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„Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt“

 

 

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Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Donnerstag, 9. Juni 2011

(Stenographisches Protokoll)

 

 


Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Donnerstag, 9. Juni 2011

(XXIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)

Thema

„Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt“

Dauer der Enquete

Donnerstag, 9. Juni 2011: 10.05 – 14.58 Uhr

*****

Tagesordnung

I. Eröffnung

Präsident des Bundesrates Gottfried Kneifel

II. Kurze Selbstvorstellung der Bewerberinnen und Bewerber

III. Fragen der Bundesrätinnen und Bundesräte

*****

Inhalt

I. Eröffnung:

Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel .................................................................... 3

II. Kurze Selbstvorstellung der Bewerberinnen und Bewerber sowie

III. Fragen der Bundesrätinnen und Bundesräte:

Oberregierungsrat Dr. Thomas Giefing ...................................................................... 4

Bundesrat Mag. Gerald Klug ........................................................................................ 5

Bundesrat Edgar Mayer ................................................................................................ 5

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................... 6

Rechtsanwalt Dr. Kurt Retter, LL.M ............................................................................. 6

Bundesrat Manfred Gruber ........................................................................................... 8

Bundesrat Franz Wenger .............................................................................................. 9

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 10

Rechtsanwalt Mag. Werner Suppan .......................................................................... 11

Bundesrätin Elisabeth Grimling ................................................................................. 12

Bundesrat Martin Preineder ....................................................................................... 13

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 14

Rechtsanwalt Mag. Klaus Rieger ............................................................................... 14

Bundesrat Michael Lampel ......................................................................................... 16

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ...................................................................... 17

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 18

Ing. Mag. Margit Schneider, MBA .............................................................................. 19

Bundesrat Mag. Gerald Klug ...................................................................................... 20

Bundesrat Edgar Mayer .............................................................................................. 20

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 21

Dr. Albin Larcher .......................................................................................................... 22

Bundesrat Manfred Gruber ......................................................................................... 23

Bundesrat Georg Keuschnigg .................................................................................... 23

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 24

Landtagsdirektor Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger ..................................................... 25

Bundesrat Mag. Gerald Klug ...................................................................................... 26

Bundesrat Franz Wenger ............................................................................................ 26

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 28

Rechtsanwalt Dr. Johannes Hock .............................................................................. 29

Bundesrätin Elisabeth Grimling ................................................................................. 30

Bundesrat Martin Preineder ....................................................................................... 30

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 31

Rechtsanwalt Dr. Christoph Herbst, MBL ................................................................ 32

Bundesrat Mag. Gerald Klug ...................................................................................... 33

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ...................................................................... 33

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 34

Sektionschef Mag. Dr. Mathias Vogl .......................................................................... 35

Bundesrat Michael Lampel ......................................................................................... 36

Bundesrat Georg Keuschnigg .................................................................................... 37

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 39

Rechtsanwalt Dr. Wilfried Ludwig Weh ..................................................................... 39

Bundesrätin Elisabeth Grimling ................................................................................. 41

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M ...................................................................... 44

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 44

Generaldirektor Dr. Theodor Thanner ....................................................................... 46

Bundesrat Manfred Gruber ......................................................................................... 46

Bundesrat Edgar Mayer .............................................................................................. 47

Bundesrätin Monika Mühlwerth ................................................................................. 48

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung .............................................................................  24, 32, 35


 

10.05.11Beginn der Enquete: 10.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Gottfried Kneifel, Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth, Vizepräsident Mag. Harald Himmer.

*****

10.05.12I. Eröffnung

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie alle sehr herzlich zur heutigen Parlamentarischen Enquete begrüßen, die ein Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Ver­fassungsgerichtshofes, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt, zum Gegenstand hat.

Der vom Bundesrat in seiner 795. Sitzung vom 14. April 2011 gefasste Beschluss auf Abhaltung einer Parlamentarischen Enquete zielt darauf ab, den Kandidatinnen bezie­hungsweise Kandidaten, die sich um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsge­richtshofes beworben haben, die Möglichkeit zu geben, die Gründe für deren Bewer­bung persönlich den Mitgliedern des Bundesrates darzulegen.

Ich möchte allen Bewerberinnen und Bewerbern, die entsprechend dem Einlangen ih­rer Bewerbung zum heutigen Hearing eingeladen wurden, für ihr Erscheinen, auch wenn sie noch nicht im Saal sind, danken.

Ein besonderer Gruß meinerseits gilt der Vizepräsidentin des österreichischen Verfas­sungsgerichtshofes, Frau Dr. Brigitte Bierlein, die heute zu uns gekommen ist. Herzlich willkommen! (Beifall.)

Ich bin überzeugt davon, dass durch ein derartiges Diskussionsforum zwischen den Damen und Herren Kandidaten und den Mitgliedern des Bundesrates eine wichtige Ent­scheidungsgrundlage geschaffen werden kann.

Gleichzeitig möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass diese En­quete lediglich der Information der Parlamentarier dient, weshalb weder meritorische Beschlüsse noch Beschlüsse zum Verfahren gefasst werden können.

Ein Wort zum Procedere des Kandidatenhearings: Was die Namen der Bewerberinnen und Bewerber sowie den Zeitpunkt ihrer Anhörung betrifft, verweise ich auf die vorlie­gende Information, die allen Mitgliedern, die heute anwesend sind, zugegangen ist.

Ich werde jede Kandidatin/jeden Kandidaten einzeln, ohne Beisein seiner Mitbewerbe­rinnen und Mitbewerber, unter Angabe ihres/seines Namens, Geburtsdatums und ih­res/seines derzeitigen Berufes den Damen und Herren des Bundesrates kurz vorstel­len.

Im Anschluss daran wird jede Bewerberin/jeder Bewerber die Gelegenheit erhalten, den Mitgliedern des Bundesrates in einem zeitlichen Rahmen von 5 Minuten jene Gründe darzulegen, die dafür maßgebend sein sollen, dass der Bundesrat gerade sie als geeignetste Kandidatin beziehungsweise ihn als geeignetsten Kandidaten als Mit­glied des österreichischen Verfassungsgerichtshofes vorschlagen möge.

Sodann erhält jede Fraktion die Möglichkeit, der Bewerberin/dem Bewerber eine kurze Frage zu stellen. Inklusive Antworten stehen dafür jeweils 15 Minuten zur Verfügung.

Um die zur Verfügung stehende Zeit bestmöglich nutzen zu können, wird die Enquete lediglich gegen 12 Uhr zur Abhaltung einer Mittagspause bis 13.20 Uhr unterbrochen werden.

(Es folgen technische Mitteilungen.)

10.10.20II. Kurze Selbstvorstellung der Bewerberinnen und Bewerber

sowie

10.10.21III. Fragen der Bundesrätinnen und Bundesräte

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich darf nun den ersten Bewerber, Herrn Dr. Thomas Giefing, in den Sitzungssaal bitten.

10.11.10 Oberregierungsrat Dr. Thomas Giefing

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich darf Herrn Dr. Giefing sehr herzlich begrüßen, ihm für seine Bewerbung danken und ihn kurz vorstellen.

Herr Dr. Giefing wurde am 10. Oktober 1966 geboren und ist seit 2005 Vizepräsident des Unabhängigen Verwaltungssenates im Burgenland.

Ich darf ihn nun höflich ersuchen, uns die Gründe für seine Bewerbung nennen zu wollen, und darf betonen – dies wird auch für alle Mitbewerber gelten –, dass er für sei­ne Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten hat. – Bitte, Herr Dr. Giefing.

 


Dr. Thomas Giefing|: Meine Damen und Herren, ich bin der stellvertretende Vorsitzende des UVS Bur­genland und bin dort auf unbefristete Zeit bestellt. Ich bin an sich Burgenländer, ich bin Mattersburger, bin in Mattersburg in die Schule gegangen, habe dort maturiert und ha­be dort auch einen Wohnsitz.

In meiner bisherigen beruflichen Tätigkeit habe ich mich auf Verfassungsrecht und Ver­waltungsrecht spezialisiert. So war ich zirka sechs Jahre lang wissenschaftlicher Mitar­beiter am Verfassungsgerichtshof und habe dort für die ständigen Referenten Profes­sor Morscher und Dr. Berchtold-Ostermann die Fälle in der Regel bis zur Entschei­dungsreife vorbereitet. Ich kenne daher den Geschäftsgang und das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sehr gut. Es wäre mir daher möglich, ohne längere Einar­beitungsphase Aufgaben am Verfassungsgerichtshof als Referent zu übernehmen, weil ich das wirklich schon gut kenne.

Die erforderliche verwaltungsrechtliche Praxis habe ich mir beim UVS Burgenland an­geeignet. Ich habe dort über 800 Entscheidungen verfasst. Die von mir als Einzelrichter verfassten Entscheidungen wurden bislang noch nie vom Verfassungs- oder Verwal­tungsgerichtshof aufgehoben. Ich bin jetzt etwa knapp sieben Jahre oder sechseinhalb Jahre beim UVS Burgenland.

Der UVS Burgenland ist ein kleiner UVS, was bedingt, dass die Mitglieder sehr viele Verwaltungsmaterien abdecken müssen. So haben wir ungefähr an die 30 verschie­dene Verwaltungsmaterien pro Mitglied abzudecken. Das verschafft uns einen sehr gu­ten Überblick über das Verwaltungsrecht. Ich glaube, das käme mir auch zugute, wenn ich ein Referat beim Verfassungsgerichtshof übernähme.

Schwerpunktmäßig bearbeite ich Ausländerbeschäftigungsrecht, Vergaberecht, Grund­verkehrsrecht, Lebensmittelrecht, Verkehrsrecht und so weiter. Gestern habe ich eine Verhandlung im Pflanzenschutzmittelgesetz geleitet. Also ich decke eine Vielzahl von Verwaltungsmaterien ab.

Ich würde mich als Praktiker bezeichnen, der sehr gerne entscheidet, aber auch sehr gerne wissenschaftlich arbeitet. So habe ich beim Manz Verlag meine Dissertation ver­öffentlicht, habe zu diversen Verfassungs-, Verwaltungs- und gemeinschaftsrechtlichen Themen Aufsätze publiziert. Zuletzt habe ich beim EU-Rechtskommentar – Vertrag von Lissabon – von Professor Mayer als Mitautor mitgewirkt.

Ich bin Jurist mit Leib und Seele. Ich bearbeite und löse gerne schwierige Rechtspro­bleme. Dabei versuche ich, nie an der Oberfläche zu bleiben, sondern den Rechtspro­blemen dogmatisch auf den Grund zu gehen. Eine weitere Eigenschaft von mir ist, dass ich mit den mir gestellten Aufgaben wachse. Ich lerne an sich sehr schnell und fühle mich in der neu gestellten Aufgabe rasch wohl.

Zu meiner Person am Schluss vielleicht noch: Ich bin 44 Jahre alt, bin verheiratet und habe einen dreijährigen Sohn.

 


Präsident Gottfried Kneifel|: Ich danke Ihnen, Herr Dr. Giefing, für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für Fragen zur Verfügung zu stehen.

Als erstem Fragesteller darf ich Herrn Bundesrat Klug das Wort erteilen. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark)|: Ihr Hinweis zum Vertrag von Lis­sabon würde uns im Bundesrat die Gelegenheit bieten, auch ein paar Gesichtspunkte im Zusammenhang damit zu erörtern, aber das ist heute nicht unser Thema.

Ich darf, sehr geehrter Herr Vizepräsident, an Sie die Frage stellen, wie Sie die Einfüh­rung einer mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit aus dem Blickwinkel Ihrer derzeiti­gen Funktion einschätzen, insbesondere wie Sie den Vorteil für den Rechtssuchenden beziehungsweise deren Auswirkungen auf die Dauer der Verfahren einschätzen.

 


Dr. Thomas Giefing|: Die Einführung dieser Verwaltungsgerichtsbarkeit wird schon lange diskutiert. Ich trete natürlich sehr für die Einführung der Verwaltungsgerichtsbar­keit ein und denke, es sind mehrere Vorteile damit verbunden.

Erstens einmal ist das dann konzentriert auf eigentlich neun Landesverwaltungsge­richte, ein Bundesverwaltungsgericht und den Asylgerichtshof, der möglicherweise dann auch übergeht. Das hat einmal eine Verfahrenskonzentration auf diese Gerichte zur Folge, was à la longue auch eine Ersparnis bewirken würde. Es würde ein Richter in all diesen Fällen, die wir auch dann von der Landesregierung zugewiesen bekämen, ent­scheiden. Teilweise entscheiden jetzt „nur“ Maturanten – „nur“ unter Anführungszei­chen, ich will das nicht abwerten –, aber man hätte dann die Gewähr, dass da wirklich Juristen entscheiden.

Es hat sich, glaube ich, bis jetzt auch beim Unabhängigen Verwaltungssenat bewiesen, dass diese Unabhängigkeit von Entscheidungen – also allein schon der Anschein der Unabhängigkeit, dass der Bürger weiß, okay, da gibt es keine Beeinflussungen durch die Politik – à la longue ein höheres Vertrauen in die Verwaltung an sich bringt. Plan ist ja, dass alle Verwaltungsmaterien den Landes- und der Bundesverwaltungsgerichten anvertraut werden, und das ist nur zu begrüßen.

Es gibt jetzt wahrscheinlich auch von außen einen Druck, dass Bundes- und Landes­verwaltungsgerichtshöfe eingefordert werden, und zwar deswegen, weil die Daten­schutzkommission vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg überprüft wird, ob sie den Erfordernissen der Grundrechtecharta entspricht. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist, glaube ich, der Druck von außen sehr groß, dass, abgesehen jetzt von den Diffe­renzen um die Finanzierung, diese Verwaltungsgerichtshöfe à la longue doch kommen.

Es ist so, dass, wenn der Europäische Gerichtshof in Luxemburg einmal entscheidet, sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte à la longue diesen Argumenten anschließen wird, und diese besagen ja, der UVS ist ausreichend als Tribunal einge­richtet im Sinne des Artikels 6 EMRK.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Liegen noch weitere Wortmeldungen vor? – Herr Kollege Mayer, bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg)|: Ich habe eine Frage im Zusammenhang mit dem Föderalismus.

Welcher Stellenwert kommt aus Ihrer Sicht dem föderalistischen Prinzip in unserem Staatsgefüge zu?

 


Dr. Thomas Giefing|: Ich bin auch ein Anhänger des Föderalismus. Ich bin kein so ein Zentralist, obwohl natürlich der Föderalismus auch sein Geld kostet, das ist klar. Das wird auch jetzt immer wieder diskutiert.

Beim Verfassungsgerichtshof nimmt die Verfassung insofern auf den Föderalismus Be­zug, als immer wieder danach getrachtet wird, dass eine bestimmte Anzahl von Mitglie­dern aus den Bundesländern kommt, denn man möchte haben, dass das föderalis­tische Prinzip auch auf diesem Weg gewahrt ist. Man möchte immer auch Leute, teilweise Universitätsprofessoren, aus den Bundesländern haben, die dann auch im Bundesland verbleiben, die dort verwurzelt sind und die auch nicht ständig am Verfas­sungsgerichtshof sein müssen.

Dem föderalistischen Prinzip am Verfassungsgerichtshof wird in unzähligen Entschei­dungen des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen. Ich bitte um Verzeihung, dass ich jetzt nicht sofort Entscheidungen nennen könnte, aber in meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof hat es unzählige Entschei­dungen gegeben, wo dem Föderalismus Rechnung getragen wurde, und ich würde, sollte ich einmal am Verfassungsgerichtshof tätig sein dürfen, natürlich auch versu­chen, diesem Prinzip Rechnung zu tragen.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Nächste Fragestellerin: Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Dr. Giefing, Sie haben schon gemerkt, in der Länderkammer ist Föderalismus ein Thema. In letzter Zeit gab es ja im Zuge der Verwaltungsreform viele Wortmeldungen zu diesem Thema.

Ich darf Sie fragen: Wie sehen Sie, da Sie ja auch aus einem Bundesland kommen, die Stellung der Landtage in Bezug auf eine Verwaltungsreform?

 


Dr. Thomas Giefing|: Ich kenne diese Diskussion, diese berühmte Einsparungsde­batte, dass man die Landtage verkleinern will. Das wäre an sich meines Erachtens kein gutes Signal an die Bevölkerung. Wenn man einen Burgenländer fragen würde, würde er sagen, dass ihm der Landtag sehr wichtig ist, er aber zum Nationalrat in Wien hin­gegen kaum einen Draht oder weniger Assoziationen hat. Es wäre, glaube ich, ein sehr schlechtes Zeichen, jetzt die Landtage zu verkleinern. Zumindest habe ich diesen Ein­druck im Burgenland.

Der Landtag ist relativ klein. Wenn man die Landtage verkleinert, würde man wahr­scheinlich auch kleinen Parteien wenig Raum bieten können, dass sie ihr demokra­tisches Recht ausüben können. Ich bin da etwas skeptisch, wollte man die Landtage antasten.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Herr Oberregierungsrat Dr. Giefing, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. Da ich keine Wortmeldungen mehr er­halten habe, bedanke ich mich bei Ihnen für Ihr Kommen.

*****

Ich darf nun den nächsten Kandidaten, Herrn Rechtsanwalt Dr. Kurt Retter, in den Sit­zungssaal bitten.

10.24.16 Rechtsanwalt Dr. Kurt Retter, LL.M

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich begrüße Herrn Dr. Kurt Retter und möchte ihn kurz vorstellen.

Herr Dr. Kurt Retter wurde am 12. September 1968 geboren. Er ist seit 2001 Rechtsan­walt und Partner bei Wolf Theiss sowie der Leiter der kanzleiweiten Praxisgruppe Öf­fentliches Wirtschaftsrecht und Vergaberecht beziehungsweise Mitglied der Jury für den Wolf Theiss Award.

Ich ersuche Herrn Dr. Retter, uns die Gründe seiner Bewerbung um die Mitgliedschaft beim österreichischen Verfassungsgerichtshof nennen zu wollen, und möchte ihn bit­ten, ein zeitliches Limit von 5 Minuten im Auge zu behalten. – Bitte, Herr Rechtsanwalt.

 


Dr. Kurt Retter, LL.M|: Sie erwähnten den Wolf Theiss Award, den wir heute vergeben. Also das ist meine heutige Abendveranstaltung, diesen Preis an ein paar junge Wis­senschafter zu vergeben.

Zunächst vielen Dank für die Möglichkeit, Ihnen meinen Lebenslauf und meine Bewer­bung kurz darstellen zu dürfen. Wenn ich jetzt gleich kurz einen Bogen über meinen Lebenslauf spannen darf, werden Sie daran ersehen, dass sich Verfassungsrecht mehr oder weniger wie ein roter Faden durch meinen Lebenslauf zieht.

Ich habe meinen beruflichen Werdegang 1990, vor nunmehr 20 Jahren, am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien begonnen. Dort war ich zunächst ein Jahr lang Studienassistent, dann Universitätsassistent. In dieser Zeit habe ich mei­ne ersten Publikationen veröffentlicht, unter anderem zum Thema „Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung durch den Beitritt zur Europäischen Union“.

Insgesamt war ich an der Uni sechs Jahre tätig, habe auch Verfassungsrecht unterrich­tet und habe in dieser Zeit auch meine Dissertation über die Selbstverwaltung durch die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft und durch die Wirtschaftskammerorga­nisationen fertiggestellt und publiziert.

Gleichzeitig habe ich auch Gutachten zu verschiedenen Themen verfasst, zum Bei­spiel – im Parlament ein durchaus spannendes Thema – über die damalige Abspaltung des Liberalen Forums und die Frage der Zulässigkeit der Klubbildung. Das war sehr in­teressant damals. Es gab eine Gutachterschlacht, und man sieht an diesem Beispiel sehr schön, wie Juristerei zu verschiedenen Ergebnissen kommen kann. Der Gutach­terstand war, glaube ich, fünf zu vier, das war also ein knappes Match sozusagen.

Während dieser Zeit habe ich ein Jahr meine Tätigkeit unterbrochen, um in Amerika an der Yale Law School zu studieren, eine Schule in Amerika, die sehr stark dem Verfas­sungs- und Verwaltungsrecht verschrieben ist. Ich habe dort unter anderem Vorträge gehört von Harry Blackmun, einem der renommiertesten Verfassungsrichter, der we­sentliche Entscheidungen verfasst hat für den US Supreme Court, aber auch zum Bei­spiel von Dieter Grimm, damals Bundesverfassungsgerichtsrichter, oder auch von Des­mond Tutu, damals Bischof in Südafrika. Also es war eine sehr interessante und inspi­rierende Zeit, in der ich mich sehr stark auch mit Verfassungsvergleichung beschäfti­gen konnte.

Zurückgekommen nach Wien habe ich meine Anwaltsausbildung begonnen, war drei Jahre Konzipient und habe mein Gerichtsjahr absolviert. In dieser Zeit habe ich ein bisschen mehr auch in anderen Gebieten gemacht: Familienrecht, Gesellschaftsrecht, Unternehmensrecht, also eine etwas breitere Palette.

Schließlich bin ich nach der Anwaltsprüfung noch für einen Abstecher in die Wirtschaft gegangen, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob ich die Anwaltschaft wirklich auf Dauer betreiben will, und war eineinhalb Jahre beim Vorstand der Allianz Versicherung tätig, was einem Juristen durchaus gut ansteht, einmal ein Unternehmen internationaler Struktur von innen gesehen zu haben. Also ich bin sehr froh, dass ich das seinerzeit machen konnte.

Ich habe mich in dieser Zeit mit interessanten juristischen Fragen auseinandergesetzt. Sie kennen sicherlich noch das Entschädigungsfondsgesetz aus der damaligen Zeit. Da ging es unter anderem darum, sicherzustellen, dass die Versicherer im Rahmen des Versicherungsverbandes auch ihre Zahlungspflichten einhalten werden, und diese Lösung habe ich während dieser Zeit mehr oder weniger juristisch begleitet.

Danach hat es mich endgültig in die Anwaltschaft gezogen, und ich bin jetzt seit genau zehn Jahren Anwalt und Partner bei Wolf Theiss. Um kurz zu wiederholen, was der Herr Vorsitzende schon erwähnt hat: Ich bin Leiter unserer Praxisgruppe Öffentliches Wirtschafts- und Vergaberecht und setze mich in unserer Kanzlei standortübergreifend mit diesem Thema auseinander. Das heißt, ich bearbeite nicht nur Fragen im österrei­chischen Recht, sondern auch in anderen Rechtsordnungen. Wir haben nicht nur in Wien unseren Standort mit 150 Juristen, sondern haben auch elf Büros von der Ukrai­ne bis Belgrad, von Slowenien bis Ungarn und Tschechien. Also es ist eine sehr reich­haltige Tätigkeit, die wiederum sehr viel an Rechtsvergleichung ermöglicht.

Zuletzt vielleicht noch kurz ein Bogen über die Tätigkeiten, die ich im Rahmen der Kanzlei ausübe. Zunächst Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht – Sie haben in der Be­werbungsunterlage ein paar exemplarische Fälle kurz aufgelistet –, auch Europarecht spielt eine starke Rolle, gerade auch im Rahmen der grenzüberschreitenden Arbeit; dort zum Beispiel Datenschutz, Umweltrecht, Compliance. Andere Stichworte wären zum Beispiel Bank- und Versicherungsrecht, Telekommunikationsrecht, Medizinrecht.

Dieses öffentlich-rechtliche Gebiet, öffentliches Wirtschaftsrecht, das ich mit dieser Gruppe betreue, ist sehr weit gespannt und gibt einem sehr viele Möglichkeiten, auch neue Terrains zu erkunden, wie zum Beispiel zuletzt das 3. Energieliberalisierungspa­ket, das Sie zu begutachten hatten und wo noch gewartet wird, dass das Gaswirt­schaftsgesetz endlich beschlossen wird, das, glaube ich, noch im Nationalrat hängt, aber auch Themen wie zum Beispiel Stammzellenforschung, Gentechnik. Also sehr in­teressante, spannende Themen.

Insgesamt ist meine Motivation, wie Sie sehen, dadurch zu begründen, dass sich Ver­fassungsrecht, Verwaltungsrecht, öffentliche Themenbereiche wie ein roter Faden durch meinen Lebenslauf ziehen. Ich würde mich daher freuen, wenn diese Faszina­tion, die ich gegenüber dem Verfassungsrecht schon immer hatte, dadurch einen „krö­nenden Abschluss“ – unter Anführungszeichen – fände, dass Sie mir die Gelegenheit geben, auch Verantwortung für die Wahrung der Verfassung als Verfassungsrichter zu übernehmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf Ihre Fragen.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich danke Ihnen, Herr Dr. Retter, für Ihre Ausführungen und bitte Sie nun, für Fragen der Bundesrätinnen und Bundesräte zur Verfügung zu stehen.

Erster Fragesteller: Herr Bundesrat Gruber. – Bitte.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg)|: Herr Dr. Retter, ich habe Ihre Unterla­gen ziemlich genau studiert, und bei uns würde man sagen: Sie tragen fast eine juristi­schen Bauchladen an Interessensgebieten vor sich her.

Mich würde aber interessieren: Wie sehen Sie als Rechtsanwalt das Sessionensystem des VfGH? Ist es noch zeitgemäß? Würden Sie sich für eine Beibehaltung dieses Sys­tems aussprechen? Welche Verbesserungen betreffend die Arbeit des VfGH würden Sie aus der Sicht eines Anwaltes als dringend notwendig erachten?

 


Dr. Kurt Retter, LL.M|: Das Sessionensystem hat seinen Grund auch in der verfas­sungsrechtlich angelegten Zusammensetzung. Das heißt, der Bundesverfassungsge­setzgeber hat aus meiner Sicht eine bewusste Entscheidung getroffen, in der Zusam­mensetzung auch andere Berufsstände außerhalb der Richterschaft, wie zum Beispiel Anwälte, dazuzunehmen.

Ganz anders ist es in Deutschland. Ich habe das interessanterweise im Sommer in Alp­bach mit dem Herrn Kirchhof diskutieren können, der lange Mitglied des Deutschen Bundesverfassungsgerichtes war. Die haben nicht nur eine zeitliche Limitierung, son­dern haben auch keine Anwälte im Verfassungsgericht. Er hat mir auch gesagt, es ist für ihn schon auch interessant, dass hier eine Perspektive hineinkommt, die ein Be­rufsrichter, der bestimmten Themengebieten verpflichtet ist, der aus einem gewissen Denken kommt, natürlich nicht so kennt. Ein Anwalt geht anders an Themen heran, in­dem er natürlich advokatorisch für seinen Mandanten, für den Betroffenen denkt.

Das heißt, um es von dorther zu beantworten: Ich halte die Teilnahme auch eines Be­rufsstandes wie der Anwälte für sehr wichtig in unserem System. Das Schwierige ist natürlich die Vereinbarkeit, und die ist auch nur dann gegeben, wenn man ein Ses­sionensystem hat, sodass derjenige, den man im Rahmen einer Systementscheidung bewusst an den VfGH geholt hat, das wirklich auch weiter ausüben kann. – Das wäre meine Antwort auf die erste Frage.

Die Asylgerichtsbarkeit wäre für mich gleich der Aufhänger, den, glaube ich, der VfGH, wie Frau Präsidentin Bierlein aus leidvoller Erfahrung selbst weiß, immer wieder ins Spiel bringt, auch im letzten Jahresbericht aus 2010. Das Problem, wenn man hier et­was verbessern wollte, wäre natürlich, das aufzugreifen, was schon letztes Jahr im Rahmen eines Ministerialentwurfs aus dem Bundeskanzleramt, sofern ich mich richtig erinnere, gekommen ist, nämlich zum Beispiel in Richtung Landesverwaltungsgerichte zu denken. Da sind, glaube ich, auch zwei Bundesverwaltungsgerichte in dem Entwurf dabei gewesen.

Wo der steht, ob der jetzt wieder kommt oder nicht, weiß ich nicht, aber eine derartige Entlastung wäre, glaube ich, dringend geboten, was einem klar wird, wenn man sich die puren Zahlen anschaut, die man ja nachlesen kann. Ich glaube, im letzten Jahr wa­ren es 4 100 Asylfälle und insgesamt an die 3 000 andere Fälle. Also der VfGH be­schäftigt sich – und da sind wir wieder beim Grundkonzept, was der Verfassungsge­richtshof eigentlich sein sollte – mit einem Hauptthema, das eigentlich nicht sein Haupt­metier ist aus dem verfassungsrechtlichen System heraus. Er macht das sehr gut – wenn man sich die Erledigungszeiten anschaut, sind sie gleichgeblieben –, aber es ist eigentlich nicht seine Aufgabe. Schauen wir uns zum Beispiel an, wie viele Fälle ein US Supreme Court im Jahr abhandelt! Das geht sicher nicht in die Tausende, das sind Hunderte, und dort landen wirklich nur jene Fälle, die für die Grundordnung als Verfas­sungsleben sozusagen wesentlich sind.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Nächster Fragesteller: Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg)|: Ihren Ausführungen in Ihrer kurzen Vor­stellung war zu entnehmen, dass Sie sehr aktiv sind: innerhalb der Kanzlei Leiter der Praxisgruppe „Öffentliches Wirtschafts- und Vergaberecht“, Lehraufträge, laufende Vortragstätigkeiten an der Uni in Wien und so weiter. Da stellt sich natürlich zwangs­läufig die Frage: Welche zeitliche Kapazität, welche Arbeitskapazität könnten Sie dem Verfassungsgerichtshof noch zur Verfügung stellen, auch im Hinblick auf die Funktion eines ständigen Referenten?

 


Dr. Kurt Retter, LL.M|: Wir haben in Wien 150 Juristen, und bevor ich meine Bewer­bung abgeschickt habe, habe ich natürlich innerhalb der Partnerschaft ein Votum durchgeführt – das ist aufgrund unserer Gesellschafterstruktur auch geboten –, und al­le meine Partner haben dieser Bewerbung zugestimmt. Das heißt, es wäre gerade auf­grund unserer Größe mit 150 Juristen möglich, hier auch relativ kurzfristig Umschich­tungen zu treffen. Mit 150 Juristen geht das auch vergleichsweise einfacher als in an­deren Kanzleien, die eine kleinere Struktur haben, die laufende Mandate haben, die sie kündigen müssten, denn Ersatz findet man nicht so leicht. Bei, wie gesagt, 150 Juristen allein in Wien geht das sehr viel einfacher.

Ich bin bei uns auch der Co-Head unserer Gruppe, wir haben einen zweiten Head of Regulatory & Procurement – wie es bei uns sitzungsintern heißt – für öffentliches Wirt­schaftsrecht und Vergaberecht, der relativ kurzfristig auch viele Aufgaben übernehmen kann. Genau das war auch ein Punkt, warum ich intern meine Partner um Zustimmung gebeten habe, und das ist intern auch so akkordiert, dass das durchaus eine Möglich­keit ist, dass man hier auch schnell umschichten kann.

Inhaltlich, muss ich sagen, habe ich durch meine insgesamt sechs Jahre Assistenten­zeit an der Uni und auch durch die Arbeit im Verfassungsrecht danach, glaube ich, das Rüstzeug.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Nächste Fragestellerin: Frau Kollegin Mühlwerth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Dr. Retter! Wenn man in so vielen Aufgabengebieten tätig ist, dann hat man ja tatsächlich einen ganz guten Überblick über die einzelnen Materien, was für die Bewerbung als Verfassungs­richter grundsätzlich nicht schaden kann.

Mich würde interessieren: Wie sehen Sie die Stellung der zweiten Kammern, der öster­reichischen im Besonderen, sprich dem Bundesrat, in Gesamteuropa, vor allem nach dem Lissabon-Vertrag?

 


Dr. Kurt Retter, LL.M|: Mit einem Wort: aufgewertet! Wenn man sich die Subsidiari­tätsrüge ansieht – Sie haben ja, glaube ich, im Oktober, sofern ich mich richtig erin­nere, eine erste einmal beschlossen –, dann merkt man schon, da kommt mehr in Be­wegung. Außerdem war es – Sie wissen es besser als ich –, ich glaube, das zweite Mal in der Geschichte, dass Sie einen Initiativantrag ins Parlament eingebracht haben, und zwar zur Reformierung im Hinblick auf die Zusammenarbeit bei den Gemeinden.

Das heißt, wenn ich es einmal sozusagen in Form einer Captatio benevolentiae fassen will: Sie haben selbst wieder einen Schritt gemacht, Ihre bestehenden Kompetenzen vermehrt auszunutzen und ein heißes Eisen anzufassen, das sonst eher ein bisschen brachliegt, nämlich die Verwaltungsreform, um dort einen konkreten Schritt zu setzen.

Also das ist für mich das eine, dass Sie selbst Ihre Kompetenzen verstärkt ausnutzen, denn es gibt einige. Auf der anderen Seite ist es so, dass Sie auch mehr Möglichkeiten haben – auch nach dem Vertrag von Lissabon und nach der Verfassungsänderung, die im Herbst, sofern ich mich richtig erinnere, war – und solche Instrumente wie die Sub­sidiaritätsrüge auch tatsächlich ausführen und davon Gebrauch machen.

Also das ist für mich beiderseits sozusagen ein Zeichen, das das in die richtige Rich­tung geht. Als Student wundert man sich immer ein wenig, man lernt nur vom National­rat, und irgendwann kommt man drauf, dass es ein zweites Haus gibt. Ich war schon als Student immer zuhören im Nationalrat auf der Galerie, aber auf die Idee, in den Bundesrat zu gehen, wäre ich gar nicht gekommen, denn in der Perzeption damals in den frühen achtziger Jahren hat man gedacht, es geschieht eh alles im Nationalrat. Aber genau diese beiden Beispiele sind für mich ein Zeichen dafür, dass es wirklich in die richtige Richtung geht, dass man ein Zwei-Kammern-System hat. Und wenn ich das auch rechtsvergleichend sehe aus meinen Studien in den USA, so kann ich sagen: Dort ist es gang und gäbe, dass das Repräsentantenhaus und der Senat auch entge­gengesetzte Akzente setzen können.

Dass es natürlich realpolitisch immer eine gewisse Frage ist, wie das durch die Ver­flechtung auch wirklich möglich ist, ist wieder etwas anderes, aber ich glaube, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Zeichen sind für mich sehr gut gesetzt in Richtung einer Belebung des Parlamentarismus durch eine Aufwertung des Bundesrates, die durchaus geboten ist.

Außerdem ist es, um auch das noch kurz zu sagen, ein wesentlicher Bestandteil des qualifizierten Verfassungsrechtes, denn wenn es wirklich einmal in Richtung einer Bun­desstaatsreform geht, dann sind natürlich gerade die Stimmen, die eine Abwertung des Bundesrates fordern, an starke Grenzen gebunden, weil gerade dort natürlich der VfGH gefordert sein wird, zu sagen, wo genau die Grenzlinie im Hinblick auf eine Ge­samtänderung der Bundesverfassung ist, was man gerade noch darf, ohne eine Ge­samtänderung und damit eine Volksabstimmung auszulösen.

Also ich glaube, der Bundesrat ist da auch verfassungsrechtlich durch das qualifizierte Verfassungsrecht ganz gut geschützt.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Das war ein gutes Schlusswort, Herr Dr. Retter. Ich merke das an der Körpersprache der Kolleginnen und Kollegen. (Heiter­keit.)

Herzlichen Dank für Ihr Erscheinen und für die Abgabe Ihrer Bewerbung. Ich danke Ih­nen vielmals. Auf Wiedersehen!

*****

Ich ersuche nunmehr, den nächsten Bewerber, Herrn Rechtsanwalt Mag. Werner Sup­pan, in den Saal zu bitten.

10.40.10 Rechtsanwalt Mag. Werner Suppan

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße Herrn Rechtsanwalt Mag. Werner Suppan, danke ihm für seine Bewer­bung und stelle ihn kurz vor.

Mag. Werner Suppan wurde 1963 in Klagenfurt geboren. Er ist seit 1988 Rechtsanwalt und hat seit 1994 eine eigene Kanzlei.

Herr Mag. Suppan, ich ersuche Sie, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, wobei ich empfehle, für die Ausführungen ein zeitliches Limit von 5 Minuten vorzuse­hen. – Ich bitte Sie um Ihre Stellungnahme.

 


Mag. Werner Suppan|: Grüß Gott, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vor­sitzender! Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Ich danke für die Einladung zu diesem Hearing in den Bundesrat, in den Bundesratssitzungssaal. Ich komme gerade von ei­nem Expertenhearing des Europarates, wo wir unter anderem erörtert haben, dass es ja neben Österreich nur drei weitere EU-Staaten gibt, die eine derartige föderale Struk­tur haben wie Österreich und wo der Föderalismus eine derartige Bedeutung hat wie in Österreich, nämlich Belgien, Spanien und Deutschland. Insofern ist also der Bundes­rat – oder der Föderalismus, dessen Spitze ja der Bundesrat ist – nicht nur eine we­sentliche verfassungsrechtliche Einrichtung, sondern auch ein Spezifikum, das Öster­reich von vielen, vielen anderen Ländern unterscheidet.

Damit bin ich auch schon mitten im Thema meiner Bewerbung für das Amt als Verfas­sungsrichter. Wie der Herr Vorsitzende schon gesagt hat, komme ich aus Kärnten, ha­be dort meine Jugend verbracht, habe am Ende meiner Jugend, wenn man so will, zwei Mal die Gelegenheit gehabt, Bundesobmann von Jugendorganisationen zu sein und auch auf diese Weise Österreich, seine Bundesländer und deren Eigenheiten ken­nenzulernen. Ich habe dann in Wien studiert, bin nach meinem Studium in eine Kanzlei eingetreten, als Schüler sozusagen bei Dr. Michael Graff, der in diesem Hause ja auch kein Unbekannter ist. Ich habe dort schon sehr früh mit Verfassungsrecht zu tun ge­habt. Ich durfte damals noch bei den letzten Anlassfällen der sogenannten Aufhebung der Ruhensbestimmungen für die damalige vorzeitige und für die allgemeine Alterspen­sion mitmachen.

Sonst habe ich in der Folge eine eigene Kanzlei gegründet und neben wirtschafts­rechtlichen und allgemeinen Tätigkeiten immer wieder versucht, einen Schwerpunkt auch im Verfassungsrecht zu setzen. Ich mache natürlich Bescheidbeschwerden, Indi­vidualanträge, aber auch – das ist vielleicht etwas exklusiver – die eine oder andere Wahlanfechtung. Wenn man die Aktenzahlen des Verfassungsgerichtshofes anschaut, ist das ja etwas, was eher selten vorkommt.

Inhaltlich gesehen ist diese Befassung mit dem Verfassungsrecht auch durchaus sehr breit. Das eine sind, wie gesagt, Wahlanfechtungen. Aktuell habe ich mir die Studien­ordnung auf der Wirtschaftsuniversität und die Frage vorgenommen, ob da gegen das Universitätsgesetz verstoßende Zugangshürden enthalten sind. Die Harmonisierung von Beamtenpension und ASVG-Pension beziehungsweise Anrechnungsfragen sind Themen. Die Parkpickerlzone bei der Stadthallengarage war eines meiner Themen – leider ist man da meinen Argumenten im Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt. So ver­suche ich, sehr breit Themen dieser Art anzugehen, auch beim Verfassungsgerichts­hof.

Ich selbst war neben meiner beruflichen Anwaltstätigkeit von früh an immer wieder in Kollegialorganen tätig, also bei Vereinen, in politischen Organisationen, aber auch zum Beispiel in der Landeswahlbehörde oder der Bundeswahlbehörde habe ich in den letz­ten Jahren Funktionen als Ersatzmitglied innegehabt. Ich sehe diese Arbeit in einem Kollegialorgan oder auch in einem Schiedsgericht als eine Qualität an, die man natür­lich lernen muss, die man erleben muss, die aber auch eine Qualität und eine Erfah­rung sein kann, die man in den Verfassungsgerichtshof, der ja wohl das bedeutendste Kollegialorgan unser Rechtsordnung in diesem Sinne ist – ohne dass ich jetzt den Bun­desrat oder den Nationalrat abschwächen möchte, aber er ist in seiner Größe wohl schon einer, wo andere Strukturen greifen –, durchaus einbringen kann.

Was ich natürlich auch einbringen kann und möchte, ist die Erfahrung der täglichen Ar­beit mit Klienten und Anliegen der Rechtssuchenden. Der Gesetzgeber hat sich ja et­was dabei gedacht, dass er die Möglichkeit eröffnet hat, dass neben Professoren, Spit­zenbeamten und Richtern auch Anwälte Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes wer­den können und auch ihren Beruf beibehalten können. Ich glaube, diese Überlegung zielt auch darauf ab, nicht, dass die Anwälte den Professoren die Weisheiten erklären, sondern dass sie ihr anderes Lebensbild in die Beratungen des Verfassungsgerichts­hofes, natürlich auf möglichst höchster juristischer Ebene, einbringen können, aber auch ihr Erleben und ihre Erfahrungen.

In diesem Sinne bewerbe ich mich um diese Stelle und würde mich freuen, wenn Sie mich dafür als geeignet und qualifiziert hielten. Aber ich nehme an, es wird dazu noch die eine oder andere Frage geben.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich danke Ihnen, Herr Rechtsanwalt, für Ihre Ausführungen. Ich darf Sie nun ersuchen, noch für einige Fragen zur Verfügung zu stehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien)|: Grüß Gott! Herr Magister, wie sehen Sie als Rechtsanwalt das Sessionssystem des Verfassungsgerichtshofes? Ist das noch zeitgemäß? Sprechen Sie sich für eine Beibehaltung dieses Systems aus?

Und noch eine Frage: Welche Verbesserung ist aus Sicht des Rechtsanwaltes betref­fend die Arbeit des Verfassungsgerichtshofes dringend notwendig?

 


Mag. Werner Suppan|: Zum Sessionensystem sage ich einmal sehr persönlich: Als Anwalt, der in Wien seinen Sitz hat, kann ich mit jedem System leben, auch wenn das Sessionensystem abgeschafft werden sollte.

Ich möchte hier nur eine Lanze für den Verfassungsgerichtshof auch dahin gehend brechen, als da ja oft mitklingt, dazwischen hackeln sie nix – salopp gesagt. Ich glaube erstens, dass sich die Erledigungsrate des Verfassungsgerichtshofes sehr gut mit der des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes messen kann, zum an­deren geschieht ja zwischen den Sessionen sehr viel. Also glaube ich, dass es keine grundsätzliche Ablehnung des Sessionensystems geben muss. Wenn der Gesetzge­ber – das sind Sie – meint, das sei zu ändern, dann wird man auch damit umgehen kön­nen.

Was ich aber schon glaube, ist, dass man ein Auge auf die Belastung des Verfas­sungsgerichtshofes haben muss. Er soll ja doch die Spitze unserer Gerichtsbarkeit sein und nicht mit Bagatellfällen in zu großem Ausmaß gefüllt werden. Da gibt es natürlich Ideen – Stichwort Landesverwaltungsgerichtsbarkeit –, die hier möglicherweise zu ei­ner Entlastung führen können, und das halte ich für wesentlich wichtiger als eine Frage der Änderung des Sessionensystems.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich)|: Herr Mag. Suppan, Sie haben gesagt, dass es sehr sinnvoll ist, auch als Rechtsanwalt im Verfassungsgerichtshof mitzuarbeiten. Können Sie sich vorstellen, Ihre berufliche Tätigkeit mit der Tätigkeit im Verfassungsgerichtshof zu vereinbaren beziehungsweise sehen Sie für sich auch eine Möglichkeit, ein ständiges Referat zu übernehmen? – Das ist die eine Frage.

Zum anderen: Sie haben in Ihrem Eingangsstatement das föderale System erwähnt, und dem Bundesrat ist gerade dieses föderale System sehr wichtig. Wie sehen Sie die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, dieses föderale System auch im Hinblick auf eine Verwaltungsreform wahrzunehmen?

 


Mag. Werner Suppan|: Zum einen: Ich führe eine sehr flexible und überschaubare Kanzleistruktur – wir sind zwei Anwälte und zwei weitere Juristen –, deshalb bin ich je­derzeit in der Lage, eine Tätigkeit zu übernehmen. Wenn ich ein Amt im Verfassungs­gerichtshof übernehme, dann selbstverständlich nicht mit halber Kraft, sondern wenn man zum Referenten gewählt würde oder gefragt würde, das zu machen, ist das zu übernehmen. Dazu bin ich bereit.

Zu meiner Kanzleistruktur kann ich sagen – das ist ja immer die Grundfrage, wie orga­nisiert man Anwaltskanzleien richtig, macht man es mit 200 Personen oder sollen es fünf sein, ist es einer allein oder sind es zwei; ich war auch in der Vergangenheit und bin auch jetzt in meiner beruflichen Tätigkeit mit solchen Fragen konfrontiert –: Wenn sozusagen die große Causa kommt – und das kommt immer wieder vor, ich bin auch im Moment mit einer großen Causa sehr befasst, die mich auch körperlich sehr viel aus Wien abwesend sein lässt –, dann funktioniert das sehr gut: Den operativen Teil über­nimmt meine Kanzleipartnerin mit den Konzipienten, und als Kleinkanzlei muss ich, wenn man so sagen will, nicht jeden Monat dafür Sorge tragen, einige zigtausend Euro an Mitarbeitergehältern zu erwirtschaften, sondern kann sehr konkret und sehr flexibel in der Sache arbeiten. Das ist das eine.

Das Zweite: der Föderalismus. Da ist einmal die historische Betrachtung für mich ganz wesentlich, dass die Republik Österreich ja zweimal von den Bundesländern gegründet wurde, und das ist ein wesentlicher Aspekt. Der Föderalismus hat in unserer Bundes­verfassung eine ganz entscheidende Rolle, er ist ein ganz wesentlicher Grundpfeiler, und ich glaube, im Verfassungsgerichtshof muss man bei allen Reformdiskussionen dieses föderale Prinzip, dieses Grundprinzip, sollte es hier zu Reformen kommen und sollten diese Reformen, von wem auch immer, an den Verfassungsgerichtshof heran­getragen werden, unter diesem föderalen Gesichtspunkt sehen.

Das ist zumindest meine persönliche Ansicht, weil ja doch auch in der Juristerei immer wieder Wertungen einfließen. Und das wäre meine Wertung.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Mag. Suppan, Sie haben gesagt, der Verfassungsgerichtshof soll nicht mit jeder Bagatelle befasst wer­den. Jetzt könnte man ein bisserl zynisch sagen, in den letzten Jahren sind sehr viele Gesetze in den Verfassungsrang erhoben worden, was ja dann den Weg zum Verfas­sungsgerichtshof praktisch ausschließt.

Wie sehen Sie diese Tatsache, dass es sehr viele Gesetze waren, die in den Verfas­sungsrang erhoben worden sind?

 


Mag. Werner Suppan|: Ich erinnere mich noch ganz gut an das Match in den achtziger Jahren um die Taxikonzessionen – ich glaube, es war in den achtziger Jahren oder An­fang der neunziger Jahre –, als es ein Ping-Pong zwischen dem Gesetzgeber und dem Verfassungsgerichtshof gegeben hat. Ich glaube, das ist keine gute Kultur. Wir haben eine Struktur, wo es wesentliche Grundfragen gibt, und diese wesentlichen Grundfra­gen gehören in den Verfassungsrang. Darunter gibt es Dinge, die meines Erachtens nicht zwingend im Verfassungsrang stehen müssen, was aber nicht heißt, dass nicht in jedem Gesetz ein oder zwei wesentliche Aspekte enthalten sind, die vor allem aus der föderalen Betrachtung möglicherweise einer Verfassungsbestimmung bedürfen. Trotz­dem, glaube ich, sollte man die Verfassung der Verfassung überlassen und nicht die ein­fachgesetzlichen Materien zu sehr mit Verfassungsrechten zuzementieren, zumal alles ja trotzdem auch am Maßstab der EU-rechtlichen Vorgaben zu messen ist.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Herzlichen Dank, Herr Mag. Suppan.

Ich stelle fest, dass es seitens der Bundesrätinnen und Bundesräte keine Wortmeldun­gen mehr gibt.

Ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen und danke auch für Ihr Kommen und Ihre Bewerbung.

*****

Ich darf nun darum bitten, den nächsten Kandidaten, Herrn Mag. Klaus Rieger, in den Sitzungssaal zu holen.

10.54.50Rechtsanwalt Mag. Klaus Rieger

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Herrn Mag. Klaus Rieger. Ich danke ihm herzlich für seine Bewerbung und darf ihn kurz vorstellen.

Herr Mag. Klaus Rieger wurde am 21. Dezember 1962 geboren. Im Jahr 2009 arbei­tete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Pott & Partner in Schladming.

Herr Mag. Rieger, ich ersuche Sie nun, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, wobei ich empfehle, für die Ausführung eine zeitliche Begrenzung von 5 Minuten vorzu­sehen. – Bitte, Herr Magister.

 


Mag. Klaus Rieger|: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Bundes­räte! Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Ich möchte mich nur kurz vorstellen. Da in so einer kurzen Frist natürlich keine vollständige Vorstellung möglich ist, habe ich mir lange überlegt, was ich hier zum Besten geben könnte. Ich habe mir überlegt, ob ich jetzt eine programmatische Rede hinsichtlich des österreichischen Verfassungsrechtes schwingen soll, aber ich glaube, das ist nicht das, worum es geht.

Ich bin eigentlich, kann man sagen, ein „klassischer“ Jurist: ganz normale Schulbil­dung, Gerichtsjahr. Während des Gerichtsjahres hat mich der Beruf des Anwalts zu faszinieren begonnen. Ich habe nach dem Gerichtsjahr in Graz und Voitsberg eigent­lich eine Stelle in der Steiermark gesucht, doch da hat es damals sehr schlecht ausge­schaut. Ich habe mich gefragt, was ich machen soll, und habe bei der Wiener Rechts­anwaltskammer angerufen. Drei Wochen später war ich Konzipient in Wien. Ich bin zwei Jahre in Wien geblieben und dann zurück in meinen Heimatbezirk nach Voitsberg gegangen. Ich habe dort meine Konzipientenzeit beendet und bin sofort nach der An­waltsprüfung in meiner Ausbildungskanzlei Partner geworden. Danach war ich fünf Jahre in einer Partnerschaft mit dem Kollegen Peißl in Köflach.

Ich habe dann meine eigene kleine Kanzlei mit zwei Sekretärinnen gegründet und die­se bis 1997/1998 geführt. Dann habe ich, muss ich sagen, schon aufgrund von Über­lastung überlegt, etwas anderes zu tun. Ich habe meine Kanzlei geschlossen, sie ei­nem Kollegen übergeben und mich in verschiedensten Bereichen – das war jetzt nicht nur juristisch, sondern vor allem sprachlich und auch sonst – weitergebildet. Ich wollte einfach etwas anderes machen.

Ich habe zwischenzeitig bei einem Kollegen als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbei­tet, der mir zwar eine Partnerschaft – das war der Kollege Pott in Schladming –ange­boten hat, aber wir sind da nicht ganz zusammengekommen. Ich habe mir gedacht, das kann es nicht sein, das ganze Leben, obwohl es ein sehr schöner Beruf ist, als Anwalt zu arbeiten. Ich habe mich jetzt umzuschauen begonnen und eigentlich mit großer Freu­de vernommen, dass die Stelle als Verfassungsrichter ausgeschrieben ist.

Wenn ich jetzt so die Namen meiner Mitbewerber gesehen habe, muss ich gestehen, dass ich kein richtiger verfassungsrechtlicher Kapazunder bin, ich möchte Ihnen aber erklären, wieso ich meine, dass ich trotzdem der Beste oder einer der Besten für diese Aufgabe bin.

Ich habe jetzt, inklusive Konzipientenzeit und sonstiger Zeit, 20 Jahre in allen Berei­chen des österreichischen Rechts gearbeitet. Ich habe mich nicht besonders spezia­lisiert – ich habe eine Einzelkanzlei geführt oder mit einem Partner zusammengearbei­tet, also ich bin nicht aus einer Riesenwirtschaftskanzlei –, habe mich mit einem ge­wissen Fokus – ich habe meine damalige Wohngemeinde Bärnbach vertreten – auf öf­fentliches Wirtschaftsrecht spezialisiert, auch relativ viel in der Raumordnung gemacht, dann auch viele Bauträger vertreten und Bauträgerangelegenheiten abgewickelt.

Diametral dazu – das passt vom Recht her nicht so zusammen – habe ich relativ viel im Migrationsbereich gemacht. Wir haben teilweise einen sehr hohen Ausländeranteil gehabt. Vor allem aus Afrika waren zeitweise im Bezirk Voitsberg sehr viele Asylwer­ber, und ich habe in diesem Bereich relativ viele vertreten, auch über Vermittlung der Gemeinde, die sich da auch ein bisserl engagiert hat.

Was ist es jetzt, was mich zum Verfassungsrichter befähigt? – Ich hoffe, ich ernte jetzt kein Gelächter, aber sagen wir es einmal so: Ich bin politisch völlig unabhängig. Also wirklich, wenn ich Verfassungsrichter werden würde, bin ich an sich dem Gesetz ver­pflichtet und meiner Aufgabe.

Ich komme aus einer – ich sage es ganz offen –, nennen wir es einmal so, schwarzen Familie. Meine Eltern waren beide in der Personalvertretung im ÖAAB tätig, aber das hat nicht wahnsinnig auf mich abgefärbt, muss ich ganz offen sagen. Also prinzipiell bin ich unabhängig und an sich nur dem Gesetz verpflichtet.

Ich sehe die Aufgabe des Verfassungsrichters als absoluten Fulltime-Job, würde auch gerne ständiger Referent werden und nebenher allfällig – wenn es sich zeitlich aus­geht – schon wissenschaftlich arbeiten. Aber ich bin der Ansicht, eine Anwaltskanzlei zu führen und zusätzlich als Verfassungsrichter tätig zu sein, als ständiger Referent, wird schwer möglich sein. Das kann sich einfach zeitlich nicht ausgehen. Wir wissen es alle, 60 Stunden sind vielleicht okay, das sind wir gewohnt, aber mehr wird es nicht sein.

Sie werden sich fragen: Wie sieht Mag. Rieger den Verfassungsgerichtshof? Was ist für ihn der Verfassungsgerichtshof? – Ich sage jetzt ganz einfach: Er ist für mich ir­gendwie der ruhende Pol in der österreichischen Rechtsordnung; ein Ausgleichsins­trument. Er ist ein Instrument, in das die Bevölkerung sehr viel Vertrauen und, ich will jetzt nicht sagen, Ehrfurcht setzt, und er soll auch im Verhältnis Länder/Bund, glaube ich, ein ausgewogenes Verhältnis schaffen.

So sehe ich den Verfassungsgerichtshof. Ich sehe ihn nicht als politisches Instrument, sondern im Endeffekt rein dem Recht verpflichtet.

Das sind an sich kurz meine Gedanken über mich selber. Ich bedanke mich für die Auf­merksamkeit und freue mich auf Ihre Fragen.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich danke Ihnen, Herr Mag. Rieger, für Ih­re Vorstellung.

Zu einer Frage zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Lampel. – Ich bitte Sie, Herr Mag. Rieger, dafür zur Verfügung zu stehen.

 


Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland)|: Sehr geehrter Herr Mag. Rieger, eine Frage haben Sie schon teilweise beantwortet, nämlich welche Bedeutung für Sie der Verfassungsgerichtshof heutzutage hat. Aber gibt es Ihrer Ansicht nach auch auffällige Lücken oder Defizite in diesem Rechtsschutzsystem?

 


Mag. Klaus Rieger|: Ich denke da insbesondere an die Ausführungsgesetzgebung in Österreich und die sehr lange Verfahrensdauer im Europäischen Menschenrechtsge­richtshof, an eine Individualbeschwerde hinsichtlich Geltendmachung von Grundrechts­verletzungen – jetzt im breiten Bereich Strafverfahren natürlich, wo es in letzter Zeit auch in der Presse teilweise angedacht worden ist, ich sage nur Fall Elsner und was auch immer.

Es ist jetzt sicher zu überlegen, ob sich der österreichische Gesetzgeber entscheidet, den Grundrechtsschutz in diesem Bereich vollkommen an ein europäisches Gericht abzugeben oder ob er das selber in die Hand nimmt. Ich finde, gewisse Sachen, die man trotz EU selber regeln kann, sollte man schon im Land behalten. Man müsste letztendlich die Organisation ändern, weil wenn man jetzt noch zusätzlich eine Indivi­dualbeschwerde im Grundrechtsbereich zulässt, dann würde, glaube ich, allein durch den Anfall an Asylsachen, der Verfassungsgerichtshof ganz einfach in Arbeit ersticken.

Organisationsvorschläge, wie auch immer, ich habe mir das einmal überlegt: Prinzipiell entscheidet der Verfassungsgerichtshof im Plenum. Alles schön und gut. Man könnte sich aber, glaube ich, in diesem Fall organisatorisch schon überlegen – ich weiß nicht, ob die Frau Vizepräsidentin das nachvollziehen kann (in Richtung der anwesenden VfGH-Vizepräsidentin Dr. Brigitte Bierlein) –, kleinere Senate zu bilden, um jetzt, ich will jetzt nicht sagen, Massenverfahren mit derselben juristischen Qualität abhandeln zu können wie eben andere große Gesetzesprüfungs- oder sonstige Verfahren.

Ich sage es jetzt ganz hart: Sind wirklich 14 Verfassungsrichter zur Bewertung eines individuellen Grundrechtseingriffs notwendig? – Ich glaube es nicht. Das sage ich ganz offen. Also diesbezüglich denke ich, wenn man organisatorisch umschichten würde, könnte man sich auch Gutes in dem Bereich vorstellen.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dr. Brunner. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg)|: Sehr geehrter Herr Magis­ter, eine Vorbemerkung, weil Sie die Parteiunabhängigkeit so betont haben: Wir gehen natürlich davon aus, dass jeder der Kandidaten dann sein Amt unabhängig machen würde.

Aber meine Frage geht in eine andere Richtung. Die Verwaltungsreform ist ein Dauer­brenner, gerade was auch uns im Bundesrat betrifft. Im Zuge dieser Diskussionen gibt es auch immer wieder den Ruf nach Kompetenzverschiebungen innerhalb des Bun­desstaates – aktuell gerade im Bereich Bildung, aber auch im Bereich Gesundheit.

Wie sehen Sie solche Kompetenzverschiebungen, und wie sehen Sie in diesem Zu­sammenhang die Zukunft des Bundesstaates, auch was Kompetenzverschiebungen be­trifft?

 


Mag. Klaus Rieger|: Meiner Ansicht nach ist groß nicht immer gut, nennen wir es ein­mal so. Es kommt auf die Strukturen an. Wir wissen alle, der Budgetdruck ist, glaube ich, in Österreich jetzt extrem – nicht nur in Österreich. Andererseits ist jetzt die Kom­petenzverteilung nicht im Sinne von verfassungsrechtlichen Theorien versteinert; das meine ich nicht. Also der Gesetzgeber hat immer die Möglichkeit, etwas zu ändern.

Man muss sich jetzt aber, glaube ich, sehr genau anschauen, ob im Endeffekt eine Re­gionalisierung oder eine Zentralisierung wirklich den Erfolg bringt, der jetzt erwünscht ist. Im Bereich Gesundheitswesen nenne ich zum Beispiel die Krankenanstalten: Weil die Last der Krankenanstalten in sehr großem Umfang im Endeffekt auf den Ländern liegt, sollten sie letztendlich auch darüber entscheiden können. Da könnte ich mir eine Kompetenzverschiebung sehr gut vorstellen.

Verschiebt man die gesamte Kompetenz, also Grundsatzgesetzgebung, Ausführungs­gesetzgebung, Verordnungen, Vollziehung, auf die Länder, stellt sich die Frage – und das ist letztendlich keine rechtliche Frage, sondern es ist, glaube ich, eher eine politi­sche Frage –: Wollen die Länder das im Endeffekt? – Wenn sie es wollen, auch im Sin­ne, ich sage es jetzt ganz einfach, eines Europas der Regionen, auch im Sinne der Ge­setzesinitiative des Bundesrates – das ist jetzt nicht auf das Gesundheitswesen oder was auch immer beschränkt –, wollen offensichtlich die Länder mehr Kompetenzen ha­ben.

Ich bin absolut dafür, den Ländern mehr Kompetenzen zu geben. Vielleicht ist das so­zusagen ein altes Leiden – nennen wir es einmal so – des wilden Bergvolkes über dem Semmering, dass mit gewisser Skepsis in manchen Bereichen nach Wien geschaut wird. Deswegen bin ich rein von meiner persönlichen Einstellung her sicherlich Föderalist und keineswegs ein Zentralist.

Ich kann mir das im Verwaltungsbereich sehr gut vorstellen, weil große Behörden, die für das ganze Land entscheiden, meiner Ansicht nach durch die schiere Größe – nen­nen wir es einmal so – eine Eigendynamik entwickeln, die nicht mehr effizient ist. Ich bin eher ein Verfechter kleinerer Einheiten.

Ein ganz ein anderes Beispiel: Bei einem kleinen Bezirksgericht wird oft diskutiert, es abzuschaffen. Ich habe lange in dem Bereich gearbeitet. Das Bezirksgericht Voitsberg ist nicht so klein, hat aber dreieinhalb bis vier Richter. Was ich gesehen habe, ist, dass dieses kleine Gericht wesentlich effizienter, schneller in der Entscheidungsfindung, im direkten Zugang war als das große Gericht.

Ich glaube, das könnte man auch auf andere Materien übertragen und durchaus den Ländern mehr Aufgaben zuteilen. Natürlich müssen es die Länder wollen, und sie müs­sen auch die finanziellen Ressourcen dafür haben.

Insgesamt zur Verwaltungsreform möchte ich sagen: Wie gesagt, jetzt durch Ihre Ini­tiative geht es sozusagen wirklich los – wenn ich das etwas salopp ausdrücken darf – hinsichtlich Bezirksverwaltungsbehörden, Gemeinden. Ich habe mir das jetzt so ein biss­chen überlegt, ich glaube, die ersten Verwaltungsreformbestrebungen sind vor 30 Jah­ren virulent geworden, nennen wir es einmal so. Ich kann mich erinnern, vor 30 Jah­ren – ich weiß es jetzt, weil ich mein 30-jähriges Matura-Treffen habe – habe ich Matu­ra gemacht. Also so lange ist es her. Es ist, glaube ich, schon an der Zeit, einfach da­mit zu beginnen, in welche Richtung auch immer. Weil wenn man nicht etwas in die Hand nimmt und etwas beginnt, dann – hart gesagt – geht sicher nichts weiter.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Mag. Rieger. Ich darf da gleich bei meinen Vorrednern anschließen. Wir haben nicht nur das „Pro­blem“ – unter Anführungszeichen – Bund/Länder, wo es sehr oft so ist, dass die Länder vom Bund das Geld bekommen und dann sagen: Ansonsten redet ihr uns nichts drein!, sondern wir haben ja noch die nächste Ebene, und die heißt Länder und Gemeinden. Da ist es oft so, dass die Länder beschließen, etwas zu tun, ein Spital zu bauen oder was auch immer, und die Gemeinden müssen es dann betreiben. Das heißt, ohne dass sie die Mitsprache haben, müssen sie für die Kosten und für die Ressourcen aufkom­men.

Wie könnte im Zuge einer Verwaltungsreform eine Kompetenzaufteilung zwischen Län­dern und Gemeinden aussehen?

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Herr Mag. Rieger, bitte.

 


Mag. Klaus Rieger|: Ich gehe davon aus, dass die Grundsatzgesetzgebung der Lan­desebene schon auf Landesebene bleiben sollte. Im Prinzip sollte auch die Ausfüh­rungsgesetzgebung rein vom Gesetz her im Endeffekt schon beim Land bleiben, um ei­ne gewisse Einheit herbeizuführen beziehungsweise zu behalten.

Wenn man sich das jetzt auf unterer Ebene ansieht – natürlich nicht abwertend ge­meint gegenüber den Gemeinden –: Die konkreten Ausführungsbestimmungen – sa­gen wir jetzt einmal Verordnung dazu, im Endeffekt – müsste meiner Ansicht nach schon der tatsächliche Betreiber, zum Beispiel einer Krankenanstalt, ausführen.

Das ist eine extrem schwierige Materie. Man müsste dann einfach gesetzlich so etwas wie einen Finanzausgleich zwischen Ländern und Bund auch zwischen Land und Ge­meinden herbeiführen. Ob jetzt vom Land sozusagen verordnet mittels Gesetz – das wird, glaube ich, schwer möglich sein, weil ich weiß nicht, ob die Gemeinden dann wirk­lich mitziehen würden. Ich weiß auch nicht, ich bin kein Politiker, ob Sie sich vorstellen können, das im Sinne – passt jetzt nicht so gut, ist etwas ganz anderes – eines 15a-Ver­trages oder was auch immer zwischen Ländern und Gemeinden zu regeln. Das würde beide, Land und Gemeinden, sozusagen – unter Anführungszeichen gesehen – „zwin­gen“, darüber zu verhandeln.

Ich sehe da keinen großen Unterschied zwischen Bund/Land und Land/Gemeinden. Man könnte die Regeln, die sich bewährt haben – natürlich angepasst –, auch auf die nächste Ebene verschieben und ganz einfach sagen: Wenn wir schon vom Land her im Prinzip alles bezahlen müssen beziehungsweise nichts mehr vom Bund bekommen, so hart es klingt, dann haben wir auch die Möglichkeit, unsere Gesetze diesbezüglich zu regeln und mit unseren Partnern, den Gemeinden, den Städten, Krankenhausbetrei­bern, mit wem auch immer, Verträge abzuschließen.

So sehe ich das, dass jetzt ein Finanzausgleich nicht zwischen Bund und Ländern so­zusagen festgemeißelt ist, wobei – das, glaube ich, müsste schon verbleiben – trotz Selbstverwaltung eine Aufsichtskompetenz der Länder schon notwendig ist, um sozu­sagen wirklich Richtlinien für den Betrieb vorzugeben. Aber eine komplette Zersplitte­rung ist, glaube ich, auch nicht das Richtige.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich stelle fest, dass es keine Fragen mehr an Herrn Mag. Rieger gibt.

Deshalb bedanke ich mich für die Beantwortung der Fragen sehr herzlich. Auch für Ihre Bewerbung und für Ihr Kommen herzlichen Dank.

*****

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich ersuche, die nächste Bewerberin in den Saal zu bitten, und zwar Frau Ing. Mag. Margit Schneider, MBA.

11.15.51Ing. Mag. Margit Schneider, MBA

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich begrüße sehr herzlich Frau Ing. Mag. Margit Schneider. Ich darf für Ihre Bewerbung danken und Sie kurz vorstellen.

Frau Ing. Mag. Schneider wurde am 1. Jänner 1967 geboren, ist als Beamtin des rechts­kundigen Verwaltungsdienstes beim Amt der Kärntner Landesregierung tätig und wur­de 2007 zur Sachgebietsleiterin für den Bereich Umweltverträglichkeitsprüfung bestellt. Seit 2009 ist Frau Ing. Mag. Margit Schneider Mitglied des Umweltsenates.

Ich ersuche Sie, Frau Magistra, uns nun die Gründe für Ihre Bewerbung mitzuteilen, und möchte Sie in diesem Zusammenhang auch darauf aufmerksam machen, dass wir ein zeitliches Limit von 5 Minuten vereinbart haben. Ich bitte Sie, das auch einzuhalten. – Bitte.

 


Ing. Mag. Margit Schneider, MBA|: Zunächst möchte ich mich einmal bedanken, dass ich eingeladen wurde, denn es ist nicht selbstverständlich, dass man zu einer Bewer­bung für den Verfassungsgerichtshof zugelassen wird. Das ist schon ein weiter Weg für einen Juristen, dass er überhaupt vor Ihnen hier stehen darf.

Ich habe mir einfach gedacht, ich möchte es versuchen, mich zu bewerben. Es wäre für den Verfassungsgerichtshof sicherlich einmal eine innovative Lösung, jemanden aus dem Lande zu nehmen, der aus einem ganz anderen Bereich als dem wissen­schaftlichen und konkret juristischen Bereich kommt, weil ich ja eher eine sehr breit ge­streute Persönlichkeit bin.

Egal, ob es mein politischer Weg war – ich möchte hier, was eben in der Kurzvor­stellung des Herrn Präsidenten nicht wirklich so vorgekommen ist, auch klarstellen, dass ich Landtagsabgeordnete der SPÖ im Land Kärnten war und aus allen politischen Funktionen ausgeschieden bin. Das heißt, ich habe auch eine technische Ausbildung, nämlich HTL für Maschinenbau, und eine wirtschaftliche Ausbildung, und dadurch bin ich eher auf breiteren Beinen und nicht auf den wissenschaftlichen Beinen. Ich denke mir, vielleicht wäre das eine Möglichkeit, auch einmal jemanden einzubringen, der eher denkt wie ein Bauer in mehreren Bereichen als jemand, der denkt wie der hochwissen­schaftliche Jurist.

Da es ohnehin in dem Sinn ein Senat ist, denke ich mir, dass viele Seiten abgedeckt sein sollten und ich da eine neue Möglichkeit einbringen könnte. Ich denke, es wäre auf jeden Fall eine Win-win-Situation für alle Seiten.

Ich bedanke mich auch in dem Sinn für die Möglichkeit der persönlichen Vorstellung, denn es ist einfach für mich als Juristin ein Schritt in die richtige Richtung, dass ich sagen kann: Ich bin so weit, dass ich die Voraussetzungen habe, und da sind sehr viele Juristen nicht so weit und andere Menschen, die die juristische Ausbildung nicht haben, natürlich nicht zugelassen von Gesetzes wegen. – Danke.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Ich danke Ihnen, Frau Magistra, für die kurze Vorstellung und die Gründe, warum Sie sich für dieses hohe Amt bewerben wol­len.

Zu Wort gemeldet hat sich dazu Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile es ihm.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark)|: Sehr geehrte Frau Magister, Sie ha­ben sicherlich auch schon gehört, dass im Zuge der Darstellungen von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes immer wieder diskutiert wird: Na ja, waren alle dersel­ben Meinung, gab es andere Meinungen? Und wenn ja, welche? – Meine konkrete Frage daher an Sie: Wie stehen Sie zu mehr Transparenz im Zuge der Verkündung der Erkenntnisse beziehungsweise auch der Darstellung von abweichenden Meinungen?

 


Ing. Mag. Margit Schneider, MBA|: Ich darf dazu sagen, dass ich in mehreren Kom­missionen tätig bin und wir Entscheidungen treffen, die gemeinschaftlich entschieden werden. Dabei gibt es immer wieder schwere Diskussionen über die Inhalte. Das heißt, man ist sich nicht immer einig. Wenn man sich einig ist, ist es eine klare Sache.

Als Beispiel: Wenn ich heute in einer Prüfungskommission bin und ich habe einen Prüf­ling, der ausgezeichnet ist, dann kann ich Ihnen sagen, dass ich als Vorsitzende be­reits die Note „Sehr gut“ hineingeschrieben habe und meine Beisitzer abnicken wer­den. Wenn ich aber eine Situation habe, die äußerst kritisch ist, die mit vielen Fragezei­chen behaftet ist, dann gibt es auch bei der einfachsten Prüfungskommission, wo die Entscheidung eigentlich nicht so schwierig ist, bei der Frage, ob jemand genügend oder eben nicht genügend gekonnt hat, oft sehr lange Diskussionen.

Wenn ich jetzt zum Beispiel auf den Umweltsenat eingehe, wo es noch viel komplexer ist, wo die rechtlichen Situationen genau abgewogen werden, wo man selber in der Diskussion mit den anderen oft etwas dazulernt, wo man erkennt, nein, man hat sich verrannt, man ist in der falschen Richtung, man muss seine Gedanken ordnen und einen neuen Weg beschreiten, dann ist es, glaube ich, nicht gut, wenn einmal diese in­terne Diskussion nach außen geht, weil das eher eine Schwächung des Gremiums in sich hat.

Natürlich gibt es Rechtssysteme im anglo-amerikanischen Raum, wo man ganz gerne sagt: Nein, es war fünf zu vier und ich war dagegen, ich war der Gescheitere und wenn es andere Gescheitere gegeben hätte, dann hätten wir mehrheitlich eine andere Ent­scheidung gemacht.

Ich denke nicht, dass es für ein so hohes Gremium positiv ist, dass es öffentlich dis­kutiert, dass es allenfalls seinen Präsidenten nach außen kritisiert, dass dieses Gre­mium sagt: Na ja, aber eigentlich ist der nicht gar so gut in der Argumentation und ich bin ja viel besser. Ich denke, dass ein derartiger Gerichtshof wie der Verfassungsge­richtshof doch in seinen Mitgliedern, auch wenn einer eine andere Meinung im Detail hat, einheitlich sprechen sollte. Das ist meine Meinung dazu.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Danke, Frau Magistra. – Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg)|: Frau Mag. Schneider, Sie kommen ja aus dem Verwaltungsbereich. Ich habe deshalb eine Frage, was den Verwaltungsbereich an­belangt, und natürlich dann auch noch eine Frage, was den Verfassungsgerichtshof an­belangt.

Das Regierungsübereinkommen sieht die Einführung einer mehrstufigen Verwaltungs­gerichtsbarkeit vor, die Einführung von Verwaltungsgerichten erster Instanz auf Bun­des- und auf Landesebene. Wie beurteilen Sie die Pläne der Bundesregierung?

Und die zweite Frage lautet: Welche aktuellen verfassungsrechtlichen Herausforderun­gen sehen Sie kurz- oder mittelfristig auf den Verfassungsgerichtshof zukommen?

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Bitte, Frau Magistra.

 


Ing. Mag. Margit Schneider, MBA|: Die Landesgerichtshöfe würde ich durchaus befür­worten. Ich glaube auch, dass der UVS eine gute Institution war und ist, weil es wird dann eben in diesen Bereichen sein, wo man heute eben den UVS nicht bedenken kann.

Ich denke, dass es sehr wohl auch wichtig ist, dass die Verwaltung in manchen Be­reichen wegkommt von der Weisungsgebundenheit, dass die Entscheidung wirklich auf juristischer Ebene stattfindet. Ich würde es sehr wohl begrüßen, wenn es unabhängige Verwaltungsgerichtshöfe im Lande gäbe. Ob es tatsächlich durchgeführt wird … – wir diskutieren das ja schon über Jahrzehnte. Ich habe schon öfters daran gedacht, es wäre schön, wenn einer kommen würde. Aber oft glaube ich an diese Veränderungen nicht, weil es doch auch innerhalb der Besoldungen eine Erhöhung bringen würde – ich gehe jetzt einmal davon aus – und die Überführung der alten Beamten auch eine schwierige finanzielle Situation darstellen würde.

Aus juristischer Sicht wünsche ich es mir, ich weiß nicht, ob es budgetär dann wirklich kommen wird.

Was als Herausforderung auf den Verfassungsgerichtshof zukommen wird? – Das nächste Thema wird sicherlich die Kärntner „Volksabstimmung“ – unter Anführungszei­chen – werden, die ja keine ist. Andere Themen liegen im budgetären Ausgleich, The­men, die die Universitäten anbelangen und so weiter, da werden sicherlich auch Sa­chen herangetragen werden. Auch dass man heute über die Familienbeihilfe eine Ses­sion durchführen sollte, ist medial bekanntgegeben, der Alleinverdienerabsetzbetrag ist ebenfalls ein Thema. Also diese Dinge, die jetzt tatsächlich die Bevölkerung treffen, werden immer mehr Sache, und das sicherlich im steuerrechtlichen Bereich; und im Bereich des Wahlrechts natürlich die Kärntner – ich weiß nicht, was das ist – Abstim­mung.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Danke, Frau Magistra.

Es gibt noch eine Wortmeldung von Frau Kollegin Mühlwerth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrte Frau Mag. Schneider, Kurz und bündig meine Frage: Wie stehen Sie zu der immer wieder erhobenen Forde­rung nach Abschaffung der Landtage und des Bundesrates beziehungsweise deren Verkleinerung?

 


Ing. Mag. Margit Schneider, MBA|: Da ich Landtagsabgeordnete a.D. bin, bin ich kla­rerweise gegen die Abschaffung der Landtage und auch gegen die Abschaffung des Bundesrates. Ich glaube auch, dass es eine positive Sache ist, dass wir auf mehreren Ebenen eine Gesetzgebung haben. Ich denke auch, dass es eben Bereiche gibt, die in den Ländern anders erledigt werden sollten. Natürlich gibt es Themen, die man auf Bundesebene bringen könnte, etwa den Jugendschutz. Trotzdem, ich bin nicht der Ab­schaffer irgendwelcher Foren, das ist nicht meine politische Philosophie, sondern ich äußere meine persönliche Meinung. Im Übrigen hat der Bundesrat ja auch noch über­prüfende Funktion.

 


Vorsitzender Präsident Gottfried Kneifel|: Frau Mag. Schneider, ich darf Ihnen für die Beantwortung der Fragen herzlich danken. Auch für Ihre Bewerbung und Ihr Kommen bedanke ich mich sehr.

*****

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth| (den Vorsitz übernehmend): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich setze die Sitzung fort und ersuche nun den nächsten Mitbewerber, Herrn Dr. Albin Larcher, in den Saal zu kommen.

11.28.52Dr. Albin Larcher

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Ich begrüße Herrn Dr. Albin Larcher in unserer Mitte, danke ihm sehr für seine Bewerbung und darf ihn kurz vor­stellen.

Herr Dr. Albin Larcher wurde am 22. Juni 1967 geboren. Er ist seit 2004 stellvertre­tender Vorsitzender des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol und außerdem seit 2005 Vorsitzender der Verwaltungsoberkommission der Kranken- und Unfallfürsorge der Landesbeamten sowie seit 2009 Vorsitzender der Disziplinarkommission beim Amt der Tiroler Landesregierung.

Ich ersuche nun Herrn Dr. Larcher, uns die Gründe für seine Bewerbung zu nennen, und darf ihm empfehlen, das zeitliche Limit von 5 Minuten im Auge zu haben. – Bitte, Herr Dr. Larcher.

 


Dr. Albin Larcher|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Ab­geordnete! Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Zwei ganz wichtige Kriterien der Verfas­sungsgerichtsbarkeit sind zum einen eine ausgewogene berufliche Repräsentanz des Verfassungsgerichtshofes und zum anderen auch die territoriale Verteilung der Mitglie­der.

Zur beruflichen Ausgewogenheit möchte ich kurz darauf hinweisen, dass derzeit der Großteil der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes entweder über einen universitä­ren oder einen bundesdienstlichen Hintergrund verfügt. Aus dem Bereich der Landes­verwaltungen beziehungsweise der mittelbaren Bundesverwaltung ist derzeit nur ein Mitglied am Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof.

Bei der räumlichen Verteilung, bei der territorialen Präsenz ist es ähnlich. Zwei Drittel der Mitglieder stammen salopp formuliert aus dem Großraum Wien, und das west­lichste Mitglied stammt aus Oberösterreich, aus Linz. Vor diesem Hintergrund möchte ich ganz kurz meine Eignung darlegen.

Ich bin seit nunmehr 17 Jahren in der Landesverwaltung. Ich habe die meiste Zeit mei­ner Dienstzeit mit hoheitlichen Verfahren vollbracht. Ich habe fast alle Bereiche der Landes- und Bundesverwaltung gesehen. Ich bin seit nunmehr etwas mehr als zehn Jahren am Unabhängigen Verwaltungssenat, und mit zu meinen Tätigkeiten gehört es auch, Maßnahmen zu Schubhaftbeschwerden – aktuell weit über hundert – zu erledi­gen.

Maßnahmen zu Schubhaftbeschwerden sind ein unmittelbarer und sehr lebhafter Zu­gang zum Verfassungsrecht. Ich glaube, im Zusammenhang mit meinen wissenschaft­lichen Publikationen, die vom Grundrechtsschutz bis zum Unionsrecht reichen, darf ich auf meine Bewerbungsunterlagen und meine Publikationsliste verweisen. Ich glaube doch, dass sie einen recht bezeichnenden Hintergrund oder Fußabdruck meines rechts­wissenschaftlichen Hintergrundes darlegen.

Ich möchte aber ganz kurz noch einen zweiten Aspekt erwähnen. Wenn man den Jah­resbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2010 anschaut, so ist das ins Au­ge springendste Element das Anfluten der asyl- und fremdenrechtlichen Fälle. Von 5 133 Neuzugängen im Jahr 2010 waren 2 911 Beschwerden aus dem Bereich des Asylrechts. Das sind immerhin 56 Prozent.

Seit meiner Tätigkeit als Referatsleiter auf der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck bin ich mit fremdenrechtlichen Problemen und Sachverhalten befasst. Als Schubhaft judi­zierendes Mitglied eines Unabhängigen Verwaltungssenates ist aber auch das Asyl­recht mein ständiger Wegbegleiter.

Als Mitglied einer Landesverwaltung bin ich für den Fall der Bestellung zwingend zu ka­renzieren. In Kenntnis meiner persönlichen Leistungsbereitschaft und in Anbetracht dieser Situation der Überflutung mit asyl- und fremdenrechtlichen Akten sehe ich aber gerade hier eine Möglichkeit, mich sehr rasch und auch leistungsstark in den Verfas­sungsgerichtshof einzubringen. – So viel einleitend.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Herzlichen Dank für Ihre Aus­führungen. Ich darf Sie nun bitten, für die Fragen zur Verfügung zu stehen.

Als Erster hat sich zu einer Fragestellung Herr Bundesrat Gruber gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg)|: Sehr geehrter Herr Dr. Larcher, da Sie Ihr Interesse für den Verfassungsgerichtshof durch Ihre Bewerbung bekunden, möchte ich Sie fragen: Welche Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes in letzter Zeit halten Sie für richtungsweisend? Welche Signale wurden Ihrer Meinung nach damit an den Gesetzgeber ausgesandt?

 


Dr. Albin Larcher|: Ich denke, einer größeren Diskussion zugegangen sind die Ent­scheidungen zum Thema Bleiberecht. Das ist eine Entscheidung, die sehr breit ist und immer wieder zu Diskussionen führt, wobei hier das Ermessen des Verfassungsge­richtshofes etwas eingeengt wird durch die Vorgaben in der Judikatur des Europäi­schen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das zum einen.

Zum anderen, was jetzt vielleicht nicht so allgemein bekannt ist, aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jahrelang eine klare Judikatur zum Thema Dop­pelbestrafung gehabt, und von der ist er in letzter Zeit abgegangen. Hier hat auch der Verfassungsgerichtshof reagiert, und hier ist auch wieder viel in Bewegung gekommen, was die Verwaltung im täglichen Alltag betrifft. Aber in den politischen Diskussionen oder in der gesellschaftlichen Position ist es, glaube ich, derzeit sicher auch der fremdenrecht­liche Aspekt.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Danke vielmals.

Zu einer weiteren Fragestellung hat sich Herr Bundesrat Keuschnigg zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol)|: Herr Dr. Larcher, der Kapitalismus ist in Österreich in sehr starker Diskussion, vor allem durch den Beitritt Österreichs zur Euro­päischen Union und den Vertrag von Lissabon. Es ist auch durch die Verwaltungsre­form sehr vieles im Fluss durch die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Sie bewerben sich als ein Mitarbeiter einer Landesverwaltung.

Wie sehen Sie die Mitwirkung von Mitgliedern der Landesverwaltungen an der Verfas­sungsgerichtsbarkeit und besonders im Lichte dieser persönlichen Bewerbung?

 


Dr. Albin Larcher|: Wenn wir alle die Gesamtheit unserer Erfahrungen sehen, so stehe ich für praxisorientierte, langjährig erfahrene Betrachtungsweise ein. Föderalismus sind Dinge, die man einerseits natürlich im legistischen Bereich lebt, andererseits sehr oft im Vollziehungsbereich – Stichwort mittelbare Bundesverwaltung.

Was den Föderalismus selber betrifft, so denke ich, wenn man alle Ebenen anschaut, sind wir derzeit in einer sehr dynamischen Phase. Föderalismus, die Aufgaben der Län­der, die Aufgaben des Bundes – auch im Hinblick auf die dazugehörende Finanzvertei­lung – sind derzeit ganz starke Diskussionsthemen.

Es gibt einen Kernbereich der Länder, der wichtig ist. Nur, man muss auf der anderen Seite sagen, es gibt auch gewisse Materien, die zwar landesgesetzlich geregelt sind, wo aber der Steuerungsbereich der Länder sehr gering ist.

Als Beispiel darf ich vielleicht das Bauproduktewesen hervorheben. Jedes Land hat ein eigenes Gesetz, mit dem es Bauprodukte regelt. – Ich glaube nicht, dass das der Kern­bereich des Föderalismus, der Landesgesetzgebung sein sollte.

Gemeindeordnungen, Raumordnungen, Naturschutz, das sind so die Kernbereiche, bei denen eigentlich die Kompetenz bei den Ländern liegen sollte. Das ist auch der Be­reich, den ich als Mitglied an den Verfassungsgerichtshof einbringen könnte und möch­te: die Betrachtungsweise der Landesverwaltungen, insbesondere aus jenen Bereichen, wo sie ihre Kernkompetenzen haben.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Zu einer weiteren Frage­stellung hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Dr. Larcher, Sie ha­ben jetzt schon recht ausführlich über Verwaltungsreformen in Bezug auf Länder und Gemeinden Auskunft gegeben.

Meine Frage an Sie: Welchen Stellenwert hat der Bundesrat für Sie als zweite Kammer im Parlament?

 


Dr. Albin Larcher|: Checks and Balances im verfassungsrechtlichen Sinne, wenn man den letzten Beschluss des Bundesrates ansieht, bei dem der Bundesrat erstmals ein Gesetz an den Nationalrat zugewiesen hat, ist natürlich eine begrüßenswerte lebendi­ge Rolle. Aus Sicht der Landesverwaltungen muss man ehrlich sagen, die Damen und Herren Bundesräte sind uns näher, da sie von den Landtagen entsandt werden, als viele Nationalratsabgeordnete. Insofern, muss man ehrlich sagen, ist der Bundesrat aus Sicht der Landesverwaltungen doch ein uns nahestehendes Gremium, um es so zu formulieren. Und der letzte aktuelle Beschluss, ein Gesetz dem Nationalrat zuzuwei­sen, ist natürlich ein starkes Lebenszeichen.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Danke vielmals.

Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann bedanke ich mich sehr herzlich, Herr Dr. Larcher, für die Beantwortung der Fra­gen und für Ihr Kommen.

*****

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche jetzt die Sitzung für eine Mittags­pause. Die Sitzung wird um 13.10 Uhr fortgesetzt.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Enquete wird um 11.37 Uhr unterbrochen und um 13.09 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die unterbrochene Sitzung unseres Hearings wieder auf und ersuche darum, unseren nächsten Kandidaten, Herrn Landtagsdirektor Dr. Peter Buß­jäger, in den Saal zu bitten.

13.09.20 Landtagsdirektor Univ.-Doz. Dr. Peter Bußjäger

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Ich begrüße Herrn Landtags­direktor Dr. Bußjäger in unserer Mitte, und ich möchte Sie nun kurz vorstellen.

Herr Direktor Dr. Bußjäger wurde am 4. Mai 1963 geboren. Er ist seit 1987 Bedienste­ter des Landes Vorarlberg und seit 2003 Landtagsdirektor.

Ich ersuche Sie nun, Herr Landtagsdirektor, uns die Gründe für Ihre Bewerbung nen­nen zu wollen, wobei ich Ihnen durchaus empfehle, für Ihre Ausführungen ein Limit von 5 Minuten ins Auge zu fassen. – Bitte.

 


Dr. Peter Bußjäger|: Sehr geehrte Frau Präsidentin, das werde ich gerne tun. Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ich darf mich kurz vorstellen: Mein Name ist Peter Bußjäger, ich komme aus Vorarlberg, bin verheiratet, habe eine Tochter, die heute die Matura bestanden hat. Also dieses „Projekt“ ist erledigt. (Beifall.)

Ich habe in Innsbruck Jus studiert, war einer der Ersten, die nach der neuen Studien­ordnung promoviert haben, und bin 1987 in den Vorarlberger Landesdienst eingetre­ten. Ich habe dort zunächst eine Verwaltungslaufbahn eingeschlagen und schließlich mit 28 Jahren die Funktion eines Stellvertretenden Bezirkshauptmannes innegehabt. Dann bin ich in die Abteilung Gesetzgebung gewechselt, was sich insoweit als bestim­mend für mein weiteres Berufsleben erwiesen hat, als ich dort mit den Angelegen­heiten der Bundesstaatsreform betraut wurde. Dieses Thema hat mich auch seither nicht mehr losgelassen, also seit 1992, kann man sagen.

Ich habe mich neben dem Beruf in der Folge habilitiert, wie es dann auch nahelag zum Thema „Verwaltungsreform“ und zum Thema „Bundesstaatsreform“. Der Titel der Habi­litationsschrift lautet: „Die Organisationshoheit und Modernisierung der Landesverwal­tungen“.

Im Jahre 2000 wurde ich an der Universität Innsbruck für Verfassungsrecht und Ver­waltungsrecht und Verwaltungslehre habilitiert. Ich habe dann im Jahr 2001 die Leitung des Instituts für Föderalismus übernommen. Mein Vorgänger war der weitum sehr bekannte Professor Peter Pernthaler. 2003 habe ich mich in der Landesverwaltung in­soweit beruflich verändert, als ich zum Direktor des Vorarlberger Landtages bestellt wur­de. Diese Funktion übe ich, wie die Präsidentin auch gesagt hat, seither aus.

Für mich war ein ebenfalls sehr wichtiges Ereignis der Österreich-Konvent. Ich war im Rahmen des Österreich-Konvents mit der Leitung der Arbeitsgruppe betreffend Kom­petenzverteilung betraut. Man sagt immer wieder, der Österreich-Konvent ist geschei­tert, aber die Eindrücke und die Informationen und das Wissen, das wir alle dort erlangt haben, waren sehr bestimmend.

Im Jahre 2006 wurde ich dann auch Richter am Verwaltungsgerichtshof in Liechten­stein und bin in dieser Funktion etwas aufgestiegen, 2009 zum Mitglied des Staatsge­richtshofes in Nachfolge von Professor Heinz Schäffer, der leider frühzeitig verstorben ist.

Warum ich mich um die Funktion bewerbe, ist ganz einfach deshalb, weil ich glaube, dass ich doch in einer sehr guten Weise die Anforderungen von Praxis und Wissen­schaft miteinander vereinigen kann. Von meinem beruflichen Background her glaube ich, dass ich die Kriterien sehr gut erfüllen würde.

Natürlich ist es völlig klar, dass diese Funktion eines Mitglieds des Verfassungsge­richtshofes der Traum jedes Verfassungsjuristen ist. Es wäre eine tolle Herausforde­rung für mich, und es wäre natürlich sehr schön, wenn diese Bewerbung von Erfolg ge­krönt wäre.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Herzlichen Dank für Ihre Aus­führungen. Ich darf Sie nun bitten, auch noch für die Fragen zur Verfügung zu stehen, und darf als ersten Fragesteller Herrn Bundesrat Klug um seine Fragen bitten.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark)|: Sehr geehrter Herr Landtagsdirek­tor, die 5 Minuten wären in diesem Kreise nicht notwendig gewesen, so bekannt sind Sie auch den Bundesrätinnen und Bundesräten. Aber da auch eine Frage zum Hearing dazugehört, möchte ich eine Frage an Sie richten.

Sehr geehrter Herr Landtagsdirektor, im Zuge der Verkündung und Darstellung der Er­kenntnisse des Verfassungsgerichtshofes wird gelegentlich auch von Geheimniskrä­merei, mangelnder Transparenz oder davon, ob es abweichende Meinungen gab oder nicht, gesprochen.

Meine Frage an Sie in diesem Zusammenhang lautet daher: Wie stehen Sie persönlich zu mehr Transparenz in diesem Zusammenhang, beziehungsweise sollten auch abwei­chende Meinungen ausreichend dargestellt werden?

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Bitte um Beantwortung.

 


Dr. Peter Bußjäger|: Das ist natürlich ein sehr weitführendes und altes Diskussionsthe­ma, Dissenting Opinion im Verfassungsgerichtshof. Ich würde sagen, es hängt von der spezifischen Verfassungskultur eines Landes ab. In anderen Staaten, ich denke an die Bundesrepublik Deutschland, ist es völlig gängige Praxis. Wir kennen diese Praxis auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Wenn wir es praktisch sehen von der Situation, die wir in Österreich haben, denke ich, was zu Recht befürchtet wird bei der Frage „Dissenting Opinion“, ist, dass der Verfas­sungsgerichtshof aufgegliedert wird, dass sozusagen geprüft wird, ermittelt wird oder auf diese Weise sichtbar wird, wer wie abgestimmt hat, was natürlich der Zweck der Dissenting Opinion ist, aber es hat natürlich auch eine politische Problematik in sich, die ich nicht gering einstufen würde. Ich bin da sehr zurückhaltend.

Ich würde meinen, gerade in der Situation in Österreich, wo auch sehr gerne nach par­teipolitischen Gesichtspunkten zugeordnet wird, würde ich die Einführung einer Dis­senting Opinion eher kritisch sehen und würde meinen, es ist gut so, wie es ist.

Die Problematik ist natürlich, dass in den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes die Bandbreite der Meinungen dadurch nicht sichtbar wird, dass sich die Meinungen dann auf einen gewissen kleinsten gemeinsamen Nenner reduzieren. Im Ergebnis wür­de ich aber meinen, dass die jetzige Situation durchaus beizubehalten ist, auch wenn man darüber durchaus offen diskutieren kann. Ob die juristische Welt dadurch zusam­menbrechen würde, kann man natürlich bezweifeln. Aber im Großen und Ganzen wäre meine persönliche Meinung die: Die Dissenting Opinion macht in Österreich nicht allzu viel Sinn.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Zu einer Frage hat sich Herr Bundesrat Wenger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg)|: Herr Landtagsdirektor, Sie sind ja der Föderalismus-Experte im Lande, und da drängt sich natürlich auch eine diesbezügliche Frage auf; und zwar diesbezüglich, dass im Zuge der Verwaltungsreform immer wieder über mögliche Kompetenzverschiebungen innerhalb Bund, Land, Gemeinden diskutiert wird.

Wie stehen Sie dazu beziehungsweise wie sehen Sie grundsätzlich die Weiterentwick­lung des Bundesstaates? Und nicht uninteressant wäre auch: Wie würden Sie speziell Ihre Erfahrungen aus Ihrer Tätigkeit in Liechtenstein einbringen?

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Bitte um Beantwortung.

 


Dr. Peter Bußjäger|: Es ist natürlich eine primär rechtspolitische Frage, wie man jetzt zur Entwicklung des bundesstaatlichen Gefüges Österreichs steht, welche Potentiale man sieht. Ich würde zunächst ein Schlagwort verwenden, das im Zuge der Bundes­staatsreform 1993/94 verwendet wurde, die ja damals deutlich darauf hinzielte, die Rechte und Kompetenzen der Länder auszuweiten und zu stärken. Damals ist von Bundesseite immer der kritische Einwand gebracht worden, Bundesstaatsreform darf keine Einbahnstraße sein. Heute haben sich die Paradigmen zumindest in der media­len Diskussion ein bisschen gewandelt, und ich würde nun auch dieses Schlagwort ver­wenden, also „Bundesstaatsreform darf keine Einbahnstraße sein“.

Selbstverständlich muss aus Sicht der Länder darüber diskutiert werden, welche Kom­petenzen, über die sie verfügen, noch zeitgemäß sind. Aber selbstverständlich – und das geht in der gegenwärtigen Diskussion völlig unter – muss darüber diskutiert wer­den, welche Kompetenzen zweckmäßigerweise vom Bund auch auf die Länder über­tragen werden können.

Wenn Sie mich konkret fragen, welche Zielrichtungen der Bundesstaatsreform ich an­streben würde, dann würde ich meinen, man sollte die Frage der Diskussion um Kom­petenzen derzeit eher in den Hintergrund treten lassen. Ich würde stark dafür plädie­ren, die Verwaltungsstrukturen in den Vordergrund zu rücken.

Was ich meine, ist, wir haben eine Vielzahl von Sonderbehörden des Bundes in den Län­dern, hier könnte man diese bunte Behördenlandschaft durchaus lichten und Synergien durch Zusammenführung etwa bei den Bezirkshauptmannschaften erzielen.

Das wäre bereits eine sehr tiefgreifende Verwaltungsreform – denken Sie an die Ar­beitsinspektorate, denken Sie an die Wildbach- und Lawinenverbauung. In diese Rich­tung hat sich das Institut für Föderalismus, habe ich mich auch in der Vergangenheit geäußert, dass man diese Linie der Bundesstaatsreform, der Verwaltungsreform gehen sollte.

Andere Punkte wären selbstverständlich auch, dass man sich bestimmte Themen vor­nimmt; aktuell natürlich das Thema Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Neuordnung des Rechtsschutzes in Österreich – was vielleicht vom Einsparungspotential her nicht so gewaltig ist, aber für die Bürgerinnen und Bürger, was die Übersichtlichkeit des Rechts­schutzes in Österreich betrifft, ein sehr wichtiges Projekt wäre. In gewissem Maße wür­de es auch durchaus zu Synergien führen, wäre es doch möglich, zahlreiche Sonder­behörden, die derzeit als Rechtsschutzinstanzen fungieren, aufzulösen und sie in die neuen Verwaltungsgerichte der Länder und in eines oder zwei des Bundes, je nach­dem, welche Meinung man da vertritt, einzugliedern.

Von meinem beruflichen Hintergrund her bin ich auch ein sogenannter Generalist. Ich glaube, man sollte die Bezirkshauptmannschaften als Generalbehörden, als allgemeine Behörden der staatlichen Verwaltung in Österreich, aufwerten. Ich bin diesen zahlreichen Sonderbehörden gegenüber eher kritisch eingestellt, die natürlich den Vorteil haben, dass sie sich spezialisieren können, keine Frage, aber den Nachteil haben, dass das zu einer Desintegration von Verwaltung führt, dass die Übersichtlichkeit der Verwal­tungsstrukturen, mit der wir ohnehin schon zu kämpfen haben, noch weiter leidet.

Sie haben noch meine Tätigkeit als Richter am Staatsgerichtshof angesprochen. Das ist insoweit vielleicht auch für den Verfassungsgerichtshof interessant, als der Staats­gerichtshof in Liechtenstein erstens gar nicht so wenige Fälle hat, zweitens in der Struk­tur durchaus auch dem Verfassungsgerichtshof vergleichbar ist; insoweit, als wir dort Normenkontrolle durchführen, insoweit, als dort Grundrechtsbeschwerden eingebracht werden können und wir uns auch in der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs immer wieder sowohl am österreichischen Verfassungsgerichtshof als auch beispielsweise am Schweizerischen Bundesgericht oder am deutschen Bundesverfassungsgericht orientieren. Also hier habe ich schon auch für meine weitere Tätigkeit sehr wichtige In­formationen und Impulse erlangt. Diese könnte ich in die Funktion eines Richters am Verfassungsgerichtshof durchaus einbringen.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Zu einer weiteren Frage hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Landtagsdirektor Dr. Bußjäger, ich hätte von Ihnen gerne gewusst, wie Sie dazu stehen, die Landtage ab­zuschaffen, den Bundesrat abzuschaffen oder beide Instanzen oder beide Stellen zu ver­kleinern.

Darf ich Sie da um Ihre Einschätzung bitten, was da richtig ist?

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Bitte um die Beantwortung.

 


Dr. Peter Bußjäger|: Parlamentarische Organe zu verkleinern, das ist immer eine ein bisschen kritische Sache – vor allem dann, wenn der Vorschlag von Regierungen erho­ben wird und von Regierungsseite kommt.

Natürlich müssen die Landtage, genauso wie der Bundesrat wie auch der Nationalrat, sich schon Gedanken machen, inwieweit sie einsparen können. Am Beispiel des Vor­arlberger Landtages sage ich immer wieder, ob man über 36 Personen spricht oder über 30 Personen, darüber kann man jetzt von der Arbeitsbelastung her wohl noch spre­chen. Viel weiter hinunter würde ich dann nicht mehr gehen. Ich glaube, dass ein Par­lament schon größer sein sollte als eine bessere Gemeindevertretung. Das liegt mei­nes Erachtens im Wesen des Parlaments.

Es sollte auch in den Landtagen mit ihren 36 Abgeordneten eine angemessene Reprä­sentation der Bevölkerung in den Regionen möglich sein. Es sollten auch die Berufs­gruppierungen irgendwie noch repräsentiert sein. Wenn man das alles berücksichtigt, dann ist man, wie gesagt, bei dieser Größenordnung um 30 Personen schon irgendwo am Limit. Daher stehe ich dem reserviert gegenüber. Die Möglichkeit der Einsparung wäre eine eher symbolische. Aber natürlich, die Parlamente können sich durchaus überlegen – und zwar jedes für sich –, inwieweit sie einen allgemeinen Beitrag zur Ein­sparung leisten.

Ich glaube schon, dass in den Strukturen viel mehr an Einsparungen in der Verwaltung zu holen ist. Das müssen wir sehen, wie ich erwähnt habe, bei der Bereinigung der Verwaltungsstrukturen und natürlich auch – das wird sogar primär im Vordergrund ste­hen – bei den Aufgaben, die der Staat nun einmal wahrnimmt. Das müssen sich der Staat und jede Ebene unseres Staates auch überlegen, welche Aufgaben sie zweck­mäßigerweise noch wahrnehmen sollen. Aber das führt dann letztlich auch zu Ein­schnitten in den Leistungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Danke schön, Herr Landtags­direktor.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann bedanke ich mich sehr herzlich für die Beantwortung der Fragen, für Ihr Kommen und wünsche weiterhin alles Gute.

*****

Ich darf nun den nächsten Mitbewerber, Herrn Rechtsanwalt Dr. Johannes Hock, bit­ten, in den Saal zu kommen.

13.26.39 Rechtsanwalt Dr. Johannes Hock

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Herr Dr. Hock, ich darf Sie herzlich begrüßen und Ihnen für Ihre Bewerbung danken, und ich darf Ihnen, sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen, Herrn Dr. Johannes Hock nun vorstellen:

Herr Dr. Hock wurde am 4. November 1958 geboren und wurde 1987 als Rechtsanwalt angelobt beziehungsweise ist seit damals Rechtsanwalt in einer Kanzleigemeinschaft.

Ich darf Sie nun höflich ersuchen, uns die Gründe für Ihre Bewerbung zu nennen, wo­bei ich Sie bitte, auf das Zeitlimit von 5 Minuten Rücksicht zu nehmen. – Bitte.

 


Dr. Johannes Hock|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Abgeordnete! Dem Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes entnehme ich einen dringenden Appell: Der Verfassungsgerichtshof benötigt zur Bewältigung der enormen Anforderungen Mit­glieder, aber nicht nur Mitglieder, die zu den Sessionen erscheinen, sondern Mitglieder, die als ständige Referenten bereit sind, täglich die Beschwerdefälle und die anderen Fälle am Verfassungsgerichtshof zu bearbeiten. Zu dieser Mitarbeit als ständiger Refe­rent bin ich ab sofort bereit.

Dem Anforderungsprofil für ein Mitglied, für einen ständigen Referenten des Verfas­sungsgerichtshofes entspreche ich. Ich kann 33 Jahre Berufserfahrung als Rechtsan­walt einbringen. Ich kann meine Erfahrung auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechtes mit einer sehr starken internationalen Ausrichtung und mit entsprechenden Sprachkennt­nissen aufweisen. Meine Arbeitsweise ist effizient, zielorientiert und daher in einer Or­ganisation wie dem Verfassungsgerichtshof – wie ich überzeugt bin – von großer Be­deutung.

Besonders hervorzuheben ist meine Erfahrung nicht nur als Parteienvertreter, sondern auch als Schiedsrichter. Schiedsrichter entscheiden in bedeutenden internationalen Fäl­len. Ich bin einer der am österreichischen Schiedsstandort wohl fast am häufigsten ge­suchten Schiedsrichter. Ich kann daher meine Erfahrung als Rechtsprecher in erster und letzter Instanz mit der ganzen Verantwortung, die dies für die Parteien und davor natürlich für den Verfahrensablauf bedeutet, einbringen.

Meine verfassungsrechtliche Erfahrung beginnt als Schriftführer, als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof bei Vizepräsident Dr. Piska. Ich habe bei ihm genau gelernt, wie die Abläufe am Verfassungsgerichtshof funktionieren, und ich habe meine gesamte verfassungsrechtliche praktische Ausbildung am Verfassungsgerichts­hof bei Dr. Piska erworben.

Ich konnte dieses Wissen in zahlreichen Beschwerdeverfahren, häufig auch als Antrag­steller-Vertreter, für meine Klienten nutzbar machen. Vielleicht ist das Erkenntnis, wel­ches ich als Antragsteller-Vertreter über die Postkasteln – die in der Öffentlichkeit stark besprochen wurden – hervorgerufen habe, noch in Ihrer Erinnerung.

Ich kann Ihnen daher versichern, dass ich meine Kompetenzen nicht nur als Mitglied, sondern als ständiger Referent sofort einbringen kann. In meiner Kanzlei kann ich mich so organisieren, dass ich dem Verfassungsgerichtshof meine Arbeitskraft zur Verfügung stellen kann.

Der Verfassungsgerichtshof stand am Anfang meines Berufswegs. Mein Ziel war es seither, dorthin als Mitglied, als Referent zurückzukehren. Ich kann daher meine Sprach­kenntnisse, meine Kenntnisse des Wirtschaftsrechts, meine Kenntnisse des Verfas­sungsrechts, meine Erfahrungen im Schiedsverfahren einbringen. Und ich möchte mei­nen Beitrag leisten für einen effizienten Grundrechtsschutz und für unseren demokrati­schen Rechtsstaat. – Danke sehr.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Herzlichen Dank, Herr Dr. Hock, für Ihre Ausführungen. Ich ersuche Sie nun, für die Fragen der Bundesrätin­nen und Bundesräte noch zur Verfügung zu stehen.

Als erste Fragestellerin hat sich Frau Bundesrätin Grimling zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien)|: Herr Dr. Hock, Sie haben uns jetzt schon sehr viel erzählt. Meine Frage wird sich aus vier Teilfragen zusammensetzen.

Meine erste Frage: Wie sehen Sie als Rechtsanwalt das Sessionssystem des Verfas­sungsgerichtshofes?

Zweite Frage: Ist dies noch zeitgemäß?

Dritte Frage: Sprechen Sie sich für eine Beibehaltung dieses Systems aus?

Letzte Frage: Welche Verbesserung aus Sicht des Rechtsanwaltes betreffend die Ar­beit des Verfassungsgerichtshofes ist dringend notwendig?

 


Dr. Johannes Hock|: Das Sessionssystem hat sich, wie ich glaube und wirklich über­zeugt bin, sehr gut bewährt. Es ermöglicht nämlich – ganz dem Konzept der Bundes­verfassung entsprechend –, dass verschiedene juristische Berufsgruppen dem Verfas­sungsgerichtshof angehören und sich mit ihren Erfahrungen einbringen können. Es sind also nicht nur Beamte, die karenziert werden, und Richter als Mitglieder des Ver­fassungsgerichtshofes möglich, es sind auch freiberuflich tätige Rechtsanwälte, Notare oder Wirtschaftsprüfer mit juristischer Vorbildung als Mitglieder des Verfassungsge­richtshofes denkbar. Schaffte man das Sessionssystem ab, würde das bedeuten, dass man von allen Mitgliedern verlangt, dass sie ständig nur dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stehen. Das ist meines Erachtens eine gewisse Einschränkung der Viel­falt, welche die Mitglieder in den Verfassungsgerichtshof aufgrund ihrer Lebenserfah­rungen einbringen können. Ich bin daher persönlich davon überzeugt, dass dieses Sys­tem Bestand haben soll.

Sie haben mich gefragt, welche Verbesserungen aus Sicht eines Anwaltes möglich sind, und ich sage jetzt aus Sicht des Beschwerdevertreters eine ganz klare Antwort: Es müssten die Verfahren schneller geführt werden können. Die Beschwerdevertreter sollten schneller zu ihren Entscheidungen – gleichgültig, wie die ausfallen – kommen können. Das gehört zur Effizienz des Rechtsschutzes. Ein Rechtsschutz ist dann nicht sehr effizient, wenn man mitunter jahrelang auf Entscheidungen warten muss. Das ist beim Verfassungsgerichtshof ohnedies nicht so sehr der Fall, aber bei anderen Höchst­gerichten haben wir das leider zu beobachten.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Als nächster Fragesteller hat sich Herr Bundesrat Preineder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich)|: Herr Dr. Hock, Sie können auf eine breite berufliche Erfahrung zurückblicken. Die österreichische Bundesverfassung regelt die Grundrechte und regelt auch den Staatsaufbau unserer Republik. Nach 90 Jah­ren gilt es, diese immer wieder neu zu überdenken und weiterzuentwickeln.

Wohin sehen Sie eine Entwicklung der Bundesverfassung, vor allem in Form unseres Staatsaufbaues unter der Prämisse eines föderalen Bundesstaates Österreichs?

 


Dr. Johannes Hock|: Ich habe dazu als Staatsbürger eine Meinung. Als Mitglied eines Gerichtshofes würde ich diese Meinung nicht so äußern. Meine Meinung läuft doch da­rauf hin – das ist, wie gesagt, eine sehr persönliche Meinung –, dass sich die staatli­chen Strukturen in der Zweiten Republik sehr bewährt haben. Dazu zähle ich auch den Föderalismus als Ausgleich, als eines der vielen Systeme des Ausbalancierens. Ich halte es aber im Rahmen unserer Mitgliedschaft bei der EU für durchaus notwendig, dass die Aufgabenverteilung zwischen Bundesstaat und Ländern überdacht wird, weil das natürlich zu ineffizienten Abläufen führen kann, die weder den Bürgern noch dem Staats­ganzen dienen.

Ich bin der Meinung, dass eine gewisse Straffung, eine gewisse Vereinheitlichung bei den Kompetenzlagen im Interesse des Staatsganzen und der einzelnen Bürger wäre.

Zu diesem Thema wurde, glaube ich, auch in der öffentlichen Berichterstattung viel ge­sagt, dem ich durchaus zustimmen kann. Das gilt auch für Schul- und Ausbildungs- und universitäre Systeme. Diese Durchforstung halte ich, so wie es auch der Rechnungs­hofpräsident in Ruhe angedacht hat, für sehr sinnvoll. Ich finde auch, dass allein der Nachdenkprozess eine Sensibilisierung bedeutet; nämlich nicht nur eine Sensibilisie­rung der Politiker, sondern auch eine gewisse Sensibilisierung der Bevölkerung, dass man nicht nur das althergebrachte Bewährte bewahren soll, sondern mit den neuen He­rausforderungen durchaus positiv umgehen kann.

Auf dem Gebiet des Rechtsschutzes halte ich es für besonders wichtig, dass die Ver­waltungsgerichtshöfe der Länder geschaffen werden und mit Kompetenzen ausgestat­tet werden, die wiederum den Verwaltungsgerichtshof und auch zum Teil den Verfas­sungsgerichtshof entlasten können. Das ist auch schon in der Bundesverfassung der Ersten Republik vorgezeichnet gewesen und sollte eigentlich verwirklichbar sein. – Das ist eine ganz allgemeine, politische Meinung von mir dazu.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Als letzte Fragestellerin hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Dr. Hock, ich muss da jetzt noch ein bisschen nachbohren. Könnten Sie uns trotzdem ein paar Eckpunkte nennen, welchen Weg der Föderalismus beschreiten sollte, einerseits im Sinne der Spar­samkeit, andererseits in der Nähe der Politik zum Bürger, die Sie auch als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes äußern könnten?

 


Dr. Johannes Hock|: Ich bin ja noch nicht Mitglied, ich kann diese Frage gerne be­antworten. Ich kann das natürlich auch konkreter darstellen: Ich glaube zum Beispiel, dass Bauordnungen nicht unbedingt Landessache sein müssten, das könnten zentrale Bauordnungen sein. Wir brauchen nicht Bauordnungen in jedem einzelnen Bundesland, die voneinander abweichen und die auch den Bürgern natürlich den Rechtsschutz ins­gesamt erschweren, weil sie sich wiederum an speziell für die einzelnen Bauvorschrif­ten geeignete Professionisten und Architekten wenden müssen. Wir haben ja nicht nur neun Bauordnungen, sondern auch manche Städte mit eigenem Statut haben wiede­rum eigene Bauordnungen. Da ist doch durchaus, denke ich, ein Zentralisierungsge­danke, der durchaus dem Föderalismusgedanken widersprechen könnte, notwendig, der, glaube ich, nicht dem zentralen Gedanken des Föderalismus widersprechen wür­de. Das ist ein konkretes Beispiel.

Ich glaube auch, dass bei der Schulverwaltung durchaus mehr Zentralismus im Bereich der Volksschulen und der Hauptschulen möglich wäre, im Sinne einer Vereinheitli­chung der Bildungsstandards auch in diesem Bereich. Ich glaube daher, dass auch dieses Gebiet – aber das sage ich jetzt nicht einmal als Jurist, sondern nur als Vater – durchaus verbesserungswürdig wäre.

Das Gleiche gilt in größerem Umfang auch für die Raumordnung. Es könnten gewisse Raumordnungskonzepte zentralisiert werden und auf der anderen Seite durchaus wie­der intensiviert werden auf der Ebene der Gemeinden und der Länder.

Ich halte es für sehr wichtig – das ist wieder ein bisschen ein anderes Thema – bei der Finanzverwaltung, dass die Länder selber etwas mehr Finanzhoheit beanspruchen kön­nen, um auch dabei transparenter gegenüber den eigenen Bürgern agieren zu können.

 


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Danke schön. – Liegen noch weitere Wortmeldungen vor? – Das ist nicht der Fall.

Dann bedanke ich mich, Herr Dr. Hock, sehr herzlich für Ihr Kommen, für die Beant­wortung der Fragen und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.

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Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer| (den Vorsitz übernehmend): Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche für ein paar Minuten, denn für spätestens 14 Uhr ist Herr Dr. Herbst angesagt.

Ich unterbreche die Sitzung.

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(Die Enquete wird um 13.40 Uhr unterbrochen und um 13.46 Uhr wieder aufge­nommen.)

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13.46.20 Rechtsanwalt Dr. Christoph Herbst, MBL

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Ich nehme die Sitzung wieder auf und darf nun als nächsten Kandidaten sehr herzlich Herrn Dr. Herbst begrüßen und ihn kurz vorstellen.

Herr Dr. Herbst wurde am 8. Juni 1960 geboren. Er ist seit 1995 als Rechtsanwalt tätig, und ich bitte ihn, alles Weitere und seine Beweggründe seiner Kandidatur selbst zu er­örtern. – Bitte, Herr Dr. Herbst.

 


Dr. Christoph Herbst, MBL|: Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich ha­be Jus studiert und danach einige Jahre am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht bei Herrn Universitätsprofessor Winkler hier in Wien verbracht und war dort ungefähr viereinhalb Jahre zuerst als Studienassistent und dann als erwachsener Assistent. An­schließend habe ich einige Zeit am Verfassungsgerichtshof verbracht, ungefähr fünf­einhalb Jahre. Ich habe dort sehr viel lernen können und einen sehr interessanten Re­ferenten gehabt, der mich für meinen weiteren Lebensweg sehr geprägt hat.

Dann stellte sich für mich die Frage, ob ich in der Verwaltung bleibe oder in eine ande­re Richtung gehe. Ich habe mich aus verschiedenen Gründen entschieden, in eine an­dere Richtung zu gehen, und bin Anwalt geworden. Ich habe dann bei der Kanzlei Schönherr, Barfuss, Torggler, heute Schönherr, die Praxis durchlaufen und habe dann nach einer gewissen Zeit doch gemeint, ich gehe ganz allein eigene Wege.

Ich habe eine eigene Anwaltskanzlei gegründet und bin seit 1997 selbständig in einer eigenen Kanzlei, die meinen Namen trägt. Ich konnte in der Zwischenzeit relativ viele Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen sammeln – im öffentlichen Recht, im Ge­sellschaftsrecht, im Unternehmensrecht, im Kapitalmarktrecht war ich in mannigfaltigen Bereichen tätig. Ich glaube, dass ich damit ein relativ großes Spektrum der Rechtsord­nung abgedeckt habe und vielleicht auch etwas in den Verfassungsgerichtshof einbrin­gen könnte. – Herzlichen Dank.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Herr Kollege Mag. Klug hat sich für Fragen zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark)|: Sehr geehrter Herr Dr. Herbst, bei den Bewerberinnen und Bewerbern, die aus einer freiberuflichen Tätigkeit kommen, fra­gen wir immer ganz gern, wie sie selbst die Transparenz der Verkündung von Erkennt­nissen des Verfassungsgerichtshofes einschätzen. Können Sie sich vorstellen, dass man bei der Diskussion „Geheimniskrämerei“ auch darstellen könnte, ob es abweichende Mei­nungen gegeben hat oder ob es diese nicht gegeben hat?

Was uns natürlich bei den freiberuflichen Bewerberinnen und Bewerbern immer beson­ders interessiert – nachdem Sie ja medial ein durchaus prominenter Bewerber sind, schließe ich auch in Ihrem Zusammenhang diese zweite Frage noch kurz an –, ist, wie Sie mit Ihrer derzeitigen beruflichen Tätigkeit – ich nehme an, diese Frage haben Sie ohnedies erwartet – eine etwaige zukünftige Tätigkeit am Verfassungsgerichtshof in Ein­klang bringen.

 


Dr. Christoph Herbst, MBL|: Ich darf zunächst die erste Frage zu beantworten versu­chen: Ich glaube, es sind zwei verschiedene Sachen. Das eine ist, ob man einmal trans­parent macht, wie die Entscheidungsfindung war, welche Mehrheitsverhältnisse es ge­geben hat. So etwas, glaube ich, ist auf jeden Fall sinnvoll. Das würde eine gewisse grö­ßere Transparenz bringen.

Beim weitergehenden Punkt allerdings, ob man die Dissenting Opinion dann auch ent­sprechend abgeben und veröffentlichen kann, da, glaube ich, gibt es gute Gründe da­für und dagegen. Einerseits ist „Transparenz“ ein wichtiges Schlagwort, auf der ande­ren Seite ist jemand, der sich relativ bald davon verabschiedet, im Kollegium mitzutun, und nur mehr an seiner eigenen Dissenting Opinion arbeitet, eigentlich ein Störenfried im Kollegium. Es hängt auch sehr vom Charakter der einzelnen Personen ab, die dort tätig sind. Es gibt sicher ein paar Personen, die vielleicht geneigt sind, sich selbst zu verwirklichen. Es hat also seine Für und Wider.

Ich glaube, wenn das – sage ich jetzt einmal – sparsam und nur in Ausnahmefällen ge­handhabt wird, dann ist es gut. Aber ich frage mich, ob man gerade wegen dieser we­nigen sparsamen Fälle eine Dissenting Opinion einführen sollte. Ich denke, da gibt es viele Argumente auch dagegen.

Als Schriftführer am Verfassungsgerichtshof hat man das Privileg, bei den Beratungen anwesend zu sein; das ist etwas, das bei den übrigen Gerichtshöfen – beim Verwal­tungsgerichtshof und beim OGH – nicht der Fall ist. Ich habe es eigentlich immer als sehr befruchtend empfunden, dass alle daran teilgenommen haben und sich niemand während der Beratung verabschiedet hat, weil er gesagt hat, er kann da nicht mitge­hen – das heißt, man versucht doch, Sachen einzubringen.

Daher bin ich der Dissenting Opinion gegenüber relativ kritisch eingestellt.

Zur zweiten Frage: Falls ich die Chance bekäme, Verfassungsrichter zu werden, ist es klar, dass ich mit einer gewissen – sage ich jetzt einmal – Schamfrist – ich muss ja auch meine Sachen entsprechend in Ordnung bringen – spätestens August aus allen Ämtern beim Flughafen austreten würde.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Zu einer weiteren Frage ist Herr Bundesrat Mag. Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg)|: Sehr geehrter Herr Dr. Herbst, die Verwaltungsreform ist ja wieder einmal in aller Munde. Dabei würde mich interessieren, wie Sie die Diskussion über die Kompetenzverschiebungen in un­serem Bundesstaat sehen. Wie sehen Sie die Zukunft des Bundesstaates insgesamt gerade im Hinblick eben auf Kompetenzverschiebungen in beide Richtungen, nicht nur Einbahnstraße, sondern in alle Richtungen?

 


Dr. Christoph Herbst, MBL|: Das ist natürlich billig, wenn ich hier stehe, muss ich na­türlich für die Bundesstaatssituation sein. (Heiterkeit. – Bundesrat Mag. Klug: Das könn­te ein Startvorteil sein!) Es ist aber wirklich nicht nur, weil ich jetzt hier stehe, sondern ich glaube wirklich, dass das sehr viel Sinn hat. Ich glaube eigentlich, dass es im Sinne der derzeitigen Diskussion auch rund um die Europäische Union tatsächlich vonnöten ist, dass auf den lokalen, auf den kleineren Ebenen nach dem Subsidiaritätsprinzip sehr viele Sachen dort gelöst werden sollen. Ich denke, die konkreten Vollzugsmaßnahmen, wobei ich jetzt natürlich auch Verordnungen und solche Sachen dazuzähle, sollten ei­gentlich verstärkt bei den Ländern sein, weil nur die wirklich wissen, wie die Situation vor Ort ist. Also ich halte nichts von diesem Zentralismus.

Die Diskussion, die es ja schon lange gibt, dass man überhaupt die mittelbare Bundes­verwaltung abschafft und dass man vielleicht überhaupt alles in die Länderverwaltung gibt, halte ich schon für einen guten Zug. Das ist aus meiner Sicht etwas, das überle­genswert ist.

Ein bisschen anders sehe ich das bei der Gesetzgebungspraxis. Wenn ich mir an­schaue, dass es einige Landtage gibt, die schon Schwierigkeiten damit haben, genü­gend Stoff für Landtagssitzungen zu haben, dann frage ich mich schon, ob das wirklich noch der richtige Weg ist. Noch dazu wird sehr viel durch das Gemeinschaftsrecht vor­gegeben. Oft ist es so, zum Beispiel bei den Ausführungsgesetzen, dass der Bundes­grundsatzgesetzgeber das abschreibt, was in der Richtlinie steht und dasselbe schreibt dann der Landesgesetzgeber ab.

Da frage ich mich wirklich, ob es in diesen Bereichen wirklich noch sinnvoll ist, diese doppelte Gesetzgebung aufrechtzuerhalten. Überhaupt ist diese Grundsatz- und Aus­führungsgesetzgebung etwas, das meines Erachtens – ich meine, ich habe das natür­lich gelernt und vorgetragen, ist eine tolle Sache – eigentlich eine etwas antiquierte Sa­che ist.

Ich glaube, man sollte die Bereiche der Gesetzgebung, die unbedingt notwendig sind, auf der lokalen Ebene lassen, das sind aber meines Erachtens relativ wenige, muss ich gestehen. Ich würde aber hingegen die gesamte Vollziehung zu den einzelnen Ländern geben, das verändern gegenüber dem heutigen System.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Als weitere Fragestellerin hat sich Frau Kollegin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Dr. Herbst, da darf ich gleich anschließen: Wie sehen Sie dann die Rolle des Bundesrates als wesentli­ches Gremium des Parlaments auch im Zusammenhang mit Europa nach dem Inkraft­treten des Lissabon-Vertrages?

 


Dr. Christoph Herbst, MBL|: Ich glaube, den Bundesrat darf man nicht nur von der rein juristischen Seite sehen. Normalerweise sagt ein Jurist: Okay, eigentlich habe ich nur dieses suspensive Veto, und damit ist eigentlich diese Kammer nicht so von Bedeu­tung.

Ich glaube, dass das ursprünglich wirklich mit Sinn so konzipiert worden ist. Es ist ja nur ein Zufall – ich möchte wirklich sagen: ein Zufall –, dass die Mehrheitsverhältnisse bei den Regierungsparteien und im Bundesrat gleich sind. Das ist aber keine ausge­machte Sache. Das wird sich vielleicht auch in der nächsten Zeit irgendwann einmal ändern können. (Bundesrätin Mühlwerth: War schon mal anders!) – Ja. Und dann ist natürlich die politische Rolle, aber auch die juristische Rolle des Bundesrates eine ganz andere. Wir verkennen immer wieder, dass wir eigentlich von einer Situation sprechen und glauben, die wird die nächsten Jahre unverändert bleiben.

Insofern glaube ich, dass sich die Rolle des Bundesrates ohne Weiteres in der Praxis in den nächsten Jahren durch die normalen politischen Verhältnisse von selbst aufwer­tet.

Das Zweite ist die politische Bedeutung des Bundesrates: Sie haben jetzt die Möglich­keit, dass Sie öffentlich transportiert werden, jetzt sind Sie auch im Fernsehen; also auch da wird es vielleicht eine gewisse größere Transparenz geben. Ich glaube, der Bundesrat kann, wenn er begründet gegen irgendwelche Vorhaben des Nationalrates auftritt, sehr wohl eine Stimme haben. Aber das ist natürlich eine Frage des Selbstver­ständnisses des Bundesrates, inwieweit er das ausnützt.

Ich glaube, man darf das eben nicht nur von der juristischen, sondern man muss das viel stärker von der politischen Seite her sehen, und dann wird man eben mit medialer Unterstützung das auch entsprechend transportieren können.

Ich glaube, das ist eine Frage, die in Wahrheit Sie selber beantworten müssen, indem Sie hier in der einen oder anderen Weise aktiv werden.

Zum letzten Punkt, zur Rolle des Bundesrates im Zusammenhang mit der Europäi­schen Union: Ich denke, gerade da hat sich eine Aufwertung des Bundesrates gezeigt. Der Bundesrat muss bei bestimmten Bereichen eingebunden werden, gibt auch State­ments ab, wird ernst genommen. In dem Bereich sieht man ganz klar – obwohl das in der Öffentlichkeit nicht so rüberkommt –, dass der Bundesrat in der letzten Zeit seine Rolle stark aufwerten konnte.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Gibt es weitere Fragen an Herrn Dr. Herbst? – Das ist nicht der Fall.

Herr Dr. Herbst, ich darf mich für Ihr Kommen und für die Beantwortung der Fragen sehr herzlich bedanken.

*****

Als nächsten Kandidaten darf ich Herrn Sektionschef Mag. Dr. Vogl zu uns in den Saal bitten.

Da wir zu früh dran sind und der Kandidat noch nicht hier ist, unterbreche ich die Sit­zung.

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(Die Enquete wird um 13.58 Uhr unterbrochen und um 14.01 Uhr wieder aufge­nommen.)

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14.01.10 Sektionschef Mag. Dr. Mathias Vogl

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Meine Damen und Herren, ich nehme die Sitzung wieder auf, darf sehr herzlich in unserer Runde Herrn Sektionschef Mag. Dr. Mathias Vogl begrüßen und ihn kurz vorstellen.

Herr Dr. Vogl wurde am 7. Mai 1964 geboren und ist seit 2005 Leiter der Sektion III (Recht) im Bundesministerium für Inneres.

Ich darf Sie nun bitten, die Gründe für Ihre Bewerbung darzustellen, und Sie ersuchen, sich an eine Redezeit von etwa 5 Minuten zu halten. – Bitte, Herr Doktor.

 


Mag. Dr. Mathias Vogl|: Hoher Ausschuss! Ich danke für die Möglichkeit, vor Ihnen sprechen zu können. Ich bin, wie schon erwähnt, Jahrgang 1964, wurde in Innsbruck geboren, habe dort auch die Volksschule und das Gymnasium besucht. Ich bin nach Abschluss des Gymnasiums in die Gendarmerie eingetreten, in die Österreichische Bun­desgendarmerie, habe dann auf einem sehr großen Gendarmerieposten, Hall in Tirol, drei Jahre uniformierten Streifendienst versehen. Im Anschluss bin ich eineinhalb Jahre im Kriminaldienst gewesen und nach meiner Ausbildung zum Gendarmerieoffizier in das Bundesministerium für Inneres zugeteilt worden. Ich habe dort rund sieben Jahre lang die Angelegenheiten des Kriminaldienstes der Österreichischen Bundesgendar­merie versehen, geführt, ein Referat geleitet.

Während dieser Zeit habe ich nebenberuflich an der Universität Wien studiert, habe das Studium 1998 abgeschlossen, bin aber bereits seit 1997 in der Rechtsabteilung des Innenministeriums tätig gewesen. Ich habe damals die Möglichkeit bekommen, dort die Angelegenheiten der Sicherheitspolizei und auch die strafprozessualen, straf­rechtlichen Angelegenheiten, die das Ressort betreffen, in der Fremdlegistik zu be­treuen.

Ich bin im Jahr 2000 in das Kabinett des damaligen Bundesministers übersiedelt, habe dort die Angelegenheiten Recht, Kontrolle und Verwaltungsinnovation besorgt und bin im Jahr 2003 mit der Leitung der Abteilung Legistik betraut worden. Gleichzeitig wurde ich stellvertretender Sektionsleiter, und nach dem Abgang von Theodor Thanner, mei­nem Vorgänger, habe ich diese Sektion ein halbes Jahr interimistisch geführt. Im An­schluss bin ich im März 2005 mit der Führung dieser Sektion betraut worden.

Ich habe zwei Kinder, bin seit 1987 verheiratet. Meine beiden Kinder sind sieben und neun Jahre alt, der Sohn ist neun, die Tochter ist sieben. Meine Tochter ist mit einer massiven Hüftgelenksdysplasie und einem luxierten Knie auf die Welt gekommen. Die ersten zwei Jahre nach ihrer Geburt waren eine schwierige Zeit.

Ich engagiere mich privat sehr stark für einen Lions Club, da bietet sich die Möglichkeit, genau in diesen Ebenen wieder etwas zurückzugeben.

Ansonsten bin ich Jurist aus Leib und Seele. Ich mache das wirklich sehr, sehr gerne. Ich kann schon auf eine relativ große Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen zu­rückblicken und würde im Falle meiner Entsendung durch den Hohen Bundesrat meine volle Arbeitskraft dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stellen.

Ich glaube, dass ich Erfahrungswerte in den Gerichtshof einbringen kann, die andere nicht in dieser Art und Weise einbringen können. Der Gerichtshof ist nach meinem Da­fürhalten derzeit von Professoren und auch Rechtsanwälten dominiert. Ich kann Er­fahrungswissen einbringen, das wirklich auf Basiserfahrung im Verwaltungsdienst, im Exekutivdienst fußt, und ich habe auch verschiedenste Bereiche der Verwaltung und der Exekutive durchlaufen. Ich habe also nicht eine Laufbahn gemacht, wie sie im In­nenministerium normal ist, sondern ich habe langsam alle Stufen dieser Leiter absol­viert. – Danke vielmals.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Herr Dr. Vogl, ich darf Ihnen für Ihre Ausführungen danken und Sie bitten, uns noch für Fragen zur Verfügung zu ste­hen.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich diesbezüglich Herr Bundesrat Lampel. – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland)|: Sehr geehrter Herr Dr. Vogl, ich habe eine Frage dazu. In manchen Verfassungsgerichten weltweit wurde das Beratungsge­heimnis durchbrochen. Das heißt, man darf auch andere Meinungen veröffentlichen, wie man zu dieser Entscheidung gekommen ist.

Daher meine Frage: Wie beurteilen Sie die Transparenz dieser Entscheidungsfindung beim Verfassungsgerichtshof, beziehungsweise wären Sie dafür, dass man mehr Trans­parenz, das heißt, dass man auch Dissenting Opinions einführt am Verfassungsgerichts­hof, dass man auch über die Mehrheitsentscheidung beziehungsweise auch anders be­urteilen kann?

 


Mag. Dr. Mathias Vogl|: Hoher Ausschuss! Der Verfassungsgerichtshof österreichi­scher Prägung ist ein sehr altes Institut, so wie vieles in Österreich – etwa der Verwal­tungsgerichtshof oder der Oberste Gerichtshof –, eine gewachsene Institution, wo sich diese Art und Weise der Auseinandersetzung, des Diskurses entwickelt hat. Nach sei­nem Vorbild wurden in vielen anderen europäischen Ländern, vor allem auch in den nunmehr neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, andere Verfassungsgerichte eingerichtet. Das Gegenkonzept zu diesem einheitlichen Beratungskörper sind Gerichts­höfe, wo es auch Dissenting Opinions gibt. Das kennen wir aus verschiedensten ande­ren Modellen.

Es hat beides Für und Wider. Die Abwägung letzten Endes, was man haben möchte, ist eine politische Abwägung, die letztlich auch der Bundesverfassungsgesetzgeber zu treffen hat. Es gibt Für und Wider. Eine erhöhte Transparenz bedeutet gleichzeitig, dass die Geschlossenheit des Spruchkörpers in dieser Art und Weise nicht so nach außen tritt, wie sie beim Verfassungsgerichtshof nach außen tritt.

Ich glaube schon, dass eine der ganz großen Stärken dieses Gerichtshofes dieses ge­schlossene Auftreten nach außen ist. Es gibt einen Verfassungsgesetzgeber hier im Hohen Haus, und es gibt einen Verfassungsgerichtshof, der auch die Möglichkeit hat, etwa authentische Interpretationen vorzunehmen, die, wenn es etwa darum geht, Kom­petenzbestimmungen auszulegen, zu verbindlichem Recht führen, nämlich auch im Rang eines Verfassungsrechts.

Ich glaube, wenn Sie mich persönlich fragen, dass man gut daran täte, dieses Konzept, das der Verfassungsgerichtshof erfolgreich über viele, viele Jahrzehnte geführt hat, auch beizubehalten.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Zu einer weiteren Wortmeldung hat sich Herr Bundesrat Keuschnigg gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol)|: Herr Dr. Vogl, die Rolle und auch die Leistungsstandards der Staatsanwaltschaften werden in der Öffentlichkeit sehr intensiv diskutiert. Wie sehen Sie die Entwicklungserfordernisse in diesem Bereich?

Und eine Frage auch noch zur Bundesstaatsreform, zur Aufgabenneuverteilung der in Diskussion befindlichen Verwaltungsreform: Wie sehen Sie die notwendigen nächsten Schritte in der Entwicklung des Bundesstaates?

 


Mag. Dr. Mathias Vogl|: Zuerst zum ersten Themenkreis, zur Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft wurde vor etwa drei Jahren in der österreichischen Bundesverfas­sung verankert – sie war bis dahin nur erschließbar, aber nicht definitiv organisatorisch abgesichert –, verankert im Bereich der Gerichtsbarkeit. Das hat zu einem Richtungs­wechsel geführt, so würde ich es bezeichnen, denn bis zu diesem Zeitpunkt war die Staatsanwaltschaft als Organ der Verwaltung tätig. Es hat dann einen großen Diskurs auf wissenschaftlicher Ebene gegeben. Es gibt heute die überwiegende Übereinstim­mung, dass die Staatsanwaltschaft sowohl organisatorisch als auch inhaltlich-materiell nunmehr der Gerichtsbarkeit zuzurechnen ist.

Die Staatsanwaltschaft ist jedoch kein Gericht selbst, und die Staatsanwälte sind auch keine Richter, denn die wesentlichen Elemente des Richters sind neben der Unabhän­gigkeit, Unversetzbarkeit und Weisungsfreiheit, die bei den Staatsanwälten auch durch­brochen ist per Verfassung, auch ihre Tätigkeit, nämlich Recht zu sprechen. Das ist ge­rade bei den Staatsanwälten nicht der Fall.

Die Staatsanwälte haben einen Bereich, wenn es darum geht, abzuwägen, wie nach fertigen Ermittlungsergebnissen vorzugehen ist. Da gibt es drei Möglichkeiten: Sie kön­nen eine Anklage erheben, sie können das Verfahren einstellen, oder sie können eine diversionelle Erledigung anordnen. Und diese diversionelle Erledigung, die immer nur im Einvernehmen mit dem Beschuldigten geht, ist eine quasirichterliche Tätigkeit, wenngleich ich sie eher vergleichen würde mit einem zivilrechtlichen Vergleich. Man schließt mit der Person, die beschuldigt ist, etwas ab, man vereinbart etwas, eine Geld­buße, eine sonstige Leistung. Das ist aber eine quasi vorgelagerte richterliche Tätig­keit. Alle übrigen Tätigkeiten sind Tätigkeiten, bei denen der Staatsanwalt für den Staat, für die Republik tätig wird.

Die Republik hat einen Anspruch darauf, dass Straftäter oder Beschuldigte verfolgt wer­den. Der Staatsanwalt repräsentiert hier die Republik und muss daher auch durch ein Organ, welches auch immer, geleitet und beaufsichtigt werden. Das ist auch das Kon­strukt, so wie ich es sehe, dass hier, obwohl es sich nunmehr um ein Organ der Ge­richtsbarkeit handelt, auch in der Verfassung angeordnet worden ist, dass es einfach­gesetzlich die Möglichkeit zur Regelung von Weisungsmöglichkeiten gibt.

Zum zweiten Bereich, der Staats- und Verwaltungsreform. Soweit ich das überblicken kann, geht das ja die letzten 30 oder 40 Jahre zurück. Ich habe mich einmal ein biss­chen mit Fragen des Straßenverkehrs und der Straßenverkehrsordnung beschäftigt, und da bin ich auf Protokolle aus dem Jahr 1929 gestoßen, und bereits damals ist von einem Abgeordneten gefordert worden, dass doch endlich die Verfassungsreformange­legenheiten in dieser Frage weitergehen.

Im Grunde genommen, glaube ich, sind sie Ausdruck dieser partnerschaftlichen Kon­struktion, die wir in Österreich haben. Wir haben den Bund, und wir haben ihm gegen­überstehend die Länder. Die sollten eigentlich nicht gegeneinander oder übereinander stehen, sondern in einer bundesstaatlichen Konstruktion stehen sie nebeneinander, und jeder erfüllt jene Aufgaben, die ihm die Verfassung zuweist.

Ich kann nur für meinen Bereich sprechen. In unserem Bereich diskutieren wir gerade, nachdem es einen Beschluss der Bundesregierung gibt, nachdem es auch eine Ent­schließung des Nationalrates gibt und nachdem auch die Landeshauptleute in der letz­ten Landeshauptleutekonferenz informell durch meine Ministerin befasst worden sind, die Idee der Einrichtung eines Bundesamtes für Asyl und Migration.

Da kommen wir in Bereiche, die einerseits in unmittelbarer Bundesverwaltung mit ei­nem unmittelbaren Bundesamt sind, wie wir es etwa im Asyl haben, da haben wir Be­reiche, die auch in Bundesverwaltung sind, aber durch nachgeordnete Behörden wie die Bezirksverwaltungsbehörden und die Bundespolizeidirektionen vollzogen werden, oder wir haben auch das Konzept der mittelbaren Bundesverwaltung, wo die Landes­hauptleute tätig werden, die nach der Möglichkeit, die ihnen das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bietet, dort, wo Bezirksverwaltungsbehörden, Bezirkshauptmann­schaften vorhanden sind, viele ihrer Aufgaben an diese delegiert haben.

Wir haben also ein vielschichtiges Nebeneinander. Das führt bei Arbeitsabläufen, die durchwegs komplex und miteinander vernetzt sind und durchwegs auch dadurch ge­kennzeichnet sind, dass eine Fülle von europäischen Rechtsnormen auf diese Berei­che einwirken, zu Doppelgleisigkeiten, zu Synergieverlusten. Die Idee, die hier geboren wurde, ist, dass man den Bereich Asyl mit jenem Bereich fremdenpolizeilicher Tätig­keit, die auch dafür ausschlaggebend ist, und jenem Bereich von niederlassungs- und aufenthaltsrechtlichen Regelungen, die man auch braucht, um derartige Verfahren rasch und konsistent in einem entscheiden zu können, auch in einem entscheidet.

Wenn man an die erste Instanz denkt, muss man auch an die zweite Instanz denken, und da sind wir bei einem zweiten Punkt, der ein Dauerbrenner in der Verwaltungsre­formdiskussion ist, das ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Einrichtung einer echten Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ich glaube, diese ist unmittelbar damit verwoben. Wenn wir ein Bundesamt für Asyl und Migration einrichten, dann macht es nur dann einen Sinn, wenn auch die übergeordnete Instanz eine einheitliche Berufungsinstanz ist. Es ist nicht befriedigend, wenn wir einmal zu einem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land und einmal etwa, sollte es eine Weiterentwicklung geben, zu einem Landesver­waltungsgericht, einmal zu einer Sicherheitsdirektion und einmal vielleicht, wie es im Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht in weiten Teilen noch heute ist, zum Innenminis­terium als Berufungsinstanz gehen.

Das ist, glaube ich, nicht sinnvoll. Da muss man mitdenken und mit überlegen, ob man nicht gleich im Rahmen dieser gesamten Regelungsmöglichkeit auch einen einheitli­chen Spruchkörper einrichtet. Und so wie man das Bundesasylamt als Vorbild nimmt für ein derartiges Bundesamt, könnte man auch den Asylgerichtshof als Vorbild neh­men und um die entsprechenden Kompetenzen erweitern.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Als nächster Fragestellerin erteile ich Frau Bundesrätin Mühlwerth das Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Ich stelle eine Frage, die heute schon mehrfach gestellt wurde, aber bei mehreren Kandidaten ist es einfach so, dass Fragen sich wiederholen, nämlich wie sich Ihr Engagement und Ihre Tätigkeiten mit einer even­tuellen künftigen Tätigkeit als Verfassungsrichter vereinbaren ließen.

 


Mag. Dr. Mathias Vogl|: Herr Vorsitzender! Hoher Ausschuss! Für einen Verwaltungs­beamten ist es einfach: Er wird außer Dienst gestellt und seine ganze Arbeitskraft wird ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung gestellt. Damit gibt es keine Unvereinbarkeiten. Das ist auch ganz klar, das steckt in diesem Konzept, das wir auch in der Verfassung und im Verfassungsgerichtshofgesetz vorfinden, inhärent drinnen.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Gibt es weitere Fragen? – Wenn das nicht der Fall ist, dann bedanke ich mich, Herr Dr. Vogl, sehr herzlich für die Beant­wortung der Fragen und für Ihr Kommen. Danke schön.

Diesmal mache ich es nicht so, dass ich den Kandidaten aufrufe, sondern ich sage gleich, dass wir wieder eine kleine Pause haben. (Ruf: Der Herr Dr. Weh ist schon da!) Diese Entscheidung nehme ich auf mich. Sind Sie einverstanden? (Ruf: Ja!) Okay.

*****

Dann darf ich ersuchen, als nächsten Kandidaten Herrn Dr. Weh in den Sitzungsaal zu bitten.

14.19.10 Rechtsanwalt Dr. Wilfried Ludwig Weh

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Meine Damen und Herren! Ich darf sehr herzlich in unserer Runde Herrn Rechtsanwalt Dr. Wilfried Ludwig Weh be­grüßen, ihm für seine Bewerbung danken und ihn kurz vorstellen.

Herr Dr. Weh wurde am 25. Juni 1952 geboren und ist seit 1983 als Rechtsanwalt tätig.

Ich darf Sie nun bitten, Herr Dr. Weh, uns die Gründe für Ihre Bewerbung darzustellen, und ich darf Sie weiters ersuchen, sich dabei an eine Redezeit von etwa 5 Minuten zu halten. – Bitte.

 


Dr. Wilfried Ludwig Weh|: Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen, dass ich hier vor Ihnen sprechen darf.

Ich bewerbe mich als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes mit der Absicht, dort auch als Referent zur Entscheidungserledigung zur Verfügung zu stehen. Meine Kanzlei ist ohnehin in der Vorbereitung für eine Umstellung, sodass ich auch von der Kanzlei aus in der Lage wäre, eine Vollzeittätigkeit als Referent beim Verfassungsgerichtshof ein­zurichten. Die Spezialisierung unserer Kanzlei auf Asylrecht würde dabei dem Verfas­sungsgerichtshof entgegenkommen, weil das unser Spezialgebiet ist, wo wir sofort mit der Tätigkeit beginnen könnten.

Meine Prägung als Jurist ist in den Jahren 1974, 1975, 1976 überwiegend im Ausland erfolgt. Ich war damals, kurz vor dem Ende der Franco-Diktatur, Student an der Univer­sidad Complutense de Madrid und habe dort sozusagen die Keimzelle der spanischen Demokratie kennengelernt. Menschenrechte war damals schon ein hochinteressantes Thema. Der nachmalige Volksanwalt und der nachmalige Parlamentspräsident, das wa­ren alles Professoren an der Universität Complutense in Madrid.

Der zweite Ort, an dem ich sehr früh mit Menschenrechten befasst worden bin, war Straßburg. Das Internationale Institut für Menschenrechte in Straßburg, eine Gründung der UNESCO, dotiert mit dem Friedensnobelpreis für den damaligen Präsidenten des Gerichtshofes in Straßburg, René Cassin, hat immer wieder interessante Menschen­rechtsvertreter eingeladen. Da war René Cassin selber eine beeindruckende Persön­lichkeit mit 86 Jahren. Aus dieser Zeit habe ich das Interesse für Menschenrechte mit­genommen. Ich würde sagen, ich wurde damals mit dem Virus der Menschenrechte in­fiziert.

Mein erster Arbeitsplatz als fertiger Jurist in Österreich war dann bei Professor Kle­catsky, dem früheren Justizminister, der mir beigebracht hat, dass das Recht einen sehr hohen Stellenwert hat und der Rechtsschutz einen noch höheren. Seither bin ich auch mit dem Virus des Verfassungsrechtes infiziert. Und jedes Mal, wenn ich beim Verfassungsgerichtshof bin – und ich bin oft beim Verfassungsgerichtshof gewesen, wir haben mehrere hundert Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof eingereicht, waren sicher mit einer dreistelligen Zahl von Beschwerden auch schon erfolgreich –, spüre ich wieder, dass es doch etwas Besonderes ist beim Verfassungsgerichtshof, dass ein Gericht über ein Parlament zu Gericht sitzt, ob dieses Parlament die Grund­werte der Republik auch entsprechend wahrt. Es ist immer gut, wenn es Kontrolle gibt, und auf der anderen Seite ist es auch eine hohe Wertschätzung für die Verfassungs­ordnung.

Anschließend war ich Landesbeamter und habe die Landesbeamtenprüfung absolviert. Ich war auch Praktikant bei der Menschenrechtskommission und habe dort eine gute Beschreibung gehabt. Ich habe jahrelang darauf gewartet, Mitarbeiter des Europäi­schen Gerichtshofes für Menschenrechte zu werden, bin dann aber an der Altersklau­sel gescheitert.

Als der erste Österreicher eingeladen war, sich zu bewerben, war ich zwei Jahre zu alt, und so bin ich dann schlussendlich in der Rechtsanwaltskanzlei gelandet und bis heute gerne geblieben. Ich muss sagen, ich habe heute meine Berufung als Rechtsanwalt schon gefunden, und es war mir möglich, auch öfter nach Straßburg zu gehen, als man mich damals vom Gerichtshof eingeladen hat, ich soll halt als Beschwerdevertreter nach Straßburg kommen.

Ich habe Ihnen eine klare und auch pointierte Beschreibung meiner Berufslaufbahn in den Bewerbungsunterlagen gegeben. Ich möchte das nicht wiederholen. Im Grunde habe ich immer auch wissenschaftlich publiziert. Diese wissenschaftlichen Publikatio­nen sind zum Teil theoretisch fundiert, sind zum Teil auch grundsatztheoretischer Na­tur, aber immer mit Bezug zur Praxis: Wie setzt man Unionsrecht im innerstaatlichen System praktisch um? Die Nahtstellen haben mich immer besonders interessiert. In diese Nahtstellen hinein habe ich immer wieder versucht, Lösungen zu finden. In der Praxis ist es so, dass die eine Seite mehr den einen Aspekt betont, die Öffentlich-Rechtler betonen die eine Seite, die Europarechtler betonen wieder die andere Seite. Die Schnittstelle ist meistens der interessanteste Punkt. Was dort passiert, ist immer wieder spannend.

Ich habe in meiner konkreten Anwaltstätigkeit mehrere Schwerpunkte. Ein Schwer­punkt war aus der Zeit als Anwalt von Martin Zumtobel Baurecht, Anlagenrecht in jeder Form. Der zweite Schwerpunkt entstand aufgrund meiner Tätigkeit als Gerichtsdol­metscher für Englisch, Französisch und Spanisch. Das hat natürlich immer alles etwas mit grenzüberschreitenden Sachverhalten zu tun, mit Migration, mit grenzüberschrei­tenden Investitionen, mit allem, was immer halt über die Grenze geht.

Wir haben kürzlich ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Sache Kugler bekommen. Dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Sa­che Kugler wird bewirken, dass genau in dem Referat, das jetzt beim Verfassungsge­richtshof zur Diskussion steht, im Referat Liehr, wichtige Fragen aufbrechen in der Frage der Umsetzung von verordnungsbezogenen Individualverfahren. Ein Flächenwid­mungsplan trifft Individualverfügungen über individuelle Grundstücke, ist aber in Ver­ordnungskonstruktion.

Parallel zum Verfahren in Straßburg hat der Vorarlberger Landesgesetzgeber bereits im Raumplanungsverfahren Strukturen eingerichtet, die sich einem regulären Verwal­tungsverfahren zumindest stellenweise nähern. Es wäre also auch in diesem Sinne ein Referat, das mich sehr interessieren würde, weil man genau hier in einer Phase der Umstellung ist.

Ich habe zum Schluss meiner Darstellung gesehen, dass ich nicht blind bin: Europa­recht hat auf manchen Gebieten Fortschritte gebracht, und natürlich ist es wichtig, ge­rade auch in Krisenzeiten, dass Europa zusammenhält. Bei der letzten Lire-Krise, die es gegeben hat, haben Vorarlberg und Tirol wahnsinnige Schwierigkeiten gehabt mit dem Umstand, dass die Lira auf einmal nur mehr zwei Drittel des vorherigen Wertes hatte. Große Wirtschaftsbereiche in Vorarlberg sind damals eingebrochen. Ich glaube also schon, dass Europa in vielen Fällen Vorteile bringt.

Es gibt aber auch zunehmend Recht aus Europa, das uns Schwierigkeiten macht, vor allem auch im Grundrechtsbereich Schwierigkeiten macht. Da gilt es, dass auch der Verfassungsgerichtshof in einen Dialog tritt und dass da mehr Austausch in der Zielset­zung stattfindet, damit die Grundrechte in Europa besser geschützt werden, als sie es derzeit sind.

Ich glaube, ich bin jetzt ungefähr bei den 5 Minuten, und bin nun gerne bereit, Fragen zu beantworten.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Ich darf Ihnen für Ihre Ausfüh­rungen danken.

Als erste Fragestellerin hat sich Frau Bundesrätin Grimling zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien)|: Herr Dr. Weh, Sie haben uns schon sehr viel auch von Europa gesagt, aber ich darf noch eine Frage dazu stellen. Es wird für Sie wahrscheinlich ein Leichtes sein, die Antwort entweder noch einmal zu wieder­holen oder noch genauer detailliert zu geben.

Wie sehen Sie den Verfassungsgerichtshof allgemein im Rechtsschutzsystem, insbe­sondere auch im Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof?

 


Dr. Wilfried Ludwig Weh|: Ich kenne die meisten Mitbewerber, und ich glaube, dass ich sagen kann, dass ich der Einzige bin, der wirklich im Europäischen Recht firm ist. Eine Fülle von Kandidaten, die ich heute auf der Liste gefunden habe, sind hervorra­gende Verfassungsrechtler, sie kennen die Institutionen des Verfassungsrechtes, aber wir sind, glaube ich, die einzige Kanzlei, die systematisch und auf breiter Basis euro­päisches Verfassungsrecht macht, europäische Grundrechte macht.

Ich habe mehr als 40 erfolgreiche Urteile beim Europäischen Gerichtshof für Men­schenrechte erreicht, und in der Regel waren diese Urteile auch richtig. Es gibt zwar scharfe Kritik der Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, und es gibt natürlich im Hinblick auf die stark einzelfallbezogene Judikatur des Europäischen Gerichtshofes Fälle, wo man sagen kann: Ich bin mit dieser Entscheidung nicht glück­lich!, aber der Hauptstrom der Rechtsprechung in Straßburg hat an sich überwiegend zu guten Ergebnissen geführt.

Meine Kanzlei war in den achtziger Jahren maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Polizeistrafrecht durch Gerichte in zweiter Instanz administriert wird, und wir haben auch die ersten Beschwerden über die Civil Rights gemacht. Ich habe über Civil Rights 1985 und 1988 publiziert, und diese Publikationen haben dann in Summe in Verbin­dung mit der Anfechtung des Polizeistrafrechtes zur Gründung der Unabhängigen Ver­waltungssenate geführt. Ich glaube, dass an sich ein weitgehender Konsens darüber besteht, dass bei allen Kinderkrankheiten, die die Unabhängigen Verwaltungssenate noch haben mögen, es im Grunde ein Fortschritt gegenüber der früheren Situation ist.

Das heißt, wenn man Europarecht richtig umsetzt, ist es ein Segen. Es kann aber auch zum Gegenteil werden. Ich möchte Ihnen jetzt ein paar Punkte darlegen, und da kommt auch genau Ihre Frage herein: Was hat der Verfassungsgerichtshof in diesem Spiel für eine Verantwortung?

Es gibt eine Unzahl von Normen aus dem Europarecht, die in letzter Zeit massive Grundrechtseingriffe beinhalten, und diese Grundrechtseingriffe sind charakterisiert durch das Fehlen einer Anfechtungsmöglichkeit. Man kommt immer wieder in Situa­tionen, wo man eine Grundrechtsverletzung, die vom Europäischen Recht her zwin­gend resultiert – ich rede jetzt von unionseuropäischem Recht –, nicht bekämpfen kann. Ich habe ein paar Beispiele vorbereitet, weil ich an sich dieses Thema noch näher aus­führen wollte.

Es gibt ein Auslieferungsübereinkommen zwischen Europa und den USA. Dieses Aus­lieferungsabkommen Europa – USA fährt über die nationalen Auslieferungsverträge drü­ber. Also die Tatbestände, die die nationalen Auslieferungsabkommen getroffen haben, werden durch einen einheitlichen Europäischen Katalog ersetzt.

Jetzt gibt es in dem Europäischen Auslieferungsabkommen eine ganze Reihe von Rechtsschutzeinrichtungen nicht. Es gibt das Verbot der Doppelverfolgung nicht, es gibt keine Garantie, dass die Strafen vertretbar sind. Wir haben jetzt einen aktuellen Fall, da ist es um Schlangenschmuggel gegangen, also Schmuggel von geschützten Schlangen nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen. Strafdrohung dafür in den Vereinigten Staaten: 35 Jahre.

Jetzt könnte man sagen: Wenn ich weiß, dass da eine völlig aus der Norm laufende Strafe droht, dann liefere ich nicht aus! Der Richter hat aber argumentiert: Wenn die Strafdrohung 35 Jahre ist, dann ist die Fluchtgefahr umso größer, und deswegen muss ich diesen Mann sofort in Auslieferungshaft nehmen!

Wenn es um Auslieferungshaft geht, gibt es die Möglichkeit der doppelten Rückwir­kung, also sowohl der Tatbestand als auch das Auslieferungsabkommen selbst können rückwirkend angewendet werden, also anders werden, als es zum Zeitpunkt der Tat­begehung war. Normalerweise gilt das Prinzip, dass, wenn man eine Tat begeht, die Strafnorm zum Zeitpunkt der Tatbegehung maßgeblich ist. Man hat auch keine Chan­ce, für eine Auslieferung Haftentschädigung zu bekommen. Also wenn ein Ausliefe­rungsantrag besteht und das Gericht pflichtgemäß in Auslieferungshaft nimmt, kann man, wenn dann später der Auslieferungsantrag nicht gestellt wird, innerstaatlich keine Haftentschädigung beantragen.

Interessant ist auch im EU-Auslieferungsübereinkommen, dass es keine Gleichbehand­lung zwischen Österreichern und hier lebenden Unionsbürgern gibt. Das ist ein Be­reich.

Ich komme jetzt zu einem weiteren Bereich und möchte Ihnen ein paar Beispiele ge­ben, weil man, glaube ich, aus den Beispielen klarer sieht, was das Problem ist.

Wir haben diese Geschichte mit dem EHEC. Da gibt es ein Frühwarnsystem. Gut, beim EHEC kann man jetzt sagen, da sind Menschen gestorben. Wenn Menschen sterben, kann man sagen, es ist ein Frühwarnsystem notwendig. Aber da gab es vor ein paar Jahren einen Fall in der Lebensmittelverpackungsindustrie mit Getränken in vierecki­gen Packungen. Die kommen auf eine Rolle, die Rolle wird abgerollt, die Verpackung wird in der Maschine hergestellt und sofort befüllt. Die Außenseite der einen Packung ist die Innenseite der nächsten, das heißt, die liegen ja aufeinander. Da hat es jetzt das Problem gegeben, dass einer dieser Stoffe möglicherweise krebserregend ist.

Jetzt brauche ich Ihnen nicht zu erzählen, dass, wenn auf einer Rolle eine Schicht auf einer anderen liegt, die Gefahr eines Abriebes minimal ist, und die Gefahr, dass da eine echte Gesundheitsgefährdung besteht, ist natürlich ebenfalls minimal, und trotz­dem war das im Frühwarnsystem der Europäischen Union. Monatelang ging diese Dis­kussion, es waren zwei der größten Fruchtsaftverpackungshersteller Europas betrof­fen. Es gibt keine Möglichkeit, das aus dem Frühwarnsystem herauszubekommen. Es gibt kein Rechtsmittel. Man kann da gar nichts tun. Um Millionen hat man damals Fruchtsaft vernichtet, der eigentlich, bei Licht betrachtet, völlig ungefährlich und voll ge­nusstauglich gewesen wäre.

Nächstes Beispiel: Bilanzrichtlinie. Die Offenlegungsrichtlinie datiert ursprünglich aus 1967. Damals gab es keine EDV, damals gab es keine Übersicht, damals gab es ei­gentlich nichts, und da war es natürlich wichtig zu wissen, mit welchen Gesellschaften man es zu tun hat. Heute, 45 Jahre später, haben wir den „gläsernen Menschen“, der voll transparent ist, und auch das „gläserne Unternehmen“. Da würde es sich an sich anbieten, dass man einmal über Datenschutz nachdenkt. Bei der Neufassung dieser Offenlegungsrichtlinie vor zwei, drei Jahren fand sich in den Motiven kein einziger Hin­weis auf das Datenschutzrecht.

Laut Zeitungsberichten hat das Handelsgericht Wien im Frühjahr dieses Jahres 44 000 Strafbeschlüsse gegen Unternehmen gerichtet, bei ungefähr 80 000 eingetra­genen Unternehmen in Vorarlberg. Ungefähr jedes zweite Unternehmen in Vorarlberg ist bestraft worden mit Mindeststrafen von 700 €. Wenn man Einspruch erhebt, kommt man auf 1000 €. Rechtschutzmöglichkeit: Keine!

Nächstes Beispiel: Schengener Informationssystem. Wir haben einen Fall eines Aus­länders, der soll in Schengen notiert sein, und zwar in der Slowakei. Wir haben da nachgefragt und erfahren, dass es drei verschiedene Eintragungen im Schengener System der Slowakei gibt. Die eine sagt, es war bis 2010, die andere sagt, es war bis 2011, und die dritte Eintragung sagt, die fremdenrechtliche Maßnahme gilt bis 2014. Man hat keine Möglichkeit, innerstaatlich einen Rechtsschutz zu bekommen. Die öster­reichische Behörde ist an die Schengen-Eintragung gebunden und muss sie zur Kennt­nis nehmen.

Jetzt könnte man sagen, wenn ich das verfassungsrechtlich sauber abwickeln will, dann müsste die österreichische Behörde von den Slowaken verlangen können, dass die nachweisen, warum die Eintragung erfolgt ist, und wenn sie das binnen nützlicher Frist nicht tun, würde man halt meinen, könnte man die Schengen-Eintragung überge­hen. Aber so ist es leider nicht organisiert.

Ich habe Ihnen jetzt ein paar Beispiele gegeben, was alles so an problematischen Vor­gaben aus Brüssel und Straßburg kommt, und Sie würden jetzt meinen, dass der Ver­fassungsgerichtshof schon öfter solche Grundrechtsverletzungen beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg in Zweifel gezogen hat. Sie würden sich täuschen. Es gibt keinen einzigen Fall in sechzehneinhalb Jahren, wonach der Verfassungsgerichtshof eine Norm des Europarechtes wegen Grundrechtswidrigkeit beim Europäischen Ge­richtshof angefochten hat.

Und da, glaube ich, würde sich etwas ändern, wenn ich in den Verfassungsgerichtshof bestellt würde. Das wäre an sich mein Schwerpunkt, dafür zu sorgen und zu schauen: Wie schaffe ich es, dass das Recht, das aus Brüssel kommt, doch auch vielleicht in dem einen oder anderen Fall die Grundrechte einhält?

Das wäre an sich mein Hauptthema. Ich sage das ganz klar. Ich habe das in der Be­werbung noch nicht so klar gesehen, habe das aber nachreflektiert und bin heute der Auffassung, dass das die wichtigste Funktion wäre, die ich beim Verfassungsgerichts­hof ausüben könnte.

Habe ich die Frage beantwortet?

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Ich denke, ja.

Nächster Fragesteller: Herr Bundesrat Mag. Brunner. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg)|: Sie haben jetzt sehr aus­führlich geantwortet in Bezug auf den Verfassungsgerichtshof. Ich möchte meine Frage auf ein anderes Thema lenken, nämlich auf die Verwaltungsreform. Da gibt es immer wieder Diskussionen auch um Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern, hin und her, in beide Richtungen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Bundesstaates und der Kompetenzverschiebungen in diesem Zusammenhang?

 


Dr. Wilfried Ludwig Weh|: Das ist eine ganz schwierige Frage, und natürlich ist es ein „Minenfeld“, in das man sich da begeben muss. Praktisch gesprochen ist es so, dass natürlich die Entscheidung nahe vor Ort der richtige Platz ist für die Entscheidung. Ich bin für möglichst dezentrale Entscheidungen und für möglichst zentrale Rechtskon­trolle, aber nur als Endinstanz. Die erste Instanz auch der Rechtskontrolle funktioniert wunderbar mit den UVS. Ich glaube, dass wir mit dem UVS ein Mittel haben, das ich in der Verwaltung sogar generalzuständig machen würde. Wir haben das in Vorarlberg. Alle landesrechtlichen Normen gehen in zweiter Instanz an einen Unabhängigen Ver­waltungssenat, der in diesen Fällen dann auch die Entscheidung treffen kann. Ich glau­be, das könnte man generalisieren. Also insofern bin ich für eine Verwaltungsreform.

Zur Frage, wie man die innerstaatliche Kompetenzverteilung in der Gesetzgebung ver­ändert, glaube ich, dass man schauen sollte, dass man abtauschen kann, dass man al­so Kompetenzen bekommt und abgibt. Wenn man da differenziert agiert, würde man Verwaltung entflechten können, gleichzeitig aber auch dafür Sorge tragen, dass die fö­derale Struktur Österreichs erhalten bleibt.

Ich bin in diesem Zusammenhang ganz offen auch für das absolute Veto und nicht nur für das suspensive Veto des Bundesrates. Ich glaube, dass das eine wichtige Berei­cherung für den Bundesrat und damit für das gesamtstaatliche System wäre.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Als nächste Fragestellerin hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Ich möchte jetzt eine ganz andere Fra­ge stellen, denn Ihre Ausführungen waren wirklich sehr ausführlich und auch hochinter­essant für mich.

In den letzten Wochen und Monaten war ja eine heftige Diskussion, vor allem in den Medien, über das Vertrauen in die Justiz. Nach Meinungsumfragen ist das Vertrauen in die Justiz angeblich gesunken. Da würde mich jetzt interessieren: Sehen Sie das auch so, dass das Vertrauen in die Justiz gesunken ist? Was könnte man tun, auch konkret, um es wieder zu heben? Auch wenn Professor Tomandl schon einmal gesagt hat, dass Recht mit Gerechtigkeit nichts zu tun hat.

 


Dr. Wilfried Ludwig Weh|: Ich war das vergangene Wochenende bei der Tagung der Österreichischen Juristenkommission am Attersee, und es war einheitlicher Tenor, dass das Ansehen der Justiz gelitten hat. Also von Staatsanwälten über Richter, Sektions­chefs bis hin zu Ministerialbeamten waren alle einer Meinung, dass das Ansehen der Justiz gelitten hat. Wie immer in solchen Fällen ist es eine Mischung aus Pech und schlechter Administration und ein paar Dingen, die gleichzeitig aufbrechen, aber das Pro­blem besteht.

Ich hätte ein klares Modell, was ich meine, was ich auch propagiere, was ich auch öf­fentlich schon gefordert habe: Ich wäre für die Öffnung der Verfassungsgerichtsbarkeit auch für den Bereich der Justiz.

Es gab einen Entwurf einer Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof hinsichtlich ange­wendeter Normen nach Abschluss des innerstaatlichen gerichtlichen Verfahrens vorzu­sehen. Dieser Entwurf bestünde eigentlich, aber als Professor Korinek als Verfassungs­gerichtshofpräsident in Pension gegangen ist, ist dieser Entwurf nicht mehr weiterver­folgt worden.

Mir ist schon klar, die Kontrolle der Justiz durch den Verfassungsgerichtshof würde die Verfahren ein bisschen verlängern. In der Praxis ist es so, dass der Verfassungsge­richtshof für eine ungerechtfertigte Beschwerde zwischen sechs und acht Monate braucht. Also in sechs Monaten hätte man für die ungerechtfertigten Beschwerden eine Antwort. Und für die gerechtfertigten Beschwerden hat man wieder kein Verfahrens­dauerproblem. Wenn eine Beschwerde berechtigt ist, dann ist sie berechtigt, dann braucht man nicht nachzudenken, ob die Verfahrensdauer zu lange oder zu kurz war.

Ich glaube, das wäre eine Möglichkeit, das Vertrauen in die Justiz sofort wieder herzu­stellen.

Man hat in Vorarlberg natürlich auch darüber nachgedacht, welche anderen Maßnah­men man treffen könnte. Ich meine, die Trennung von Kuratoren in Verlassenschafts­verfahren vom Gericht wäre natürlich eine wichtige Maßnahme. Wenn der Kurator sich als Gerichtsbeamter selbst überprüft, ist das natürlich nicht das Beste. Es hat sich in Vorarlberg gezeigt, das ist sicher eine der Quellen der Probleme, die wir draußen ge­habt haben.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich – das ist auch am Attersee angesprochen wor­den – bis zu einem gewissen Punkt Anpassungsprobleme an die neue Strafprozess­ordnung, die ja doch einen ziemlich weitreichenden Wechsel des Systems gebracht hat. Der Untersuchungsrichter wurde abgeschafft, die Ratskammer wurde abgeschafft, der Staatsanwalt ist der Herr des Verfahrens. Das Verhältnis zwischen Ermittlungsbe­hörden und Staatsanwaltschaft ist unklar.

Professor Wiederin hat uns einen Vortrag gehalten, wonach der Artikel 90a B-VG, der besagt, dass die Staatsanwaltschaften Organe der Justiz sind, ziemlich viele Einord­nungsprobleme in das österreichische Verfassungssystem bringt. Es ist nicht ganz klar, ob jetzt der Staatsanwalt Justiz ist oder ob er Verwaltung ist.

Also ich kann das jetzt nicht näher darstellen, aber Professor Wiederin hat eine halbe Stunde lang einen Vortrag gehalten, und am Schluss wussten wir, dass viele Dinge un­gelöst sind.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Herr Dr. Weh, ich darf mich sehr herzlich für Ihr Kommen sowie für die Beantwortung der Fragen bedanken.

*****

Ich darf nunmehr als nächsten Kandidaten Herrn Generaldirektor Dr. Thanner in den Sitzungssaal bitten.

14.43.30 Generaldirektor Dr. Theodor Thanner

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Meine Damen und Herren! Ich darf Herrn Generaldirektor Dr. Thanner sehr herzlich in unserer Runde begrüßen und ihn kurz vorstellen.

Herr Dr. Thanner wurde am 9. Februar 1960 geboren und ist seit 2007 Generaldirektor für Wettbewerb bei der Bundeswettbewerbsbehörde.

Ich darf Sie, Herr Dr. Thanner, nun bitten, uns die Gründe für Ihre Bewerbung darzu­stellen, und Sie ersuchen, eine Redezeit von etwa 5 Minuten einzuhalten. – Bitte.

 


Dr. Theodor Thanner|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Vize­präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin seit nunmehr vier Jahren Generaldirektor für Wettbewerb. Ich leite eine unabhängige und weisungsfreie Behörde. Ich bin seit mittlerweile 30 Jahren in der österreichischen Verwaltung tätig, auf der einen Seite sehr, sehr lange in der Landesverwaltung und auf der anderen Sei­te in der Bundesverwaltung.

Ich kann und will daher, für den Fall, dass die Wahl auf mich fällt, auch dazu beitragen, sicherzustellen, dass die Entscheidungen rasch und rechtsstaatlich sauber gefällt wer­den. Ich kenne die Anliegen und ich kenne die Verwaltung auf Landesebene und auf Bundesebene sehr, sehr gut durch meine vielen verschiedenen Verwendungen, und zwar einerseits beim Amt der Salzburger Landesregierung und andererseits im Bun­deskanzleramt, wo ich vier Jahre lang für Föderalismus und Verwaltungsreformangele­genheiten zuständig war. Ich habe dann ins Verteidigungsministerium gewechselt, von dort ins Innenministerium und zurück zum Land Salzburg. Seit nunmehr vier Jahren lei­te ich die Wettbewerbsbehörde, deren Aufgabe es ist, quasi eine schiedsrichterliche Funktion auszuüben. Ebenso bin ich seit 2005 als Rat des Obersten Patent- und Mar­kensenates tätig. Da übe ich quasi bereits eine richterliche Funktion aus, weil ich dort Entscheidungen in Patent- und Markensachen vorbereite.

Mir ist es ein Anliegen, dass rasch entschieden wird und dass die Entscheidungen rasch vorbereitet und durchgeführt werden.

Für den Fall meiner Bestellung verspreche ich ein volles, ganztägiges Engagement. Ich würde alle meine sonstigen Funktionen, die ich ausübe, zurücklegen und würde, wenn der Gerichtshof das will, auch als ständiger Referent zur Verfügung stehen. – Danke schön.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Herzlichen Dank für Ihre Ausfüh­rungen.

Als erster Fragesteller hat sich Herr Bundesrat Gruber zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg)|: Ich habe zwei Fragen.

Erstens: Welche Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes in der letzten Zeit hal­ten Sie für richtungweisend?

Meine zweite Frage: Welche Signale wurden Ihrer Meinung nach damit an den Gesetz­geber gesandt?

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Bitte, Herr Generaldirektor.

 


Dr. Theodor Thanner|: Zur ersten Frage: Es ist ein Erkenntnis aus dem Bereich des Wahlrechtes, das für mich richtungweisend ist, weil es anknüpft an das sogenannte ANR-Erkenntnis aus den achtziger Jahren, wo es um die Frage geht, wie die Wieder­betätigung gesehen wird, ob das nur im Bereich des Wahlverfahrens gesehen wird oder ob die Frage der Wiederbetätigung umfassender gesehen wird.

Das ist eine Entscheidung aus Oberösterreich im letzten Jahr gewesen, und der VfGH hat dazu ausgeführt, dass Fragen der Wiederbetätigung nicht nur auf das konkrete Wahlverfahren beschränkt sind, sondern dass es umfassender zu sehen ist. Das halte ich für richtungweisend, weil es da eine Ausweitung der Judikatur und der ständigen Rechtsprechung gegeben hat.

Ob es ein Signal an den Gesetzgeber gibt oder ob es erforderlich ist, dass der Gesetz­geber da etwas macht, ist eine rechtspolitische Entscheidung. Ich denke aber, dass die Judikatur und die Aussage des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Frage sehr, sehr klar sind und dass es aufgrund der Verpflichtung der Wahlbehörden oder aller staatli­chen Behörden, diesen Fragenkreis entsprechend zu beachten, wohl keinerlei legisti­scher Maßnahmen bedarf. Hier ist die Judikatur sehr, sehr klar. Das wäre ein richtung­weisendes Erkenntnis aus letzter Zeit.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Nächster Fragesteller: Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg)|: Herr Generaldirektor, Sie haben uns Ihre Kompetenz im Rahmen der Bundesgesetzgebung und auch in der Landesgesetzge­bung kurz nähergebracht. Das ist auch gut und richtig so. Ich möchte jetzt eine Frage in Richtung europäische Situation, europäische Dimension stellen.

Wie bewerten Sie das Verhältnis Europäischer Gerichtshof – Verfassungsgerichtshof, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte? Wie funktioniert Ihrer Einschätzung nach dieses Zusammenspiel?

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Bitte, Herr Dr. Thanner.

 


Dr. Theodor Thanner|: Ich denke, dass man unterscheiden muss zwischen dem Ver­hältnis des EuGH auf der einen Seite und dem VfGH auf der anderen Seite und dem EGMR. Das sind zwei verschiedene Aufgabengebiete.

Ich würde sagen, dass durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union natürlich Unionsrecht auch in Österreich anzuwenden ist. Das ist wohl wesentlich eine Frage des Schutzes der Grundrechte, wenn ich mir die Aufgabenbereiche der beiden Gerichtshö­fe vor Augen führe.

Es ist so, dass es, mit einigen wenigen Ausnahmen, dem Verfassungsgerichtshof ver­wehrt ist, die Tätigkeit oder die Aufgaben oder die Umsetzung der europäischen Rechts­normen auf nationaler Ebene zu bewerten. Das ist nicht der Fall. Hier kann man durch­aus eine Rechtsschutzlücke sehen, weil es ja auch keine europäische Grundrechtsbe­schwerde in dem Sinn gibt. Es gibt eine Ausnahme, die betrifft interessanterweise das Wettbewerbsrecht. Da ist in der europäischen Rechtsordnung ausdrücklich normiert, dass da der Europäische Gerichtshof auch tätig werden kann. Insofern ist das Verhält­nis zwischen EuGH und VfGH und den Aufgabenbereichen aufgrund der unterschiedli­chen Aufgabenstellung letztlich nicht ganz ausdifferenziert, was man durchaus als Rechts­schutzlücke sehen kann.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Verfassungsgerichtshof ste­hen, was den Grundrechtsschutz betrifft, in einem anderen Verhältnis, weil man nach Ar­tikel 144 B-VG seine Grundrechte beim VfGH beziehungsweise dann im Rahmen einer Individualbeschwerde auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einkla­gen kann. Insofern ist da ein konziseres Rechtsschutzsystem gegeben, was im Ver­hältnis EuGH und VfGH nicht in diesem Ausmaß gegeben ist.

Ich habe am Verfassungstag 2009 teilgenommen und erinnere mich, dass der Präsi­dent des Europäischen Gerichtshofes, der damals anwesend war, auch auf diese Rechtsschutzlücke hingewiesen hat. Da gibt es vor dem Hintergrund des Rechtsschut­zes – aber das ist eine rechtspolitische Angelegenheit – noch eine Lücke zu schließen.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Nächste Fragestellerin: Frau Kollegin Mühlwerth. – Bitte.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Dr. Thanner! Es ist ja in letzter Zeit im Zuge von Einsparungen wieder verstärkt über Bundesstaatsreform und Verwaltungsreform diskutiert worden. Sie haben dazu auch schon Beiträge ver­fasst, habe ich zumindest Ihren Bewerbungsunterlagen entnommen, und es gibt ja sehr viele kreative Ideen dazu.

Ich frage Sie daher hier in der Länderkammer: Welche Stellung sollten die Landtage und der Bundesrat im Zusammenhang mit einer Verwaltungsreform beziehungsweise Bun­desstaatsreform haben?

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Bitte, Herr Dr. Thanner.

 


Dr. Theodor Thanner|: Das ist eine umfassende Frage, die nur sehr schwer in zwei Sätzen zu beantworten ist. Ich habe mit großem Interesse eine Aussendung des Präsi­denten des Bundesrates vor ungefähr sieben Wochen gelesen, wo ein Vorschlag war, dass oberste Institutionen nicht nur in Wien angesiedelt sein sollten. Es hat sich auf meine Behörde, auf die Bundeswettbewerbsbehörde, bezogen und darauf, dass man im Jahre 2002 diese Behörde auch in einem anderen Bundesland hätte einrichten kön­nen, nicht nur in Wien.

Das wäre ein Zeichen. Wenn ich nach Deutschland schaue, dann stelle ich fest, dass es das in vielen Bereichen gibt, dass die Bundesbehörden nicht nur am Ort der Bun­deshauptstadt angesiedelt sind. Es gibt auch eine verfassungsrechtliche Schranke, was die obersten Organe betrifft, selbstverständlich. Ausnahme: außergewöhnliche Ver­hältnisse. Dann wäre das denkbar. Ich denke aber, es wäre ein Zeichen, und ich glau­be, viele Zeichen würden es ausmachen.

Es ist in dieser Frage natürlich auch die Grundfrage der Rolle des Bundesrates im Kon­nex mit den Landtagen enthalten. Es gibt hier ganze Bündel an Vorschlägen, an Ver­besserungsvorschlägen. Ich denke, dass erstens der Bundesrat natürlich im Zuge der Diskussion und jeder Evaluierung auch einen weiteren und tieferen Stellenwert haben soll und haben muss. Der Bundesrat hat eine wichtige Ausgleichsfunktion zwischen dem Bund auf der einen Seite und den Ländern, aber auch den Gemeinden auf der an­deren Seite, was ich sehe, wenn ich mir die aktuelle Initiative hinsichtlich der Gemein­deverbände anschaue. Das könnte durchaus ein großer Schritt werden.

Wir haben es natürlich auch mit einer Verschiebung der Gesetzgebungsfunktionen nach Brüssel zu tun, und das scheint mir durchaus auch ein Punkt zu sein, hier die Mitwir­kung weiter zu verstärken. Der Bundesrat wirkt mit, und ich denke, dass man das durchaus intensivieren kann. Genauso wie es sicherlich viele Vorschläge gibt – das nur als Beispiel –, dass es eine stärkere Verbindung zwischen den Landtagen auf der ei­nen Seite und dem Bundesrat auf der anderen Seite geben soll. Es steht den Landta­gen ja frei, wer in den Bundesrat entsendet wird.

Da gibt es viele Faktizitäten realpolitischer Natur, die noch unerfüllt sind, aber es gibt, denke ich, vieles, was auf dem Tisch liegt und was der Umsetzung harrt. Ich erinnere an eine Äußerung des Herrn Bundespräsidenten vom Beginn dieses Jahres, wo er sagt, dass es natürlich immer Reformbedarf gibt. Die aktuelle Initiative mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden scheint mir ein wesentlicher Punkt zu sein, dass man hier auch stärker und intensiver kooperieren kann.

Was die Verwaltungsreform betrifft, ist es so, dass es natürlich auch viele Vorschläge zur Vereinfachung der Verwaltung gibt, und je näher – das ist meine Erfahrung aus mei­ner Tätigkeit in einem Bundesland – die Vollziehung am Bürger ist, umso besser ist es. Das will ich schon auch ganz klar sagen. Da bin ich sicher aufgrund meiner Tätigkeit geprägt, aber sehr stark auch aufgrund der Erfahrung geprägt. Ich bin fest davon über­zeugt: Je näher die Entscheidung in der Verwaltung am Bürger ist, umso besser ist es, umso schneller geht es auch.

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann darf ich mich bei Ihnen, Herr Dr. Thanner, sehr herzlich für Ihr Kommen und für die Beantwortung der Fragen bedanken.

Gleichzeitig ist damit die gesamte Anhörung beendet.

*****

Ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit bei allen Kandidatinnen und Kandidaten, die uns heute zur Verfügung gestanden sind und an diesem Hearing teilgenommen haben.

Ich bedanke mich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie heute an dieser Enquete teilgenommen haben, und ich bedanke mich auch bei Ihnen, Frau Vizepräsi­dentin des Verfassungsgerichtshofes. Mit Sicherheit haben Sie sich bereits einen per­sönlichen Eindruck von Ihrer nächsten Kollegin oder Ihrem nächsten Kollegen gemacht. – Herzlichen Dank.

Ich schließe die Sitzung.

14.58.10 Schluss der Enquete: 14.58 Uhr

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