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„Der Bundesrat – Status und Entwicklungspotenziale“

 

 

 

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Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Mittwoch, 25. Juni 2014

 

(Stenographisches Protokoll)

 

 


Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Mittwoch, 25. Juni 2014

(XXV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)

Thema

„Der Bundesrat – Status und Entwicklungspotenziale“

Dauer der Enquete

Mittwoch, 25. Juni 2014: 10.06 – 13.16 Uhr

*****

Tagesordnung

I. Eröffnung und Einleitung

Präsident des Bundesrates Michael Lampel

II. Panel I

Dr. Josef Ostermayer, Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst

Gerhard Steier, Präsident des Burgenländischen Landtages

Kommerzialrat Viktor Sigl, Präsident des Oberösterreichischen Landtages

Prof. Francesco Palermo, Mitglied des Italienischen Senats (nicht anwesend)

Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger, Institut für Föderalismus

Univ.-Prof. Dr. Gisela Riescher, Autorin des Buches „Zweite Kammern“

III. Panel II

Bundesrat Gottfried Kneifel, Vorsitzender der Bundesratsfraktion der ÖVP

Bundesrat Reinhard Todt, Vorsitzender der Bundesratsfraktion der SPÖ

Bundesrätin Monika Mühlwerth, Vorsitzende der Bundesratsfraktion der FPÖ

Bundesrat Marco Schreuder, Vorsitzender der Bundesratsfraktion der Grünen

Diskussion

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse und weitere Vorgangsweise

Präsident des Bundesrates Michael Lampel

*****

Inhalt

I. Eröffnung und Einleitung

Vorsitzender Präsident Michael Lampel ..................................................................... 3

II. Panel I

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ....................................................................... 4

Gerhard Steier ................................................................................................................ 8

Kommerzialrat Viktor Sigl ........................................................................................... 12

Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger .................................................................................... 14

Univ.-Prof. Dr. Gisela Riescher .................................................................................. 18

III. Panel II

Bundesrat Gottfried Kneifel ........................................................................................ 20

Bundesrat Reinhard Todt ...................................................................................... ..... 23

Bundesrätin Monika Mühlwerth ........................................................................... ..... 25

Bundesrat Marco Schreuder ................................................................................. ..... 29

Diskussion:

Abg. Christoph Hagen ................................................................................................. 32

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein ........................................................................... ..... 33

Bundesrat Edgar Mayer ......................................................................................... ..... 34

Bundesrat Gerhard Dörfler ................................................................................... ..... 35

Abg. Mag. Daniela Musiol ........................................................................................... 38

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter ........................................................................ ..... 39

Bundesrat Christian Füller .................................................................................... ..... 41

Bundesrat Mag. Harald Himmer ........................................................................... ..... 43

Bundesrat Mag. Josef Taucher ............................................................................. ..... 44

Abg. Mag. Gernot Darmann .................................................................................. ..... 45

Abg. Dr. Peter Wittmann ........................................................................................ ..... 46

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse und weitere Vorgangsweise

Vorsitzender Präsident Michael Lampel ................................................................... 48

Anhang ........................................................................................................................... 50

 


 

10.06.20­Beginn der Enquete: 10.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident des Bundesrates Michael Lampel, Vizepräsident des Bun­desrates Mag. Harald Himmer.

10.06.21I. Eröffnung und Einleitung

10.06.22

 


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Ich eröffne die Enquete des Bundesrates zum Thema „Der Bundesrat – Status und Entwicklungspotenziale“ und danke Ihnen dafür, dass Sie der Einladung so zahlreich gefolgt sind.

Ich begrüße ganz herzlich alle Anwesenden.

Mein besonderer Gruß gilt den Referentinnen und Referenten: Herrn Bundesminister Josef Ostermayer, Herrn Landtagspräsidenten Gerhard Steier, Herrn Landtags­prä­sidenten Viktor Sigl, Herrn Universitätsdozenten Dr. Peter Bußjäger und Frau Univer­sitätsprofessor Dr. Gisela Riescher. (Beifall.)

Weiters begrüße ich besonders die Landtagspräsidenten aus Kärnten und der Steier­mark, Ing. Reinhart Rohr und Franz Majcen, den Zweiten Landtagspräsidenten aus Niederösterreich Mag. Johann Heuras, den Ersten Landtagsvizepräsidenten aus Vor­arl­berg Heinz Peter Ritter, die Zweite Landtagspräsidentin aus der Steiermark Mag. Ursula Lackner und den Dritten Landtagspräsidenten aus Oberösterreich Dr. Adalbert Cramer recht herzlich. (Beifall.)

Darüber hinaus begrüße ich sehr herzlich alle Mitglieder des Bundesrates und ihre jeweiligen Fraktionsvorsitzenden, die Abgeordneten des Nationalrates und der Landtage sowie die von den jeweiligen Institutionen namhaft gemachten Vertreterinnen und Vertreter, die als Expertinnen und Experten an der heutigen Enquete teilnehmen.

Im Besonderen heiße ich auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien herzlich willkommen.

Ferner möchte ich alle Zuschauerinnen und Zuschauer begrüßen, die die heutige Enquete entweder hier oder via Livestream verfolgen.

(Es folgen technische Mitteilungen in Bezug auf das Procedere durch den Vorsit­zenden sowie der Hinweis darauf, dass über diese Enquete ein Stenographisches Protokoll verfasst wird, das nach einiger Zeit im Internet unter „www.parlament.gv.at“ abrufbar sein wird.)

*****

Sehr geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass wir in der Zeit des burgenländischen Vorsitzes nach unserer Enquete zum Thema „Erneuerbare Energien: Regionale Potenziale, Forschung und Zukunftsperspektiven“ eine weitere Enquete hier im Bundesrat zum Thema „Bundesrat – Status und Entwicklungspotenziale“ abhalten können.

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie meiner Einladung so zahlreich gefolgt sind und heute an dieser Enquete teilnehmen. Es war für mich sehr erfreulich, dass es bei der Vorsitzübergabe von Wien an das Burgenland und auch bei der Rede von Herrn Landeshauptmann Hans Niessl hier im Bundesrat ein sehr klares Bekenntnis zum Bundesrat gegeben hat und dass seitens der Länder eine Aufwertung des Bundesrates angestrebt wird.

Der Bundesrat hat eine wichtige Funktion als Länderkammer, und Landeshauptmann Niessl hat auch in der „Pressestunde“ des ORF vergangenen Sonntag klare Worte gefunden. Er hat sich für eine Zentralismusreform ausgesprochen. Das halte ich für den richtigen Ansatz, denn viel zu lange wurde ausschließlich über die Reform des Föderalismus diskutiert.

Diese Diskussion hat es in der Vergangenheit gegeben, und es wird sie auch in der Zukunft geben. Auch die heutige Enquete soll sich damit befassen, wie wir den Föde­ralismus weiter modernisieren können und wie sich der Bundesrat weiter ent­wickeln soll und kann. Ich sehe es so, wie es die Bundesregierung in ihrem Arbeits­programm festgehalten hat, dass der Bundesrat in seinen Aufgaben gestärkt werden soll. Das ist der richtige Weg.

Der Bundesrat hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er neue Aufgaben – etwa auch als Europakammer – ausgezeichnet bewältigen kann.

Ich denke, dass auch ein echtes Vetorecht bei Gesetzen, die die Finanzen der Länder betreffen, eine wichtige Zielsetzung ist.

Natürlich muss immer wieder darüber diskutiert werden, wie diese Aufgaben noch effizienter, noch besser erfüllt werden können. Es liegt auch in der Verantwortung des Bundesrates, der Öffentlichkeit noch besser zu vermitteln, welche Funktionen und Aufgaben er hat.

Ich sehe in einer Stärkung und Aufwertung des Bundesrates ein Gebot der Stunde, auch im Zusammenhang mit der Europäischen Union, wo wir ein Europa starker Regionen anstreben. Dies entspricht auch dem Motto des burgenländischen Vorsitzes: Starke Regionen – unsere Zukunft!

Die heutige Enquete soll Aufschluss darüber geben, wo der Bundesrat heute steht und wie seine Zukunft aussehen kann, und ich bin felsenfest davon überzeugt: Der Bundesrat hat Zukunft!

10.12

10.12.08II. Panel I

 


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Wir kommen nun zu den Statements in Panel I, deren Dauer 12 Minuten möglichst nicht überschreiten soll.

Ich darf als Ersten den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst, Herrn Dr. Ostermayer, um sein Referat bitten. – Bitte.

 


10.12.29

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst Dr. Josef Ostermayer|: Herr Präsident! Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Enquete! Ich möchte mich zuerst für die Einladung bedanken, an dieser Enquete teilnehmen und hier einen Vortrag halten zu dürfen. Ich möchte einleitend gleich klarstellen, dass mir vollkommen bewusst ist, dass die Behandlung der Frage der Zusammensetzung und der Aufgaben des Bundesrates natürlich den Parlamen­tariern obliegt, weil es sich um ein parlamentarisches Gremium handelt. Da ich aber schon eingeladen wurde, möchte ich unter dieser Einschränkung natürlich auch meine Position darlegen.

Wir haben ja schon einmal, nämlich im Jahr 2012, im Zuge der damaligen Struktur­diskussion beziehungsweise Konsolidierungsdiskussion einen Vorschlag gemacht, nämlich dass die verschiedenen Gremien einerseits im Parlament und andererseits in der Bundesregierung auch einen Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten sollen. Der Vorschlag war damals eine Reduktion um 10 Prozent bei all diesen Gremien. Es hat damals eine gewisse Kritik daran gegeben, dass die Bundesregierung beschließen möchte, wie sich die parlamentarischen Gremien zusammensetzen.

Wir haben diese Anmerkungen ernst genommen und haben das Ganze auf Bun­desregierungsebene umgesetzt, indem wir in der jetzigen Legislaturperiode die Anzahl der Staatssekretäre reduziert haben und damit die Regierung im erweiterten Sinne um zwei Personen verkleinert haben.

Wir haben uns auch im Zuge der Regierungsbildung im Dezember letzten Jahres mit dieser Frage befasst. Es ging dabei auch, aber nicht nur, um die Frage des Bun­desrates, sondern generell und allgemeiner um die Frage des Zusammenwirkens der verschiedenen Ebenen unseres Staatsgefüges – also Bund, Länder, Gemeinden – und um die bestmögliche Erfüllung der Aufgaben des Staates im Gesamten gesehen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

Wir haben uns also Fragen gestellt wie: Wo können wir effizienter werden? Wo kann die Kosten-Nutzen-Relation verbessert werden? Wo können wir für mehr Transparenz sorgen? Wo auch für mehr Schutz? Wo können wir Aufgaben reduzieren, die wir derzeit als Staat erfüllen? Wo können wir Vorhandenes, das gut funktioniert, vielleicht noch verbessern?

Im Kapitel 7 des Arbeitsprogramms der österreichischen Bundesregierung mit dem Titel „Staatsreform und Demokratie“ sind diese Themen als Aufgabenstellungen aufgelistet, und wir sind dabei, diese sukzessive abzuarbeiten. Da geht es zum Bei­spiel im Zusammenhang mit der Frage der Transparenz um das Thema Informa­tionsfreiheitsgesetz, hinsichtlich dessen wir gerade in intensiven Gesprächen mit der Opposition sind, weil es unser Ziel ist, das noch möglichst im Sommer zu erledigen.

Wir haben eine Aufgabenreform- und Deregulierungskommission eingesetzt, in der es generell um die Überprüfung der Aufgaben und auch um die Frage geht, ob bestimmte Bereiche legistisch überreguliert sind und ob wir manche Regelungen nicht auch zurückfahren können.

Wir haben eine Gruppe eingesetzt, die das Ziel hat, ein Amt der Bundesregierung zu erstellen, sodass all die Dinge, die wir jetzt in den Ministerien quasi als Supportleis­tungen erbringen, vielleicht auch gemeinsam erfüllt werden können.

Und es stellt sich auch – und das ist kein neues Thema, sondern ein Thema, das immer wieder zu diskutieren ist – die Frage nach dem Föderalismus, nach dem Zusam­menwirken von Bund und Ländern.

Dazu heißt es im Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung im Kapitel zu Herausforderungen der Föderalismusreform:

„Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung ist in manchen Bereichen nicht mehr zeitgemäß und durch weitgehende Zersplitterung unübersichtlich. Zugleich stellt sich die Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung durch den Bundesrat in der derzeitigen Form als nicht effektiv dar.“

Wir haben in diesem Arbeitsprogramm immer auch Maßnahmen vorgesehen, und dazu heißt es:

„Es soll eine klare und moderne Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern mit dem Bekenntnis zum modernen Föderalismus und unter Berücksichtigung der Rechtslage der Europäischen Union geschaffen werden.“

Und weiter: „Die Bundesregierung bekennt sich zu einer effektiven Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung. Der Bundesrat soll in seinen Aufgaben gestärkt, in seiner Zusammensetzung verschlankt und wirksamer sowie kostengünstiger ge­staltet werden.“

Wir haben auch festgelegt, dass die Ausarbeitung dieser notwendigen Reformen – also im Föderalismus und dem Zusammenwirken von Bund und Ländern – gemeinsam mit den Oppositionsparteien erfolgen soll und auf parlamentarischer Ebene eine Föderalismus-Reformkommission eingesetzt werden soll. Die heutige Enquete kann man auch als einen Teil davon oder als eine Vorarbeit dafür sehen, wo unter Mitwirkung der Länder – und logischerweise macht nur das in unserer Machtvertei­lungssituation Sinn – konkret ausformulierte Vorschläge zu einer Novelle des Bundes-Verfassungsgesetzes, wo das ja gesetzlich zu verankern ist, entwickelt werden sollen.

Es wurde in der Vergangenheit, wie wir alle wissen, schon eine Fülle von Vorschlägen diskutiert, wie man die Aufgabenerfüllung des Bundesrates stärken könnte, aber so eine Enquete hat auch die Funktion, dass man sich die Dinge, die schon diskutiert wurden, wieder in Erinnerung ruft.

Es hat ja auch schon in der letzten Legislaturperiode eine Änderung im Zusam­menhang mit den Gemeindekompetenzen gegeben, aber es gibt einige weitere Punkte, die nicht umgesetzt wurden und von denen es aus meiner Sicht durchaus sinnvoll ist, sie zu diskutieren, wenn es um die Stärkung der Aufgabenerfüllung des Bundesrates geht.

Ich fange mit einem ganz kleinen Thema an, nämlich mit der Frage von Korrekturen, wenn im Gesetzgebungsprozess, in der Legistik, etwa im Nationalrat, offensichtliche Fehler passiert sind und das auch im Nationalrat mit diesen Fehlern beschlossen wurde.

Derzeit muss in einem solchen Fall im Bundesrat Einspruch erhoben werden. Ich glaube, wir könnten wesentlich effizienter sein, wenn dem Bundesrat die Möglichkeit eingeräumt würde, die Korrektur solcher legistischer Fehler quasi als Druckfehler­berichtigungen direkt vorzunehmen. Der Bundesrat könnte so auch eine Art Qua­litätskontrolle wahrnehmen.

Ein zweiter Punkt – ich merke noch einmal an, es steht mir natürlich als Regie­rungsmitglied nicht zu, darüber zu befinden, aber vorschlagen darf man es –: Mein Eindruck ist, dass es sinnvoller wäre, wenn man die Präsidentschaft von einem halben Jahr auf ein Jahr ausdehnen würde, weil es die Möglichkeit gäbe, Schwer­punkte, die gesetzt werden, kontinuierlicher, jedenfalls nicht nur sechs Monate, sondern über sechs Monate hinaus, zu verfolgen.

Mir ist vollkommen bewusst, dass das natürlich heißt, dass weniger Bundesländer in einer Periode zum Zug kommen. Manchmal wird die Schweiz als Beispiel heran­gezogen. Die Schweizer haben das System des Jahreswechsels auch in ihren Gre­mien vorgesehen.

Ein weiterer Punkt – und das sage ich jetzt als jemand, der gerne herkommt, gerne in den Bundesrat kommt, weil ich die Diskussionen hier üblicherweise als, sagen wir, weniger emotional, weniger polemisch als in manch anderen Gremien empfinde – ist, dass mein Eindruck oft war, dass in der Fülle der Tagesordnungspunkte die, sagen wir, politisch kontroversielleren Themen leicht unterzugehen drohen, weil alle Punkte, auch wenn sie nicht kontroversiell diskutiert werden, auf der Tagesordnung sind. Da stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre oder ob man nicht darüber diskutieren sollte, dass nicht automatisch jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates im Plenum des Bundesrates diskutiert wird, sondern vielleicht nur jene, von denen ein bestimmtes Quorum verlangt, dass sie auf die Tagesordnung kommen. Dass dieses Quorum natürlich ein geringes sein muss, also eine qualifizierte Minderheit ausreichen muss, ist mir klar.

Etwas, das der Bundesrat als Länderkammer aus meiner Sicht auch wahrnehmen könnte, ist zum Beispiel die Frage des Stellungnahmerechts, indem man vielleicht einen ständigen Ausschuss einberuft, der schon im Vorfeld auch zu den Gesetzes­vorhaben im Nationalrat Stellung nimmt, vielleicht auch im Hauptausschuss mit beratender Stimme teilnimmt.

Und ein Punkt, der mir auch als sinnvoll erscheinen würde, ist die Frage der Kompetenzen, die manchmal sozusagen so unüberwindlich zu sein scheinen. Ich nehme das Stichwort Jugendschutz, weil das in der Vergangenheit oft diskutiert wurde, wo wir einheitliche Regelungen auf Bundesebene wollen. Da stellte sich immer die Frage: Wenn die Länder an den Bund Kompetenzen abgeben, dann braucht es irgendwie eine Gegenmanövriermasse, wo die Länder Kompetenzen übernehmen. Ab und zu kommt dann das Thema Schulverwaltung ins Spiel, um das auch nicht auszulassen.

Ich denke, der Bundesrat könnte vielleicht überall dort, wo ähnliche Situationen sind, aber die Länder aus den genannten Gründen Kompetenzen nicht abgeben wollen, eine koordinierende Funktion für Landesgesetzgebungsangelegenheiten wahrnehmen. Jugendschutz ist das oft zitierte Beispiel. Aber es gibt auch andere Beispiele, etwa Bautechnik, wo eigentlich nicht ganz nachvollziehbar ist, zumindest aus meiner Sicht nicht, und ich habe einige Jahre meines beruflichen Lebens in diesem Bereich verbracht, warum Bautechnikregelungen Länderkompetenz sind und somit unterschiedliche Regelungen getroffen werden.

Aber neben diesen zusätzlichen Kompetenzen, die ich jetzt angesprochen habe, darf man nicht vergessen, dass der Bundesrat jetzt auch schon Kompetenzen hat, die selbstbewusst ausgeschöpft werden können, in der Vergangenheit teilweise auch ausgeschöpft wurden. Ich verweise auf die Kompetenz Gesetzesinitiative des Bun­desrates. Das ist in der Vergangenheit auch praktiziert worden. Aber wenn die Zahlen stimmen, die ich mir aufgeschrieben habe, dann waren das pro Gesetzge­bungsperiode drei, vier und manchmal noch weniger Initiativen, die vom Bundesrat ausgegangen sind. Ich denke, das könnte ein interessantes Feld sein. Unter diesem Aspekt hat der Bundesrat natürlich die Möglichkeit, auch seine Position selbst zu stärken, indem schon vorhandene Kompetenzen intensiver in Anspruch genommen werden. Die Subsidiaritätsrüge und andere sind ja in der letzten Periode auch dazugekommen.

Bei all dem, also auch wenn wir über zusätzliche Kompetenzen reden, sollten wir aber nicht außer Acht lassen, dass die Frage der Akzeptanz von Gremien, egal auf welcher Ebene, ich meine jetzt nicht nur den Bundesrat alleine, immer auch davon abhängt, ob die Handlungen zu einer Verzögerung führen, die von den Bürgern nicht nachvollzogen werden kann, oder nicht.

Dass Demokratie ein intensiverer, langwierigerer Prozess ist als andere Regierungs- und Staatsformen, das wissen wir. Wir wissen die hohe Qualität der Demokratie zu schätzen.

Als die Europäische Union und die langen Entscheidungsprozesse der Europäischen Union, in der unterschiedlichste Interessen ausgeglichen werden müssen, kritisiert wurden, habe ich hier im Bundesrat schon einmal Timothy Garton Ash zitiert, der gesagt hat: Ja, in der Vergangenheit ist es viel schneller gegangen. Man hat einander sozusagen den Schädel eingeschlagen. Und die Europäische Union hat mit ihren langwierigeren Entscheidungsprozessen dazu geführt, dass zwar manchmal Dinge länger dauern, aber dies in einer zivilisierten und friedlichen Form gemacht wird. Seit 1945 erleben wir die längste Periode von Frieden auf dem Gebiet der Europäischen Union.

Das Gleiche gilt natürlich innerstaatlich. Demokratie ist mühsam, weil es ein Inter­essenausgleich ist. Aber es ist trotzdem und unbestrittenermaßen die allerbeste Regierungsform.

Wenn also der Bundesrat zusätzliche Aufgaben bekommt, sollte man trotzdem das Thema Umsetzungsprozess und die Dauer von Gesetzgebungsprozessen nicht außer Acht lassen. Es sollte nicht dazu führen, dass die Gesetzgebungsprozesse verlang­samt, erschwert werden, sondern diese sollten positiv und konstruktiv beeinflusst werden.

Ich danke für die Einladung und für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

10.27


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausführungen. Vielen herzlichen Dank auch für die Vorschläge und Infor­mationen.

Ich darf nun den Präsidenten des Burgenländischen Landtages Gerhard Steier um seinen Beitrag bitten. – Bitte, Herr Präsident.

 


10.28.25

Gerhard Steier (Präsident des Burgenländischen Landtages)|: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Landtage und aller gesetzgebenden Körperschaften! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich recht herzlich für die Einladung bedanken, wie es auch mein Vorredner schon getan hat. Ich darf Ihnen versichern, dass auch während meiner Tätigkeit im Nationalrat schon immer ein ganz besonderer Reiz vom Bundesrat ausgegangen ist, zumindest was die heutige Redesituation anlangt. Und damit geht auch ein Wunsch in Erfüllung.

Ich finde es persönlich außerordentlich wichtig, dass die Diskussion zur Reform und Stärkung des Bundesrates heute hier mit dieser Enquete fortgesetzt wird. Gleichzeitig sollten wir sie aber auch dazu nutzen, die Bedeutung und Position des Föderalismus herauszustreichen.

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, erlauben Sie mir, einige grundlegende Bemerkungen zum Föderalismus im Allgemeinen, seiner Bedeutung im europäischen Kontext, in einer globalisierten Welt und im Besonderen in seiner Ausprägung in Österreich zu machen.

Österreich ist – und das muss ich in diesem Haus nicht betonen – ein Bundesstaat. Der Bundesstaat wird gebildet aus selbständigen Ländern. Durch diese program­matische Bestimmung des Artikels 2 unseres Bundes-Verfassungsgesetzes wird die Gliederung der Republik in Bund und Länder besonders hervorgestrichen. Gemeinsam mit den diesbezüglichen Bestimmungen wird damit das bundesstaatliche Prinzip neben anderen Prinzipien – wie dem demokratischen, dem gewaltentrennenden, dem libe­ralen, dem republikanischen und dem rechtsstaatlichen Prinzip – zu einem der Bau­ge­setze unserer Republik und kann nur mit einer Volksabstimmung wesentlich ge­schwächt oder abgeschafft werden.

Dieses bundesstaatliche Grundprinzip war und ist mit eine der Grundlagen für den heute in Österreich herrschenden Wohlstand, auch den damit verbundenen sozialen Frieden und für das in der Bevölkerung tief verankerte Demokratieverständnis, das ein möglichst konfliktfreies und geordnetes Zusammenleben, wie das Herr Bundesminister Ostermayer schon betont hat, ermöglicht. Nicht zuletzt deshalb ist Österreich meiner Ansicht nach eines der reichsten Länder dieser Erde, gemessen am Bruttoinlands­pro­dukt pro Kopf.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die föderale und bundesstaatliche Struktur in einem nationalen Staatsgefüge, aber auch in einem großen Europa die einzige effektive Möglichkeit darstellt, auf die besonderen Bedürfnisse kleinräumiger Regionen und deren Bürgerinnen und Bürger einzugehen. Es ist wohl unbestritten, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher einen Ansprechpartner in der Politik wünschen, der ihre berechtigten Anliegen entgegennimmt, sie entsprechend unterstützt und umsetzt. Die demokratisch gewählten Organe in den Regionen – sprich in den Ländern, aber auch in den Gemeinden – sind erste Adressaten und sozusagen das Ohr für die Anlie­gen der Bevölkerung.

Auch die Europäische Union hat mittlerweile diese absolute Notwendigkeit erkannt und einerseits organisatorisch den Ausschuss der Regionen installiert und dessen Kompetenzen gestärkt und andererseits den Grundsatz der Subsidiarität verankert, wobei dieser auch immer mehr Beachtung erfährt und sich zu einem zentralen Prinzip weiterentwickelt.

Ich darf mich an dieser Stelle beim Bundesrat und beim Bundesratsdienst recht herzlich für die legistische Betreuung und Begutachtung für die Landtage, was euro­päische Materien anlangt, bedanken.

Selbst ehemalige zentralstaatlich ausgerichtete Länder wie Großbritannien, Belgien, Spanien oder Italien haben entsprechend diesem Subsidiaritätsprinzip föderale Struk­tu­ren eingerichtet.

Fest steht: Damit die unterschiedlichen politischen, geographischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen in einem neuen Europa wirkungsvoll vertreten werden können, ist eine föderale bundesstaatliche Struktur unabdingbar.

Diese Struktur führt aber auch dazu, dass innerösterreichisch ein gesunder Wettbe­werb zwischen den einzelnen Bundesländern entsteht, der in weiterer Folge eine wesentliche Verbesserung der staatlichen Leistungen nach dem Best Practice-Prinzip ermöglicht. In den einzelnen Ländern werden die jeweiligen Kompetenzen, zugeschnit­ten auf die regionalen Verhältnisse, mit großer Umsicht nach den Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit wahrgenommen. Dabei beschrei­ten die Länder oftmals verschiedene Wege und können gegenseitig aus den jeweiligen Erfahrungen ihre Lehren ziehen, sodass im Endeffekt der beste Weg ausgelotet und gewählt werden kann.

Die bundesstaatliche Struktur ermöglicht es aber auch, dass zwischen Bundesebene und Länderebene gegenseitige Verbesserungen und die Ideenfindung, aber auch notwendige Korrekturen bei Fehlentwicklungen ermöglicht werden. Es ist damit in der Theorie auch auf staatlicher Ebene das für jeden Wirtschaftsbetrieb geforderte und zum größten Teil auch eingerichtete Vier-Augen-Prinzip vorgesehen, nur muss daran – das belegen ja einige Beispiele – noch gearbeitet werden.

Mir ist bewusst, dass diese Ausführungen den Kern des heutigen Themas bis jetzt etwas vernachlässigt haben, ich möchte die Enquete aber auch dazu nützen, allen Repräsentanten die Bedeutung des Föderalismus und des bundesstaatlichen Grund­prinzips für den sozialen Frieden, für Demokratie und Wohlstand in dieser Republik vor Augen zu führen und nochmals bewusst zu machen.

Gleichzeitig darf ich an alle appellieren, davon abzusehen, diese Struktur in den Grundsätzen in Frage zu stellen. Entsprechende Aussagen von hohen Repräsentanten werden wegen der damit verbundenen Schlagzeilen von den Medien höchst willkom­men aufgegriffen und schüren Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit dem seit fast 100 Jahren bestens bewährten und von unseren Vorfahren hart erkämpften föderalen System. Mit populistischen Aussagen werden dabei nicht nur das bundesstaatliche Grundprinzip, sondern unter anderem auch das demokratische Lebensrecht beschä­digt. Unter dem Schlagwort „Einsparungen im Bereich der Landtage und des Bun­desrates“ werden demokratiepolitisch und gesellschaftspolitisch wichtige Organe mit dem Hintergedanken der Machtkonzentration und -zentralisierung in Frage gestellt und damit gegenseitige Verbesserungs- und Korrekturinstrumente gänzlich beseitigt.

Ich möchte daher hier und heute zu einer neuen Form des gelebten kooperativen Bundesstaates zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger aufrufen, aber auch für die Länder das klare Bekenntnis zur umfassenden Zusammenarbeit mit dem Bund und auch mit den Städten und Gemeinden abgeben. Nur miteinander und in partner­schaftlicher Zusammenarbeit können wir den Wohlstand in unserem Lande festigen und die Probleme unserer Zeit bewältigen.

Unsere Bundesverfassung, um die uns viele andere Staaten beneiden, sieht bereits derartige Kooperationsinstrumente wie zum Beispiel Staatsverträge gemäß Artikel 15a B-VG vor, die man auch mit unmittelbarer Wirkung ausstatten könnte, oder die Grund­satzgesetzgebung des Bundes mit der Ausführungsgesetzgebung der Länder vor, die es nur zu aktivieren gilt. Eine der wesentlichen Säulen eines funktionierenden Föde­ralismus ist aber die Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung, eben durch den Bundesrat.

Grundsätzlich ist daher eine Diskussion zur Stärkung des Bundesrates, zum Beispiel durch mehr Rechte, zu führen. Deshalb begrüße ich die heutige Enquete und darf dazu auch auf die bisherigen Beschlüsse der Landtagspräsidentenkonferenzen verweisen, die erste Reformvorschläge beinhalten.

Es ist unerlässlich, dass dem Bundesrat als Vertretungskörper der Länder im Prozess der Bundesgesetzgebung verstärkte Mitwirkungsrechte bei der Erlassung von Bundesgesetzen eingeräumt werden, die die Interessen der Länder berühren.

Zustimmungsrechte bei Verfassungsänderungen, bei Steuergesetzen, bei Gesetzen, die eine finanzielle Belastung für die Länder bedeuten, oder Grundsatzgesetzen, die Ausführungsgesetze der Länder bedürfen, sind meiner Meinung nach in einem kooperativen Bundesstaat ein absolutes Muss.

Wie dabei die Beschlusserfordernisse im Bundesrat gestaltet sind, zum Beispiel Ländermehrheit, und welche Vorkehrungen im Falle einer Patt-Situation zwischen National- und Bundesrat vorgesehen werden, ist dabei sicherlich auszudiskutieren. Ein Weg wäre zum Beispiel ein funktionsfähiges Vermittlungsverfahren zwischen National­rat und Bundesrat.

Auch die frühzeitige Befassung des Bundesrates mit Gesetzesvorschlägen samt Stellungnahmerecht ist wohl eine Selbstverständlichkeit in einem kooperativen Bundesstaat und sollte schleunigst institutionalisiert und sichergestellt werden – dies nicht zuletzt deshalb, um einen derzeit feststellbaren überbordenden Regelungs­perfek­tionismus zu korrigieren.

Einfache, verständliche Gesetze ohne zu viel Bevormundung der Bürgerinnen und Bürger sollten unser oberstes Ziel sein.

Die weiteren Reformvorschläge der Landtagspräsidentenkonferenz wie das Teilein­spruchsrecht und die Korrektur von redaktionellen Fehlern, wie es Herr Bundesminister Ostermayer vorhin schon ausgeführt hat, sind ebenfalls kurzfristig umzusetzen.

Diskussionswürdig erscheint mir auch, dass den Landtagspräsidenten oder auch den Ausschuss-Vorsitzenden ähnlich wie den Landeshauptleuten ein Teilnahme- und Rede­recht bei den Bundesratssitzungen eingeräumt wird. Dadurch könnten Themen, die in den Landtagen behandelt wurden, direkt an die Länderkammer herangetragen werden. Dies erscheint insofern auch systemkonform, als ja die Bundesräte von den Landtagen entsendet werden.

Dabei ist sicherlich auch überlegenswert, dass dem Präsidenten des Landtages dann Sitz und Stimme im Bundesrat zukommt, wenn mit einem Beschluss des jeweiligen Landtages ein bestimmtes Mandat im Einzelfall erteilt wird. So könnten Vorstellungen der Landtage als eine Form der direkten Mitbestimmung im Bundesrat wirksam vertreten werden, ohne dass das freie Mandat des Bundesrates tangiert wird.

Gleichzeitig zu diesen legistischen Reformen muss aber auch eine Reihe faktischer Maßnahmen gesetzt werden, um die Bedeutung des föderalen Systems und damit auch des Bundesrates als zentrales Organ dieser Struktur in der Öffentlichkeit hervor­zu­heben und bekannt zu machen. Zunächst muss die Loslösung aus der Umklam­merung des Nationalrates stattfinden und damit eine Emanzipation und Eigen­ständigkeit Platz greifen. Der geplante Umbau des Parlamentsgebäudes eröffnet dabei meiner Ansicht nach die Möglichkeit, die Selbständigkeit und Bedeutung der Län­der­kammer auch räumlich und äußerlich hervorzuheben. Dies muss bei den Planungen entsprechend berücksichtigt werden.

Für den Föderalismus wichtige Themen müssen vom Bundesrat selbständig aufgegrif­fen und behandelt werden. Dabei muss der Bundesrat eigene politische Schwerpunkte setzen und diese auch öffentlich darstellen und vertreten. Seitens der Länder wurde beispielsweise eine Reihe von Reformvorschlägen präsentiert und der Bundesregie­rung übermittelt, wobei deren Umsetzung zum größten Teil nicht erfolgt ist. Also muss der Bundesrat gemeinsam mit den Ländern als Reformmotor ein neues Profil gewinnen und sich Anerkennung in der Bevölkerung verschaffen. In diesem Zusammenhang müssen vom Bundesrat Gesetzgebungsprozesse eingeleitet und in Gang gesetzt werden. Der Artikel 41 Abs. 1 B-VG, nach dem Gesetzesvorschläge vom Bundesrat oder einem Drittel der Mitglieder des Bundesrates an den Nationalrat gerichtet werden können, bietet, wie es Präsident Kneifel erwähnt hat, die verfassungsrechtliche Grundlage dafür.

Für derartige Aktionen ist keine Gesetzesänderung erforderlich, sondern es bedürfte nur eines „just to do“ – tun wir es, machen wir es! Das damit verbundene Echo in medialer Hinsicht wäre sicherlich enorm und ließe den Bundesrat in einem neuen Licht erscheinen. Mir ist bewusst, dass es da einer gehörigen Portion an Parteiencourage und politischem Mut bedarf. Ich darf Ihnen aber die Unterstützung der Landtage und einen verbesserten und ungehinderten Informationsfluss von den Landtagen zum Bundesrat schon heute zusichern. Insgesamt muss eine mediale Imagekampagne auch gemeinsam mit den Ländern gestartet werden, mit der die Bedeutung des Föderalismus und seiner Inhalte vermittelt wird. Eine Verlängerung der Vorsitzführung des Bundesrates, wie von meinem Vorredner schon angesprochen, wäre dazu sicherlich vonnöten.

Auch von Landesseite muss dem Bundesrat mehr an Bedeutung beigemessen werden, etwa dass den Bundesräten ein Rederecht im Landtag eingeräumt wird. Die Abhaltung von Sitzungen des Bundesrates und die Durchführung von Bundesrats­veranstaltungen abwechselnd in den einzelnen Bundesländern unter medialer Betreuung führen sicherlich zu einer Aufwertung dieses für die Länder so wichtigen Organs und zu einer gesteigerten Wahrnehmung seiner Bedeutung und einer höheren Wertschätzung in der Bevölkerung.

Meiner Meinung nach müssen deshalb folgende Schritte gesetzt werden, um ein neues Bild des Bundesrates zu entwickeln: Jeder Diskussion über eine Schwächung ist entschieden entgegenzutreten. Die derzeit vorliegenden Reformvorschläge müssen umgehend in Angriff genommen und umgesetzt werden; der Bundesrat muss sich gemeinsam mit den Ländern als Reformmotor der Republik darstellen und etablieren. Für all diese Schritte und deren Umsetzung besteht die Unterstützung der Länder, im Speziellen aber auch der Landtage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne bedanke ich mich für die Einladung. Ich wünsche allen, die hier wirken und tätig sind, den gewünschten Erfolg zur Stärkung des Föderalismus im Allgemeinen und des Bundesrates im Besonderen. Heben wir gemeinsam zumindest in diesem Bereich das derzeit herrschende Reform­zölibat auf! Packen wir es an, die Zeit ist reif dafür! Es möge das Kunststück gelin­gen. – Ich danke vielmals. (Beifall.)

Gestatten Sie mir zum Abschluss, bevor ich an meinen Nachredner übergebe, dass ich ihm zu seinem zuletzt gefeierten 60. Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche über­mittle. Alles Gute! (Beifall.)

10.44


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Steier, herzlichen Dank für die Ausführungen!

Ich darf mich bei den Landtagspräsidenten ganz herzlich für die Gespräche bedanken und auch dafür, dass der Bundesrat, nämlich in Person des Präsidenten, auch an der Landtagspräsidentenkonferenz teilnehmen kann. Nochmals herzlichen Dank für die immerwährende Unterstützung des Bundesrates durch die Landtagspräsidenten.

Ich darf nun den Herrn Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages, Herrn Kom­merzialrat Viktor Sigl, um seinen Beitrag bitten. – Bitte.

 


10.45.11

Kommerzialrat Viktor Sigl (Präsident des Oberösterreichischen Landtages)|: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Präsidentenkollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Geschätzte Damen und Herren! Ich bedanke mich bei dir, Herr Präsident Lampel, für die Einladung, innerhalb von zwei Wochen zweimal bei einer Enquete des Bundesrates dabei sein zu dürfen. Das zeigt, da tut sich etwas. Ich habe mit dem Herrn Präsidenten im Vorfeld kurz gesprochen und habe gesagt, ich hoffe nicht, dass das damit zusammenhängt, dass der Vorsitzwechsel ansteht. Das würde dann dem, was der Herr Bundesminister gesagt hat, wider­sprechen, nämlich die Amtszeit des Präsidenten zu verlängern, und wir müssten sie eher verkürzen.

Was will ich damit sagen? – Herr Präsident Steier, das Wort „Reformzölibat“ gefällt mir. Es gefällt mir deswegen, weil wir gerade bei den ganzen thematischen Zusam­men­hängen um den Bundesrat herum eine gewisse Eindimensionalität haben. Viele andere diskutieren über die Notwendigkeit des Bundesrates, über die Größe des Bundesrates, über die Entsendungsrechte der Gremien, die in den Bundesrat entsenden, und, und, und.

Meine Damen und Herren, wenn wir so Politik angehen, dann gehen wir sie mit einem Grundsatz an, wo wir uns wegen etwas rechtfertigen, bei dem wir vorher gar nicht festgelegt haben, was wir erwarten. Ich persönlich bin überzeugt davon – auch das Wort „Föderalismus“ ist natürlich einigermaßen sperrig –, dass gerade der Föderalis­mus dieser Republik in den letzten fünf, sechs Jahren unheimlich viel gebracht hat. Ich erwähne nur die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Aus sieben Bundesländern sind heute die Präsidenten anwesend, was mich besonders freut. Wenn ich die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 hernehme, kann ich sagen, so hat es in dieser Krisenzeit alle neun Bundesländer in der wirtschaftlichen Entwicklung und damit letztendlich auch die Bürger erwischt; zwei Bundesländer, nämlich die Steiermark und Oberösterreich, im Besonderen. In diesen zwei Bundesländern ist im Jahr 2009 die Wirtschaft um 4 Pro­zent geschrumpft. Das ist uns eigentlich ziemlich entgangen; wahrscheinlich auch deswegen, weil es den Ländern gelungen ist – und das gilt für alle neun –, sehr individuell, sehr treffsicher Entscheidungen herbeizuführen und Maßnahmen zu setzen, die ganz einfach ein Abfedern dieser Krise geschafft haben.

Gerade der Föderalismus hat uns in Wirklichkeit die Instrumente dazu gegeben. Ich behaupte, hätten wir dieses Instrument nicht gehabt, dann hätte wahrscheinlich die Republik insgesamt einen anderen Weg aus dieser Krise heraus gefunden, als es der Fall war, denn gerade diese zwei Bundesländer waren es, die unheimlich schnell im Jahr 2010 wieder auf der wirtschaftlichen Überholspur gewesen sind.

An diesem Beispiel sehen wir – da gibt es viele –, dass wir an diesem Thema Föde­ralismus weiterarbeiten müssen. Daher ist für mich und für uns in Oberösterreich der Bundesrat eine Möglichkeit, und zwar eine unheimlich wichtige Möglichkeit, auch die Länder- und Gemeindeinteressen auf Bundesebene darzulegen und mitzuhelfen, gemeinsam mit dem Nationalrat die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass wir uns auch in diesen Themenbereichen weiterentwickeln können.

Der Herr Bundesminister hat in seinen Ausführungen bereits einige Punkte ange­sprochen, die ich voll unterstreiche und die auch im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zur Bundesverfassung enthalten sind. Dafür bedanke ich mich stellvertretend für alle Landtage dieser Republik, auch deswegen, weil es in der Vorarbeit im gewissen Sinne auch einzigartig war – das soll auch so bleiben –, dass die Landeshauptleute und die Landtagspräsidenten konzertiert vorgehen, dass wir uns, wenn es um die Interessen der Länder, der Gemeinden und Kommunen geht, nicht – ich sage das ganz bewusst und auch mit einer gewissen Provokation – in den parteipolitischen Schützengräben verstecken, sondern ganz bewusst das Land als Standort sehen, wo Menschen nicht nur leben, sondern wo Menschen gestalten und wir versuchen müssen, die Rahmen­bedingungen so treffsicher zu machen, dass dieses Gestalten auch möglich ist. Das ist eh oft schwierig genug.

Die Effizienz des Bundesrates stelle ich allerdings schon in Frage. Der Bundesrat ist nicht „more of the same“ des Nationalrates, sondern er soll sich meiner Meinung nach überlegen, wo denn seine wirklichen Kompetenzfelder sind, wo er seine Einzigartigkeit hat.

Ich glaube daher auch, dass die Frage der Mitwirkungsrechte bei den Bundesgesetzen eine ist, bei der ich mir einen Vorschlag seitens der Bundesräte erwarte. Ihr kennt das Geschäft. Ihr wisst, wen ihr zu vertreten habt. Ihr könnt uns daher wesentlich besser – das gilt sowohl für die Präsidenten als auch für die Landeshauptleute – sagen, wo man sich im Bereich der Mitwirkungsrechte bei den Bundesgesetzen möglicherweise ein bisschen zurücknehmen kann, um diese freie Ressource dort einzusetzen, wo es tatsächlich um die Interessen der Länder und Gemeinden geht. Da gehört auch Europa dazu; der Ausschuss der Regionen ist angesprochen worden.

Ich denke auch, dass wir im Bereich des Vermittlungsverfahrens zwischen Nationalrat und Bundesrat stärker werden können. Die Überlegung eines Vermittlungs­ausschus­ses ist hier wohl nicht unberechtigt. Es müssen nicht immer die große Körper­schaft oder beide großen Körperschaften einmal mehr wieder beschäftigt werden, wenn es darum geht, dass ein redaktioneller Fehler, wie es der Herr Bundesminister ange­sprochen hat, zu beseitigen ist. Das ist, glaube ich, nicht erklärbar und bindet auch Ressourcen, die wir in der Form nicht mehr zur Verfügung haben.

Ich bin der Ansicht, dass wir betreffend Mitwirkungsrechte des Bundesrates überlegen sollten, wo die Bundesräte den Ländern bei der Bestellung von Organen mit behilflich sein könnten. Ich denke da an den Verfassungsgerichtshof, an den Rechnungshof. Das sind alles Bereiche, die auch uns klarerweise stark betreffen und wo wir auch als Bundesländer froh sind und froh wären, wenn der Bundesrat bei der Bestellung dieser gemeinsamen Organe der Länder und des Bundes mit dabei wäre.

Ich bin mir auch dessen bewusst, dass es Dinge gibt, die im Bereich der parlamen­tarischen Behandlung nicht unbedingt notwendig wären, aber trotzdem behandelt werden; also auch die Frage: Wie kann man die Frage der Verhandlungsgegenstände effizienter gestalten, um Freiräume zu finden, um auch in der Folge besser und effektiver den Fokus auf die Länderkammer dieser Republik zu legen?

Da gibt es durchaus ein föderalistisches Instrument, das meiner Meinung nach noch zu wenig geschärft ist. Da bräuchten wir euch. Da wären für uns die Bundesräte sehr wichtige Partner. Ich glaube auch, dass diese Stärkung in einzelnen Bereichen mit einem Zurücknehmen in anderen Bereichen einhergehen muss, um die Ressource Bundesrat auch entsprechend einzusetzen.

Ein persönliches Wort zur Frage der Entsendung. Die Landtage können auch jetzt schon ihre Abgeordneten in den Bundesrat entsenden, das ginge bereits. Ich habe mir jetzt den Sitzungskalender des Bundesrates für das nächste Jahr angeschaut und habe unseren Sitzungsplan von Oberösterreich sozusagen darübergelegt. Ich habe 14 Termine seitens des Bundesrates, Plenum und Ausschüsse, mitgeteilt bekommen. An sechs Terminen würden die oberösterreichischen Abgeordneten nicht teilnehmen können, weil sie entweder selber Ausschusssitzungen oder ebenfalls Plenum haben. Jetzt muss man das mal neun hochrechnen. Also alleine dieses Beispiel zeigt, dass man da weit weg von der sachlichen Debatte, aber sehr nahe bei der grundsätzlichen Debatte ist: Will man den Bundesrat oder will man ihn nicht? Daher meine ich, wenn jemand den Bundesrat nicht will, dann soll er es auch so sagen. Dann kann man sich in der Folge tatsächlich auch inhaltlich damit auseinandersetzen; sachlich finde ich da keine Begründung.

Zuversichtlich bin ich abschließend, dass dieser Bundes-Verfassungsgesetzentwurf jetzt vorliegt; skeptisch, Herr Bundesminister, bin ich noch ein bisschen, was die rasche Behandlung dieses Entwurfes anlangt, aber ich hoffe, dass die politischen Parteien gleichermaßen wie Regierung, Nationalrat und Bundesrat an einem Strang ziehen. Brauchen würden wir ihn deswegen rasch – das sage ich jetzt ungeschützt, auch auf die Gefahr hin, dass vielleicht nicht alles, was im Entwurf drinnen ist, so umgesetzt wird –, weil dies nach Langem ein klares und wichtiges Zeichen wäre, das die Notwendigkeit des Bundesrates in der Republik Österreich auch unterstreicht. Und diesen Beweis, glaube ich, gilt es auch in der nächsten Zeit zu liefern. – Ich bedanke mich fürs Zuhören. (Beifall.)

10.55


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Ich danke dem Herrn Landtagspräsidenten für seine Ausführungen und bitte den nächsten Redner, Herrn Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger, um sein Referat.

 


10.56.09

Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger (Institut für Föderalismus)|: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich recht herzlich für die Gelegenheit, hier vor Ihnen sprechen zu dürfen.

Die Unzufriedenheit mit dem real existierenden österreichischen Bundesrat ist allgemein. Niemand wird bestreiten, dass die Tatsache, dass der Bundesrat nur in bescheidenem Ausmaß in der Lage ist, in der Bundesgesetzgebung mitzuwirken, und die vorhandenen Rechte in der Praxis zudem so gut wie nicht ausübt, nicht optimal ist. Ich werde in meinem Referat allerdings das allgemeine Unbehagen über den österreichischen Bundesrat samt seiner oft auch unberechtigten Kritik, nicht weiter ausführen. Allerdings sind die Funktionsdefizite klar hervorzuheben, sie liegen begrün­det in erstens seiner schwachen Rechtsstellung und zweitens dem Umstand, dass die Bundesräte ihr Abstimmungsverhalten an jenem ihrer Parteikollegen im Nationalrat ausrichten.

Dies bedeutet, dass eine Reform des Bundesrates an beiden Punkten ansetzen muss. Eine Aufwertung der Rechtsstellung allein wird wenig bewirken, solange die Fraktionen im Bundesrat – Regierungsfraktionen wie Oppositionsfraktionen – weiterhin wie im Nationalrat abstimmen.

Nun möchte ich einige Gründe aufzeigen, warum wir eine Ländermitwirkung brauchen. Es gibt verschiedene Gründe, die eine Existenz des Bundesrates rechtfertigen, auch dann, wenn dieser an den besagten Funktionsdefiziten leidet.

Es ist dies erstens das bundesstaatliche Prinzip. Das bundesstaatliche Prinzip verlangt nach einer Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung. Eine Beseitigung des Bundesrates ohne adäquaten Ersatz wäre als eine Gesamtänderung der Bundesver­fassung zu qualifizieren, die gemäß Artikel 44 Abs. 3 B-VG einer Zustimmung des Bundesvolks bedürfte, ganz abgesehen davon, dass für eine solche Änderung auch die Zustimmung des Bundesrates selbst gemäß Artikel 35 Abs. 4 B-VG erforderlich wäre.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass es auch Alternativen zum Bundesrat, zur bestehenden Ländermitwirkung gäbe, wie etwa unmittelbare Zustimmungs- und Mitwir­kungsrechte der beteiligten Länder oder Organe der Länder. Auf sie komme ich gleich zu sprechen.

Der zweite Grund sind die Länder in der Umsetzung und Vollziehung von Bundesrecht und von Staatsverträgen. Es gibt abseits des formalen Arguments – also der Bundesrat ist notwendig, weil er von der Bundesverfassung als Element des bundesstaatlichen Prinzips gesehen wird – auch praktische Gründe, die die Existenz des Bundesrates legitimieren.

Den Ländern und ihren Organen, insbesondere dem Landeshauptmann, kommt in der mittelbaren Bundesverwaltung eine tragende Rolle in der Vollziehung von Bundesge­setzen zu. Außerdem haben die Länder im Rahmen der Grundsatzgesetzgebung Bun­desrecht umzusetzen. Zu guter Letzt werden sie auch von den vom Bund abge­schlossenen Staatsverträgen in die Pflicht genommen. Es ist daher grundsätzlich auch aus praktischer Sicht wichtig, dass die Länder über eine zweite Parlaments­kammer an der Bundesgesetzgebung mitwirken.

Der dritte Grund ist die europäische Rolle des Bundesrates. Der Bundesrat ist jenes parlamentarische Organ, das bei Bedarf auch die Bedenken der Länder gegen geplante EU-Rechtsakte transportiert, ja sogar eine Subsidiaritätsklage beim EuGH erheben könnte. Müssten sich die Länder an den Nationalrat wenden, ist es fraglich, ob sie in der ersten Parlamentskammer, in der vor allem logischerweise Bundesinteressen wahrgenommen werden, ähnlich erfolgreich wären.

Die engagierte Mitwirkung des Bundesrates im europäischen Rechtsetzungsprozess stärkt im Übrigen die Verbindung dieser Institution zu den Ländern. Das wurde heute schon gesagt.

Zweifellos gibt es aber auch Alternativen zum Bundesrat. Die Entwicklung der letzten Jahre hat dies in den einzelnen Bereichen vorgezeichnet. Gerade auf Grund der aufgezeigten Funktionsdefizite des Bundesrates haben die Länder im Rahmen der Begründung verschiedener Bundeskompetenzen als Kompensation, als Gegenleistung für die Zentralisierung Zustimmungsrechte erhalten. Artikel 14b B-VG in den Angele­genheiten der öffentlichen Auftragsvergabe ist das klassische Beispiel dafür. Die Länder haben in diesen Fällen ein Vetorecht. Ohne ihre Zustimmung kann der Bund kein Gesetz, ja nicht einmal eine Verordnung erlassen.

Dieses Vetorecht ist vor nicht allzu langer Zeit mit Artikel 42a B-VG etwas entschärft worden, nämlich: Die Länder müssen in Zukunft ihr Vetorecht innerhalb von acht Wochen ausüben. Mit dieser Änderung, mit diesem Artikel 42a ist allerdings dieses Zustim­mungsrecht der beteiligten Länder zu einer ernsthaften Konkurrenz für den Bundesrat geworden. Die Länder müssen nunmehr innerhalb einer Frist von acht Wochen ihre Zustimmung verweigern, ansonsten gilt sie als erteilt. Dieses Instrument arbeitet fast so schnell wie der Bundesrat und gibt den Ländern die Möglichkeit, selbst unmittelbar mitzuwirken. Es ist daher auch aufzupassen, muss man sagen aus der rechtswissenschaftlichen Sicht, dass der Bundesrat nicht sozusagen von den Ländern überholt wird.

In diese Richtung, den Ländern selbst Beteiligungsrechte zu geben, weist auch der gehörte Vorschlag vor nicht allzu langer Zeit, die Aufgaben des Bundesrates auf die Landtage zu verteilen. Ich halte diese Idee allerdings für nicht praktikabel. Es hat keinen Sinn, Bundesgesetze durch neun Landtage zu schleusen, die ja dann im Regelfall nur einen suspensiv wirkenden Einspruch erheben könnten. Bundespolitik würde noch mehr als bisher in die Landtage gezogen, und man kann sagen, genau um diesen Zustand zu vermeiden, dass eben die Bundespolitik, Bundesgesetze durch neun Landtage geschleust werden müssen, genau deswegen gibt es ja den Bundesrat. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Nun zu den Vorschlägen. Es ist in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, alle guten und weniger guten Vorschläge der vergangenen Jahre zur Reform des Bundesrates zu rekapitulieren. In groben Zügen kann resümiert werden, dass im Österreich-Konvent die Meinung überwog, den Bundesrat im Vorfeld des Gesetzge­bungsprozesses zu stärken und ihm frühzeitig die Möglichkeit zu geben, sich einzu­bringen. Auch das ist heute bereits angesprochen worden. Darüber scheint eine gewisse Einigkeit zu erzielen zu sein.

Uneinigkeit bestand bereits im Österreich-Konvent darüber, wie stark seine Rechts­stellung gegenüber den gefassten Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates sein sollte. Dies hing auch stark mit dem im Österreich-Konvent diskutierten Drei-Säulen-Modell zusammen. Jene, die für eine breite dritte Säule mit entsprechend bescheidenen Länder­kompetenzen eintraten, waren im Regelfall bereit, den Bundesrat gleichsam als föderalistische Kompensation stärkere Mitwirkungsrechte, eben Vetorechte einzu­räumen.

Diese Haltung wiederholte sich in den Entwürfen der Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform 2007/2008. Die Expertengruppe stellte zwei Entwürfe zur Wahl, einmal mit starker Bundesratsmitwirkung mit einem Zustimmungsrecht zur Gesetzge­bung in den Angelegenheiten, die einer sogenannten dritten Säule zugewiesen waren, einmal mit schwacher Bundesratsmitwirkung. Über diese Entwürfe zu diskutieren ist allerdings mittlerweile auch müßig, sie wurden in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr aufgegriffen.

Von größerem Interesse, weil rezenter, scheint das Ländermodell zu sein, das von Land­tagspräsident Sigl vorgestellt wurde, auf das sich die Landeshauptleute und die Landtagspräsidenten der Länder verständigt haben. Es sieht eine Aufgabenentflech­tung vor. Das derzeit umfassende Einspruchsrecht des Bundesrates wird reduziert, der Bundesrat erhält dafür ein Zustimmungsrecht zu Verfassungsänderungen sowie zu Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates, die für die Länder mit erheblichen Kosten­folgen verbunden sind. Um die Vetowirkung des Zustimmungsrechts abzumildern, wird ein Vermittlungsverfahren eingeführt.

Ich glaube, dass damit eine Diskussionsgrundlage geschaffen wird. Das Ländermodell hat noch einige weitere Inhalte, die ja vorgestellt wurden, die ich hier nicht mehr wiederholen muss. Jedenfalls als Diskussionsgrundlage für eine Reform des Bundesrates scheint mir dieser Entwurf durchaus geeignet zu sein, vor allem weil es sich um einen ausformulierten Entwurf handelt und um nicht irgendwelche bloß vorgestellten Überlegungen, sondern eben um ein konkretes Modell.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Ländermodell wie jedes andere Modell auch, das an der Rechtsstellung des Bundesrates ansetzt, nur eines dieser beiden von mir angesprochenen Defizite löst. Es stärkt zwar den Bundesrat und trägt dadurch vielleicht auch zu einer gewissen Emanzipation der Bundesräte bei, garantiert aber nicht, dass diese nicht weiterhin ein ähnliches Abstimmungsverhalten wie ihre Kollegen im Nationalrat tätigen.

Aber auch dazu existieren Vorschläge. Sie reichen von der möglichen Bindung des Abstimmungsverhaltens von Bundesräten durch Landtagsbeschlüsse über die Ent­sendung einer Dreierdelegation, bestehend aus Landeshauptleuten, Landtagsprä­si­denten und einem weiteren Landtagsabgeordneten des jeweiligen Landes, in den Bundesrat – das wäre also eine Verschlankung des Bundesrates, er würde dann aus 27 Bundesräten bestehen – bis hin zum Vorschlag, der kritisch gesehen wird, dass der Bundesrat von Landtagsabgeordneten besetzt wird.

Man kann über diese drei Alternativen durchaus diskutieren, vermutlich gibt es auch noch weitere Möglichkeiten. Keine Lösung stellt meines Erachtens die Direktwahl der Bundesräte dar. Sie gewährleistet nämlich nicht, dass sich diese gegenüber ihren Kollegen im Nationalrat eher emanzipieren, als dies derzeit der Fall ist. Sie stellt nur sicher, dass den Landtagen die derzeit einzige Möglichkeit verlorengeht, auf „ihre“ Bundesräte einzuwirken, indem sie sie wählen und entsenden. Die Direktwahl der Bundesräte wäre meines Erachtens eine Schwächung der Landtage und eine Schwächung der Ländermitwirkung.

Im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Zeit konnte ich nur einige Leitlinien einer Reform und Weiterentwicklung des Bundesrates ziehen. Zusammengefasst nochmals:

Eine Reform des Bundesrates muss sowohl an der Rechtsstellung des Bundesrates selbst als auch am faktischen Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder ansetzen. Solange nur eine der beiden Reformen verwirklicht wird, wird das Ergebnis unbe­friedigend sein.

Eine Reform des Bundesrates ist meines Erachtens möglich. Es gibt bereits eine kleine Schnittmenge von Vorschlägen, die ich heute gehört habe, über die man sich zumindest einigen könnte. Eine weiter gehende Reform setzt natürlich die Bereitschaft voraus, bisherige Entscheidungsmuster zu überdenken und tief eingegrabene Geleise der politischen Abläufe zu verlassen. Wie aussichtsreich das sein wird, das werden wir dann sehen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall.)

11.07


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Sehr geehrter Herr Universitäts­dozent Dr. Bußjäger, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen.

Als letzte Rednerin zu Panel I darf ich Frau Professor Dr. Gisela Riescher vom Semi­nar für Wissenschaftliche Politik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau um ihren Beitrag bitten.

 


11.07.58

Univ.-Prof. Dr. Gisela Riescher (Universität Freiburg, Deutschland)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Enquete! Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir Gelegenheit geben, über die Forschungsprojekte zu den zweiten Kammern zu berichten, die wir an der Universität Freiburg im Breisgau durchgeführt haben, und zwar in den Jahren 1998 bis 2000 und 2008 bis 2010.

Wir gingen von der Beobachtung aus, dass zweite Kammern nicht selten heftiger Kritik ausgesetzt sind. Sie gelten, und Sie wissen das, in der öffentlichen Meinung oft als untätig, teuer und überflüssig, und die Fachliteratur nennt sie ebenso häufig ineffizient, dem demokratischen Prinzip entgegenstehend oder auch einen institutionellen Irrtum. Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist ihre Existenz sogar gänzlich unbekannt. Der österreichische Bundesrat ist dafür leider ein oft zitiertes Beispiel.

Deshalb richteten wir unsere Interessen auf die Frage, warum fast ein Drittel aller politischen Systeme heute dennoch zweite Kammern haben, obwohl sie in der Forschung und im öffentlichen Diskurs derart umstritten sind. Um Gründe für dieses Fortbestehen herauszuarbeiten, legten wir unserer Analyse die These zugrunde, dass zweite Kammern in unterschiedlichen Ausformungen historisch wie aktuell wichtige Funktionen für diese politischen Systeme erfüllen. Um ein im qualitativen Sinne repräsentatives Ergebnis zu erhalten, haben wir 16 zweite Kammern ausgewählt: aus unterschiedlichen Staatsformen, unitarisch wie föderal, und mit verschiedenem Bestellmodus, also Direktwahl, indirekte Wahl, Benennung und Mischverfahren. Er­gänzt wurde diese Auswahl um eine Kontrollgruppe von abgeschafften und auch neu eingerichteten zweiten Kammern, um Gründe für diesen verfassungspolitischen Schritt in die Analyse mit einzubeziehen.

In der folgenden Zusammenfassung unserer wichtigsten Ergebnisse orientiere ich mich inhaltlich wie textlich an unseren Veröffentlichungen: Riescher, Ruß, Haas: „Zweite Kammern“, und Riescher: „Do second chambers matter?“ Bei der Auswahl der Argu­mente habe ich die Stellung des österreichischen Bundesrates im Blick, um die Interessen der Enquete in den Mittelpunkt zu stellen.

Erstens: Betrachtet man die den zweiten Kammern zugeschriebene als auch ihre faktische Repräsentationsbasis, so ergeben unsere Untersuchungen zunächst ähnliche Befunde wie in der vorherrschenden Bikameralismusforschung und sehen in föderal organisierten Staaten die gleichsam natürliche Umwelt für zweite Kammern. Die Legitimation und die Bedeutung der zweiten Kammern sind bei territorialer Repräsen­tation am größten, während ständische Repräsentationsprinzipien, wie zum Beispiel beim House of Lords und dem irischen Seanad, natürlich an Bedeutung verloren haben. Dabei muss ich als Universitätsdozentin sagen, mir ist der irische Senat nicht unsympathisch, er hat sechs Sitze für die Universitäten des Landes reserviert, also eine ganz unnatürliche Repräsentation.

Zweitens: Die föderale Repräsentation erhöht den Legitimationsgrad von zweiten Kam­mern, aber umgekehrt kann auch nicht gesagt werden, dass ohne Vertretung der subnationalen Ebene der Bikameralismus generell schwach oder funktionslos wäre. Er erfüllt dort ebenso wichtige Systemfunktionen, wo er zu einem verhandlungsdemo­kratischen Element wird und den Entscheidungsmechanismus der Mehrheitsdemo­kratie, das Majoritätsprinzip, aufbricht, Entscheidungen rationalisiert und unterschied­liche parteipolitische, ethnische, gesellschaftliche oder auch ständische Gruppierungen in den legislativen und exekutiven Prozess einbindet. Die zweite Kammer wird damit zu einer Institution, die Konsensdemokratien formale, aber auch informelle Vetopunkte anbieten kann.

Drittens: In dieser Funktion bezeichnet man sie in neoinstitutionalistischen Konzepten der Politikwissenschaft als „Vetospieler“. Vetospieler sind individuelle oder kollektive Akteure in der Politik, deren Zustimmung notwendig ist, um Veränderungen am Status quo vorzunehmen. Umgekehrt heißt das aber auch, dass sogenannte Vetospieler politische Entscheidungen blockieren können.

Diese Vetooptionen von zweiten Kammern liegen natürlich zuallererst im Bereich der Gesetzgebung. Die Modelle der Beteiligung sind hier allerdings sehr vielfältig. Sie reichen von der Gesetzesinitiative über Beratungsphasen bis hin zur Verabschiedung von Vorlagen. Beteiligungen zweiter Kammern am Gesetzgebungsverfahren werden meist ergänzend oder kumulativ angewendet: die Regelung der Mitwirkungsrechte nach Gesetzgebungsmaterie, das aufschiebende Veto und die Mitberatungsfunktion.

Diese legislativen Beteiligungsformen sind meist – wir haben es ja auch schon gehört – mit detaillierten Zeitvorgaben verbunden, die innerhalb einer bestimmten Frist die Mitwirkung ermöglichen und Entscheidungsblockaden lösen sollen. Unter dieser genannten Denkfigur der Vetospieler oder der Vetopunkte sind allerdings nicht allein die faktischen, sondern auch die potenziellen Möglichkeiten zu sehen, die in bika­meralen Systemen zur Verfügung stehen. Das können Gutachten sein, das kann die Herstellung einer Gegenöffentlichkeit durch die zweite Kammer sein, das kann aber auch das politische Interesse, vor allem der Exekutive, an einer erweiterten Legiti­mationsbasis für weitreichende oder umstrittene Gesetzgebungsvorhaben sein.

Diese informellen Formen des Legislativvetos werden heute in Zweikammersystemen ebenso genutzt wie in Konsensdemokratien, unabhängig von der Repräsentations­basis, also ob föderal oder ob ständisch organisiert.

Da ist es natürlich interessant, den Blick auf die sogenannten schwachen zweiten Kammern zu legen, die nicht über eine formal gleichberechtigte Position im Gesetzge-bungsverfahren verfügen, die aber dennoch die politische Situation bei schwierigen Gesetzesvorhaben mit beeinflussen können. In Österreich stellen große Koalitionen und die politisch starke Einbindung der Verbände jenseits des Bundesrates bereits einen breiten Konsens bereit und schwächen damit die Position des Bundesrates.

Viertens: Betrachtet man die politischen Systeme, die in den letzten Jahren und den letzten Jahrzehnten sich für eine Abschaffung der zweiten Kammer entschieden haben, so zeigen sich in Dänemark, in Schweden und in Neuseeland relativ homogene Gesellschaften, die ein breites Maß an Konsensmechanismen aufweisen. So beinhaltete die schwedische Verfassungsreform zur Aufhebung des Bikameralismus 1968/69 zugleich eine Wahlreform, die für einen größeren Parteienproporz sorgte und Koalitionsregierungen auf einer breiteren Basis nach sich zog.

In der Verfassungsreformdiskussion der achtziger Jahre in Neuseeland hat man ver­sucht, zu diskutieren, ob man die bereits abgeschaffte zweite Kammer nicht wieder einführen sollte, weil man erkannt hat, es fehlt doch etwas im politischen System, was eine Reflexion auf der Gesetzgebungsebene beinhalten sollte. Eingeführt hatte man damals stattdessen wie in Schweden Ombudsmänner. Als Argumente gegen eine Wiedereinführung genannt werden neben der Verhältniswahl das effektivere Aus­schusssystem und die Stärkung der Kompetenzen des Ombudsmannes und der Human Rights Commission. Das zeigt also, dort, wo man zweite Kammern abschafft, sucht man nach Alternativen und braucht sie offensichtlich auch, um ein Instrument wie die zweiten Kammern in der Politik zu ersetzen.

Fünftens: Ein Blick auf die im Zuge der Systemtransformation in den mittel- und osteuropäischen Staaten neu geschaffenen zweiten Kammern zeigt, dass neben diffusen Vorstellungen die alte Tradition der Chambre de réflexion eine ausschlag­gebende Rolle spielte. So war zum Beispiel Václav Havel ein maßgeblicher Befürwor­ter des Senats, um einen am Gemeinwohl orientierten Rat der Weisen neben das Abgeordnetenhaus zu stellen.

Sechstens: Bei parteipolitischer Doppelung kann nur eine umfassende und mit der ersten Kammer gleichberechtigte Kompetenzaufteilung eine starke zweite Kammer herstellen. So gilt zum Beispiel der italienische Senat trotz gleicher Mehrheiten, aller-dings bei gleicher Legitimation und gleichen Aufgaben, als der machtvolle Zwillings­bruder der Abgeordnetenkammer. Seine auch formal nur schwach ausgeprägte Vertretung der regionalen Einheiten Italiens wird in der politischen Praxis ersetzt durch die Idee, die „Kammer der Erfahrung“ zu sein.

Unter der Prämisse der bereits genannten Vetopunkte können zweite Kammern also auch ohne die in der Bikameralismusforschung so stark gewichtete territoriale Reprä­sentation ein hohes Maß an Relevanz erreichen. Damit können zweite Kammern mit ganz unterschiedlicher Repräsentationsbasis eine ähnliche Wirkung im politischen System erzielen.

Siebentens: Das angewandte Modell der Vetopunkte und der Vetospieler bricht die bekannten Interpretationsschemen der zweiten Kammern – also unitarisch versus föderalistisch, symmetrische versus asymmetrische Zusammensetzung – auf, ohne allerdings ein ganz eindeutiges Raster der Zuordnungskriterien zu schaffen. Zu vieldimensional sind die Bedingungen und die Variablen, unter denen Zweikammer-systeme arbeiten.

Die lange Zeit vorherrschende Argumentationslinie, es handle sich bei zweiten Kammern um überflüssige oder untätige Gremien, welche die Gesetzgebungsprozesse unnötig verlängern und verteuern, kann unter diesem Paradigma der Vetopunkte in den meisten Fällen schnell entkräftet werden. Deutlich wird, dass zweite Kammern unter den Aspekten der Repräsentation von Minderheitenpositionen, der Reflexion von Mehrheitspositionen und der Erweiterung der Konsensbasis in modernen Demokratien ein Set an systemfunktionalen Erfordernissen erfüllen.

Achtens: Ein letzter Aspekt, den ich von Mughan und Patterson übernehme, gilt dem gewachsenen Respekt, den sich beide Kammern in bikameralen Systemen entgegen­bringen. Erweitert man dies auf politische Systeme und die Öffentlichkeit, so ist ein intensiveres Wissen über interne Organisationsformen und die Arbeitsweise der zwei­ten Kammern unabdingbar. Somit ist auch die Politische Bildung an Schulen und auch an den Universitäten gefordert, dieses Wissen für Zusammenhänge und für interne Funktionen herzustellen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

11.20


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Herzlichen Dank für Ihre Ausfüh­rungen, Frau Professor.

11.20.44III. Panel II

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Wir gelangen nunmehr zu Panel II, den Statements der Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat, deren Redezeit mit jeweils 10 Minuten beschränkt ist.

Als erster Redner gelangt der Fraktionsvorsitzende der ÖVP, Herr Bundesrat Gottfried Kneifel, zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.21.02

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich)|: Geschätztes Präsidium! Meine sehr geehrten Präsidenten aus den verschiedenen Landtagen, Experten, die heute an dieser Enquete des Bundesrates teilnehmen! Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst ein herzliches Dankeschön sagen an die derzeitige Präsidentschaft und an deren Spitze, Präsidenten Michael Lampel, auf dessen Initiative hin diese Enquete einberufen worden ist. Ich meine, das ist eine zu diesem Zeitpunkt sehr aktuelle Initiative gewesen. Ich bedanke mich auch für die klaren Stellungnahmen der Vorrednerinnen und Vorredner, insbesondere auch bei Landtagspräsidenten Steier, der einer Abschaffung des Bundesrates eine klare Absage erteilt und auch konstruktive Elemente eingebracht hat, wie wir die Effizienz und die Arbeitsweise und die Wirkung vor allem im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess verbessern können.

Ja, es ist hin und wieder gelungen, auch eine Gesetzesinitiative aus dem Bundesrat in den Gesetzgebungsprozess einzubringen – aber dazu ist ein politischer Konsens notwendig. Die Verfassung ermöglicht es, die Verfassung erlaubt es, dass so wie der Nationalrat auch der Bundesrat Gesetzesinitiativen einbringt, nur müssen wir es auch tun! Ich halte insbesondere Fragen und Themen der Staatsreform, der Föderalismus- und der Zentralismusreform für bestens geeignet, dass sie vom Bundesrat aus gestar-tet werden, weil für diese Materien ohnedies auch die Zustimmung der Länder in weiterer Folge erforderlich ist. Das wäre sinnvoll, und alle Parteien wären gut beraten, diese Initiativen in Zukunft vom Bundesrat aus zu starten.

Ich bedanke mich auch bei Präsidenten Sigl für sein klares Bekenntnis zum Papier der Landtagspräsidenten. Es ist erstmals gelungen, ein akkordiertes und vollständig abge­stimmtes Programm zur Reform des Bundesrates zu erarbeiten. Ich denke, wir sollten es ernst nehmen und möglichst rasch auf den Weg bringen, denn kaum eine andere verfassungsmäßige Einrichtung der Republik stand und steht mehr im Kreuzfeuer der Kritik als der Bundesrat. Zuletzt hat sich sogar die Nationalratspräsidentin mit der Forderung zu Wort gemeldet, den Bundesrat abzuschaffen. Zuerst verärgert, war ich letztlich froh darüber, weil die darauffolgenden zahlreichen Politiker- und Medien­kommentare zur Klärung der Standpunkte beigetragen haben, die Funktion der Länder­kammer herausgearbeitet und verständlich gemacht haben. Das hat zu einer wesentlichen Klärung der Standpunkte geführt.

Wir kennen auch andere selbsternannte Verfassungsexperten, die betreffend unsere Staatsordnung meist völlig ahnungslos nach der Auflösung des Bundesrates rufen, wenn ihnen zum Thema Staatsreform nichts anderes einfällt. Vergessen wir gerade in diesem Jahr, in diesem Gedenkjahr – der Jahrestag steht ja unmittelbar bevor mit dem 28. Juni, „100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkrieges“ – nicht, dass es die Bundes­länder waren, die nach dem Zusammenbruch der Habsburger-Donaumonarchie die Republik gegründet haben. Die Republik ist sogar zweimal, auch nach der zweiten Weltkatastrophe 1945, von den Bundesländern in der Länderkonferenz in Wien gegründet worden.

Es ist doch allzu verständlich für jeden Staatsbürger und für jede Staatsbürgerin, dass derjenige, der den Gründungsakt setzt, sich von den somit Gegründeten nicht auflösen lässt – das ist doch sonnenklar, ich glaube, darüber gibt es keine Diskussion –, sondern sogar massives Interesse daran hat, am Gesetzgebungsprozess der Republik mitzuarbeiten, zumal wir uns alle – nicht wir persönlich, sondern unsere Gründerväter – gemeinsam darauf geeinigt und uns geschworen haben, als staatliche Organisations­form den Bundesstaat ins Leben zu rufen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Rückblick scheint mir wesentlich zu sein, weil wir die Zukunft leichter bewältigen können, wenn wir wissen, woher wir als Bundesrat gekommen sind.

Ich will Ihnen die Aufzählung der bisherigen, meist erfolglosen Anläufe zur materiellen Reform des Bundesrates ersparen. Sie waren bis auf den Österreich-Konvent und eine sehr effiziente Geschäftsordnungsreform im Jahre 1994, für die auch einer der heute hier Anwesenden – ich begrüße sehr herzlich Professor Schambeck – verantwortlich zeichnete, bis auf diese beiden Ausnahmen kein sehr großes Ruhmesblatt für den parlamentarischen und demokratiepolitischen Diskurs in dieser Republik. Ich gehe aber mit Blick in die Zukunft davon aus,

dass sich erstens alle staatstragenden Kräfte Österreichs zum staatlichen Ordnungs­prinzip Bundesstaat bekennen,

dass zweitens niemand den Ländern die Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung absprechen will und

dass drittens niemand die neue und immer wichtigere Rolle des Bundesrates als verlän­gerter Arm der Länder bei der Mitwirkung bei EU-Rechtsakten bis zur Einbrin­gung einer Subsidiaritätsklage beim EuGH bezweifelt.

Das sind meiner Meinung nach unverrückbare Säulen, auf denen wir unsere Berech­tigung und unsere Legitimation als Bundesrat aufbauen.

Stellen Sie sich vor, jedes Bundesland gibt einzeln Stellungnahmen zur Kommission nach Brüssel ab! – Die würden zu lachen beginnen. „Der will das, und der will jenes.“ Der Bundesrat koordiniert und sammelt die Stellungnahmen zu europäischen Rechts­akten und bringt sie ein. Das ist eine enorme politische Leistung, die wir seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages für diese Republik und für die Bundesländer erbringen. Das wird bei der Kritik am Bundesrat meistens völlig außer Acht gelassen, das steht auch noch in keinem Staatsbürgerkunde-Lehrbuch. Das, glaube ich, ist eine wesentliche Säule auch unserer Mitwirkung.

Wenn über diese Grundprinzipien Einigkeit besteht, geht es nur mehr um das Wie der Ländermitwirkung. In den vergangenen Jahren haben wir diesbezüglich wesentliche Fortschritte erzielt. Während früher auch die Länder kreuz und quer durcheinander tönten, sich quasi gleich einer Kakofonie durch die ganze Republik oft mit völlig kontroversiellen Standpunkten und Vorschlägen zur Reform des Bundesrates ausge­zeichnet haben, gibt es heute einen geschlossenen Entwurf. Die Bundesrats­präsidenten Keuschnigg, Mayer, Todt, Lampel und Mitterer haben einen wesentlichen Anteil daran.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Ländermodell ist bereits genannt worden. Jede Zeit hat ihre Verantwortung, schreibt Herbert Schambeck in seinem Buch  „Der Staat und seine Ordnung“. Wir haben die Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit in den Staat, seine Institutionen und vor allem in die Politik zu verbessern, um nicht zu sagen wiederherzustellen, sonst holt uns wirklich alle bald der Teufel, wie das Landeshauptmann Pühringer in einem Zeitungsinterview erst kürzlich sehr realistisch dargestellt hat.

Bekennen wir uns zu diesem Entwurf und bringen wir ihn in den Gesetzgebungs­prozess ein! Diskutiert und debattiert wurde über den Bundesrat lange genug. Jetzt sollen Entscheidungen fallen, dazu sind wir eigentlich gewählt. Ich wünsche mir das von ganzem Herzen. (Beifall.)

11.30


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Herzlichen Dank für die Ausfüh­rungen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist der Fraktionsvorsitzende der SPÖ, Herr Bundesrat Reinhard Todt. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.30.59

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Expertinnen und Experten! Sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Rede einmal etwas anderes tun und einfach nur sagen, dass ich mich bei allen Menschen, die in parlamentarischen Gremien arbeiten, herzlich bedanke: bei allen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten, die ihre Aufgaben ernst nehmen, bei allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die ihre Aufgaben sehr ernst nehmen, bei allen Landtagsabgeordneten, die ihre Aufgaben ebenfalls sehr ernst nehmen, bei allen Nationalrätinnen und Nationalräten und selbstverständlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat.

Ich glaube, dass parlamentarische Vertretung ein sehr wichtiger Teil unserer Demo­kratie ist. Die Debatte über die Bedeutung der zweiten Kammer des österreichischen Parlaments ist keine neue. Schon mit Beginn der Ersten Republik und der republi-kanischen Verfassung von Hans Kelsen wurde über den Bundesrat und seine Gewichtung im politischen System Österreichs diskutiert, oft sogar in heftigen politischen Auseinandersetzungen. Im Folgenden möchte ich skizzieren, wie wir dieser bald hundertjährigen Diskussion ein Ende bereiten könnten.

Der Bundesrat muss in der Bevölkerung eine eigene Wahrnehmung erhalten, er muss sich neu und besser positionieren. Der falsche Weg dabei ist, den Nationalrat noch mehr zu kopieren und sich an den Abläufen des Nationalrates zu orientieren. Es muss im Bundesrat andere Abläufe, andere Debatten geben, und es müssen andere politische Schwerpunkte gesetzt werden. Aufgrund seiner Aufgaben und seiner verfas­sungsrechtlichen Stellung muss der Bundesrat föderalistische Themen aufgreifen und besetzen. Er muss die Themenführerschaft in diesen Fragen haben.

Der Bundesrat muss auch seine Stärken unterstreichen. Der Bundesrat ist viel flexibler als der Nationalrat, in welchem sich gegenwärtig sechs Fraktionen eifersüchtig gegen-seitig kontrollieren und die Redezeit der Abgeordneten aufgrund der Vielzahl der zu behandelnden Materien im Schnitt nur mehr 3 Minuten beträgt. Der Bundesrat hat es einfacher. Er kann föderalistische Themen und eigene politische Hauptthemen in den Mittelpunkt stellen. Die Bundesrätinnen und Bundesräte verfügen über mehr Redezeit und können diese Themen in der Folge ausführlicher analysieren und debattieren, als dies im Nationalrat möglich ist oder wäre. Wir tun das bereits und stellen das bei jeder Plenarsitzung ausführlich zur Schau.

Der Bundesrat soll auch ein Naheverhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern schaffen. Durch die Organisation von Enqueten und Veranstaltungen kann er bei den Bürgerin­nen und Bürgern Aufmerksamkeit erzielen.

Wie jedes andere Gesetzgebungsorgan wird der Bundesrat durch seine Präsiden­tin/seinen Präsidenten sowie durch die Vizepräsidentinnen/Vizepräsidenten nach außen hin vertreten. Im Nationalrat wie in den Landtagen werden die Präsidenten für eine Gesetzgebungsperiode gewählt. Die Präsidentschaft im Bundesrat, von Gerhard Steier schon angesprochen, wechselt halbjährlich, um jedem Bundesland eine Präsidentschaft zu gewährleisten. Dieses halbe Jahr ist – ich spreche auch aus eigener Erfahrung – zu kurz, um es dem jeweiligen Präsidenten zu ermöglichen, im Rahmen seiner Präsidentschaft einige Schwerpunkte zu setzen und dadurch auch seine Bekanntheit in den Medien aufzubauen. Es sollte daher durchaus überlegt werden, ob die Periode einer Präsidentschaft nicht auf ein Jahr verlängert werden könnte, um diesen Nachteil für den Bundesrat zumindest abzuschwächen.

Um die Identität mit dem Bundesland, das den Vorsitz innehat, zu stärken, könn­te/sollte pro Vorsitz in der Landeshauptstadt des Vorsitzlandes eine Sitzung des Bun­desrates stattfinden. Sie könnte durchaus gemeinsam mit dem Landtag stattfinden. In deren Rahmen sollten Themen behandelt werden, die spezielle Länderinteressen wie auch Bundesinteressen berühren, aber jedenfalls sollten es über den politischen Alltag hinausgehende Zukunftsthemen sein.

Die verfassungsrechtliche Kompetenz des Verhältnisses Nationalrat und Bundesrat schließt den Bundesrat derzeit davon aus, in der eigentlichen Gesetzgebungsphase mitzuwirken. Dem Nationalrat kommt das Recht zu, in seinen Ausschusssitzungen, aber auch im Plenum in der zweiten Lesung eines Gesetzentwurfes Gesetzesini­tiativen, gleichgültig, von wem diese ausgegangen sind, in jede Richtung abzuändern, so es der verfassungsmäßige Rahmen ermöglicht. In dieser Kreativphase der Gesetz­ge­bung wirkt der Bundesrat bisher nicht mit. Dem Bundesrat kommt erst nach Beschlussfassung eines Gesetzentwurfes durch den Nationalrat die Möglichkeit zu, diesen in Behandlung zu nehmen. Er kann aber keine Abänderungen vornehmen, sondern bloß ein suspensives Veto beschließen.

Ich bin für ein Stellungnahmerecht des Bundesrates, und zwar schon in der Kreativ­phase der Gesetzwerdung, damit Anregungen und Veränderungen in Gesetzentwürfen aus föderalistischer Sicht beschlossen werden können. Aufgrund der Raschheit des Verfahrens müssten solche Anregungen in Ausschusssitzungen des Bundesrates beschlossen werden, wobei gleichzeitig ein Bundesrat bezeichnet werden soll, der die Stellungnahme des Bundesrates dann in der Ausschusssitzung des Nationalrates referiert und bewirbt. Das hätte einen weiteren Vorteil: Sollte der Nationalratsaus­schuss und in Folge der Nationalrat die Anregungen des Bundesrates vollinhaltlich umsetzen, wäre eine weitere Befassung des Bundesrates nicht mehr notwendig. Das Gesetzwerdungsverfahren könnte so beschleunigt werden. Dies wäre ein gestalterisch positiver Zugang, denn, wie aus Deutschland bekannt, Vermittlungsausschüsse zwi­schen beiden Kammern führen zu Verzögerungen der Gesetzgebung bis hin zu Blockadesituationen.

Eine weitere Verbesserung des Gesetzgebungsprozesses wäre die Möglichkeit von Teileinsprüchen. Auch in der Wissenschaft wurde dieses Thema bereits problemati­siert, da der Nationalrat insbesondere in Form der Bundesgesetze umfassende Sam­melnovellen beschließt und dem Bundesrat übermittelt. Dabei wurde eine mögliche Verfassungswidrigkeit aufgezeigt, da der Bundesrat nur die gesamte Vorlage mit einem Einspruch an den Nationalrat zurückschicken kann. Sollte der Bundesrat von 50 Artikeln einer Sammelnovelle 49 aus Sicht der Länderinteressen positiv beurteilen, aber einen Artikel unbedingt mit einem Einspruch versehen, so ist ihm dies nicht möglich, ohne eben die Beschlussfassung des anderen positiven Teils zu verzögern. Dies wird von einigen Vertretern der Wissenschaft als problematische Einschränkung des Einspruchsrechtes gewertet.

Bei der Einführung eines Teileinspruchsrechtes könnte dem Bundesrat auch ein Korrekturrecht eingeräumt werden, um offensichtliche Fehler in einem Nationalrats­beschluss richtigstellen zu können. Darauf wurde schon von anderen Vorrednern hingewiesen. Diese Punkte wurden auch von Bundespräsidenten Heinz Fischer am Verfassungstag am 1. Oktober 2010 präsentiert und überdies von der Landtagspräsi­denten­konferenz einstimmig bestätigt.

Nun zu den Bundesräten selbst. – Ist eine Bestellung der Bundesrätinnen und Bundesräte durch den Landtag – und das ist die Frage – wirklich noch zeitgemäß? Die Bürgerinnen und Bürger wollen mehr Mitbestimmung und politische Teilhabe. Es könnten doch in Zukunft die Bundesrätinnen und Bundesräte in der Landtagswahl direkt gewählt werden, wobei natürlich das Landtagswahlergebnis für die Sitzverteilung die Grundlage bilden soll. Über die Ausgestaltung dieser Direktwahl samt Persönlich­keits­komponenten sollten der Bundesrat und die Landtage gemeinsam verhandeln und entscheiden. Eine solche Direktwahl würde das Selbstbewusstsein der Bundesrätinnen und Bundesräte sicher stärken und eine weitere Demokratisierung des österreichi­schen politischen Systems bedeuten. Da befinde ich mich ganz sicher im Widerspruch zu Ihnen, Herr Professor, aber dieser Widerspruch ist auch, wenn man es richtig macht, demokratiepolitisch auflösbar.

Der österreichische Bundesrat hat sich in den letzten Jahren seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ein unverkennbares Markenzeichen verschafft. Die Arbeit und die beschlossenen Stellungnahmen des EU-Bundesratsausschusses, in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern, sorgen nicht nur österreichweit, sondern auch in der gesamten Europäischen Union für Aufsehen.

Von der Europäischen Kommission wurde heuer eine Übersicht über die begründeten Stellungnahmen im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle veröffentlicht. Von den 39 Kammern der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurden die meisten Subsi­diaritätsrügen vom Schwedischen Reichstag beschlossen und an die Kom­mission übermittelt. Dies verwundert nicht, da das positive schwedische Modell im Rahmen der großen österreichischen Verfassungs-Novelle 1994 vor dem Beitritt Österreichs zur EU als Vorbild für die Mitwirkungsrechte von Nationalrat und Bundesrat herangezogen wurde. Der österreichische Bundesrat rangiert in der Statistik der 39 Parlamente auf Platz zwei; abgeschlagen der französische Senat, der deutsche Bundesrat, der italienische Senat oder der polnische Senat.

Wie professionell der Bundesrat mit dieser neuen Aufgabe nach Lissabon umge­gangen ist, zeigen auch die Antworten der Europäischen Kommission. Sie bestätigen die hohe Kompetenz des Bundesrates in EU-Fragen.

Ein Danke an Edgar Mayer, der der Vorsitzende unseres EU-Ausschusses ist und der sich sehr bemüht, dass diese Stellungnahmen immer zustande kommen. Danke schön. (Beifall.)

Es liegen viele Vorschläge zur Umsetzung einer Stärkung der Rolle des Bundesrates auf dem Tisch: Es gibt Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz, es gibt Beschlüsse der Landtagspräsidentenkonferenz, es gibt einen Gesetzesvorschlag zur Stärkung des Bundesrates und es gab auch heute wieder eine Reihe von Vorschlägen und Anregungen. Ich meine, wir sollten all diese Vorschläge im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus in Form eines Gesetzes zur Stärkung des Bundesrates einbringen. Der Ausschuss sollte auch die Möglichkeit nutzen, Expertinnen und Experten zu seinen Beratungen hinzuzuziehen. Ich meine, dass wir morgen so einen Antrag beschließen könnten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

11.44


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Vielen Dank für die Ausführungen.

Nun geht das Wort an die Fraktionsvorsitzende der Freiheitlichen, Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


11.44.58

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren Experten! Sehr geehrte Landtagspräsidenten! Ich möchte mich zuerst einmal dafür bedanken, dass seitens der Präsidiale des Bundesrates, aber auch vom Präsidenten des Bundesrates Lampel höchstpersönlich die Anregung der frei­heitlichen Bundesräte aufgegriffen wurde, eine Enquete zum Thema „Bundesrat“ abzuhalten.

Ich danke auch den beiden Landtagspräsidenten für ihr klares Bekenntnis zum Bun­desrat. Das bestärkt mich auch in meinem Satz, den ich voranstellen will, dass der Bundesrat viel besser ist, als er meistens geredet wird.

Man muss den Bundesrat aber auch in seiner Historie betrachten. Wenn man sich die vielfältigen Diskussionen und die oftmaligen Reformversuche anschaut, dann stellt man, wenn man die Geschichte Revue passieren lässt, fest, dass der Bundesrat schon bei seiner Gründung im Jahre 1920 ein Kompromiss war, und zwar ein Kompromiss zwischen zwei Parteien: der SPÖ, die eher zentralistisch orientiert war, und der ÖVP, die eher föderalistisch orientiert war. Da musste man in der Mitte zusammenfinden, und dann ist eben das herausgekommen, was wir jetzt haben.

Das hat schon seit der ersten Stunde des Bestehens des Bundesrates diejenigen auf den Plan gerufen, die der Meinung waren, dass der Bundesrat reformiert gehört. Seit damals hatten wir diverse Enqueten, so wie auch die heutige, und es gab auch viele Reformversuche. Es gab im Vorfeld des EU-Beitritts das Perchtoldsdorfer Abkommen von 1992, wo man einer Lösung schon sehr nahe war, die aber dann auch nicht um­gesetzt worden ist. Wir haben den Österreich-Konvent gehabt, der sehr lange getagt hat, sich aber auch nicht einig war, wie eine Bundesstaats- beziehungsweise eine Bundesrats-Reform im Besonderen ausschauen soll. Am Ende all dieser Initiativen kann man sagen: Es ist im Wesentlichen alles beim Alten geblieben.

Dass eine solche Vorgehensweise vergangener Regierungen, aber auch der jetzigen, die zusätzlich auch noch Arbeitsgruppen installiert hat – wir werden sehen, inwieweit die Vorschläge der Landeshauptleute und der Landtagspräsidenten wirklich ihren Niederschlag finden –, Kritiker auf den Plan ruft, ist doch wohl ganz klar.

Man muss aber an dieser Stelle auch Folgendes kritisch anmerken: Dass eine Parla­mentspräsidentin, die für das gesamte Parlament zuständig ist, also auch für den Bundesrat, Öl ins Feuer der Diskussion gießt, indem sie den Vorschlag präsentiert, die Bundesgesetze mögen doch durch alle neun Landtage gehen, ist schon einzigartig, zumal das auch völlig unpraktikabel ist. Es wurde ihr ja von den Landtagen sofort ausgerichtet, dass das nicht möglich ist, und auch wir meinen, dass das den Gesetzgebungsprozess enorm verlängern würde, und genau das wollen wir nicht.

Dass der Bundesrat immer wieder als verzichtbar und, wie heute schon gesagt worden ist, auch als nicht effektiv bezeichnet wird, lässt sich natürlich – auch das wurde schon angemerkt – mehr durch die politische Praxis als durch die Verfassung erklären, denn die Landeshauptleute, die innerparteilich starke Player sind, und auch andere starke innerparteiliche Spieler, haben es immer vorgezogen, sich in der Landeshaupt­leutekonferenz zu koordinieren, was verfassungsmäßig überhaupt nicht gedeckt ist, und sind so weit gegangen, das im Bedarfsfall auch als Instrument gegen die Bun­desregierung einzusetzen. Und die Klubs der Regierungsparteien sind auch gebunden, denn in dem jeweiligen Koalitionsübereinkommen steht ja immer ganz klar drinnen, dass es einen Klubzwang geben muss und dass erwartet wird, dass Regierungs­vorlagen aus dem Nationalrat dann auch im Bundesrat ohne Einspruch beschlossen werden.

Natürlich machen das auch die Oppositionsparteien – von wenigen Ausnahmen abge­sehen –, auch die orientieren sich mehr an dem, wie ihre Kollegen im Nationalrat gestimmt haben, als dass sie sagen: Wir machen das jetzt anders! Wie gesagt, Aus­nahmen dazu gibt es. Ab und zu – auch das halte ich hier fest – gibt es auch Bun­desräte von den Koalitionsparteien, die einzeln gegen ein Gesetz stimmen, aber immer darauf achtend, dass die erforderliche Mehrheit gegeben ist. Das ist natürlich für viele, vor allem Außenstehende, ein nicht nachvollziehbarer Prozess, weil man zu Recht sagen kann, dass dann die Gesetze eigentlich nur durchgenickt werden.

Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass es Zeiten gegeben hat, wo es dann – und es hängt ja immer von den Mehrheiten im Nationalrat und im Bundesrat ab –, wenn es verschiedene Mehrheiten im Nationalrat und im Bundesrat gegeben hat, sehr wohl zu Einsprüchen gekommen ist. In der Alleinregierung der SPÖ, aber auch bei anderen Regierungsformen gab es mehr Einsprüche als jemals danach. Also es hängt schon auch von der Zusammensetzung ab, wie oft und ob überhaupt ein Beschluss des Nationalrates beeinsprucht wird. Das sollte man immer im Hinterkopf haben.

Die Diskussion über den Bundesrat ist ja vor allem eine in den Medien geführte. Es gibt zwar auch welche im Parlament, aber vorzugsweise wird sie von Politikwissen­schaftlern und von den Medien geführt, und da hat natürlich auch der ORF das Thema aufgegriffen. Aber dass der ORF als öffentlich-rechtlicher Sender ganz allein beschlossen hat, dass er jetzt die Bundesratssitzungen nicht mehr übertragen wird, muss ich hier schon kritisieren. Es gab dann darüber Verhandlungen mit dem Präsidium, mit dem Präsidenten und den Vizepräsidenten des Bundesrates, und man hat sich jetzt darauf geeinigt, dass doch wieder einige Bundesratssitzungen übertragen werden.

Ich muss sagen: Es ist sehr bedauerlich, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender diese direkte Information wegnimmt, nämlich jene Möglichkeit, die der interessierte Bürger hat, um sich völlig unbeeinflusst anschauen zu können, wie eine Bundesratssitzung funktioniert, wie die einzelnen Bundesräte agieren, was sie sagen oder nicht sagen. Das finde ich bedauerlich, und ich hoffe, dass wir wieder zu jenem Zustand zurückkommen können, wo jede Bundesratssitzung übertragen wird.

Am Rande dazu: Ungefähr die Hälfte all jener, die sich eine Nationalratssitzung an­schauen, schauen sich auch eine Bundesratssitzung an. Der ehemalige Bundesrats­präsident Hammerl aus der Steiermark hat in seiner Amtszeit eine Umfrage darüber gemacht, wie die Leute, die sich die Bundesratssitzungen anschauen, diese empfin­den. Und was ist dabei herausgekommen? – Die Leute haben gesagt, die Diskus­sionen fänden im Bundesrat sachlicher statt, es gebe weniger oder fast keine gehäs­si­gen Zwischenrufe wie anderswo, die Auskunft der Minister sei wesentlich umfassen­der, weil die Diskussion ein wenig sachlicher wäre, sodass der Bürger, der ja nicht immer weiß, um welches Gesetz es gerade geht, umfassend informiert sei: Worum geht es denn eigentlich in dem Gesetz, was wird denn da überhaupt beschlossen?

Das sollte man vielleicht auch mit bedenken. Darüber hinaus möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen sagen, dass unsere große Sitzungsdisziplin sehr gelobt wurde. Auch das ist nicht immer selbstverständlich. Aber in Summe kann man sagen: Das Interesse ist durchaus vorhanden! Und ich bin sicher, dass jeder von Ihnen schon einmal auf eine Bundesratssitzung angesprochen worden ist.

Zu einer echten Ländervertretung hat sich nach meinem Dafürhalten der EU-Ausschuss des Bundesrates entwickelt. Da muss man sagen: Das war eines jener Gesetzgebungsverfahren, wo sich der Bundesrat das Recht erstritten hat, genauso wie der Nationalrat Subsidiaritätsrügen und -klagen einzubringen. Das nützen wir, wie meine beiden Vorredner schon gesagt haben, wirklich sehr gut. Wir sind nach Schweden die zweite Kammer, die die meisten Briefe nach Brüssel schickt. Und das geschieht fraktionsübergreifend: Wir haben eigentlich alle Subsidiaritätsrügen – ich glaube, keine einzige mit Mehrheit – einstimmig beschlossen, wenn auch aus unter­schiedlichen Motiven heraus. Das zeigt, dass es sehr wohl fraktionsübergreifend geht. Wir sind also hier auf einem guten Weg. Auch das kann man in eine künftige Überlegung zu einer Bundesrats-Reform mit aufnehmen.

Bevor man sich an eine Reform macht, sollte man aber doch einmal darüber nach­denken, welche Kompetenzen der Bund und welche die Länder haben sollen, welche Kompetenzen der Nationalrat und welche der Bundesrat haben soll. Und bei jeder Reform des Bundesrates muss man auch mitbedenken, dass der Nationalrat und der Bundesrat kommunizierende Gefäße sind, denn alles, was man dem Bundesrat gibt, nimmt man dem Nationalrat weg. Wir alle wissen, nicht nur aus der politischen, sondern auch aus der gelebten Praxis, dass sich keiner gerne etwas wegnehmen lässt, was er schon in Händen hält. Also auch das ist bei der Diskussion mitzubedenken.

Nun zu den Vorschlägen. – Es sind heute schon einige Vorschläge gebracht worden, und darunter waren auch viele, wie richtig angemerkt worden ist, die schon seit längerer Zeit auf dem Tisch liegen. Wir haben zum Beispiel als symbolische Maß­nahme vorgeschlagen, im Bundesrat weg von den Fraktionsblöcken hin zu Länderblöcken zu gehen. Das wäre, wie gesagt, nur eine symbolische Maßnahme.

Die Wahrnehmung der Bundesratsmandate durch die Landtagsabgeordneten ist heute auch schon mehrmals erwähnt worden. Ich glaube gar nicht, dass es so schwierig wäre, das zu koordinieren, wie das heute Landtagspräsident Steier gesagt hat. Ich glaube, dass bei gutem Willen Landtagsabgeordnete sehr wohl ein Bundesratsmandat ausüben könnten, ohne dass es zu einem Terminkonflikt käme. Wenn man es wollte, wäre es sicherlich möglich. Es brächte auch eine höhere Bindung an die entsendenden Landtage.

Nächster Vorschlag: das Rederecht der Bundesräte in allen Landtagen. In einigen Landtagen gibt es das ja schon. Vorarlberg, wie immer unser Vorzeigeföderalis­musland, hat schon ein Rederecht der Bundesräte im Landtag. Das könnte auf alle Landtage ausgeweitet werden. Dort müssten sich die Bundesräte gegebenenfalls auch für abweichende Abstimmungsverhalten im Bundesrat rechtfertigen. Auch das wäre ein Instrument, um die Bindung an das entsendende Bundesland zu heben.

Ein weiterer Vorschlag, der auch nicht zum ersten Mal kommt, ist, die Landeshaupt­leute mit Sitz und Stimme in den Bundesrat zu entsenden; sie müssten dann ihren Landtagen erklären, warum sie wo dafür oder dagegen waren. Denn: Wir erleben schon öfter, dass ein Landtag einen einstimmigen Beschluss gefasst hat und trotzdem die Bundesräte entgegen diesem Beschluss einem Bundesgesetz zustimmen. Das ist auch nicht sehr befriedigend. Also da könnte man vielleicht auch noch einiges tun.

Zu allen anderen Vorschlägen, die konkret von den Landtagspräsidenten und von den Landeshauptleuten in koordinierter Form vorliegen, meine ich, dass wir uns noch darüber unterhalten und dass noch ein paar Sachen in die Überlegungen miteinfließen sollten. Beschlüsse in Dingen wie Finanzausgleich, Budget, Artikel-15a-Vereinbarun­gen sollten meiner Meinung nach sehr wohl auch die Befassung in der Länderkammer nach sich ziehen. Die ersatzlose Streichung, wie das von einigen gefordert wird, erscheint uns für einen Bundesstaat jedenfalls undenkbar zu sein.

Ein wenig anders, als Frau Riescher es heute schon gesagt hat, möchte ich ab­schließend festhalten: All jene, die so leichtfertig meinen, den Bundesrat könne man abschaffen, den bräuchte eigentlich niemand, und wenn es ihn nicht mehr gäbe, ginge er auch niemandem ab, sollten wirklich einmal ernsthaft darüber nachdenken, durch welche andere Institution dieser Bundesrat dann ersetzt werden sollte, was denn an seine Stelle treten sollte. Das wird, glaube ich, in den wenigsten Fällen tatsächlich gemacht. Aber das ist notwendig, wenn man den Ausgleich zwischen Bund und Ländern haben will.

Ich meine, dass wir Bundesräte – und damit meine ich jetzt die Kolleginnen und Kolle­gen von allen Fraktionen – uns jederzeit selbstbewusst jeder Diskussion stellen können. (Beifall.)

11.58


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Last but not least darf ich aus dem Reigen der Fraktionsvorsitzenden dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Herrn Bundesrat Schreuder, das Wort erteilen. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.58.33

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien)|: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Präsidentinnen und Präsidenten aller Landtage! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von beiden Kammern! Ich möchte mich am Anfang meines Beitrages dafür bedanken, und zwar vor allem beim Präsidenten Lampel, dass wir diese Enquete heute durchführen können. Es ist für mich als einen der Jüngsten, nicht vom Alter her, sondern ich meine, als einen derjenigen, die noch nicht so lange wie so manche Bundesräte hier in dieser Kammer sitzen, eine merkwürdige Erfahrung, dass immer nur Außerstehende über den Bundesrat diskutieren, aber nie wir selber. Deshalb halte ich es für ganz wichtig, dass wir jetzt endlich selbst das Heft in die Hand genommen haben und als zweite Kammer der Bundesgesetzgebung die Initiative ergriffen haben, eine Enquete darüber abzuhalten, wie denn eine Reform aussehen könnte. Ich habe jetzt nicht gesagt „Reform des Bundesrates“. Warum sagte ich das so?

Ich glaube, dass es, wenn man ausschließlich und alleine den Bundesrat diskutiert und die Rolle des Bundesrates in einem föderalen System, immer nur bei einer ober­flächlichen Debatte bleibt, weil der Föderalismus nicht diskutiert wird. Das ist, wie man im Politjargon sehr gerne sagt, das Pferd von der falschen Seite aufzuzäumen.

Im Grunde genommen, und ich werde dann am Ende meiner Rede noch einmal genauer darauf eingehen, müsste man die Diskussion ganz woanders ansetzen. Es ist auch schon erwähnt worden, dass eine der wichtigsten Rollen des Bundesrates mittler­weile der EU-Ausschuss und die Behandlung der Materien ist, die seitens der Euro­päischen Union beziehungsweise der Europäischen Kommission kommen.

Wenn es, und das sollte ja eigentlich auch eine Erfahrung gerade der letzten Tage und Wochen sein, irgendwo eine Notwendigkeit gibt, über eine zweite Kammer zu diskutie­ren, dann ist es noch viel dringender, als unsere Kammer zu diskutieren, auf der europäischen Ebene über die Notwendigkeit einer zweiten Kammer zu diskutieren. Das, was die Staats- und Regierungschefs derzeit abliefern, ist ein Musterbeispiel dafür, wie es vielleicht nicht sein sollte, gerade auch in der gesamten Diskussion rund um die Bestellung eines Kommissionspräsidenten oder vielleicht auch einer -präsidentin.

Allerdings ist es so, und das ist natürlich eine Tendenz, die wir in Europa und auch in Österreich sehen, dass die Macht von legislativen Elementen immer stärker hin zu exekutiven Organen wandert. Das haben wir jetzt auf der europäischen Ebene bei den Staats- und Regierungschefs, aber wir haben das auch in Österreich.

Ich habe das sehr oft diskutiert und sehr oft gesagt und muss auch der Frau Kollegin Mühlwerth zustimmen  wir sind ja ideologisch weit voneinander entfernt, aber durch unsere Oppositionserfahrungen, demokratischen Erfahrungen sind wir oft einer Meinung, einfach wenn es ums Gefüge geht und darum, welche Möglichkeiten man denn so hat –: Es stimmt tatsächlich, dass die Landeshauptleutekonferenz, die nicht in der Verfassung steht, deren Protokolle nicht öffentlich sind, die seit den sieb­ziger Jahren regelmäßig tagt, eine Konkurrenzveranstaltung zum Bundesrat geworden ist, ein wesentlich mächtigeres Instrument geworden ist, als wir es sind.

Man kann nicht  und das betone ich, und ich sage das mit zehn Rufzeichen  die Zukunft des Bundesrates diskutieren, ohne die Landeshauptleutekonferenz zu erwähnen oder mit zu diskutieren: Was steht in der Verfassung? Wie organisieren wir dieses Bund-Länder-Spiel? Und wer bekommt welche Kompetenzen?

Es ist heute auch schon viel über Reformideen gesprochen worden, zum Beispiel ist genannt worden, wir sollten redaktionelle Fehler in den Gesetzen korrigieren. Das ist eine ganz nette Idee, aber ich bin nicht der Sekretär des Nationalrates, das sage ich hier auch ganz deutlich. Ich bin nicht dazu da, um Tippfehler, Beistrichfehler oder sonstige Fehler des Nationalrates auszubessern. Das interessiert mich auch nicht.

Und wann entscheidet überhaupt jemand, was ein redaktioneller Fehler ist oder was ein politischer Fehler ist, oder sagen wir, eine politische Haltung? Wir haben hier vor gar nicht allzu langer Zeit eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes beschlos­sen. Und in diesem Staatsbürgerschaftsgesetz steht etwas nicht drinnen: Wenn zum Beispiel eine serbische Staatsbürgerin neun Jahre in Österreich lebt, neun Jahre für einen österreichischen Konzern tätig ist und sie  vielleicht sogar für diesen österreichi­schen Konzern, im Interesse dieses österreichischen Konzerns  jetzt einmal zwei Jahre ihren Lebensmittelpunkt nach New York verlegt, nach Hongkong verlegt, nach Freiburg verlegt, wohin auch immer, und nach ein oder zwei Jahren wieder zurückkommt, fängt der Zähler wieder bei null an. Man muss wieder zehn Jahre in Österreich gelebt haben, um Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft zu haben. Das haben wir hier beschlossen. Ich bin hier gestanden und habe an alle appelliert, an alle Bundesräte und Bundesrätinnen: Das wäre doch einmal eine Gele­gen­heit gewesen, ein Gesetz zurückzuschicken und zu sagen, so geht das nicht!

Ich weiß bis heute nicht, ob es ein redaktioneller Fehler war oder eine politische Gemeinheit.  Ich nehme ja leider Letzteres an. Ich weiß es nicht. (Präsident Lampel übernimmt den Vorsitz.)

Nur: Das passiert nicht! Und warum passiert es nicht? – Es ist auch schon gesagt worden: Weil auch in dieser Kammer die Parteidisziplin, der Klubzwang und natürlich das Rennen ums eigene Leiberl, das Wollen, auch in Zukunft hier sitzen zu dürfen, die Abhängigkeit von Parteien so groß ist, dass eine andere Interessenvertretung hier nicht möglich ist. Das halte ich für eines der Kernprobleme dieser Kammer; das halte ich auch für eines der Kernprobleme unserer Demokratie.

Zur Frage, wie wir da herauskommen, gibt es natürlich Ideen und Vorstellungen. Allerdings bin ich jetzt noch wenig zuversichtlich, denn wir kennen ja den Unterschied zwischen Verfassung und Realverfassung. Das wissen Sie jetzt nicht, Frau Dr. Riescher, das haben Sie vielleicht nicht untersucht, aber das wäre auch einmal eine Untersuchung Ihrer Universität wert, nämlich dieser Unterschied zwischen Verfas­sung und Realverfassung also dem, was in der Verfassung steht, und dem, was real gelebt wird. Das unterscheidet sich nämlich gerade in Österreich oft ganz vehement.

Also ich bleibe dabei, wir brauchen auch als Bundesrat  und diese Enquete könnte ein Beginn sein, denn wir werden ja den Bundesrat nicht an einem Vormittag reformieren, aber es könnte der Beginn eines Reformprozesses sein, der aber auch selbstkritisch passieren muss  eine gehörige Portion Selbstkritik, zu sagen: Erfüllen wir unsere Aufgabe überhaupt, oder stimmen wir aus purer Parteidisziplin einfach immer so ab wie der Nationalrat?  Das ist meiner Meinung nach die wesentlichste Frage für die Zukunft dieser Kammer.

Wie ich schon am Anfang gesagt habe: Man kann oder man muss am Anfang eine Föderalismusdiskussion führen, um am Ende erst darüber nachzudenken, welche Gremien und Institutionen man denn dafür braucht und welche vielleicht auch nicht.  Auch das, es gibt ja keine Denkverbote. Ich halte ja, wenn ich ganz ehrlich bin, auch nichts von einer Aussage, die heute getätigt worden ist, wir sollten den Bundesrat nicht infrage stellen, weil die Medien das dankbar aufgreifen, und so weiter.

Natürlich, wir leben ja nicht mehr im Jahre 1945 oder 1947 oder 1965, sondern in einer Zeit, die sich verändert hat. Wir leben mittlerweile in der Europäischen Union, Öster­reich ist Teil der Europäischen Union. Es haben sich Partizipationsmöglichkeiten, auch demokratische Möglichkeiten durch das Internet, durch digitale Errungenschaften vollkommen verändert, und die Demokratie muss sich immer wieder neu erfinden. Aber da, wie ich schon gesagt habe, die österreichische Realität eine ist, in der parteipolitischer Interessenausgleich oft, sehr oft vor die Interessen geht, für Bürgerin­nen und Bürger etwas zu machen  und diese Kritik muss man leider anbringen , weiß ich nicht, ob politische Parteien und politische Eliten in der Lage sind, den Föderalismus einmal neu zu organisieren.

Aber es gibt Beispiele dafür. Ich nenne nur einmal Island als Beispiel, wo man gesagt hat: Schreiben wir eine neue Verfassung! Lassen wir Bürgerinnen und Bürger miteinan­der diskutieren, wie wir uns organisieren! Lassen wir einen Dorfpfarrer mit einer Feministin aus der Stadt, einen Maurer mit einer Unternehmerin diskutieren, wie wir uns organisieren! Du in Wien, du in Vorarlberg, wie organisieren wir uns? Und die haben, ohne parteipolitische Interessen, ohne die Notwendigkeit von Fraktionen, die ihre Interessen bekunden, auf die man ständig Rücksicht nehmen muss, eine völlig neue Idee entwickelt. Es durften da alle mitarbeiten, es durften nur Parteipolitiker und Parteipolitikerinnen nicht mitreden. Begleitet wurde das natürlich sehr wohl von Expertinnen und Experten.

Ich halte es tatsächlich für eine Überlegung, das zu machen. Was ich allerdings als nicht zielführend erachte, ist das, was wir auch im Regierungsprogramm finden: Wenn beispielsweise 15a-Vereinbarungen in Zukunft so passieren sollen, dass nur noch die Exekutive miteinander eine Vereinbarung macht und es nicht mehr durch die Legis­lative und nicht mehr durch die Parlamente  weder durch den Nationalrat noch durch den Bundesrat  geht, dann ist das eine Entmachtung der Legislative hin zur Exekutive, wie ich es nicht hinnehmen kann und nicht hinnehmen möchte.

Ich möchte hier auch betonen, und das eint ja die Nationalratsabgeordneten und die Bundesratsmitglieder, dass auch der Parlamentarismus wieder Flagge zeigen soll und mehr Selbstbewusstsein haben soll. Wenn es uns hier hineinregnet (der Redner deutet in Richtung Plafond) und in den Medien steht, das ist so teuer, und wir gleich einen Rückzieher machen und Angst haben, unser Parlament zu renovieren, dann haben wir ein Problem mit unserem eigenen Selbstbewusstsein, denn immerhin ist die Legislative das mächtigste Instrument, noch vor jeder Exekutive. Das ist das Grundprinzip einer Demokratie.

Es kommt immer wieder die Idee – die Deutschen haben das ja; ich bin auf die deut­schen Abgeordneten immer so neidisch –, dass die Abgeordneten im Nationalrat und im Bundesrat doch auch einen wissenschaftlichen Dienst bekommen sollen. Wir haben hier gar nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um eigene Gesetzesinitiativen zu machen; das haben die Ministerien. Alle unsere Gesetze kommen aus den Ministerien und nicht aus dem Parlament, und natürlich kommen deswegen auch keine Gesetze aus dem Bundesrat: weil wir gar nicht die Ressourcen dazu haben.

Wenn es also den Vorschlag gibt, einen wissenschaftlichen Dienst zu machen, den Abgeordneten, Parlamentarierinnen und Parlamentariern diese Zuarbeit anzubieten – da ist ja viel zu bedenken; es gibt EU-Recht, es gibt Verfassungsrecht und so weiter, da braucht man ja auch die Expertinnen und Experten –, und irgendjemand schreit: Ah, das kostet so viel!, und man zieht das dann gleich wieder zurück und sagt: Oh, da gibt es eine Debatte; tun wir es lieber nicht!, dann fehlt etwas, nämlich ein Selbst­bewusstsein des Parlaments. Und dieses Selbstbewusstsein ist wahrscheinlich not­wendig, um schlussendlich zu einer Reform zu kommen.

Ich bin, wie gesagt, gegen Denkverbote. Ich bin auch der Meinung, es kann am Ende einer Föderalismusdiskussion auch herauskommen, dass man den Bundesrat nicht braucht – kann, muss aber nicht.

Wenn wir klug, gemeinsam und ohne parteipolitische Interessen und ohne die Rück­sichtnahme auf Einzelinteressen den Föderalismus neu diskutieren würden, dann kann man am Ende auch überlegen, was mit dem Bundesrat geschehen soll. Nur den Bundesrat alleine zu diskutieren, das halte ich, wie gesagt, für eine oberflächliche und unnötige Diskussion. – Vielen Dank. (Beifall.)

12.11


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Vielen Dank für die Ausführungen.

Diskussion

 


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Wir gehen nun in die Diskussion ein. Bis jetzt haben sich zehn Damen und Herren zu Wort gemeldet.

Bevor ich der ersten Rednerin beziehungsweise dem ersten Redner das Wort erteile, weise ich darauf hin, dass die Redebeiträge die Dauer von 3 Minuten nicht über­schreiten sollen, und ersuche gleichzeitig, diese Vorgabe einzuhalten. Nach 2 Minuten wird das rote Licht am Rednerpult zu blinken beginnen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter zum Nationalrat Hagen. – Bitte.

 


12.12.32

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH)|: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als jemand, der fünf Jahre in diesem Haus oder in diesem Gremium verbracht hat, kann ich hier aus eigener Erfahrung mitteilen, wie meine Eindrücke sind und was meine Gedanken dazu sind.

Ganz kurz dazu, wie es die Bevölkerung draußen sieht: Beschlüsse des Nationalrates werden hier im Bundesrat abgenickt. Dann stellt sich die Bevölkerung natürlich bewusst die kritische Frage: Wozu brauchen wir den Bundesrat?

Meine Damen und Herren! Es geht auch anders: Ich erinnere mich an meine Zeit von 1999 bis 2004 im Bundesrat – damals in Regierungsverantwortung –, und ich erinnere mich an den Klubzwang. Ich habe mich zweimal diesem Klubzwang entgegengestellt. Das eine war die Abfangjägerentscheidung, hier im Bundesrat wurde diese Ent­scheidung sechs Wochen lang blockiert. Da waren einige Bundesräte, etwa die Frau Kollegin Mühlwerth, wenn ich mich richtig erinnere, dabei (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) – du warst da nicht dabei, sorry; aber es waren einige dabei –, und wir hatten diesbezüglich eine Pattstellung, weil wir mit diesem Modell nicht einverstanden waren. Auch betreffend die Abgabe der Krankenkassengelder der verschiedenen Gebietskrankenkassen nach Wien habe ich gegen den eigenen Sozialminister ge­stimmt.

Meine Damen und Herren! Das hat mir dann politisch den Kopf gekostet. Das heißt, ich war politisch dann abgeschaltet, aber Sie sehen, ich bin wieder da. Ich möchte damit eines sagen: Ich habe hier verschiedene interessante Aspekte gehört, und ich muss Ihnen sagen, ich bin zwar nicht bei den Grünen, aber meine Sichtweise deckt sich in vielen Punkten mit dem, was sie gesagt haben.

Es ist so, dass wir darüber nachdenken müssen, wie wir die Bürger hier einbinden. Die Bundesräte sollten ja eine Landesvertretung sein, und das ist schon ein wichtiger Punkt, ein wichtiger Aspekt, den man ganz klar sehen muss. Da bin ich nicht bei Ihnen, Herr Dr. Bußjäger, wenn Sie der Ansicht sind, dass man die Bundesräte nicht direkt wählen sollte. Ich finde, sie sollten sehr wohl direkt gewählt werden, nur nach einem anderen System; nicht nach diesem Parteiensystem, das wir jetzt haben, sondern – Frank Stronach hat das vorgeschlagen – mit Bürgerräten.

Meine Damen und Herren! Bürgerräte, die nicht politisch tätig waren, können sich auf eine Position bewerben. Wir wollen das auch für den Nationalrat: 100 National­ratsab­ge­ordnete sollen so gewählt werden wie nach dem jetzigen System und dazu 50 Bür­gerräte, die nur für eine Periode zur Verfügung stehen. Dadurch ist niemand in der Situation, dass er im Hinblick auf seine Wiederkehr Werbung machen muss, denn er weiß genau, nach einer Periode ist seine Funktion beendet. Man kann dann darüber diskutieren, wie lange diese Periode dauert, aber es geht darum, dass man wirklich frei entscheiden kann.

Derzeit, meine Damen und Herren, haben wir hier herinnen politische Entscheidungen, die wirklich hinterfragt werden müssen. Es muss eine Demokratiereform geben, ganz klar, betreffend die Besetzung des Bundesrates, wie auch immer. Ich glaube, das wäre ein guter Vorschlag, Frau Professor. Sie könnten das vielleicht einmal so untersuchen. Sie haben das erklärt in dem Modell von Schweden, glaube ich. Das ist für mich nachvollziehbar.

Ich bin doch ein Föderalist, das große Problem – Herr Präsident, ich bin gleich fertig – ist aber, dass die Länder sehr viele Verwaltungsreformmaßnahmen blockieren und dass das natürlich zu Politikverdrossenheit in der Bevölkerung führt. Ich glaube, dort müssen wir ansetzen, da hätten wir viele Möglichkeiten. Ich bin da ganz bei Ihnen, Herr Kollege. – Danke. (Beifall.)

12.16


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


12.16.24

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das heute schon in vielen Beiträgen gehört: Der Bundesrat ist natürlich ein Stiefkind der österreichischen Innenpolitik, von Beginn an, und die Debatte rund um den Bundesrat und rund um eine Reform des Bundesrates ist so alt wie der Bundesrat selbst.

Ich möchte jetzt hier nicht als Advocatus Diaboli auftreten und Argumente gegen den Bundesrat finden, sondern nur ganz kurz einfordern, dass wir in dieser Debatte natürlich auch politische Ehrlichkeit brauchen. Es genügt nicht, sich heute hier zu einer Enquete zu versammeln, zu beteuern oder sich gegenseitig mitzuteilen, wie wichtig dieser Bundesrat sei und wie wichtig es doch sei, dass dieser Bundesrat mit neuen und mit besseren Kompetenzen ausgestattet werde, ohne das politische, das real­politische – und da bin ich beim Kollegen Schreuder von den Grünen – Fundament zu schaffen, das die Realverfassung, die gelebte Verfassung in diesem Haus vorgibt.

Eines ist klar: Es ist nicht erklärbar, dass Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates, die mit ein-, zwei-, drei-, vierwöchiger Verspätung in den Bundesrat kommen, hier ent­sprechend den Mehrheitsverhältnissen durchgewunken, abgenickt werden. So etwas ist in der Öffentlichkeit nicht erklärbar, so etwas ist natürlich auch einer medialen Öffentlichkeit nicht erklärbar.

Da möchte ich zu den Ausführungen des Herrn Landtagspräsidenten Steier aus dem Burgenland etwas sagen: Sie haben davon gesprochen, dass man wegen der medialen Schlagzeilen, die bei einer Debatte rund um den Bundesrat natürlich sofort herauskommen, sehr vorsichtig sein muss. Wir wissen, der Boulevard nimmt so etwas sehr gerne auf.

Ich darf daran erinnern, im Dezember 2011 wurde von der Österreichischen Volks­partei in Salzburg ein Demokratiereformpaket beschlossen, das beinhaltet, den Bun­desrat ersatzlos abzuschaffen. Dann gab es Wahlen, dann wurde der damalige ÖVP-Chef Haslauer Landeshauptmann – das ist er auch heute noch –, und jetzt hört man nichts mehr davon.

Auf der anderen Seite ist seine Vorgängerin, Gabi Burgstaller, hier gestanden und hat uns erklärt – ich habe sie selbst reden gehört –, wie wichtig dieser Föderalismus sei und wie wichtig dieser Föderalismus für Österreich sei. Das war im Dezember 2011, und im Jänner 2012 hat sie die ersatzlose Streichung des Bundesrates gefordert. Ich weiß nicht, was sie hier erlebt hat, was sie damals so entsetzlich gefunden hat, aber unabhängig davon zeigt das natürlich auch auf, dass man sich sowohl bei den Regierungsparteien als auch bei Teilen der Opposition gar nicht einig ist, was man überhaupt will.

Nationalratsabgeordneter Hagen vom Team Stronach ist hier herausgekommen und hat gesagt, wir müssen darüber reden, wie wir das neu gestalten können. Ich darf daran erinnern, dass auch das Team Stronach schon die Abschaffung des Bundes­rates gefordert hat (Zwischenruf des Abg. Hagen) und offenbar durch die Gewalt des Saals und durch das Auditorium auf einmal die Forderung abgeschwächt wird.

Das heißt, bevor wir selbst nicht wissen, wohin der Zug fahren soll, ist es völlig irrwitzig, über eine Neugestaltung, über neue Kompetenzen zu sprechen, denn ich möchte von der österreichischen Bundesregierung zuerst ein klares Bekenntnis haben für oder gegen den Bundesrat, das ist ja keine Religionsfrage. Es sollte auch keine Denkverbote geben. Es ist ja alles recht, nur sollte, bevor man darüber debattiert, wie wir neue Kompetenzen schaffen, wie wir neue Möglichkeiten für diese zweite Kammer schaffen, ein Bekenntnis Grundvoraussetzung sein: Wollen wir es oder wollen wir es nicht, ja oder nein? Ich denke, es ist völlig sinnlos, vorher hier darüber zu sprechen, in welche Richtung der Zug fährt.

Abschlusssatz, denn die Lampe hier am Rednerpult leuchtet schon: Diese Debatte ist keine rein österreichische Debatte. Wir haben das auch bezüglich des deutschen Bundesrates schon gehört. Ich darf zitieren: „Die Zeit“ hat am 2. April 2009 schon die Frage angesprochen, ob es nicht gescheiter wäre, den deutschen Bundesrat abzu­schaffen, weil er die Bundespolitik blockiert.

Das ist die Kehrseite der Medaille: Wenn wir uns mehr Kompetenzen geben und wenn diese zweite Kammer in Zukunft mehr Kompetenzen bekommt, werden wir uns im Nachhinein sicher nicht der Debatte über die Frage entziehen können, ob das wirklich gescheit war, weil wir damit natürlich auch die Bundespolitik blockieren könnten. Das gebe ich als Denkanstoß mit auf den Weg. – Danke schön. (Beifall.)

12.20


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mayer zu Wort. – Bitte.

 


12.20.54

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Präsidenten aus den Länderkammern! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete und Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf mich vorweg auch für die damalige Initiative der Landtagspräsidenten bedanken und ich darf besonders hervor­he­ben, dass auch der Bundesrat bei der Landtagspräsidentenkonferenz einen entsprechenden Stellenwert hat und hohe Wertschätzung genießt. Das möchte ich erwähnen, und ich habe das während meiner Präsidentschaft selbst erleben dürfen – ein besonderer Umgang. Vielen Dank dafür, und ich hoffe, das geht in dieser Tonart weiter.

Das Reformpapier, das von euch ausgearbeitet wurde, liegt ja vor. Ich denke, das ist die Basis für gute Verhandlungen. Wir sollten dieses Papier einfach ernst nehmen, es, wie gesagt, als Basis nehmen und meiner Meinung nach einfach als Gesetzesantrag in den Bundesrat einbringen und somit auch den parlamentarischen Weg beschreiten.

Viele Präsidenten vor mir – Kollege Kneifel hat ja bereits alle erwähnt –, aber auch sogenannte tragende Säulen des Bundesrates wie Professor Schambeck oder Jürgen Weiss, den ich erwähnen möchte, haben immer wieder auch auf das Image des Bun­desrates hingewiesen. Es ist oft auch ein Kampf gegen Windmühlen, den wir immer wieder führen müssen, um den Bundesrat oder uns als Bundesräte zu rechtfertigen – eine Vorgangsweise, die in keinem anderen europäischen Land so stattfindet wie bei uns, natürlich mit entsprechender medialer Begleitung, wo jemand, wenn er neu in ein Amt kommt und ihm politisch nichts mehr einfällt, auch gleich über die Abschaffung des Bundesrates referiert.

Also: Von Abschaffung bis Aufwertung und Stärkung gibt es da alle Möglichkeiten.

Wie das Ganze in Irland gelaufen ist, wissen wir – Frau Dr. Riescher hat es ja erwähnt –: Irland hat eine Volksabstimmung über die Abschaffung der zweiten Kammer abgehalten. Das Volk hat sich für die Beibehaltung der zweiten Kammer entschieden.

In Schweden gab es bis 1970 auch eine zweite Kammer. Diese wurde dann abgeschafft. Jetzt gibt es in Schweden aber 349 Abgeordnete bei 9,5 Millionen Ein­woh­nern. Das bedeutet, dass dieser Apparat wesentlich aufgeblähter ist. Hätten wir diese Anzahl, könnten wir über Einsparungspotenziale im österreichischen Parlament sehr intensiv und sehr ernst diskutieren.

Ich möchte jetzt noch einen Satz zur EU-Kompetenz des Bundesrates sagen, weil das heute schon einige Male erwähnt wurde. Wir sind wirklich auch eine Europakammer, weil wir uns sehr intensiv im Rahmen des Subsidiaritätsprüfungsverfahrens um Angelegenheiten der Länder bemühen. Ich möchte hier drei Punkte herausgreifen.

Das ist zunächst einmal die Konzessionsrichtlinie, bei der es um die Wasserrechte ging. Hier hat der Bundesrat als erste Kammer innerhalb des Begutachtungsverfahrens die Brisanz dieser Thematik erkannt, und wir haben eine begründete Stellungnahme nach Brüssel geschickt. Inzwischen gibt es eine Europäische Bürgerinitiative, die von 1,68 Millionen Menschen unterschrieben wurde – also eine erste Europäische Bürgerinitiative. Da waren wir in der Zeit, haben rechtzeitig reagiert. Es kommt also nicht von ungefähr, dass wir auch in Europa einen entsprechenden Stellenwert haben.

Ich möchte auch an die Saatgutverordnung und das europäische Kaufrecht erinnern, wo auch klare Botschaften des Bundesrates, von allen Fraktionen unterzeichnet – natürlich mit einem anderen Zugang, Frau Kollegin Mühlwerth, wie schon ange­sprochen –, gesendet wurden. Das ist so anzumerken.

Der AdR, der Ausschuss der Regionen, hat in seinem Jahresbericht 2013 das Prü­fungs­verfahren des Bundesrates in Zusammenarbeit mit den Ländern als Best-Practice-Beispiel für Europa gekennzeichnet. Und ich denke, das hat auch einen besonderen Stellenwert.

Ich möchte jetzt inhaltlich, weil die Redezeit auch schon abgelaufen ist, nicht mehr darauf eingehen. Das vorliegende Reformpapier wurde ganz klar und eindeutig diskutiert. Wir stehen dazu. Mit diesem Reformpapier stärken wir den Föderalismus, wir stärken die Länder und wir stärken auch den Bundesrat. – Danke schön. (Beifall.)

12.24


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dörfler zu Wort. – Bitte.

 


12.25.18

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten)|: Geschätzter Herr Präsident! Liebe Refe­rentin und Referenten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wenn man die österreichische politische Landschaft betrachtet und beleuchtet, muss man auch die öffentliche Meinung, die die Medien transportieren und die damit auch die Bürgerinnen und Bürger des Landes haben, beachten. Nicht allein das, was wir in den Gremien diskutieren, sondern auch das, was die Öffentlichkeit sich erwartet und vorher auch wahrnimmt, sollte in unsere Überlegungen miteinbezogen werden.

Ich möchte einige Schlagzeilen aus den letzten Tagen zitieren, die vor Augen führen, wie Politik in Österreich seitens der Medien beleuchtet wird:

„Kleine Zeitung“, 23. Mai: „Sieben Gründe, warum Österreich nicht reformierbar ist“. Erster Grund: „Ein barocker Föderalismus lähmt den Staat, die Bundesländer wollen aber keine Macht abgeben.“ – Beispielsweise. Und da gibt es noch sieben weitere, wie etwa – hier als Punkt 4 genannt –: „Die Parteien betreiben Klientelpolitik und sind auf Wahltermine statt auf langfristige Strategien fokussiert.“

Oder, nächster Bericht im Juni: „Wenn Länder und Regierung versagen“.

Nächstes Beispiel, „Quergeschrieben“ – die Frau Rohrer weiß ja immer alles besser –: „Ein Land im Politkoma: Bürger sollten als Erste aufwachen“.

Wieder „Quergeschrieben“: „Politiker, zeigt endlich Führungskraft – oder schweigt!“

Wieder „Die Presse“: „So wird das sicher keine Trendwende“. „Das ist zurzeit die billige Ausrede für alle Budget- und Steuerkatastrophen.“ – Nämlich die Hypo. – „Dass Österreich wegen der Reformresistenz auf dem Weg ins Unterhaus ist, fällt unter den Tisch.“

Wieder die „Kleine Zeitung“, am 23. Juni: „Es krankt an der Fähigkeit zu Reformen“.

„Die Presse“: „19 Monopolisten können nicht effizient arbeiten“. – Da geht es wieder, einmal mehr, um die Krankenkassen – eine jahrzehntelange Diskussion.

„Österreich ist dramatisch überbürokratisiert“.

„Klassen, Kammern, Privilegien: Eine Politik des 19. Jahrhunderts“.

Jetzt aktuell, vor einigen Tagen: „Österreichs Politik ist träge und reformunfähig“.

Und dann sagt noch Landeshauptmann Pühringer – und das würde ich auch einmal als Botschaft verstehen wollen –: „Wir sind Gefangene der Tagespolitik“.

Das ist die Situation, wie Medien die politische Landschaft in Österreich, nicht nur den Bundesrat, sondern die gesamte politische Landschaft – die Länder, die Bundes­regierung, den Nationalrat, den Bundesrat und auch andere politische Institutionen – betrachten.

Ich bin ein leidenschaftlicher Föderalist, denn wir haben einerseits die Globalisierung, und andererseits brauchen wir den Föderalismus. Der Mensch braucht Heimat! Ich will Kärntner Milch trinken und steirisches Kernöl auf meinem Salat haben. Ich will Heimat haben! Das gibt Sicherheit, das gibt Vertrauen. Ich glaube, da darf man Föderalismus als Instrument, sozusagen als Empfindung der Menschen, auch dass das politische Heimat und gelebte Heimat ist, niemals geringschätzen oder vernachlässigen, denn ein Bürger, auch wenn er überzeugter Europäer oder Weltbürger ist, wird sich, wenn er keine Heimat hat, unter Umständen nicht wirklich politisch vertreten fühlen.

Jetzt komme ich auch zum Thema Reform. Das Wort „Reform“ klingt immer nach Bedrohung. Es gibt zum Beispiel eine Reform, an der ich damals als junger Straßen­baureferent nicht unwesentlich beteiligt war – ich bin ja 2001 in Regierungsfunktion geraten –, die Verländerung der Bundesstraßen. Das war ein Riesentheater, bis dort hin, dass die Arbeitgebervertreter des öffentlichen Dienstes natürlich Wirbel gemacht haben: Es ist nicht möglich, dass man einerseits die Kompetenzen des A-Netzes der ASFINAG überträgt, die ja ursprünglich eine Finanzierungsgesellschaft war, … – Für die, die es nicht wissen: Die Länder haben ja für die ASFINAG geplant und gebaut und erhalten. Gleichzeitig haben die Bundesländer auch für den Bund die Bundesstraßen erhalten und gebaut. Aber es war ein Bürokratismus, der für mich als einen, der aus der Wirtschaft in die Politik geraten ist, unerträglich war.

Es ist nach einem leidenschaftlichen Prozess möglich gewesen, die Bundesstraßen zu verländern. Es wird kein Politiker in Österreich mehr behaupten, dass das nicht eine der klügsten Entscheidungen insgesamt war. Denn: Wenn der Herr Oberrat in Wien nicht gut aufgelegt war, dann hat es die Umfahrung in Steinfeld im Drautal einfach nicht gegeben. Jetzt entscheiden die Länder selbst föderal mit der Nähe zum Bürger und zum Problem, welche Straße, welche Umfahrung, welches Projekt umgesetzt werden soll. Andererseits hat man im Gegenzug eben die Kompetenzen des A-Netzes an die ASFINAG übertragen, und es zeigt sich, dass das perfekt funktioniert. Ich muss auch ein Kompliment machen, dass die ASFINAG wirklich ein modernes Infrastruktur­unternehmen ist.

Und ein Beispiel, das jetzt auch wieder aktuell aufgezeigt wurde – „Die irre Welt der Bürokratie“, schreibt man da –: Für 16 000 Schüler im landwirtschaftlichen Bereich, nämlich der land- und forstwirtschaftlichen höheren Schulen, Forstfachschulen – da gibt es übrigens in Österreich insgesamt 42 Schüler –, land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und land- und forstwirtschaftlichen Berufsschulen, da gibt es ein Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Ländern, das ist unglaublich. Das wäre ein Beispiel, wo es ebenfalls notwendig wäre, wie bei der Verländerung der Bundes­straßen eine Reform durchzuführen.

Es ist unerträglich, dass im Bildungsbereich ein Landwirtschaftsministerium für die Bildungskompetenzen zuständig ist!

Wir in Kärnten haben auch diese kuriose Situation – politisch gewollt, natürlich: Es hat nur sozusagen die ÖVP ein Interesse daran gehabt, dass das landwirtschaftliche Bildungswesen im Agrarressort angesiedelt ist, weil das ein ÖVP-Ressort war; dann hat es aber den berühmten Wechsel in Kärnten gegeben, und die ÖVP hat das eben weiterhin durchgesetzt, völlig an der Realität vorbei. – Bildung muss ein Ressort­be­reich sein!

Das heißt, wir haben – und das ist das, was ich als Aufgabe sehe, wenn von Reformen gesprochen wird; Marco Schreuder hat es auch angezogen – nicht nur den Bundesrat isoliert zu betrachten, sondern den politischen Fahrplan in die Zukunft dieser Republik, nämlich einen Reformzug, sozusagen, einen Taktverkehr des politischen Tuns in Gang zu setzen, damit wir solche Bürokratiehemmnisse, wie wir sie zum Beispiel im landwirt­schaftlichen Schulwesen und in vielen anderen Bereichen haben, auflösen können. Das interessiert den Bürger!

Den Bürger interessiert relativ wenig, was hier zirka 60 Bundesräte und 180 National­ratsabgeordnete machen, er will einfach eine Zukunft haben, er will eine Steuerreform, er will Arbeit haben, er will soziale Sicherheit haben, er will auch ein stolzer Österreicher sein, er will eine Umweltpolitik haben, die er spürt – und nicht ständig Versprechungen und Reformblockaden, die Parteiinteresse vor Bürgerinteresse stellen. Das ist die Aufgabe, die sich uns stellt. Deshalb ist es gut, dass man darüber diskutiert.

Ich würde mir wünschen, dass es derartige Dialogprozesse gibt, aber dann auch die entsprechenden Taten. Es gibt ausreichend Pläne – ich darf nur daran erinnern, dass allein der Bundesrechnungshof einen ganzen Reformkatalog vorgeschlagen hat. Und wir alle – ich nehme mich nicht aus in meiner politischen Funktion zwölf Jahre als Regierungsmitglied und jetzt ein Jahr im Bundesrat; zwei Welten, das sage ich auch ganz offen – haben eine Verpflichtung, den Menschen in dieser Republik zu dienen und dann erst Parteien und Organisationen. Dann wird sich Politik in Österreich verän­dern und sich auch der Bundesrat reformieren. – Danke schön. (Beifall.)

12.32


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Musiol zu Wort. – Bitte.

 


12.32.36

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne)|: Sehr geehrte Damen und Herren! – Die Damen sind, wie oft im politischen Umfeld, in der numerischen Minderheit. Ich würde mir oft ein anderes Bild wünschen.

Zur Bundesratsdiskussion: Ich bin seit 2008 Verfassungssprecherin der Grünen, und ich kann meinen politischen Kalender schon fast nach dieser Bundesratsdiskussion stellen. Das ist eine zyklische Diskussion, die kommt immer wieder. Meist irgendwann in den Osterferien oder in den Sommerferien kommt irgendjemand mit der Idee, den Bundesrat abzuschaffen oder zu reformieren. Dann rücken alle aus und reagieren, und dann verfestigen sich wieder die Gräben.

Das ist aber kein natürlicher Zyklus wie beispielsweise die Jahreszeiten oder andere natürliche Zyklen, sondern das ist dem Umstand geschuldet, dass keine Entschei­dungen getroffen werden, dass wir seit Jahren und Jahrzehnten darüber diskutieren – und wenn ich „wir“ sage, dann meine ich nicht nur unsere Generation von Politi­kerInnen, sondern auch die Generationen vor uns –, dass aber nichts weitergeht.

Dieses Schicksal teilen die ganze Bundesstaatsreform-Diskussion und die Bundesrats-Diskussion und alle Demokratie-Diskussionen mit anderen wichtigen politischen Diskussionen, die heute schon angesprochen worden sind: jene über die Bildung, die Ökologie-Frage, die soziale Frage. Da gibt es auch zahlreiche Materien, über die wir auch immer wieder in Zyklen diskutieren. Da gibt es Höhepunkte, wo man das Gefühl hat, jetzt geht etwas weiter, und dann verendet das alles wieder in irgendwelchen Ausschüssen, in irgendwelchen Vertagungen.

Natürlich ist der Zipfel Bundesrat, wenn man an diesem zieht, der falsche Beginn – das sehe ich auch so –, denn es geht letztendlich um die Frage: Wie wollen wir die Kompetenzen verteilen, welche Organe sollen dafür zuständig sein? Da ist es mir ganz wichtig, auch Exekutive und Legislative zu trennen, und ich halte all die Vorschläge, die in die Richtung gehen, dass hier die Landeshauptleute Aufgaben der Legislative übernehmen sollen, für absolut demokratieunwürdig. Und natürlich geht es auch um die Frage, die sich dann daran aufbaut: Wie sollen diese Organe zusammengesetzt sein?

Wir Grünen haben schon beim Österreich-Konvent gesagt: Ja, wenn der Bundesrat in dieser Form weiter existieren soll, dann sind wir eher für eine Abschaffung – aber vorher sind wir schon dafür, dass wir schauen, ob wir ihn reformieren können, sowohl auf der Ebene der Aufgaben als auch auf der Ebene der Zusammensetzung. Und wir haben damals auch sehr klar gesagt, dass wir uns vorstellen können, dass eine Entsendung aus den Landtagen – also Legislative in Legislative – eine mögliche Variante ist. Und wenn hier sozusagen Kalender als Argumente angeführt werden, dann könnte man dem entgegenhalten: Jetzt muss man die Kalender nicht aufeinander abstimmen, daher gibt es auch diese Terminkollisionen, die Sie angesprochen haben. Aber ich glaube nicht, dass es unmöglich ist, diese Kalender abzustimmen, und schon gar nicht, wenn auch – wie es auch in diesem gemeinsamen Vorschlag enthalten ist, und dem können wir uns ja auch durchaus anschließen – die Aufgaben des Bundesrates überarbeitet und fokussiert werden, denn dann stellt sich auch die Frage, wie viele Sitzungen man hier braucht.

Aber wenn man Reformen schon angeht, indem man von unverrückbaren Säulen spricht, dann kann auch nichts daraus werden. Was gelingen muss, ist, dass man von den eigenen Interessen Abstand nimmt, und zwar nicht nur von den höchst per­sönlichen politischen Interessen, sondern auch von den Interessen der Institutionen, und sich einmal das Gesamte anschaut. Es ist schon wichtig, die Interessen der Länder mit hineinzubringen, und es ist auch wichtig, die Interessen des Bundes mit hinein­zubringen, aber in einem Reformprozess braucht es doch zuerst einmal den Schritt zurück, weg von den eigenen Bedürfnissen, um zu schauen: Was wäre denn sinnvoll?

Das aber ist hier noch nicht besprochen worden, beziehungsweise es ist schon von einigen VorrednerInnen angedeutet worden: Wo sind denn die BürgerInnen? Heute hier anwesend sind VertreterInnen der Länder, des sogenannten Bundes. – Da könnte man auch die Frage stellen: Was ist eigentlich der Bund? Denn wenn wir so tun, als wäre im Nationalrat alles Bundeshaltung, dann kann ich nur sagen, das ist nicht meine Erfahrung als Nationalratsabgeordnete. Meine Erfahrung als Nationalratsabgeordnete ist, dass die Tatsache, dass die Abgeordneten größtenteils über Landeslisten und über regionale Listen ihrer Parteien in den Nationalrat kommen, eine ganz massive Auswirkung darauf hat, ob sie sich trauen, hier wirklich auch die sogenannten Bundesinteressen gegen Interessen von Ländern durchzusetzen.

Ich bin auch Familiensprecherin, und ich fordere seit Langem ein Bundesrahmen­gesetz für Kindergärten, weil nicht einsehbar ist, warum das Kind in Vorarlberg andere Rahmenbedingungen vorfindet als in Wien oder in Kärnten. Alle sagen, ja, das ist schon gescheit, aber weil Sie es – das ist meine Unterstellung – in Ihrer Motivation nicht schaffen, sich da gegen Ihre eigenen Landeshauptleute oder Landesorgani­sationen durchzusetzen, oder sich überhaupt trauen, das anzusprechen, gehen hier Reformen eben auch nicht weiter.

Wichtig ist doch die Frage: Was ist denn nützlich? Was ist im Sinne der BürgerInnen, aber nicht nur der Einzelinteressen, sondern auch der gemeinsamen Interessen nützlich? Und danach gilt es sich eben genau diese drei Ebenen – Kompetenz­verteilung, Organe und dann auch deren Zusammensetzung – anzuschauen.

Vielleicht noch ein Letztes, weil die Nationalratspräsidentin angesprochen wurde und gesagt wurde, dass sie Öl ins Feuer gegossen habe: Ich freue mich jedes Mal, wenn jemand – auch vielleicht gegen die Meinung seiner Partei – Diskussionsanstöße gibt, egal, welche Funktion diese Person hat. Insofern freue ich mich auch über Denkanstöße von der Nationalratspräsidentin, sei es jetzt zum Bundesrat (Bundesrat Kneifel: … positiv!), sei es zur direkten Demokratie. Das finde ich positiv. – Sie haben es ja gesagt: Zuerst haben Sie sich geärgert, dann haben Sie es positiv gefunden. – Aber was ich mir wirklich wünsche, und das ist auch schon angesprochen worden, ist: Reden wir nicht nur, sondern setzen wir auch um! (Beifall.)

12.38


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Ich möchte noch einmal darum ersuchen, damit wir im vorgegebenen Zeitrahmen bleiben können, die Redezeit von 3 Minuten einzuhalten.

Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort. – Bitte.

12.38.49

 


Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg)|: Werte Kollegen und Kolle­ginnen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich gehöre diesem Gremium erst ein Jahr an und kann sagen, die Diskussion über dieses Gremium wird nicht nur über die Me­dien geführt, sondern ist bei den Leuten angekommen. Natürlich muss man pausenlos die Fragen beantworten: Was machst du dort überhaupt?, und: Soll man den Bun­desrat abschaffen oder nicht? – Das ist also bei den Menschen angekommen. Ich frage immer zurück: Welche Probleme würde es lösen, wenn wir den Bundesrat abschaffen? Das heißt: Welche Probleme spüren die Menschen draußen und haben die Menschen draußen, die sie gelöst haben wollen, und was würde Existenz oder Nichtexistenz des Bundesrates zu deren Lösung beitragen?

Frau Riescher, ich habe Ihr Buch und Ihre Schriften mit großem Interesse gelesen – sogar mit großem Vergnügen, obwohl es eine wissenschaftliche Abhandlung war – und war auch sehr gespannt auf Ihre Ausführungen. Allerdings ist mir die Argumentation den Menschen gegenüber damit nicht leichter geworden – ich sage es einmal so –, also über den Wert des Bundesrates zu diskutieren und diesen zu unterstreichen.

Die Probleme liegen klar auf der Hand, auch der Status des Bundesrates, aber man ist dann natürlich immer sofort bei einer Föderalismusdiskussion und Föderalismusreform, das hat auch dieser Tag gezeigt.

Um zu unterstreichen, worauf ich hinauswill, noch kurz zwei Schlüsselerlebnisse, die ich in diesem einen Jahr hatte.

Das eine war eine Enquete zur demografischen Entwicklung – Auftritt der Stadträtin Wehsely aus Wien, die ihr Modell für die Problematik „Versorgung der Alten“ vorstellte, und dann jener der Landesrätin aus Vorarlberg Dr. Schmid. Gegensätzlicher könnten diese beiden Modelle gar nicht sein, sie funktionieren aber beide. Es steckt bei beiden ungeheures Engagement dahinter, und ich dachte mir: Wie wunderschön, dass es so etwas gibt!, und: Wie ist es möglich, das zu erhalten und auch noch weiter auszu­bauen?

Zweites Erlebnis: Schaffung des Gesundheitsregisters – wichtig für viele Menschen, die in diesem Bereich arbeiten –, mit verkürzter Begutachtungsfrist, mit völligem Über­fahren der Betroffenen, die dann mit der Last und mit den Kosten dieser gesetzlichen Regelung und mit der Verkomplizierung und der Bürokratisierung leben müssen, und dass eine ehemalige Landeshauptfrau da auch noch zusätzlich Beschäftigung erhalten hat. Da muss ich sagen, die Leute wissen um das, was hier geschieht, es wurde auch durch den Bundesrat nicht verhindert oder zurückgeschickt. In Anbetracht einer solcher Entwicklung resignieren die Menschen natürlich und fragen sich, was bei einer Verwaltungsreformkommission oder ähnlichen Dingen herauskommen soll.

Das heißt, es geht natürlich primär darum: Wie gelingt es, den Menschen möglichst viel Gestaltungsraum in ihrem Lebensumfeld zu geben und gleichzeitig darüber hinaus eine offene und vertrauensvolle Kooperation sicherzustellen? Und viel wichtiger als das Potenzial des Bundesrates, meine Damen und Herren, ist es, das Potenzial der Menschen draußen zu heben, zu stärken und abzuholen. Deshalb müssen wir Politik nicht für die Menschen, sondern mit den Menschen machen.

Da, glaube ich, hat der Bundesrat nur die Chance, sich einer Verfassungsdiskussion zu stellen – sich dieser nicht nur zu stellen, sondern sie auch massiv zu betreiben.

Die Vorschläge, die hier vorliegen, sind zum größten Teil Kosmetik, teilweise auch Botox, möchte ich sagen, gerade, was diesen redaktionellen Teil betrifft. Das ist zu wenig! Es muss in den Ländern draußen eine offene Debatte geführt werden, wo man sich Antworten auf die Fragen abholt: Was brauchen die Verwaltungen, was brauchen die Menschen draußen, um ihren Gestaltungsraum abzusichern und um auch mit entsprechenden Möglichkeiten dort tätig zu werden? – Das könnte der Bundesrat tun.

Meine Damen und Herren! Es gibt heute so viele Methoden der Organisation und der Kommunikation – modernste Methoden! –, um sich wirklich die Meinungen abzuholen, um die Menschen mitgestalten zu lassen und das dann zusammenzuführen – aber da muss der Prozess ergebnisoffen sein, da können wir keine Pfähle einrammen –, um sich erst dann, wenn ein Bild entstanden ist: Was heißt moderner Föderalismus, was heißt kooperativer Föderalismus?, zu überlegen, welche Gremien es dafür braucht und wie man diese Gremien beschickt.

Ich würde mir wünschen, dass sich der Bundesrat zu einem Verfassungsprozess mit offenem Ausgang und ohne Primat der Besitzstandswahrung bekennt. Dieses Potenzial würde ich mir vom Bundesrat wünschen, und ich glaube, das könnte er auch. Ich glaube, er hätte das Potenzial dazu, einen solchen Prozess maßgeblich zu gestalten und auch zu tragen.

Nur ganz kurz, ich weiß, ich habe meine Redezeit schon überschritten, aber, meine Damen und Herren, ich bin schon so alt, ich habe noch Konrad Lorenz gehört und bei ihm Seminare gemacht, er hat ja für seine Arbeiten zur Verhaltensbiologie gemeinsam mit Karl von Frisch den Nobelpreis bekommen. Ich habe mich immer sehr für Ver­haltensbiologie interessiert und habe durch diese Brille auch immer wieder Sitzungen und Gremien gesehen und beurteilt. Es ist so, dass sozial lebende Tiere zahlreiche Riten, Verhaltensmuster und so weiter entwickeln, dann auch sehr viel Zeit mit diesen Riten verbringen, um Kooperation überhaupt erst zu ermöglichen – sonst würden die Wölfe ihre Jungen fressen und Ähnliches.

Insekten haben andere Systeme entwickelt, wobei auch da sehr interessant zu bemerken ist, wie Schwarmintelligenz im Vergleich zur Intelligenz des Individuums doch funktioniert. Ich denke mir immer, dass solche Strukturen und Gremien sich natür­lich entwickelt haben und notwendig sind, um soziale Kooperation überhaupt sicherzustellen, aber ich bin überzeugt davon, dass wir dringend einen weiteren Ent­wicklungsschritt brauchen – hier und jetzt und heute –, mithilfe der neuen Erkenntnisse bezüglich Organisation, bezüglich Kommunikation und mit dem Potenzial des Bun­desrates. Dieses hat er auch schon unter Beweis gestellt, gerade bei den Subsi­diari­tätsfragen.

Das ist der Kern des Problems, das es in der Zukunft zu lösen gilt. Ich glaube, dass der Bundesrat das Potenzial dazu hat, aber dazu braucht es ein offenes Bekenntnis dazu, dass wir mehr brauchen als die heute hier diskutierten Vorschläge und kosmetischen Änderungen, was Zusammensetzung und Arbeit dieses Gremiums betrifft. – Danke. (Beifall.)

12.46


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Füller. – Bitte.

 


12.46.49

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage! Geschätzte Damen und Herren! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich in erster Linie einmal für die Referate der Expertinnen und Experten, für das, was sie uns heute dargelegt haben, und auch für das Einbringen neuer Gesichtspunkte, neuer Vorschläge zu dieser Thematik, die uns ja alle betrifft und auch begleitet.

Der Bundesrat selbst steht ja auch in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zum Nationalrat, das ist ja unbestritten, denn sollte der Bundesrat in der Gesetzgebung mehr Rechte erlangen oder bekommen, würde das auch automatisch damit einher­gehen, dass der Nationalrat – letztendlich wie bei zwei kommunizierenden Gefäßen – irgendwo beschnitten werden würde. Die Ironie dabei wäre, dass im Laufe dieses Prozesses der Nationalrat dem mit Zweidrittelmehrheit selbst zustimmen müsste, wäh­rend der Nationalrat selbst auch in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zur Bundesregierung steht. Er beziehungsweise die Abgeordneten des Hauses sind ja auch bestrebt, sich so weit zu emanzipieren, dass der Nationalrat als Legislative dementsprechendes Gewicht in der Gesetzgebung hat, wie es ihm als erster Parla­mentskammer zusteht.

Es hat ja bereits einige Reformvorhaben und -vorschläge seitens des Bundesrates gegeben, die dann auch in den zuständigen Ausschuss des Nationalrates gekommen sind. Letztendlich sind sie dann dort zwar angelangt, aber – wie es eben so ist – am Ende einer Legislaturperiode des Nationalrates dort versandet oder sie wurden klarer­weise nicht mehr weiter behandelt. Mir gefällt ein Sprichwort, das ich heute in der Früh in der Vorbesprechung zu dieser Debatte gehört habe – ich habe es mir aufge­schrieben, es lautet so: Wer etwas will, findet einen Weg; wer etwas nicht will, findet Gründe.

Wenn man sich die Diskussion anschaut, sieht man, dass es naturgemäß auch eine gewisse Aufgabenkonkurrenz zwischen dem Bundesrat und den neun Landtagen gibt – jenen Landtagen, die den Bundesrat selbst auch beschicken. Wir haben auch gehört – das wurde heute ja auch angesprochen –, dass die Rolle, die die Bundesrätin­nen und Bundesräte in den Landtagen während der Landtagssitzungen wahrnehmen können, in den Bundesländern unterschiedlich ist. Das geht so weit, dass es in einem Landtag noch kein Rederecht für Bundesrätinnen und Bundesräte gibt. Insofern wäre es ein spannender Prozess, das österreichweit gleich zu gestalten, genauso wie die Idee des Herrn Landtagspräsidenten Gerhard Steier spannend wäre, den Landtags­präsidenten im Bundesrat ein Rederecht zukommen zu lassen.

Das Entsenden von Landtagsabgeordneten als Bundesräte ist ja bereits jetzt und schon immer vom Gesetz her möglich gewesen, letztendlich muss man sich anschauen – es hat ja wahrscheinlich entsprechende Gründe gegeben –, warum das bis dato nicht praktiziert worden ist.

Beim Entsenden oder der Diskussion von Landeshauptleuten oder Mitgliedern der Landes­regierung habe ich ein bisschen ein Problem, weil ich das angesichts der österreichischen Verfassung – da ist die Lage anders als in der Bundesrepublik Deutschland – sehr kritisch sehe und eher für unvereinbar halte, aber man muss die Diskussion offen führen, die Sache offen angehen, und ich glaube, die heutige Enquete ist ein guter erster Schritt in diese Richtung.

Natürlich liegt die spezielle Aufgabe des Bundesrates auch in seiner verfassungsrecht­lichen Stellung, sich nämlich wirklich sehr stark mit föderalistischen Themen auseinan­derzusetzen, und ich glaube, es besteht die Möglichkeit, bei diesen Themen Themen­führerschaft zu erlangen. Das Zusammenwirken von Bund, von neun Ländern und 2 354 Gemeinden in diesem Land: Hier hätte der Bundesrat Stärken, die er auch nützen kann. Man sieht das ja auch bei der Debatte, wenn es um Europafragen geht, wo dann der Bundesrat von über 30 Parlamentskammern europaweit an zweiter Stelle ist.

Ich glaube, die Kompetenz ist in diesem Haus vorhanden! Die Kompetenz ist bei den Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat vorhanden, dass man sich auch neuen Aufgaben widmen und bei anderen Aufgaben überlegen kann, ob man sich denen wirklich in diesem Ausmaß widmen muss.

Ich freue mich auf eine offene, spannenden Diskussion! Und vielen Dank für sämtliche Beiträge, auch in der Diskussion! (Beifall.)

12.51


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Mag. Himmer. Ich erteile es ihm.

 


12.51.19

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wenn man den Bundesrat abschaffen würde, dann wäre das sicher ein Weniger an Demokratie. Es wäre auch schade um einige Kollegen, die eine engagierte Arbeit machen – ich glaube, wir haben eine individuelle Meinung darüber, wer in diesem System mehr oder wer weniger abgehen würde, aber das gehört eben auch zur Demokratie dazu.

Ich denke – in der Kürze der Zeit möchte ich es so zusammenfassen –, dass ich mich all jenen Rednerinnen und Rednern anschließen möchte, die formuliert haben, dass jede Debatte über den Bundesrat, in der man nicht über den Parlamentarismus insgesamt redet – und das ist sowohl von Marco Schreuder, von Bundesrat Jenewein als auch anderen gekommen –, eigentlich zu kurz greift. Die ganze Thematik, die wir haben, dreht sich um die Tatsache, dass jeder – nicht nur der, der im Sternzeichen des Zwilling geboren ist – mehrere ist. Man ist Parteifunktionär und Gewerkschafts­funktionär, man hat einen Landesparteiobmann und einen Bundesparteiobmann und einen Klubobmann und eine Wiederwahl oder Wirtschaftskompetenz und eine Sozial­kompetenz. All das mischt sich in der parlamentarischen Debatte.

Aus diesem Grund finde ich es eigentlich ganz vernünftig, dass bei solchen Enqueten wie bei der heutigen dann auch zumindest wieder einmal das Profil dafür geschärft wird, was eigentlich die Hauptaufgabe der Kammer ist, nämlich dass wir eine Länderkammer sind. Daher meine ich, dass es diese Grundsatzdebatte, ob wir für den Föderalismus in Österreich sind oder nicht sind, aus meiner Sicht in der Dimension nicht geben müsste, denn ich denke, wir haben uns klar dazu bekannt, dass es Bundesländer gibt – die Bundesländer haben die Republik gegründet. Ich glaube, es steht nicht zur Debatte, dass wir in Österreich Kenntnis von den Vorteilen der föderalen Strukturen haben. Natürlich muss es immer eine Debatte darüber geben, wie man diese Strukturen entsprechend verfeinern, weiterentwickeln und modernen Zeiten anpassen kann.

Was ich trotzdem anmerken möchte, ist Folgendes: Wie auch immer qualifiziert wir einen solchen Prozess einer Debatte über Reformen aufsetzen, man darf nie verges­sen, dass es bei einer Diskussion mit einem Gegenüber neben der Möglichkeit, dass das Gegenüber es einfach nicht kapiert, auch die Möglichkeit gibt, dass es eine andere Meinung hat. Daher sage ich, wie breit auch immer wir die Debatte aufsetzen und glauben, wir schütten oben Intelligenz hinein, und haben am Anfang der Debatte den Optimismus, dass unten das herauskommt, was ein jeder am Anfang individuell als Intelligenz empfindet, es kann die Sache auch anders ausgehen.

Daher glaube ich, dass vieles vom Hasen dort im Pfeffer liegt, was die Frau Professor Riescher als 8. Punkt, glaube ich, angesprochen hat: Was wichtig ist für zweite Kammern oder für Kammern insgesamt, ist der gewachsene Respekt. Das ist es, wovon ich finde, dass es in unserem politischen System einen großen Mangel gibt: dieser gewachsene Respekt. Man kann eine harte Auseinandersetzung haben, aber wir haben einen Mangel an Respekt im Umgang miteinander und zum Beispiel auch in der Debatte über diese Kammer. Manchmal ist natürlich eine Schwester – oder ein Bruder, um es zu gendern – der Respektlosigkeit dann noch die Ahnungslosigkeit, aber die Respektlosigkeit spielt sehr, sehr oft eine Rolle.

Jetzt will ich beispielsweise die Frau Nationalratspräsidentin mit Sicherheit nicht der Ahnungslosigkeit bezichtigen, aber einen gewissen Mangel an Respekt sehe ich schon, wenn ich zum ersten Mal aus dem Beitrag der Frau Präsidentin von den Medien her erfahre, dass sie meint: So, wir schaffen die zweite Kammer ab! Sonst kennt man sie eigentlich nur von irgendwelchen Ereignissen, wo man sich freundlich begrüßt, nette Worte austauscht und eigentlich glaubt, das ist unser aller Parlamentspräsidentin. Und ohne dass jemals eine Debatte stattgefunden hat, wo man überhaupt darüber diskutiert, kriegt man auf einmal – wuff! – von hinten hinein, dass man eigentlich sinnlos ist.

Das ist meiner Ansicht nach ein Beispiel von Respektlosigkeit, wobei ich aber gleich dazusagen möchte, dasselbe gilt für Grüne, Freiheitliche und selbstverständlich für Kollegen meiner eigenen Partei ganz genauso, wie immer wieder diese Debatte angegangen wird.

Daher glaube ich, dass gerade dieser 8. Punkt wichtig ist, den Sie genannt haben, Frau Professor, nämlich der respektvolle Umgang der Institutionen miteinander, wo wir mit all den Unterschiedlichkeiten und unterschiedlichen Motivlagen, die wir haben, meinen, wahrzunehmen, dass wir eine Kammer sind, die auch einen gewissen Res­pekt im Sinne der Kontrolle der Regierung und auch im Rahmen der Gesetzgebung verdient hat. Dann werden wir, glaube ich, auch in der Lage sein, die entsprechenden Reformschritte einzuleiten. (Beifall.)

12.56


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Taucher. Ich erteile es ihm.

 


12.56.40

Bundesrat Mag. Josef Taucher (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich eingangs bei den zwei Landtagspräsidenten für ihre klaren Worte bedanken. Ich glaube, sie habe die Diskussion sehr, sehr gut erweitert und dargelegt, worum es in dieser Föderalismusdiskussion geht. Ich möchte dem aber noch zwei Aspekte hinzu­fügen.

Der erste Aspekt passt jetzt gut zur Wortmeldung meines Vorredners: Es geht um den Respekt. Respekt voreinander und untereinander kann durchaus auch erzeugt werden, wenn wir verzahnt arbeiten: wenn wir ein Rederecht im Landtag bekommen, wenn der Landtag, die Landtagspräsidenten bei uns ein Rederecht haben, wenn wir zu bestimm­ten Gesetzen auch im Nationalrat ein Rederecht bekommen – wenn es zum Beispiel ein Vermittlungsverfahren gibt und, und, und, und –, wenn wir uns gegenseitig aus­tauschen können.

Dadurch lernen wir uns natürlich besser kennen, merken, wo die Kompetenzen liegen, merken auch, wie tief zum Beispiel die Auseinandersetzung mit einer Materie geht, und man kann persönlichen Respekt aufbauen – und ich glaube, der ist tragfähiger als jedweder legistische Respekt, wenn man also sagt: Das Amt und das Gremium!, und was auch immer. Ich glaube, es geht um Erfahrung, und auf Basis von Erfahrung baut man Respekt auf.

Der zweite Aspekt, den ich in diese Diskussion einbringen möchte, ist folgender: Wir sind Bundesräte, die nicht nur hier sitzen und manchmal einen Ausschuss besuchen und in einem Ausschuss ein Gesetz diskutieren oder hier im Plenum für 3 Minuten oder 10 Minuten oder je nachdem eine Rede halten, sondern wir sind Politiker, die jeden Tag draußen sind, Sprechstunden abhalten, bei Veranstaltungen Politik kommuni­zieren, Demokratie kommunizieren, Gesetze kommunizieren, auch politische Ausei­nan­dersetzung kommunizieren. Natürlich macht das jeder aus seiner unterschiedlichen Sicht, der eine vielleicht aus einer christlich-sozialen, der andere aus einer sozialdemo­kratisch, grünen oder freiheitlich orientierten Sicht, aber wir kommunizieren Politik, wir kommunizieren die Auseinandersetzung und wie es zu Lösungen kommt, und das ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig.

Jeder Mandatar weniger in diesem Land – in diesem föderalen Land, in diesem Staat – ist ein Mandatar weniger, der Demokratie kommunizieren kann, der sozusagen das Konsultationsverfahren, wie Regelungen entstehen, kommunizieren und zu den Menschen bringen kann. Und jede Abschaffung eines Gremiums bedeutet ein Weniger an Demokratie und ein Mehr an autoritärer Macht von bestimmten Zirkeln und bedeutet auch ein Mehr an Macht der Medien.

Kollege Dörfler hat hier Zeitungsausschnitte zitiert, und da muss ich als Psychologe fragen: Wer reproduziert welche Wirklichkeit? Reproduzieren die Zeitungen wirklich die Wirklichkeit der Bürger, oder produzieren sie Meinungen, sozusagen wie eine Meinungsfabrik, wo fertige Meinungen herauskommen? Schreibt eine Zeitung am Abend etwas, und am nächsten Tag diskutiert Österreich diese vorgekauten Meinun­gen? Müssen wir nicht lernen, selbst Meinungen zu bilden, selbst Meinungen zu kommunizieren als Politiker und dem entgegenzuwirken?

Abschließend: Demokratie braucht Demokraten. Demokratie braucht auch Mandatare, die Demokratie und den demokratischen Prozess kommunizieren. Und daher ist der Bundesrat auch ein sehr wichtiges Gremium – auch wenn er nur die zweite Kammer ist. – Danke sehr. (Beifall.)

13.00


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter zum Nationalrat Mag. Darmann. Ich erteile es ihm.

 


13.00.53

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ)|: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich in der gebotenen Kürze und der mir eingeräumten Zeit kurz und bündig, aber doch ganz klar mein Bekenntnis zum Bestand des Bundesrates hier und heute abgeben; ein Bekenntnis, das in mehrerlei Hinsicht auch dargelegt werden soll.

Geschätzte Damen und Herren! Im Sinne der heute bereits mehrfach genannten Begrifflichkeiten, nämlich der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit von politischen Entscheidungen und Umsetzungen, die der Bevölkerung geschuldet wer­den, ist es notwendig und für mich grundsätzliches und leitendes Motiv einer notwen­digen Reform der Strukturen und der Kompetenzen des Bundesrates, die Effektivität dieses Gremiums, dieser Institution für die Bürgerinnen und Bürger herauszuarbeiten, und zwar in dem Sinne, dass die Bevölkerung auch versteht, wieso es diese zwei Kammern gibt, wieso es unbedingt eine Länderkammer geben muss, um die Inter­essen der einzelnen Bundesländer hier heraußen in der Zusammenschau mit der Bundesgesetzgebung bestmöglich vertreten zu können.

Dazu gehört in weiterer Folge, geschätzte Damen und Herren, natürlich ein selbst­bewusst gelebter Föderalismus, der dann aber ein besonderes Ziel haben muss: eine stärkere Verankerung der Länderinteressen in dieser Länderkammer.

Man mag jetzt darüber schmunzeln, dass man diese Forderung überhaupt aufstellen muss, wenn wir uns heute hier im Bundesrat befinden, aber heute ist bereits mehrfach die Realpolitik angesprochen worden, nämlich wie hier Abstimmungen in den meisten Fällen zustande kommen, dass Entscheidungen, die bereits in Mehrheitsbeschlüssen im Nationalrat gefällt wurden, hier oft abgenickt und mit ähnlicher Beschlussfassung weitergegeben werden, wie das heute schon mehrfach formuliert wurde. Das kann es doch nicht sein, wenn hier im Parlament die Länderkammer selbstbewusst der eigenen Funktion nachkommen soll.

Es ist für mich daher wichtig, zu unterstreichen, welche Möglichkeiten es gibt, diese Verirrungen, wenn ich so sagen darf, hinsichtlich der eigenen Möglichkeiten, durch Bundesräte hier tätig zu werden, abzuändern. Es geht dabei um Maßnahmen, die heute vereinzelt schon genannt wurden, etwa von Herrn Universitätsdozenten Dr. Bußjäger, der sie zwar vereinzelt dargestellt hat, sehr wohl aber auch gesagt hat, dass die Idee diskutiert wird, Landtagsabgeordnete mit der Bundesratsfunktion zu betrauen.

Ich möchte das aber genauso, wie es meine Kollegin Bundesrätin Mühlwerth heute schon gesagt hat, kumulativ damit sehen, sehr wohl auch die Landeshauptleute hier zur Verantwortung zu ziehen und auch in den Bundesrat zu bringen und somit eine Doppelmitgliedschaft, nämlich Landtag und Bundesrat, zustande zu bringen. Durch Landtagsabgeordnete in dieser Funktion würde ein direkter Kommunikationsaustausch zwischen Landtag und Bundesrat erfolgen, und es würde sich die gesamte Diskussion darüber erübrigen, ob man den Bundesräten durch die Landesverfassung ein Rederecht in den Landtagen gibt. Es wäre ja dann ganz normal, dass dieser Landtags­abgeordnete zum Beispiel im Bundesratsausschuss des Landtages auch die Vorberei­tungen zu treffen hätte und dann auch gegenüber den anderen Landtagsabgeordneten und der Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes die Verantwortung dafür zu tragen hätte und auch die Entscheidungen des Landes hier heraußen zu vertreten hätte. Diese Lösung brächte also einen besonderen Effekt mit sich.

Derzeit werden die Bundesräte formal, so steht es auch geschrieben, durch den Landtag gewählt. Durch das Hinzufügen von drei Worten, nämlich „aus seiner Mitte“, würde man die extra angelobten Bundesräte – es sind derzeit 61 Bundesräte – einsparen. Ich bitte, dass das die Bundesräte, insbesondere auch die anwesenden Bundesräte, nicht persönlich nehmen. Es geht mir darum, wie man wirklich effektiv eine Länderinteressenvertretung hier im Bundesrat abbildet. Meiner Meinung nach könnte es wirklich so sein, dass speziell betraute Landtagsabgeordnete diese Funktion ausüben. Und das Ganze sollte dadurch ergänzt werden, dass die Landeshauptleute, die derzeit in der sogenannten und allseits bekannten Landeshauptleutekonferenz, die keinen rechtlichen Rahmen darstellt, agieren, einen verfassungsrechtlichen Rahmen bekommen, um gemeinsam als höchste Vertreter des eigenen Bundeslandes natürlich auch die Kompetenz wahrzunehmen, die eigenen Interessen hier kundzutun.

Ich glaube, dass das ein schlüssiger Weg wäre, über den man nachdenken und den man in die Überlegungen einbeziehen sollte, wenn hier ganz selbstbewusst eine Reform angedacht wird, die zuallererst und vordergründig im Sinne der österreichi­schen Bevölkerung stattfinden soll, nicht im Sinne des einen oder anderen derzeitigen Bundesrates. Es geht darum, was die Bevölkerung von dieser Reform hat. Das muss das leitende Motiv sein.

Zusammenfassend: Es gilt, eine engere, eine kostengünstigere, aber auch den Infor­mationsfluss begünstigende Verschränkung der Länder mit dieser Länderkammer zu erreichen, und das zuallererst im Sinne der Bevölkerung. – Danke schön. (Beifall.)

13.06


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Als Letzter zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter zum Nationalrat und Obmann des Verfassungsausschusses des Nationalrates Dr. Wittmann. Ich erteile es ihm.

 


13.06.50

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin seit 17 Jahren im Verfassungsausschuss des Nationalrates tätig und habe diese Diskussion über eine Reform der Verfassung von allen Seiten kennengelernt, über den Konvent, über Kommissionen, über Kompetenzreformen, über Bundesstaatsreform, was weiß ich, wie die verschiedenen Titel gelautet haben. Aber man muss sich dessen bewusst sein, dass, wenn man über den Bundesrat allein diskutiert, das eine Diskussion über eine verfassungsmäßige Verteilung von Macht ist, und die kann man nicht allein über eine Diskussion über den Bundesrat lösen.

Wie baut sich unser System auf? – Es baut sich aus drei Säulen auf: aus der Jurisdiktion, die von Richtern beschickt wird – übrigens die einzige Berufsgruppe, die sich aus sich selbst rekrutiert; darüber sollten wir auch einmal nachdenken. Die zweite Säule ist die Exekutive, das sind jene Regierungsmitglieder, die in der Bundes- und in den Landesregierungen sitzen. Und die dritte Säule ist die Legislative.

Es entsteht natürlich ein bestimmtes Kräfteverhältnis zwischen Legislative und Exekutive. Die Leute, die in der Exekutive zu finden sind, sind zu 80 bis 90 Prozent über die Legislative in die Exekutive gekommen, nämlich weil sie gewählt wurden. Aber sobald sie in der Exekutive sind, haben sie ein ganz anderes Machtverständnis gegenüber der Legislative. Und daher ist dieser Konkurrenzkampf zwischen Legislative und Exekutive ein systemimmanenter. Die Exekutive möchte die Legislative schwächen, die Legislative versucht, ihre Position zu behaupten. Wir behaupten ja gar nicht, dass wir die Exekutive schwächen können, aber wir versuchen, unsere Position zu festigen.

Die Position der Legislative gegenüber der Exekutive ist einem permanenten Macht­spiel ausgesetzt. Wenn die Legislative jetzt aber aufgrund von so dahingesagten populistischen Meldungen wie: Wir schaffen einen Teil der Legislative ab!, wirklich einen Teil der Legislative abschafft, liebe Freunde, dann schwächt sie sich in diesem Machtspiel selbst, ohne dass ihr ein neues Machtinstrument zufallen würde.

Warum findet diese Diskussion immer nur in Richtung Legislative statt? – Ich halte das für eine falsche Diskussion. Und wenn man davon ausgeht, dass man die Legislative schwächt, indem man die Bundesländer nicht mehr an der Gesetzgebung teilhaben lässt, dann muss einem bewusst sein, dass das der erste Schritt zur Destabilisierung unseres bundesstaatlichen Prinzips ist. Denn wenn man die Gesetzgebung ohne Länder stattfinden lässt, dann fällt ein wesentlicher Teil, nämlich eines der drei Machtinstrumente für die Teilnahme der Länder am Machtspiel in dieser Republik weg.

Das muss einem bewusst sein, das kann man nicht so isoliert sehen. Und ich würde auch den diesbezüglichen populistischen Forderungen nicht auf den Leim gehen und das nicht eins zu eins übernehmen und diese auch in der Diskussion nicht aufgreifen.

Jeder hat eine bestimmte Vorstellung. Mein Vorredner hat seine Vorstellung vorge­bracht, aber warum machen das die Länder nicht? Das wäre ja jetzt schon möglich, dazu braucht es keine Reform. Wir würden uns da selbst anlügen, das kann man ja auch jetzt machen, da muss man nichts ändern.

Wenn man die Bundesratsreform ernst nimmt, muss einem bewusst sein, dass es da um eine Machtverteilung zwischen den drei genannten Gruppen geht. Und dass die Legislative als einzige dieser Säulen über sich selbst diskutiert, noch dazu dabei das bundesstaatliche Prinzip verlässt, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Für mich kommt auch eine Verschränkung der Exekutive mit der Legislative nicht in Frage. Für mich ist es eine nahezu absurde Forderung, die Landeshauptleutekon­fe­renz als Ersatz für den Bundesrat zu nehmen, denn das wäre die erstmalige Macht­zuteilung der Legislative an die Exekutive, und das müssen wir als Legislative wohl mit einem gewissen Selbstbewusstsein verhindern. (Beifall.)

Und noch eine Frage stellt sich: Natürlich sind wir auch gezwungen, unsere Arbeitsweise den neuen Herausforderungen anzupassen. Ich glaube, dass in der heutigen Diskussion sehr viele brauchbare Vorschläge gekommen sind.

Meine persönliche Meinung dazu, warum man die Funktionsperiode des Präsidenten nicht verlängert: Eine Verlängerung würde schon einen Machtzuwachs bedeuten, weil der Präsident dann natürlich auch medial anders wahrgenommen werden würde, da er länger Zeit hätte, sich zu etablieren, seine Ideen umzusetzen und so weiter. Aber natürlich muss man fragen, ob es von den Landeshauptleuten gewollt ist, wenn im Land selbst jemand entsteht, der eine Machtposition einnimmt, der dem Landes­hauptmann medial vielleicht sogar ein Jahr lang den Rang ablaufen könnte.

Diese Gedanken sollte man sich durchaus machen und das auch in diese Richtung überlegen, aber gegen ein Stellungnahmerecht im gesetzlichen Ablauf, bevor das Gesetz beschlossen wird, wo andere auch Stellungnahmerechte haben, die nicht so im legislativen Bereich verankert sind, kann man, glaube ich, nicht viel haben. Das ist meine persönliche Meinung, die ich frei von jeder parteipolitischen Bindung sage.

Noch etwas ist mir heute aufgefallen: die Frage Teileinspruch oder nur Hauptein­spruch. Wenn es um ein Gesetz wie das Budgetbegleitgesetz geht, das manchmal über 120 Gesetze verändert, sollte man die Möglichkeit haben, zu einem Teilbereich, der die Länder besonders arg betrifft, einen Teileinspruch zu machen. Ich glaube, da müsste man in der Arbeitsweise weiterkommen.

Ich kann als Verfassungsausschuss-Vorsitzender versprechen, dass, wenn aus dem Bundesrat entsprechende Gesetzesvorschläge kommen, diese bei uns behandelt werden, ernsthaft behandelt werden, und in die Diskussion einfließen. Wir haben im Verfassungsausschuss ein relativ kollegiales Verhältnis, sodass auch die Kollegen, die heute hier sind, darauf schauen werden, dass ich dieses Versprechen einhalte. – Danke. (Beifall.)

13.13


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Ich danke für den Schlussbeitrag des Herrn Obmannes des Verfassungsausschusses.

Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Debatte.

13.13.35IV. Zusammenfassung der Ergebnisse und weitere Vorgangsweise

 


Vorsitzender Präsident Michael Lampel|: Geschätzte Damen und Herren! Die heutigen Statements beziehungsweise Redebeiträge haben in vielen Bereichen durchwegs grundsätzliche Übereinstimmungen enthalten, wie der Bundesrat reformiert und attraktiviert werden kann, um die Länderkammer den heutigen Anforderungen eines modernen Föderalismus anzupassen.

Mit dieser Enquete haben wir einen neuen Anlauf gestartet. Ich danke allen ganz herzlich für ihre Beiträge beziehungsweise Vorschläge, die mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzesvorschlages sowie den Beschlüssen der Landtagspräsidenten und der Landeshauptleute großteils übereinstimmen. Daher der Appell an alle betrof­fenen Beteiligten: Arbeiten wir im zuständigen Ausschuss auf Grundlage der vorhandenen Unterlagen einen diesbezüglichen Gesetzesvorschlag aus und bringen wir einen Vorschlag in den Gesetzgebungsprozess ein.

Wir werden morgen, wie bereits angekündigt, einen entsprechenden Antrag auch in der Bundesratssitzung einbringen.

Wir alle sind gefordert. Setzen wir Worte in Taten um. Daher ist die nächste Präsidiale auch gefordert, die nächsten Schritte auszuarbeiten, damit der mit dieser Enquete neu gestartete Anlauf eines Reformprozesses des Bundesrates umgesetzt werden kann und den Worten endlich auch Taten folgen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Referentinnen und Referenten, bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das große Interesse, das sie an dem Thema der heutigen Enquete gezeigt haben, und für ihre wertvollen Diskussionsbeiträge.

Ich danke Ihnen für Ihr Kommen und wünsche noch angeregte Diskussionen beim Empfang und einen angenehmen Tag. (Beifall.)

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Die Enquete ist geschlossen.

13.15.59Schluss der Enquete: 13.16 Uhr


 

A N H A N G

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Reform und Entwicklungspotenziale des Bundesrates

Peter Bußjäger

1. Ausgangslage: Die Funktionsdefizite des österreichischen Bundesrates

Die Unzufriedenheit mit dem real existierenden österreichischen Bundesrat ist allge­mein. Niemand wird bestreiten, dass die Tatsache, dass der österreichische Bundesrat nur in bescheidenem Maße in der Lage ist, in der Bundesgesetzgebung mitzuwirken und die vorhandenen Rechte in der Praxis zudem so gut wie nicht ausübt, nicht optimal ist.

Ich werde in meinem Referat das allgemeine Unbehagen über den österreichischen Bundesrat samt seiner oft auch unberechtigten Kritik nicht weiter ausführen. Allerdings sind die Funktionsdefizite des Bundesrates klar hervorzuheben, sie liegen begründet in

seiner schwachen Rechtsstellung und

dem Umstand, dass die Bundesräte ihr Abstimmungsverhalten an jenem ihrer Partei­kollegen im Nationalrat ausrichten.

Dies bedeutet, dass jede Reform des Bundesrates an beiden Punkten ansetzen muss. Eine Aufwertung der Rechtsstellung des Bundesrates wird wenig bewirken, solange die Fraktionen im Bundesrat weiterhin wie im Nationalrat abstimmen. Dieses idente Abstim­mungsverhalten wird, was klarzustellen ist, nicht nur von den Regierungs-, sondern auch von Oppositionsparteien ausgeübt.

2. Warum wir eine Ländermitwirkung brauchen

Es gibt verschiedene Gründe, die eine Existenz des Bundesrates rechtfertigen, auch dann, wenn dieser an den besagten Funktionsdefiziten leidet. Es sind dies:

a) Das bundesstaatliche Prinzip

Das bundesstaatliche Prinzip verlangt nach einer Mitwirkung der Länder an der Bun­desgesetzgebung. Eine Beseitigung des Bundesrates ohne adäquaten Ersatz wäre als eine Gesamtänderung der Bundesverfassung zu qualifizieren, die gemäß Art. 44 Abs. 3 B-VG einer Zustimmung des Bundesvolks bedürfte, ganz abgesehen davon, dass für eine solche Änderung auch die Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 35 Abs. 4 B-VG erforderlich wäre.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass es auch Alternativen zur bestehenden Länder­mitwirkung geben würde, wie etwa unmittelbare Zustimmungs- und Mitwirkungs­rechte beteiligter Länder oder Organe der Länder. Auf sie komme ich gleich zu sprechen.

b) Die Länder in der Umsetzung und Vollziehung von Bundesrecht und von Staats­verträgen

Es gibt abseits dieses formalen Arguments (der Bundesrat ist notwendig, weil er von der Bundesverfassung als Element des bundesstaatlichen Prinzips gesehen wird) auch praktische Gründe, die die Existenz des Bundesrates legitimieren:

Den Ländern und ihren Organen, insbesondere dem Landeshauptmann, kommt im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung eine tragende Rolle in der Vollziehung von Bundesrecht zu. Außerdem haben die Länder im Rahmen der Grundsatzgesetzgebung Bundesrecht umzusetzen. Zu guter Letzt werden sie auch von den vom Bund abge­schlossenen Staatsverträgen in die Pflicht genommen. Es ist daher grundsätzlich wichtig, dass die Länder über eine zweite Parlamentskammer an der Bundesge­setzgebung mitwirken.

c) Die europäische Rolle des Bundesrates

Der Bundesrat ist jenes parlamentarische Organ, das bei Bedarf auch die Bedenken der Länder gegen geplante EU-Rechtsakte, transportiert, ja sogar eine Subsidiaritäts­klage beim EuGH erheben könnte. Müssten sich die Länder an den Nationalrat wenden, ist es fraglich, ob sie in der ersten Parlamentskammer, in der vor allem Bundes­interessen wahrgenommen werden, ähnlich erfolgreich wären.

Die engagierte Mitwirkung des Bundesrates im europäischen Rechtsetzungsprozess stärkt im Übrigen die Verbindung dieser Institution zu den Ländern.

d) Alternative Modelle der Ländermitwirkung?

Zweifellos gibt es alternative Modelle der Ländermitwirkung an der Bundesgesetz­gebung. Die Entwicklung der letzten Jahre hat dies in einzelnen Bereichen vorge­zeich­net. Gerade auf Grund der aufgezeigten Funktionsdefizite des Bundesrates haben die Länder im Rahmen der Begründung verschiedener Bundeskompetenzen als Gegen­leistung für die Zentralisierung einer Kompetenz Zustimmungsrechte erhalten. Art. 14b B-VG in den Angelegenheiten der öffentlichen Auftragsvergabe ist das klas­sische Beispiel.

Die Länder haben in diesen Fällen ein Vetorecht, ohne ihre Zustimmung kann der Bund kein Gesetz, in den Angelegenheiten des Art. 14b B-VG nicht einmal Verord­nungen erlassen. Die Vetomacht ist allerdings mit Art. 42a B-VG wesentlich entschärft worden: Die Länder müssen nunmehr innerhalb einer Frist von acht Wochen ihre Zustimmung verweigern, ansonsten gilt sie als erteilt.

Mit Art. 42a B-VG wird das Zustimmungsrecht der beteiligten Länder nunmehr jedoch zu einer ernsthaften Konkurrenz für den Bundesrat. Das Instrument arbeitet - fast - so schnell wie der Bundesrat und hat für die Länder den Reiz, dass sie selbst mitwirken können.

In diese Richtung weist auch der gehörte Vorschlag, die Aufgaben des Bundesrates auf die Landtage zu verteilen. Ich halte die Idee allerdings für nicht praktikabel. Es hat keinen Sinn, Bundesgesetze durch neun Landtage zu schleusen, die ja dann im Regelfall doch nur einen suspensiv wirkenden Einspruch erheben könnten. Bundespolitik würde noch mehr als bisher in die Landtage gezogen. Genau um einen solchen Zustand zu vermeiden, gibt es den Bundesrat.

3. Vorschläge

Es ist in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, alle guten und weniger guten Vorschläge der vergangenen Jahre zur Reform des Bundesrates zu rekapitulieren. In groben Zügen kann resümiert werden, dass im Österreich-Konvent die Meinung überwog, den Bundesrat im Vorfeld des Gesetzgebungsprozesses zu stärken und ihm frühzeitig die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen. Uneinigkeit bestand darüber, wie stark seine Rechtsstellung gegenüber einmal gefassten Geset­zesbeschlüssen des Nationalrates sein sollte. Dies hing auch stark mit dem im Österreich-Konvent diskutierten Drei-Säulen-Modell zusammen. Jene, die für eine breite dritte Säule mit entsprechend bescheidenen originären Länderkompetenzen eintraten, waren im Regelfall bereit, dem Bundesrat gleichsam als föderalistische Kompensation stärkere Mitwirkungsrechte, eben "Vetorechte" einzuräumen.

Diese Haltung wiederholte sich auch in den Entwürfen der Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform 2007/2008. Die Expertengruppe stellte zwei Entwürfe zur Wahl, einmal mit starker Bundesratsmitwirkung mit einem Zustimmungsrecht zur Gesetz­gebung in den Angelegenheiten, die der dritten Säule zugewiesen waren, einmal mit schwacher Bundesratsmitwirkung. Es ist indessen müßig, über diese Entwürfe zu diskutieren, sie wurden in der vorangegangenen Legislaturperiode nicht mehr aufge­griffen.

Von größerem Interesse, da rezenter, scheint das Ländermodell zu sein, auf das sich die Landeshauptleute und die Landtagspräsidenten der Länder verständigt haben. Da ich davon ausgehe, dass dieses Modell heute noch vorgestellt wird, erwähne ich es nur in den Grundzügen:

Es sieht eine Aufgabenentflechtung vor. Das derzeit bestehende umfassende Ein­spruchs­recht des Bundesrates  entfällt. Der Bundesrat erhält ein Zustimmungsrecht zu Verfassungsänderungen sowie zu Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates, die für die Länder mit erheblichen Kostenfolgen verbunden sind. Um die Vetowirkung des Zustimmungsrechts abzumildern, wird ein Vermittlungsverfahren eingeführt.

Das Ländermodell sollte zur Grundlage der weiteren Diskussion gemacht werden. Vielleicht weist es den Weg, wie eine Bundesratsreform zustande kommen könnte.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Ländermodell wie jedes andere Modell auch, das an der Rechtsstellung des Bundesrates ansetzt, nur eines der beiden ange­sprochenen Defizite des Bundesrates löst. Es stärkt zwar den Bundesrat und trägt dadurch vielleicht zu einer gewissen Emanzipation der Bundesräte bei, garantiert aber nicht, dass diese nicht weiterhin ein ähnliches Abstimmungsverhalten wie ihre Kollegen im Nationalrat tätigen.

Aber auch dazu existieren Vorschläge: Sie reichen von der möglichen Bindung des Abstimmungsverhaltens von Bundesräten durch Landtagsbeschlüsse, über die Entsendung einer 3-er-Delegation bestehend aus Landeshauptleuten, Landtagspräsi­denten und einem weiteren Landtagsabgeordneten des jeweiligen Landes bis zum Vorschlag, dass ausschließlich Landtagsabgeordnete die Funktion von Bundesräten wahrnehmen. 

Keine Lösung stellt meines Erachtens die Direktwahl der Bundesräte dar. Sie gewähr­leistet nicht, dass sich diese gegenüber ihren Kollegen im Nationalrat eher emanz­ipieren als dies derzeit der Fall ist. Im Gegenteil: Sie stellt sicher, dass den Landtagen die einzige Möglichkeit verloren geht, auf "ihre" Bundesräte einzuwirken. Die Direkt­wahl der Bundesräte wäre meines Erachtens eine Schwächung der Ländermitwirkung.

4. Zusammenfassung

Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit konnten nur einige Leitlinien einer Reform und Weiterentwicklung des Bundesrates gezogen werden. Sie lauten zusam­mengefasst:

Eine Reform des Bundesrates muss sowohl an der Rechtsstellung des Bundesrates selbst als auch am faktischen Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder ansetzen. Solange nur eine der beiden Reformen verwirklicht wird, wird das Ergebnis unbefrie­digend sein.

Eine Reform des Bundesrates ist möglich. Sie setzt jedoch Bereitschaft voraus, bis­herige Entscheidungsmuster zu überdenken und tief eingegrabene Geleise der politischen Abläufe in diesem Land zu verlassen. Wie aussichtsreich ein solches Vorhaben ist, können gerade Sie am besten beurteilen.

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