Sachbearbeiter: MR DI Elmar Ritzinger

Abteilung: Agrarische Wertschöpfungskette und Ernährung (II/8)

Tel.Nr.: 01 71100 606866

 

 

SCHRIFTLICHE INFORMATION

gemäß § 6 EU-InfoG

zu Pkt. 4 der Tagesordnung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 01.07.2020

 

 

1.    Bezeichnung des Dokuments

COM(2020) 381 endg

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Vom Hof auf den Tisch“ – eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem

(Farm-to-Fork Strategie)

 

2.    Inhalt des Vorhabens

Die Europäische Kommission hat am 20.05.2020 nach mehrfacher Verschiebung aufgrund der COVID-19 Krise die „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Vom Hof auf den Tisch“ – eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem“ zeitgleich mit der Mitteilung über die Biodiversitätsstrategie vorgelegt.

Eine EU-weite öffentliche Konsultation ist bis zum 16. März 2020 gelaufen.

Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ stellt das Kernstück des Grünen Deals dar. Sie soll den Übergang zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem ermöglichen, in dem die Ernährungssicherheit und der Zugang zu gesunden Lebensmitteln, die von einem gesunden Planeten stammen, gewährleistet werden.

Sie soll den ökologischen und klimatischen Fußabdruck des EU-Lebensmittelsystems verringern und dessen Widerstandsfähigkeit stärken, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger schützen und die Existenzgrundlage wirtschaftlicher Akteure sichern.

Die Mitteilung geht (in unterschiedlichem Detailgrad) auf alle Elemente des Lebensmittelsystems (einschließlich Fischerei und Aquakultur) ein: nachhaltige Lebensmittelerzeugung, Ernährungssicherheit (aufgrund CORONA ergänzt), Förderung nachhaltiger Verfahren auf allen Stufen der Kette (Lebensmittelverarbeitung, Großhandel, Einzelhandel, Gastgewerbe und Verpflegungsdienstleistungen), nachhaltiger Lebensmittelverzehr und Erleichterung der Umstellung auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung, Verringerung von Lebensmittelverlusten und –verschwendung, Bekämpfung von Lebensmittelbetrug.

Forschung, Innovation, Technologie und Investitionen sowie Beratungsdienste, Daten- und Wissensaustausch sowie Kompetenzaufbau sollen den Wandel ermöglichen. Auch der globale Wandel (z.B. Handelbeziehungen und Standards) wird angesprochen. Die EU soll hier eine Vorreiterrolle übernehmen.

Der Anhang zur Mitteilung enthält einen Aktionsplan mit 27 konkreten Maßnahmen (u.a. Legislativvorschläge, s.u.) mit deren geplantem Vorlagezeitpunkt aufgezählt.

Es werden konkrete Ziele für die Umgestaltung des Lebensmittelsystems der EU festgelegt, u.a.:

·         die Verringerung des Einsatzes und des Risikos von Pestiziden um 50%,

·         die Verringerung des Einsatzes von Düngemitteln um mindestens 20%,

·         die Verringerung des Verkaufs von antimikrobiellen Mitteln für Nutztiere und Aquakultur um 50% sowie

·         die Anhebung des Anteils der biologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen auf 25 %.

Ferner werden ehrgeizige Maßnahmen vorgeschlagen, um sicherzustellen, dass gesunde Ernährungsentscheidungen für die Menschen in der EU auch stets die einfachsten sind.

Dazu gehört eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln,

·         Nährwertkennzeichnung auf der Packungsvorderseite (mandatory front-of-pack labelling);

·         Herkunftskennzeichnung für bestimmte Produkte;

·         Entwicklung eines Rahmens für die Nachhaltigkeitskennzeichnung von Lebensmitteln.

Weitere Maßnahmen:

·         Vorlage eines Rechtsrahmens für nachhaltige Lebensmittelsysteme

·         Notfallplan für Ernährungssicherheit und Lebensmittelsicherheit in Krisen

·         die Verbesserung der Stellung von Landwirten in der Wertschöpfungskette (Wettbewerbsregeln, Transparenz, code of good practice)

·         Überarbeitung der EU-Absatzförderung und der Schulprogramme

·         Berücksichtigung im Rahmen der GAP-Strategiepläne der Mitgliedstaaten (wesentlicher Teil der Finanzierung, zusätzlich Verweis auf InvestEU)

·         Die Kommission wird diese Prioritäten der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ in die Programmierungsleitlinien für die Zusammenarbeit mit Drittländern im Zeitraum 2021-2027 aufnehmen. Neben den Standards für die Lebensmittelsicherheit bieten auch die bilateralen Handelsabkommen der EU ein Mittel zur Förderung der Übernahme der EU-Umweltmaßstäbe durch Drittländer.

 

3.    Hinweise auf Mitwirkungsrechte des Nationalrates und des Bundesrates

Möglichkeit zur Stellungnahme des Nationalrates und des Bundesrates nach Art. 23g B-VG.

 

4.    Auswirkungen auf die Republik Österreich einschließlich eines allfälligen Bedürfnisses nach innerstaatlicher Durchführung

Die Mitteilung der Kommission an sich entfaltet keine direkte Wirkung auf die Republik. Die Umsetzung erfolgt durch die im Aktionsplan angekündigten Maßnahmen, die – je nach Materie -im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der EU oder als Durchführungs- bzw. Delegierter Rechtsakt durch die Kommission zu erlassen sind.

 

5.    Position der zuständigen Bundesministerin samt kurzer Begründung

Möglichkeit zur Stellungnahme des Nationalrates und des Bundesrates nach Art. 23d B-VG.

 

Insgesamt stehen die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht im Gegensatz zu den in Österreich schon seit längerem verfolgten Modell der Lebensmittelwirtschaft, das viele der angesprochenen Ziele schon länger enthält und z.B. im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, insbesondere der Programme für ländliche Entwicklung umgesetzt wird.

In Hinblick auf die Gewährleistung von Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit, die Stärkung der öffentlichen Gesundheit, und die Abmilderung von sozioökonomischen Auswirkungen wird die Ausrichtung auf ein nachhaltiges und gerechtes Lebensmittelsystem unterstützt.

Die Zielsetzungen der Strategie müssen entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette verfolgt werden, die Ausrichtung auf die Landwirtschaft und die Gemeinsame Agrarpolitik allein ist nicht ausreichend. Dies umfasst auch die Verbesserung von Kennzeichnung und Preis nachhaltig erzeugter Lebensmittel.

Aufholbedarf besteht im Hinblick auf die Überzeugung der Konsumentinnen und Konsumenten hin zu einer gesünderen, nachhaltigen Ernährung. Dies bedingt u.a. die Schaffung eines förderlichen Lebensmittelumfelds, das die Entscheidung für eine gesunde und nachhaltige Ernährung erleichtert und zudem die Gesundheitskosten für die Gesellschaft senkt.

Das beinhaltet im Rahmen eines nachhaltigen Lebensmittelsystems das Erfordernis von verstärkter sektoren-übergreifender Zusammenarbeit um die Kohärenz politischer Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene zu fördern.

Die Anpassungen im Produktionssektor müssen entsprechend den Ankündigungen auch finanziell abgefedert werden.

Die Kommission kündigt an, dass sie bei der Beurteilung der GAP-Strategiepläne (und der Pläne für den EMFF) auf den Beitrag zur Erreichung der Ziele des Green Deal und der Farm to Fork-Strategie besonderen Wert legen wird.

Die globale Zielrichtung einer signifikanten Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln wird unterstützt. Mengenreduktion sagt allerdings nichts über die Risikoreduzierung aus.

Bei der Umsetzung ist jedenfalls auf schon erreichte Niveaus und Vorleistungen in der Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen.

Eine Steigerung der biologisch bewirtschafteten Flächen in der EU muss marktkonform erfolgen. Dies bedingt die entsprechende Bewusstseinsbildung und die Bereitschaft, den Mehraufwand und die Mehrkosten auch entsprechend abzugelten.

Die im Kapitel „promoting the global transition“ enthaltene Absichtserklärung hinsichtlich einer EU-Handelspolitik, die verpflichtende, umweltrelevante Vorgaben für Drittländer enthält, ist positiv zu sehen (und wurde u.a. auch in der österreichischen Bioökonomiestrategie angesprochen). Allerdings wäre hier auch eine Stärkung der regionalen Herkunft der Lebensmittel in der EU zu begrüßen.

Insgesamt dürfen die ambitionierten Ziele nicht dazu führen, dass die Lebensmittelproduktion in Drittstaaten verlagert wird, wo mitunter Umwelt-, Tierschutz und soziale Standards von den hohen Anforderungen der EU divergieren.

Die angekündigte Überarbeitung der EU-Vorschriften zur Haltbarkeitskennzeichnung von Lebensmitteln um Missverständnis und Missbräuche zu vermeiden wird begrüßt. Dadurch kann der Reduktion der Lebensmittelverschwendung Rechnung getragen werden, wodurch positive Auswirkungen (bzgl. Rohstoffbasis) auch auf die Bioökonomie zu erwarten sind.

Die Maßnahmen müssen jedenfalls – wenn dann die konkreten Textvorschläge vorliegen - nochmals konkret analysiert und diskutiert werden.

 

 

6.    Angaben zur Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität

Die Mitteilung entfaltet keine direkte Wirkung in Österreich. Die Verhältnismäßigkeit und Auswirkungen auf die Subsidiarität sind anlässlich der Vorlage der konkreten Maßnahmen zu beurteilen. Für diese ist dann von der Kommission jeweils ein „Impact Assessment“ durchzuführen und ein konkreter Legislativvorschlag zu unterbreiten.

Ausgenommen davon ist die Ankündigung, den Mitgliedstaaten im Herbst Empfehlungen zur Ausgestaltung der GAP-Strategiepläne zu übermitteln, weil dies einen Einfluss auf die in den Mitgliedstaaten zu erstellenden Strategiepläne haben kann. Damit könnte sowohl auf die Ergebnisse der innerstaatlichen Planungsprozesse eingewirkt und der Planungsprozess aufgrund eines sich ergebenden Anpassungsbedarfs verzögert werden.

 

 

7.    Stand der Verhandlungen inklusive Zeitplan

Die Mitteilung der Kommission wurde am 20.05.2020 veröffentlicht und den anderen Institutionen der EU übermittelt.

Eine erste Diskussion dazu fand im informellen Treffen des Rats „Landwirtschaft und Fischerei“ (Videoschaltung) am 08.06.2020 statt. Für die weitere Behandlung im Rat wurde vom deutschen Vorsitz noch kein Zeitplan vorgelegt.

 

 

Der Veröffentlichung der vorliegenden „schriftlichen Information“ wird zugestimmt