Schriftliche Information des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz gem. § 6 Abs 3 EU-InfoG

 

 

Bezeichnung des Rechtsaktes: Gesellschaftsrechts-Paket – Vorschläge für Änderungen der Richtlinie (EU) 2017/1132 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts

1. Digitalisierung: Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, Dok. Nr. 8560/18 = COM(2018) 239 final

2. Mobilität von Gesellschaften: Grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, Dok. Nr. 8561/18 = COM(2018) 241 final

 

 

1.    Inhalt des Vorhabens

 

·        Vorschlag der EK – allgemein

Das – nach mehreren Verschiebungen – am 25. April 2018 vorgelegte Gesellschaftsrechts-Paket umfasst zwei Themenbereiche: Zum einen die (weitere) Digitalisierung im Gesellschaftsrecht, zum anderen die grenzüberschreitende Mobilität (Umwandlung bzw. Verlegung des Satzungssitzes, Verschmelzung und Spaltung). Formal handelt es sich bei beiden Vorschlägen um Änderungen der kodifizierten Richtlinie (EU) 2017/1132 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, in der unter anderem die vormalige Publizitäts-Richtlinie sowie die früheren umgründungsrechtlichen Richtlinien aufgegangen sind.

 

·        Vorschlag der EK im Detail

Digitalisierung: Während des gesamten „Lebenszyklus“ einer Gesellschaft sollen im Verhältnis zum jeweiligen nationalen Unternehmensregister (in Österreich: Firmenbuch) soweit wie möglich digitale Kommunikationsmittel zum Einsatz kommen können. Nach dem Vorschlag soll unter anderem eine reine Online-Registrierung von „kleinen“ Kapitalgesellschaften (in Österreich: GmbHs) unter Verwendung von Mustern für die Gründungsurkunden möglich sein, sofern im Einzelfall kein „konkreter Betrugsverdacht“ besteht. Zudem sieht der Vorschlag Vorgaben hinsichtlich der Höhe der Gebühren, die für die Registereintragung verlangt werden dürfen, sowie maximale Entscheidungsfristen für das Registergericht bei der Eintragung vor.

Grenzüberschreitende Mobilität: Bislang besteht nur für die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften eine ausdrückliche sekundärrechtliche Grundlage. Der nunmehrige Vorschlag der Europäischen Kommission würde demgegenüber auch eine – nach der Rechtsprechung des EuGH bereits aufgrund des Primärrechts (Niederlassungsfreiheit) zulässige – grenzüberschreitende Umwandlung (Verlegung des Satzungssitzes) sowie eine grenzüberschreitende Spaltung ermöglichen, sofern es sich dabei nicht um „künstliche Gestaltungen“ handelt. Darüber hinaus schlägt die Kommission auch eine weitergehende Harmonisierung bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung vor.

 

2.    Hinweise auf Mitwirkungsrechte des Nationalrates und Bundesrates

 

Nationalrat und Bundesrat haben die Möglichkeit zur Stellungnahme nach Art. 23e und 23g B-VG.

 

In Angelegenheiten des Gesellschaftsrechts ist die Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG: „Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens“). Erstattet der Nationalrat eine Stellungnahme zu den vorliegenden (das Gesellschaftsrecht betreffenden) RL-Vorschlägen, darf bei Verhandlungen und Abstimmungen in der Europäischen Union nur aus zwingenden integrations- und außenpolitischen Gründen von dieser Stellungnahme abgewichen werden (§ 23e Abs. 3 B-VG).

 

 

3.    Auswirkungen auf die Republik Österreich einschließlich eines allfälligen Bedürfnisses nach innerstaatlicher Durchführung

 

Sollten die genannten Änderungen der RL (EU) 2017/1132 beschlossen werden, wird eine Umsetzung erforderlich sein, von der zahlreiche gesellschaftsrechtliche Gesetze (u.a. GmbH-Gesetz, Aktiengesetz, Firmenbuchgesetz) betroffen wären.

Was den Digitalisierungs-Vorschlag betrifft, so besteht mit § 9a GmbHG über die vereinfachte elektronische GmbH-Gründung bereits seit Anfang 2018 die Möglichkeit, eine GmbH online zu gründen; dies allerdings nur dann, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, in der eine einzige natürliche Person Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer werden soll. Darüber hinaus ist für die unmittelbare Zukunft geplant, die digitale Gründung einer GmbH unter Mitwirkung eines Notars – die nach dem RL-Vorschlag prinzipiell beibehalten werden kann – gesetzlich zu ermöglichen; hier bestünde dann auch keine Einschränkung auf Einpersonengesellschaften (vgl. dazu den Entwurf für ein „Elektronische Notariatsform-Gründungsgesetz“).

 

 

4.    Position des/der zuständigen Bundesminister/in samt kurzer Begründung

 

Aus Sicht des BMVRDJ sind die Zielsetzungen des Gesellschaftsrechts-Pakets grundsätzlich zu begrüßen. Die innerstaatliche Konsultation ist allerdings gerade erst angelaufen, sodass zu den einzelnen Punkten der beiden Vorschläge noch keine Bewertung erfolgen kann. Es wird aber jedenfalls darauf zu achten sein, dass die hohe Verlässlichkeit von Eintragungen im österreichischen Firmenbuch auch in Zukunft gewährleistet werden kann.

 

 

5.    Angaben zu Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität

 

Nach Ansicht der EK entsprechen die beiden Vorschläge im Wesentlichen deshalb den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität, weil es um die für den Binnenmarkt relevanten Themen Vereinfachung der (auch grenzüberschreitenden) Gründung von Kapitalgesellschaften sowie Ausbau der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften geht. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass beide Bereiche nur auf der Grundlage einer entsprechenden rechtlichen und technischen Harmonisierung befriedigend funktionieren können, auch durchaus nachvollziehbar.

 

 

6.    Stand der Verhandlungen inklusive Zeitplan

 

Bislang hat erst eine Sitzung der zuständigen RAG Gesellschaftsrecht stattgefunden, deren Thema das Gesellschaftsrechts-Paket war. In dieser Sitzung hat die EK ihre beiden Vorschläge überblicksartig präsentiert. Seitens der MS konnten lediglich vorläufige allgemeine, überwiegend positive Einschätzungen abgegeben werden, weil die nationale Koordination durchwegs erst anläuft.

Die bulgarische Präsidentschaft plant zu diesem Dossier noch eine weitere eintägige Sitzung im Juni, in der es möglicherweise auch schon zu einer ersten Diskussion über einzelne Artikel kommen könnte. Während der österreichischen Präsidentschaft werden nach derzeitigem Stand elf Sitzungstage (fünf zweitätige und eine eintägige Sitzung) stattfinden. Wegen des großen Umfangs und des zumindest teilweise heiklen Inhalts der Vorschläge scheint dennoch nur ein Fortschrittsbericht realistisch.