„Sozialpartnerschaft

im

21. Jahrhundert“

 

 

 

 

Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Montag, 20. April 2009

 

(Stenographisches Protokoll)

 

 


Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Montag, 20. April 2009

(XXIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)

Thema

„Sozialpartnerschaft im 21. Jahrhundert“

Dauer der Enquete

Montag, 20. April 2009: 10.03 – 13.41 Uhr

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Tagesordnung

I. Eröffnung

Präsident des Bundesrates Harald Reisenberger

II. Referate

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Erich Foglar

Präsident der Wirtschaftskammer Österreich Dr. Christoph Leitl

Präsident der Bundesarbeitskammer Mag. Herbert Tumpel

Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich ÖkR. Gerhard Wlodkowski

III. Diskussion und Fragerunden

*****

Inhalt

I. Eröffnung

Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger ............................................................. 3

II. Referate

Referent Bundesminister Rudolf Hundstorfer.................................................... ....... 4

Referent Dr. Reinhold Mitterlehner....................................................................... ....... 7

Referent Erich Foglar .................................................................................................... 9

Referent Dr. Christoph Leitl ........................................................................................ 12

Referent Mag. Herbert Tumpel ................................................................................... 15

Referent ÖkR. Gerhard Wlodkowski ......................................................................... 18

III. Diskussion und Fragerunden

Abg. Renate Csörgits .................................................................................................. 21

Bundesrat Mag. Gerald Klug ................................................................................. ..... 22

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel .................................................................... ..... 23

Bundesrat Dr. Andreas Schnider ......................................................................... ..... 24

Bundesrat Stefan Schennach ............................................................................... ..... 25

Bundesrat Edgar Mayer ......................................................................................... ..... 26

Referent Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................... 27

Referent Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................... 29

Bundesrat Martin Preineder .................................................................................. ..... 30

Bundesrätin Monika Mühlwerth ........................................................................... ..... 31

Abg. Konrad Steindl .................................................................................................... 32

Abg. Josef Muchitsch .................................................................................................. 33

Abg. Dr. Christoph Matznetter ................................................................................... 34

Ministerialrätin Mag. Eva-Maria Schmitzer ............................................................... 35

Abg. Fritz Grillitsch ...................................................................................................... 36

Schlussworte

Referent ÖkR. Gerhard Wlodkowski ......................................................................... 37

Referent Mag. Herbert Tumpel ................................................................................... 38

Referent Dr. Christoph Leitl ........................................................................................ 39

Referent Erich Foglar .................................................................................................. 44

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 21


 

10.03.10Beginn der Enquete: 10.03 Uhr

Vorsitzender: Präsident des Bundesrates Harald Reisenberger.

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10.03.20I. Eröffnung

 


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen, eröffne die Enquete des Bundesrates zum Thema „Sozialpartnerschaft im 21. Jahrhundert“ und danke Ihnen, dass Sie der Einladung hiezu so zahlreich gefolgt sind.

Ich begrüße alle Anwesenden sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Referenten unserer heutigen Enquete: Herrn Bundesminister Rudolf Hundstorfer (Beifall), Herrn Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner (Beifall), ÖGB-Präsident Erich Foglar (Bei­fall), WKO-Präsident Dr. Christoph Leitl (Beifall), Arbeiterkammer-Präsident Mag. Her­bert Tumpel (Beifall) und Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski (Bei­fall). Ich heiße Sie hiermit recht herzlich willkommen!

Weiters begrüße ich sehr herzlich alle Mitglieder des Nationalrates und des Bundesra­tes, die Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskanzleramtes und der jeweiligen Bun­desministerien, der Länder sowie der Verbindungsstellen der Bundesländer, des Öster­reichischen Städtebundes, des Österreichischen Gemeindebundes sowie der Interes­senvertretungen. Im Besonderen heiße ich auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien recht herzlich willkommen.

Bevor wir in die Beratungen eingehen, darf ich den geplanten Ablauf der Enquete skiz­zieren.

(Es erfolgen technische Mitteilungen und Hinweise auf das Procedere bei der Enquete durch den Vorsitzenden.)

Lassen Sie mich noch kurz ein paar persönliche Worte sagen: Ich glaube, dass das Thema Sozialpartnerschaft heute mehr denn je aktuell ist. Wie wichtig es ist, hat sich mir erst vor Kurzem wieder gezeigt: Ich durfte mich zwei Wochen lang in China aufhal­ten und dort mit sehr vielen interessanten Menschen sprechen. Überall, wo ich hinkam, ist die Sozialpartnerschaft, die wir in Österreich haben und kennen, als Vorbild darge­stellt worden.

Ich denke, es ist egal, aus welchem Blickwinkel man die Sozialpartnerschaft betrach­tet – diese Erfahrung habe ich auch dieses Wochenende wieder bei Gesprächen
in Den Haag gemacht –, es ist ganz einfach eine Form, wie man der heutigen Zeit
der wirtschaftlichen Probleme, der wirtschaftlichen Herausforderungen, aber auch den Herausforderungen der Zukunft mehr denn je ein Gegengewicht bieten kann.

Darum bin ich gerade auch als Gewerkschafter sehr stolz, dass wir diese Sozialpart­nerschaft in Österreich leben – mit allen Stärken und mit allen Schwächen, die sie hat –, und ich bin sehr froh, dass sie, wie ja so vieles, von Personen geprägt ist, die diese Sozialpartnerschaft leben, denn damit eine so große Sache funktioniert, muss eine Identifikation gegeben sein.

Ich glaube, dass wir damit eine große Chance in der Hand haben. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir uns dessen bewusst sind, ein welch gutes Mittel wir mit die­ser Sozialpartnerschaft haben, und es liegt immer an uns, sie auch zu nützen.

10.08.44II. Referate

 


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Ich erteile nunmehr dem Herrn Bun­desminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Herrn Rudolf Hundstorfer, das Wort. Bitte, Herr Bundesminister.

 


10.08.59

Referent Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Ich danke für die Möglichkeit, als ehemaliges aktives Mitglied der Sozialpartnerschaft heute hier sprechen zu dürfen, denn ich glaube, dass gerade in der heutigen Zeit das Thema „So­zialpartnerschaft im 21. Jahrhundert“ aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen ein sehr, sehr spannendes ist.

Ich sage gleich am Beginn meines Statements ganz klar und deutlich: Die Arbeitneh­merInnen in Österreich und in Europa brauchen gerade heute eine sehr starke Arbeit­nehmerInnenvertretung und eine sehr funktionsfähige Sozialpartnerschaft. Österreich muss seinen über Jahrzehnte bewährten Weg des konstruktiven Miteinanders von Ar­beitgeberseite und Arbeitnehmerseite weitergehen und diesen Weg auch intensivieren.

Ein konstruktiver Dialog ohne Scheuklappen auf beiden Seiten ist dabei unabdingbar. Das Klima ist für die arbeitende Bevölkerung und für die Wirtschaft insgesamt in ganz Europa und in Österreich in den letzten Jahren, in den letzten Monaten ziemlich rau geworden. Geschickt wurden vor dem Hintergrund der von künstlichen Finanzproduk­ten und undurchschaubaren Finanztransaktionen ausgelösten weltweiten Finanzmarkt­krise, die heute in Wirklichkeit eine veritable Wirtschaftskrise ist, Begriffe wie Globali­sierung, Flexibilisierung und Finanzmarktstabilität in die Diskussion um die künftigen Rahmenbedingungen von Arbeit und Arbeitsorganisation eingeschleust.

Niemandem war dabei aber beim ersten Hinschauen genau bewusst, worauf diese Be­griffe tatsächlich abzielen, welche Intention von den neuen Vokabeln wirklich ausgeht. Speziell von den Finanzunternehmen und Ratingagenturen, die ein gerüttelt Maß an Verantwortung für die weltweiten ökonomischen Schwierigkeiten tragen, wurde in den letzten Monaten ein Szenario gezeichnet, das in letzter Konsequenz nur eines errei­chen sollte: die Aushöhlung des Sozialstaates, die Schmälerung der ArbeitnehmerIn­nenrechte und das Zurücknehmen sozialstaatlicher Leistungen.

Eines ist aber für mich klar und unbestritten, und gerade jetzt, da sich der Neoliberalis­mus, glaube ich, endgültig verabschiedet hat, kann man das so sehen: Ein geordneter, ein funktionierender und ein als gerecht empfundener Sozialstaat ist das Fundament für die Sicherheit und Stabilität eines Landes. Eine solide soziale Absicherung ist ein wesentlicher Garant für eine stabile demokratische Grundordnung. Daher sind Gewerk­schaften wichtiger denn je, aber dazu wird ja Präsident Foglar noch einiges ausführen.

Auf der Seite der ArbeitnehmerInnen wird der ÖGB und wird die Arbeiterkammer auch in Zukunft eine sehr zentrale Säule der Sozialpartnerschaft sein, und auf der Arbeitge­berseite, davon gehe ich aus, eine sehr verantwortungsvolle Wirtschaftskammer – und natürlich auch Landwirtschaftskammer, damit es da kein Missverständnis gibt.

Sozialpartnerschaft heißt auch im 21. Jahrhundert aktive Mitgestaltung im Staat, heißt aber auch Mitverantwortung, und zwar Mitgestaltung und Mitverantwortung von Arbeit­nehmerInnen und Arbeitgebern.

Ich bin sehr stolz darauf, dass wir in Österreich diesen sozialen Dialog jeden Tag mit Leben erfüllen und in dieser Hinsicht beispielgebend für ganz Europa und auch für die ganze Welt sind. Und ich bin darüber hinaus sehr stolz darauf, dass – diese kleine Anekdote sei mir gestattet – Präsident Leitl und ich uns vor über einem Jahr bemüht haben, gemeinsam mit dem UNO-Generalsekretär eine Deklaration zu einer weltweiten Sozialpartnerschaft zu entwickeln – eine Utopie, gar keine Frage, eine Vision, auch keine Frage, aber Visionen werden, so hoffe ich, einmal Realität, und das ist auch von diesem kleinen Österreich ausgegangen.

Dieser soziale Dialog, das Suchen nach Lösungen, die Austragung von Interessenge­gensätzen am runden Tisch und im Verhandlungssaal ist gerade heute wichtiger denn je. Augenmaß und Kompromissfähigkeit bei ArbeitgeberInnenvertretern und bei Arbeit­nehmerInnenvertretern wird dabei noch wichtiger werden.

Diese Dialogbereitschaft österreichischer Prägung trägt zur hohen Berechenbarkeit so­zialer Beziehungen bei. Für Unternehmen kann es ein beträchtlicher Vorteil sein, wenn die Arbeitsbeziehungen ebenso berechenbar sind, das heißt konkret: geringe Ausfalls­zeiten durch Streiks oder beispielsweise eine geringe Arbeitsunzufriedenheit. Diesen genannten Anforderungen wird das österreichische sozialpartnerschaftlich geprägte Sozialmodell gerecht und erweist sich als sehr positiver Wettbewerbsfaktor.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen sind natürlich in Österreich voll spürbar. Drastische Rückgänge beim Wachstum, Kurzarbeit, Kündigungen oder Aussetzungsverträge in Betrieben, die jahrzehntelang Aushänge­schilder der Wirtschaft waren, sind die Folge.

Über 300 000 Österreicherinnen und Österreicher sind zur Stunde ohne Arbeit, wenn man auch die mit einbezieht, die sich in Schulungsmaßnahmen befinden. Für die poli­tisch Verantwortlichen in unserem Land, aber auch für die Wirtschaft muss die Suche nach der Chance in der Krise das Gebot der Stunde sein. Resignation ist nicht die Antwort von heute und Resignation kann auch nicht die Antwort der Zukunft sein, son­dern es gilt, vorausschauend Initiativen zu setzen, um gestärkt aus dieser Zeit hervor­zugehen.

Gemeinsam mit meinen Regierungskollegen und -kolleginnen habe ich daher Maßnah­men ergriffen, um den Herausforderungen am Arbeitsmarkt offensiv zu begegnen. Wir bemühen uns um jeden Arbeitsplatz: „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz!“, lautet das Motto.

Die aktuellen Arbeitsmarktdaten machen den bestehenden Handlungsbedarf sehr deutlich. Die Zahlen der ersten Monate im Jahr 2009 zeigen ein starkes Ansteigen bei den vorgemerkten Arbeitslosen. Besonders trifft es die Jugendlichen – ich meine jene Gruppe, die als Jugendliche nicht Lehrlinge sind –, bei denen der Anstieg der Arbeitslo­sigkeit besonders deutlich ausgefallen ist. Jeder Sechste der derzeit registrierten Ar­beitslosen ist unter 25 Jahre alt. Die Krise, die den Arbeitsmarkt nun mit voller Intensi­tät erreicht, zeigt deutlich auf, wo das System verbessert werden kann.

Die österreichische Bundesregierung hat die Herausforderung erkannt, wie ich schon gesagt habe. Wir haben nicht abgewartet, wir haben nicht geschlafen, sondern bereits bei den ersten Anzeichen reagiert: Zu Zeiten, als andere noch mit mahnend erhobe­nem Finger vor Ausgaben für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft gewarnt haben, wur­den bereits erste Steuerentlastungen beschlossen und Konjunkturpakete geschnürt.

Mein besonderes Augenmerk lege ich natürlich auf den Erhalt von Arbeitsplätzen. Mit 1 Milliarde € für aktive Arbeitsmarktpolitik steht mehr Geld als je zuvor für zielgerichtete Maßnahmen zur Verfügung. So kann mein Ressort schnell und flexibel gegen die Fol­gen der Krise vorgehen und wichtige Schritte für die Zukunft setzen.

Junge Menschen waren und sind mir immer ein besonderes Anliegen. Das 2008 in Kraft getretene Jugendbeschäftigungspaket schafft für Unternehmen bereits zahlreiche Anreize, Lehrlinge auszubilden. Im Rahmen der ebenfalls schon letztes Jahr beschlos­senen Ausbildungsgarantie hat jede und jeder Jugendliche, die beziehungsweise der keine Lehrstelle findet, die Möglichkeit, eine Lehrausbildung in einer überbetrieblichen Einrichtung zu absolvieren. Zur Stunde haben wir 10 000 Plätze zur Verfügung, und
mit Jahresmitte – das heißt, in drei Monaten – werden wir 12 000 Plätze zur Verfügung haben.

Darüber hinaus möchte ich niederschwellige Angebote forcieren, die die jungen Men­schen schrittweise zu einer Integration in den Arbeitsmarkt beziehungsweise zur Auf­nahme einer Ausbildung führen sollen. In Anbetracht der besonderen und besonders schwierigen Situation dieser Altersgruppe ist es mir sehr wichtig, dass ihnen neue Perspektiven – etwa Möglichkeiten zur Umschulung oder zum Nachholen des Lehrab­schlusses – geboten werden.

Man meint vielleicht: Nachholen von Lehrabschlüssen, kann das noch sein? Ja, es gibt viele, die eine Lehre absolviert haben, diese „berühmte“ Lehrabschlussprüfung aber nicht gepackt haben. Das ist auch so ein Thema, das wir uns in Zukunft vorneh­men sollten: Eine fertig abgeschlossene Ausbildung ist immer noch das beste Funda­ment für die Zukunft.

Es ist für mich auch sehr erschreckend, dass zur Stunde bei 40 Prozent der Arbeitslo­sen der höchste Bildungsgrad die Absolvierung der Pflichtschule ist. Das sollte uns zu denken geben, und wir sollten da gemeinsam, über alle Parteigrenzen hinweg, sehr stark ansetzen.

Außerdem startet das Sozial- und Arbeitsministerium die „Aktion Zukunft Jugend!“, die Mittel in beträchtlicher Höhe in die Qualifikation der 19- bis 24-jährigen Arbeitslosen in­vestiert. Jede und jeder Jugendliche wird innerhalb von sechs Monaten ein Angebot für einen Arbeitsplatz, ein Angebot für eine zielgerichtete Schulung oder eben das Ange­bot für eine geförderte Beschäftigung erhalten.

Mit diesen Angeboten, die weiter ausgebaut werden, will ich sicherstellen, dass junge Menschen nicht zu Beginn ihres Berufslebens vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden, sondern einen guten Start ins Erwerbsleben haben, denn die Antwort kann keinesfalls heißen: Hier ist der Weg zum Sozialamt!, sondern die Antwort kann nur heißen, allfälli­ge Defizite zu beseitigen, Qualifikationen zu verbessern, neue Perspektiven aufzuzei­gen und den Weg für einen neuen Arbeitsplatz zu ebnen.

Eine höhere Qualifikation ist jedoch nicht nur für die Jugend ein wichtiger Faktor, denn exzellente Aus- und Weiterbildung aller ArbeitnehmerInnen und der Arbeitssuchenden ist generell ein zentraler Schlüssel zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit.

Eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik erfordert ein enges Zusammenspiel von Politik, Arbeitnehmervertretung und Arbeitgebervertretung. Jeder muss sein Know-how ein­bringen. Nur durch ein gemeinsames Miteinander können wir uns bemühen und kön­nen wir sehr aktiv versuchen, der Krise entsprechend entgegenzutreten. Ein sogenann­ter Kantönligeist wäre heute völlig deplatziert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sozialpolitik hat in unserem Land wieder jene Be­deutung gewonnen, die sie benötigt, um die Lebensverhältnisse jener Menschen, die Solidarität brauchen, zu sichern und zu verbessern. Und wer bräuchte nicht die Solida­rität anderer, wenn er in eine Situation gerät, die er oder sie alleine nicht bewältigen kann? Ob das die klassischen sozialen Fragen sind, wie die Bewältigung von Arbeitslo­sigkeit, Krankheit, Unfall oder Existenzsicherung im Alter, oder die Frage von Unter­stützung bei Pflegebedarf oder Behinderung – all diesen Lebenssituationen ist eines gemeinsam: dass sie aus eigener Kraft nicht bewältigt werden können und die solidari­sche Gemeinschaft benötigen, deren Leistungsfähigkeit durch entsprechende Beitrags­zahlung und Steuerzahlung gesichert wird.

Sozialpolitik und Interessenpolitik des 21. Jahrhunderts soll bewährte Konzepte der letzten Jahrzehnte mit notwendigen Innovationen verbinden. Nicht der Abbau, sondern die Weiterentwicklung des Sozialstaates unter den aktuellen Bedingungen soll dabei die Handlungsmaxime sein. – Ich danke schön. (Beifall.)

10.21


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Herr Bundesminister, ich danke für Ihre Ausführungen.

Bevor wir zum nächsten Beitrag kommen, möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie am Ende dieser Veranstaltung Ihre Handys wieder einschalten werden. – Danke schön. (Heiterkeit.)

Ich darf nun als Nächstem dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Ju­gend, Herrn Dr. Reinhold Mitterlehner, das Wort erteilen. – Bitte, Herr Minister.

 


10.21.20

Referent Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitter­lehner|: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen derzeit eine der größten Wirtschaftskrisen in dieser Republik, aber auch weltweit miterleben und sind ja täglich mit Meinungsäußerungen und Wirtschaftsprognosen konfrontiert, die in der Tendenz alle nach unten weisen. Aber in der internationalen Vergleichbarkeit wird Österreich eine besondere Kraft zugetraut und eine besondere Chance einge­räumt, die Krise besser zu bewältigen als andere Länder. Und das Element – oder eines der Elemente –, das dazu beiträgt, ist der Sozialpartnerkonsens, der soziale Frie­de, der in diesem Land besser gewährleistet ist als in anderen Ländern.

Daher ist zu hinterfragen: Wie ist die Komponente Sozialpartnerschaft als Mittel zur Problemlösung auch im 21. Jahrhundert besonders geeignet? Was steht dahinter be­züglich Werdegang? Was ist aber auch vom Rüstzeug, um die Probleme zu bewälti­gen, erforderlich, um die Sozialpartnerschaft als konstitutives Element der österreichi­schen Demokratie weiterzuentwickeln?

Der Hintergrund dessen, was Sozialpartnerschaft kennzeichnet, ist – wie Bruno Kreisky es einmal ausgedrückt hat: Klassenkampf am grünen Tisch und nicht auf der Straße – im Wesentlichen Kooperation statt Konfrontation und das gemeinsame Zusammenwir­ken von Arbeitsgebern, Vertretungen der Arbeitgeber, Arbeitnehmervertretungen – trotz aller grundsätzlichen Unterschiede! –, um die Probleme zu lösen.

Wenn wir uns die Geschichte der Sozialpartnerschaft anschauen, dann merken wir, dass die Sozialpartnerschaft nicht immer gleich war von der Grundausrichtung her, sondern dass es da bestimmte Entwicklungsschritte gegeben hat.

Das beginnt eigentlich in der Nachkriegszeit. Teilweise aus den Erfahrungen der Kriegsjahre, aber auch von der Grundausrichtung her hat sich die Sozialpartnerschaft ursprünglich als verteilungspolitische und ordnungspolitische Einrichtung entwickelt. Sie erinnern sich alle noch an die Lohn-Preis-Abkommen – Sie persönlich wahrschein­lich nicht, aber in der geschichtlichen Betrachtung – zwischen 1947 und 1951, die dazu beigetragen haben, in Österreich die dringendsten Fragen der Verteilung in Richtung Entwicklung auch einer Marktwirtschaft aufzugreifen. Die einzelnen Einrichtungen dazu waren entsprechende Ausschüsse und dann auch die Paritätische Kommission für Lohn- und Preisfragen.

Das hat sich dann in Richtung einer Verbreiterung der gesamten Themen so entwi­ckelt, dass 1963 der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen de facto als dritter Unter­ausschuss der Paritätischen Kommission errichtet wurde. Ich glaube, dass diese Ein­richtung und ihre Ausformung auch dazu beigetragen hat, den Sozialpartnern einen Ruf zu verleihen, den sie sich vielleicht nicht verdient haben, der aber insofern entstan­den ist, als sich die Sozialpartner tatsächlich nicht nur mit Lohn- und Preisfragen be­schäftigt haben, sondern in den Folgejahren mit fast jedem anderen Thema, das im Bereich der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik schlagend geworden ist, interessant geworden ist.

Insbesondere bei Journalisten, aber auch in der Bevölkerung ist dadurch der Eindruck entstanden, dass die Sozialpartner neben dem Parlament oder vorbereitend zum Par­lament aktiv geworden sind, und daher hielt man die Sozialpartnerschaft für eine Art Nebenregierung. Daher gibt es bestimmte, durchaus demokratiepolitische Auseinan­dersetzungen, die eigentlich genau diese Fragestellungen zum Inhalt gehabt haben und meine Erachtens – zumindest in diesen Jahren – ein Image der Sozialpartner­schaft bewirkt haben, das vom Inhalt her nicht gerechtfertigt war, denn was die formale Umsetzung angeht gab es meistens Personalunion-Konstellationen. Das heißt, der Präsident der Arbeitgeber ist ebenso wie der Präsident der Arbeitnehmer-Vertretung auch im Parlament vertreten gewesen.

Ein bestimmter Bruch beziehungsweise eine Änderung hat sich meiner Ansicht nach ergeben einerseits auf politischer Ebene und andererseits durch den Beitritt Öster­reichs zur Europäischen Union. Warum auf der Ebene der Europäischen Union? – Weil hier in den Jahren 1994 und 1995 doch gesellschaftspolitisch Befürchtungen, Ängste, Emotionen vorhanden waren. Und es war der Beitrag der Sozialpartner, dass Öster­reich wie kaum ein anderes Land von der Zustimmung, aber auch von der inhaltlichen Ausrichtung her den EU-Beitritt so positiv bewältigt hat.

Damit ist in den Folgejahren aber auch eines einhergegangen: Nicht nur eine Art von Europa-Abkommen, das die gleichberechtigte Teilnahme der Sozialpartner an der Ent­scheidungsfindung im Rahmen der EU sowie ihre Einbindung in der Vertretung zugesi­chert hat, sondern eine weitere Komponente, nämlich sozusagen eine Legalisierung der Sozialpartnerschaft auf der Ebene der Europäischen Union. Schauen Sie sich die Inhalte des Lissabon-Vertrages an: Da ist definitiv die Rolle der Sozialpartner auch im Gesetzgebungsprozess festgeschrieben.

Daher: Auf der Brüssel-Ebene ist nicht nur eine inhaltlich stärkere Bedeutung der So­zialpartner festzustellen, sondern auch die Legalisierung der Sozialpartner mit einer Rückkoppelung, was den österreichischen Diskussionsprozess anbelangt, der sich auch insbesondere in der Zeit ab dem Jahr 2000 entsprechend widerspiegelt. Wir ha­ben ja vorhin verschiedene Phasen schon kurz beleuchtet, aber im Jahr 2000 lautete die Einstellung der damaligen Koalitionsregierung, die Sozialpartnerschaft soll sich auf die Expertise beschränken.

Dazu ist noch gekommen, dass die Sozialpartnerschaft in den Jahren vorher teilweise den Eindruck vermittelt hat, hier stehen zu bleiben, hier die Versteinerung vor der Dy­namik zu sehen. Und das hat ebenfalls das Image entsprechend negativ beeinflusst.

Da Organisationen immer durch Personen handeln, ist das bei der Sozialpartnerschaft gleichfalls so. Ich sehe vor allem in der „Abfertigung neu“ den Knackpunkt, der den Wandel inhaltlich, imagemäßig und personell entsprechend zum Ausdruck bringt. Es war im Wesentlichen der damalige Präsident der Arbeitgeber, Christoph Leitl, der heu­te auch hier anwesend ist, und auf der anderen Seite Präsident Verzetnitsch, die ... – Sigisbert Dolinschek lacht, weil er sich gerne als Erfinder der „Abfertigung neu“ sieht. (Heiterkeit.) Ist alles in Ordnung, aber in der Umsetzung und in der konzeptiven Vorbe­reitung liegt meines Erachtens wirklich der Schlüssel, und es ist den beiden gelungen, hier wirklich eine tragfähige Lösung zu finden und im Parlament entsprechend umzu­setzen.

Damit bin ich aber bei der Zukunftsrolle der Sozialpartnerschaft. War die Rolle der So­zialpartner seinerzeit die Erstellung von Expertisen, war es später ihre konzeptive Kraft, die ihre Bedeutung ausmachte, so kommt jetzt, im 21. Jahrhundert, in Krisenzei­ten, noch eine dritte Komponente dazu, und das ist die integrative Rolle der Sozial­partner. Diese werden wir stärker als jemals zuvor brauchen, und wir haben sie meines Erachtens in deutlicher Ausformung bei der Umsetzung der „Abfertigung neu“ das erste Mal erlebt.

Haben Sie jemals in Betrieben oder auch in der öffentlichen Diskussion eine stärkere Kritik oder Unzufriedenheit daran festgestellt? Meines Erachtens nicht, weil das eine gelungene Problemlösung war, die auch in den jeweiligen Unternehmen mitgetragen worden ist – von den Arbeitgebern, von den Arbeitnehmern, von der Politik, von den Interessenvertretungen. Und das ist auch die Chance, was die Zukunft anbelangt. Wir stehen hier vor der Fragestellung: Gehen die einzelnen Länder einen Weg des Natio­nalismus, einen Weg des Protektionismus oder den Weg der Wettbewerbsstärkung? Und die einzige Alternative ist der Weg der Wettbewerbsstärkung. Es geht um Quali­fikation, es geht um Bildung, es geht um neue Instrumente auf dem Arbeitsmarkt; diese hat mein Vorredner schon angesprochen.

Und wer sonst als die Sozialpartner sind geeignet, diese Methoden nicht nur konzeptiv mit ihren Ressourcen zu entwickeln, sondern auch in die Politik einzubringen und dann auch die integrative Umsetzung zu schaffen?!

Sie werden im Herbst möglicherweise an meine Worte noch denken. Momentan arbei­ten wir ja mit Kurzarbeit und mit der Strategie, die Strukturen zu erhalten, temporär durchzutauchen, aber die Krise wird auch im Herbst noch nicht verarbeitet, noch nicht gelöst sein. In anderen Ländern deutet sich das ja schon an. Nehmen Sie nur Frank­reich oder auch andere Länder, wo sich soziale Unruhen sozusagen schon in Ansätzen zeigen, insbesondere im Jugendbereich. Wer sonst als die Sozialpartner können es durch ihre integrative, durch ihre auch beruhigend konzeptive Kraft schaffen, die Pro­bleme, die Krise entsprechend richtig anzugehen?!

Das ist, glaube ich, jetzt nicht nur eine Chance für die Sozialpartnerschaft, sondern auch inhaltlich, gesellschaftlich die größte Herausforderung der Sozialpartnerschaft für die nächsten Monate, möglicherweise auch für die nächsten Jahre. Ich glaube, dass wir ressourcenmäßig, aber auch was die Personen anbelangt, mit Kooperation statt Konfrontation sehr gut gerüstet sind. – Danke schön. (Beifall.)

10.32


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Danke, Herr Bundesminister.

Ich erteile nun dem Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Herrn Erich Foglar, das Wort. – Bitte, Herr Präsident.

 


10.32.22

Referent Erich Foglar (Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sozialpartner­schaft ist eine der Grundsäulen der Zweiten Republik, meinen viele in diesem Land. Nach der menschlichen und wirtschaftlichen Katastrophe des Nationalsozialismus vor allem in Europa war es gesellschaftlicher Konsens, das Verbindende vor das Trennen­de zu stellen. Ich denke, gerade in Zeiten der Krise und der enormen Herausforderun­gen, die es zu bewältigen gibt, ist dieser Grundsatz mehr denn je aktuell.

Vor allem die Prinzipien und der Grundgedanke der Sozialpartnerschaft stehen infolge der aktuellen Entwicklung sehr auf dem Prüfstand. Wenn man an Wohlstand für alle durch nachhaltiges Wirtschaftswachstum denkt, wenn man an langfristige wirtschaft­liche, soziale und politische Stabilität Österreichs denkt und das Grundprinzip bedenkt, dass Interessenkonflikte zuerst am Verhandlungstisch zu lösen sind und der soziale Friede Österreich über viele Jahre auch einen Fortschritt gebracht und einen Wettbe­werbsvorteil eingeräumt hat, wird man feststellen, dass die Sozialpartnerschaft mehr denn je gefragt ist.

Ein weiteres Grundprinzip, glaube ich, ist, dass Sozialpartnerschaft dann funktioniert, wenn sie auf starken Interessenverbänden der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerIn­nen und vor allem auf gesetzlicher und auf freiwilliger Basis beruht.

Österreich hat es geschafft, mit diesem Weg aus den Trümmern des Zweiten Weltkrie­ges zu einem der wohlhabendsten Staaten der Welt aufzusteigen. Egal, ob die Sozial­partner in früheren Zeiten als „Nebenregierung“ bezeichnet wurden – zu Recht oder zu Unrecht –, oder manche meinten, dass durch „Speed kills“ zwischen 2000 und 2006 die Sozialpartner zurückgedrängt wurden – wir haben ja gerade ein Beispiel gehört, dass es anscheinend nicht so war –, die Sozialpartner haben unserer Meinung nach, nach Meinung des ÖGB in ihren ureigensten Bereichen eigentlich immer erfolgreich gearbeitet, denn Sozialpartnerschaft lässt sich ja nicht auf einzelne Personen redu­zieren.

Natürlich repräsentieren die Spitzen der Verbände das nach außen hin, aber Sozial­partnerschaft findet ja auf betrieblicher Ebene tagtäglich zwischen Betriebsrat und Un­ternehmensleitung statt, auf überbetrieblicher Ebene bei allen Lohnverhandlungen, auf Verbändeebene, auf Branchenebene, auf Gewerkschaftsebene, auch auf Ebene der Gesamtorganisation, der Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer, Arbeiterkammer und des ÖGB, oder gemeinsam mit der Regierung, egal, ob die Regierung in einem Fall Arbeitgeber ist, wenn eine Gewerkschaft gegenüber sitzt, oder ob sie ganz einfach die Sozialpartner einlädt, bei bestimmten Themen mitzuarbeiten. Oder ich denke an den Bereich der sozialen Selbstverwaltung und der sozialen Sicherheit oder auch an die europäische Sozialpartnerschaft; Stichwort sozialer Dialog, Eurobetriebsräte, Welt­betriebsräte.

Ich glaube, die Herausforderungen, die die Sozialpartnerschaft immer bewältigt hat, stehen ganz besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten im Fokus, ob das die Lohn­politik ist, die Arbeitszeitpolitik ist, ob es die Bildung und vor allem die Berufsausbil­dung, die duale Ausbildung ist, die uns sehr am Herzen liegt, Arbeitsmarktpolitik und all diese Felder, in denen die Sozialpartner eigentlich sehr schöne Erfolge vorzeigen konnten.

Ich denke, das Ergebnis sozialpartnerschaftlichen Wirkens lässt sich in unzähligen Be­triebsvereinbarungen und Kollektivverträgen, Vorschlägen und Entwürfen für neue Ge­setze und Änderungen dieser Gesetze, in Studien des Beirats oder in gemeinsamen Positionen ablesen. Mehr als 40 Punkte im Regierungsprogramm laden die Sozialpart­ner ein, hier mitzuwirken. Und wenn man unser System der sozialen Sicherheit be­trachtet, das untrennbar mit der Selbstverwaltung verbunden ist, sieht man, dass die Sozialpartner für dieses Land sehr viel leisten.

Die Herausforderungen der Sozialpartnerschaft im 21. Jahrhundert liegen aktuell in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Es ist wohl die größte wirtschafts- und sozialpolitische Herausforderung seit 1945. Wir haben die Rechnung für eine verfehlte Wirtschafts­politik präsentiert bekommen, die in den achtziger Jahren mit Reaganomics und That­cherismus begonnen hat: Zurückdrängen des Staates, Marktfundamentalismus, speku­lationsgetriebener Casino-Kapitalismus in den Finanzmärkten, Deregulierung, Privati­sierung, Globalisierung. Wir sind, was die Arbeitsplätze angeht, mit Lohn-, Steuer-, Sozialdumping des internationalen Wettbewerbs konfrontiert, und der Aufbau und die Pflege der Steueroasen haben letztendlich ein Übriges getan.

Das sind alles Themen, die eigentlich nicht die ureigensten Themen der Sozialpartner­schaft in Österreich waren, denn die Sozialpartnerschaft hat sich auch aus den Eindrü­cken der Nachkriegszeit heraus immer auf Nachhaltigkeit und stabile Wirtschaftsent­wicklung konzentriert, auf Stärkung der Kaufkraft und Ausbau der sozialen Sicherheit. Es hat sich aber gezeigt, dass für viele Unternehmer diese Entwicklung lukrativer war, nämlich in spekulative Finanzprodukte zu investieren anstatt in Produkte der Dienst­leistung oder Produkte der Realwirtschaft.

Die weltweite Folge ist ein Systemabsturz, ein Zusammenbruch eines Systems und die schwerste Wirtschaftskrise seit 1945. Weltweit müssen Banken vor dem Zusammen­bruch gerettet werden. In den USA werden rund 2 Millionen Familien ihre Häuser ver­lieren, Großbritannien und Spanien noch nicht mitgezählt, und die OECD schätzt, es wird weltweit zusätzlich 25 Millionen Arbeitslose geben.

Wer momentan dieses System bezahlt – und das ist die Herausforderung, vor der wir stehen –, das sind die arbeitenden Menschen. Kurzarbeit, Verlust des Arbeitsplatzes, Arbeitslosigkeit, das alles wird von den Steuerzahlern getragen. Es kommt zu Insolven­zen vieler Unternehmerinnen und Unternehmer der Realwirtschaft, auch kleiner und mittlerer Unternehmen, und was den Anstieg der Staatsverschuldung und die Sparpro­gramme betrifft, so braucht man, glaube ich, kein großer Prophet sein, um zu erken­nen, dass die Folgen all dessen bald auf uns zukommen, wenn es darum geht, die Staatsverschuldung zurückzufahren.

Die größte Gefahr wird sein, dass der soziale Friede gefährdet sein könnte. Aber es gibt immer noch jene, die jahrelang dieses System aufgebaut und betrieben haben, ein selbst erfundenes, entartetes Bonussystem in Anspruch nehmen und sogar noch ange­sichts dieses Desasters, das angerichtet wurde, auf unverschämt hohe Bonuszahlun­gen bestehen. Ich denke, dass ÖGB und Arbeitnehmer unmissverständlich dazu bereit sind, trotz allem ihren Beitrag zur Bewältigung dieser Krise zu leisten. Jüngste Bei­spiele wie die Einigung auf Kurzarbeit zeigen dies; wobei Kurzarbeit kein Allheilmittel ist. Wir werden wahrscheinlich noch den größten Strukturwandel in der Industrie zu be­wältigen haben, aber Kurzarbeit dämpft momentan den Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Was wir erwarten, ist ganz einfach im Gegenzug, dass die Krise nicht zum Sozialabbau und zum Abbau arbeitsrechtlicher Ansprüche, zu Lohnkürzungen und Nulllohnrunden genützt wird. – Im Gegenteil! Was wir brauchen, ist eine wirtschaftliche und soziale Stabilität, gerade in dieser schwierigen Situation. Der ÖGB unterstützt daher die gan­zen Maßnahmen der Bundesregierung, und der ÖGB ist voller Zuversicht, dass die So­zialpartnerschaft auch dieses Problem mit bewältigen helfen wird.

Für uns heißt soziale Stabilität, Arbeitslosigkeit mit allen Mitteln zu bekämpfen. Vor al­lem die Jugendarbeitslosigkeit und deren Anstieg bereitet uns größte Sorgen. Daher ist es für uns äußerst wichtig, diese ganzen Programme wie Ausbildungsgarantie, die die Sozialpartner mitentwickelt haben, die Themen zur Bildung, die sich in jedem Sozial­partnerpapier finden, umzusetzen.

Wir ersuchen darum und sind auch sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird, dass sich die Unternehmen gerade in dieser schwierigen Zeit zu ihrer Verantwortung beken­nen und vor allem bei den ersten Jahrgängen der Lehrlinge nicht reduzieren, die jetzt aufgenommen werden sollen, vor allem im Herbst nicht, wenn die Schulabgänger wie­der einen Arbeitsplatz suchen.

Es heißt aber für uns auch, den Anstieg der Armut zu verhindern. Instrumente sind die rasche Umsetzung der Mindestsicherung und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Auch wenn es hiezu unterschiedlichste Meinungen gibt, so ist das eine Diskussion, die wir führen müssen. Ich denke, vermögensbezogene Steuern sind etwas, was ganz ein­fach viel zu wenig ist. Wir brauchen die Diskussion gerade in Zeiten wie jetzt. Wir kön­nen es uns nicht mehr leisten, das Land zu sein, das fast die geringsten vermögensbe­zogenen Steuern auf der ganzen Welt hat.

Der ÖGB bekennt sich gerade angesichts dieser schwierigen Situation zum sozialpart­nerschaftlichen Weg. Der erste Weg wird uns immer an den Verhandlungstisch führen. Der bisher erfolgreiche Weg gibt uns da recht.

Wo der Weg aber nicht zum Ziel führt, da sind wir auch als ÖGB und Gewerkschaften bereit, andere Maßnahmen zu ergreifen und außerhalb der Verhandlungssäle aktiv zu werden. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass sich der bisherige sozialpartnerschaft­liche Weg gerade in dieser schwierigen Zeit bewähren wird. – Danke schön. (Beifall.)

10.43


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Herr Präsident, danke für diesen Bei­trag.

Nun erteile ich dem Präsidenten der Wirtschaftskammer, Herrn Dr. Christoph Leitl, das Wort. – Bitte, Herr Präsident.

 


10.43.39

Referent Dr. Christoph Leitl (Präsident der Wirtschaftskammer Österreich)|: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Zuerst herzlichen Dank für die Initiative, die vom Bundesrat aus­gegangen ist, dass die Sozialpartner in einem Dialog nicht nur mit der Bundesregie­rung sind, sondern auch mit den Mitgliedern des österreichischen Parlaments. Ich sehe das als eine ungeheuer wichtige, auch sehr spannende und interessante Diskussion, die in unserer Philosophie des regelmäßigen Dialogs, gerade in einer schwierigen Zeit, eine wesentliche Rolle spielen könnte.

Ich darf mich auch bei Ihnen, Herr Präsident Foglar, für Ihren Hinweis bedanken, dass sich global die Suche nach sozialem Dialog gerade in dieser Situation ungemein ver­stärkt. Der damalige ÖGB-Präsident und heutige Sozialminister Hundstorfer und ich waren in New York und haben die Deklaration für eine solche globale Sozialpartner­schaft gesehen. – Ja! „Dialog“ ist das Kernwort für eine Mithilfe bei der Bewältigung der Krise. Es geht nur miteinander.

Politisch sieht man diesen Versuch, in einen Dialog zu kommen, gerade in diesen Ta­gen mit der Aktionsweise des neuen US-Präsidenten Barack Obama. Und wir brau­chen auch im Wirtschafts- und Sozialbereich flankierend den Dialog über ungeheuer wichtige Dinge, die uns alle berühren – sozial, ökologisch, ökonomisch, in jeder Hin­sicht.

Daher ist es wichtig, solche Initiativen zu setzen. Wir sind ein bisschen belächelt wor­den, weil es das kleine Österreich ist, das eine solche Initiative gestartet hat. Ist die Größe eines Landes, aus dem jemand kommt, entscheidend, oder ist es die dahinter stehende Philosophie? – Ich glaube, es ist die Philosophie, und wir müssen noch daran arbeiten, dass wir das umsetzen können.

Ich möchte mich auch bei den beiden anwesenden Bundesministern sehr herzlich be­danken. Sie sind sozialpartnerschaftlich mit Vergangenheit belastet – positiv belastet –, was die gemeinsame Arbeit in der Bundesregierung im Sinne eines konstruktiven Mit­einander-Wirkens zweifellos erleichtert.

Meine Damen und Herren! Was kennzeichnet eine Sozialpartnerschaft der Zukunft? Und ich meine keine Philosophie bis zum Jahr 2050, sondern jetzt, in dieser Situation und in den kommenden Jahren.

Erstens: Wir haben eine Expertise und langfristige Orientierung zu vermitteln. Wir ma­chen das im sogenannten Beirat der Sozialpartner, der sich als eine Art gemischte Kommission von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen mit entsprechenden The­men befasst.

Zweitens: Wir müssen bei unseren Vorschlägen nicht nur sachliches Expertenwissen, sondern auch Klugheit und menschliches Einfühlungsvermögen mit verbinden, denn wir sind Manager des Wandels. Und zum Wandel gehört auch, die Menschen abzuho­len und ihnen zu sagen, was notwendig ist. Die Leute haben ein viel besseres Gespür und einen viel besseren Instinkt, als viele Politiker oft glauben. Sie wollen aber Antwor­ten auf Fragen haben, die sie berühren, auf Fragen, die sie bedrängen, und auf Fragen ihrer Zukunft.

Drittens: Wir müssen ganzheitlicher und vernetzt denken. Die Gesamtentwicklung der Gesellschaft haben meine Vorredner schon angesprochen. Ganzheitlich vernetzt heißt, eine Interessenvertretung darf heute nicht die Addition von vier sektoralen Einzelinter­essen sein. Der Präsident der Wirtschaftskammer hat sich nur um die Vorteile für seine Betriebe und ihre Rahmenbedingungen zu kümmern. – Längst vorbei, spielt überhaupt keine Rolle mehr! Eine Wirtschaftskammer, die heute nicht gesamtgesellschaftlich mit­denkt, hat ihre Aufgabe und ihren Platz in der Sozialpartnerschaft verfehlt. Das ganz­heitliche vernetzte Denken der Entwicklung einer Gesellschaft ist entscheidend für alle Partner, die in einer Sozialpartnerschaft wirken.

Schließlich geht es um eine moderne Arbeitsweise, einen offenen Dialog und eine Um­setzungsbegleitung. Und dieses Wort „Umsetzungsbegleitung“ möchte ich dreimal unterstreichen! Wir in Österreich sind wunderbar in der Analyse einer Situation, wir sind leidlich in einer Zielsetzung, und wir sind miserabel in der Umsetzung. Daher ist diese Umsetzungsbegleitung ein so ungeheuer wichtiger Punkt.

Wir glauben nicht, eine Nebenregierung zu sein – ich sage es zum letzten Mal –, denn wir hatten nie dieses Selbstverständnis in dieser Generation der Sozialpartner, der jetzt auch ich angehöre.

Wir haben es ja gesehen: Wir haben gemeinsam für die Gebietskrankenkassen ein Re­formkonzept gemacht. Gescheitert ist es nicht am Sozialpartnerkonsens, gescheitert ist es an der politischen Entscheidung, die wir selbstverständlich zur Kenntnis nehmen. Das ist doch überhaupt keine Frage.

Das heißt, es ist nicht immer so, dass Parlamentarier oder Regierungen Apporteure sind. Auch wenn wir es manchmal schmerzlich empfinden, wenn uns manches zu lang­sam geht, manches zu wenig konkret ist, was auf politischer Ebene gemacht wird, hier haben wir die Stimme zu erheben – eine Stimme, die nicht immer angenehm ist, ich sage es Ihnen offen, aber die notwendig ist.

Die Kammern und Sozialpartner sind nicht verlängerte Arme von Regierungen oder po­litischen Parteien, sondern sie sind dazu da, aus ihrer Sicht konstruktive Beiträge zu leisten.

Natürlich werden wir in Zukunft Spannungsfelder haben – Spannungsfelder, die wir heute schon spüren, wo es vibriert. Denken Sie an die Diskussion betreffend geschütz­ter, nicht geschützter Sektor! Denken Sie an die Diskussion, dass es auf der einen Sei­te offensive Veränderer gibt, die spüren, dass wir verändern müssen – je rascher, des­to besser und desto schmerzloser –, dass es aber auf der anderen Seite auch sehr vie­le, zu viele defensive Beharrer und Bewahrer gibt!

Meine Damen und Herren! Wo sind die Hauptfelder der Sozialpartner? – Der Arbeits­markt ist schon genannt worden. Ihnen allen, so wie mir, ist es in die Magengrube ge­fahren, dass es die Vision von 500 000 Arbeitslosen in Österreich gibt. Ja bitte, wollen wir wirklich dorthin? Oder haben wir es nicht in der Hand, dass wir das gestalten? Ich freue mich, dass hier Gemeinsamkeit im Rahmen der Sozialpartner darüber vor­herrscht, was wir tun müssen. Klar, wenn eine Wirtschaft nicht wächst, sondern das Gegenteil der Fall ist, wer zahlt als Erster drauf? – Die Jungen, die die Ausbildung ver­lassen, die in neue Jobs hineinwollen, aber dort ist die Mühle zu. Dort müssen wir an­setzen, daher auch unkonventionelle Ideen: Job-Sharing, zwei Leute teilen sich einen Arbeitsplatz und verwenden die zweite Hälfte für Weiterbildung in Richtung Spezialis­tentum, was wir in Zukunft dringend brauchen werden. Das ist eine unkonventionelle Idee – ja, aber eben eine Idee, die in dieser Zeit adäquat ist.

Oder: Im Tourismus werden dringend junge ambitionierte Leute als Event-Assistenten und so weiter gesucht. Wir nehmen 60 000 aus der ganzen Welt herein. Nichts gegen diese 60 000, überhaupt nicht. Ich bin offen dafür – in europäischen Belangen haben wir sogar einen gemeinsamen Arbeitsmarkt, was wir nicht vergessen sollten –, aber gerade im Tourismus kommt es darauf an, nicht nur unsere Kultur und unsere Speisen und Getränke, sondern auch österreichisches Einfühlungsvermögen und Gastlichkeit zu transportieren. Daher sollten wir hier durchaus auch unseren jungen Menschen in Form von Praktika Chancen geben. Das ist besser, als sie sitzen daheim, drehen Däumchen und lassen sich umsonst vom Arbeitsmarkt vermitteln. Sie sollten dort in der modernen Dienstleistung eine Funktion haben.

Die Finanzkrise ist angesprochen worden. – Ja, diese Wirtschaftskrise ist eine Folge der Finanzkrise. Wir müssen den Kreislauf, den Geldkreislauf wieder in Bewegung bringen. Das ist uns bis jetzt weder weltweit noch europaweit noch in Österreich gelun­gen – Bankensicherungspaket hin oder her. Wir haben genug Geld, aber es wird nicht ausgegeben.

Ich bin nicht der Meinung von Präsidenten Foglar, dass wir die Vermögensbesteuerung aktualisieren sollen. Herr Präsident! Wen wollen Sie denn da besteuern? – Die großen Vermögen sind international längst verräumt. Die kleinen Vermögen wollen wir weder betrieblich noch von der Landwirtschaft noch von den Häuslbauern. Jetzt bröselt das alles. Das ist eine reine Befriedigung ideologischer Überlegungen. Das, was wir sehr wohl brauchen – und dort packen wir sie –, ist eine Finanztransaktionssteuer. Da be­steht sehr wohl Konsens.

Meine Damen und Herren! Was wir aber auch brauchen – da sind Sie als Abgeordnete so unendlich wichtig, hier in diesem Saal hat vor zwei Jahren der sogenannte Verfas­sungskonvent geendet –, ist eine Bundesstaatsreform. Dazu gibt es einen Entwurf des damals hier Vorsitz führenden Präsidenten Fiedler. Zwei Jahre hat dieser Konvent ge­tagt und hat konstruktive Ergebnisse gebracht.

Was ist in diesen letzten zwei Jahren geschehen? – Nichts! Das ist ein Skandal! Das ist ein Verschließen der Augen vor den Anforderungen der Zukunft.

So ist es auch im Gesundheitsbereich. Experten sagen uns, wo die Potentiale liegen, damit wir uns ein künftiges Sparpaket ersparen können. Was wird gemacht? – Nichts!

Was machen wir bezüglich Schule? Bekenntnis zu den tollsten Bildungsstandards – ja, aber da müssen wir besser werden, siehe Finnland als Beispiel! Und was machen wir? – Wir streiten über zwei Stunden. Das bewegt unsere Welt in diesen Tagen: zwei Stunden! Ist das alles? – Wir begeben uns in einen Nahkampf, verbeißen uns in einem Detail und verlieren den Horizont aus den Augen. Das ist Reform auf Österreichisch!

Ich sage das deswegen, weil sich die Sozialpartner der Mühe unterzogen haben, ein gemeinsames, integriertes und gesamtheitliches Bildungspapier zu erstellen. Ich habe der Frau Bundesministerin Schmied, weil sie die Sozialpartner eingeladen hat, gesagt: Frau Ministerin! Da haben Sie ein Papier, schauen Sie es sich an! Ändern Sie es, in welche Richtung Sie wollen! Legen Sie ein Gesamtpapier vor mit dem Anspruch, Ös­terreich muss bildungsmäßig Spitze in Europa und in der Welt sein! – Das wäre etwas. Dann wird man vielleicht auch über zwei Stunden streiten, aber das ist dann ein Ne­benthema neben vielen anderen Nebenthemen auch.

Zur Energie. Wir haben in der Studie der Sozialpartner derzeit einen Energieplan in Ar­beit. Wir werden ihn vorlegen.

Europa ist ein wichtiges Thema. Meine Damen und Herren! Nicht Achselzucken: Mein Gott, wir werden wieder eine geringere Wahlbeteiligung haben. – Ihnen als Parlamen­tarier muss ich nicht sagen, wie die Legitimation einer gewählten parlamentarischen Einrichtung ausschaut, die nur eine Minderheit der Europäer überhaupt als Mitwirkende und Legitimationsvermittler hat. Können wir uns damit abfinden? – Wir müssen da ganz anders denken, neue Perspektiven entwickeln. Da spielen die Sozialpartner ger­ne mit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Langfristig wollen wir eine solidarische und stabile Gesellschaft. Beides hängt zusammen. Ich bekenne mich zu beiden: zu Stabili­tät und zu Solidarität. Dazu gehört, dass wir die Dinge angehen, die die Menschen be­rühren, die auch Erscheinungsformen negativer Art einer sozialen Marktwirtschaft sind, zu der wir uns bekennen, denn der reine Kapitalismus ist ebenso gescheitert wie die reine Planwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft und ihre Fundamente sind nach wie vor gültig; sie müssen nur angewendet werden. Er darf nicht nur national verstanden werden, der freie Wettbewerb samt Ordnungsrahmen, sondern wir brauchen in einer internationalen Wirtschaft auch einen internationalen Rahmen. Wir sind wieder bei der globalen Sozialpartnerschaft, bei globalen Einrichtungen wie der G-20.

Meine Damen und Herren! In heimischer Sache meine Bitte an Sie: Ändern Sie die öf­fentliche Vertragsschablone in den öffentlichen Unternehmen! Es ist nicht einzu­sehen – und ich rede nicht von Fähigkeit oder Unfähigkeit –, dass, wenn ein Manager seine Ziele, die vorher definiert wurden, nicht erreicht, er dann mit einem riesengroßen Sack Geld nach Hause geht, wofür ein Gewerbetreibender ein Leben lang arbeiten müsste. Und der Manager bekommt das für sein Versagen nachgehaut. Bitte ändern Sie das! Setzen Sie eine Initiative! Es liegt ja in Ihrer Hand! Sie hören doch an den Stammtischen, was die Leute sagen. Ja, tun Sie etwas! Das ist ungeheuer wichtig.

Zum sozialen Frieden. Ich schließe dort, wo auch Präsident Foglar geschlossen hat. Das, was wir wollen, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wir wollen keine Ge­sellschaft, wo die jungen Leute wie in Paris oder in Athen auf der Straße sind. Wir wol­len sie in der Gesellschaft haben, in einer Gesellschaft, an die sie glauben, in der sie ihre Zukunft sehen. – Besten Dank. (Beifall.)

10.57


Präsident Harald Reisenberger|: Herr Präsident, ich bedanke mich auch für Ihren Bei­trag.

Nun erteile ich dem Präsidenten der Bundesarbeitskammer, Herrn Mag. Herbert Tum­pel, das Wort. – Bitte, Herr Präsident.

 


10.57.32

Referent Mag. Herbert Tumpel (Präsident der Bundesarbeitskammer)|: Herr Präsi­dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Einleitung. Auch ich begrüße diese Initiative des Bundesrates außerordentlich, denn man muss auch mit aller Deutlichkeit feststellen: So wichtig natürlich die Sozialpartnerschaft zwischen den Bundesspitzen ist, wir müssen und können Gott sei Dank sagen, die Sozialpartnerschaft existiert so­wohl auf der Landesebene als auch auf der Regionalebene. Das ist ganz entschei­dend, weil es die Arbeit vor Ort, das Sammeln von Problemlagen, von Problemsichten ist, die ja letztendlich zusammenlaufen und dann zu unseren Gesamtüberlegungen führen.

Das heißt, die Erfahrungen in den Bundesländern, in den Regionen ist für uns ein un­heimlich wichtiger und unentbehrlicher Bestandteil unserer tagtäglichen und längerfris­tigen politischen Arbeit. Deswegen herzlichen Dank noch einmal für diese Initiative, die hier gesetzt worden ist.

Zum Zweiten. Ich halte es nicht für gleichgültig, wie wir die Geschichte betrachten. Ich persönlich hatte die Chance und die Ehre, seit Beginn der siebziger Jahre in der So­zialpartnerschaft mitwirken zu dürfen. Ich war enger Mitarbeiter des Präsidenten Benya und bin dann in die jeweiligen Funktionen gekommen. Ich kann Ihnen sagen, die Mär, die damals über die Allmächtigkeit der Sozialpartnerschaft erfunden worden ist, stimmt nicht. Ich habe sehr viele Regierungskonstellationen und auch eine sozialdemokrati­sche Alleinregierung miterlebt. Es war keine Rede davon, dass man den Bestellzettel abgegeben hat, und der ist erfüllt worden. Es war selbst in den Zeiten anderer politi­scher Zusammensetzungen niemals so, dass die Wünsche der Sozialpartner wirklich eins zu eins umgesetzt worden sind.

Unterschiedlich – aber das betrifft die jeweiligen Regierungsperioden – war zweifelsoh­ne das Maß und die Bereitschaft der Regierenden, auf bestimmte Vorschläge mehr oder weniger einzugehen oder sie in dem Sinn gar nicht zu beachten. Aber es war nie die Situation so, dass – und das kann ich Ihnen aus eigenen Erlebnissen sagen – wir eine Nebenregierung oder ein vollkommen autonomer Machtfaktor waren. Was sich in der damaligen Zeit geändert hat, war zweifelsohne, dass die Innenorientierung wesent­lich größer war als die öffentliche Kommunikation über bestimmte Zielsetzungen. Das hat sich geändert, und ich glaube, das war auch eine Herausforderung der Zeit. Das Verhandeln nur hinter verschlossenen Türen ist demokratiepolitisch zu Recht diskutiert worden, aber in den letzten Jahren haben Sie sich ja selbst ein Bild machen können – selbst bei der heutigen Veranstaltung werden Sie es feststellen können –, dass wir nicht nur von Harmonie geprägt sind, sondern wir haben durchaus vollkommen unter­schiedliche Zugänge zu einigen Fragen.

Was uns aber nach wie vor eint, ist die Sorge, das Bemühen und unser Einsatz und unsere Mithilfe zur Erreichung eines möglichst optimalen Wohlstandsniveaus. Was uns eint, ist eine längerfristige Betrachtung von verschiedenen gesellschafts- und wirt­schaftspolitischen Maßnahmen, also nicht nur zu schauen, was jetzt momentan und kurzfristig opportun ist, sondern auch, was die notwendigen längerfristigen Herausfor­derungen sind.

Wenn ich mir andere europäische Länder anschaue, bin ich durchaus selbstbewusst, was die Sozialpartner und unsere Tätigkeit in der vergangenen Zeit betrifft. Da gehe ich jetzt gar nicht auf die Erfolge im vergangenen Jahrhundert ein, sondern da bin ich durchaus in der „Neuzeit“. Wenn man sich die Arbeitswelt zum Beispiel in Deutschland und in Österreich anschaut, dann sind hier doch gravierende positive Unterschiede in Österreich festzustellen, die gemeinsam entwickelt worden sind.

Die Situation der sogenannten Leiharbeiter. In der Bundesrepublik Deutschland haben diese Kolleginnen und Kollegen, die diesen Status haben, ein Lohnniveau, das in etwa die Hälfte des Lohnniveaus in der Firma ausmacht, wo sie ihre Tätigkeit erbringen. Bei uns ist ein gemeinsamer Kollektivvertrag schon vor einigen Jahren abgeschlossen wor­den, in dem Regelungen enthalten sind, wonach bei längerer Tätigkeit in der jeweiligen Firma, die auf diese Kräfte zurückgreift, eine entsprechende firmenadäquate Bezah­lung stattzufinden hat.

Problem der TeilzeitarbeiterInnen – Teilzeit ist fast überwiegend weiblich. Durch den Teilzeitmehrarbeitszuschlag ist die Situation für die beschäftigten Frauen hauptsäch­lich, aber auch Männer entscheidend verbessert worden. Man kann jetzt mit einem be­stimmten Einkommen rechnen, und bei einer Mehrleistung hat man auch eine entspre­chende Vergütung.

Die Hereinnahme der freien Dienstnehmer in das System der sozialen Sicherheit, ebenfalls eine Initiative von uns, ist auch eine gravierende Unterscheidung zur Bundes­republik Deutschland.

Jetzt weiß ich schon, die Menschen in unserem Land leben nicht von der Differenz zur Bundesrepublik Deutschland oder anderen Ländern, aber es soll und muss positiv fest­gehalten werden, dass uns hier eine Reihe von konkreten Verbesserungen gelungen ist, die gemeinsam gemacht worden sind.

Erinnern Sie sich nur an die Debatte in der Bundesrepublik Deutschland über die Ein­führung eines Mindestlohnes: Da hat man geglaubt, in Deutschland bricht die Welt komplett zusammen. Bei uns war das eine freiwillige Übereinkunft, die zu 99,9 Prozent bereits umgesetzt ist. Also auch hier ein total unterschiedliches Klima in der Behand­lung von wichtigen Fragen.

Trotzdem, wir haben auch im letzten Jahrzehnt feststellen müssen, eine der Zielset­zungen, nämlich die soziale Kohärenz und der soziale Zusammenhang, hat sich aus­einanderentwickelt. Wir müssen feststellen, dass – da sprechen alle Zahlen dafür – der Anteil der Löhne und Gehälter am Bruttosozialprodukt prozentmäßig in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist, was vielfältige Ursachen hat, etwa dass sich in vielen Bereichen die Gewinnsituation ganz exorbitant entwickelt hat. Also heute ist die Gleich­gewichtigkeit in der Gesellschaft anders, ich sage, doch zu Lasten der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer, als das noch in den Jahrzehnten des Wiederaufbaues und bis 2000 der Fall war. Trotzdem, die Herausforderung besteht, die Herausforderung ist ganz eminent und soll überhaupt nicht kleingeredet werden.

Meine Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit, in der wir eine Weltwirtschaftskrise haben, und zwar in einer Dimension, die niemand in unserem Alter jemals erlebt hat. Sie hat mit dieser ungemeinen weltwirtschaftlichen Ausdehnung wirklich den Charakter der Krise in den dreißiger Jahren. Man hat daraus gelernt, das ist richtig. Die damali­gen Rezepte waren vollkommen untauglich, dass man damals der Krise effektiv entge­gentreten hätte können. Es haben sowohl die Regierungen als auch die Sozialpartner die entsprechenden Lehren aus den dreißiger Jahren gezogen, und es sind die Instru­mente vorhanden, dass man dieser Krise wirksam begegnen kann.

Nur: Die Fragen – und das sind ganz entscheidende Fragen –, wie eine Neuordnung ausschauen soll, sind bei weitem noch nicht gelöst. Ich teile da durchaus die Meinung des Kollegen Leitl, der Kapitalismus hat versagt, aber was an neuen Regeln notwendig ist, weltweit, europaweit, darüber scheint es momentan nur eine sehr vordergründige Übereinstimmung zu geben, nämlich dass jeder sagt, es muss etwas geändert werden, aber was geändert werden soll und muss, das harrt noch einer wirklichen Konkreti­sierung.

Das werden schwierige Zeiten, die man gemeinsam, im Rahmen einer gemeinsamen Orientierung, im Versuch, möglichst viele Gemeinsamkeiten zu entdecken, natürlich besser bewältigen kann als im Gegeneinander. Als Herausforderungen neben der wirt­schaftlichen Entwicklung sehe ich insbesondere die endlich fällige Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die bei weitem noch nicht erreicht ist, weiters das breite Feld des Erhaltes der Gesundheit der Menschen auch in der Arbeitswelt. Wir haben hier be­reits wertvolle Ansätze, wir haben durch das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ganz enorme Fortschritte gemacht. Trotzdem ist das noch immer ein Zukunftsfeld, mit dem menschliches Leid und auch gesamtwirtschaftliche Kosten in Zusammenhang stehen. Und wir stehen auch vor der Riesenherausforderung der Integration in Österreich.

Wir haben die Ausnützung der legalen Übergangsfristen am Arbeitsmarkt vorgeschla­gen, haben hier Übereinstimmung gefunden, dem sich auch die Bundesregierung an­geschlossen hat. Wir kommen aber jetzt auch in die Diskussion hinein um die soge­nannte Österreich-Karte. Ist der jetzige Zeitpunkt der richtige, dass wir diese Signale aussenden, oder ist das bestehende Instrumentarium vielleicht nicht doch ein ausrei­chendes? Es geht um die Frage: Wie können wir den Menschen, die in Österreich le­ben, mehr Chancen bieten, mehr Qualifikationen vermitteln, sodass der Bedarf an Ar­beitskräften mit Menschen aus Österreich gedeckt werden kann?

Das heißt, das Zukunftsfeld ist ein großes und weites, aber wenn es gelingt, eine ge­meinsame Einschätzung auf Grund der gemeinsamen Erfahrungen der jeweiligen Mit­glieder zu treffen, dann ist, glaube ich, der Vorschlag an die gesetzgebenden Körper­schaften beziehungsweise gegenüber der Regierung mit einer so hohen Argumenta­tionskraft ausgestattet, dass wir dann gemeinsam einer positiven Entwicklung entge­gensehen können. – Danke schön. (Beifall.)

11.08


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger: Danke schön, Herr Präsident, für die­sen Beitrag.

Last but not least erteile ich nun dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Öster­reich, Herrn Gerhard Wlodkowski, das Wort. – Bitte, Herr Präsident.

 


11.08.40

Referent ÖkR Gerhard Wlodkowski (Präsident der Landwirtschaftskammer Öster­reich)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich herzlich bedanken für diese Einladung zur heutigen Enquete. Wie meine Vorredner schon ausgeführt haben, gerade in schwierigen Zeiten ist die Sozial­partnerschaft gefragt. Und ich glaube, das, was uns in Österreich auszeichnet, ist schon, dass es möglich ist, Probleme gemeinsam auszudiskutieren und nach Lösun­gen zu suchen und nicht so sehr an anderer Stelle auszutragen.

Ich möchte hier nicht wiederholen, was meine Kollegen schon ausgeführt haben, son­dern darf auf einige Probleme eingehen, die uns momentan beschäftigen.

Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise schlagen sich selbstverständlich auch auf die Land- und Forstwirtschaft nieder. Die Bedeutung der Land- und Forstwirt­schaft im Hinblick auf Arbeitsplätze und andere Dinge wird aus meiner Sicht sehr oft unterschätzt. Wir müssen oder können, Gott sei Dank, in Österreich davon ausgehen, dass wir noch immer 190 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe haben und letztlich damit 500 000 Arbeitsplätze absichern. Leider sind zwei Drittel dieser Betriebe im Ne­ben- oder Zuerwerb, aber die Strukturen ermöglichen letztlich keine andere Vorgangs­weise. Die Leistungen können sich aber, glaube ich, sehen lassen.

Man muss wissen, dass 47 Prozent der Bevölkerung in den ländlichen Regionen woh­nen und 82 Prozent der Fläche in Österreich von Land- und Forstwirtschaften bewirt­schaftet, gepflegt werden, und hier kommen aus meiner Sicht gerade der Regionalpoli­tik und dem ländlichen Raum eine enorme Bedeutung zu.

Wesentlich ist auch – und das hat Präsident Leitl auch gesagt –: Was für die Wirtschaft gilt, gilt für die Landwirtschaft natürlich in einem besonderen Maße. Die EU-Agrarpolitik schlägt sich selbstverständlich massiv auf die österreichische Agrarpolitik nieder, weil die Agrarpolitik als einzige europaweit geregelt wird. Gerade die Ansätze, da eine Re­nationalisierung durchzuführen, aber auch andere Dinge lehnen wir ab, weil es hier massiv zu Verwerfungen kommt, und ich glaube, das ist nicht nötig.

Aber auf eines bin ich stolz, nämlich darauf, dass wir in der Vergangenheit, gerade was die Agrarpolitik anlangt, massive Veränderungen und Anpassungen vorgenommen ha­ben, und ich persönlich bin überzeugt davon, dass sich das Ganze letztlich positiv aus­wirken wird.

Aktuell: Welche Auswirkungen hat die Krise auf die Land- und Forstwirtschaft? – Wir haben Gott sei Dank nicht das Handicap, dass wir Autos bauen, und dass die Bevölke­rung in Österreich jeden Tag, Gott sei Dank, etwas zu essen und zu trinken hat und zu sich nimmt, das hat Vorteile. Aber wir sehen selbstverständlich auch, dass im höher­wertigen Preissegment, auch bei Biowaren und bei anderen Produkten ein Verbrauchs­rückgang stattfindet. Was uns vor allem wehtut, weil wir ja nicht nur im Inland unsere Produkte verkaufen, sondern auch in den benachbarten Ländern, ist der Umstand, dass vor allem in den neuen Bundesländern massive Einbrüche beim Verbrauch statt­gefunden haben. Ob es der Milch-, Käse- oder Fleischbereich ist, unsere Exporteure haben da massive Probleme. Deshalb ist es enorm wichtig, dass wir, wenn wir die Pro­duktion von hochwertigen Lebensmitteln in Österreich und die hohen Standards auf­rechterhalten wollen, darauf schauen, dass der Konsument bei uns bleibt.

Professor Schneider aus Linz hat in einer Studie festgestellt: Wenn 30 Prozent mehr heimische Lebensmittel gekauft werden würden, dann könnten wir 30 000 neue Ar­beitsplätze schaffen und weitere erhalten. Ich glaube, das kann man nicht hoch genug einschätzen, denn – und das möchte ich hier schon festhalten – die Kulinarik, die Er­haltung der Landschaft, all diese Dinge sind eng verbunden mit der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft in den Regionen. Man denke nur daran, was eine ungepflegte Kulturlandschaft für den österreichischen Fremdenverkehr, für die Berggebiete und so weiter bedeuten würde. Deshalb ist es notwendig, dass die Po­litik massiv den ländlichen Raum unterstützt, denn die Infrastruktur und all diese Dinge sind ganz entscheidend, ob die Höfe, vor allem in den schwierigen Bergregionen, wei­terhin bewirtschaftet werden oder nicht.

Ich glaube, wir sollten auch stolz sein in Österreich auf unsere Lebensmittelsicherheit. Hier möchte ich vor allem anbringen, dass wir in vielen Bereichen vorne sind. Ein Bei­spiel: Was hilft es uns, wenn wir die Käfighaltung verbieten, aber dafür jetzt 20 Prozent mehr Eier aus den benachbarten Ländern zu uns kommen, die diese Vorschriften nicht haben? Letztlich hat weder die Henne noch der Konsument etwas davon – wir haben aber 20 Prozent der Produktion verloren. Das muss man sich immer wieder vor Augen halten, wenn man hier Gesetze verabschiedet.

Zum Schluss möchte ich zu diesem Thema schon noch eines anbringen: Vor allem die Eigenversorgung und die Unabhängigkeit sind ein entscheidender Faktor, und deshalb werden wir als Landwirte immer wieder in die Richtung gehen, dass wir in erster Linie natürlich Nahrungsmittel, hochwertige Lebensmittel erzeugen wollen, in zweiter Linie das Futter für unsere Tiere, und in dritter Linie wollen wir uns um das neue Feld bemü­hen, nämlich um die Möglichkeiten in der Energieversorgung.

Hier geht es darum, dass, wenn wir Klimaziele festlegen, wenn wir Werte einhalten wollen, das nicht nur auf dem Papier existiert, sondern, wie heute schon eingefordert wurde, dass das auch umgesetzt wird. Ich bin sehr froh darüber, dass unser Herr Wirt­schaftsminister gemeinsam mit dem Landwirtschaftsminister den Masterplan bis Jah­resende vorlegen will. Vor allem geht es dann darum, dass der Masterplan auch umge­setzt wird. Papiere und alle möglichen Studien haben wir aus meiner Sicht zur Genüge, vielmehr geht es darum, dass dieser Weg konsequent gegangen und umgesetzt wird. Das ist, glaube ich, die Nagelprobe, vor der wir stehen.

Deshalb bin ich sehr stolz darauf, dass es vor allem in der Steiermark gelungen ist, mit den Sozialpartnern ein gemeinsames Energiepapier praktisch fertigzustellen, und dass dieses Energiepapier von allen getragen wird, bis hin zur Industrie, und auch umge­setzt wird. Ich halte das für den einzig möglichen Weg, bei der Umsetzung weiterzu­kommen. Es gibt da überhaupt keine Gegensätze, sondern da tut sich ein weites Feld von Chancen auf, und all diese muss Österreich nützen. Und Chancen haben wir, Gott sei Dank, zur Genüge.

In erster Linie geht es darum, die Klimaziele zu erreichen. Die Landwirtschaft ist da be­sonders betroffen, etwa mit Dürre, Hochwasser und anderen Dingen, aber letztendlich ist die ganze Gesellschaft davon betroffen. Wenn man da wirklich weiterkommen will, dann muss man an allen Schrauben drehen. Entscheidend ist nicht nur die Frage Was­serkraft, erneuerbare Energieträger, sondern wir müssen – und das haben wir in der Steiermark in unserem Masterplan festgelegt –, wenn wir das Ziel bis 2020 erreichen wollen, das sehr wohl erreichbar ist, es zustande bringen, dass der Energieverbrauch nicht weiter ansteigt oder zumindest nur ganz minimal zunimmt. Wir müssen erreichen, dass bis 2020 der Anteil an erneuerbaren Energieträgern die 60 Prozent-Marke er­reicht. Dafür sollen viereinhalb Milliarden investiert werden. Daran ist deutlich erkenn­bar, welche Größenordnungen notwendig sind, um da weiterzukommen.

Zu den Einwänden, die da immer wieder kommen, die Energiegewinnung im Bereich der Landwirtschaft erhöhe die Inflation oder die Lebensmittelpreise würden dadurch in die Höhe getrieben, möchte ich festhalten: In Österreich ist das nicht der Fall, weil wir nur 1 Prozent der Fläche oder der Menge für die Energiegewinnung verwenden. Ich sehe da überhaupt keinen Gegensatz, zumal, wie man weiß, in einem Jahr, je nach­dem, ob es regnet oder nicht, Ernten möglich sind, die zwischen 30 und 40 Prozent größer oder kleiner ausfallen.

Beim Mais zum Beispiel hatten die Ungarn vor zwei Jahren 50 Prozent weniger Ertrag. Ein Jahr später hat es viel geregnet, und da konnten die Ungarn bei Getreide und Mais die doppelte Menge von dem erzielen, was wir in Österreich produzieren. Damit will ich nur die Größenordnungen aufzeigen, mit denen wir es da zu tun haben. Um da weiter­zukommen, ist es wichtig, nicht gegeneinander vorzugehen, sondern miteinander zu arbeiten.

Nächster Punkt: Energieeffizienz. – Da sind wir bereits auf einem guten Weg. Es muss in diesem Bereich allerdings noch weiter Forschung betrieben und es müssen noch weitere Initiativen gesetzt werden. Da darf man nicht auf die zweite oder dritte Genera­tion warten und meinen, dass diese es dann schon sozusagen bringen wird, sondern es ist die Weiterentwicklung der ersten Generation wichtig, denn nur dann wird es eine zweite und eine dritte Generation geben. Wir sehen ja, dass es nur durch eine stetige Weiterentwicklung der Anlagen möglich ist, dort hinzukommen, wo wir einmal sein wol­len, ob das dann Photovoltaik, Solarenergie, Biogas, Biosprit oder andere Dinge sind. Da wird sehr viel durcheinandergebracht, und deshalb ersuche ich vor allem den Herrn Wirtschaftsminister, alles zu unternehmen, um das Ökostromgesetz in Brüssel durch­zusetzen. Er ist sicher bemüht, aber es müssen da alle zusammenwirken. Man darf da nicht gegeneinander vorgehen. Fest steht für mich eines: Wenn nicht möglichst bald ein Ökostromgesetz beschlossen wird, dann werden wir – und wir stehen vor einem weiteren Ausbau unserer Anlagen – ein Jahr versäumen, und das können wir uns nicht leisten. Wir sollten da schon glaubwürdig bleiben. Deshalb ist es aus meiner Sicht von großer Wichtigkeit, dass wir – Masterplan hin, Masterplan her – die Chancen nützen, die da Österreich hat. In erster Linie wäre das die Wärmeerzeugung aus Holz, wo wir von heute auf morgen enorme Mengen zur Verfügung stellen könnten. Dadurch könn­ten in den nächsten Jahren Zigtausende Arbeitsplätze gesichert und auch neue ge­schaffen werden.

Zahlenspielereien bringen da nichts, sondern man soll immer wieder das Faktum be­achten, dass die Potenziale in Österreich in den Bereichen Wasserkraft, Forstwirtschaft und erneuerbare Energien zu finden sind. Da anzusetzen, ist ein Gebot der Stunde. Unser Ziel muss es sein, da Schritt für Schritt weiterzukommen, die Umsetzung der Projekte zu forcieren und damit, wie ich meine, zwei Fliegen auf einen Schlag zu tref­fen, nämlich auf der einen Seite die Klimaziele zu erreichen und auf der anderen Seite durch Forschung und durch andere Initiativen neue Arbeitsplätze in den Bereichen In­dustrie und Wirtschaft, aber auch in anderen Bereichen zu schaffen.

Für außerordentlich wichtig halte ich es, dass dadurch auch die ländlichen Regionen gestärkt werden. Es hilft gar nichts, wenn ein paar große Kraftwerke gebaut werden – das ist sicher für die Industrie und für die Wirtschaft notwendig –, sondern es muss in den ländlichen Regionen durch dezentrale Anlagen eine massive Stärkung der Kauf­kraft erfolgen. Nur dann werden wir die ländlichen Regionen am Leben erhalten kön­nen. Mit Ausgleichszahlungen allein, aber auch nicht mit noch so guten Programmen werden wir unsere Jugend in diesen schwierigen Regionen nicht dafür begeistern kön­nen, den Beruf eines Landwirtes zu wählen.

Ich persönlich bin überzeugt davon, dass bei der Energiegewinnung – und die demo­graphische Entwicklung zeigt uns, dass die Weltbevölkerung wächst und daher immer mehr Energie gebraucht wird – die Landwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Und ich bin zuversichtlich, dass wir uns dazu entscheiden werden. Wenn wir in Österreich diesen Weg gehen – und wir sollten ihn gehen! –, dann werden meiner Auf­fassung nach alle davon profitieren. – Danke schön. (Beifall.)

11.22


Präsident Harald Reisenberger|: Ich bedanke mich auch für diesen Beitrag.

Ich unterbreche nun die Sitzung für kurze Zeit.

*****

(Die Sitzung wird um 11.23 Uhr unterbrochen und um 11.49 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Ich nehme die unterbrochene Sit­zung wieder auf.

11.49.12III. Diskussion und Fragerunden

Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Wir gehen nun in die Diskussion ein.

Bevor ich dem ersten Redner das Wort erteile, weise ich darauf hin, dass die Rede­beiträge die Dauer von 3 Minuten nicht überschreiten sollen.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Abgeordnete zum Nationalrat Csörgits. – Bitte.

 


11.49.45

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ)|: Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundes­minister! Geschätzte Herren Präsidenten! Ich möchte gleich zu Beginn die Gelegenheit wahrnehmen, mich stellvertretend für den Bundesrat beim Präsidenten des Bundesra­tes für die Durchführung dieser heutigen Enquete zu bedanken. Ich denke, dies ist eine gute Möglichkeit, einerseits die Leistungen der Sozialpartnerschaft in der Vergangen­heit, aber auch deren jetzigen Schwerpunkte und ihre Wichtigkeit im Zusammenhang mit der Bewältigung der Krise aufzuzeigen. Ich möchte mich mit einem ganz speziellen Punkt beschäftigen, der im einleitenden Statement von Präsident Tumpel schon ange­sprochen wurde, nämlich den Unterschied zwischen Männer- und Fraueneinkünften.

Zweifellos haben wir im Bereich der Sozialpartner da bereits sehr viel erreicht – einiges davon ist schon angeschnitten worden, zum Beispiel die erst vor Kurzem verhandelten Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigung; aber auch der Hinweis auf die Be­schlussfassung betreffend die Erhöhung des Mindestlohnes/Mindestgehaltes auf 1 000 € sei gestattet –, nichtsdestotrotz haben wir noch immer die Situation, dass Män­ner mehr verdienen als Frauen, wobei die Daten variieren, je nachdem, welche Statis­tik man heranzieht. Auch die erst vor Kurzem veröffentlichte Statistik besagt, dass im Zusammenhang mit dem Stundenlohn Österreich im Rahmen dieser Erhebung auf dem nicht gerade rühmlichen vorletzten Platz liegt.

Mit meiner Frage schließe ich an das an, was Herr Präsident Leitl gesagt hat. Wir wis­sen den Status quo, also die Ist-Situation, und wir sind uns, so glaube ich, auch in der Zielsetzung einig, nämlich dass es Maßnahmen zur Schließung der Einkommens­schere geben muss. Jetzt geht es um die Umsetzung, und diesbezüglich erlaube ich mir, folgende konkrete Frage sowohl an die Herren Präsidenten als auch an die beiden anwesenden Bundesminister zu richten:

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie in Ihren Bereichen vor, um daran mitzuwir­ken, dass es zu einer Verkleinerung bis hin zur Schließung der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen kommt? – Danke schön. (Beifall.)

11.51


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mag. Klug zu Wort. – Bitte.

 


11.52.11

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Präsidenten! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich gerne und sehr herzlich bei unserem Präsidenten des Bun­desrates, Harald Reisenberger, für die Wahl des Themas dieser Enquete des Bundes­rates bedanken. Ich glaube, dass die Ausführungen der Spitzenrepräsentanten sehr deutlich gemacht haben, wie aktuell das Thema dieser heutigen Enquete ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu ergreifen – da nicht nur in der Literatur der Vergangen­heit insbesondere betreffend den Austrokeynesianismus die besondere Rolle der So­zialpartnerschaft in Österreich schon vielfach strapaziert wurde, sondern auch in den heutigen Einleitungsstatements der Präsidenten diese Frage sehr deutlich angeschnit­ten wurde –, zu hinterfragen, wie wir denn das Verhältnis zwischen der Sozialpartner­schaft einerseits und dem parlamentarischen System andererseits intensivieren kön­nen.

Ich möchte gerne für die sozialdemokratische Bundesratsfraktion formell diese Gele­genheit ergreifen, mich bei allen Präsidenten speziell für ihre außerparlamentarischen Arbeiten, insbesondere der letzten zwei bis drei Jahre – Stefan Schennach hat schon einmal darauf hingewiesen –, besonders zu bedanken. Ich denke, man sollte es in einer Enquete der Länderkammer auch durchaus offen und deutlich sagen: Die außer­parlamentarischen Arbeiten der Sozialpartnerspitzen und insbesondere jene deren Ex­pertinnen und Experten erleichtern nicht nur wesentlich unsere parlamentarische Ar­beit, sondern sehr, sehr häufig ist es auch so, dass die Expertisen ihrer Expertinnen und Experten uns im Rahmen des Begutachtungsverfahrens maßgeblich dabei behilf­lich sind, unsere politischen Entscheidungen über die Gesetzgebungsbeschlüsse zu treffen, da sie uns in die Lage versetzen, die Materie eigentlich erst richtig bewerten zu können. – Deswegen auch an dieser Stelle ein sehr, sehr herzliches Dankeschön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz kurz ein inhaltlicher Aspekt: Erst vergangene Woche haben wir den Bericht unseres Wirtschaftsministers zum Arbeitsprogramm der Europäischen Union 2009 diskutiert, und einer der Schwerpunkte darin betraf insbe­sondere den Aspekt der Ex-Post-Betrachtung der gesamten Lissabon-Strategie, das Paktum für Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang Folgendes ganz besonders hervorheben: Viele Expertinnen und Experten beschäftigen sich zum jetzigen Zeitpunkt mit einem der Kernelemente des Papiers, nämlich dem Element des Inlandskonsums. Liebe Kollegin­nen und Kollegen, wenn wir auf den Inlandskonsum nicht besonders achten, dann wer­den wir auch in der Frage Paktum für Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung schei­tern!

In diesem Zusammenhang freut es mich ganz besonders, dass Herr Präsident Leitl sehr sensible Worte gefunden hat bezüglich der Frage, wohin wir denn wollen, nämlich letztlich dahin, den sozialen Frieden im Land zu erhalten.

Die strapazierten Worte „Klugheit“ und „menschliches Einfühlungsvermögen“ bringen mich zu einer sehr giftigen Stilblüte, die in den letzten Tagen besonders schnell ge­wachsen ist, nämlich die Stilblüte des Lohnverzichts. Ich denke, dass zum jetzigen Zeitpunkt, nämlich zu einem Zeitpunkt, da wir erst die Novellierung der Kurzarbeits­regelung hier im Hohen Haus beschlossen haben – in Wahrheit haben wir sie verlän­gert, um es vielen zu ermöglichen, in dieses arbeitsmarktpolitische Instrument aktiv einzusteigen –, diese giftige Stilblüte des Lohnverzichts nicht nur völlig fehl am Platz ist, sie kommt auch zum völlig falschen Zeitpunkt. Die Erfahrung lehrt uns, dass da­durch kein einziger Arbeitsplatz gerettet wird!

Insofern finde ich es daher bemerkenswert, Herr Präsident, und ich freue mich auch darüber, welche Worte Sie gefunden haben: unkonventionelle Ideen, aber der Zeit an­gepasst, um letztlich den sozialen Frieden im Land zu erhalten. – Herzlichen Dank. Glück auf! (Beifall.)

11.56


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Nun gelangt Herr Bundesrat Dr. Küh­nel zu Wort. – Bitte.

 


11.56.59

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien)|: Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Herren Präsidenten! Meine Damen und Herren! Dem umfassenden Dank des Kollegen Klug möchte sich meine Fraktion selbstver­ständlich anschließen: Es ist sehr gut, dass diese Enquete stattfindet, vor allem mit einer so hochkarätigen Besetzung!

Zunächst ein paar Anmerkungen: Bezüglich des Neoliberalismus, der wieder einmal „bedient“ wurde, möchte ich doch Folgendes sagen: Er mag ein gewisses Teilverschul­den haben, aber sicher kein alleiniges, vielmehr geht es meiner Ansicht nach darum, dass hier Werte wie zum Beispiel die Ehrlichkeit einfach beiseite geschoben wurden. Meiner Ansicht nach ist wesentlich – egal ob Neoliberalismus oder nicht –, dass das Vertrauen in die Banken, in die Finanzdienstleister und so weiter wiederhergestellt wer­den muss.

Meine zweite Anmerkung betrifft die Andeutung von Präsident Foglar, dass der soziale Friede in Gefahr sei. – Hier würde ich, bitte, schon vorsichtig bei der Formulierung sein, denn gefährdet ist dieser derzeit nicht, und man sollte keine Self-fulfilling Prophecy ent­wickeln, indem man eben schlicht und einfach sagt, etwas würde irgendwann eintre­ten. – Derzeit gibt es noch keine Gefährdung des sozialen Friedens!

Eine weitere Feststellung, die ich darüber hinaus machen möchte, ist folgende: Da wir vor kürzester Zeit eine Steuerentlastung beschlossen haben, sollten wir nicht schon wieder darüber nachdenken, wo wir woanders die Steuern wieder hereinbekommen können. Das ist ein falsches Signal! Schauen wir daher jetzt bitte einmal, dass die Steuerentlastung wirklich bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, dann kann man irgendwann einmal über eine Steuerreform reden – aber tatsächlich über eine echte Reform und keine Steuerentlastung, die wieder als Reform verkauft wird.

Letzter Punkt betreffend das, was erwähnt wurde, ist die Transaktionssteuer. Diese ist sicher ein möglicher Ansatz! Nur, um eines bitte ich: Wenn diese Steuer kommen soll­te, dann bitte diese globalisiert zu regeln und nicht bezogen auf einzelne Standorte, die dann nämlich wieder gewisse Standortnachteile haben könnten!

Nun zwei, drei Fragen. Die erste Frage lautet – Präsident Leitl hat das angeschnitten, aber bei den anderen Präsidenten ist mir das etwas zu kurz gekommen –, in welche Richtung sich die Sozialpartnerschaft mittelfristig – darunter verstehe ich die nächsten ein bis drei Jahren – entwickeln soll.

Die zweite Frage lautet, was mit Branchen geschehen soll, die einfach nicht überle­bensfähig sind. – Hier muss man sich etwas überlegen, denn es gibt nun einmal Bran­chen – ich möchte da nur auf einen Teil der Autoindustrie hinweisen –, die, wenn sie so weitermachen, sicher nicht weiter existieren können. Das Letzte ist die Frage – das wurde heute auch im „Morgenjournal“ angeschnitten –: Wie schaut es mit dem Import von giftigen Gütern aus? – Da ist auch ein globaler Ansatz notwendig, denn das wirkt sich auch wieder auf die Arbeit und die Produkte aus. Giftige Produkte sind offensicht­lich billiger als gesunde Produkte, und weil die giftigen billiger sind, versucht man, sie in den Markt einzuschleusen. In diesem Zusammenhang sind entsprechende Barrieren aufzubauen. – Ich danke. (Beifall.)

12.00


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Schnider zu Wort. – Bitte.

 


12.00.36

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark)|: Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Es sind heute hier sehr wichtige Punkte angesprochen worden. Ich möchte einige in Erinnerung rufen.

Minister Hundstorfer: Es geht um aktive Mitgestaltung und Mitverantwortung und um ein Aufhören mit dem Kantönligeist.

Minister Mitterlehner: Es geht um eine integrative Rolle – das heißt, ich möchte es noch etwas erweitern, um eine mediative Rolle der Sozialpartner.

Präsident Foglar: Es geht um das Verbindende und nicht um das Trennende. – Ich möchte trotzdem sagen, dass ich glaube, dass es zu einer politischen Kultur dazuge­hört, die Differenzen als einen wesentlichen Ort der politischen Wirklichkeit zu sehen und sich zu fragen, wie man gerade innerhalb der Sozialpartnerschaft damit umgeht.

Ich bin Herrn Präsidenten Leitl sehr, sehr dankbar dafür, dass er heute einen sehr kon­kreten Punkt eingebracht hat – ich möchte diesen Punkt noch einmal in den Raum stel­len. Ich frage mich wirklich, warum wir es zulassen, dass, wenn die Sozialpartnerschaft und die Sozialpartner zum Thema Bildung und Schule ein Papier haben, ganz konkrete Ideen, Gedanken, die sie auf den Tisch legen, die in den letzten Monaten diskutiert worden sind, von der gesamten Nation nur über zwei Stunden diskutiert wird. Denn nach den Vorschlägen der Sozialpartner, die jetzt hier aufgereiht sitzen, ist diese Zwei-Stunden-Diskussion ohnehin obsolet, um es jetzt einmal so zu sagen, denn darin geht es um ganz andere Zeiten, um andere Herausforderungen.

Ich möchte dazu einladen, sich dieses Papier anzuschauen, und möchte hier insbeson­dere auch der Wirtschaft danken, denn sie hat, einschließlich der Industriellenvereini­gung, schon vor Monaten gezeigt, dass sie innerhalb der Gesellschaft wirklich ein ge­samtgesellschaftliches Denken an den Tag legt und sich nicht nur für ihre Klientel inter­essiert, sondern sehr wohl weiß, dass Schule und Bildung eine Kernkompetenz sind.

Ich möchte eine ganz einfache Frage stellen. Mich würde interessieren – und das wäre eine ganz spannende Frage innerhalb der Gewerkschaft –, was sich die anderen ge­werkschaftlichen Gruppen, wenn zum Beispiel eine konkrete Gruppe angesprochen ist, zu solch einem Thema denken, wie die dazu stehen. Wie stehen die Metaller dazu, und, und, und? Ich glaube, hier könnte gerade das Verbindende gesehen werden, nämlich dass man ein Thema nicht nur in Richtung Klientel-Politik betreiben kann, son­dern dass es im Grunde natürlich um Interessenvertretung von Personen geht, aber gerade in der Politik doch wohl um Themen und um Herausforderungen.

Daher müssten wir in diesem Zusammenhang, gerade was Bildung betrifft – derzeit, an diesem Vormittag findet ja andernorts eine Diskussion statt –, das Papier, die Vorschlä­ge der hier Sitzenden zur Hand nehmen, und wir würden draufkommen, dass zumin­dest zwischen den Sozialpartnern schon einiges vereinbart wurde. Dann wäre es viel­leicht auch nicht so notwendig, sich eine so wichtige „Kundschaftsgruppe“ wie die Schüler unter den Nagel zu reißen, auf Deutsch gesagt, die teilweise gar nicht recht wissen, worum es geht – sie setzen meines Erachtens da und dort wirklich auf das fal­sche Pferd. (Beifall.)

12.04


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schennach zu Wort. – Bitte.

 


12.04.34

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Minister und Präsidenten! It’s a „sound of success“, schrieb Barbara Beck über die österreichische Sozialpartnerschaft im „Economist“ vor noch nicht einmal zwei Jahren. – Ich als Grüner stehe durchaus nicht an, hier zu sa­gen: Ja, die Sozialpartnerschaft ist ein Erfolg, hat sehr viele Erfolge in der Vergangen­heit gehabt und wird auch in der Zukunft Erfolg haben. Aber trotzdem hätte ich mir ge­wünscht, heute hier nicht nur eine hohe Weihestunde der Sozialpartner zu erleben, sondern auch Worte der Kritik.

Sie wissen, es ist noch nicht sehr lange her, da schrieb die „Wiener Zeitung“: Das ist der Tag des Endes des Liberalismus in unserem Land – nämlich genau jener Tag, an dem die Sozialpartnerschaft, die obligatorische Mitgliedschaft als Strukturelement zum Beispiel in die Verfassung aufgenommen wurde.

Damals sprachen Mayer, Öhlinger, Raschauer, Funk, alles Professoren des Staats- und Verwaltungsrechts in Österreich, von etwas Unnötigem, von Zwang und davon, et­was auf alle Ewigkeit einzuzementieren. Ich hätte mir gewünscht, heute auch darüber zu diskutieren, und spreche das speziell an. Da heute ohnehin so viele positive Worte über die Sozialpartnerschaft gefallen sind, müssen Sie von jemandem, der von der Op­position ist, auch andere Worte hören.

Präsident Leitl hat gesagt: Wir sind ja keine Nebenregierung! – Herr Präsident Leitl, ich als Grüner kann das sehen, wie ich will, aber es bedurfte einer schwarz-blauen oder schwarz-orangen Regierung, damit sich die Regierung von der Sozialpartnerschaft, von ihrem informellen Formellen, von ihrem Koordinierungsfaktor in der Regierungspo­litik emanzipiert hat. Ich begrüße, dass das geschehen ist – nicht die Auswirkungen, Herr Kollege Klug hat das ja angesprochen, die Privatisierung ehemaliger staatlicher Unternehmen, die Sparpakete, die einseitigen Reformen in der Arbeitslosen- und Pen­sionsversicherung, wobei die Sozialversicherung überhaupt als die Urform der Sozial­partnerschaft, nämlich noch aus zwei Jahrhunderten davor, anzusehen ist. Aber dass wir hier Wettbewerb, dass wir hier freies Denken nach dem Schock anderer Regie­rungsformen dermaßen wieder in eine großkoalitionäre Enge führen, das kann es nicht sein.

Wenn ich höre „Manager des Wandels“, muss ich sagen, dass das ein sehr schöner Ausdruck ist, aber wenn dann gleichzeitig in einer lapidaren Bemerkung zum Beispiel das Verbot von Eiern aus der Käfighaltung kritisiert wird, dann kann ich nur sagen: „Manager des Wandels“ bedeutet in diesem Fall die tatsächliche Umsetzung von ge­sellschaftlichen Reformen und von politischem Wollen – und nicht die Rückführung in frühere Zustände.

Ich möchte auch einen Punkt, den Kollegin Csörgits angesprochen hat, erwähnen. Das wirkliche Versagen der Sozialpartnerschaft sehe ich in der Gleichstellungspolitik von Mann und Frau. Das zeigt sich ja schon hier – ich trete Ihnen nicht zu nahe –: Die So­zialpartnerschaft ist männlich. Immer mehr Bäuerinnen, junge und vor allem in der schwierigen Altersgruppe zwischen 40 und 60 Jahren sind allein Betriebsführerinnen der Höfe, die Vertretung durch Bäuerinnen in der Landwirtschaftskammer jedoch liegt bei 0 Prozent – 0 Prozent! Da kann man sich vorstellen, wie sich diese Frauen vertre­ten fühlen!

Eine Akademikerin, eine Wirtschaftsakademikerin, verdient in zehn Arbeitsjahren 71 000 € weniger als ein männlicher Kollege und 61 000 € weniger, wenn sie ein Baby bekommen hat. Das zeugt von einem eklatanten Versagen! Und wenn eine Meisterin denselben Stundenlohn hat wie ein männlicher Hilfsarbeiter, dann zeugt das von einem eklatanten Versagen auch der Sozialpartner und der Sozialpolitik. Und das ist eine ganz große Herausforderung der Zukunft.

Ich wünsche mir eine gut funktionierende Sozialpartnerschaft, die nicht in eine groß­koalitionäre Enge des Denkens führt, sondern die tatsächlich ein „Manager des Wan­dels“ und ein „Manager dieser Krise“ ist, die aber in zwei Bereichen Flagge zeigt: bei der Gleichstellung von Mann und Frau – das, was wir da den Frauen nach wie vor bie­ten, ist ein Skandal – und – an die Arbeitnehmerseite – beim Verhalten in Sachen Inte­grationsbemühungen im Bereich der Migration – auch diese ständige kalte Schulter der Arbeitnehmerseite halte ich in Zeiten wie diesen, in denen bereits ein hoher Prozent­satz einen anderen Hintergrund hat als die deutsche Muttersprache, für unerträglich. – Danke.

12.09


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mayer zu Wort. Danach werden wir eine Runde mit den Ministern einschieben, da sie leider nicht länger an der Enquete teilnehmen können. – Herr Bundesrat Mayer, bitte.

 


12.10.13

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Mi­nister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich den lobenden Worten an­schließen – man kann ja einen Präsidenten auch nicht zu Tode loben für etwas, was er sozusagen implementiert hat –, das ist großartig, herzlichen Dank auch von meiner Seite.

Sozialpartnerschaft, um bei den Ausführungen des Kollegen Klug anzuschließen, hat wieder einen besonderen Stellenwert in Österreich, und wir ArbeitnehmerInnenvertre­ter freuen uns in besonderem Maße darüber, dass wieder viele Themen im Rahmen der Sozialpartnerschaft bearbeitet werden und dass sich dann auch Experten um die Hintergründe dieser Gesetzesvorlagen bemühen; das hat wirklich einen besonderen Stellenwert. Ich möchte das noch einmal betonen.

Kollege Schennach hat einen weiten Bogen gespannt, daher ist es auch nicht einfach, das in 3 Minuten unterzubringen, das gebe ich schon zu – von der Käfighaltung über die Frauen bis zu all den Ungerechtigkeiten, die seitens der Opposition zu erwähnen sind –, aber es ist zu viel verlangt, dass sich jetzt die Präsidenten hier herausstellen und selbst kritisieren sollen für das, was sie für Österreich geleistet haben. Das wäre doch zu viel verlangt.

Um an die Aussagen des Kollegen Schnider anzuschließen: Bei der jetzigen Diskus­sion im Bildungsbereich geht es nicht um eine Bildungsreform, sondern es geht einfach wegen dieser zwei Stunden um eine Arbeitszeit- oder Arbeitsrechtsdebatte. Das wird diskutiert.

Wir wären aber wirklich angehalten, über eine Bildungsreform zu diskutieren. Und es gibt, wie Herr Präsident Leitl gesagt hat, ein Papier, koordiniert mit den Sozialpartnern, um das man sich hätte bemühen müssen.

Auf jeden Fall ist das der falsche Weg, wie es jetzt in Diskussion ist – eben auch nicht sozialpartnerschaftlich. Wenn man das im Rahmen der Sozialpartnerschaft mit den Ge­werkschaften diskutiert hätte, dann hätten wir uns einiges an Diskussion erspart. Vor allem hoffe ich, dass es jetzt im letzten Moment doch noch zu einer Lösung kommt, denn mir tun – ich komme auch aus dem öffentlichen Dienst, nicht aus dem Bereich der GÖD – die Lehrerinnen und Lehrer leid, obwohl ich selbst kein Pädagoge bin. Die Diskussion wird einfach nur auf diese zwei Stunden reduziert, und vor allem wird diese Berufsgruppe ausgegrenzt. Das, was in diesem Zusammenhang inzwischen an Me­dienhatz geschieht, haben sich die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der Lehrerschaft nicht verdient. Das möchte ich in aller Form hier anmerken.

Noch ganz kurz zu einem Thema: Ich bedanke mich auch ausdrücklich dafür, was das Sozialministerium, der Herr Sozialminister im Hinblick auf die Jugendarbeitslosigkeit mit dem Jugendbeschäftigungspakt in die Wege geleitet haben, neben dem Jugendbe­schäftigungspaket 2008. Es soll jetzt zusätzlich sehr viel Geld in die Jugendbeschäfti­gung fließen – Umschulung, Nachholen von Lehrabschluss und so weiter, sehr gute Maßnahmen, „Aktion Zukunft Jugend!“; ich glaube, da gibt es zusätzlich 120 Millio­nen €. Ich denke, das sind ganz wichtige Impulse in diesem Bereich, und ich hoffe, dass wir im Rahmen der Jugendbeschäftigung, im Rahmen der Lehrstelleninitiative un­sere jungen Leute in Beschäftigung bringen.

Die duale Ausbildung hat in Österreich einen besonderen Stellenwert, insbesondere auch in Vorarlberg, und ich hoffe, dass wir viele junge Leute wieder mit einer Lehrstel­le – unter Anführungszeichen – „belohnen“ können, und denke, jede Initiative, die hier stattfindet, ist wichtig.

Ich hoffe – das möchte ich wirklich nur am Rande streifen, weil schon genug darüber diskutiert wurde –, dass die Lehrlingskündigung nicht unseren Bemühungen – unter Anführungszeichen – „entgegenwirken“ wird.

Ich setze große Hoffnung in diesen Bereich. Herr Präsident Leitl, wir wollen die Jugend nicht auf der Straße haben, sondern in den Betrieben, in Beschäftigung. – Ich bedanke mich. (Beifall.)

12.14


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


12.14.31

Referent Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitter­lehner|: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu drei Punkten Stellung nehmen, die in der Diskussion angesprochen wurden.

Der erste Punkt betrifft das Bildungskonzept und dessen Umsetzung. Ich teile die Mei­nung, dass hier ein sozialpartnerschaftlicher Ansatz, an dem ich selbst mitarbeiten durfte, vorliegt, der wahrscheinlich an der Qualität der jetzigen Diskussion einiges hätte verändern können – was derzeit konkret erfolgt, ist doch eine sehr punktuelle Umset­zung beziehungsweise Diskussion, denn eine Umsetzung ist es ja noch gar nicht –, und es wären auch einige der angesprochenen Fragen, auch was die inhaltliche Wei­terentwicklung des Systems anlangt, beinhaltet. Aber es ist ja noch nicht zu spät.

Der zweite Punkt betrifft die Frage der Branchenentwicklung, mit welchem Konzept man der Wirtschaftskrise begegnet. Es ist das natürlich ein mikroökonomischer Aspekt, der angesprochen ist. Im Endeffekt wird die Frage nicht der Staat lösen können und die Linie nicht der Staat vorgeben können, sondern die Zukunftsfrage, wie es in den Betrie­ben weitergeht, können nur die Unternehmen und die dortigen Manager lösen.

Das heißt aber nicht, dass, wenn es im Automotive-Bereich Schwierigkeiten gibt, 30 Prozent, wenn über dem Bedarf produziert wird, abgebaut werden müssen, sondern heißt, dass es auch die Chance für Veränderung wahrzunehmen gilt. Sehr viel Zeit zur Wahrnehmung dieser Chance für Veränderung steht meines Erachtens allerdings nicht zur Verfügung.

Dritter Komplex, der vor allem von Frau Csörgits angesprochen wurde, ist die Frage der Umverteilung, die Frage der Ungerechtigkeiten – auch Herr Schennach ist darauf eingegangen –, die es in diesem Zusammenhang gibt. Meines Erachtens sind die Mög­lichkeiten der Sozialpartner beschränkt.

Schauen Sie sich die Lohnverhandlungen an, Sie werden nicht unterschiedliche Ergeb­nisse für Männer und Frauen feststellen, sondern das, was es an Problemen gibt, ent­steht durch die Umsetzung in den jeweiligen Unternehmen, teilweise natürlich bedingt durch unterschiedlichen Karriereverlauf.

Wenn jemand in einer Firma längere Zeit nicht da ist, weil er – erfreulicherweise – ein Kind bekommt, ist das genau der Grund dafür, dass der Karriereverlauf anders ist. Das sollte uns aber nicht als Ausrede dafür dienen, dass in diesem Zusammenhang nichts geschieht. Daher werden wir auch unter Beobachtung der EU in nächster Zeit einige Maßnahmen setzen müssen. Die Anreize in diesem Zusammenhang, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, sind Anreize; ich hoffe, sie werden ausreichen, um das in nächster Zeit zusammenzuführen.

Die generelle Frage der Einkommensunterschiede sehe ich temporär nicht als die Hauptaufgabe, sondern ich sehe die Bekämpfung der Krise als Hauptaufgabe. Denn abgesehen davon, dass ich im Vermögenszuwachssteuerbereich mehr Millionäre in den Zeitungen sehe, die Exmillionäre sind, als neue, ist die Frage, wer das zahlen soll. Und bei Vermögensteuer von der Substanz gibt es genau dasselbe Problem: Das Ka­pital in Privatstiftungen ist sehr beweglich – wer zahlt? Und da ist dann sehr schnell der Haushalt dran und wer über Grund und Boden verfügt.

Daher würde ich bei diesen Diskussionen sehr vorsichtig sein. Wenn, dann würde ich mich bei allfälligen Umverteilungsfragen überhaupt auf das Steuersystem konzentrie­ren – nicht auf beides, auf Transfereinkommen auf der einen Seite und auf den Steuer­bereich auf der anderen Seite.

Vorgangsweise – aus meiner Sicht –: Bei allen Krisen können Sie zwischen mehreren Methoden wählen. Eine Methode wird sein, dass Sie über Wachstum die Schulden, die wir jetzt anhäufen, finanzieren. Ich glaube, das wäre das Schönste, denn das tut am wenigsten weh.

Bei der zweiten Methode geht es um die Effizienz des Systems. Da sind wir bei dem, was Präsident Leitl – aber nicht nur er – schon oft angesprochen hat: Die Systeme, ins­besondere die Verwaltung, aber auch die Aufgaben im Staatsgefüge könnten effizien­ter wahrgenommen werden, ohne dass jemandem etwas weggenommen wird. Das wä­re, glaube ich, ein vernünftiger Ansatz.

Der dritte Punkt ist: Sie können mit Inflation agieren – da sind wir, so ähnlich wie bei der Vermögensteuer, in einem Bereich, der sehr wehtun könnte.

Schließlich und endlich werden in Zukunft, da wir Inflation nicht wollen, wahrscheinlich eine höhere Effizienz und – nicht unbedingt, aber wahrscheinlich – auch eine nicht aus­zuschließende Steuerleistung der entsprechende Ansatzpunkt sein.

Wenn Sie jetzt über neue Steuern diskutieren, werden Sie angesichts der Tatsache, dass wir gerade eine Steuerreform gemacht haben, nur eines bewirken: Sparverhalten und auf der anderen Seite eine Spirale nach unten. Daher meine Meinung: Schritt eins: die Krise jetzt in den Griff bekommen, parallel dazu Effizienzreform, was den Staat an­langt, und erst dann die Frage, was wir zusätzlich brauchen.

Richtig ist wahrscheinlich eines: Wenn schon, dann sollten wir das, was wir an Schul­den angehäuft haben, auch von der jetzt agierenden Generation beheben lassen und nicht von künftigen Generationen. (Beifall.)

12.19


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


12.20.00

Referent Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer|: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Her­ren! Ich möchte auf zwei Aspekte eingehen, vor allem noch einmal auf den von Abge­ordneter Csörgits genannten Gender-Aspekt, denn gerade da haben wir unter ande­rem, glaube ich, gesellschaftspolitisch sehr viel zu tun.

Es ist – wie schon vom Kollegen Mitterlehner gesagt wurde – keine Frage von Kollek­tivverträgen, das ist nicht das Thema, aber es ist unter anderem auch eine Frage der Berufswahl. Wir haben irrsinnig viele junge Damen, die Berufe wählen, wo unter ande­rem eine gewisse Weiterentwicklung schon von Haus aus nicht programmiert ist, denn jede junge Dame, die Friseurin wird, hat nicht einen eigenen Salon oder ein eigenes Geschäft. Da haben wir also von Haus aus schon ein Problem. – Das ist das eine.

Das Zweite ist, dass wir natürlich auch die Frage von Teilzeitarbeit zu beachten haben, die in diesem Segment drinnen ist, wobei ich mit einem Gerücht aufräumen möchte, wonach viele Teilzeitarbeit wollen. – Ja, das wollen viele, aber viele haben gar keine andere Chance als Teilzeitarbeit – das muss man auch dazusagen –, denn unsere drei großen Handelsjumbos Spar, Rewe und Hofer bieten überwiegend nur mehr Teilzeitar­beit an, dort gibt es keine Vollzeitarbeit mehr – mit Ausnahmen natürlich, wie immer im Leben. Fakt ist, das, was im Filialbereich dort stattfindet, ist nur mehr Teilzeitarbeit. Und wenn man in gewissen Regionen Beschäftigung haben muss, will und braucht, dann hat man nur diese Chance.

Das heißt: Ja, es gibt viele, die wollen Teilzeitarbeit. Aber es gibt auch genauso viele, die gar keine andere Chance haben, um im Berufsleben wiederum den Einstieg zu schaffen. Das muss man ganz einfach auch einmal auf den Tisch legen.

Und ich hoffe, dass durch das, was wir jetzt österreichweit ja haben, einerseits das ver­pflichtende Kindergartenjahr ab dem 5. Lebensjahr und andererseits in etlichen Bun­desländern jetzt auch den Gratiskindergarten, die Frage der Chancengleichheit einen neuen Schub bekommt, eine neue Antwort bekommt, denn ich hoffe, dieses Kindergar­tenangebot wird angenommen.

In meinem Auftrag muss das AMS eine Antwort geben. Ich lasse österreichweit bereits über 2 000 KindergartenassistentInnen und auch KleinkinderpädagogInnen zusätzlich ausbilden. Das bedeutet auch eine neue Zukunftschance: neue Jobs, hoch qualitative Jobs, hochinteressante Jobs. Das heißt, das kann auch einen Schub auf dem Arbeits­markt auslösen; ich hoffe, dass es das tun wird.

Zu einem Thema, mit dem sich schon viele beschäftigt haben: Es geht jetzt nicht da­rum, eine Vermögensbesteuerung einzuführen, sondern es geht darum, eine Diskus­sion über Verteilungsgerechtigkeit zu führen, dies deshalb, weil eine Gruppe von Men­schen schon einmal bezahlt hat oder gerade bezahlt. Das sind diejenigen, die arbeits­los sind, die kurzarbeiten, die mit Aussetzungsverträgen arbeiten, die mit Wiederein­stellungszusagen arbeiten – die zahlen gerade einen Kaufpreis, teilweise einen sehr gewollten Kaufpreis, weil Kurzarbeit da immer noch die beste Reparaturmedizin ist, statt arbeitslos zu sein, keine Frage.

Ein Aussetzungsvertrag ist vielleicht teilweise auch eine Antwort, auch eine sehr unan­genehme Antwort. Fakt ist aber, diese Menschen zahlen schon einmal den Preis. Mir geht es darum, dass sie ihn kein zweites oder drittes Mal zahlen müssen. Das ist mein Zugang zu diesem Thema.

Deshalb ist die Diskussion über die Frage der Verteilungsgerechtigkeit zu führen. Ich gebe schon zu: weg von Emotionen, weg jetzt von Angstmache, dass das durchschnitt­liche wohnbaugeförderte Haus jetzt auf einmal auch einen Riesenvermögenswert dar­stellt, weg einmal davon. Führen wir diese Diskussion in aller Ruhe! Wir brauchen die­se Diskussion. Zum sozialen Frieden eines Landes gehört es auch, dass man die Dis­kussion über diese Verteilungsfrage in aller Ruhe führt, damit die Menschen, die jetzt einmal den Kaufpreis bezahlen, das Gefühl haben, kein zweites, kein drittes Mal zah­len zu müssen. Das ist auch Teil eines sozialen Friedens eines Landes, und darum se­he ich diese Diskussion als notwendig an.

Ich gebe offen zu, sie muss nicht medial hochgespielt geführt werden, das ist auch nicht das Thema, da bin ich schon dabei. Aber ich glaube, sie nicht zu führen, wäre die schlechteste aller Antworten. Und das wollte ich Ihnen als meinen Standpunkt hier auch noch sagen.

Ansonsten möchte ich mich auch noch einmal dafür bedanken, dass es diese Enquete in dieser Form überhaupt gegeben hat. – Danke schön. (Beifall.)

12.25


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


12.25.39

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich)|: Meine Herren Bundesminister! Meine Herren Präsidenten! Geschätzte Damen und Herren! Wir leben in einer beson­deren Zeit mit besonderen Herausforderungen. Und gerade diese krisenhafte Zeit braucht natürlich einen engeren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich darf den Sozial­partnern dafür Dank sagen, dass sie für diesen Zusammenhalt Sorge tragen und sich dieser Aufgabe auch bewusst sind.

Ich glaube, es gilt – und dazu ist diese Tagung angetan –, diese Sozialpartnerschaft entsprechend weiterzuentwickeln. Wir diskutieren über die gerechte Verteilung des Er­trags, wir sollten manchmal auch über eine gerechte Verteilung von Aufgaben diskutie­ren. Wir diskutieren sehr oft über die Entlohnung und über entlohnte Arbeit und zu we­nig über nicht entlohnte Arbeit, wie Kindererziehung, wie Altenbetreuung, wie viele ge­sellschaftliche Aufgaben, die in Österreich teilweise von Freiwilligen erledigt werden.

Wir sind uns einig, dass wir nicht Liberalismus und nicht Planwirtschaft wollen, sondern soziale Marktwirtschaft, und hier halt die Nuancen entsprechend abstimmen müssen.

Ich möchte aber diese soziale Marktwirtschaft um einen Aspekt erweitern, nämlich um die ökosoziale Marktwirtschaft und um den ökologischen Anteil. Da gilt es vor allem im Bereich der Energieversorgung neue Wege einzuschlagen. Wir brauchen – und das ist eine gesellschaftliche Herausforderung – einen Ausbau von erneuerbaren Energieträ­gern, um die Versorgungssicherheit in unserem Lande zu gewährleisten. Denn selbst wenn wir das angepeilte Ziel von 34 Prozent bis 2010 erreicht haben, sind wir dann erst zu einem Drittel eigenversorgt und zu zwei Dritteln abhängig. Wir brauchen diesen neuen Weg der Energieversorgung, um unsere Umwelt entsprechend zu entlasten, wir brauchen ihn aber auch, um Arbeitsplätze zu sichern und Wertschöpfung im Land zu bewahren.

Ich glaube, diese erneuerbare Energie – und dazu stehe ich auch als Vertreter der Landwirtschaftskammer – ist eine Chance auch für die Landwirtschaft, Versorgungssi­cherheit auch im Lebensmittelbereich herbeizuführen und zu gewährleisten.

Wir wissen, dass wir keine Arbeit ohne soziale Sicherheit haben möchten. Wir müssten auch überlegen, wie weit wir Produkte, die ohne soziale Netze, ohne soziale Rahmen­bedingungen, ohne ökologische Rahmenbedingungen produziert werden, verwenden und konsumieren wollen. Das gilt in gleichem Maße für den Bereich der Energie.

Langfristigkeit, Nachhaltigkeit, Vernetztheit sind Stärken – haben wir gehört – der So­zialpartner. Es geht auch im Energiebereich, wie ich meine, darum, nicht immer nur nach dem Preis, sondern nach dem Wert zu fragen. Nicht kurzfristige Vorteile um ein paar Cent, sondern die paar Cent, die wir oft für ökologische Zuschläge brauchen, soll­ten langfristig investiert werden, sei es in Form von Ökostrom-Zuschlägen im Bereich der Stromproduktion, sei es im Bereich der Forcierung von Alternativtreibstoffen.

Ich glaube, die Sozialpartnerschaft kann da einen entsprechenden Energiepfad entwi­ckeln. Und ich bitte und fordere Sie dazu auf, hier nicht nur ein Papier vorzulegen, son­dern auch für die Umsetzung zu sorgen, und zwar für die Umsetzung in einem gesell­schaftlichen Kontext.

Carl Friedrich von Weizsäcker hat gesagt: „Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Ge­rechtigkeit ohne Frieden. Keine Gerechtigkeit ohne Freiheit, keine Freiheit ohne Ge­rechtigkeit.“ – Kein Friede ohne soziale Sicherheit und kein Friede ohne Bewahrung der Schöpfung. (Beifall.)

12.29


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


12.29.49

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Mayer hat gemeint, die So­zialpartner seien heute nicht zu uns gekommen, um sich, sinnbildlich gesagt, Asche aufs Haupt zu streuen. Ja, das sehe ich auch so, dass das nicht nötig ist. Aber auf der anderen Seite muss ich schon sagen, dass es, wenn man eine Sozialenquete unter dem Titel „Sozialpartnerschaft im 21. Jahrhundert“ macht, auch nicht schaden kann, die eigene Institution und die eigene Position durchaus auch selbstkritisch zu hinter­fragen.

Es ist heute schon von allen Seiten sehr viel von Wettbewerb gesprochen worden – was wir jedem Arbeitnehmer zumuten, was wir jedem Arbeitgeber zumuten, der sich täglich, jährlich im freien Wettbewerb bewähren muss, sonst kann er sein Geschäft zu­sperren. Interessanterweise tun das aber die Sozialpartner nicht. Die Sozialpartner ha­ben mit ihren Pflichtmitgliedschaften keinen Raum gelassen, sich frei zu entscheiden, ob man dieser Institution als Mitglied angehören will oder nicht. (Zwischenruf des Bun­desrates Mag. Klug.) Die Gewerkschaft zum Beispiel tut das sehr wohl. Bei der Ge­werkschaft kann ich sagen, ich möchte dort Mitglied werden oder auch nicht. Die Ge­werkschaft hat es ja in der Vergangenheit schon einige Male hinnehmen müssen, wenn sie Fehlentscheidungen getätigt hat, dass ihr die Mitglieder davongelaufen sind. Aber sie ist als Institution deswegen nicht untergegangen. Daher meine ich, dass auch in unserem Kammersystem eine freiwillige Mitgliedschaft nicht zwangsweise bedeuten muss, dass diese Institutionen dem Untergang geweiht sind.

Herr Präsident Foglar! Sie haben heute auch in Bezug auf die Wirtschaftskrise durch­aus zu Recht die hohen Spekulationsrisken und die dadurch ausgelöste Krise gegei­ßelt. Da muss ich aber schon daran erinnern, nämlich gerade Sie als ÖGB-Präsiden­ten, dass die Gewerkschaftsbank BAWAG an diesen hochriskanten Spekulationsge­schäften in höchstem Maße beteiligt war.

Da heute die Lehrlinge angesprochen worden sind und die durchaus begründete Angst, dass junge Menschen als Erste ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, muss ich sagen, da frage ich mich, warum mit Hilfe der Sozialpartner vor einem halben Jahr hier in diesem Parlament beschlossen worden ist, dass der Kündigungsschutz bei den Lehrlingen gelockert wird. Experten warnen vor einer möglichen Kündigungswelle bei Lehrlingen im Herbst.

Auch die Nebenregierung Sozialpartner ist heute schon angesprochen worden. Wir ha­ben das letztes Jahr bei der Gesundheitsreform ja gesehen. Es ist löblich, dass sich die Sozialpartner Gedanken gemacht haben. Und ich stehe auch dazu und werde auch immer dafür eintreten, dass Sie sich als Interessenvertretungen selbstverständlich bei der Gesetzeswerdung einbringen und auch auf mögliche Fehlentwicklungen aufmerk­sam machen können. Aber zuallererst ist es Aufgabe einer Regierung und des Parla­ments, Lösungen zu bieten, die dann durchaus mit Ihrer Hilfe oder in Abstimmung wei­terentwickelt oder besser gestaltet werden können. Aber es ist nach freiheitlicher An­sicht nicht die Aufgabe der Sozialpartner, die Regierungsarbeit zu erledigen.

Eines wäre aber aus meiner Sicht schon Aufgabe der Sozialpartner – und das habe ich heute vermisst –: Seit 30 Jahren wird darüber gesprochen, dass die Lohnnebenkosten zu hoch sind und dringend gesenkt gehören, weil auch diese den Wettbewerb schwä­chen. Geschehen ist bislang nichts. Sie sind nach wie vor zu hoch. Das wäre eine Auf­gabe, deren Sie sich als Sozialpartner nicht nur annehmen sollten, sondern die auch dringend einer Lösung zuzuführen wäre.

Abschließend möchte ich Ihnen Folgendes mitgeben: Das wäre ein wirklich wichtiges Thema, wo es sich lohnen würde, sich dessen anzunehmen, damit da jetzt endlich ein­mal etwas weitergeht. Zum Zweiten würde es sich aus meiner Sicht aber auch lohnen, über Alternativen der Pflichtmitgliedschaft nachzudenken. (Beifall.)

12.33


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Steindl. – Bitte.

 


12.34.01

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP)|: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Unternehmer und Wirtschaftsvertreter habe ich einen sehr pragmati­schen Zugang zur Sozialpartnerschaft, und ich sage Ihnen, eine funktionierende So­zialpartnerschaft ist die wesentliche Grundlage für Demokratie, Volkswirtschaft und Wohlstand. Nur muss eben immer wieder darauf geachtet werden, dass die Lasten einigermaßen gleich verteilt werden. Und wenn ich heute mehrmals gehört habe, dass verschiedene Nettolöhne einfach angepasst, erhöht werden sollten, dann lassen Sie mich als Unternehmer dazu eines sagen: Wir erbringen auch einen sehr, sehr großen Anteil an Sozialleistungen und Transferleistungen im Rahmen der Lohnnebenkosten.

Wenn ich mir die letzten Zahlen von Sozial- und Transferleistungen anschaue, dann muss ich sagen, wir liegen bei in etwa 85 Milliarden €, was in etwa 30 Prozent des Bruttosozialprodukts entspricht. Das macht letztlich auch fast zwei Drittel der Nettolöh­ne aus, die in Österreich ausbezahlt werden, die wir natürlich da und dort gerade für die untersten Einkommensschichten auch entsprechend verwenden können.

Jetzt wissen wir aber auch, dass zwei Drittel dieser Kosten auch von der Unternehmer­schaft zu tragen sind. Und hier geht es um die Frage: Inwieweit sind wir insgesamt wettbewerbsfähig? Wie wettbewerbsfähig sind wir in Österreich einerseits gegenüber den Konsumenten? Können sich die Konsumenten und Konsumentinnen unsere Dienstleistungen noch leisten, obwohl die Ausgangslöhne so hoch sind? Oder wie ste­hen wir in einem internationalen Vergleich hinsichtlich Wettbewerbsfähigkeit da, wenn es hier ganz andere Maßnahmen und Regelungen gibt?

Deswegen – und da appelliere ich auch an die Politikerinnen und Politiker hier in die­sem Haus – sollten wir den politischen Wettbewerb nicht so weit fortsetzen, dass wir den Menschen und Bürgern alles und jedes versprechen, dass der Staat alles und je­des in irgendeiner Form erledigen sollte. Das geht nicht! Überall ist auch entsprechen­de Eigenverantwortung einzufordern, und sie ist auch da und dort möglich. Denn nur so werden wir auf lange Sicht auch erfolgreich unser volkswirtschaftliches System auf­rechterhalten, die Beschäftigung aufrechterhalten, denn wenn wir, wie gesagt, Wettbe­werbsfähigkeit auf breiter Ebene verlieren, dann verlieren wir auch die entsprechenden Arbeitsplätze.

Abschließend hätte ich keine Fragen, sondern einfach Bitten an die Sozialpartner, aber auch an die hier anwesenden politischen Vertreter, vor allem von den Oppositionspar­teien. Präsident Leitl hat heute auch ausgeführt, dass es in Zukunft ganz wesentlich sein wird, auch Mittel über die Ausgabenseite zu rekrutieren. Da müssen wir endlich weiterkommen bei dieser so wichtigen Verwaltungsreform. Da gäbe es wirklich große Möglichkeiten, entsprechende Kosten einzusparen. Wir müssen auch dazu kommen, dass wir ein effizientes Gesundheits- und vielleicht auch ein noch effizienteres Bil­dungssystem haben. Dann werden wir wieder den Spielraum haben, beste Beschäfti­gung in Österreich für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu schaffen. – Besten Dank. (Beifall.)

12.37


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.

 


12.37.13

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, man sollte die Stärke und die Mitgestaltungsmöglich­keit der österreichischen Sozialpartnerschaft nicht unter den Scheffel stellen. Eine Bun­desregierung jeder Zusammensetzung ist gut beraten, die Sozialpartner als Begleiter und Berater zu gewinnen und auch zu nutzen.

Dennoch wurde die Sozialpartnerschaft vor allem in den Jahren 2000 bis 2006 in die Rolle des Erstellens von Expertisen zurückgedrängt. Beispiele zeigen uns aber, je stär­ker und besser die Sozialpartnerschaft in Zusammenarbeit mit der Politik funktioniert, umso weniger Streiks, umso weniger Konfliktpotentiale und umso größer der soziale Friede in unserem Land.

Angesichts der Tatsache, dass die Politik und die Sozialpartner nun vor der größten wirtschaftlichen und sozialen Herausforderung stehen, nämlich vor der Frage, wie die Kaufkraft angekurbelt werden kann, wie die Konjunktur wiederbelebt werden kann, und vor allem auch vor der Frage, wer die Krise bezahlt, kann es doch nicht sein, dass man mit Lohn-, Gehalts- und Sozialdumping versucht, daraus Kapital zu schlagen. Ich sage das deshalb so bewusst, weil es in diesem Land immer wieder vereinzelt Beispiele gibt, wo die Sozialpartnerschaft leider nicht funktioniert.

Ein letztes aktuelles Beispiel, sehr geehrter Herr Präsident Leitl, ist die Firma Hali in Oberösterreich, wo seit letztem Freitag Arbeitnehmer in ein Kammerl vorgeladen wer­den, wo sie Einzelvereinbarungen unterschreiben sollen, die Gehalts- oder Lohnver­zicht beinhalten, obwohl es dort eine Gewerkschaftsvertretung, einen Betriebsrat gibt.

Was können wir mit solchen Beispielen machen – das ist konkret meine Frage an Sie, Herr Präsident –, wo diese Sozialpartnerschaft auf betrieblicher Ebene nicht funktio­niert?

Ein zweites Thema möchte ich auch noch ansprechen. Ich komme zwar aus der Steier­mark, werde mich jetzt aber nicht der Frage Vermögensbesteuerung widmen, sondern einem anderen Thema, nämlich dem Bereich Pensionen. Auch hier, glaube ich, haben wir, Sozialpartner und Politik, eine große Verantwortung dahin gehend, eine Harmoni­sierung des Pensionssystems anzustreben und so ein faires und soziales Pensions­system in Österreich zu schaffen. Die Bundesregierung hat dies im Koalitionsabkom­men auch so vereinbart. Es gilt hier, wirklich die letzte Pensionsreform aus dem Jahr 2003 sozial zu korrigieren. Im Dialog, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Stabilität, muss für uns alle gelten, dafür zu sorgen, dass jene Menschen, welche aus gesundheitlichen Gründen aus dem Berufsleben ausscheiden müssen und somit ihren Arbeitsplatz verlieren, nicht mit Abschlägen bestraft werden, und zwar ganz un­terschiedlich, für einzelne Arbeitnehmer bis zu 15 Prozent. Das kann und soll nicht sein! Wir brauchen ein System, das dafür sorgt, dass Menschen nicht mehr zwischen Arbeitsmarktservice, Pensionsversicherung und Gebietskrankenkasse hin und her ge­schickt werden, aber keinen Anspruch auf eine Pension erwerben.

Wir brauchen aber auch eine neue Schwerarbeiterpension, die von Arbeitnehmern, welche wirklich schwer arbeiten, erreicht werden kann. Dieses damalige Vorgaukeln einer Schwerarbeiterregelung, die zugesagt hat – ich komme von der Bau/Holzgewerk­schaft –, dass bis zu 5 Prozent der Arbeiter, die in Österreich schwer arbeiten, diese Pension in Anspruch nehmen sollen, ab dem Jahr 2007, kann widerlegt werden: Wir liegen derzeit bei 0,4 Prozent Inanspruchnahme, das heißt, von allen Pensionsneuzu­gängen in Österreich erreichen nur 0,4 Prozent der Arbeiter, die schwer arbeiten, diese Regelung mit dem 60. Lebensjahr.

Da ich ein bekennender Sozialpartner bin, seit dem 15. Lebensjahr als freiwilliges Mit­glied zur Gewerkschaft und dementsprechend auch als Pflichtmitglied zur Arbeiterkam­mer, fordere ich Sie auf, meine Herren Präsidenten, als österreichische Sozialpartner diese Themen aufzugreifen und im Bereich der Pensionsfrage, aber auch im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings wirklich mitzuarbeiten, damit wir jene Menschen wieder gewinnen, die wir vielleicht mit der letzten Pensionsreform 2003 und jetzt mit diesen Maßnahmen in den Betrieben enttäuscht beziehungsweise verloren haben. (Beifall.)

12.41


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Na­tionalrat Dr. Matznetter. – Bitte.

 


12.41.55

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Präsidenten von der Sozialpartnerschaft! Unzweifelhaft – auch die Vertreter der Opposition haben die Erfolgsstory österreichischer Sozialpartnerschaft gerühmt. Wa­rum ist das kein Modell für andere Länder? Dort gibt es auch Gewerkschaften, dort gibt es auch Unternehmerverbände, dort gibt es auch Arbeitgeberverbände. Es muss doch ein Geheimnis geben, wieso das bei uns um vieles besser funktioniert als irgendwo an­ders.

Nun, es sind mehrere Gründe. Erstens: Wenn anderswo ein Arbeitgeber-, ein Unter­nehmerverband auftritt, dann ist dieser Lobbyist für eine ganz bestimmte Gruppe, die etwas haben will. Wenn Präsident Leitl namens der österreichischen Wirtschaft auftritt, dann tritt er namens der gesamten Wirtschaft auf. Warum? – Weil wir eine Institution haben, die gesetzlich verankert ist, vernünftigerweise sogar verfassungsrechtlich abge­sichert ist, Herr Kollege Schennach, und es demokratisch legitimierte Organe sind, die auftreten.

Wieso funktioniert das bei der Gewerkschaft, wenn drei, vier konkurrierende Gewerk­schaften auftreten, wie etwa bei einer Fluglinie, die eine für das fliegende Personal, die andere für das übrige? – Weil wir einen einheitlichen Gewerkschaftsbund haben, der legitimiert ist durch Betriebsratswahlen, bei der die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer entscheiden.

Dieses Geheimnis gilt es auch zu exportieren. Das heißt aber auch, wenn wir auftreten, dass wir die Stärken unseres Systems nicht schlechtreden. Und daher, entschuldigen Sie, Frau Kollegin Mühlwerth, ob Pflichtmitgliedschaft oder nicht: Wir sind Staatsbürger und haben ein Wahlrecht, und wenn wir Wirtschaftstreibende sind, sind wir in der Wirt­schaftskammer und wählen unseren Präsidenten. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth.) Hören Sie doch auf damit, dass wir uns daraus exkludieren sollen! Dieser Punkt macht unsere Stärke aus. Und ich glaube, das 21. Jahrhundert wird zeigen: Am österreichischen Modell der Sozialpartnerschaft können andere etwas lernen.

Ein kleiner Nachsatz zur Vermögenszuwachsbesteuerung, Vermögensbesteuerung – ich bin diesbezüglich eher als Anhänger des wahrscheinlich inzwischen bekennenden Fidel-Castro-Anhängers Claus Raidl zu bezeichnen –: Ich glaube, wir brauchen das. Der kleine Tipp dazu, wenn es die Häuselbauer nicht sein sollen: Es gibt einen Ban­kier, der für 100 Millionen € fünf Minuten braucht – der ersetzt gleich 500 Häuselbauer! Vielleicht sollten wir dort hinschauen, vielleicht finden wir dann eine Lösung, die wir schon einmal in einer gemeinsamen Regierung auch dieser beiden Parteien gefunden haben. Schön wäre es, denn ich glaube, dass es die g’scheitere Lösung ist, als auf dem Rücken der Beschäftigten, auf dem Rücken derer, die sowieso schwer an der Kri­se tragen, die Sanierung der Budgets zu erreichen.

Wir müssen eine Verwaltungsreform machen, wir müssen die Effizienzen heben, aber ich fürchte, wir werden ohne Steigerung auf der Einnahmenseite nicht auskommen, und ich denke, Bankiers tun sich damit vielleicht ein bisschen leichter. Sollte jemand Angst haben, dass das Kapital wie ein scheues Reh über die Grenze geht, dem sei ge­sagt: Es gibt genug Jägermeister bei uns, die wissen, dass man in diesem Fall die Grenzen sperren muss. Zahlen ist zahlen! (Beifall.)

12.44


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Zu Wort gelangt Frau Ministerialrätin Mag. Schmitzer. – Bitte.

 


12.45.08

Ministerialrätin Mag. Eva-Maria Schmitzer (Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung)|: Sehr geehrte Herren Präsidenten! Sehr geehrte Abgeordnete zum Natio­nalrat! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte zu guter Letzt Ihre Auf­merksamkeit auf einen Bereich lenken, der für unser heutiges Thema, wie ich glaube, von extrem wichtiger Bedeutung ist, nämlich auf die Forschung. Wir sprechen über So­zialpartnerschaft im 21. Jahrhundert beziehungsweise darüber, wie wir diese Krise be­wältigen könnten, und ich darf Ihre Aufmerksamkeit auf ein Faktum lenken – weil ich wie auch Herr Präsident Tumpel das alles schon seit dem Jahr 1970 überblicke –: dass es einen Forschungsbereich gibt, für den man eigentlich öffentliche Nachfrage formu­lieren und natürlich auch bezahlen müsste, anderenfalls wird den Gesetzen des Mark­tes entsprechend dort nichts produziert.

So ist es mit unseren Volkswirtschaftsinstituten an den Universitäten. Soweit ich mich erinnern kann, hat es noch niemals einen Forschungs- oder Technologieschwerpunkt, wie das üblicherweise heißt, für diesen Bereich gegeben. Das ganze freie Forschungs­geld fließt dorthin, wo die Interessen der Forscher und der Industrie sich treffen. Das heißt dann: neue Werkstoffe, Mikroelektronik, Informationstechnologie, Nanotechnolo­gie et cetera.

Wir haben deshalb in der Forschungssektion von einer kleinen Gruppe, wie ich meine, intelligente Fragen formulieren lassen, die ich im Vorzimmer aufgelegt habe. Sie sind nach drei Themenfeldern geordnet, nämlich: Themenfeld 1: Verbesserung der Wirt­schaftsrahmenordnung, Themenfeld 2: dauerhafte Sicherung wirtschaftlicher, ökologi­scher und sozialer Ressourcen, Themenfeld 3: intelligenter Umgang mit komplexen so­zialen Systemen.

Um noch einmal ein Bild zu malen: Das wäre ungefähr so, als ob die gesamte österrei­chische Industrie nur mit Seibersdorf und Arsenal Research arbeiten würde, denn wir alle arbeiten immer nur mit dem Wifo, wo die Meinungen sozialpartnerschaftlich abge­schliffen werden, und mit dem IHS in parallel oder in addition, und es gibt keine Nach­frage und keine Bezahlung für wirkliche Konzepte für das 21. Jahrhundert. Wir arbeiten mit den Konzepten und Modellen aus dem vorigen und vorvorigen Jahrhundert und streiten über Keynes oder nicht Keynes und so weiter.

Ich darf mir daher erlauben, vorzuschlagen, Herr Präsident, vielleicht auch für die For­schung in diesem Bereich einmal eine derartige Enquete zu veranstalten, eine Status­erhebung durchzuführen und einige Fragen herauszunehmen, die Ihnen als politisch Verantwortliche am wichtigsten zu sein scheinen, die auch beforschen und bedenken zu lassen und dann in einem ruhigen Freiraum auch diskutieren zu lassen, damit nicht immer gleich im politischen Feld Aufregung erzeugt werden muss. (Beifall.)

12.48


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Danke für die Anregung für eine wei­tere Enquete. Wir sind immer sehr offen und nehmen gute Ideen immer gerne auf.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Nationalratsabgeordneter Grillitsch. – Willkommen in den alten Hallen, Herr ehemaliger Bundesrat. – Bitte.

 


12.48.47

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP)|: Herr Präsident! Meine Herren Präsidenten! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schennach, ich glaube, auch im Bundesrat sollte man stets gefordert sein, das Richtige und nichts als die Wahrheit zu sagen. Ich sage Ihnen daher: Es ist nicht richtig, dass die Bäuerinnen keine Vertretung in unseren gesetzgebenden Körperschaften haben! Wir haben mehrere Vizepräsidentinnen, zu­mindest zwei. Wir haben viele Damen und Herren in den Kammern, die die Bäuerinnen vertreten. Wir haben viele Bäuerinnen, die in Landtagen und im Nationalrat vertreten sind. Und ich darf für die bäuerliche Seite auch in Anspruch nehmen, dass wir jetzt eine junge dynamische Frau an wählbarer Stelle nach Brüssel schicken. – Also die Bäuerinnen sind bei uns absolut gut vertreten!

Ich bin aber sehr froh, heute über dieses Bild hier eine starke Dokumentation und Prä­sentation der österreichischen Sozialpartnerschaft zu sehen, in der Arbeitnehmer, Wirt­schaftstreibende und Bauern in den letzten Jahrzehnten wesentlich dazu beigetragen haben, Österreich zu dem zu machen, was es war und ist, nämlich zu einem Land, in dem die Menschen Arbeit haben, in dem die Menschen Einkommen verdienen können, und zu einem Land, das so bewirtschaftet und geprägt wurde, dass es die meisten heute für schützenswert erachten. Diese Sozialpartnerschaft war und ist und wird auch in Zukunft ein ganz unverzichtbarer Teil des gesellschaftlichen Dialoges und der gesell­schaftspolitischen Arbeit in diesem Lande sein.

Meine Damen und Herren! Wir haben die Aufgabe, und zwar unteilbar, jeder für sich, dafür zu sorgen, dass die Menschen Arbeit haben, dass die Menschen Einkommen ha­ben, dass die Wertschöpfung in Österreich bleibt, egal, ob in der Wirtschaft, egal, ob in der Landwirtschaft. Ich warne davor, gerade in Zeiten wie diesen gegenseitig aufzu­rechnen, denn ich sage Ihnen: Jeder braucht jeden, Arbeiter, Wirtschaftstreibende und Bauern! Wir wollen, dass die Menschen Arbeit haben. Wir wollen, dass die Kaufkraft erhalten bleibt, dass die Menschen möglichst viele, gute, höchst qualitative Lebens­mittel aus Österreich kaufen können, deshalb müssen wir uns auch in Zukunft – und das wird ein wichtiges Thema sein, deshalb möchte ich das heute hier auch anspre­chen – wieder stärker mit Ernährungssouveränität auseinandersetzen.

Wir müssen uns auch aktiv und ganz intensiv damit auseinandersetzen, wie wir Versor­gungssicherheit im Energiebereich schaffen können. Die Gaskrise – zweimal erlebt – sollte uns aufzeigen, dass es zu gefährlich ist, dass jemand irgendwo anders entschei­den kann, ob den Menschen in Österreich kalt oder warm ist. Daher sind wir geradezu aufgefordert, die Potenziale in unserem Lande zu nutzen, neue Technologien zu entwi­ckeln, damit die Menschen Arbeit haben und die Wertschöpfung in der Region bleibt.

Ich warne auch davor – auch in Bezug auf Vermögenssteuer, Grundsteuer, Einheits­werte –, davon auszugehen, dass die Bäuerinnen und Bauern den Auftrag der Gesell­schaft in Österreich erfüllen sollen, nämlich sichere Lebensmittel zu produzieren, Ver­sorgungssicherheit zu garantieren, möglichst umweltgerecht und tiergerecht, möglichst auch noch die Landschaft offen haltend für einen florierenden Tourismus in diesem Lande, und gleichzeitig die Diskussion zu führen mit den Argumenten, die Lebensmittel müssen billiger werden, weniger Ausgleichszahlungen von der öffentlichen Hand soll es geben und wenn möglich noch höhere Steuern. – Das, meine Damen und Herren, kann nicht funktionieren! Mit dieser bäuerlichen Struktur können die Bäuerinnen und Bauern diesen Gesellschaftsauftrag in Wirklichkeit nicht mehr wahrnehmen, und somit sind auch 500 000 Arbeitsplätze in Österreich in Gefahr.

Daher bitte ich Sie noch einmal unter dem Motto: Jeder braucht jeden!, wirklich dafür zu sorgen, dass dieses Mosaik der Sozialpartnerschaft, wo jeder fehlen würde, wenn er nicht dabei wäre, so wie Sie heute hier sitzen, auch in Zukunft dafür sorgt, dass der soziale Friede in diesem Lande erhalten bleibt. (Beifall.)

12.53


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Die Rednerliste ist erschöpft.

Ich würde vorschlagen, dass wir eine kurze Schlussrunde machen, und ersuche den Präsidenten der Landwirtschaftskammer, Herrn Wlodkowski, um seine Worte. – Bitte, Herr Präsident.

12.53.33Schlussworte

 


12.53.45

Referent ÖkR Gerhard Wlodkowski (Präsident der Landwirtschaftskammer Öster­reich)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, das war jetzt eine sehr interessante Diskussion. Auch meine Kollegen werden noch auf viele Fragen einge­hen, ich möchte nur nachstoßen zu dem, was betreffend die Landwirtschaftskammern und die bäuerliche Vertretung vorgebracht worden ist.

Keine Sorge, wir bemühen uns sehr und sind sehr offen dafür, dass unsere Frauen auch in diesem Bereich ihre eigene Vertretung haben, und wir binden sie auch ein. Un­sere Winzerkönigin hat letztes Mal – und das hat mir eigentlich sehr gefallen – coram publico gesagt, sie wolle keine Frauenquote, sondern es gehe eigentlich darum, dass man jene Frauen, die gerade die Möglichkeit haben, etwas zu bewegen, fördert. Letzt­lich sei es gerade für jüngere Frauen, die in einem Betrieb mitarbeiten oder im Aufbau des Betriebes sind und Kinder haben und andere Verpflichtungen, nicht so leicht, das Ganze unter einen Hut zu bekommen.

Ein Zweites möchte ich nicht im Raum stehen lassen: Import von giftigen Produkten. – Ich glaube, es ist so, dass man jetzt auch in Bezug auf die Eier nicht gemeint hat, bei uns die Käfighaltung wieder einzuführen, sondern es geht wohl darum, ob wir päpstli­cher als der Papst sein und alles so schnell machen müssen, weil wir – und das ist der Punkt – nicht verhindern können, dass diese Produkte nach Österreich hereinkommen. Also ich frage mich schon: Wo liegt der Nutzen für wen, wenn wir zwar keine Käfighal­tung mehr haben, aber 20 Prozent der Produktion verlieren, weil eben in Fertigproduk­ten, in Backwaren und anderen, die nicht frisch gekauft werden, aus der Käfighaltung stammende Eier aus dem Ausland drin sind? Ich will hier aber nicht missverstanden werden. Es geht darum: Wenn man nicht verhindern kann, dass derartige Produkte nach Österreich importiert werden, die eigene Produktion dadurch verliert, sehe ich nicht ein, weshalb man das Ganze vorzeitig preisgeben soll.

Ich gehe davon aus, auch bei den anderen Produkten, dass nichts Giftiges herein­kommt, aber wenn wir in Österreich den Anspruch erheben, gentechnikfrei sein zu wol­len, hormonfrei sein zu wollen, tierschutzgerecht, und, und, und, auf der anderen Seite letztlich aber die Produkte an der Grenze – obwohl sie nicht giftig sind – nicht gestoppt werden können, dann sehe ich auch hier Handlungsbedarf. Vor allem mit Blickrichtung auf die WTO-Verhandlungen wird noch einmal ein Schub auf uns zukommen, wodurch das ganze Thema noch einmal brisanter wird.

Wenn gesagt wird, wie die Sozialpartnerschaft in Zukunft ausschauen wird. – Ich per­sönlich glaube, dass gerade unsere Bad-Ischler-Tage, für die wir uns gegenseitig vor­nehmen, eine Diskussion darüber zu führen, wie wir noch effizienter werden, die Ant­wort auf die einen oder anderen Themen, die wir in Zukunft gemeinsam abarbeiten werden, sein werden. (Beifall.)

12.57


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Ich darf nun den Präsidenten der Ar­beiterkammer, Herrn Mag. Tumpel, um seine Ausführungen bitten.

 


12.57.12

Referent Mag. Herbert Tumpel (Präsident der Bundesarbeitskammer)|: Herr Präsi­dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein unheimlich großes Spektrum an Diskussionsbeiträgen gegeben, gestatten Sie mir daher, mich nur auf einige Aspek­te zu konzentrieren. Es ist vonseiten der Landwirtschaft und deren Vertretern die Pro­blematisierung des Spannungsverhältnisses weltweite Produktion/weltweite Liberalisie­rung und die Möglichkeiten der Sicherstellung der Wertschöpfung im eigenen Land zu Recht angesprochen worden.

Das gilt natürlich genauso für sämtliche andere Produktionszweige. Ich bitte daher schon, sich im Hinblick auf Gefahrenstoffe in Erinnerung zu rufen, dass es auch von einer doch wichtigen UNO-Organisation, nämlich der Internationalen Arbeitsorganisa­tion, sogenannte Kernarbeitsnormen gibt. Diese Kernarbeitsnormen sind international beschlossen, sie werden interessanterweise nur nie – und ich sage Ihnen, auch in der Vergangenheit nicht –, auch nicht bei der letzten WTO-Runde, auch nicht von österrei­chischen Ministern angesprochen. Das ist aber genauso ein Problem: ob Menschen in den Entwicklungsstaaten überhaupt die Möglichkeit haben, Gewerkschaften zu grün­den, ob uneingeschränkte Kinderarbeit, uneingeschränkte Ausbeutung sowohl von Menschen als auch gegenüber der Umwelt in diesen Regionen möglich ist. Das sind wichtige Themen sowohl bei der Landwirtschaft, aber auch für die Arbeitswelt, denn nur mit Löhnen aus Vietnam, aus China und ich weiß nicht woher zu konkurrenzieren, ist ebenfalls eine Sache der Unmöglichkeit.

Bleiben wir gleich bei der internationalen Ebene! Da heute dankenswerterweise – und ich unterstütze das – die Transaktionssteuer angesprochen worden ist, möchte ich sa­gen: Ich bin auch dafür, meine Damen und Herren, aber, bitte, geben wir uns nicht einer Illusion hin, nämlich, dass wir vordergründig dafür sind. Es hat vorige Woche bei uns in der Arbeiterkammer gemeinsam mit dem Ökosozialen Forum eine Veranstaltung über internationale Steuerfragen stattgefunden, zu der wir einen namhaften Experten zum Thema Steuern zu Gast gehabt haben. Wir haben ihn – und er war wahrhaftig hochrangig angesiedelt – mit der Idee einer Transaktionssteuer konfrontiert. Auf die Frage, ob sich die Kommission mit dieser Thematik überhaupt auseinandersetzt, war seine Aussage: Von offiziellen Stellen – und noch einmal, das sind nicht wir, und das sind nicht die Sozialpartner in Österreich, denn wir bringen das selbstverständlich in Brüssel auch zu Gehör, aber das muss auch die Bundesregierung vertreten – hat er noch nicht viel von dieser Idee gehört, davon, dass das in Brüssel beraten werden soll. Das nur als Anmerkung zum Thema Transaktionssteuer: aber dann möglichst weltweit.

Ein Problem so wegzuschieben und zu sagen: Das alles ist wünschenswert!, aber um die Realisierung kümmert sich dann überhaupt niemand, das wird mit Sicherheit nicht zielführend sein, und da sollte man schon schauen, wie groß das Interesse ist, das beim Adressaten erweckt wird, und wer letztendlich auch die offizielle Position hat, das dann gegenüber der Europäischen Gemeinschaft zu vertreten.

Noch ein paar ganz kurze Anmerkungen zur Bildungspolitik. Auch da befinden wir uns als Sozialpartner in einem Spannungsverhältnis zum politischen Umfeld. Ich beklage das nicht, ich beschreibe nur: Wir haben als Sozialpartner ein bildungspolitisches Pa­pier entwickelt, zu dem ich voll und ganz stehe – heute genauso wie damals, als wir es entwickelt haben. Aber damals, als wir es entwickelt haben, haben wir – und das muss ich auch dazusagen – noch keine funktionierende Regierung gehabt, sondern da fan­den Koalitionsverhandlungen statt.

Der jetzige Minister Mitterlehner hat ganz klar ausgesprochen – und das können Sie im Papier nachlesen –: eine viel zu frühe Trennung und ein viel zu frühes Entscheidungs­abverlangen von den jungen Menschen, in welchen Bereich sie gehen sollen.

Ich rede nur über unseren gemeinsamen Vorschlag. Das hat damals einer der Ver­handlungspartner zu den Koalitionsverhandlungen überhaupt nicht hören wollen. Heute sagen wir, da gibt es ein Papier, und ich fordere dessen Inhalt nach wie vor ein. Es ist ein verantwortungsvoll entwickeltes Papier, und das bleibt absolut auf der Tagesord­nung. Wir brauchen das im Interesse der jungen Menschen, aber heute klingt das schon wieder ganz anders, denn die politische Zugehörigkeit, die politische Verantwor­tung ist jetzt wieder anders.

Ich sage Ihnen eines – und das ist eben der Vorteil der Sozialpartnerschaft –: Wenn wir ein Konzept entwickeln, dann gilt es jeweils für den Adressaten, der gerade im Amt ist, und wenn es Aktualität hat, dann gilt es zu einem späteren Zeitpunkt auch für einen anderen Adressaten. Das ist und bleibt der Vorteil der Sozialpartnerschaft! – Danke schön. (Beifall.)

13.02


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Ich darf nun Herrn Präsidenten Dr. Christoph Leitl um seine Worte bitten.

 


13.02.59

Referent Dr. Christoph Leitl (Präsident der Wirtschaftskammer Österreich)|: Meine Damen und Herren! Zuerst zu Frau Nationalrätin Csörgits und zum Thema Männer und Frauen, Differenzen, Maßnahmen: Ich bin sehr dafür, dass wir einmal nicht nur Statisti­ken hernehmen, die unterschiedliche Ausgangsmesswerte haben, sondern dass wir wirklich eine Analyse machen, wo denn Betriebe sind, die willkürlich weniger zahlen. Ich würde sie mir gerne vorknöpfen, denn ich akzeptiere das nicht – aus einer inneren Grundhaltung heraus.

Es muss bei der Berufswahl angesetzt werden, wie es Minister Hundstorfer schon an­gedeutet hat: Wenn von unseren Mädchen, die so toll begabt und talentiert sind, noch immer die Hälfte einen von drei Berufen – nämlich Friseurin, Verkäuferin und Bürolehr­ling – wählt, ist das nicht eine Vergeudung von Talenten? Welch tolle Anwendungs- und Zukunftsfelder würde es geben, wo unsere Mädchen zum Teil besser qualifiziert sind, aber sie nützen es nicht!

Zweitens zum Thema Beruf und Familie: Wir reden viel davon, dann wird wieder ir­gendeine Förderungsaktion beschlossen, Karenzgeld und so weiter, und das war es. Betreuungseinrichtungen, das ist das Entscheidende. Wir bieten Wiedereinstiegs-Kurse an. Warum bieten wir nicht Nichtausstiegs-Maßnahmen an? Es müssen Beruf und Familie verbunden sein, klare Karriereverläufe denkbar sein, dann fällt man nicht zurück, wenn man familiäre Betreuungsaufgaben zu erfüllen hat.

Also, da bin ich sehr stark der Meinung, dass wir das eingehend anschauen sollten. Ich habe auch einen Beirat der Sozialpartner dafür vorgeschlagen. Ich drücke mich um diese Frage nicht. Im Gegenteil: Ich möchte sie aufarbeiten, nicht mich darüber hin­wegschwindeln!

Im Übrigen darf ich sagen, dass es in der Wirtschaftskammer eine Generalsekretärin gibt, die ein wesentlich besseres Einkommen hat als der Präsident – bei durchaus ver­gleichbaren Leistungen, nehme ich einmal für mich in Anspruch. (Heiterkeit.) Die Rela­tion zwischen dem Einkommen des Präsidenten und dem durchschnittlichen Einkom­men seiner Mitarbeiter ist 1:5 und nicht 1:40, wie es in Österreich von der Statistik er­rechnet wurde. Wir bemühen uns also schon ein bisschen, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln.

Herr Bundesrat Mag. Klug! Danke schön für die Reverenz, die Sie erwiesen haben. Danke schön aber auch dafür, dass Sie einen kritischen Punkt aufgeworfen haben, wie viele von Ihnen, meine Damen und Herren. Dafür bin ich dankbar, denn das soll ja kei­ne Festveranstaltung sein. Wir feiern heute kein Jubiläum, sondern es soll eine Stand­ort-Definition erfolgen und eine Zukunftsperspektive entwickelt werden. Da bin ich für jeden kritischen Ansatz sehr, sehr dankbar.

Lohnverzicht haben Sie von mir nie gehört. – Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf, dass wir bei den Kollektivvertragsverhandlungen – vergleichen Sie die Abschlüsse mit der derzeitigen Inflationsrate – ein ordentliches Maß an Kaufkraft herausgeholt haben! Wa­rum? – Weil man das nicht trennen kann! Auf der einen Seite wissen wir, Lohnab­schlüsse sind ein Kostenfaktor, es geht um Wettbewerbsfähigkeit, und auf der anderen Seite wissen wir, das Einkommen der Arbeitnehmer ist ein Kaufkraftfaktor und wichtig für die Betriebe. – Das hängt zusammen. Wer da immer in verschiedenen Kasteln denkt, der ist von vorgestern, aber nicht von heute und schon gar nicht von morgen.

Im Übrigen haben wir jährlich 700 Kollektivvertragsverhandlungen. Ich bin absoluter Befürworter der Autonomie. Der Präsident des Gewerkschaftsbundes und ich haben uns – als die Obersten – nie eingemischt, außer wir wurden in wenigen Ausnahmefäl­len zu Hilfe gerufen, aber da sind wir auch sehr, sehr zurückhaltend, denn das sollen sich die Betroffenen selbst ausmachen. Sie kennen die Probleme der Branche, sie werden gut von Experten begleitet, sie sollen sich das ausmachen! Sie sind verant­wortlich. Wenn wir 700 Verhandlungen führen würden, Herr Kollege Foglar, dann wä­ren wir Übermenschen – und das sind wir nicht –, oder die Ergebnisse schauten schlecht aus – das wollen wir auch nicht (Erich Foglar: Oder sie werden zu spät fer­tig!) –, also lassen wir die 700 ordentlich arbeiten. – Auch das Wort „Verschiebung“ ist von mir nicht gekommen. Das muss auch jeder wissen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, zu reden.

Herr Bundesrat Dr. Kühnel! Dass die Transaktionssteuer – und da schließe ich an das an, was Kollege Tumpel gesagt hat – auf eine Ebene verschoben wird, bis es so ab­strakt wird, dass sie nie kommt, das glaube ich nicht. Aber ich glaube, dass die Proble­me, die wir derzeit haben, etwas damit zu tun haben, was wir tun können, dass wir nicht nur die Realwirtschaft an den Pflock des Finanzministeriums hängen, und die Fi­nanzwirtschaft, die sprudelt draußen weitgehend unbehelligt herum. Das ist ein Thema, das alle Länder der Welt – auch die Vereinigten Staaten, und die ersten Anzeichen deuten schon darauf hin – berührt, und alle denken darüber nach, so wie wir darüber nachdenken. Das macht mich optimistisch.

Zweitens: Es steht nirgends, dass Österreich einen offiziellen Vorstoß in Brüssel macht. Es steht nirgends – das wünsche ich nicht, aber ich schließe es auch nicht aus –, dass Österreich nicht eine Pionierrolle in dieser Sache einnimmt, um die Dinge in Bewegung zu bringen, vielleicht mit einigen anderen Ländern auch, vielleicht in der Eurozone. – Da ist die Phantasie vielfältig. (Bundesrat Dr. Kühnel: Aber nicht alleine, nur Österreich!) Ich schließe gar nichts aus, weil sonst automatisch der Verdacht kommt, da will einer etwas sagen, aber trotzdem nimmt er an, dass doch niemand an­derer mittut.

Ich schließe nichts aus. Es wäre nicht ideal, da gebe ich Ihnen recht, Herr Bundesrat. Es wäre nicht ideal. Es ist nicht mein Wunschziel, aber so, dass ich sage, alleine ma­che ich es nicht, ist es auch nicht. Ein bisschen nationalen Entscheidungsspielraum wollen wir uns schon bewahren. Wenn wir auf der anderen Seite wirklich das Thema Erbschafts-, Schenkungs-, Vermögenssteuer vergessen, dann bin ich sogar bereit, da mitzuziehen, weil das ein vernünftiger Weg, ein sinnvoller Weg, ein zielgruppenad­äquater Weg ist, um es einmal neutral zu formulieren, während alles andere kontrapro­duktiv ist. Ich bin lernfähig, aber ich gehe immer davon aus, wovon ich überzeugt bin.

Seien wir froh! Schauen Sie, wie sich die Deutschen in ihren Einkommens-, Erb­schafts-, Vermögenssteuer-Diskussionen winden, welchen Murks sie da haben. Es ist doch kein Zufall, dass so viele zu uns kommen wollen und der deutsche Finanzminister das Doppelbesteuerungsabkommen gekündigt hat. Der will da eine neue Mauer bauen zwischen Deutschland und Österreich, aber es wird ihm nicht gelingen.

Was das Bankgeheimnis betrifft, da werden wir uns anpassen müssen, das ist gar kei­ne Frage, aber ansonsten halte ich es für einen wirklich guten Weg, dass wir auch eigene Initiativen machen.

Zu Ihrer Frage nach dem Überleben von Branchen: Schauen Sie, Branchen werden immer überleben, einzelne Betriebe möglicherweise nicht. Das sind die harten Gesetze der Marktwirtschaft, das haben wir mit allen Konsequenzen zur Kenntnis zu nehmen. Nur, ich sage Ihnen Folgendes: Wenn heute ein Betrieb 100 Leute kündigen muss, dann ist das traurig genug, aber er kommt in der ZiB 1. Wenn aber jeden Tag, Tag für Tag 100 neue Arbeitsplätze von den Neugründern, die von uns begleitet werden, ge­schaffen werden, dann kräht kein Hahn danach. Ich glaube, diese Proportion sollten wir auch einmal überdenken.

Die mediative Rolle der Sozialpartner ist von Bundesrat Schnider angesprochen wor­den, danke schön dafür. Ja, wir sind Begleiter, auch mentale Wegbegleiter. Die Kom­mentatoren sagen so ein bisschen, ja, die Schönredner, und so weiter. Natürlich sind wir ein bisschen optimistischer! Sollen wir pessimistischer sein? Sollen wir den Leuten einreden, wie schlecht alles wird? Die Leute hören auf uns, die glauben uns, und wir sagen: Schaut her, die Probleme, die haben wir sicher, die kennen wir alle, aber geh, das wird doch schon, schaut her, es gibt ein Licht am Ende des Tunnels! Ja, soll ich ihnen die Hoffnung nehmen? Soll ich sagen, dass ich selber schlaflose Nächte habe, weil ich mir Sorgen mache, wo das hinführt? Na, wem nütze ich damit? Sicher nicht denjenigen, die hoffen, dass sie in mir eine ordentliche Wegbegleitung haben, und ich glaube, das geht uns allen, so wie wir hier sitzen, so.

Zum Thema „sound of success“ und Verfassung in alle Ewigkeit zementiert: Meine sehr geehrten Damen und Herren Nationalräte und Bundesräte! Wenn ein Prinzip in der Verfassung verankert ist, heißt das noch lange nicht, dass damit die Institutionen, so wie sie heute sind, in der Verfassung verankert sind. Wenn Sie davon überzeugt sind, dass diese österreichischen Kammern mit gesetzlicher Mitgliedschaft ihre Aufga­be nicht zum Nutzen des Landes und der Menschen, von denen sie gewählt worden sind, erfüllen, dann steht es Ihnen frei, das schon morgen zu verändern.

In Ihrer Autonomie liegt etwa die Beitragshöhe. Sie brauchen zum Beispiel nur die Bei­träge einer Organisation auf ein Zehntel herabzusetzen, und morgen können die die Mühle zusperren, oder Sie verändern die Organisationsform. Das heißt, die konkrete Ausformung kann sehr wohl mit einer einfachen Mehrheit des Nationalrates und des Bundesrates verändert werden. Ich sage das ganz bewusst, denn das war für mich nie ein Ruhekissen, so nach dem Motto: Retten wir uns auf eine Insel, wo wir dann unsere Trutzburg bauen, und die Stürme der See interessieren uns nicht mehr!

Nein, wir brauchen die gesetzliche Mitgliedschaft, und zwar, Frau Abgeordnete, auch aus folgendem Grund: Vergleichen Sie innerhalb Europas: Dort, wo es keine gesetzli­che Mitgliedschaft gibt, haben wir es mit furchtbar schwachen Kammern zu tun – furchtbar schwach! Das wären Lobbyingvereine, denn einzelne Gruppen kommen her, sagen: Wir zahlen viel Geld, aber ihr müsst diese und jene Linie vertreten! Und andere, die nicht so viel Geld haben – denken Sie an die vielen Nahversorger! –, na, was sollen die tun?

Derzeit ist es ein solidarisches System zwischen Großen und Kleinen. Alle kommen auf ihre Rechnung, aber die Großen zahlen in Relation mehr, daher gibt es ja auch einige Große, die das nicht einsehen und nicht akzeptieren wollen. – Komischerweise sind das die Großen; von den Kleinen habe ich noch nie gehört, dass es ihnen zu viel ist.

Sie können natürlich die gesetzliche Mitgliedschaft abschaffen und sagen: Das ist in Ordnung, dann machen wir es so wie in Holland! Es ist übrigens interessant, dass ein Land wie Luxemburg, sehr wirtschaftsliberal denkend, auch eine gesetzliche Mitglied­schaft hat, neben vielen anderen. In Europa ist das Verhältnis etwa halb-halb.

Jene mit gesetzlicher Mitgliedschaft sind jedoch die starken Kammern, die auch auf europäischer Ebene etwas bewegen. Die anderen können sich die Expertenstäbe nicht leisten. Die spielen keine Rolle; es ist traurig, aber so ist es.

Und noch etwas: Wir verstehen uns als Dienstleistungsunternehmen. Wir haben heute sehr viel über Interessenvertretung gesprochen, aber da gibt es ja etwas ande­res auch noch: Unternehmensgründungen zu begleiten, die Frage der Außenwirt­schaftsorganisation – die zweitstärkste nach den Amerikanern –, das Grundnetz zu un­terhalten. Mit der Republik machen wir dann gemeinsam eine Internationalisierungs­offensive. Oder denken Sie an unsere Bildungsaufträge, lebensbegleitendes Lernen, die WIFIs, die bfis, in diese Richtung gedeutet. Ja, wer würde denn das alles zahlen? Hätten wir freiwillige Mitgliedsbeiträge, würde jeder sagen: Das interessiert mich nicht, behaltet euch das! Dann würde es nicht gemacht werden.

Das würde auf die Republik zurückfallen! Zeigen Sie mir eine Wirtschaftskammer in ganz Europa, die keine gesetzliche Mitgliedschaft hat, die diese Aufgaben erfüllt! – Sie können mir keine zeigen. Das sollte Sie bitte auch zum Nachdenken anregen. Ich sage das bewusst, weil ich mir, als ich 2000 gekommen bin, selbst gleichartige Fragen ge­stellt habe wie Sie, Frau Abgeordnete. Da ich auch ein offen denkender Mensch bin, habe ich gesagt, wenn man gut ist, dann wird das schon passen. Es gibt aber viele Dinge, die man nicht eins zu eins darstellen und verkaufen kann, die aber trotzdem un­geheuer wichtig sind, wie gerade im Bildungs-, im Gründungssektor und so weiter.

Herr Bundesrat Mayer, ich bin davon überzeugt, wenn wir es gescheit machen – und ich traue es auch dieser Ministerin zu, das sage ich ganz offen –, könnten wir Österrei­cher das beste Aus- und Weiterbildungssystem in Europa haben. Das ist doch toll! Ar­beiten wir doch an dieser Perspektive! Das Sozialpartnerpapier, das angesprochen wurde, muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein, aber es ist eine ernsthafte Grund­lage, auf der man sich unterhalten kann, etwas weiterentwickeln kann.

Gehen wir in der Diskussion in die Breite, und bleiben wir nicht bei einem Detail hän­gen! Wer in Österreich eine Bundesstaatsreform verhindern will, macht die Abschaf­fung des Bundesrates zum Thema; er weiß, damit ist die Sache erledigt. (Heiterkeit.)

Zur Lehrlingskündigung ebenfalls ein offenes Wort, meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Mayer, Sie haben gesagt: Wir wollen die Jugend nicht auf der Straße, son­dern in den Betrieben! Genau deswegen haben wir diese Lösung gemacht! Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind ein Lehrherr, und es kommt ein junger Mensch mit vier Fünfern im Abgangszeugnis zu Ihnen! Sie sagen: Um Gottes Willen, was soll ich denn mit dem tun? Soll ich ihn nehmen, soll ich ihn nicht nehmen? Die Wirtschaftskammer sagt: Gib ihm eine Chance! Er sagt: Na Moment, ich bin mit dem, wenn ich ihm eine Chance gebe, vier Jahre auf Gedeih und Verderb verheiratet! Von meiner Frau kann ich mich vergleichsweise leicht scheiden lassen, aber von dem kann ich mich nicht mehr trennen! (Bundesrat Mayer: Der Vergleich hinkt aber!) – Der hinkt, das gestehe ich Ihnen zu, aber Sie wissen, man muss manchmal, wenn man mit den Leuten redet, auch ein bisschen hinkende Vergleiche machen. – Dann lacht er, und dann sage ich! Schau her, wir haben jetzt eine Möglichkeit, und zwar nicht, dass der junge Mensch auf der Straße bleibt, sondern es gibt die Möglichkeit einer Ausbildungswegs-Veränderung!

Das heißt, wenn man nach ein oder zwei Jahren nach vorheriger Mediation drauf­kommt, die passen nicht zusammen, was auch im Sinn des jungen Menschen sein kann, setzt der junge Mensch seine Ausbildung in einer anderen Form – öffentliche Ausbildung – fort. Der junge Mensch zahlt nie drauf. Das ist mir wichtig!

Wir haben 130 000 Lehrverträge. Wissen Sie, wie viele bis jetzt auf diese Weise gelöst worden sind? Sechs. Nur, damit man weiß, viel hängt mit Psychologie zusammen, und wenn man das geschickt macht, kommt man manchmal weiter, als wenn man ver­sucht, mit Brechstangen zu kommen.

Zur Aussage der Frau Bundesrätin Mühlwerth, Sozialpartner haben nicht Regierungs­arbeit zu erledigen. – Nein, wir dienen, Frau Bundesrätin! Wir steuern nicht, wir die­nen. Aber wenn Sie sagen, die Lohnnebenkosten seien zu hoch und es wäre Aufgabe der Sozialpartner, das zu senken, dann sage ich: Mitnichten! Die Lohnnebenkosten zu senken, das ist eine Aufgabe des Parlaments, nicht eine der Sozialpartner.

Wenn wir sagen: Lasst doch die Lohnnebenkosten für junge Menschen, die jetzt zum Beispiel bei einem Einpersonenunternehmen Aufnahme finden, im ersten Jahr nach!, dann ist das zum Beispiel eine Möglichkeit, die Sie durchaus machen könnten, oder wenn das Wifo vorschlägt, für Niedriglohneinkommen Lohnnebenkosten zu senken. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Aber dafür braucht man natürlich Spiel­raum. Und woher nimmt man den Spielraum? – Aus Reformen. Und wer macht die Re­formen? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Ja, die darf man dann nicht verhindern im Parlament, sondern die muss man machen.

Nationalrat Muchitsch hatte von der betrieblichen Ebene gesprochen. Wo Sozialpart­nerschaft auf der betrieblichen Ebene nicht funktioniert, gibt es Gott sei Dank andere Organisationen auf Landesebene, auf Bezirksebene, wo man sich zusammensetzen kann, wo man sagt: Wie geht man damit um, dass es fair ist?

Das geht ganz informell: Man greift zum Telefonhörer und sagt: Sie, da haben wir ein Problem, zeigen wir es auf, reden wir mit denen, machen wir nicht viel Wirbel, setzen wir uns zusammen, sagen wir, diese Fälle sollen nicht vorkommen! – Wir verteidigen solche Fälle nicht. Wir verteidigen diejenigen, die fair, anständig und nach sozialpart­nerschaftlichen Prinzipien vorgehen.

Was Ihren Hinweis auf Pensionsregelung betrifft: Jawohl, bei der Gesundheit bin ich ganz auf Ihrer Seite! Bei der Hacklerregelung stehe ich mit meiner Meinung gegen die Mehrheit des österreichischen Parlaments. Das ist meiner Meinung nach eine unsinni­ge Regelung. Dort wird Geld hinausgeworfen, das wir für bedürftige Fälle – nämlich für Gesundheitsfälle –, dringend brauchen könnten. Zum Herrn Abgeordneten zum Natio­nalrat Matznetter, der ja mein Vizepräsident und damit Bestandteil des sozialpartner­schaftlichen Systems ist, sage ich daher nichts. (Heiterkeit.) Oder nur so viel: Dass wir immer so lange diskutieren, bis wir zu einvernehmlichen Entscheidungen kommen; auch das ist wichtig. Nicht die Mehrheit entscheidet, sondern der Konsens entscheidet am Schluss.

Frau Ministerialrat Schmitzer, ich bin hundertprozentig Ihrer Meinung: Wir brauchen Prioritäten, auch im F&E-Bereich. Österreich ist Spitze in Energie- und Umwelttechnik; bezüglich erneuerbarer Energie bin ich mit Gerhard Wlodkowski einer Meinung. Ma­chen wir auf diesem Sektor in der Bildungspolitik, in Fachhochschulen zum Beispiel, in der Forschungspolitik einen Kernpunkt mit hoher Priorität, statten wir den aus, statt Umweltfonds zu „verkrankeln“, da dann budgetäre Bedürfnisse bestehen.

Im Übrigen: Das Wifo ist nicht „sozialpartnerschaftlich abgeschliffen“. Als Präsident des Wifo muss ich diese Verteidigung vornehmen – obwohl nicht alle Referenten des Wifo mit meiner Meinung übereinstimmen; das sollen und können sie nicht –, denn ich möchte es fernhalten von Einflüssen von außen. Wenn nämlich unsere Wissenschafter parteipolitisch ferngesteuert sind, dann verliert das Land einen wichtigen, neutralen Kompass für seine Zukunft. Und das wollen wir nicht! Da beiße ich oft die Zähne zu­sammen, beiße ich mir manchmal auf die Zunge, aber diese Linie halten wir, auch mein Vizepräsident Herbert Tumpel.

Eine letzte Sache noch: Herr Abgeordneter Grillitsch hat auf Gas und EU und Versor­gungssicherheit hingewiesen. Auch dieses Beispiel soll uns zeigen, dass Europa nicht irgendetwas Fernes in Brüssel mit viel Bürokratie ist. Das mag alles zutreffen, obwohl ich glaube, dass wir hier auch fair sein müssen, aber viel entscheidender ist, dass Europa unsere Lebensversicherungspolizze in einer globalen Welt ist.

Und wenn heute mehrfach gesagt worden ist, dass sich eine Krise wie diese nicht mehr wiederholen soll, dann müssen wir schauen, dass wir über europäische Werthal­tungen ein System implementieren, dass eine soziale Marktwirtschaft in der politischen Ausformung über das Nationale hinausreicht – hinein in ein vertieftes Europa. Vertie­fung ist angesagt, auch in den Augen der Bürger.

Ich bedanke mich bei Ihnen allen. Ich habe nicht erwartet, dass wir zu vorgeschrittener Zeit noch eine so hohe Präsenz haben. Ich sehe das als wahres Kompliment an und biete Ihnen an, dass wir diesen Dialog gerne dann auf der anderen Seite, durch Einla­dung vonseiten der Sozialpartner, fortsetzen. Ich sehe das für ungeheuer wichtig und sehr hilfreich und konstruktiv für unser Land und seine Menschen an. (Beifall.)

13.23


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Danke, Herr Präsident. Ich bedanke mich für die wirklich ausführliche Beantwortung aller angesprochenen Punkte. (Heiter­keit.)

Ich darf nun den Präsidenten des ÖGB, Herrn Erich Foglar, zum Schlusswort bitten.

 


13.23.59

Referent Erich Foglar (Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich ganz herzlich für diese äußerst enga­gierte und sehr hochkarätige Diskussion zu diesem Thema bedanken, was, glaube ich, auch – und ich darf das so sagen – die Wertschätzung der Sozialpartner Ihrerseits zum Ausdruck bringt.

Ich möchte jetzt nicht auf jeden einzelnen Diskussionsbeitrag eingehen, aber ganz be­sonders am Herzen liegt mir natürlich das Thema Einkommensunterschiede und Chan­cengleichheit – von Frau Bundsrätin Csörgits, aber auch von Herrn Bundesrat Schen­nach und einigen anderen angesprochen.

Ich glaube, die Sozialpartner haben schon vor einiger Zeit sehr deutlich gemacht, wie sie zu dem Thema stehen. Es gibt das gemeinsame Positionspapier der Sozialpartner und der Industriellenvereinigung zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Es ist ein klar formuliertes Anliegen, das die Interessenvertretungen hier postulieren, und es geht uns wirklich darum, dass das auch mit Leben erfüllt wird.

Und da sind wir im Wesentlichen bei den Mühen des Alltags. Etwas zu Papier zu brin­gen, Konsens herbeizuführen, das gelingt uns, ja. Aber wir sind ja dann auch involviert im Umsetzen. Und ich darf unterstreichen, was auch Herr Präsident Leitl gesagt hat: Wir stehen selbst zum Teil bei Problemen an. Einer der Gründe, warum es diese Un­gleichheit gibt, ist die Ausbildungsfrage. Und ich darf das um ein Beispiel ergänzen.

Der ÖGB führt seit Anfang der fünfziger Jahre eine Lehrwerkstätte in Kärnten, in der jährlich 75 Lehrlinge für die Wirtschaft in Maschinenbauberufen ausgebildet werden. Also nicht für den Eigenbedarf, sondern für die Wirtschaft, gemeinsam mit der Wirt­schaft, vor allem mit vielen kleinen und mittleren Unternehmen in dieser Region. Wenn unser Ausbildungsleiter jährlich zum Berufsfindungstag in die Berufsschulen geht, um Metallberufe zu präsentieren und junge Mädchen dort zu motivieren: Seht her, das ist ein Beruf mit Zukunft!, dann kommt oft die Antwort – zum Teil auch vom Elternhaus, zum Teil von den Lehrkörpern –: Das ist Metall, dort braucht ihr nicht hinzugehen; ihr seid dann bei jenen Berufen, die eben typisch für Frauen und Mädchen sind. – Das ist in unserem Gesellschaftsbild offensichtlich noch sehr tief eingeprägt, aber auch zu Hause, in der Familie.

Lassen Sie mich ein zweites Beispiel gerade zu diesem Thema bringen, weil es uns am Herzen liegt. Es ist noch nicht so lange her, da war ich selbst ein betroffener Ver­handler und noch nicht in der Position, sagen zu können, wir mischen uns da tunlichst nicht ein – was ich auch als Verhandler sehr, sehr geschätzt habe und wofür ich auch Danke schön sagen möchte. Aber es ist ganz einfach schwierig zu sagen, wir kämpfen darum, dass Karenzzeiten zur Gänze für arbeitsrechtliche Ansprüche angerechnet wer­den. Das ist ja mit ein Grund dafür, dass Frauen im Karriereverlauf letztendlich anders entlohnt werden als Männer.

Und es ist uns gelungen, das zu machen! Es ist uns gelungen, die Kollektivverträge zu gendern – gemeinsam mit unserem Vertragspartner, der Bundeswirtschaftskammer; in dem Fall war es der zuständige Fachverband Textilindustrie, aber auch Metallindustrie.

Wenn wir als Vertragspartner die Mindestlöhne stärker erhöhen als die Ist-Löhne, dann ist das genau jener Bereich, wo wir vor allem den Frauen – weil im unteren Bereich überwiegend Frauen tätig sind – mehr helfen können.

Der Teilzeitzuschlag ist schon genannt worden, ebenso 1 000 € Mindestlohn. Wobei – nebenbei bemerkt – die Kollektivvertragspartner etwa auf folgendem Status sind: 90 Prozent aller Kollektivverträge beinhalten bereits 1 100 € als Mindestlohn – jetzt schon!

Und ich denke, auch mit allen anderen Maßnahmen, wie Streichung des Arbeitslosen­versicherungsbeitrages in den unteren Einkommensbereichen, sind wir auf dem richti­gen Weg – es reicht nur nicht im Gesamten.

Und wenn heute viel zu wenige Frauen in Führungspositionen sind, ist das etwas, was wir auf kollektivvertraglicher Ebene nicht mehr leisten können. Da sind die Eigentümer zutiefst gefordert, die ja letztendlich maßgeblichen Einfluss auf Führungspersonen ha­ben, ob es in den Aufsichtsräten selbst ist, wo man durchaus nachdenken kann, ob es hier vielleicht eine gesetzliche Regelung geben sollte – Norwegen hat es ja mit einem Beispiel vorgemacht –, oder wenn es darum geht, Frauen in Vorstände zu berufen. Dann ist das eindeutig Eigentümerfrage. Und da sind natürlich schon alle Damen und Herren auf der Eigentümerseite auch gefordert, hier mitzuhelfen.

Der ÖGB geht mit gutem Beispiel voran: Es gibt seit Juni 2008 den Papa-Monat, und es wird ab Jänner 2010 eine vollständige Anrechnung aller Karenzzeiten für Ansprü­che, die sich nach der Dauer des Dienstverhältnisses richten, geben.

Lassen Sie mich noch zwei, drei Punkte nennen. Herr Dr. Kühnel, Sie haben vollkom­men recht: Es sind Werte vergessen worden. Es sind Werte schlicht und einfach unter den Tisch gefallen: vom ordentlichen Wirtschaften, Nachhaltigkeit – aber das waren nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich gebe Ihnen vollkommen recht: Ös­terreich ist ein Land des sozialen Friedens – und ich bin Ihnen dankbar, dass ich das präzisieren darf, weil ich es da voll und ganz mit Herrn Präsidenten Leitl halte –, und Österreich soll das auch bleiben. Und das heißt, dass wir jetzt Maßnahmen setzen müssen. Es soll so bleiben! Wir wollen keine Probleme, wie sie Griechenland hat, wir wollen keine Probleme und keine Situation, wie es sie in Frankreich zum Teil gibt. Aber dann heißt es, rechtzeitig gegenzusteuern und rechtzeitig dagegen Maßnahmen zu setzen, und nicht, erst hintennach zu sagen: Wir hätten es doch früher tun müssen. Ein Satz noch: Wohin entwickeln sich die Sozialpartner? – Es gibt ein zweites Papier, das wirklich eine sehr, sehr gute Orientierung ist: Es ist das Europäische Sozialmodell. Wenn man liest, was hier Position der Sozialpartner ist – das ist ein treffendes Bei­spiel –, wird man feststellen: Wenn das in der Praxis umgesetzt würde, vor allem in an­deren Ländern, dann wäre es wahrscheinlich nicht so weit gekommen, wie es mit die­ser Krise gekommen ist. Wir stellen das Papier sehr gerne zur Verfügung, und ich den­ke, es ist eine Orientierung genauso wie bei der Bildung.

Aber wovon wir uns auf keinen Fall wegentwickeln wollen: Die Sozialpartner waren der Stabilitätsfaktor in Österreich – und sollen das auch bleiben. Man muss sich nicht im­mer woandershin entwickeln. Es ist, glaube ich, auch gut zu sagen: Da hat sich etwas bewährt. Und die Sozialpartner waren noch immer der stabilisierende Faktor in unse­rem Land. Mit ein Grund – mit ein Grund! – ist ganz einfach die Pflichtmitgliedschaft. Und auch als der Sozialpartner der freiwilligen Interessenvertretung kann ich nur davor warnen, diese Pflichtmitgliedschaft in Frage zu stellen, und würde Sie dringendst bit­ten, das bei Ihren Debatten, sollte das im Nationalrat oder im Bundesrat zum Thema werden, zu berücksichtigen. Diese Stabilität hat ganz einfach ihr Fundament, und das Fundament ist die Pflichtmitgliedschaft.

Es gibt noch eine Frage des Herrn Bundesrates Schnider: Was sagen denn die ande­ren Gewerkschaften zum Thema Lehrer?, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Unse­re Antwort war einfach. Sie lautet: Es ist fatal, dass mit dem wichtigen Thema Bildung so umgegangen wird! Und ich füge dem, was Präsident Tumpel, Präsident Leitl zum Thema Bildung, Sozialpartnerpapier gesagt haben, nur hinzu: Selbstverständlich, volle Unterstützung!

Es ist fatal, dieses Thema auf zwei Stunden aufzuhängen – aus budgetären Gründen, nicht aus bildungspolitischen. Und wir wehren uns mit aller Vehemenz gegen das Aus­spielen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, denn das ist genau eine der Wur­zeln, aus denen dann soziale Instabilität resultiert.

Es ist noch nicht so lange her, da war es die verstaatlichte Industrie, da waren es die Voestler, die privilegiert waren. Das nächste Mal sind es die Gemeindebediensteten mit ihrem Pensionssystem, dann sind es wieder die Leute von der AUA, die irgendwel­che Privilegien haben, dann kommt der ORF dran, und dann kommen halt wieder die Kammern dran, und dann kommen wieder die Sozialversicherungsbeschäftigten dran. Und so kann man das Spiel weiter fortsetzen, und man argumentiert immer mit einem scheinbar plausiblen Grund. Ich glaube, wäre die Vorgangsweise bei diesem Problem eine sozialpartnerschaftliche gewesen, dann hätte man sich nicht über Medien vorher ausgerichtet, was man will. Ich sage das ganz einfach und bringe es auf den Punkt als ehemaliger Verhandler im Metallbereich: Wenn mir der Verhandlungsleiter der Wirt­schaftskammer ausgerichtet hätte: Und da ändern wir einseitig etwas im Kollektivver­trag!, ich glaube, es weiß jeder hier, was die betroffene Gewerkschaft gemacht hätte.

Und wenn wir dem Verhandlungsleiter und unserem Partner auf der anderen Seite, be­vor wir uns überhaupt noch zusammengesetzt hätten, ausgerichtet hätten, was es nicht sein darf, dann wäre die Antwort auch klar gewesen. Wir haben eben gerade einen anderen Weg gefunden. Und man kann eigentlich nur empfehlen, wenn Politik mitspielt, sich etwas an dieser Vorgangsweise der Sozialpartner zu orientieren: Soli­darität.

Aber ein unabdingbares Ja zu den notwendigen Reformen! Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft und ist der Schlüssel für einen Arbeitsplatz. Und dazu gehören auch Forschung und Innovation.

Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber es ist sehr viel aus diesem Bereich ange­sprochen worden. Sozialpartnerschaft funktioniert auch auf anderen Wegen – vielleicht in der Öffentlichkeit nicht so sehr bekannt –: Da gibt es eine Gewerkschaft, das ist Me­tall-Textil-Nahrung, und einen Fachverband, Maschinen und Metallwaren; die betreiben unter dem Titel „Innovatives Metall“ gemeinsam mit dem BMVIT ein Projekt, im Rah­men dessen besonders Forschung und Entwicklung als Zukunft für Arbeitsplätze vor allem in KMUs betrieben werden. Das sind ganz konkrete Projekte mit dem Ziel, dass hier Betriebsrätinnen und Betriebsräte mithelfen und Forschung und Entwicklung nicht als arbeitsplatzgefährdend, sondern, im Gegenteil, als Arbeitsplatz schaffend sehen. Das ist ein gemeinsames Projekt der Sozialpartner – vielleicht nicht so sehr bemerkt, aber ich glaube, es geht in die richtige Richtung.

Ich bin dankbar, dass wir seitens der Wirtschaftskammer Österreich und der Spitzenre­präsentanten die Aufforderung zu Lohnverzicht noch nie in der Öffentlichkeit gehört ha­ben. Ich glaube, Lohnverzicht ist eigentlich momentan das Kontraproduktivste, das man tun kann – bei allem Verständnis auch dafür, wie es manchen Geschäftsführern und Unternehmensleitern geht. Natürlich, wenn ich nicht weiß, wo das Geld herein­kommt, und die Umsätze wegbrechen, ich aber pünktlich zahlen muss, ist Feuer am Dach. Okay. Aber die Kaufkraft ist der einzige Konjunkturparameter dieser so schwieri­gen Prognose in dieser Zeit, der noch ein Plus aufweist. Alle anderen, Exporte und so weiter, sind eingebrochen. Wenn wir uns diese Stütze wegnehmen, heißt das, dass wir uns die letzte Stütze wegnehmen. Wirtschaft funktioniert in hohem Maße auch psycho­logisch, und es wäre wahrscheinlich das schlimmste Signal, jetzt zu sagen: Und jetzt eine Runde Lohnverzicht, eine Null-Lohnrunde!

Meine Damen und Herren! Dass Sie von einem Gewerkschafter nichts anderes erwar­ten, das ist vorauszusetzen. Und diese Worte stammen von einem der namhaftesten Unternehmer in diesem Land; ein großer Metallbetrieb. Wir sehen uns da zum Teil in einem Boot, wohl wissend, dass wir nur gemeinsam die Probleme lösen können.

Das, was Kollege Muchitsch gesagt hat, ist nämlich das tatsächliche Problem, und ich denke, da müssen wir beide etwas tun. Es geht nicht, oben Sozialpartnerschaft zu be­schwören, aber in den Betriebsebenen unten dann nicht danach zu handeln. Da müs­sen wir halt beide helfend eingreifen.

Ich denke, dass die nächsten Monate und darüber hinaus eineinhalb bis zwei Jahre für Österreich ungeheuer entscheidend sein werden. Ich bin aber äußerst zuversichtlich, dass Österreich mit seinem Modell der Sozialpartnerschaft, der gesamtheitlichen Ver­antwortung aus dieser Krise besser herauskommt als viele, viele andere Staaten. Bis dort hin ist es noch ein immens mühevoller Weg, und wir werden diesen mühevollen Weg auch gemeinsam gehen. Das heißt auch, das eine oder andere Unangenehme der eigenen Interessengruppe beibringen zu müssen. Aber daran führt kein Weg vor­bei. Und das ist ebenfalls ein positives Beispiel der Sozialpartnerschaft, sonst wären wir nicht da. – Ich bedanke mich sehr. (Beifall.)

13.38


Vorsitzender Präsident Harald Reisenberger|: Herr Präsident, danke für Ihre Ausfüh­rungen.

Da keine Wortmeldung mehr vorliegt, schließe ich die Debatte.

Ich danke Ihnen allen, dass Sie so aktiv an dieser Enquete teilgenommen haben. Als ich vor einigen Wochen teilweise selbst angerufen habe, teilweise anrufen ließ, um die­ses hochgradige Referentenquartett zu bekommen – ein Sextett ist es in Wirklichkeit sogar; die Minister müssen wir ja auch noch mitrechnen –, war es wirklich wunderbar, dass es sofort Zusagen gegeben hat und die Wichtigkeit dieser Inhalte gesehen wor­den ist.

Ein Punkt, der mir dabei auch ganz wichtig erscheint, ist, wie man innerhalb der Sozial­partnerschaft miteinander umgeht, wie man Sachen sieht. Es ist heute hier doch das eine oder andere Mal gefragt worden: Wie geht es denn weiter?, und es wurde von „Privilegien“ gesprochen. Lassen Sie mich als Gewerkschafter Ihnen eines mit auf den Weg geben: Ich glaube, Privilegien sind etwas, was mit dem, was es hier zu verhan­deln gibt, relativ wenig bis nichts zu tun hat. Es sind in der Regel wohlerworbene Rech­te, die aus bestimmten Situationen heraus entstanden sind, und an die sollte man sich immer erinnern – dann kann man weiterreden, wie die Zukunft aussieht. Die Sozialpart­ner sind ja auf dem Weg, es auch so zu sehen: Woher stammt das? Wieso gibt es das? Wie soll es in Zukunft aussehen? – Und das ist, glaube ich, der richtige Weg.

Ich möchte mich aber auch bedanken bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn eine Veranstaltung lebt natürlich auch ganz massiv von der Art, wie dis­kutiert wird. Und ich darf sagen, die Qualität der Diskussionsbeiträge war auf einem sehr hohen Niveau. Das hat diese Veranstaltung dazu gemacht, dass sie als Enquete wirklich meinen Vorstellungen und, wie ich glaube, unser aller Vorstellungen entspro­chen hat und dass, so hoffe ich, keiner gesagt hat, eigentlich schade um die Zeit, son­dern, das war interessant, wir möchten so etwas wieder machen.

Ich danke Ihnen allen noch einmal für Ihr Kommen, für Ihre aktive Mitarbeit und wün­sche Ihnen noch einen schönen und angenehmen Tag. (Beifall.)

Die Enquete ist geschlossen.

13.41.12Schluss der Enquete: 13.41 Uhr

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