechte erfordert. Auch hier strebt die Bundesministerin die Beibehaltung der bewährten österreichischen Rechtslage an.

Noch weitere Bestimmungen des Richtlinienvorschlages sind problematisch so u.a. die Definition des/der Arbeitnehmer/in  wie auch die Bestimmung zur Rechtsvermutung und die Festsetzung eines Verfahrens für eine frühzeitige Streitbeilegung, falls kein schriftliches Dokument ausgestellt wurde.

 

6.      Angaben zur Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität

Zu detaillierte Bestimmungen des Richtlinienvorschlages. Diese sind überschießend und verletzen damit den Proportionalitätsgrundsatz (insbesondere die Ausfolgung des schriftlichen Dokuments über die Arbeitsbedingungen mit dem ersten Tag der Beschäftigung sowie auch die Umkehr der Beweislast im Falle von einer behaupteten Benachteiligung des/der Arbeitnehmers/in).

 

7.      Stand der Verhandlungen inklusive Zeitplan

Es fanden bisher drei Ratsarbeitsgruppensitzungen statt und es sind unter bulgarischem Vorsitz noch weitere zwei geplant. Der bulgarische Vorsitz strebt eine allgemeine Ausrichtung für den Juni-Rat an (eher unwahrscheinlich). Österreich wird die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag während des österreichischen Vorsitzes weiterführen.