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„Föderalistische Aspekte in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit“

 

 

 

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Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Mittwoch, 14. Dezember 2011

 

(Stenographisches Protokoll)

 

 


Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Mittwoch, 14. Dezember 2011

(XXIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)

Thema

„Föderalistische Aspekte in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit“

Dauer der Enquete

Mittwoch, 14. Dezember 2011: 10.08 – 13.38 Uhr

*****

Tagesordnung

I. Eröffnung

Präsidentin des Bundesrates Mag. Susanne Neuwirth

II. Keynote

Dr. Stefan Wilhelmy, Projektleiter der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)

III. Impulsreferate

Paul Pirker, Vorsitzender des entwicklungspolitischen Beirats der Salzburger Landesregierung

Mag. Bernhard Bouzek, Magistratsdirektion Wien, Geschäftsbereich Auslandsbezie­hungen

Gerda Weichsler-Hauer, Vorsitzende des Nord-Süd-Instituts Oberösterreich

Mag. Robert Zeiner, Austrian Development Agency (ADA)

Mag. Anton Mair, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegen­heiten

Mag. Petra Navara-Unterluggauer, AG Globale Verantwortung

Dipl.-Ing. Johanna Mang, Licht für die Welt

Mag. Peter Molnar, Klimabündnis Österreich

Helmut Leitenberger, Bürgermeister der Stadt Leibnitz

IV. Allgemeine Diskussion

*****

Inhalt

I. Eröffnung:

Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth ..................................................... 4

II. Keynote:

Referent Dr. Stefan Wilhelmy ....................................................................................... 5

III. Impulsreferate:

Referent Paul Pirker ............................................................................................... ....... 9

Referent Mag. Bernhard Bouzek .......................................................................... ..... 11

Referentin Gerda Weichsler-Hauer ...................................................................... ..... 13

Referent Mag. Robert Zeiner ...................................................................................... 16

Referent Mag. Anton Mair ........................................................................................... 18

Referentin Mag. Petra Navara-Unterluggauer .......................................................... 20

Referentin Dipl.-Ing. Johanna Mang .......................................................................... 22

Referent Mag. Peter Molnar ........................................................................................ 24

Referent Helmut Leitenberger .............................................................................. ..... 26

IV. Allgemeine Diskussion

Abg. Franz Glaser ........................................................................................................ 28

Bundesrat Stefan Schennach ..............................................................................  30, 52

Bundesrat Marco Schreuder ...................................................................................... 32

Erwin Eder .................................................................................................................... 33

Ing. Dr. Hans Eder ........................................................................................................ 35

Abg. Petra Bayr .....................................................................................................  37, 46

Dr. Josef Erbler ....................................................................................................... ..... 39

Dr. Monika Vana ...................................................................................................... ..... 41

Mag. Elisabeth Neugebauer .................................................................................. ..... 42

Abg. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber .............................................................. ..... 42

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 44

Ikechukwu Okafor ................................................................................................... ..... 48

Mag. Jutta Kepplinger ............................................................................................ ..... 49

Dr. Walter Sauer ...................................................................................................... ..... 50

Mag. Max Santner ................................................................................................... ..... 51

Referentin Dipl.-Ing. Johanna Mang .......................................................................... 52

Referent Dr. Stefan Wilhelmy ................................................................................ ..... 54

Schlussworte

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth ......................................................................... 55


 

10.08.30Beginn der Enquete: 10.08 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin des Bundesrates Mag. Susanne Neuwirth, Vizepräsident des Bundesrates Mag. Harald Himmer, Vizepräsident des Bundesrates Reinhard Todt.

*****

10.08.34I. Eröffnung

 


10.08.35

Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die Enquete des Bundesrates zum Thema „Föderalistische Aspekte in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit“ und danke Ihnen allen, dass Sie der Einladung so zahlreich gefolgt sind.

Ich begrüße alle Anwesenden sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt natürlich den Referentinnen und Referenten des heutigen Tages. Ich begrüße alle Mitglieder des National­rates, des Bundesrates und der Landtage, alle Teilnehmerinnen und Teil­neh­mer und heiße auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien herzlich willkommen.

(Es folgen technische Mitteilungen durch die Vorsitzende.)

Ich darf auch noch bekanntgeben, dass die heutige Enquete – es ist dies eine Pre­miere bei einer Enquete eines Bundesrates – im Livestream übertragen wird auf einer Webpage, die Sie in einem Link auf der Parlamentshomepage finden. Diese Über­tragung wird dort abrufbar sein. Sie werden das dann auch im Protokoll wiederfinden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Entwicklungszusammenarbeit ist in Österreich natürlich als gesamtstaatliche Aufgabe zu sehen. Allerdings gibt es, wie Sie wissen, sehr, sehr viele regionale und lokale Initiativen und Projekte. Das war und ist der Grund, warum sich die Mitglieder des Bundesrates entschieden haben, eine Enquete mit dem Titel „Föderalistische Aspekte in der österreichischen Entwicklungs­zusam­menarbeit“ abzuhalten.

Die österreichischen entwicklungspolitischen NGOs treten ja seit Langem für eine quantitative, aber auch für eine qualitative Verbesserung der österreichischen Ent­wicklungszusammenarbeit ein.

Um die Millenniumsziele, nämlich die Halbierung der Armut bis 2015, erreichen zu können, braucht es erstens mehr finanzielle Mittel. Hier ist auch Österreich gefordert, endlich einen Stufenplan, einen wirklich einhaltbaren Stufenplan vorzulegen, in welchen konkreten Jahresschritten die von uns versprochenen 0,7 Prozent bis 2015 zu erreichen sind – auch oder gerade in Zeiten finanzieller Knappheit in den Staaten. Wir sind derzeit von diesem Ziel noch sehr weit entfernt.

Aber es braucht nicht nur finanzielle Mittel, sondern es braucht, zweitens, auch eine Verbesserung der Qualität, und hier ist Kohärenz das Schlüsselelement. Die Beispiele von den aus Haushaltsmitteln der EU geförderten Exporten von Überschuss­agrarprodukten der EU, wie zum Beispiel Tomaten, in Entwicklungsländer sind, glaube ich, Ihnen allen hinlänglich bekannt. Diese in Entwicklungsländern zu Dumpingpreisen verkauften Agrarprodukte stehen in krassem Widerspruch zu den ebenfalls aus EU-Mitteln finanzierten Maßnahmen, die eine ländliche Produktion fördern und damit die Ernährungssouveränität sicherstellen.

Dieses Beispiel von Inkohärenz – stellvertretend für viele andere Beispiele, die Sie alle oder zumindest viele davon kennen – resultiert einfach aus den unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen Politikbereiche, die die Ziele der gemeinsamen Entwicklungspolitik beeinträchtigen. Das gilt sowohl für die österreichische als auch für die EU- und internationale Ebene. Hier gilt es, gemeinsam weitere Schritte zu setzen.

Die österreichischen Bundesländer treten ebenfalls als Geber öffentlicher EZA-Leis­tungen auf, und auch einige Gemeinden leisten finanzielle Unterstützung für EZA-Projekte. Gefördert werden dort natürlich Aktivitäten und Projekte von Organisationen und Einrichtungen, die ihren Sitz im jeweiligen Bundesland haben.

Dennoch: In der privaten EZA gibt es eine Vielzahl lokaler und regionaler Maßnahmen. Sie werden von NGOs aus Eigenmitteln und mit öffentlichen Förderungen geleistet, wobei zu betonen ist, dass die Bundesländer und Kommunen nicht dazu verpflichtet sind, Geld für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Das gehört zu den sogenannten Ermessensausgaben in den Bundesländern. Deshalb dürfen wir auch nicht vergessen, den Bundesländern unsere Anerkennung auszudrücken, denn es werden in allen Bundesländern Projekte gefördert, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

In Österreich sind es insgesamt mehr als 700 EZA-Organisationen, die irgendwie bekannt sind; eine wirkliche Auflistung gibt es derzeit nicht. Sie sind eine Grundlage der österreichischen Entwicklungspolitik, verstehen sich als Anwaltschaft der Men­schen im Süden. Ich hoffe, dass auch diese Enquete dazu führt, dass wir möglichst viele Best-Practice-Beispiele kennenlernen und uns sozusagen neu orientieren kön­nen.

Viele dieser Aktivitäten oder eigentlich die meisten werden von ehrenamtlichen Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet, und auch ihnen gilt heute mein Dank, genauso wie Ihnen allen, die Sie heute hierher zu dieser Enquete gekommen sind und damit Ihr Interesse und Ihr Engagement für dieses Thema zeigen. (Beifall.)

10.14

10.14.42 II. Keynote

 


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Wir beginnen nun mit den Refe­raten, und ich erteile unserem Keynote-Speaker, Herrn Dr. Stefan Wilhelmy, das Wort. – Bitte, Herr Doktor.

 


10.14.57

Referent Dr. Stefan Wilhelmy (Projektleiter der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt)|: Sehr geehrte Frau Bundesratspräsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete des österreichischen Parlaments! Sehr geehrte Damen und Herren! Die leitenden Frage­stellungen dieser parlamentarischen Enquete, nämlich die Fragen, wie Entwicklungs­zusam­menarbeit als gesamtstaatliche Aufgabe wahrgenommen und wie Entwicklungs­politikkohärenz sichergestellt werden kann, sind im Nachklang der Konferenz von Busan und im Vorfeld der Rio-plus-20-Konferenz im Juni 2012 von sehr hoher Aktu­alität.

Ich möchte mich daher sehr herzlich für die Einladung zu dieser parlamentarischen Enquete bedanken. Hier in diesem ehrwürdigen Haus von den Erfahrungen der Ser­vice­stelle Kommunen in der Einen Welt berichten zu können, insbesondere in Bezug auf die Einbindung der Kommunen in ein Mehr-Ebenen-System von Bund, Ländern und Kommunen, stellt eine sehr große Ehre dar. Es ist zugleich aber auch eine Herausforderung, denn die Situation ist angesichts von 16 Bundesländern und ins­gesamt 12 000 Kommunen in Deutschland mit jeweils sehr unterschiedlichen Stra­tegien und Rahmenbedingungen sehr heterogen. Es kann also im Nachfolgenden nur um einen groben Überblick über zentrale Ansätze und Tendenzen entlang der drei Leitfragen gehen, die die Frau Bundesratspräsidentin eben skizziert hat.

Zuvor, denke ich, gilt es allerdings, drei grundlegende Fragen zu klären oder zumindest zu stellen. Das eine ist: Gibt es bei den Südpartnern überhaupt Bedarf an dieser Unterstützung durch Länder und Kommunen? Die zweite Frage: Können Länder und Kommunen sinnvolle Beiträge leisten? Drittens: Sind sie dazu in der Lage und sind sie dazu bereit?

Die ersten beiden Fragen lassen sich eindeutig mit „Ja“ beantworten. Dezentra­lisie­rung, Demokratisierung, Urbanisierung und Bevölkerungswachstum stellen die Kom­munen im Süden vor sehr große Herausforderungen. Unterstützung durch Kommunen und Bundesländer aus dem Norden ist dabei hochwillkommen. Das zeigen unsere Erfahrungen mit Modellprojekten, aber auch Studien dazu.

Die dritte Frage ist eher mit einem „Ja, zum Teil“ zu beantworten, denn es engagieren sich noch zu wenige Kommunen und auch noch zu wenige Bundesländer. Ich spreche jetzt immer von Deutschland. Die Ausgaben der Länder stagnierten zuletzt bei rund 41 Millionen €, wenn man die Studienplatzkosten nicht mit einrechnet. Zahlen zu den Ausgaben der Kommunen gibt es für Deutschland nicht.

Es gibt in diesem Handlungsfeld auch sehr viel Dynamik, sehr viel Bewegung. Zum Beispiel wachsen die Mittel des BMZ, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, für diesen Bereich, für die Unterstützung der Kommunen seit Jahren kontinuierlich an.

Lassen Sie mich zur ersten Leitfrage kommen, Entwicklungszusammenarbeit als gesamt­staatliche Aufgabe oder, anders formuliert, Bund, Länder und Kommunen in gemeinsamer Verantwortung im Mehr-Ebenen-Ansatz.

Die EZ fällt – Sie hatten es vorhin angesprochen, Frau Bundesratspräsidentin – in den Teil der auswärtigen Angelegenheiten; das ist in Deutschland auch so. Es ist die primäre Zuständigkeit des Bundes. Es besteht mittlerweile aber weitgehend Konsens, dass sich die Bundesländer und die Kommunen in diesem Bereich engagieren dürfen. Das war in der Vergangenheit zum Teil umstritten.

Die Regierungschefs der Länder haben 2008 ein Dokument mit dem Titel „Zukunfts­fähigkeit sichern – Entwicklungspolitik in gemeinsamer Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen“ verabschiedet. Darin – es liegt vorne aus – wird das Eigen­interesse an Entwicklungspolitik der Länder und Kommunen im Hinblick auf inter­nationale Wettbewerbsfähigkeit konstatiert und die Mitverantwortung angesichts globaler Herausforderungen angenommen. Es wird betont, dass nur gemeinsame entwicklungspolitische Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen zielführend sind. Das ist natürlich ein sehr hoher Anspruch. Den Regierungschefs der Länder geht es hierbei auch in Vertretung der Kommunen um die Einbindung in nationale und internationale Prozesse, in die sie ihre spezifischen Kompetenzen komplementär, also nicht konkurrierend zum Bund, einbringen können.

Was sich in diesem Ministerpräsidentenbeschluss andeutet, ist ein konstruktiver Mehr-Ebenen-Ansatz in der Entwicklungspolitik, der einerseits den Eigenwert der Beiträge der jeweiligen Ebenen würdigt, andererseits aber einer weiteren Zersplitterung der Akteurslandschaft entgegenwirken möchte; und dies eben in Übereinstimmung mit den internationalen Prinzipien der Harmonisierung und Wirkungsorientierung.

Für die kommunale Entwicklungspolitik in Deutschland, die hiermit politisch gestärkt wird, enthält dieser Mehr-Ebenen-Ansatz Chancen, ebenso aber auch Heraus­forde­rungen. Die Chancen bestehen in der Einbindung und Förderung ihres Engagements, was nicht nur ihre internationale Handlungsfähigkeit und damit die Reputation der Kommunen, sondern vor allem auch ihre entwicklungspolitische Wirkung steigern wird.

Zu den Herausforderungen: Förderung und Einbindung in einen möglichen Mehr-Ebenen-Ansatz der Entwicklungspolitik erfordert von den engagierten Kommunen weitere Professionalisierung des Managements, die Partnerorientierung, die Evaluie­rung beziehungsweise die Wirkungsmessung der Projekte sowie die transparente Rechenschaftslegung über ihre Aktivitäten. Hierfür brauchen Kommunen meines Er­achtens fachliche Unterstützung.

Herausforderungen des Mehr-Ebenen-Ansatzes aus kommunaler Perspektive liegen aber nicht nur bei den Kommunen, sondern es müssen sich auch Bund und Länder in ihren Programmen für die kommunalen Aktivitäten öffnen.

Zur zweiten Leitfrage der Enquete: Sicherstellung von entwicklungspolitischer Kohä­renz. Kohärenz kann erstens durch eine klare Aufgabenteilung beziehungsweise Aufgabenbeschreibung der verschiedenen Akteure, zweitens durch institutionalisierte Abstimmung und drittens durch gemeinsame Standards erfolgen. Die Bundesländer haben sich in dem eben erwähnten Beschluss von 2008 acht Kernkompetenzen und Handlungsfelder für das Engagement der Länder zugeschrieben, darunter Felder, von denen sie unmittelbar betroffen sind, wie Klimaschutz, Energie und Migration, aber auch andere Felder, die zu den verfassungsgemäßen Aufgaben der Länder gehören, wie etwa Wissenschafts- und Wirtschaftskooperationen, Kultur und auch der Bereich Bildungsarbeit, entwicklungspolitische Bildungsarbeit im Besonderen.

Was machen die Bundesländer konkret? – Einige haben sich eigene Leitlinien für ihre EZ gegeben, darunter Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, bezie­­hungsweise erarbeiten sie derzeit mit den Stakeholdern eine Weltstrategie, so in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Daneben unterhalten einige soge­nannte Länderpartnerschaften mit dem Süden, insbesondere zu erwähnen ist hier Nordrhein-Westfalen mit Ghana, das wiederum als Rahmen für die Kommunen dient, und insbesondere auch Rheinland-Pfalz mit Ruanda; Letzteres schon über 30 Jahre. Ein anderes Handlungsfeld ist die Etablierung von Fair-Handels-Messen, was auch ein Wirtschaftsfaktor ist, etwa in Dortmund in Nordrhein-Westfalen oder in Stuttgart in Baden-Württemberg. Außerdem haben einige Länder auch eigene Förderprogramme für Nichtregierungsorganisationen und zum Teil auch für die Kommunen zur ent­wicklungspolitischen Bildungsarbeit und auch für Auslandsprojekte aufgelegt.

Kurz noch einige Anmerkungen zu den Handlungsfeldern der Kommunen. Hier ist zunächst einmal der Bereich Inland zu nennen, die Förderung des fairen Handels und der fairen Beschaffung, die Vernetzung von Migration und Entwicklung, die Vernetzung und Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen insgesamt und der Bereich entwicklungspolitische Bildungsarbeit.

In den Auslandsbeziehungen sind Handlungsfelder vor allem die Mitwirkung in inter­nationalen Netzwerken, wie zum Beispiel im Klimabündnis, die Entsendung von Kommunalexperten, auch die Bereitstellung von Kommunalexperten in staatlichen Programmen und natürlich der Bereich kommunale Partnerschaft.

Bei den kommunalen Entwicklungspartnerschaften lassen sich in den vergangenen Jahren deutliche Tendenzen hin zu einer zunehmenden Professionalisierung und stärkeren Themenorientierung erkennen. Basierend auf dem erwähnten Minister­präsidentenbeschluss wurde beim Bund-Länder-Ausschuss für Entwicklungszusam­menarbeit – es gibt also ein eigenes Gremium für die Abstimmung – eine sogenannte Task Force zur kommunalen Entwicklungspolitik eingerichtet, die in ihrem Abschluss­papier erstmals die Rolle der verschiedenen Akteure, insbesondere der Kommunen, definiert hat. Auch dieses Papier liegt vorne aus.

Erforderlich ist darüber hinaus die Einbindung von Ländern und Kommunen in die bilaterale Regierungsverhandlung des Bundes mit den Partnerländern sowie die Einbindung in die Programmdurchführung, wenn Länder und Kommunen dort aktiv sind. So fordert es zumindest auch der MPK-Beschluss.

Neben der institutionellen Abstimmung lässt sich Kohärenz über gemeinsame Standards herstellen. Hierfür bieten Förderprogramme eine sehr gute Gelegenheit, wie das Fallbeispiel Frankreich zeigt. Eine Studie dazu liegt im Vorraum. Kurz: Wenn der Bund Geld für EZ-Projekte gibt, kann er natürlich auch die Standards definieren und darüber Qualität weiterentwickeln.

Abschließend lassen Sie mich noch kurz zur dritten Fragestellung der Enquete, nämlich zu den konkreten Beispielen kommen.

Eine weitere Institution für die Abstimmung und Förderung der Kohärenz in Deutsch­land ist die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt. Die Servicestelle basiert auf dem Prinzip des sogenannten Quadrilogs, das heißt, in unseren Steuerungsgremien – Programmkommission, Programmbeirat – sind der Bund, die Mehrzahl der Länder, alle kommunalen Spitzenverbände und die Dachverbände der Nichtregierungsorgani­sa­tionen beteiligt. Die Servicestelle unterstützt Kommunen und lokale Nichtregie­rungs­organisationen zu den drei Themen fairer Handel, faire Beschaffung – ein Hauptprojekt ist hier der Wettbewerb „Hauptstadt des Fairen Handels“ –, dann Migration und Ent­wicklung und kommunale Partnerschaften. Die Unterstützung erfolgt durch Beratung, Studien, thematische Netzwerke und Modellprojekte.

Als letzten Punkt möchte ich ganz kurz auf eines dieser Modellprojekte hinweisen, das Modellprojekt „50 kommunale Klimapartnerschaften bis 2015“. Klimaschutz und Klima­anpassung zählen zu den Handlungsfeldern, in denen die Aktivitäten von der kom­munalen bis zur internationalen Ebene zusammenwirken müssen, um eine global nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Deshalb eignet sich das, glaube ich, hier zur Demonstration ganz gut. Das Projekt nutzt die Tendenz der Kommunen zur thema­tischen Zusammenarbeit, es nutzt das erhebliche Know-how der Kommunen im Klima­schutz für die internationale Kooperation, und es bietet den deutschen Kommunen einen Mehrwert im Bereich Klimaanpassung durch wechselseitige Lernprozesse mit dem Süden.

Ziel des Projektes ist es, konkrete Handlungsprogramme zu Klimaschutz und Klima­anpassung zwischen Nord und Süd zu erarbeiten. Die Durchführung des Projektes orientiert sich an folgenden Prinzipien, die vielleicht ein Stück weit auch modellhaft sein können. Die Kommunen stellen nämlich das Fachpersonal für die Entsendung, der Bund zahlt über die Servicestelle die Reisekosten und andere Mehrkosten und finan­ziert begleitende Maßnahmen. Bei der Auswahl der Partnerländer war natürlich auch entscheidend, dass Ghana mit Nordrhein-Westfalen zum Beispiel eine Länderpartner­schaft hatte, weshalb auch dieses Zielland ausgewählt wurde.

Begleitend führt dann noch eine Nichtregierungsorganisation ein Projekt zum Thema Klimapartnerschaft von Kirchen, Schulen und Vereinen durch. Das heißt, auch hier wirken die verschiedenen Ebenen wiederum zusammen.

Zusammenfassend bleibt zu sagen: Die EZA als gesamtstaatliche Aufgabe braucht zum einen politischen Willen, es braucht Strukturen und Prozesse für die Abstimmung, und es braucht leitende Themen für die Zusammenarbeit.

In diesem Sinne danke ich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

10.26


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Herzlichen Dank, Herr Dr. Wilhelmy, für Ihren Beitrag.

10.26.30 III. Impulsreferate

 


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Ich erteile nun Herrn Pirker das Wort. – Bitte.

 


10.27.07

Referent Paul Pirker (Vorsitzender des entwicklungspolitischen Beirats der Salzburger Landesregierung|): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Und da ich in diesem Bereich schon Zeitzeuge bin und viele andere hier herinnen auch Zeitzeugen sind: Liebe Freundinnen und Freunde! Ich finde es sehr, sehr passend, dass mein Vorredner aus unserem Nachbarland Deutschland über diese Dimension gesprochen hat, über die Partner­schaften auf Länder- und Gemeindeebenen. Denn einmal schon ist in Deutschland so etwas geschichtsmächtig geworden, nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg, als Städte und Dörfer in Deutschland und in Frankreich eine Städtepartnerschaft oder eine Dorf­partnerschaft eingegangen sind und somit die Leute eben draufgekommen sind, dass es viel klüger ist, zusammenzuarbeiten, als sich gegenseitig abzuschlachten, wie es in zwei Kriegen im 20. Jahrhundert passiert ist.

Eine ähnliche Zielrichtung und einen ähnlichen Ehrgeiz sollten wir haben, nämlich die Part­nerschaften auf Gemeinde-, Städte- und Länderebene im Bereich der Entwick­lungs­zusammenarbeit zu einer geschichtsmächtigen Kraft werden zu lassen. Das ist ein großer Anspruch, aber ohne große Ziele, glaube ich, kommt man nicht vorwärts.

Das Leben der Entwicklungszusammenarbeit geschieht dezentral – das Leben, nicht die Finanzierung –, österreichweit in mehreren hundert Initiativen. Wir haben in Vorbereitung auch dieser Enquete in Salzburg in den letzten vier Wochen versucht, die entwicklungspolitischen Organisationen und Initiativen in Salzburg dazu zu bringen, sich zu präsentieren. Das Echo, das wir gehabt haben, war überraschend und erfreulich für alle. Es haben sich gleich 60 Initiativen gemeldet, und diese Broschüre (der Redner hält diese in die Höhe) über die Entwicklungszusammenarbeit in Salzburg, über die entwicklungspolitischen Organisationen in Salzburg liegt bei Ihnen auf. Ich glaube, dass in allen Bundesländern so eine Reichhaltigkeit von Initiativen vorhanden ist, und ich glaube an die Notwendigkeit, die Potenz, die in diesen Initiativen drinnen steckt, auch zu bündeln und politikwirksam zu machen.

Dezentral heißt auf föderalistischer Basis, die OEZA-, die Österreichischen Entwick­lungs­zusammenarbeits-Förderungen aber entsprechen nicht föderalistischen An­sprüchen. Die wenigsten dieser 60 Nord-Süd-Initiativen Salzburgs, die wir in der vor­lie­genden Broschüre präsentieren, werden von Wien aus wahrgenommen, geschweige denn gefördert. Obwohl gesetzlich nicht verpflichtet, wenden – wie die Frau Präsidentin eingangs schon gesagt hat – die Bundesländer, so auch Salzburg, zur Förderung ihrer entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft Mittel auf, die aber bei Weitem nicht reichen.

Wir haben zum Beispiel für das nächste Jahr 329 000 €. Das ist eine wesentliche Kürzung, denn wir hatten vor drei Jahren 400 000 €. Also die Kürzungen haben uns voll getroffen. Ich bin aber gerade unterrichtet worden, dass in Oberösterreich in diesem Bereich keine Kürzungen erfolgt sind. Also es geht auch ohne Kürzungen.

Der Salzburger Landtag hat vor einem Jahr einen Antrag zur Teildezentralisierung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit einstimmig, das heißt, alle vier Parteien, beschlossen und hat den Entwicklungspolitischen Beirat, dessen Vorsitzen­der ich bin, aufgefordert, Schritte dafür zu unternehmen, dass dieser Antrag auch umgesetzt wird. Wenn man Teildezentralisierung mit einer Verdoppelung der EZA-Mittel der Länder konkretisiert, dann bedeutet das eine Verdoppelung der zirka 5 Mil­lionen €, die die Länder aufwenden, durch den Bund.

Mit mehr Föderalismus gibt es hier eine Annäherung an das Ziel der 0,7 Prozent. Wir alle hier herinnen bedauern es, dass diese 0,7 Prozent nicht erreicht worden sind. Ich glaube, dass dann, wenn man die Zivilgesellschaft stärkt und wenn man diese Verdoppelung der Ländermittel durchführt, die Länder auch stimuliert werden, mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit in die Hand zu nehmen, und somit auch diese 0,7 Prozent eher erreicht werden.

Außerdem: Wenn die entwicklungspolitische Zivilgesellschaft tatsächlich organisiert wird, dann wird sie politikmächtig, dann kann sie als Pressure Group wirken, und die Kürzungen, die die Entwicklungszusammenarbeit in Österreich jetzt in den letzten Jahren erfahren hat, würden dann nicht so sang- und klanglos über die Bühne gehen, wie sie jetzt über die Bühne gegangen sind.

Mehr Föderalismus bedeutet auch, lieber Robert Zeiner und lieber Helmuth Hartmeyer, eine Entlastung der ADA, denn die Förderung dieser kleinen Gruppen der Zivilge­sellschaft benötigt einen Verwaltungsapparat, den die ADA logischerweise einfach nicht aufbringen kann. Der Rechnungshof hat die ADA kritisiert, dass das Volumen der Projekte im Verhältnis zum Verwaltungsapparat zu gering ist. Deshalb glaube ich, dass diese Initiative eine Entlastung auch der Austrian Development Agency bedeutet.

Mehr Föderalismus braucht auch mehr Transparenz und Kontrolle. Wir können uns in den Bundesländern nicht so einen Kontrollapparat leisten, der bei jedem kleinen Projekt mit einem großen Aufwand die Kontrolle durchführt. Wer kann das wettmachen und gleichzeitig auch eine Einsparung für die ADA bewirken? Man könnte dieses Manko damit wettmachen, dass man die Entwicklungszusammenarbeit transparent macht. Ich glaube, in einigen Jahren wird sich niemand mehr wundern, wenn in den Antragsformularen drinnen steht: Sie sind damit einverstanden, dass sämtliche Angaben in diesem Antrag ins Internet gestellt werden. Und es wird auch niemand verwundert sein, wenn drinnen steht: Auch Ihre Abrechnung wird über das Internet abrufbar sein.

Das muss meiner Meinung nach ein Ziel sein, denn ich glaube nicht, dass die Ent­wicklungszusammenarbeit etwas zu verheimlichen hat. Ganz im Gegenteil: Projekte, bei denen man nicht aus den Fehlern gelernt hat, tragen sozusagen für den Fortschritt der Menschheit nichts bei. Ich glaube, die Fehler, die bei jedem Projekt passieren können, müssen zur Verfügung stehen zum Lernen für alle anderen, die weitere Projekte vorschlagen.

Mehr Föderalismus macht die Durchdringung der Gesellschaft mit den Anliegen und Problemen der EZA leichter möglich, nämlich dadurch, dass die vielen ehrenamtlich Tätigen mit ihren vielen persönlichen Umfeldern Nord-Süd-Kontaktanbahnungen auf vielen Ebenen vornehmen. Gerade in den Städtepartnerschaften ist es so, dass wir in der Lage sind, Schulpartnerschaften, Klassenpartnerschaften zu machen. Wir können jede Ebene der Gemeinde mit jeder Ebene der Partnergemeinde vernetzen, von Magistratsangestellten zu Magistratsangestellten, von Schulen zu Schulen. Das ist eben der Vorteil dieser Art der Zusammenarbeit.

Mit mehr Föderalismus wird auch mehr zur Österreichischen Entwick­lungszusam­men­arbeit publiziert. Derzeit wird die real existierende Österreichische Entwicklungszusam­menarbeit aus der Berichterstattung der entwicklungspolitischen Medien ausgeklam­mert. Ich bedaure es immer wieder, dass das „Südwind“-Magazin über die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit nichts bringt, dass das „Journal für Entwicklungspolitik“, das von den Universitäten publiziert wird, einen weiten Bogen um die Auseinan­dersetzung mit der konkreten Entwicklungszusammenarbeit macht. Das bedauere ich, und das gehört, glaube ich, geändert. Es könnte auch geändert werden mit einer Stärkung der entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft.

Mit mehr Föderalismus zur Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ergibt sich die Möglichkeit, zweckgebundene Einnahmen zu erhalten. Es wird in Österreich seit Monaten oder eigentlich schon seit zwei oder drei Jahren offiziell über die Finanztrans­aktionssteuer geredet. Es gibt jetzt einen Vorschlag von Barroso, der meiner Meinung nach ein bisschen eine Augenauswischerei ist. Aber mit der Unterstützung der Zivil­gesell­schaft könnte eine Bundesregierung, auch wenn sie im Würgegriff der Finanz­wirtschaft steht, diese Finanztransaktionssteuer durchsetzen. Europaweit. Auch in England gibt es eine Zivilgesellschaft.

Als letzten Punkt: Mehr Föderalismus hätte auch das Problem von Österreichs Städte­partnerschaften mit der OEZA gar nicht erst zum Problem werden lassen. Mein Hintergrund ist die Städtepartnerschaft zwischen Salzburg und León in Nicaragua. Der Wegfall Nicaraguas als Schwerpunktland hat mit sich gebracht, dass wahrscheinlich die Koordinierungsstelle der österreichischen Partnerstädte – es gibt immer noch sechs Städte in Österreich, die Partnerschaften in Nicaragua haben – mit September 2013 aufhört zu bestehen, was natürlich die Existenz dieser Städtepartnerschaften gefährdet.

Zum Schluss: Damit dieses Thema sich nicht in einer Enquete erschöpft, haben wir versucht, eine Petition zu formulieren, mit der der Bundesrat gebeten wird, dieses Thema auch in Zukunft zu behandeln. Diese Petition liegt dort hinten auf, und ich bitte die Anwesenden, die damit einverstanden sind, diese Petition auch zu unterschrei­ben. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

10.38


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Danke für den Beitrag.

Ich ersuche nun Herrn Mag. Bouzek, das Wort zu ergreifen. – Bitte.

 


10.38.52

Referent Mag. Bernhard Bouzek (Magistratsdirektion Wien, Geschäftsbereich Aus­landsbeziehungen)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für die Möglichkeit, dass ich Ihnen etwas über die EZA-Aktivitäten der Stadt Wien berichten darf. Ich darf Ihnen in einem zweiten Teil dann auch stell­ver­tretend für den gemeinsamen Ländervertreter, Hofrat Dr. Krasa aus Niederösterreich, der heute leider verhindert ist, etwas über die EZA-Aktivitäten der Bundesländer be­rich­ten.

Nun zuerst zu den Aktivitäten und Schwerpunkten des Landes Wien. Auch in Wien hat sich die Entwicklungszusammenarbeit stufenweise entwickelt. Begonnen wurde mit dem vereinzelten Unterstützen von Projekten in Osteuropa. Seit zehn Jahren ist die EZA aber institutionalisiert in der Stadt Wien. Sie ist sehr hoch angesiedelt in der Magistratsdirektion Auslandsbeziehungen. Es ist ein eigenes Referat, und wir sehen die EZA-Agenden als ein wichtiges Instrument der sogenannten Wiener Stadtaußen­politik.

Wir haben dort vier Aufgabenbereiche, die wir gerne wahrnehmen. Der größte und wichtigste ist die Förderung von Projekten der NGOs. Dann machen wir auch Inlands­arbeit, Information zum Thema Entwicklungszusammenarbeit, und wir haben die Möglichkeit, durch Abgabe von technischen Geräten beziehungsweise durch Trans­port­unterstützungen humanitäre Hilfe zu leisten.

Der größte Teil – und da sehen wir NGOs als wichtige Partner – ist, dass wir einmal im Jahr einen sogenannten Call for Proposals hinausgeben, bei dem wir jährlich einen Schwerpunkt definieren. Da suchen wir auch ein bisschen die Nähe der ADA und gleichen uns auch mit aktuellen Trends und Entwicklungen ab. So haben wir heuer das Thema „Menschenrechte in der EZA“ gewählt. Österreich ist im Menschenrechtsbeirat der Vereinten Nationen vertreten. Es gibt ein Handbuch der ADA, das wir auch beim Call for Proposals mit ausgesendet haben. Generell kreisen unsere Themen aber immer um die Schwerpunkte Bildung, Gesundheit und Gender.

Wir haben eine Reihe von Qualitätskriterien definiert, die für uns sehr wichtig sind. Es muss eine NGO sein, die einen Sitz in Wien hat. Es soll ein Projekt sein, das ein Jahr bis maximal drei Jahre in einem Projektland in Osteuropa, Afrika oder Asien läuft. Da haben wir auch eine Einschränkung vorgenommen: Das Land muss auf der DAC-List der OECD stehen. Es muss ein Beitrag geleistet werden zur Armutsbekämpfung, zum Empowerment, zur Nachhaltigkeit, zur Gender Equality, die Millennium Development Goals müssen berücksichtigt werden, und – sehr wichtig, denn wir vergeben ja öffentliche Gelder – wir verlangen ein Audit eines Chartered Accountant, also eines eingetragenen Buchprüfers im Projektland.

So konnten wir heuer, im Jahr 2011, 15 Projekte mit insgesamt 20 000 € fördern. Wir hatten auch zwei große Sonderprojekte nach den großen Überschwemmungen in Pakistan, und zwar eines mit 70 000 € und eines mit 100 000 €.

Ich glaube, wir können nicht nur Projektförderung machen, ohne auch in unserem Bundesland das Bewusstsein für die Anliegen der EZA zu fördern. Deswegen machen wir auch einmal im Jahr eine große Fachveranstaltung, gemeinsam mit der Agentur Südwind. Das ist eine öffentliche, eine offene Veranstaltung im Rathaus, zu der wir nicht nur Experten und Expertinnen, sondern bewusst auch die Wienerinnen und Wiener einladen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Vor einer Woche hatten wir das Thema „Müll aus entwicklungspolitischer Perspektive“ gewählt.

Wir versuchen auch Aufbau von Kapazitäten zu betreiben, auch in nahen Regionen wie zum Beispiel in der Ukraine. Sie wissen, die Grenze zur Ukraine liegt näher an Wien als das Land Vorarlberg. Es ist das Land mit der höchsten HIV-Rate. Die Gesundheitspolitik, die Sicherheitspolitik, die Exekutive steht dem Problem eher hilflos gegenüber, denn es werden antiquierte Methoden angewandt. Da bilden wir Beamte aus, bilden Ärztinnen und Ärzte aus, Exekutivbeamte, die Justiz, um dem Thema HIV/AIDS besser begegnen zu können.

Wir machen auch Ausstellungen und Veranstaltungen. Gemeinsam mit dem Land Niederösterreich gab es heuer eine Veranstaltung zum Thema „Frauen in Namibia“ im Landhaus in St. Pölten.

Bei der technischen Hilfe ist es immer wieder möglich, in Osteuropa unterstützend zu wirken, etwa durch Abgabe von Spitalsgeräten, die nicht mehr benötigt werden, durch Spitalsmöbel, durch Müllfahrzeuge, Schulmöbel. Das machen wir natürlich nur dort, wo es Sinn macht in Osteuropa.

Ich glaube, es ist schön, auch sagen zu können, dass das Land Wien sich auch in Zeiten von Sparmaßnahmen und knappen Kassen zur EZA auf Länderebene bekennt, und da in Zukunft auch keine Einschnitte getätigt werden.

Insgesamt ist die EZA in allen Bundesländern ein wichtiges Instrument. Das ist aber geschichtlich überall anders gewachsen. Es gibt andere Schwerpunkte beim Inhalt und bei der Auswahl der Länder, die berücksichtigt werden. Bei der Fördervergabe unter­scheiden wir uns auch. In Wien entscheidet in letzter Konsequenz ein politisches Gre­mium. Es gibt einen zuständigen Gemeinderatsausschuss, und dann entscheidet noch einmal der Gemeinderat darüber. In der Steiermark oder auch in anderen Ländern gibt es einen entwicklungspolitischen Beirat, im Burgenland werden vergleichsweise sehr kleine Beträge frei vergeben.

Es gibt unterschiedliche Schwerpunkte, die auch wieder historisch bedingt sind oder die Struktur des Landes widerspiegeln, wie zum Beispiel das große Bundesland Nie­der­österreich sich mit dem Thema Forst- und Landwirtschaft beschäftigt und einen starken Äthiopienschwerpunkt hat.

Insgesamt sind die Länder untereinander aber, glaube ich, ganz gut vernetzt. Wir haben eine einmal im Jahr stattfindende Bund-Länder-Tagung, die das Land Nieder­österreich organisiert und einberuft, bei der wir uns austauschen, die Rahmenbe­dingungen abklären, Jahresschwerpunkte abklären. Wir haben bei der letzten Veran­stal­tung auf Initiative des Landes Salzburg auch über die von Salzburg vorgeschlagene Verländerung der EZA debattiert. Da gibt es natürlich sehr unterschiedliche Sichtweisen bei den Ländern. Wir haben uns deswegen entschlossen, diese Thematik an die Landeshauptleutekonferenz zu delegieren.

Lassen Sie mich am Schluss noch eine positive Zahl nennen. Die Statistiken zeigen in allen Bundesländern nach oben. Das ist sehr erfreulich. Im Vorjahr waren es, wenn wir uns die ODA der Bundesländer anschauen und die Asylwerberbetreuung abziehen, 9 Millionen €. Ich glaube, das ist ein schöner Beitrag und eine schöne Ergänzung zur Aktivität des Bundes. Und ich kann sagen, dass das Engagement und die Motivation in allen Bundesländern auch weiterhin sehr hoch sein wird. – Danke schön. (Beifall.)

10.46


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Danke auch für Ihren Beitrag.

Ich erteile nun Frau Gerda Weichsler-Hauer das Wort. – Bitte.

 


10.46.30

Referentin Gerda Weichsler-Hauer (Vorsitzende des Nord-Süd-Instituts Oberöster­reich)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist es eine besondere Auszeichnung, heute sozusagen in zweifacher Funktion hier sprechen zu dürfen: Einerseits kann ich Ihnen als Zweite Präsidentin des Ober­österreichischen Landtages auch für das Land Oberösterreich einige Daten mitteilen, wo sich das Land Oberösterreich bewegt, auf der anderen Seite kann ich Ihnen als Vorsitzende einer NGO in Oberösterreich, die sich intensiv mit dem Nord-Süd-Dialog auseinandersetzt und die das Herz sozusagen in Afrika verloren hat, mitteilen, wie diese NGO dort hilft, Demokratieprojekte aufzubauen und insbesondere Frauen zu stärken.

Oberösterreich hat vor zwei Tagen den Menschenrechtspreis des Landes vergeben. Wir loben diesen jedes Jahr aus, und es wurden heuer zwei Frauen damit aus­gezeichnet, die ich Ihnen ganz kurz vorstellen möchte, ebenso wie die beiden Projekte, für die diese Frauen stehen, weil ich glaube, dass Ihnen dadurch auch bewusst werden kann, welch breite Möglichkeit in Oberösterreich besteht, sich in der Entwicklungs­zusam­menarbeit zu engagieren.

Es war einerseits die ehemalige Nationalratsabgeordnete Inge Jäger, die für ihr Enga­gement in Afrika ausgezeichnet worden ist, auf der anderen Seite Frau Veronika Pern­steiner, die sich seit dem Atomreaktorunfall in Tschernobyl intensivst engagiert hat, Kinder aus Weißrussland nach Oberösterreich zu bekommen und dort den Kindern eine Möglichkeit der Genesung, der Regeneration und der Erholung zu bieten.

Dieser Menschenrechtspreis, den das Land Oberösterreich vergibt, wird jedes Jahr rund um den Tag der Deklaration der Menschenrechte vergeben und ist in Summe mit 8 000 € dotiert.

Das Land Oberösterreich hat eigentlich seit 1965 eine Tradition in der Entwick­lungszusammenarbeit, das heißt, das Land bekennt sich zur Entwicklungszusam­menarbeit und zur aktiven Förderung und Unterstützung aller Aktivitäten, die von Ober­österreicherinnen und Oberösterreichern gesetzt werden. Allein rund um die Millenniumsziele hat der Oberösterreichische Landtag am 8. April 2005 eine Resolution mit folgendem Inhalt beschlossen, den ich Ihnen hier gerne zur Kenntnis bringen möchte:

„Die Bundesregierung möge dafür eintreten, dass der finanzielle Beitrag Österreichs zur Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der Erreichung der UN-Milleniumsziele deutlich angehoben wird. In einem Stufenplan bis 2010 sollen 0,7 Prozent des Brutto­inlandsprodukts erreicht werden. Oberösterreich versucht, einen aktiven Beitrag zur Verwirklichung von Projekten in Partnerländern zu leisten. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Entwicklungszusammenarbeit soll gestärkt werden. Mit dieser Reso­lution soll das verstärkte Engagement des Bundes erreicht und die Umsetzung der UN-Millenniumsziele von österreichischer Seite glaubhaft mitgetragen werden.“

Ich glaube, dass das, was hier bereits im Vorfeld von den Kollegen angesprochen wurde, ein wichtiger und richtiger Ansatzpunkt ist, nämlich dass die Bundesländer bemüht sind und bemüht sein müssen, daran mitzuarbeiten, diese Millenniumsziele auch zu erreichen. Wir alle wissen allerdings, wo wir jetzt, im Jahr 2011, mit diesen Millenniumszielen tatsächlich stehen.

Das Land Oberösterreich fördert jährlich zwischen 40 und 50 Projekte von Nicht­regierungsorganisationen. Dabei steht aber nicht der Transfer von Technologie und Geld im Vordergrund, sondern die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten in Koope­ration mit den unterstützten Bevölkerungsgruppen. Der Blick über den Tellerrand hinaus in jene Länder, in denen Hunger und Armut regieren, muss unbestritten Be­kennt­nis eines wohlhabenden Landes sein. Die Weltoffenheit steht uns nicht nur gut an, sie ist auch ein Stück Eigenvorsorge, denn ohne Entwicklung gibt es auf Dauer keinen Frieden.

Ich möchte den Ausspruch, den der Herr Landeshauptmann am Montag im Rahmen seiner Festrede zu diesem Menschenrechtspreis getätigt hat – wobei er sich an einen bayrischen Ausspruch angelehnt hat –, durchaus in den Mund nehmen, der da lautet: Nur Gartenzwerge sehen nicht über ihren Gartenzaun hinaus! – weil ich der Meinung bin, dass wir alle keine Gartenzwerge sind, sondern durchaus in der Lage sind, über unseren Gartenzaun hinauszusehen und damit auch die Not, das Elend, das Leid zu sehen, aber auch sofort zu wissen, wo geholfen werden kann und wie wir helfen können.

Voraussetzung für die Förderung eines Projektes ist ein deutlicher Bezug zum Bun­desland Oberösterreich. Das heißt, es werden Entwicklungshelfer, Entwicklungs­helfe­rinnen sowie Privatinitiativen oder Aktionen, die von oberösterreichischen Pfarren, von Vereinen, von anderen Organisationen getragen werden, entsprechend unterstützt. Diese Organisationen sind Partner des Landes Oberösterreich, und sie bürgen dem Land gegenüber auch für die Qualität und die Projektumsetzung. Das Land Ober­österreich selbst hat keinen Verwaltungsapparat für die Abwicklung von Projekten aufgebaut. Das bedeutet, dass das gesamte Landesgeld direkt in die Abwicklung der einzelnen Projekte geht.

Da vorhin schon erwähnt worden ist, dass Oberösterreich die Gelder nicht geschmälert hat, darf ich Ihnen sagen, dass wir für Entwicklungszusammenarbeit, so wie im Vorjahr auch, heuer wieder 1 Million € im Budgetvoranschlag beschlossen haben – das war erst vor wenigen Tagen – und für internationale Hilfsmaßnahmen weitere 260 000 € vorgesehen haben. Mit diesem Betrag werden in Summe um die 89 Entwicklungs­projekte unterstützt werden können. Es sind 56 Entwicklungshilfeauslandseinsätze unterstützt worden, sowie verschiedene Entwicklungshilfeprojekte von 45 Schulen in Oberösterreich im Rahmen der Aktion „Fair Play“, die von unseren Schulen ent­sprechend umgesetzt werden.

Im Jahr 2010 konnten die Lebensverhältnisse von 1 074 716 Personen in diesen ausgewählten Regionen der Dritten Welt verbessert werden. Und auch für das Jahr 2011 – ich habe es schon erwähnt – stehen wieder 1,26 Millionen € zur Verfü­gung.

Das Land Oberösterreich befindet sich gerade in einem Reorganisationsschritt und hat im November 2010 auch eine weitere Reorganisation im Rahmen der Reformprojekte der oberösterreichischen Aufgabenreform vorgenommen. Mit 1. Jänner dieses Jahres wurden die Aufgabengebiete internationale Hilfsmaßnahmen und Auslandsentwick­lungs­maßnahmen zusammengefasst, sodass nun eine schlagkräftigere und kosten­günstigere schlanke Struktur im Land Oberösterreich zur Verfügung steht, um eben die entsprechenden Gelder in die einzelnen Projekte fließen zu lassen.

Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen – ich glaube, dass das etwas ganz Wichtiges ist, dem wir uns auch im Rahmen des Nord-Süd-Dialoges verschrieben haben –, dass Bildung sowohl in den Entwicklungsstaaten, aber natürlich auch Ent­wicklung und Bildung bei uns in Oberösterreich ein wichtiger Schritt sind, um ent­sprechende Maßnahmen treffen zu können, um Information weiterzugeben, aber auch um die Menschen zu mobilisieren und Verständnis erzeugen zu können.

Oberösterreich hat den Eduard-Ploier-Preis 2011 ausgeschrieben. Ploier war jener Mann, der in Oberösterreich schon sehr frühzeitig für Entwicklungszusammenarbeit gestanden ist und erkannt hat, dass es nicht nur ums Almosengeben geht, sondern wirklich um nachhaltige Entwicklung, Zusammenarbeit und faire Partnerschaften auf gleicher Ebene. Mit diesem Preis sollen außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit ausgezeichnet werden.

Was ich auch für sehr wichtig halte, ist, dass auch ein journalistischer Preis ausge­schrieben wird, weil nämlich besondere Berichterstattung, spezielle Berichterstattung auch im journalistischen Bereich ganz wichtig ist, um Information und Bildung erzeugen zu können und Gedankengut der Entwicklungszusammenarbeit zu transportieren. Also dieser Eduard-Ploier-Journalistenpreis ist ebenfalls ein Preis, der in Oberösterreich vergeben wird.

Ich darf noch ganz kurz auf den Nord-Süd-Dialog eingehen, dem sich auch das ober­österreichische Nord-Süd-Institut verschrieben hat. Wir machen Projekte in Mosambik und in Uganda. Es ist uns ganz wichtig, angelehnt an die Millenniumsziele zwei Dinge natürlich ganz besonders hervorzuheben: Wir bemühen uns wirklich, Demokratie-Know-how zu transferieren. Wir sind ein Teil von parlamentarischen Bemühungen, ent­sprechende Bildungsmaßnahmen zu setzen, um Demokratien zu stärken, um Parla­mente zu stärken, um Demokratie und parlamentarische Prozesse aufbauen zu kön­nen.

Auf der anderen Seite geht es, wie ich schon erwähnt habe, darum, natürlich Frauen besonders zu stärken. Diesen Aspekt geben wir einerseits in Mosambik und Uganda weiter, aber auf der anderen Seite natürlich auch in Oberösterreich, wo wir mittlerweile zwei große Veranstaltungen gemacht haben unter dem Titel: Frauenstimmen und Frauen­stärke – Was können speziell Frauen zum Friedensprozess in Afrika bei­tragen? – Herzlichen Dank. (Beifall.)

10.57


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Danke für Ihren Beitrag.

Ich ersuche nun Herrn Mag. Zeiner, das Wort zu ergreifen. – Bitte.

 


10.57.38

Referent Mag. Robert Zeiner (Austrian Development Agency)|: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die großen Deklarationen und Vereinbarungen hinsichtlich Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit, die seit 2003 zuerst in Rom, dann in Paris, in Accra und zuletzt in Busan in Korea beschlossen wurden, bilden den Hinter­grund für eine Reihe strategischer Evaluierungen zur Entwicklungszusammenarbeit, die in den letzten Jahren in Österreich stattgefunden haben.

Alle diese Evaluierungen, wie die ADA-Evaluierung, die OECD DAC Peer Review oder zuletzt der Bericht zur Erfüllung der Pariser Deklaration empfehlen Österreich eine Reduzierung der Fragmentierung beziehungsweise der Aufsplitterung von entwick­lungs­politischen Kompetenzen. Ebenso wird dringend zur Verringerung der Klein­gliedrigkeit und der Zahl von Einzelaktivitäten für den operationellen Bereich geraten.

Gleichzeitig hat die ADA gemäß dem derzeit bekannten Prognoseszenario des Dreijah­resprogramms noch in den kommenden Jahren eine dramatische Reduktion der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel zu verkraften. Es stehen also nicht gleich viel oder mehr Mittel zur Verfügung, sondern im Gegenteil: Im Jahr 2014 sind im EZA-Ansatz des Bundes um 37 Prozent weniger Budget für den operationellen Bereich und eine entsprechende Reduktion beim Verwaltungsaufwand vorgesehen.

Die ADA hat daher auch, über die Erfüllung von Vorgaben aus internationalen Ver­pflichtungen hinaus, ein konsequentes Programm der Konzentration zu fahren. Teil­weise wird diese Budgetreduktion auch durch Kooperationen mit der Europäischen Kommission aufgefangen, in denen wir sehr erfolgreich sind. Aber das wird nicht ausreichen, um das gesamte Volumen aufzufangen. Die Konzentration bedeutet, dass Koordinationsbüros geschlossen werden und von 2012 bis 2014 länderspezifische Aktivitäten in sieben ehemaligen Schwerpunktländern zum endgültigen Abschluss kommen.

Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit und der Einsatz von Steuergeldern soll laut dem EZA-Gesetz primär der „Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern durch Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung“ dienen, „welche zu einem Prozess des nachhaltigen Wirtschaftens und des wirtschaftlichen Wachstums, verbunden mit strukturellem, institutionellem und sozialem Wandel führen soll“. – So der Gesetzestext. Das Gegenüber der staatlichen OEZA sind daher primär jene staat­lichen Institutionen des Partnerlandes, die einen solchen strukturellen, institutionellen und sozialen Wandel zu verantworten haben.

Gleichzeitig wurde und wird die Bedeutung der nichtstaatlichen Akteure in diesem Prozess in vollem Ausmaß anerkannt und honoriert. Die ADA hat demgemäß die Budget­linien zur NRO-Kofinanzierung, die auch für Anträge regionaler und lokaler österreichischer Organisationen zur Verfügung stehen, nicht gekürzt. Diese Ansätze und die entsprechenden Förderrichtlinien sind so gestaltet, dass sie auf unter­schiedliche Größen, Charakteristiken und auch unterschiedliche Leistungsfähigkeit von NROs Bedacht nehmen.

Es ist unumstritten, dass mit der Größenordnung und Komplexität der Projekte auch die Anforderungen an eine entsprechende fachliche Kapazität und an Kenntnisse im Projektzyklusmanagement und im Projektmanagement steigen. Eine wichtige Aufgabe bei der Vergabe von Förderungen ist es daher zu überprüfen, ob und in welchem Ausmaß diese Fähigkeiten vorhanden sind und diesbezügliche Beratung zu leisten. Das ist auch ein wichtiges Know-how, das sich eine Organisation wie die unsrige mit der Zeit aneignet und weiterentwickelt.

Die ADA bietet auf diesem Hintergrund unterschiedliche Förderinstrumente zur Kofinan­zierung von Vorhaben in Entwicklungsländern des Südens und Ostens an. Die Projekte und Programme basieren dabei in jedem Fall auf der Eigeninitiative von Nichtregierungsorganisationen und werden gemeinsam mit einem Projektpartner im Partnerland durchgeführt.

Für kleinere Gruppen, Initiativen und NROs eignet sich häufig das Instrument Mikro­projekte, über welches Aktivitäten bis zu einer Gesamtsumme von 5 000 € finanziert werden. Der Fördersatz beträgt maximal 85 Prozent der Gesamtprojektkosten. Förder-ansuchen können jederzeit eingereicht werden.

Das Instrument „NRO-Einzelprojekte Süd und Ost“ spricht ebenfalls regionale und lokale österreichische Organisationen an. Es fördert deren Zusammenarbeit mit relevanten lokalen und internationale Organisationen und die Stärkung der Zielgruppen durch Kapazitätsentwicklung. Der maximale Beitrag der ADA liegt dabei bei 100 000 € pro NRO-Einzelprojekt.

NRO-Rahmenprogramme sind das volumenstärkste und komplexeste Instrument der NRO-Kofinanzierung. Sie bestehen aus Einzelaktivitäten, die ein gemeinsames, strate­gisches, entwicklungspolitisches Ziel haben. Die Laufzeit der NRO-Rahmenprogramme beträgt drei Jahre. Die Mindesthöhe eines Rahmens ist 300 000 € jährlich, also 900 000 € über die Laufzeit.

Durch das Förderinstrument der EU-Ergänzungsfinanzierung werden Projekte öster­reichischer NROs, die durch die Europäische Kommission kofinanziert werden, zusätz­lich von der OEZA unterstützt. Der Höchstbeitrag der Mittel beträgt 500 000 € pro Projekt.

Im Rahmen der personellen Entwicklungszusammenarbeit werden qualifizierte öster­reichische beziehungsweise europäische Fachkräfte für mehrjährige Einsätze in Entwicklungsländern vermittelt. Ein weiterer Effekt dieser Einsätze ist der Rückfluss der gewonnenen Erfahrungen nach Österreich und Europa beziehungsweise die bereits mehrmals genannte entwicklungspolitische Bildungskomponente.

Alle genannten Instrumente werden gut angenommen. Im Jahr 2011 wurden neben den laufenden elf Rahmenprogrammen 28 neue Förderverträge abgeschlossen und neun Förderzusagen für den Bereich der Mikroprojekte gegeben. Ich glaube auch – um kurz auf den Paul Pirker zu antworten –, dass das, geteilt auf neun, nicht effizienter verwaltet werden kann, als es im derzeitigen organisatorischen Rahmen geschieht.

Die Entwicklungszusammenarbeit steht nicht nur in Österreich, sondern global ge­sehen vor großen Herausforderungen. Sie braucht insbesondere in Österreich auch nicht mehr Akteure bei der Umsetzung, sondern mehr Konzentration und eine best­mögliche Bündelung der Ressourcen, mehr Komplementarität der existierenden Ressourcen. Einzelne Beispiele der Zusammenarbeit von Land und Bund, etwa in Bosnien-Herzegowina im Bereich Sozial- und Pflegemanagement, wo die ADA, das Land Oberösterreich und die Caritas zusammen finanzieren und das von der Caritas durchgeführt wird, zeigen, dass gemeinsame Anstrengungen einen unmittelbaren Mehrwert für das Partnerland schaffen.

Auch die bereits genannte Zusammenarbeit mit Wien ist da anzufügen und zum Beispiel auch das Projekt des Nord-Süd-Dialogs, das die Frau Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages erwähnt hat, wo die ADA wesentlich dazu finanziert und auch das Land Oberösterreich einen Beitrag leistet und wo dieses Haus hier in der Umsetzung ganz wesentlich beteiligt ist.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass alle das tun, was sie am besten können. Regionale und lokale Initiativen haben die besseren Möglichkeiten, wenn es darum geht, im jeweiligen Einzugsbereich Bewusstsein und Ressourcen zu mobilisieren. Nationale und internationale Organisationen haben unbestrittene Vorteile im Partnerlanddialog, beim Herstellen von Synergien und in der Weiterentwicklung von fachlichem und instru­mentellem Know-how. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Abschließend und auf den Punkt gebracht: Das Ziel kann nicht sein, geringer wer­dende Ressourcen auf noch mehr Aktivitäten zu verteilen, sondern bestehende Strukturen zu nutzen und Komplementaritäten zu suchen und zu stärken und danach zu trachten, neue Ressourcen zu erschließen. – Danke schön. (Beifall.)

11.07


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Danke, Herr Mag. Zeiner.

Ich darf nun als Nächsten Herrn Mag. Mair ersuchen, das Wort zu ergreifen. – Bitte.

 


11.07.39

Referent Mag. Anton Mair (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor zwei Wochen fand in Busan in Südkorea das schon mehrmals erwähnte Forum zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit statt, bei dem es darum ging, die Ergebnisse und Fortschritte bei der Umsetzung der Selbstverpflichtungen der Akteure der Entwicklungszusammenarbeit, wie sie in der 2005 verabschiedeten Pariser Erklärung festgelegt sind, zu bewerten und die Weichen für die zukünftige Entwicklungszusammenarbeit zu stellen.

Die heutige Enquete zum Thema „Föderalistische Aspekte der österreichischen Ent­wick­lungszusammenarbeit“ hat meiner Meinung nach einen engen Bezug zu den beiden ersten Säulen dieser erwähnten Pariser Erklärung, nämlich zu Eigenverant­wortlichkeit und Harmonisierung. Insbesondere der Begriff Harmonisierung deckt ein breites Spektrum von notwendigen Schritten und Entscheidungen ab, die sich in erster Linie an die Geberseite richten und von dieser ernst genommen werden sollten.

Allen, die sich ernsthaft mit Entwicklungszusammenarbeit befassen, ist bekannt, wie sehr wir als Geber unsere Partner beanspruchen und zum Teil auch belasten. Diese Belastung setzt sich aus einer Vielzahl von Anforderungen zusammen, die wir an unsere Partner stellen. Dazu gehören Missionen, Assessments, Verhandlungen, bilate­rale Abkommen, Projektbesuche, Evaluierungen, Abrechnungen, Berichte und vieles andere mehr. Wir nehmen das als selbstverständlich an und fordern die entsprechende Aufmerksamkeit unserer Partner dafür ein. Dies trifft meiner Erfahrung nach in unterschiedlicher Ausformung und Intensität auf alle Ebenen und auf alle Akteure der Entwicklungszusammenarbeit zu – angefangen von den staatlichen Stellen über NRO-Kooperationen bis hin zu Freundschaftsgruppen und privaten Initiativen.

Im Fall der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit Österreichs wurden die Vielzahl der Akteure und die schon erwähnte Kleinteiligkeit der Programme und Projekte in mehreren rezenten Evaluierungen bemängelt. Wenn die österreichische Entwicklungs­zusam­menarbeit in Zukunft weiterhin wirksame Hilfe leisten und den Kriterien der von uns mitbeschlossenen Pariser Erklärung gerecht werden soll, dann kommt sie um die Umsetzung der klaren Schlussfolgerungen und Empfehlungen aus diesen Unter­suchungen nicht umhin. Dazu gehören, neben der generellen und notwendigen Erhöhung der Mittel, die Verringerung der Zahl der Akteure, geographische und sek­torielle Konzentration sowie größere Vorhaben und Programme.

Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, dass angesichts dieser vom Außen­ministerium und der ADA sehr ernst genommenen internationalen Empfehlungen der Ruf nach einer stärker föderalistisch ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit zunächst einmal mit einer gewissen Überraschung wahrgenommen wurde, würde dies doch eine weitere Erhöhung der Zahl der Akteure und somit eine weitere Aufsplitterung der österreichischen EZA-Landschaft zur Folge haben.

Viele private Initiativen und Nichtregierungsorganisationen in den Bundesländern wurden und werden durch die öffentliche EZA unterstützt und gefördert. Die von der ADA übernommenen und weiter entwickelten Förderinstrumente, wie wir das eben gehört haben, bieten eine breite Palette an Möglichkeiten der Kofinanzierung an, die von allen einschlägigen Organisationen dann in Anspruch genommen werden können, wenn sie die Grunderfordernisse für die Verwendung öffentlicher Fördermittel erfüllen und entwicklungspolitisch auch sinnvolle Arbeit leisten. Diese Arbeit sollte sich, wo immer möglich, auch an den geographischen und inhaltlichen Schwerpunkten orien­tieren, wie sie im Dreijahresprogramm festgelegt sind. Dass bei begrenzten oder sinkenden Mitteln eine Konzentration und Harmonisierung für den Einsatz dieser Mittel sinnvoll ist, bedarf wohl keiner näheren Begründung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit mehr als zehn Jahren findet jährlich eine Bund-Länder-Konferenz zu Fragen der Entwicklungszusammenarbeit statt. Vielleicht sollte bei einer der zukünftigen Tagungen auch einmal ein Austausch darüber stattfinden, wie die österreichische Entwicklungszusammenarbeit, neben den speziali­sier­ten Organisationen in den Bundesländern, auch enger mit anderen Akteuren zusam­menarbeiten kann. Es gab und gibt zum Beispiel Kooperationen, wie jene mit dem Verband der oberösterreichischen Wasserwerke, dessen Organisationsstruktur als Vorbild für die Einrichtung einer ähnlich gestalteten Dachorganisation in einem großen dezentralen Wasserprojekt in Uganda gedient hat.

Die Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium ist an einer engen Abstim­mung und Kooperation mit den EZA-Akteuren in den Bundesländern nicht nur inter­essiert, sondern braucht diese auch, um die bestmögliche Kohärenz der EZA sicherstellen zu können. Dies gilt für konkrete Programme und Projekte, aber ebenso für die inhaltlich-strategische Ausrichtung, wofür vom Staatssekretär im Außen­ministerium im Herbst dieses Jahres ein sogenannter entwicklungspolitischer Jour fixe eingerichtet wurde, der übermorgen zum zweiten Mal stattfinden wird. Das Interesse daran, auch aus den Bundesländern, ist Ausdruck dafür, dass über den Austausch bei den jährlichen Bund-Länder-Tagungen oder über die Vertretung der Bundesländer im Aufsichtsrat der ADA hinaus ihre Einbeziehung in Fragen der Entwicklungszusam­menarbeit notwendig und richtig ist.

Meine Damen und Herren, ich komme damit abschließend noch einmal auf die bereits erwähnte Notwendigkeit der Konzentration und Harmonisierung auch innerhalb Öster­reichs zurück. Sehen wir die Zusammenarbeit mit unseren Partnern nicht nur aus dem eigenen Blickwinkel, sondern auch aus ihrem. Belasten wir die oft schwachen Struk­turen nicht zusätzlich durch unnötige Kleinteiligkeit oder unterschiedlichste adminis­trative Auflagen und Erfordernisse, sondern tragen wir durch bessere Koordinierung und Konzentration der Akteure bereits in Österreich zu mehr Harmonisierung bei. Unsere Partner werden es zu schätzen wissen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

11.15


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Ich danke Ihnen für Ihre Ausfüh­rungen.

Als Nächster wäre der Tagesordnung folgend Herr Dr. Günther Schönleitner vom Bundesministerium für Finanzen zu Wort gemeldet, den ich krankheitsbedingt ent­schuldigen darf.

Ich darf daher nun Frau Mag. Navara-Unterluggauer ersuchen, das Wort zu er­grei­fen. – Bitte.

 


11.16.19

Referentin Mag. Petra Navara-Unterluggauer (AG Globale Verantwortung)|: Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir uns mit möglichen föde­ralistischen Aspekten der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit befassen, müs­sen wir uns wirklich noch einmal vor Augen führen, um welche budgetäre, finan­zielle Dimension es geht.

Österreich meldet derzeit weniger als 1 Milliarde € für – im weitesten Sinne – entwicklungspolitische Maßnahmen ein. Das ist die bekannte ODA. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was wir seit 40 Jahren versprechen bereitzustellen.

Ein sehr großer Teil dieser Mittel wird über das Finanzministerium abgewickelt und geht in internationale Finanzinstitutionen. Darüber hätte mein Kollege Schönleitner berichten können. Ein weiterer großer Teil geht an multilaterale Institutionen wie die Einrichtungen der Vereinten Nationen, aber auch an die EU als Entwicklungsakteur der Gemeinschaft. Ein weiterer, wieder wachsender, Anteil geht in Entschuldungen, und einiges geht auch für Asyl und Stipendien auf. Auch ein Teil der bilateralen Entwick­lungszusammenarbeit ist gebunden.

Der einzige Teil der ODA, der flexibel programmierbar, gestaltbar ist, das sind weniger als 100 Millionen € im Jahr. Die werden von der Austrian Development Agency abge­wickelt. Das wird – Herr Zeiner hat es schon angesprochen – bis 2014 weniger werden. Wir werden auf ein Niveau von etwa 68 Millionen € Jahresbudget kommen.

Wenn wir also über diese föderalistischen Aspekte der EZA reden wollen, müssen wir uns wohl oder übel mit diesen weniger als 100 Millionen € befassen. Das ist jener Anteil, der gestaltbar ist, wie gesagt, und nur dieser könnte dezentralisiert werden. Dass dieser Bereich ein Mehrfaches an Volumen gut umsetzen könnte, ich glaube, das muss ich an dieser Stelle jetzt nicht extra ansprechen.

Sind diese 100 Millionen oder weniger nun in der ADA gut aufgehoben, wenn man davon ausgeht, dass Entwicklungszusammenarbeit eine gesamtstaatliche Angelegen­heit ist? – Ja und nein.

Ja, weil das einer der wenigen Bereiche der EZA ist, der in sich konsistent ist. Es gibt ein Drei-Jahres-Programm, das Länder und Sektoren definiert, die unterstützt werden, es gibt wenigstens eine kurzfristige Strategie zur Erreichung vielleicht noch vager Ziele, und es ist eine gewisse Planbarkeit für Partner in Nord und Süd gegeben.

Nein, diese Mittel sind dort nicht gut aufgehoben, weil das Programm, das ich ange­sprochen habe, kaum Abstimmung zu anderen Politikbereichen aufweist, zumindest nicht in dem Maße, in dem wir NGOs uns das wünschen würden.

Die Gesamtstaatlichkeit der EZA erschöpft sich dann darin, dass der programmierbare und gestaltbare Teil der österreichischen ODA in einer Agentur des Bundes abge­wickelt wird, in deren Aufsichtsrat auch Länder vertreten sind oder sein können, und darin, dass die österreichische Entwicklungspolitik in ihrer ganzen Kleinheit total frag­men­tiert ist, aufgeteilt auf acht Ministerien, eine Agentur, eine Bank und bald wohl auch die Wirtschaftskammer.

Entwicklungspolitische Kohärenz fehlt auf mehreren Ebenen. Die bilaterale EZA ist schon einmal schlecht mit der multilateralen EZA abgestimmt. Mit den Ländern, die entschuldet werden, hat sie oft gar nichts mehr gemein. Ich erinnere an die große Entschuldung des Irak im Jahr 2005. Die acht Ministerien, die Agentur, die Entwick­lungs­bank, die alle ODA-Leistungen einmelden, kommunizieren unserer Ansicht nach nicht ausreichend miteinander. Wenn ich jetzt gerade die Ministerien hernehme, heißt das, dass die Agrarpolitik oder die Handelspolitik, die Österreich leistet, völlig losgelöst von der EZA agieren, obwohl sie für viele Probleme verantwortlich sind, beispielsweise Ernährungssicherheit, die die Frau Präsidentin des Bundesrates angesprochen hat, die die EZA dann ausbügeln soll.

Stellt man sich nun vor, dass neun Bundesländer und vielleicht auch noch 2 357 Ge­meinden maßgeblich ODA-Mittel umsetzen, verbauen wir uns jegliche Option auf eine politische Kohärenz im Interesse sozialer Entwicklung und auf eine Wirkung, die die österreichische EZA erzielen soll.

Schließlich muss auch die entwicklungspolitische Kompetenz thematisiert werden. In der internationalen EZA sind Qualitätsstandards definiert – Herr Mair hat einige davon schon aufgezählt –, nach welchen sie funktionieren soll und muss. Und das, meine Damen und Herren, ist nicht zu unterschätzen. Die ADA hat diese Kompetenz. Sie verfügt über das methodische Know-how und muss eine aufwendige Verwaltung gewährleisten, die die Einhaltung dieser Standards erfordert. Die kostet wohl mehr als 10 Prozent der operativen Mittel, aber – da muss ich Herrn Pirker ganz klar wider­sprechen – wenn man diese operativen Mittel noch aufteilt, wird der Verwaltungsauf­wand wohl nicht geringer werden, sondern eher größer.

Das heißt nun aber nicht, dass in den Bundesländern keine entwicklungspolitische Kom­petenz vorhanden wäre, ganz im Gegenteil, aber sie weist andere Qualitäten auf. Sie ist komplementär, sie ist solidarisch, sie ist ausdauernd, sie ist identitätsstiftend, sie ist flexibel und vieles mehr.

Drei kleine Beispiele dazu, auf die wahrscheinlich mein Nachredner auch noch eingehen wird:

Die EZA der Bundesländer und der Gemeinden ist komplementär. Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit auf Bundesebene führt Brasilien schon seit Jahren nicht mehr in der Liste der Schwerpunktländer. Die Indigenen im Amazonasgebiet waren auch keine erklärte Zielgruppe der großen NGOs, zumindest nicht über einen längeren Zeitraum hinweg.

Die Klimabündnisgemeinden haben in einer 15 Jahre andauernden Kooperation die indigenen Gesellschaften am Rio Negro so weit unterstützt, dass ihr Lebensraum nun staatlich anerkannt ist, dass indigene Schulen mit eigenen Lehrplänen entstehen konn­ten, dass sie sich so weit organisieren konnten, dass ein gemeinsames Wirtschaften möglich geworden ist. Und jetzt sammeln und dokumentieren diese lokalen indigenen Gemeinden die Erfahrungen dieser 15-jährigen Kooperation, um sie in Brasilien und in Südamerika anderen indigenen Gesellschaften zur Verfügung stellen zu können. – Das ist definitiv eine herausragende Leistung der Länder, Städte und Gemeinden, die nicht anders hätte erbracht werden können.

Zweites Beispiel: Die EZA der Bundesländer und der Gemeinden ist solidarisch und identitätsstiftend. Wie viele Schul- und Städtepartnerschaften gibt es in Österreich mit Ländern der Dritten Welt? Herr Pirker hat es bereits angesprochen, dass sie sehr gut etabliert und weit verbreitet sind. Ich weiß es nicht, aber eines weiß ich: Es sind diese lokalen Initiativen, es sind diese regionalen Aktionen, die eine Verbindung von Men­schen hier und Menschen dort herstellen, die Empathie und Solidarität zwischen Bäuerinnen im Waldviertel und Bäuerinnen in Ecuador schaffen, die Engagement hervorbringen von Mensch zu Mensch und die das gesellschaftliche Bewusstsein nähren, dass wir in einer globalisierten Welt leben, in der wir voneinander abhängen und in der wir füreinander verantwortlich sind.

Und als drittes Beispiel: Die EZA der Bundesländer und Gemeinden ist unabhängig und flexibel. Ob in der EZA oder in der humanitären Hilfe des Bundes: Die Länder und Gemeinden können jederzeit ihre individuellen Schwerpunkte setzen. Ob sie die Erdbebenopfer in Haiti unterstützen wollen oder den Einsatz von Fachkräften in Ent­wicklungsprojekten, ob sie mit äthiopischen Bauern arbeiten wollen oder entwicklungs­politische Hochschulwochen finanzieren möchten, ob sie eine kirchliche Organisation kofinanzieren oder eine hochrangige Konferenz ausrichten – die Bundesländer können ihrem entwicklungspolitischen Engagement ihr Profil geben, unabhängig vom Dreijah­resplan der OEZA, unabhängig von DAC-Kriterien, unabhängig von diplomatischen Opportunitäten der Bundesregierung. Und das hat einen hohen Wert angesichts der Tatsache, dass die Armut in der Welt viele Ursachen hat, denen man mit vielen unter­schiedlichen Strategien begegnen muss.

Kohärenz und Konsistenz sind wichtig, aber die Begleitmusik verfehlt ihre Wirkung nicht, wenn sie nicht zu leise ist. – Danke. (Beifall.)

11.25


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Danke, Frau Magistra.

Ich erteile nunmehr Frau Dipl.-Ing. Mang das Wort. – Bitte.

 


11.26.09

Referentin Dipl.-Ing. Johanna Mang (LICHT FÜR DIE WELT)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizepräsident des Bundesrates! Sehr geehrte Abge­ordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Laut Weltgesundheitsorganisation ist jeder siebente Mensch dieser Erde behindert. Das sind eine Milliarde Menschen, und davon leben 80 Prozent in den Entwicklungsländern. Das sind sozusagen die Ärmsten der Armen, die, weil sie von den Entwicklungsprozessen zumeist ausgeschlossen sind, in diesem Kreislauf Armut und Entwicklung ausgeschlossen bleiben, wenn wir uns nicht engagieren.

In Anbetracht der eigentlich wachsenden Dimension von Armut steht es für uns, für Licht für die Welt, außer Debatte, dass wir uns österreichweit engagieren und den internationalen Verpflichtungen nachkommen, es steht aber sehr wohl zur Debatte, wie wir heute sehen, wie wir das wirksam machen können.

Ich möchte dazu ein paar Vorschläge einbringen, die auf unseren Erfahrungen aus langjähriger Projektarbeit basieren.

Die Arbeit von Licht für die Welt fokussiert das Programm auf Menschen mit Behinderungen. Wir arbeiten zusammen mit Partnern und machen das in ausge­wähl­ten Schwerpunktländern wie zum Beispiel in Äthiopien, Mosambik, Sudan, Burkina-Faso. In Österreich sind wir in allen Bundesländern sehr gut verankert, und zwar einerseits durch die zahlreichen SpenderInnen, andererseits aber auch durch die Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen – heute wurde der Eduard-Ploier-Preis schon erwähnt; auch das eine Organisation, mit der wir eng zusammenarbeiten –, mit vielen Augenärztinnen und -ärzten in ganz Österreich.

Öffentliche Mittel erhalten wir für unsere Programme einerseits vom Bund, von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, auch vom Sportministerium und dankenswerterweise auch von den Bundesländern, und zwar derzeit von Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Tirol. Zudem wird unser Programm durch Mittel von der EU beziehungsweise öffentlichen internationalen Stiftungen unter­stützt.

Das heißt zusammenfassend: Es geht bei uns um ein fokussiertes und partner­orientiertes Programm vor Ort, eine gute Verankerung hier in Österreich, zivilgesell­schaftliches Engagement im Zentrum und eine diversifizierte Aufstellung von Mitteln dafür.

Damit wir als österreichisch-internationale Organisation gut arbeiten können, brauchen wir die öffentlichen Stellen als gute Partner, die auch in ihrer Arbeit sehr gut aufgestellt sind. Und dafür möchte ich drei Zielsetzungen in die heutige Diskussion einbringen.

Das Erste ist die Unterstützung wirksamer Programmarbeit in den Partnerländern.

Das Zweite ist die Erarbeitung einer entwicklungspolitischen Strategie in Österreich.

Das Dritte ist die Aufstockung der Mittel, die wir heute schon erwähnt haben.

Aber auch zu diesen Punkten möchte ich noch etwas sagen.

Zunächst zur Unterstützung wirksamer Programme. Über die vielen Jahre haben wir gesehen, dass jene Projekte langfristig die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort verbessern, die folgende Merkmale tragen:

Erstens: Die Projekte müssen mit den Institutionen vor Ort abgestimmt sein und dürfen keine Insellösungen sein.

Zweitens: Die Projekte sind von den Partnern selbst getragen, und es gibt Unterstüt­zung von Österreich für diese Partnerschaft.

Drittens: Die Projekte müssen auf die Erfüllung von Menschenrechten ausgerichtet sein und diese ermöglichen.

Viertens: Sie müssen langfristig angelegt sein und entsprechende Mittel zur Verfügung haben.

Es liegt in der Verantwortung von uns als NGOs, solche Programme mit unseren Partnern auf die Beine zu stellen, und es liegt in der Verantwortung der fördernden Stellen, Projekte, die sie fördern, daraufhin zu überprüfen und solche auch zu fördern.

Der zweite Punkt, die zweite Zielsetzung: Ausarbeitung einer entwicklungspolitischen Strategie für Österreich. Wir haben heute schon gehört, dass international ein starkes Engagement für Kohärenz und Wirksamkeit da ist, eine schwierige Diskussion, die aber schon erste positive Früchte zeigt. In Österreich ist – zumindest sehe ich das so – diese Debatte bislang nur in Ansätzen vorhanden. Es fehlt eine gemeinsame Strategie, an der sich alle verantwortlichen Institutionen orientieren können und wonach das vielfältige gute Engagement abgestimmt wird.

Da gibt es natürlich die verschiedenen Ebenen. Auf Bundesebene geht es darum, dass die EZA-Agenden aller Ministerien wirklich gebündelt werden und ein kohärentes Programm erstellt wird. Auf Ebene der Länder und der Kommunen kommt diesen sozusagen die Aufgabe zu, dass es – wie schon gesagt wurde – mit den Projekten, die gefördert werden, eine sehr gute Verankerung in die Bevölkerung hinein gibt, dass aber auch die eigenen Kompetenzen in die Entwicklungszusammenarbeit eingebracht werden, wie eben beispielsweise die dezentrale Verwaltung oder die kommunale Wasserversorgung, wie wir gehört haben, Entwicklung von Tourismuskonzepten. Es geht aber auch darum, dass die Länder und Kommunen ihr Engagement mit dem Bund abstimmen.

Wichtig ist, wenn es um die Ausarbeitung einer solchen entwicklungspolitischen Stra­tegie geht, dass dabei auch wirklich alle relevanten AkteurInnen eingebunden sind, sodass es eben zu einem Konsens über die künftige Entwicklungszusammenarbeit kommt und es in Folge auch zu einer entsprechenden Arbeitsaufteilung kommen kann.

Die schon erwähnte Abhaltung des entwicklungspolitischen Jour Fixe des Herrn Staatssekretärs Dr. Waldner ist eine sehr gute Einrichtung, die aber dahin gehend sicher noch ausbaufähig ist. Parallel dazu, vielleicht als erster Schritt, wäre es sehr wichtig, wenn sich alle öffentlichen Fördergeber auf gemeinsame Qualitätskriterien, Formate für Einrichtungen und Berichte für ihre Förderentscheidungen einigen könnten und diese Förderentscheidungen auch transparent machten. Toni Mair hat auch dahin gehend schon eine Lanze gebrochen.

Zur dritten Zielsetzung: Aufstockung der öffentlichen Mittel. Geld ist nicht alles, aber ohne Geld geht nichts. Die entsprechenden öffentlichen Mittel werden dringlichst gebraucht. Ich kann das nur von meinen Reisen in die Entwicklungsländer, in die Partnerländer noch einmal bestätigen. Wir brauchen diese Mittel, um Programme wirksam umzusetzen, um diese gemeinsame Strategie mit Leben zu erfüllen und auch um Resultate zu erzielen. Derzeit – und das muss man deutlich sagen – spielt aber Österreich, gemeinsam mit Krisenländern wie Griechenland, Portugal oder Italien, nur als Mindestleister in der untersten Liga in der internationalen Gebergemeinschaft. Wenn Österreich das ändern will, dann braucht es wirklich erhebliche Anstrengungen vonseiten des Bundes, aber auch der Länder. Hier ein Dank an jene Länder, die ihre Mittel nicht kürzen, sondern zumindest weiter auf dem gleichen Level halten.

Ich glaube, derzeit bewegt sich die Debatte auch in die falsche Richtung, wenn nämlich überlegt wird, wie das wenige Geld – Petra Navara hat darauf hingewiesen – noch weiter aufgeteilt wird. Das ist für mich die falsche Debatte. Es muss vielmehr darum gehen, wie sowohl die Bundespolitik als auch die Landespolitik darüber nachdenken, wie die Mittel erhöht werden können, wie diese effizient eingesetzt werden können und wie Synergien zwischen den einzelnen AkteurInnen am besten gefördert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, großartig wäre es wirklich – das zum Schluss –, wenn diese heutige Parlamentarische Enquete, die so viele Akteure, die an der Entwicklungszusammenarbeit positiv arbeiten, hier in diesem Raum zusam­menführt, bewirkte, dass das ein Anstoß ist für die Ausarbeitung einer entwicklungs­politischen Strategie und eines entsprechenden Ressourcenplans, der uns alle für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit in die Zukunft leiten wird. – Danke. (Beifall.)

11.35


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Danke, Frau Dipl.-Ing. Mang, für Ihren Beitrag.

Ich ersuche nun Herrn Mag. Molnar um seine Ausführungen. – Bitte.

 


11.35.31

Referent Mag. Peter Molnar (Klimabündnis Österreich)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Name ist Peter Molnar; ich bin vom Klimabündnis Österreich. Ich will Ihnen kurz unser langjähriges Projekt am Rio Negro näherbringen, lassen Sie mich zuvor aber auch noch zwei Dinge zum Klimabündnis Österreich an sich sagen.

Das Klimabündnis Österreich ist ein Zusammenschluss von rund 920 Gemeinden – also jede dritte Gemeinde Österreichs ist Klimabündnis-Gemeinde –, die sich zusam­mengeschlossen haben mit der Zielrichtung, einerseits CO2-Emissionen in Österreich zu verringern und gleichzeitig – das ist der zweite große Punkt – Entwicklungszusam­menarbeit im Süden zu leisten, vor allem zum Erhalt des Regenwaldes. Das heißt, jede Klimabündnis-Gemeinde muss sich verpflichten, einen Beitrag zu leisten, der einerseits die regionale Arbeit des Klimabündnisses unterstützt, aber gleichzeitig geht ein Drittel der Beiträge der Gemeinden direkt in die Zusammenarbeit im Süden.

Unser Projekt, das wir seit 17 Jahren betreiben, seit 1993, befindet sich am oberen Rio Negro in Brasilien. Das ist so ziemlich der tiefste Regenwald, den Sie auf der Welt finden werden. Es ist an der Grenze zu Kolumbien. Es ist ein Gebiet, das so groß ist wie Österreich und Slowenien zusammen, 110 000 Quadratkilometer. Es leben dort 22 Völker mit 35 000 Personen.

Das Klimabündnis Österreich unterstützt, mit Hilfe der ADA am Beginn, diese Initiative, das ist die FOIRN im Regenwaldgebiet, das ist eine Organisation der Indigenen, und wir versuchen seit 17 Jahren, die Landrechte für diese Indigenen zu bekommen, weil wir glauben, dass, wenn Indigene Landrechte haben, der Regenwald erhalten bleibt. 1998 sind den Indigenen des oberen Rio Negro eben für ein Gebiet, das so groß ist wie Österreich und Slowenien zusammen, die Landrechte gewährt worden. Seitdem haben keine Abholzungsmaßnahmen mehr stattgefunden.

Unser jetziges Projekt ist, dass wir diese Landdemarkierung, wie es heißt, auf den mittleren und unteren Rio Negro, gleichfalls wieder ein gleich großes Gebiet, erweitern wollen. Dazu sind einige technische Arbeiten notwendig. Die werden Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein – das ist ein recht langwieriger Prozess; vier bis fünf Jahre lang hat dieser Prozess gedauert –, und dann hoffen wir, dass den Indigenen wieder mehr Gebiete als bisher zugesprochen werden und ihnen die Landrechte gewährt werden.

Das heißt, die Zusammenarbeit von den 920 Klimabündnis-Gemeinden aus allen Bun­desländern – alle neun Bundesländer Österreichs sind gleichzeitig auch Mitglied im Klimabündnis – hat es ermöglicht, dass wir in 17 Jahren Kontinuität eine Fläche so groß wie Österreich und Slowenien gesichert haben, sodass dort keine Abholzungen mehr stattfinden.

Deswegen wollen wir sagen – das ist auch sehr wichtig –, dass diese Entwicklungs­zusammenarbeit von Ländern und Gemeinden als Ergänzung zur Arbeit der ADA sehr wichtig ist. Um das genauer darzustellen: Wir haben am Anfang größtenteils mit ADA-Mitteln gearbeitet, und nach und nach, als sich die ADA zurückgezogen hat, sind die Gemeinden und die Bundesländer eingesprungen.

Es geht hier um eine Gesamtsumme von rund 300 000 € pro Jahr, die jedes Jahr in die Entwicklungszusammenarbeit investiert wird, wobei rund 200 000 € von den Gemeinden kommen und 100 000 € von den Ländern. Das heißt, wir haben in dieser Kontinuität in den 17 Jahren Geldmittel in der Höhe von rund 4 bis 5 Millionen € aufge­bracht, um dieses Gebiet zu sichern, und wir können auch sagen, dass in Zukunft gewährleistet ist, dass diese Gebiete gesichert bleiben.

Wir versuchen, nicht nur Entwicklungsarbeit zu leisten, sondern gleichzeitig auch einen Austausch zu pflegen. Das heißt, Delegationsreisen von Vorständen der FOIRN nach Österreich werden durchgeführt, und diese Menschen werden nicht nur in Österreich in Parlamenten und Landesregierungen als Gesprächspartner angeboten, sondern in den letzten Jahren vermehrt immer auch nach Ungarn, Tschechien, Slowenien und in die Slowakei gebracht, damit diese Zusammenarbeit auch dort Bekanntheit erlangt. Uns ist es sehr wichtig, dass dieser Austausch auch einvernehmlich erfolgt, das heißt, dass einerseits wir hinunterfahren, eher seltener, aber andererseits vor allem Vertreter der FOIRN heraufkommen.

Neben diesen Mitteln haben wir gleichzeitig geringe Beträge für aktuelle Entwicklungs­zusammenarbeitsprojekte aufgewendet, zum Beispiel erwähne ich hier die Yasuni-Initiative in Ecuador und Belo Monte, das große Staudammprojekt in Brasilien. Wir finanzieren all das mit Mitteln aus den Gemeinden und Bundesländern.

Wir empfinden – mit teilweiser Unterstützung der ADA und vor allem von HORIZONT3000 – es als sehr wichtig, dass die Entwicklungszusammenarbeit in Öster­reich konkret ist, dass aber auch versucht wird, viele kleine Projekte durchzusetzen. Denn was ich in meiner Praxis bemerkt habe, ist, dass viele kleine Projekte oft viel mehr helfen als ganz große Projekte. Das heißt, ein Unterstützungsvolumen von 5 000 € bis 10 000 €, in einem Gebiet regional gut eingesetzt, ist oft sehr viel wertvoller als große Projekte. Sie sollten einander ergänzen und nicht konkurrieren.

Mein Ziel für heute wären die 0,7 Prozent, denn ich muss sagen, ich bin jedes Mal ein bisschen betrübt, dass es Österreich nicht schafft, die 0,7 Prozent MDGs-Anteil zu erreichen. Ich meine, wenn es das achtreichste Land der Welt nicht schafft, wer soll es sonst schaffen? Das ist eine grundsätzliche Annahme.

Das Zweite ist: Ich glaube, dass eine Erhöhung der Mittel der direkten EZA, so wie es Frau Mag. Petra Navara-Unterluggauer gesagt hat, auf jeden Fall notwendig ist, denn diese Mittel sind diejenigen, die wirklich den Entwicklungsländern und der Entwick­lungs­zusammenarbeit helfen. – Vielen Dank. (Beifall.)

11.41


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Danke, Herr Mag. Molnar.

Ich erteile nun als Nächstem Herrn Bürgermeister Leitenberger das Wort. – Bitte.

 


11.41.38

Referent Helmut Leitenberger (Bürgermeister der Stadt Leibnitz)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich darf mich für die Einladung bedanken und darf mich dafür bedanken, dass ich Ihnen in kurzen Zügen die Arbeit von 28 Jahren mit der Stadt Pedra Badejo, auf Kap Verde, näherbringen darf.

Die ersten Kontakte zwischen Kap Verde und Österreich entstanden 1981 auf einer Tagung in Amsterdam, die von Regierungsvertretern der Kapverdischen Inseln organisiert wurde. Ziel dieser Tagung war die Errichtung einer Biogasanlage auf der Farm Justino Lopez durch Österreich.

Bei dieser Tagung wurde der Wunsch des Bezirkshauptmannes von Santa Cruz an unseren Vertreter herangetragen, für Pedra Badejo eine Städtepartnerschaft zu orga­nisieren. Der entwicklungspolitische Referent der steirischen Landesregierung, damals  Mag. Wolfgang Pumpernig, hat dieses Anliegen dann an die Bezirksstädte der Steiermark herangetragen, und der damalige Leibnitzer Bürgermeister, Ing. Hans Stoisser, war von dieser Idee sehr angetan und hat diese Aufgabe angenommen. Schon im Dezember 1982 reiste dann sein Sohn, Hans-Georg Stoisser, nach Pedra Badejo, um mit dem dortigen Bezirkshauptmann den Vertrag auszuarbeiten, und am 3. Mai 1983 wurde der Verein Städtepartnerschaft Pedra Badejo, Kap Verde, gegründet.

Die ersten Vereinsaktivitäten hatten das Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und den Emigrationsdruck in der Region zu verringern. So wurde 1983 die Förderung des Gewerbes als Schwerpunkt der Vereinsarbeit fixiert. Das heißt, wir sind Kooperationen eingegangen mit der Fischerei, mit der Mechanik, mit der Näherei und auch mit dem Bauwesen.

Weitere Aufgaben waren es, die Infrastrukturmaßnahmen im Bereich Wasser, Abwas­ser, Strom, Müllentsorgung zu verbessern, und ein weiteres Ziel war es, die örtliche Bauabteilung aufzubauen. 1992 wurde diese Phase der Entwicklungsarbeit mit der Übergabe der Projekte in die Hände unserer kapverdischen Partner übertragen. Somit war die Präsenz von Österreichern nach über zehn Jahren nicht mehr notwendig. Die Übergangsphase hat zwei Jahre gedauert, und unter dem Motto „Freiheit mit Netz“ wurden die Betriebe vom Verein in die Selbständigkeit begleitet.

Zwei weitere Projekte hatten das Ziel, die Bildung auszubauen. Da gab es ein Projekt zur Instandsetzung der Schulen und das Projekt EBIS, das ein Schulbildungs­programm, ein Beispielprojekt für die Lehrerfortbildung und Schulerhaltung war. Im Zuge der Schulausbauten wurden 112 Klassenräume umgebaut. Das Ganze passierte mithilfe der Schulgemeinschaft, die Organisation hatten die örtlichen Direktorinnen und Direktoren sowie die Bauabteilung, die wir aufgebaut haben. Ein Ziel dabei war es, dass die Schulgemeinschaft gemeinsam mit den örtlichen Betrieben, mit den örtlichen Tischlereien die Fenster und Türen errichten. Und ganz wichtig für uns war es, dass mit ganz wenig finanziellen Mitteln Arbeitsleistungen bezahlt wurden.

Das Projekt „Integrierte Schulbildung Santa Cruz“ wurde als Beispielprojekt für die Lehrerfortbildung und Schulerhaltung von Leibnitzer Pädagogen entwickelt. Bei der Konzeption sind alle Erfahrungen der bisherigen Vereinsarbeit in die Programm­gestaltung eingearbeitet worden. Der große Projekterfolg auf lokaler Ebene führte 1999 zum integrierten Grundbildungsprojekt Santiago, EBIS, wo neben der Verbesserung der schulischen Koordination die dezentralen Strukturen gestärkt werden konnten. Auf der Insel Santiago waren 4 000 Schüler, 1 723 Lehrkräfte und 43 Schulen in das Projekt mit eingebunden. Gleichzeitig gab es auch Projekte mit den Leibnitzer Schulen und den Schulen in Pedra Badejo.

Das Ergebnis des Projektes EBIS wurde anlässlich der Zwanzigjahrfeier präsentiert, und die damalige Außenministerin, Frau Dr. Karla Krieger, betonte vor allem die Wichtigkeit der Schulmanagementausbildung, die ein wichtiges Ergebnis von EBIS war.

2001 hatte die damalige Obfrau, Frau Dr. Christl Zach, die Idee, für die ärmsten Familien in Pedra Badejo die Wohnsituation zu verbessern. Unter dem Slogan „Ein Dach über dem Kopf“ wurden 2002 die ersten notwendigsten Renovierungs­maß­nahmen bei Häusern vorgenommen. Ziel war es, kinderreichen Familien und Familien, in denen schwerkranke Personen lebten, die ja keine Möglichkeit hatten, ein Erwerbs­einkommen zu erzielen, die Wohnsituation zu verbessern. So gelang es uns bis 2007, 50 Häuser zu sanieren, wodurch die Wohnsituation für über 300 Personen verbessert werden konnte.

Die bisherigen Ausführungen beschrieben die operativen Arbeiten zwischen den Partnern in Leibnitz und Pedra Badejo. Dafür wurden von 1983 bis 2010 4,3 Millionen € aufgewendet.

Doch Gemeindekooperation ist wesentlich vielschichtiger. Eine Projektkonzeption erfor­dert weitere Partner. Durch die Einbindung der Projekte in das Programm der österreichischen und steirischen Entwicklungspolitik und mit Unterstützung der Stadt­gemeinde Leibnitz haben wir vieles erreicht. So konnte der Lebensraum Pedra Badejo nachhaltig verbessert, das erhöhte Bildungsangebot unterstützt und die Berufschancen der jungen Bevölkerung angehoben werden. Die sozialen Ansätze unserer Wohn­bau­aktivitäten unterstützten die Gemeinde in ihrer Bemühung beim Aufbau eines sozialen Netzes.

Mit der entwicklungspolitischen Neuorientierung der Stellung von Kap Verde ist an­stelle von Nahrungsmittelhilfen und Projekthilfen 2008 die Budgethilfe eingeführt worden. Die Budgethilfe von Österreich für Kap Verde hat die Konsequenz, dass Österreich keine Koordination der EZA mehr vor Ort hat und NGOs ihre finanziellen Eigenmittel wesentlich erhöhen mussten. Über die Nahrungsmittelhilfe wurde bislang unter anderem die Schulküche der Grundschule in Kap Verde finanziert. Ab Jänner 2010 ist Kap Verde über die Budgethilfe eigenverantwortlich für den Erhalt dieser Schulküche. In 14 Grundschulen, sechs Schulstufen des Bezirkes Santa Cruz erhalten alle Kinder von sechs bis zwölf Jahren ein warmes Mittagessen. Das Mittagessen ist ein wichtiges Instrument, um auch armen Kindern einen täglichen Schulbesuch zu erlauben.

Durch die angespannte finanzielle Situation im Sozialbereich ist es derzeit nicht immer möglich, das Schulessen für Kinder nachhaltig zu gewährleisten. Deswegen haben wir anlässlich des Besuches 2009 in Pedra Badejo mit dem jetzigen Bezirkshauptmann vereinbart, dass wir gemeinsam ein Projekt erarbeiten, das den Erhalt der Schulküchen sichert. Im Bezirk Santa Cruz wurde ein Gemüse-Obst-Garten auf einem Areal von 12 000 Quadratmetern angelegt. Der Standort liegt in Achada Igreja in der Nähe der lokalen Kläranlage von Pedra Badejo. Mit modernen Bewässerungsmethoden, nämlich Tröpfchenbewässerung, wird Gemüse und Obst erzeugt. Der Überschuss, der produ­ziert wird, dient für den Eintausch von Mais und Reis. Die Köchinnen werden in diesem Projekt in Seminaren geschult. Gleichzeitig lernen Kinder im Unterricht den Anbau von Pflanzen und den sorgsamen Umgang mit Wasser sowie ihre sensible Umwelt kennen.

Die Verbesserung der Gesundheit und der schulischen Leistungen von SchülerInnen ist nämlich ein weiteres wichtiges Ziel. Begleitet wird das Projekt von Experten des Landwirtschafts- und Unterrichtsministeriums.

Durch die Budgethilfe an Kap Verde wird es für uns als Verein, der nur aus ehren­amtlichen Mitarbeitern besteht, immer schwieriger, Projekte zu finanzieren.

Ich darf mit einer Weisheit aus Nordafrika mein kurzes Statement beenden, und diese Weisheit lautet: Viele kleine Leute, die in vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern. Unter diesem Motto arbeiten wir auch weiterhin für Pedra Badejo. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

11.49


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Herzlichen Dank, Herr Bürger­meister.

11.49.30IV. Allgemeine Diskussion

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Wir gehen nun in die Diskussion ein. Ich darf darauf hinweisen, dass die Redebeiträge eine Zeit von 5 Minuten nicht über­schreiten sollten.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter zum Nationalrat Glaser. – Bitte.

 


11.50.23

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP)|: Herr Vorsitzender! Geschätzte Referentinnen und Referenten! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Bundesrat sehr herzlich gratulieren zur Abhaltung dieser Enquete. Der Nationalrat hat es vor ein, zwei Jahren einmal versucht, wir sind leider nicht dazugekommen. Ich finde aber, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass, wie heute ja schon mehrfach gesagt wurde, Bewusstseinsarbeit wirklich passiert. Diese Bewusstseinsarbeit ist ganz einfach auf allen Ebenen notwendig, auf der Ebene der Abgeordneten genauso wie auf der Ebene der Länder und Gemeinden oder wo immer wir uns befinden.

Genau an diesem mangelnden Bewusstsein scheitert es zurzeit auch, dass wir die nötigen Budgetmittel, gerade auch in Zeiten von Sparmaßnahmen, auf Bundesebene zustande bringen. Ich glaube, es geht darum, dass wir die Gesamtverantwortung der Bundesregierung für diese Maßnahme immer wieder einfordern und dass wir wirklich gemeinsam möglichst viel Druck in diese Richtung – wie es auch schon gesagt wurde – machen.

Entwicklungszusammenarbeit ist aus meiner Sicht ja nicht nur eine humanitäre Ver­pflichtung – das ist uns jeden bewusst, ebenso auch, dass wir die MDGs nach Möglichkeit erreichen sollten –, sie ist, glaube ich auch – und da sollten wir uns wirklich immer auch zu Gemüte führen – durchaus im Eigeninteresse. Denken wir nur an den ganzen Bereich der Migration! Wir werden Migration nie in den Griff bekommen, wenn es uns nicht gelingt, entsprechend gute Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Migranten zustande zu bringen. Denken wir ganz einfach daran, dass es darum geht, Konflikte zu vermeiden, Zusammenarbeit zu stärken! Entwicklungs­zusammen­arbeit, so wie ich sie verstehe, ist im Prinzip in allererster Linie Friedenspolitik.

Es wurden heute schon mehrfach jene Bereiche, wo Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich geschieht, angesprochen. Ich darf vielleicht diese drei Bereiche auch kurz streifen.

Das ist zum einen die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit, die ja hauptsächlich im Außenministerium beziehungsweise in der ADA passiert. Das sind, was viele nicht wissen, ja maximal 15 Prozent der gesamten Mittel, die in diesem Bereich eingesetzt werden. Und wenn ich die Öffentlichkeitswirksamkeit dieser Maßnahmen einschätze, würde ich meinen, sie ist durchaus gegeben, aber sie könnte größer sein.

Der zweite Bereich – das ist der wesentlich größere Bereich; das sind jene Gelder, die an die internationale Finanzinstitute, an die EU, an die UN-Organisationen fließen – umfasst fast zwei Drittel der gesamten Geldmittel, die hier zur Verfügung stehen. Und wenn wir uns hier die Öffentlichkeitswirksamkeit ansehen, dann können wir feststellen, sie ist, würde ich glauben, im Bewusstsein der Österreicher nicht wirklich vorhanden. Vor allem ist nicht bewusst, dass hier Mittel in derart großer Höhe eingesetzt werden.

Wenn wir uns dann jenen Bereich anschauen, den wir heute auch besprechen, nämlich jenen Beitrag, den Länder, Gemeinden, Pfarren, Einzelpersonen leisten, dann stellen wir fest, dass das gerade einmal 2 Prozent der gesamten ODA-Leistung ausmacht; also ein sehr bescheidener Beitrag eigentlich. Aber wenn ich mir dann anschaue, was das an Bewusstseinsarbeit bedeutet, dann würde ich diesen Beitrag mit mindestens 80 bis 90 Prozent einschätzen. Hier liegt, glaube ich, die große Bedeutung der Entwick­lungszusammenarbeit, jener, die in den Ländern, in den Gemeinden, die vor Ort passiert.

Es gibt nirgends ein größeres persönliches Engagement, es gibt nirgendwo in den Projekten größere persönliche Verbindungen, weil hier fast immer Personen mit­einander in Verbindung stehen, und es gibt meines Erachtens ganz einfach keine größere Breitenwirkung als in diesen Projekten und in diesen Initiativen. Was hier allerdings wirklich fehlt – das spüre ich immer wieder, wenn ich mit derartigen Initiativen rede –, ist zu einem guten Teil die Wertschätzung, vor allem auch von überge­ordneten Stellen, diesen Initiativen gegenüber und dieser Arbeit gegenüber. Was hier gefordert wäre und zu wenig vorhanden ist, das ist, glaube ich, ein größeres Eingebundensein, eine größere Vernetzung mit jenen Stellen, die Verantwortung tragen, die Kompetenz haben. Hier ist durchaus noch einiges zu machen.

Was auch oft ein Problem ist, das sind all die bürokratischen Hürden, die hier vorhanden sind. Das heißt, wir sollten durchaus darüber nachdenken, wie wir zu einer größeren Verankerung dieser Initiativen auf Bundesebene, teilweise auch auf Länder­ebene kommen können. Es gibt ja diese Bund-Länder Konferenzen, aber große Wirk­samkeit geht davon nicht wirklich aus. Es gibt jetzt den Jour Fixe vom Herrn Staatssekretär. Wenn es uns gelänge, das entsprechend auszugestalten und zu intensivieren, dann wäre das, würde ich meinen, wirklich ein Ansatz zu mehr Koordination und in der Folge auch zu mehr Zusammenarbeit, sodass vielleicht auch die normale Zusammenarbeit zwischen diesen Initiativen, der ADA und den Bundes­stellen funktionierte. Aber ich möchte schon auch der Illusion eine Absage erteilen, dass es möglich sein wird, seitens des Bundes wesentlich mehr Geldmittel zur Verfügung zu stellen, da wir gehört haben, dass wir gerade die bilaterale Hilfe Jahr für Jahr eigentlich zurückfahren müssen.

In diesem Sinne ein absolutes Bekenntnis zu mehr Koordination, zu mehr Zusammen­arbeit zwischen den einzelnen Initiativen, den Ländern und den Bundesstellen. Ich möchte auch die entsprechende Wertschätzung dieser Arbeit gegenüber zum Ausdruck bringen und hinzufügen, dass nirgendwo mehr für die Bewusstseinsarbeit in diesem wichtigen Bereich der Entwicklungszusammenarbeit geleistet wird als gerade bei diesen Stellen auf Gemeinde- und auf Länderebene. Und das müssten wir auf Bundesebene mehr für das Druckausüben auf die entscheidenden Regierungsstellen einsetzen können.

In diesem Sinne noch einmal herzliche Gratulation zu dieser heutigen Enquete. (Beifall.)

11.56


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.57.00

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Freunde und Freundinnen! Als Bundesrat möchte ich mich einmal ganz herzlich bei den Referenten und Referentinnen bedanken, aber auch bei unserer Präsidentin, die es quasi als Höhepunkt der Salzburger Präsidentschaft geschafft hat, diese Enquete zustande zu bringen. Es mag irgendwo eine höhere Regie sein, dass wir hier im Budgetsaal sitzen und dass zwei Gehminuten entfernt gerade über die Schuldenbremse diskutiert wird.

Es eint uns hier in diesem Raum wahrscheinlich alle die gemeinsame Scham darüber, dass wir 40 Jahre darüber diskutieren, diesen Verpflichtungen – das sind keine Ermessensausgaben, das sind Verpflichtungen – nicht nachzukommen, und dass wir trotzdem diesen Anspruch haben. Was uns wahrscheinlich nicht mehr eint, ist das Wollen, trotz einer Schuldenbremse-Debatte, trotz wirtschaftlicher Krisen im Rahmen der Europäischen Union an diesen Zielen festzuhalten. Eine Partei am rechten Rande des politischen Spektrums Österreichs hat gefordert, die Entwicklungshilfemittel abzu­schaffen. Sie ist mit keiner ihrer Forderungen so isoliert in Österreich wie mit dieser Forderung. Das zeigt die gesamte Geschichte der österreichischen Entwicklungs­zusam­menarbeit auch auf. (Vizepräsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Was wir von dieser gemeinsamen Konferenz mitnehmen sollen, ist nicht die Föde­ralisierung der ADA-Mitteln. Was Gemeinden, Städte und Länder machen, kann nur ergänzend sein zu der Aufgabe, die der Bund hier zu erfüllen hat – und das sage ich ganz bewusst auch als Bundesrat –, denn der Anspruch ist der, gemeinsam zu erreichen, dass diese Mittel, die mittlerweile wirklich auf einem Tiefpunkt angekommen sind, erhöht werden. Wir müssen das auch im internationalen Vergleich sehen. 2011 hat Luxemburg 1,2 Prozent geschafft, und vor zehn Jahren hatte Schweden eine enorme Krise des Bankensystems und der Wirtschaft und hat in keiner Minute daran gedacht, die Übererfüllung seiner Verpflichtungen im Rahmen der Entwicklungs­zusam­menarbeit abzubauen.

Es geht aber bei den ODA-Mitteln auch um eine qualitative Umschichtung. Die Ent­schuldung des Iraks, die Entschuldung von Kamerun, der Friedenseinsatz des öster­reichischen Bundesheeres: Das hat qualitativ nichts in den ODA-Mitteln zu suchen.

Liebe Frau Präsidentin, es mag eine weitere Symbolik sein, dass wir diese Enquete heute schaffen. Genau vor 50 Jahren sind die erste Frau und die ersten drei Männer aus der Steiermark und aus Niederösterreich als Entwicklungshelfer ausgereist. Sie sind damals nach Tansania ausgereist. Das heißt, in 50 Jahren sind über 2 500 Österreicher und Österreicherinnen ausgereist.

Die Geschichte zeigt auch, wie tief verbunden dieses Bewusstsein der Österreicher und Österreicherinnen ist. Nur zehn Jahre nach Kriegsende, 1955/1956, haben die Österreicher und Österreicherinnen in einer bemerkenswerten Aktion die erste internationale Hilfskampagne gemacht, nur zehn Jahre nach Kriegsende: „Ein Reiskorn für Korea“ – weil heute auch Korea schon erwähnt wurde –, eine Aktion nur zehn Jahre danach!

Kein Land in der Welt hat so wenig öffentliche Mittel und so eine extreme Bereitschaft der privaten Menschen, sich hier zu engagieren, wie Österreich. Das zeigt sich daran, dass selbst in den Krisenjahren 2008, 2009 und 2010 die Dreikönigsaktion jedes Jahr ein Plus an Spendenmitteln erreichen konnte. Deshalb sollte diese Konferenz sozusagen auch ergänzend zu dem sein, was der Herr Staatssekretär jetzt macht.

Diesen gemeinsamen Willen der Städte, der Gemeinden halte ich für wichtig, auch diese Kooperationen, die Leibnitz hat, die Salzburg hat, die das kleine Sonntag in Vorarlberg hat. Oder: Es führt ja in der Entwicklungspolitik kein Weg an Oberösterreich vorbei! Die meisten Personen, die in die Entwicklungshilfe ausgereist sind – es sind über 300 –, kommen aus Oberösterreich. Die Ortschaft Rohrbach war die erste, die mit der Selbstbesteuerung einer ganzen Gemeinde begonnen hat, alles im Geiste der siebziger Jahre. Die Erklärung von Salzburg, die Erklärung von Graz waren funda­mentale Signale dafür, in Österreich einmal darüber nachzudenken: Wie halten wir es mit der ständig größer werdenden Kluft zwischen Nord und Süd?

Die Ersten, die 1961 ausgereist sind, sind auf eine Bewegung der Landjugend, der katholischen Landjugend hin ausgereist. Sie stand sozusagen an der Wiege dessen, was heute fortgesetzt wird. Es sind zwischen 80 und 100 junge Leute – sie müssen gar nicht so jung sein, wenn ich mir jetzt kurz die Leute anschaue –, die heute in ver­schiedensten Ländern, in Schwerpunktländern einen sehr interessanten, im Laufe der Zeit auch gewandelten Beruf in der Entwicklungszusammenarbeit begonnen haben.

Kirchen, die Gewerkschaften, sie alle standen mit dafür ein, neben politischen Bewe­gungen, neben der Theologie der Befreiung, der Anti-Apartheid-Bewegung, den Soli­daritäts­gruppen. Das heißt, wir haben in Österreich ein unglaublich reiches Feld. Wir haben ein unglaublich reiches Feld – und haben auf der anderen Seite die Schande unserer öffentlichen Gesamtleistung! Diese Schande zu minimieren, diese Zusam­menarbeit, diese qualitative Umschichtung der ODA-Mittel in Richtung ADA, in Rich­tung der bilateralen, direkten Programme – unabhängig davon, ob personell oder als Projektmittel – ist das große Ziel.

Deshalb, liebe Frau Präsidentin, danke ich dir noch einmal! Es waren in Österreich auch immer wieder Persönlichkeiten wie etwa Eduard Ploier, der es geschafft hat, in Oberösterreich ein entsprechendes Klima zu schaffen, an dem die Politik in Ober­österreich seit Jahrzehnten und bis heute nicht mehr vorbeikommt. Deshalb ist das so wichtig, und vielleicht ist es künftig auch mit deinem Namen, liebe Frau Präsidentin, verbunden, wenn wir das schaffen! – Ich danke. (Beifall.)

12.04


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort.

 


12.04.28

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien)|: Auch ich möchte mich den Dankes­worten anschließen: Vielen Dank an meine Kolleginnen und Kollegen und an alle Referentinnen und Referenten, dass wir überhaupt zu diesem Thema sprechen! Denn: Dieses Thema „Entwicklungszusammenarbeit“ ist nun einmal – das muss man ganz offen sagen – aus der politischen Debatte in der Allgemeinheit ziemlich verschwunden. Das war schon einmal anders.

Ob es nun hier, wenngleich in einem bescheidenen Rahmen – ich meine mit diesem Rahmen jetzt nicht den Saal (Heiterkeit des Redners) –, durch diese Aktion zu einer öffentlichen Debatte kommt, werden wir sehen. Wahrscheinlich ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit jetzt doch eher auf den Nachbarsaal gerichtet, obwohl diese Themen unbedingt miteinander zu tun haben, nämlich sowohl die Diskussion zur Schulden­bremse, zur aktuellen Budgetpolitik und zur Finanzkrise, die drüben gerade vor sich geht, als auch die globale Frage, die wir hier stellen. Beides hat natürlich eine gemeinsame Ursache, und ich glaube, wir müssen, wenn wir hier in diesem Saal über Entwicklungszusammenarbeit diskutieren, auch darüber nachdenken, wieso denn Entwicklungszusammenarbeit überhaupt notwendig ist. Sie ist deswegen notwendig, weil unser Wirtschaftssystem so funktioniert, wie es funktioniert! Das muss man hier ganz offen aussprechen.

Während drüben darüber diskutiert wird, wie es weitergeht nach all diesen Jahren, in denen es eindeutig – und alle Zahlen belegen das – eine Umverteilung von unten nach oben gab, diskutieren wir hier darüber, dass das global genauso passiert ist. Es gibt ganz viele Zusammenhänge in diesem Bereich, die im großen Rahmen zu denken sind. Dazu gehört das Migrationsthema, das schon angesprochen worden ist. Des­wegen ist es für mich völlig unverständlich, dass eine rechte Partei, die sozusagen jede Integrationsmaßnahme ablehnt, dann die Entwicklungszusammenarbeit, die genau in diesen Bereich hineinarbeiten würde, ablehnt. Das ist in sich absurd und paradox, das funktioniert zusammen nicht! Aber man muss, wenn wir schon eine Enquete zu diesem Thema machen, über die politischen Realitäten in diesem Land reden, weil das sonst nicht funktioniert.

Ich möchte jedoch auch darauf aufmerksam machen, dass natürlich auch Länder, Gemeinden, Städte und der Bund mit ganz einfachen Maßnahmen Entwicklungsarbeit leisten können, ohne dass man schon in ein Land, in ein Projekt oder in eine Gemeinde investiert. Man hat Landeskrankenhäuser, man hat Schulen, man gibt dort Essen aus, und so könnte man eine Aktion machen: Jedes Reiskorn soll fair getradet sein! In jedem Land, in jedem Landeskrankenhaus könnte das Essen, das dort ange­boten wird, aus fair trade sein. Das wäre schon einmal eine große Leistung in Sachen Entwicklungszusammenarbeit, um aus diesem Ausbeutungssystem, das es nun einmal gibt, einfach herauszukommen.

Es sind heute einige Punkte genannt worden, denen wir uns vollinhaltlich anschließen können. Ich möchte mich vor allem bei Frau Johanna Mang bedanken, sie hat im Grunde das gesagt, was ich für meine Rede vorbereitet hatte. Ja, auch wir sind der Meinung, es sind viele Einzelaktionen immer gut, aber es fehlt eindeutig ein nationaler Aktionsplan, der nachhaltig ist, der genau sagt: Da hinein investieren wir jetzt, das begleiten wir jetzt, und das ist unser Schwerpunkt, nicht nur ein Jahr lang, und im nächsten Jahr geben wir es wieder woandershin, sondern das begleiten wir weiter!

Herr Pirker aus Salzburg hat zu Recht gesagt, dass zum Beispiel viele Einzelprojekte nicht mehr kontrollierbar sind. Hätte man einen gemeinsamen Aktionsplan, in dem auch Einzelinitiativen, einzelne Gemeinden, einzelne Länder mit beitragen könnten, könnte man so etwas gemeinsam machen, so eine Kontrolle auch gemeinsam zuwege bringen. Ich glaube, das ist möglich, und ich glaube, das ist auch dringendst notwen­dig!

Weil ich jetzt nur wenig Zeit habe – meine Kollegin Vana wird dann noch auf einzelne andere Aspekte eingehen, es geht sich jetzt in 5 Minuten leider nicht aus, was ich alles vorbereitet habe –, sei noch darauf hingewiesen, dass auch gesagt worden ist, man sollte die Kooperation zwischen den Ländern in der Entwicklungszusammenarbeit in der Landeshauptleutekonferenz ansiedeln. Ich glaube, die Entwicklungs­zusammen­arbeit muss etwas transparenter gestaltet sein, als dass sie dort aufgehoben würde, wo etwas völlig ohne irgendeine Öffentlichkeit zustande kommt. Das muss viel öffentlicher dargestellt werden! Das halte ich also für keine sehr gute Idee. Vielleicht bietet sich hier der Bundesrat an, ich hätte damit überhaupt keine Probleme. Das würde auch unsere Institution stärken. (Beifall.) – Danke schön.

Ich hätte wirklich noch viel zu sagen, auf jeden Fall möchte ich am Ende noch auf einen Aspekt hinweisen. Es ist sehr viel über die 0,7 Prozent geredet worden. Wir sind derzeit bei 0,3 Prozent, das ist natürlich viel zu wenig. Es geht weiter hinunter, und im Zusammenhang mit der Diskussion über die Schuldenbremse besteht jetzt natürlich die Gefahr, dass es noch weniger wird. Da brauchen wir uns überhaupt keine Illusion zu machen.

In diesen 0,3 und noch weniger Prozent sind auch die Zahlungen Österreichs zum Beispiel an die UNICEF beinhaltet. Das würde ich auf gar keinen Fall als Teil einer Entwicklungszusammenarbeit mitrechnen! Das gehört auch einmal bereinigt, und dann kommen wir zu überhaupt noch viel geringeren Zahlen, über die wir heute reden. Da müssen wir ansetzen, das ist ganz wichtig.

Vielleicht melde ich mich später noch einmal zu Wort. – Danke.

12.09


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Erwin Eder.

 


12.10.00

Erwin Eder (Horizont 3000 und Dreikönigsaktion)|: Grüß Gott, sehr geehrte Damen und Herren! Herzlichen Dank für die Einladung, hier zu diesem Thema zu sprechen. Ich bin Geschäftsführer der Dreikönigsaktion in Österreich und Vorsitzender von Hori­zont 3000, einer Plattform mehrerer kirchlicher NGOs, die in der Entwicklungs­zusam­menarbeit intensiv mit der öffentlichen Hand zusammenarbeitet.

Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit ist in der Krise. Das ist überhaupt keine Frage, es wurde ja in den Vorreden viel darüber gesagt. Die Budgetkürzungen sind beschämend! Das Budget 2012, das uns vorliegt, zeigt ja, dass das Außen­ministerium übermäßig Einsparungen machen muss, auch im Vergleich zu anderen Ministerien übermäßig Kürzungen vornimmt und im Außenministerium wieder die Entwicklungszusammenarbeit jener Bereich ist, wo über alle Maßen gekürzt wird.

Wenn man sich das näher anschaut, dann sieht man, es gibt doch auch Aufstockungen im Außenministerium, zum Beispiel bei Presse- und Informationsarbeit um 2 Millio­nen €, während die Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit, für die Österreichische Entwicklungsagentur massiv gekürzt werden. Das ist bedenklich, und es zeigt, dass die sogenannte Fernsolidarität, wenn die Mittel weniger werden, immer besonders gefährdet ist. Dr. Paul Zulehner hat darüber eine schöne Studie gemacht, und da zeigt sich, dass dann offenbar vielen das Hemd näher als der Rock ist und da wirklich massive Einsparungen stattfinden. Das darf nicht so weitergehen, das muss verhindert werden!

Ich glaube, diese Enquete ist besonders wichtig, weil hier auch den Ländern eine wichtige Rolle zukommt. Wir haben gehört, dass sich viele Vertreterinnen und Vertreter auch dafür stark engagieren, dass die 0,7 Prozent eingehalten werden. In Ober­österreich beispielsweise – das ist uns berichtet worden – hat es eine Petition dazu gegeben. Ich glaube, die Länder und die Kommunen haben eine ganz, ganz wichtige Aufgabe in der Entwicklungszusammenarbeit, gerade in dieser krisenhaften Zeit, möchte ich sagen.

Aber ich glaube auch, dass es gerade heute, wie viele Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt haben, besonders wichtig ist, gut abgestimmt und komplementär vorzu­gehen und die richtigen Dinge auf der richtigen Ebene zu machen. Meiner Meinung nach sind es vor allem Öffentlichkeitsarbeit, Bildungsarbeit, Vernetzungsarbeit und auch die Förderung von Ehrenamtlichkeit, die auf kommunaler und auf Länderebene den richtigen Platz haben und dort ganz massiv wahrgenommen werden müssen.

Dazu gehört auch der Kontakt mit der Bevölkerung. Leider sieht man, dass es mittler­weile einen Rückgang in der Einstellung der Bevölkerung gibt, was die Entwicklungs­zusammenarbeit angeht. Es ist eine ganz massive Gefährdung, wenn diese nicht mehr so wie früher vorhanden ist. Früher hatten wir 80 Prozent, glaube ich, die sich für die Entwicklungszusammenarbeit ausgesprochen haben, jetzt ist das auch etwas im Zurückgehen. Daher meine Bitte und mein Angebot, da intensiv zusammenzuarbeiten, um gemeinsam eine Trendumkehr in Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen!

Ich muss mich aber auch, wie das vorhin schon gesagt worden ist, gegen eine Zersplit­terung im Bereich der Projektarbeit, der Projekt- und Programmfinanzierung aus­sprechen. Es sind ja die Budgets in den Ländern sehr gering, und da glaube ich auch, dass es Sinn machen würde, diese sehr konzentriert einzubringen. Beispielsweise fände ich es außerordentlich diskussionswürdig, ob man nicht überhaupt eine ganz klare Konzentration dieser Mittel auf Bildungsarbeit, Bewusstseinsbildung und Vernet­zung vornehmen sollte, um gemeinsam effizienter zu werden.

Es macht sicher auch Sinn, in bestimmten Kontexten Projekte durchzuführen, Projekte zu fördern, wo die Bevölkerung dann andocken und wirklich auch sagen kann: Das ist unser Projekt!, beispielsweise so, wie es das Klimabündnis macht. In solchen Settings ist auch Projektunterstützung sinnvoll. Aber es macht keinen Sinn, an viele, viele lokale Organisationen Mittel zu verteilen. Wir sehen das auch daran, dass dann viele dieser Organisationen irgendwann vor der Tür der Dreikönigsaktion stehen und sagen: Wir können jetzt den Bau nicht fertigstellen, weil uns das Geld ausgegangen ist, wir hatten da eine sehr engagierte Person, die jetzt verstorben ist, könnt ihr das Projekt weiterführen? – Das heißt, die Nachhaltigkeit und die Professionalität müssen im Vor­dergrund stehen. Da muss man sich gut überlegen, welche Form der Projektfinan­zierung man auf Länderebene machen kann und was hier wirklich Sinn macht.

Zum Schluss möchte ich noch daran andocken: Es ist erwähnt worden, dass wir heuer 50 Jahre personelle Entwicklungszusammenarbeit gefeiert haben. Das ist auch ein konkreter Bereich, in dem viele Personen aus den Ländern in der Entwicklungs­zusam­menarbeit engagiert sind. In den Anfangszeiten waren diese Personen auch lokal zentrale Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Entwicklungszusammenarbeit, für Entwicklungshilfe, wie man damals sagte.

Wir haben jetzt gesagt: 50 Jahre Entwicklungseinsatz von Menschen aus Österreich, da wollen wir auch wieder einen Schwerpunkt setzen und in nächster Zeit die Rück­kehrerInnenarbeit etwas forcieren! Ich habe auch Mappen für die Ländervertreterinnen und -vertreter mit, darin finden Sie zum Beispiel Statistiken darüber, wie viele Personen aus Ihrem Bundesland derzeit auf Einsatz sind und in den letzten zehn Jahren auf Einsatz waren. Ich würde da anbieten, wirklich stärker zusammenzuarbeiten in der Einbindung dieser Personen in der Bildungsarbeit, in der RückkehrerInnenarbeit, wo man viel machen und sozusagen mit wenig Geldaufwand zusätzliche Effekte erzielen könnte.

In diesem Sinne hoffe ich, dass wir einen Schritt weiterkommen, was eine gute Zusam­menarbeit zwischen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren betrifft. Ich glaube auch, dass hier wirklich, wie vorhin schon gesagt worden ist, ein geplantes gemeinsames Vorgehen, ein Stufenplan fehlt. All diese Schlagwörter sind ja bekannt. Auch dafür setzen wir uns stark ein. – Danke. (Beifall.)

12.17


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Hans Eder.

 


12.17.24

Ing. Dr. Hans Eder (INTERSOL)|: Ich freue mich auch sehr über die Einladung und bedanke mich recht herzlich dafür. Und um es vorweg zu sagen: Ich gelte als einer der Initiatoren dieser von Salzburg ausgehenden Teildezentralisierungs-Initiative.

Ich möchte als Zweites sagen: Wir sind natürlich auch gegen die Zersplitterung, das ist ganz klar; ich meine, wer wird denn für die Zersplitterung sein? Aber wir sagen jetzt nicht nur, wir sind gegen die Zersplitterung, sondern wir sagen auch: Wir sind für Einheit in der Vielfalt! Das ist ein ganz anderes Konzept: Das basiert auf dem Prinzip der Subsidiarität, von der ich heute überhaupt noch nichts gehört habe. Wir sind ganz klar an der Subsidiarität und an der Komplementarität orientiert.

Allein schon an diesen beiden Stichworten ist zu erkennen, dass uns einiges eint mit jenen, die gegen eine Föderalisierung oder Teildezentralisierung sind. Ich würde aber auch sagen, es gibt sehr viel Gemeinsames. Man wird heute nicht klären können, was das Gemeinsame und was das Unterschiedliche ist, aber ich glaube, es gibt beides. Es ist in der Tat notwendig, dass wir erkennen, dass wir eine extrem schlechte Perfor­mance der österreichischen Entwicklungspolitik oder Entwicklungszusammenarbeit haben, dass wir eine schlechte Konjunktur in Qualität und Quantität haben. Das ist ganz klar, und insofern ist es ganz logisch, dass die Frau Präsidentin uns hier zu einer Enquete einlädt.

Ich glaube, wir sollten uns darüber klar sein, dass das so ist. Krise heißt Chance, und Chance in unserem Sinn, jetzt von Salzburg ausgehend, heißt natürlich Chance und Notwendigkeit für Neustrukturierung und Neuzuordnung der Funktionen des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Ich glaube, für alles das gibt es Handlungsbedarf.

Ich würde dem ergänzend hinzufügen, dass wir ja nicht ein Modell entwickelt haben, das sich gegen irgendjemand wendet. Wir hören in Vorgesprächen, das Modell würde sich gegen die ADA wenden; in unserer Vorstellung ist es überhaupt nicht so. Es würde sich das Budget der ADA gar nicht reduzieren, aber die Funktion der ADA im Kontext der Förderung von Länder- und Gemeindeinitiativen würde sich ändern. Das ist ein ganz anderes Konzept. Das würden wir gerne in einem anderen Zusam­menhang erläutern, da wir hoffen, dass die Diskussion, die heute hier stattfindet, auch weitergeführt werden kann.

Ich glaube, da gibt es Elemente, wo man die ADA entlastet, wo aber gleichzeitig das Budget natürlich weiter in der ADA bleibt, aber vielleicht mehr Durchlaufer ist und wo man den Ländern die Rolle zuordnet, die sie haben, die sie in vielen Bereichen bean­spruchen, nämlich im Sinne der Subsidiarität. Ich glaube, das ist ganz wichtig! Die Subsidiarität mobilisiert, die Subsidiarität erlaubt uns, die Verantwortung breiter zu positionieren, erlaubt die Möglichkeit, Personalressourcen zu mobilisieren, die Ehren­amt­lichkeit zu forcieren, Wirtschaftsbetriebe besser einzubinden, Universitäten besser einzubinden et cetera, et cetera. Unser Modell ist also eindeutig konstruktiv, affirmativ und nicht in irgendeiner Weise gegen jemand gerichtet.

Ich möchte zwei Beispiele nennen, an denen vielleicht klar wird, warum wir so sehr für die, sagen wir einmal, Teildezentralisierung sind. Alle, die wir hier herinnen sind, schätzen, glaube ich, den Biolandbau. Wir haben jetzt draußen – ich gehe einmal davon aus – beim Frühstück Bioprodukte konsumiert. Bitte, nennen Sie mir ein Land in der Welt, in dem der Biolandbau durch eine zentrale Entwicklungsorganisation, sei es die ADA oder die GTZ, in entscheidenden Momenten gefördert worden ist! Das werden Sie nicht finden, das gibt es nicht! Auch in Österreich hat die Förderung des Bio­landbaus – wir sind stolz darauf – vom Bund her begonnen.

Das heißt, wenn wir glauben, dass im Landwirtschaftsbereich – und wir sind voll davon überzeugt, auch wir von INTERSOL, deren Direktor ich bin – der Biolandbau eine Alternative zur traditionellen Landwirtschaft, zur konventionellen Landwirtschaft und zur gentechnikorientierten Landwirtschaft ist, dann sind wir für den Biolandbau und dann müssen wir auch unsere Unterstützungen dezentralisieren. Das ist ganz klar. Wir haben das im Rahmen der Regionalkooperation Salzburg–San Vicente gemacht, wo wir mit 15 Organisationen in El Salvador zusammenarbeiten, während, wie wir wis­sen – Robert Zeiner und so weiter –, das Konzept der ADA und von Horizont 3000 in diesem Punkt wenig erfolgreich war.

Aber es geht nicht darum. Wir sind nicht hier, um zu kritisieren, sondern um zu sagen, wir haben ein komplementäres Modell, das in Teilbereichen effizient ist: Teilbereich Biolandbau, Teilbereich erneuerbare Energien. Ich habe Ihnen hier eine Solarlampe mitgebracht. (Der Redner hält eine eingeschaltete Lampe in die Höhe.) Die Solarlampe ist eine Weltneuheit. Die ist nicht entstanden, weil es die ADA gibt – das ist auch gar keine Kritik an der ADA –, sondern diese Innovationen wie im Biolandbau oder bei erneuerbaren Energien entstehen an der Basis, in Wirtschaftsbetrieben, bei Inge­nieuren. Sie entstehen eben auch in unserem Kontext der Förderung von erneuerbaren Energien im bolivianischen Hochland.

Das sind Beispiele, die effizient sind. Wir sind für Effizienz. Wir sind nicht für Zersplit­terung (ist gleich Ineffizienz), sondern wir sind für Effizienz. Wir würden unsere Initiativen – und das machen wir auch – noch qualitätsvoller evaluieren, nämlich im Sinne einer Wirkanalyse, wie dies vielleicht manchmal bei der ADA vorkommt. Da sind wir also voll, voll d’accord! Wir sind gegen die Zersplitterung samt Einheit in der Vielfalt – als kleiner Agraringenieur weiß ich, was das bedeutet –, und wir sind auch nicht für eine Atomisierung der Förderung der Initiativen, sondern wir sagen: Auf Länderebene, auf Gemeindeebene müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden, um dann vielleicht in den Genuss von mehr Bundesmitteln zu kommen. Das müssen Vereine sein, die natürlich einen bestimmten Rechtsstatus haben, die eine langfristige Konzeption haben, die sich bewährt haben, zum Beispiel über drei Jahre. Das sind einfach entscheidende Elemente: bestimmte Kooperationsformen, bestimmte Institutio­nen, bestimmte Sachbereiche, die wir speziell aus Bundesmitteln mehr gefördert haben wollen.

Vielleicht noch ein Letztes, weil so oft betont worden ist, die Verteilung der geringen Mittel wäre eine Tragik: Ich finde, das wäre überhaupt keine Tragik! Die würde nämlich für Salzburg mit Sicherheit bedeuten – für das Land Salzburg und für Gemeinden –, dass das Land Salzburg sich mehr anstrengen würde, weil eben Mittel vom Bund kommen, und wir dann insgesamt qualitativ und quantitativ einen Sprung machen können. Das Gleiche gilt bei Gemeinde- oder bei Städtepartnerschaften.

Das ist also unsere Vorstellung, das ist unser Konzept. Wir glauben, dass wir dafür ausreichende Argumente in der Diskussion liefern – und vielleicht auch jetzt noch durch andere Beiträge –, sodass wir gemeinsam zu einer besseren Performance kom­men, wie sie die Leute speziell im Süden von uns dringendst erwarten, auch im Bereich der Wasserwirtschaft und der Abwasserwirtschaft und überhaupt der Abfall­wirtschaft, die zentral organisiert in keinem Fall gut funktioniert. Da kann man über­haupt kein Beispiel nennen. Hingegen funktioniert sie dezentralisiert sehr gut, beispielsweise auch unter Einbindung – wie das bei uns der Fall ist – von ober­österreichischen Betrieben, von deutschen Betrieben et cetera, et cetera. So sehen wir diesen Vorschlag als eine Initiative, gemeinsame Anstrengungen für eine bessere Performance zu unternehmen. – Danke. (Beifall.)

12.25


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag. – Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Nationalratsabgeordnete Bayr. Ich erteile es ihr.

 


12.25.55

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich einerseits allen jenen anschließen, die ihre Wertschätzung ausgedrückt haben für kleinteilige, kleinräumige, sogenannte bodenständige, sage ich jetzt einmal, Projekte, die ich für unheimlich wichtig finde, was den MultiplikatorInneneffekt betrifft.

Ich kann mich an zwei Gelegenheiten erinnern. Einerseits war ich einmal in einem Urlaub in Nicaragua auch in Cinco Pinos, das ist ganz im Norden von Nicaragua, an der Grenze zu Honduras, wo sich wirklich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, wo gar nichts mehr ist. Dort habe ich fünf Braunauer HTL-Schüler und einen Lehrer getroffen, die gerade Windmessungen gemacht und geschaut haben, ob es sich auszahlen würde, einen Windgenerator zu installieren, der dann das Internet-Café betreibt, das Cinco Pinos mit dem Rest der Welt verbindet. Sonst haben die Leute dort kaum irgendwelche Möglichkeiten, wirklich jeden Tag zu einer Zeitung zu kommen, zu Neuigkeiten zu kommen, sich mit anderen auszutauschen.

Das sind ganz sicher Projekte, wo zum Beispiel Schülerinnen und Schüler involviert sind, die gar nicht hoch genug zu schätzen sind, was zum Beispiel Identitätsstiftung betrifft, weil die ja sicher auch zu Hause erzählen, was sie dort erlebt haben, was dort los war. Das führt zu einem ganz wichtigen Verständnis von Solidarität auf einer per­sönlichen Ebene.

Zum Zweiten war ich mit dem Klimabündnis vor einigen Jahren in Ecuador am Aguarico, wo es unheimlich toll war zu schauen, dass man hilft, Partnerschaften zwischen Gemeinden dort und in Europa einzufädeln, die dann auch eine sehr solide Basis gehabt haben, oft für viele, viele Jahre – du hast es erwähnt – wirklich ko­operieren, zusammenarbeiten, Know-how austauschen. Das ist das Schöne daran, dass es nicht ein „Wir sagen euch, wo es langgeht“-Austausch ist, sondern wirklich ein Austausch in beide Richtungen.

Bei dem Austausch in beide Richtungen komme ich jetzt gleich auch zu Busan – es ist schon mehrmals angesprochen worden –, wo auch diese gegenseitige Verantwort­lichkeit eine sehr große Rolle in der ganzen Diskussion zu Development Effectiveness spielt. Dort ist vor mittlerweile zwei Wochen ein Dokument beschlossen worden, das auch uns als Österreich und als österreichische Entwicklungszusammenarbeit vor die Aufgabe stellt, dass wir die Wirksamkeit unserer EZA generell neu bewerten, neu messen und eben auf Parameter wie Eigenverantwortlichkeit oder Harmonisierung vermehrt Wert legen.

Es liegt uns auch in diesem ganzen Paris-Declaration-Prozess von vor ein, zwei Jahren, schätze ich, ein Evaluierungsbericht der österreichischen Umsetzung dieser Deklaration vor, der eine Fülle von meiner Meinung nach sehr sinnvollen Anregungen in sich hat. Wenn wir uns nur die allergescheitesten dieser Anregungen zu Herzen nehmen und umsetzen und zum Beispiel – das ist auch angesprochen worden – diese Zersplitterung der EZA auf viele unterschiedliche Ressorts, auf viele unterschiedliche Ebenen wirklich auf neue Füße stellen wollen, dann kommen wir in Wirklichkeit unterm Strich über kurz oder lang zu einer Neuordnung unserer Entwicklungspolitik.

Auch, denke ich mir, bei einer koordinierten und harmonisierten Entwicklungspolitik, die auf mehreren unterschiedlichen Ebenen – dazu gehören eben Bund, Länder und Ge­meinden gleichermaßen – stattfindet, wird die Frage der Wirksamkeit ein ganz ent­scheidender Gradmesser sein. Was aber dabei auf jeden Fall nicht passieren darf, ist eine neuerliche Fragmentierung. Wir alle wissen, dass uns die OECD seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten – das weiß ich nicht so genau –, auf die Finger klopft und sagt, dass wir unsere ohnehin sehr geringen Mittel als kleiner Performer eher sehr gießkannenmäßig verteilen und dass wir uns doch konzentrieren sollen, dass wir schauen sollen, dass wir eben effektiver sind, spürbarer sind, harmonisierter sind, und das, was wir tun, bündeln sollen.

Ich bin total d’accord in der Frage – jeder, der mich kennt, weiß das –, dass wir auf jeden Fall eine Verdoppelung der Mittel brauchen, ein bisschen mehr als eine Verdoppelung. Dann wären wir ungefähr bei den 0,7 Prozent, bei denen wir aufgrund von internationalen Verpflichtungen eigentlich 2015 sein müssten. Gleichzeitig bin ich aber – weil das ganz am Anfang auch gesagt worden ist – Realpolitikerin genug, um zu wissen, dass allein die Verdoppelung von Mitteln zum Beispiel nicht dazu führen wird, dass die Bundesländer dazu stimuliert werden, dann auch mehr Mittel auszugeben.

Da bin ich jetzt ein bisschen skeptisch, weil ich es etwa am Beispiel der thermischen Sanierung sehe: Seit der Bund in die Schatulle greift und jedes Jahr 100 Millionen € in die Förderung von thermischer Sanierung steckt, sowohl von privaten Bauten als auch von Betrieben, kann man sich wunderbar anschauen, wie die Mittel der Länder kontinuierlich zurückgehen. Das heißt, nur ein Mehr des Bundes allein hat manchmal auch ganz schlechte Effekte, also nicht die, die wir uns wünschen. Also darauf zu vertrauen, dass die Mittel, wenn wir sie auf Bundesebene erhöhen, überall anders auch heftig sprießen werden, das kann man, glaube ich, leider nicht. Wenn man das machen würde, könnte man nur darauf vertrauen, wenn man auch Mechanismen dazu findet, wie das dann wirklich passieren sollte.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich denke, dass diese Enquete wirklich eine ganz, ganz große Chance in Richtung Verbreiterung der entwicklungspolitisch enga­gierten Community sein kann, weil es, glaube ich, das erste Mal ist, dass so unter­schiedliche Stakeholder – ich weiß, es gibt einmal im Jahr diese Koordinierungskon­ferenz zwischen Bund und Ländern – in der breiten Art und Weise alle miteinander in einem Saal sitzen, noch dazu – Stefan hat es gesagt – in einem so wichtigen Raum wie dem Budgetsaal. Wenn wir es von hier aus mit dieser Sichtbarkeit, mit dieser breiten Sichtbarkeit schaffen, eine gemeinsame größere, breitere entwicklungs­politi­sche Gemeinschaft zu werden, die in der Lage ist, mehr Druck auszuüben, einerseits, was die Frage von mehr Mitteln betrifft, aber andererseits natürlich auch, was die qualitative Verbesserung, die Wirksamkeit unserer EZA betrifft, dann haben wir schon unheimlich viel gewonnen.

In dem Sinne auch vielen lieben Dank an dich, Susanne, für die Initiative zu dieser Enquete! Was ich mir auf jeden Fall auch mitnehme, quasi vom Bundesrat in den Nationalrat: Ich habe es ganz toll gefunden, dass einige Bundesräte in ihren Rede­beiträgen wirklich immer noch quasi missionarisch in Richtung FPÖ unterwegs sind. Ich bin das schon lange nicht mehr, aber ich werde es mir auch zu Herzen nehmen und künftig das auch wieder tun, die FPÖ, die ja als Einzige in unserem Haus der EZA – aus welchen Gründen auch immer – ablehnend gegenübersteht, wieder eher zu bekehren zu versuchen, als sie nur zu kritisieren. – Danke sehr. (Beifall.)

12.32


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag. – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Erbler. Ich erteile es ihm.

 


12.32.21

Dr. Josef Erbler (Entwicklungspolitischer Beirat, Land Salzburg)|: Schön, dass ich hier auch sprechen darf in Vertretung des Landtagspräsidenten! Ich möchte Ihnen noch kurz ein bisschen Einblick in die Arbeit des Entwicklungspolitischen Beirates in Salzburg geben.

Wir waren sehr früh dran, denn schon in den sechziger Jahren hat es da ein eigenes Budget gegeben und seit 1985 einen Entwicklungspolitischen Beirat mit 14 Mitgliedern, die wirklich sehr stark die entwicklungspolitischen Organisationen und Gruppen in Salzburg vertreten und die Landeshauptfrau bei der Vergabe ihrer Mittel beraten.

Auf unserer Homepage versuchen wir, auf transparente Art und Weise unsere Krite­rien, unsere Projektanträge zu veröffentlichen, sodass wirklich jeder, der einen Salzburg-Bezug hat, bei uns auch ansuchen kann.

Der Beirat richtet seine Arbeit nach folgenden Prinzipien aus. Wir sind natürlich den MDGs, insbesondere der Armutsminderung, dem Klima- und dem Gender-Aspekt verpflichtet. Kohärenz ist für mich auch kein Fremdwort, habe ich doch den bundes­weiten Runden Tisch bezüglich tertiärer Bildung im entwicklungspolitischen Bereich mitbegründet, zusammen mit Grete Kernegger. Darum ist Kohärenz für mich ein sehr wichtiger Teil unserer Arbeit. Wir sind uns auch bewusst, dass die Größe und Reich­weite der ADA bei Weitem überlegen ist. Aber trotzdem hat die Entwicklungspolitik eines Bundeslandes eine besondere Notwendigkeit und Daseinsberechtigung, wie auch meine Vorredner schon betont haben. Es soll auch die Arbeit der ADA ent­sprechend kommuniziert werden, und dieser Kommunikationsprozess soll gegenseitig laufen.

Die föderalen Vorteile dieser Arbeit sind Nähe versus Distanz, die räumliche Nähe zu den Salzburger entwicklungspolitischen Gruppen und Organisationen, die wir alle auch persönlich kennen, Beratung zur Qualitätsverbesserung und Qualitätssicherung. Wir kennen die AntragstellerInnen persönlich durch die dichte Vernetzung, die wir haben. Wir kennen auch unsere KritikerInnen persönlich und suchen den Dialog. Bei abschlägigen Bescheiden wird schriftlich oder mündlich eine Begründung gegeben, oft ist der Mangel an Geld der Grund.

Darum sind wir auch hier, weil wir eine Verdoppelung der Mittel wollen, und zwar – ich verrate meine Kollegen in Salzburg nicht – eine Verdoppelung aus Bundesmitteln, denn es handelt sich hier ja um Steuergelder, nicht um Spendengelder, auch um Salzburger Steuergelder, und hier sind wir große Nettozahler dem Bund gegenüber. Ich bin kein Finanzexperte, aber ich glaube, es besteht auch ein legitimes Recht auf Rückforderung von Mitteln an das Land, wie es zum Beispiel – ich traue mich das Wort gar nicht in den Mund zu nehmen – Kanada tut. Der Bund in Kanada verdoppelt die Mittel ihrer Initiativen fast automatisch.

Dann Empowerment: Engagierte Gruppen und Personen bekommen das Gefühl, den Umständen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, und sollen die Möglichkeit haben, unter anderem mit sinnvollen kofinanzierten Mikro- und Kleinprojekten einen Beitrag zur Entwicklung und zur Armutsminderung zu leisten. Wir sind für Demokratisierung und einen Bottom-Up-Approach. Wir wissen, dass die ADA einen Top-Down-Approach hat, aber es hat beides, glaube ich, in diesem Zusammenhang seine Berechtigung.

Die Kofinanzierung wird auch durch Ländermittel ermöglicht, insbesondere für An­suchen an den Bund und an die ADA. Weitere öffentliche, private und kirchliche Kofinan­zierungspartnerInnen sind unabdingbar. Da gibt es ein 50:50-, ein 30:70- und ein 70:30-Finanzierungsmodell.

Die Gruppen und Organisationen in Salzburg machen selbstständiges Fundraising. Je nach Blickwinkeln – the eye of the beholder – führen diese Maßnahmen zu einer Vervielfachung der Eigenmittel des Beirates, die, wie gesagt, aus Steuergeldern sind.

Diversity Management wird mit ermöglicht und ist ein weiteres Prinzip. Wir als Mit­glieder des Beirats und können auf die Unterschiedlichkeiten und Verschiedenheiten in diesem Bücherl, das wir Ihnen vorgelegt haben, tatsächlich eingehen. Small ist nicht immer beautiful – Leopold Kohr meint es anders –, aber ich würde sagen, in unserem Fall immer öfter. Bei Mikroprojekten haben wir sogar eine Art Bekenntnis zur Gieß­kanne oder, besser gesagt, zur Diversität, denn wenn das in das große Projekt mit eingebunden ist, hat es durchaus seine Berechtigung, wie man ja auch bei der ADA um Mikroprojekte ansuchen kann.

Respekt und Wertschätzung sind auch eines unserer Prinzipien. Wir respektieren den von der ADA gesuchten und geforderten Gleichklang mit der EU, die Verpflichtung zur Pariser Erklärung und auch die Unterwerfung unter die OECD-Kriterien. Aber wir fordern auch von der ADA die Schau nach Innerösterreich, sprich in die Bundesländer und deren Arbeit.

Die Teildezentralisierung und autonome Vergabe der Mittel sind uns auch ein Anliegen. Salzburg soll die Mittel autonom, aber kohärent vergeben können. Abrechnung, Kontrolle und Evaluierung sollen durch die vorhandenen Instrumente der Salzburger Landesregierung erfolgen. Wir sind auch bereit, die Abrechnungen im Internet zu veröffentlichen, um größtmögliche Transparenz zu ermöglichen.

Ergänzung und Komplementarität: Wir sehen unsere Arbeit nicht als Konkurrenz – was sich naturgemäß nicht ganz ausschließen lässt –, sondern als Komplementarität aller Anstrengungen, die wir hier in Österreich machen.

Sparsamer Einsatz der vorhandenen Mittel: Bei uns entstehen keine Personalkosten, weil der Beirat ausschließlich ehrenamtlich arbeitet!

Last but not least sind uns die lokale entwicklungspolitische Bildungsarbeit und Kommunikation sehr wichtig. Ich möchte der Forderung nach 50 Prozent Erhöhung unserer Mittel damit auch wieder Nachdruck verleihen, obwohl Sie sich denken werden: Jetzt hat er es noch nicht verstanden. – Vielen Dank. (Beifall.)

12.40

 


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag. – Als Nächste zu Wort gelangt Frau Dr. Vana. – Bitte.

 


12.40.15

Dr. Monika Vana (Landtagsabgeordnete, Wien)|: Vielen herzlichen Dank, Herr Prä­sident! Ich komme vom Wiener Landtag, von den Grünen, und ich möchte an etwas anschließen, was Kollege Bouzek, Frau Navara, aber auch andere heute schon gesagt haben, nämlich dass der Beitrag der Länder zur Entwicklungspolitik ein wichtiger und auch vielfältiger ist und auf verschiedenen Ebenen erfolgt.

Herr Kollege Schreuder hat zum Beispiel die Krankenhäuser angesprochen. Auch die Bezirke können Entwicklungspolitik machen. Der 7. Bezirk ist zum Beispiel seit Oktober 2011 ein sogenannter Fair-Trade-Bezirk. Also da gibt es viele Möglichkeiten – wie wir heute schon gehört haben –, aber das ist eben nur eine Ergänzung zu einer möglichst schlagkräftigen, wirkungsvollen und gut organisierten Bundespolitik und keine Alternative zur Bundespolitik in diesem Feld.

Heute wurde zum Beispiel das Subsidiaritätsprinzip angesprochen, der Kollege hat erwähnt, es sei hier anzuwenden. Ich sehe das nicht ganz so. Das Subsidiaritätsprinzip besagt ja, dass Dinge dort durchgeführt werden sollen, wo sie am besten aufgehoben sind, und ich glaube nicht, dass Entwicklungspolitik am effektivsten, am besten auf Länder- und regionaler Ebene aufgehoben ist.

Ich denke, das Zauberwort heißt „Zusammenarbeit“ und das Zauberwort heißt – das ist heute auch schon einige Male gefallen, insbesondere von Frau Mang und anderen – „ein strategischer, ein nachhaltiger Plan“, ein Plan, der mehrere Jahre umfasst, ein strategisches Entwicklungskonzept des Bundes, das mehrere Jahre umfasst, sicher länger als die derzeitigen drei Jahre.

Ich denke, jenseits der Frage der Mittellosigkeit, also der berühmten 0,3 oder 0,7 Pro­zent, und auch jenseits der Frage der Zersplitterung der österreichischen Entwicklungspolitik stellt sich doch auch die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist – wie es derzeit ist –, Schwerpunktländer und thematische Schwerpunkte jährlich festzulegen. Ich denke, da braucht es einen mehrjährigen Plan, auch für die Nachhaltigkeit, denn Nachhaltigkeit heißt in unseren Augen Langfristigkeit.

Ich denke, wenn wir es nicht schaffen, hier einen langfristigen strategischen Plan zu entwickeln, dann ist die österreichische Entwicklungspolitik nicht nur mittellos, sondern eben auch planlos – und damit leider unberechenbar und unzuverlässig. Ich hoffe, dass diese Enquete – wie viele Vorredner und Vorrednerinnen schon gesagt haben – auch ein Beitrag dazu sein wird, einen neuen Push in diese Gespräche zu bringen.

Ich denke auch – das hat Frau Mang heute schon angesprochen –, zivilgesell­schaftliches Engagement soll im Mittelpunkt stehen. Für einen solchen entwicklungs­politischen Plan – überhaupt für die Entwicklungspolitik – braucht es einen offenen Dialog mit allen Beteiligten, nicht nur mit allen Stakeholdern, sondern eben auch mit Bürgerinnen und Bürgern, einen partizipativen Prozess – eigentlich einen Bottom-up-Prozess –, um die Akzeptanz der österreichischen Entwicklungspolitik und das, was heute als Gemeinsames angesprochen wurde, mehr zu fördern. Ich denke, wir haben in dieser Frage Rückenwind.

Ich weiß nicht, ob es der eine oder die andere schon gesehen hat, gerade jetzt ist auf wien.orf.at eine Meldung erschienen, dass drei Viertel der Österreicher und Öster­reicherinnen für fair gehandelte Produkte – wie Spielzeug, Computer, Beklei­dung – mehr zahlen würden, wenn eben soziale Mindeststandards, entsprechende Arbeits­bedin­gungen und ökologische Produktionsverfahren eingehalten würden.

Ich denke, das gibt uns Rückenwind, und ich hoffe, dass diese Enquete ein Beitrag dazu ist, wirklich die Defizite und auch den Reformbedarf der österreichischen Ent­wicklungspolitik aufzuzeigen und in Richtung einer Neuordnung der Entwicklungs­politik – wie es Penny Bayr gesagt hat – wieder in Gang zu bringen. – Danke. (Beifall.)

12.44


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag. – Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Neugebauer. Ich erteile es ihr.

 


12.44.52

Mag. Elisabeth Neugebauer (Bundesministerium für Inneres)|: Vielen herzlichen Dank für die Einladung! Ich darf hier kurz ein Anliegen des BMI in Bezug auf die geographi­sche Ausrichtung – sprich die Zielländer – der Entwicklungszusammenarbeit vorbrin­gen. Wir würden es als sinnvoll erachten, wenn man vermehrt jene Staaten als Schwer­punktländer aufnehmen würde, bei denen es eine direkte Auswirkung auf Österreich gibt. Es geschieht ja bereits im Migrationsbereich, wir sind aber der Meinung, dass man im Asylbereich vermehrt Schwerpunkte setzen könnte.

Österreich ist ja ganz generell von steigenden Asylantragszahlen betroffen, und es gibt gewisse Staaten, aus denen wir derzeit ganz besonders hohe Asylantragszahlen verzeichnen, wie zum Beispiel Afghanistan, Pakistan, Somalia, Irak, Algerien. Vielleicht wäre es sinnvoll, auch diese Länder als Schwerpunktregionen aufzunehmen, um die Situation in den Ländern zu verbessern und das Leben der Menschen dort erträglich zu machen, damit sich weniger auf die Flucht begeben und als Konsequenz das österreichische Asylsystem etwas weniger belastet wird. – Danke. (Beifall.)

12.46


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Danke auch für Ihren Beitrag. – Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Nationalratsabgeordneter Dr. Pirklhuber. Ich erteile es ihm.

 


12.46.31

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne)|: Meine Damen und Herren! Prinzipiell möchte ich einmal den Organisatoren gratulieren, dieses Thema im Rahmen einer Enquete öffentlich zur Diskussion zu bringen. Ich war bei den Beiträgen der Referenten leider nicht hier, weil wir heute Sitzung hatten, darum kann es sein, dass es zu Redundanzen kommt.

Ich meine, das Kernproblem, vor dem wir stehen, ist letztlich, dass fairer Handel eine internationale Herausforderung ist, dass nämlich das gesamte globale Wirt­schaftssystem derzeit eigentlich nicht nachhaltig organisiert ist. In diesem Span­nungsbogen bewegt sich die Entwicklungszusammenarbeit. Letztlich sollte es nicht so sein, dass Entwicklungszusammenarbeit – in einer Riesenherausforderung, vor der wir alle stehen – sozusagen nur als kleiner Tropfen auf dem heißen Stein gewertet werden kann.

Nehmen wir als Beispiel die Millennium Development Goals: Die Ansätze, die die inter­nationale Staatengemeinschaft hier gesetzt hat, um den Hunger weltweit zu halbieren, sind gescheitert – das ist Faktum –, und darum ist die Diskussion über die Effizienz und die Effektivität von Entwicklungszusammenarbeit auch international ein Riesen­thema. In so einem Zusammenhang sich einmal die Frage zu stellen, was Regionen, Gemeinden beitragen können und was sie in den letzten Jahrzehnten beigetragen haben, ist, glaube ich, sehr, sehr interessant und vor allem auch methodenkritisch für die staatliche Entwicklungszusammenarbeit hilfreich.

Ich glaube, wichtig ist, bei dieser Gelegenheit zu sehen, wo es positive Beispiele gibt. Danke für die Beispiele, die hier angeführt werden und wurden. Ich möchte nur ein Beispiel aus dem Bereich, der mich als Mitglied von AWEPA persönlich betrifft, her­nehmen. Es ist zum Beispiel so, dass das Land Oberösterreich den Prozess unterstützt und mit dabei ist, dass wir diese Nord-Süd-Partnerschaft und diesen Dialog gestalten können und als Parlament aktiv mit Parlamenten in Afrika in Kontakt sind, um Capacity Building und Austausch zu haben, um Evaluierungen durchführen zu können. Da sieht man, dass bei Kohärenz, bei Zusammenarbeit, bei Zusammenschau von Maßnahmen wirklich etwas gelingt – und ich glaube, das ist die große Herausforderung der Zukunft.

Was wir in Österreich derzeit nicht haben, ist so etwas wie einen jährlichen fixen Tag oder Prozess, in den alle Stakeholder eingebunden sind – bis hin zur interessierten Öffent­lichkeit –, einen großen Tag der Entwicklungszusammenarbeit, den das Außen­ministerium federführend organisiert, an dem so etwas wie eine Zusammenschau von öffentlichen bis privaten Institutionen, von politischen Trägern bis zu den Ländern, auch von wirtschaftlichen Best-Practice-Beispielen geschieht, um sich gemeinsam zu orientieren. Das ist ein Teil.

Kollege Schennach hat das Riesenproblem schon erwähnt, dass die Mittel für die ADA insgesamt im Laufe des Prozesses überhaupt abnehmen werden – das ist ein Riesenproblem –, die frei verfügbaren Mittel sowieso so wenig sind und wir unsere Ziele gar nicht erreichen. Also muss die Branche ein Interesse haben – Punkt 1 –, diese Koordination und diese Zusammenschau in Österreich herzustellen.

Wir haben über die mehrjährigen Entwicklungszusammenarbeitspläne erst in den letz­ten Unterausschüssen im Parlament diskutiert. Das ist eigentlich unmöglich. Wir diskutieren auch hier im Parlament über alte Programme, die sozusagen eigentlich schon Schnee von vorgestern sind. So kann es nicht sein, so werden wir nicht weiter­kommen.

Wir brauchen eine Perspektive, wir brauchen Aktionen und diese Zusammenschau, um die kritischen Potenziale zu heben, dann kann es Synergien zwischen Gemeinden, Ländern und dem Bund geben. Ich glaube, das muss sich auch institutionell nieder­schlagen, nämlich genau dort, wo es um die Evaluierung und um Effektivität geht.

Bei der Evaluierung bin ich gegen eine Länderevaluierung in den einzelnen Bun­desländern – das zum Kollegen aus Salzburg. Wichtig ist, dass wir in einem gemein­samen Board sitzen, hier die Praxiserfahrungen einbringen und den Mut haben, in eine gemeinsame Evaluierung zu gehen; den Mut haben, die Dinge auf den Tisch zu legen und um die besten Konzepte zu streiten. Warum nicht auch einmal um die guten Dinge gemeinsam kämpfen, versuchen, sich zu verständigen und dann auch die nächsten Schritte effektiv zu setzen? – Also aus meiner Sicht muss dieser Tag der Entwicklungs­zusammenarbeit kommen. Es muss und soll im Rahmen eines Gesamtkonzepts einen positiven Wettbewerb der Regionen geben.

Hier komme ich noch einmal auf die Europäische Union und ihre Strategie zurück, auch auf die Paris Declaration und die Accra Declaration: Wenn wir bedenken, dass wir es in Europa derzeit nicht schaffen, unsere Projekte in den Schwerpunktländern mit den anderen Mitgliedstaaten zu koordinieren, dass wir es nicht einmal in Österreich schaffen, uns ausreichend gut zu koordinieren, dann sehen wir das Dilemma und die Problematik der europäischen Politik.

Wenn wir ernst genommen werden wollen, müssen wir beides effizienter gestalten, nämlich: Bottom-up – diese Voraussetzung muss gegeben sein. Ohne Einbindung der Zivilgesellschaft – die sogenannte Decentralisation – in diesen Entwicklungsländern ist es nicht möglich, dort auch die erforderlichen Demokratisierungsschübe zu erreichen, damit die Mittel eben nicht versickern, nicht nur in Korruptionsskandalen plötzlich wieder auftauchen.

Wir wissen aus Gesprächen mit den Parlamentariern, dass die Einsicht in die natio­nalen Budgets dort noch viel, viel schlechter ist als bei uns. Es existieren keine Rechnungshöfe, die der Regierung auf die Finger schauen. Da sind diese zivilgesellschaftlichen Elemente, die Stakeholder vor Ort und die Zusammenarbeit auf dieser Ebene ein ganz wichtiges Korrektiv und ein Potenzial, um auch diese Elemente in diesen Gesellschaften zu stärken, einen Beitrag für mehr Demokratisierung zu leisten und gleichzeitig – und das ist wichtig – effektiv zu sein. Das ist derzeit für die europäische Entwicklungszusammenarbeit leider nicht zu sagen – und für die österreichische erst recht nicht.

Daher: Danke für diese Veranstaltung. Ich glaube, es kann ein guter Impuls sein, die positiven Seiten der föderalen Struktur und die Defizite der Bundesverantwortung zusammenzuführen und mehr Kohärenz in Österreich zu erreichen. Penny Bayr hat ja einige Überlegungen angesprochen, wohin das gehen kann.

Man hat zum Beispiel – um das noch einmal aufzugreifen – die Tradition von Städte- und Gemeindepartnerschaften nach Jahrzehnten guter Erfahrung ziemlich auf die Seite gelegt – und das ist schade. Das ist schade, weil das zivilgesellschaftliche Prozesse sind – gerade in ländlichen Räumen –, durch die sehr viel Know-how-Aus­tausch möglich ist, der nichts oder wenig kostet und eigentlich nur aus Engagement besteht, aus diesen Vernetzungen.

Wir leben in einer globalisierten Kultur, und das soll auch in Zukunft gelten. Darum ist es wichtig, diese Zusammenschau zu haben. In diesem Sinne brauchen wir beides: Bottom-up, aber auch ausreichende Elemente des Top-down-Prinzips, damit wir gemeinsame Evaluierungen haben, eine gute Struktur und Effektivität, die auch im gesamteuropäischen Kontext erfolgreich ist. – Danke schön. (Beifall.)

12.53


Vorsitzender Vizepräsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag. – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile es ihm.

 


12.54.01

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark)|: Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bottom-up oder Top-down – beides mag richtig sein. Lassen Sie es mich anders formulieren: vom Wollen zum Tun. Ich bin sehr froh, dass viele es gewollt haben, und dass der Bundesrat es getan hat, nämlich dieses Thema zum Thema einer Enquete zu machen. In all den Beiträgen haben wir gehört, dass der heutige Tag ein Startschuss für eine erfolgreiche Arbeit in der Zukunft sein soll.

Lassen Sie mich mit einem Dank an jene, die auch vom Wollen zum Tun gekommen sind, beginnen. Es ist in der Regel so, dass es persönliche Kontakte waren, dass es Reiseerlebnisse oder Schlüsselerlebnisse waren, die etwas ausgelöst haben, dass Menschen gesagt haben: Hier möchten wir und hier müssen wir helfen. Von der Projektidee zur Projektumsetzung ist es aber meist ein schwieriger Weg, und wir sind dankbar, dass es diese Organisationen – beginnend von den NGOs bis zu den staatlichen Einrichtungen – gibt. Trotzdem bleibt es oft beim Engagement Einzelner, dass so etwas konkret umgesetzt wird.

Wir haben schon viele Beispiele gehört, und ich möchte noch ein weiteres Beispiel hinzufügen, ein erfolgreiches Beispiel, das am Ende zeigen wird, dass es nicht immer die Summe der eingesetzten Mittel ist, die für Erfolg oder Nichterfolg – in diesem Fall – entscheidend sind, sondern dass es um Nachhaltigkeit geht, um Durchhaltevermögen über einen längeren Zeitraum – nicht über drei Jahre, sondern wahrscheinlich über zehn Jahre und länger –, um hier wirklich Nachhaltigkeit erreichen zu können.

Es ist ein Beitrag aus der Steiermark, und wir haben es vom Bürgermeister aus Leibnitz schon gehört, auch dort war es ein Projekt, das von Schulen getragen wurde. Es gibt ein Projekt, das sich „Schulen für Afrika“ nennt und im Ausseer Land ange­siedelt ist. Es ist aus einem Schlüsselerlebnis des Direktors Mag. Herbert Hütter bei einer Besteigung des Kilimandscharo in Tansania entstanden.

Er hat die Menschen dort gesehen und gesagt: Ich möchte hier etwas machen – und er hat Begeisterte gefunden, die ihn auf diesem Weg begleitet haben. Mittlerweile ist aus diesem Machen etwas geworden, das natürlich auch von Organisationen vor Ort getragen wird. Es wurde mir geschildert, es sei ganz entscheidend, vor Ort Organi­sationen zu finden, die auch eine konsequente Umsetzung des Projektes ermöglichen, denn es gibt andere Projekte, die nach wenigen Jahren verebbt sind, keine Spuren hinterlassen und viel „Geld“ – unter Anführungszeichen – gekostet haben.

Es ist dort in einer Partnerschaft mit den Schulen der gesamten Region – von der Volksschule bis zu den maturaführenden Schulen, sozusagen mit den Partnern der Kinder und natürlich auch der Eltern – gelungen, zu einer Bewegung zu kommen, die sich eben „Ausseer Schulen für Afrika“ nennt. Mittlerweile ist es gelungen, eine Schule für 250 Kinder in Tawa zu errichten, zwei Krankenanstalten – sagen wir einmal so –, die sich dort sozusagen um die Gesundheit kümmern, auch in zwei verschiedenen Bereichen.

Das ist eine Region Tansanias oder Afrikas, die zu den ärmsten zählt: 600 Kilometer von Daressalam entfernt, keine Straßen, keine Wasserversorgung, kein Strom und – wie man berichtet – ein Auto auf zirka 5 000 Bewohner. Hier hat man sogenannte Basishilfe geleistet, mit den Gesundheitsstationen in Maskati und in Vidunda. Hier glaubt man, dass es wahrscheinlich viel Geld ist, das man dafür benötigt. Es mag viel und wenig zugleich sein. Als weiteres Projekt für die kommenden Jahre ist die Errich­tung eines Mädcheninternates vorgesehen, um gerade den jungen Frauen eine Aus­bildung zu ermöglichen.

Die Gesamtkosten dieser geschilderten Projekte liegen bei zirka 150 000 €. Das ist viel Geld, aber dort ist in diesem Sinne vieles gelungen. Entscheidend ist – und das wurde noch einmal berichtet –, dass es dort mit der Diözese Morogoro eine Kooperation gibt, die die Umsetzung vor Ort garantiert. Unterstützt wird diese Aktion von der Katho­lischen Männerbewegung der Steiermark, die auch die Projektkontrolle, die Abrech­nung und die Transparenz übernommen hat, denn es ist ganz entscheidend, dass die Menschen das Gefühl und die Gewissheit haben, dass die Mittel, die sie einbringen, auch wirklich dort ankommen und vor Ort für diese Dinge verwendet werden.

Das war der Schlüssel zum Erfolg, und es fließt somit jeder Cent, der vom Volks­schüler bis zur Oma in dieses Projekt eingebracht wird, direkt in diese Projekte, weil dort natürlich alle ehrenamtlich tätig sind. So gäbe es wohl aus ganz Österreich viele Beispiele, bei denen Organisationen vor Ort auf kommunaler oder regionaler Ebene sehr erfolgreiche Projekte abgewickelt haben.

Von mir werden Sie aber auch ein klares Bekenntnis dazu hören, dass es hier einer bundesweiten Kontrolle und Projektkoordination bedarf. Wenn es darum geht, diese Mittel wieder auf regionale Strukturen zu verteilen, gebe ich schon zu bedenken, dass die Effizienz letzten Endes darunter leiden würde. Wir wissen, dass zwar geplant ist, dass die Mittel in den kommenden Jahren mehr werden, wir wissen aber auch, dass wir vom angepeilten Ziel, das zu erreichen wir uns verpflichtet haben, noch immer weit entfernt sind. Gerade auf halbem Weg noch einmal über eine Splittung nachzudenken, halte ich eigentlich nicht für den geeigneten Weg.

Lassen Sie mich noch einmal zu den Entwicklungen der letzten Jahre auf bundesweiter Ebene kommen! Wir haben den Bericht über die ADA gehört. Was wir heute noch nicht gehört haben, ist ein kleiner Beitrag dazu, dass es gelungen ist, einen gemeinsamen Beschluss zu fassen, eine steuerliche Absetzbarkeit der Spenden für Hilfs- und Trägerorganisationen zu erreichen. (Präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das macht nicht allzu viel aus, sollte aber auch ein Symbol dafür sein, dass man von staatlicher Seite den Menschen entgegenkommt, die auch wirklich vor Ort helfen möchten. Wir haben gehört, es gibt neuerdings einen Jour fixe für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit. Auch das sollte dazu beitragen, dass es zu einer besseren Projektkoordination kommt, dass es auch zu einer gemeinsamen Evaluierung der einzelnen Projekte auf nationaler und regionaler Ebene kommt.

Wir haben auch gehört, dass viele Ministerien dafür zuständig sind: Es wäre natürlich sinnvoll, wenn es eine Bündelung der Verantwortlichkeit – zum Beispiel im Ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten – gäbe, denn wenn viele das Gleiche wollen, kommt in Summe meistens nicht immer das heraus, was die Effizienz wirklich ausmacht. Wir haben gehört, dass die Effizienz des Mitteleinsatzes heute mehr gefragt ist denn je, daher: ein klares Bekenntnis dazu, dass es auf regionaler und auf nationaler Ebene eine transparente Abwicklung gibt.

Es müsste eigentlich – und damit bin ich schon bei meinem Schlusssatz – für alle politisch Verantwortlichen des Landes eine Verpflichtung sein, sich der Entwicklungs­zusammenarbeit nicht nur zu verschreiben, sondern auch ein gemeinsames Bekenntnis dazu abzulegen. Das kann nicht Sache eines Ministeriums sein; das ist Sache einer Bundesregierung, und es ist wohl auch Sache aller politischen Entschei­dungsträger auf Gemeindeebene und auf Bundesländerebene.

Ich bin dankbar für den heutigen Tag, weil es vielleicht wirklich gelingt, dieses Thema damit wieder mehr in den Vordergrund zu heben, denn hier gibt es vieles zu tun, das haben wir gehört. – Danke. (Beifall.)

13.02


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Noch einmal zu Wort gemeldet hat sich Frau Nationalratsabgeordnete Bayr. – Bitte.

 


13.02.52

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ)|: Frau Präsidentin! Ich möchte nur den Beitrag der Kollegin aus dem Innenministerium nicht so stehen lassen, weil er ein bisschen impliziert, alle Flüchtlinge, die zu uns nach Österreich kommen, seien ausschließlich Wirt­schaftsflüchtlinge.

Es ist schon so, dass die, die kommen, und vor allem die, die wir auch anerkennen, in der überwiegenden Mehrzahl politische Flüchtlinge sind. Wie wir wissen – gerade wenn wir in den nordafrikanischen Raum schauen –, ändern sich politische Situationen sehr schnell. Wenn es heute die Länder Afghanistan, Pakistan, Somalia, Irak und Algerien sind, aus denen hauptsächlich Flüchtlinge kommen, dann können es nächstes Jahr schon ganz andere Länder sein.

Ich hielte es nicht für strategisch klug, Entwicklungspolitik oder die Wahl der Schwer­punktländer für Entwicklungszusammenarbeit rein daran auszurichten; erstens, weil man sie unter Umständen ununterbrochen ändern müsste; und zweitens, weil ich glaube, dass ein falsches Verständnis dahinter steckt. Natürlich – ich glaube, so blauäugig ist überhaupt niemand – geht es bei Entwicklungszusammenarbeit auch um Eigeninteressen der reichen Länder, wie unsere es sind, aber nicht um Eigeninter­essen in einer so direkten Form, sondern um Eigeninteressen, die sich schon auch auf einer globalen Ebene abspielen.

Wir alle miteinander wissen, dass es in einer Welt, in der die eine Hälfte unendlich arm und die andere Hälfte unendlich reich ist, zu Spannungen kommt, die diese Welt nicht aushält. Wir wissen von vielen Studien, dass in Ländern und Städten, in denen die soziale Kluft unheimlich groß ist, auch die Lebensqualität der Reichen ganz stark darunter leidet und sie dann hinter Stacheldraht leben oder sonst irgendwie. Also das ist kein Gewinn von Lebensqualität in einer gemeinsamen Welt.

Ich denke mir, im eigenen Interesse ist es zum Beispiel auch, dass Ressourcen auf dieser Welt so genutzt werden, dass noch unsere Enkel und Urenkel damit auskom­men werden und gut damit leben können. Im eigenen Interesse ist es – und das setzt man in der Entwicklungspolitik um –, dass wir eine Ökologie, eine Umweltpolitik haben, die die Luft, das Klima, das Wasser, die Fischbestände et cetera, et cetera schützt, sodass es eine Lebensperspektive für viele weitere Generationen gibt.

Aber ich denke, EZA darf nie so kurzsichtig sein, zum Beispiel zu glauben, wir schaffen uns mit dem, was wir tun, wirtschaftliche Absatzmärkte, wir missverstehen EZA als Bestandteil der Außenhandelspolitik. Das ist es aus meiner Sicht überhaupt nicht, und ich möchte auch nicht einen so einfachen Ansatz verfolgen. Zwei Projekte in Afghanistan zu fördern – und seien es noch so tolle Projekte –, heißt überhaupt nicht, dass dann übermorgen weniger Flüchtlinge aus Afghanistan zu uns kommen.

Entwicklungspolitik ist kein Coca-Cola-Automat, in den ich oben ein paar Münzen reinwerfe und unten den einen erwünschten Effekt herausziehe, der zum Beispiel heißt: nicht mehr Flüchtlinge aus dieser Region. So einfach ist das nicht. Dieses Problem ist um einiges komplexer.

Ich glaube, was wir alle mit einer Entwicklungspolitik, die auf guten Füßen steht, verfolgen und verfolgen müssen, ist, dass wir einsehen, wissen und uns klarmachen, dass wir mittlerweile sieben Milliarden Menschen sind, die sich eine einzige Erde teilen, auf der es mit der Zeit enger wird. Es geht darum, mit den Ressourcen so hauszu­halten, dass sich das auf längere Zeit ausgeht, dass aber auch gleichzeitig alle in relativem Wohlstand leben und gesund sein können – wir haben gehört, Behinderung zum Beispiel, die ja sehr oft eine Folge von Krankheit ist, spielt sich zu 80 Prozent in Entwicklungsländern ab –, in einer Welt, in der es Frieden, Gleichberechtigung und eine gesunde Umwelt gibt und in der vor allem alle Menschen individuell Lebens­perspektiven für sich und für ihre Kinder haben. Das ist wie gesagt ein gesamt­heitliches Konzept und kein Coca-Cola-Konzept.

Trotzdem denke ich, dass dieser Beitrag insofern sehr wichtig war, als er einen wich­tigen föderalen Aspekt thematisiert hat. Wenn es nämlich gelingt, diese Flüchtlinge, die zu uns kommen, auf Gemeindeebene gut zu integrieren – und es gibt ganz, ganz viele Beispiele dafür, dass das gut gelingen kann –, dann sind sie natürlich ganz wichtige Botschafter für die Situation in ihrem Land. Das sind Menschen, die im Austausch in Projekten mit anderen darüber berichten können, wie es bei ihnen zu Hause zugeht, was die Gründe sind, zu flüchten, warum sie das haben tun müssen oder ihren Familien auch oft haben antun müssen, zu flüchten; das macht ja keiner gern.

Ich glaube, das ist eine wichtige Basis dafür, einen Nährboden für wirkliche inter­nationale Solidarität zu schaffen. In diesem Sinne möchte ich auch eine Bitte aus dieser Enquete des Bundesrates an das Innenministerium richten, nämlich überall dort, wo es nur irgendwie geht, Integration von Flüchtlingen zu befördern und nicht zu behindern. – Danke sehr. (Beifall.)

13.07


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Okafor. – Bitte.

 


13.08.10

Ikechukwu Okafor (Black Community Oberösterreich)|: Meine Damen und Herren! Danke schön, dass ich bei Ihnen heute einige Worte sagen darf. Als Betroffener komme ich aus einem Land, das vorher als Entwicklungsland bezeichnet wurde, aber heute nicht mehr Kernland ist.

Ich sehe, dass es so viel Bereitschaft gibt, dass so viele Leute bereit sind, mitzuhelfen und zu schauen, dass die Welt zusammenwächst und dass jeder, wo er ist, sich auch wohlfühlt und zusammenlebt. Das ist für mich auch die Bedeutung von Entwicklungs­zusammenarbeit, das bedeutet für mich Bewusstseinsbildung auf beiden Seiten. Die Entwicklungszusammenarbeit unterstützt Friedenspolitik, und gleichzeitig schafft sie auch Lebensqualität.

Hier möchte ich bei dem einhaken, was Frau Petra Bayr bezüglich Migration gesagt hat. Man muss sich fragen: Wenn die europäischen Länder in der Lage sind, so viele Mittel aufzubringen, um an ihren Grenzen Festungen zu bauen, sollten sie auch in der Lage sein, diesen Menschen, die sie nicht in Europa haben wollen, ein bisschen ein besseres Leben zu ermöglichen. Ein besseres Leben heißt nicht nur Wirtschafts­flüchtlinge, sondern Bildung. Nur wenn die Leute gebildet sind, sind sie in der Lage, ihre politischen Rechte auch zu erkennen und dafür zu kämpfen, dass sie in ihren Ländern leben können.

Sie haben heute noch etwas gesagt, das ich vorbereitet habe, das ist die Frage, welche Rolle die Menschen in der Diaspora in der gesamten Geschichte der Entwick­lungszusammenarbeit spielen. Das ist eine große Frage, die bis heute noch nicht klar gestellt wurde.

Es gibt jetzt viele, die so wie ich schon hier leben, die sich hier eingebürgert haben, die auch bereit sind. Sie kennen das Land und können bessere Informationen geben, wie Sie vorhin gesagt haben, wir dienen als Multiplikatoren. Bei der Ausarbeitung, wie es weitergehen soll, ist es wichtig, diese bestimmten Gruppen einzubeziehen.

Zweitens möchte auch noch sagen, dass ich nicht unbedingt eine nationale Agenda unterstützen, sondern die Länderebene bevorzugen würde, weil die Leute dort wissen, worum es geht und sie den besseren Kontakt mit den Menschen in ihren Ländern haben – so wie das mit dem Nord-Süd Dialog in Oberösterreich praktiziert wird.

Wenn aber die nationale Ebene eine Rolle spielen soll, dann soll es ein Kontrollrolle sein, sonst hätten wir das, was es in den achtziger Jahren und Anfang der neunziger Jahre gab, dass Gelder, die von hier in diese Entwicklungsländer fließen, in die Hände der Politiker kommen und irgendwo versickern, dass die betroffenen Menschen nicht in den Genuss dieser Hilfe kommen.

Abschließend würde ich mir wünschen, dass es tatsächlich auch Entwicklungszusam­menarbeit ist und nicht Hilfestellung, wenn über die Entwicklungszusammenarbeit getagt wird, denn Hilfestellung schafft Abhängigkeit. Wenn wir von Empowerment reden, dann sollen wir uns Projekte ausdenken, die den Menschen helfen, auf ihren eigenen Beinen zu stehen, dass nicht unbedingt Schulen gebaut und vom Ausland finanziert werden, sondern dass den Leuten die Möglichkeit gegeben wird, in ihrer Kultur, in ihrem System wachsen zu können, sich entwickeln zu können und nicht einfach von außen etwas zu geben. – Danke. (Beifall.)

13.12


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Mag. Kepplinger. – Bitte.

 


13.12.43

Mag. Jutta Kepplinger (GEZA, Gemeinnützige Entwicklungszusammenarbeit)|: Mein Name ist Jutta Kepplinger, und ich komme von GEZA. Ike, ich bin jetzt froh, dass ich nach dir sprechen darf. Ich bin von GEZA, und wir machen aktuell gemeinsam mit dem Land Oberösterreich und der ADA in Norduganda ein Projekt. Ich freue mich sehr, dass wir in der Projektfortschreibung einen weiteren Partner in Oberösterreich gefun­den haben, die Black Community Oberösterreich. Wir werden gemeinsam mit der Black Community eine Veranstaltung in Oberösterreich machen.

Aus meiner Sicht ist es einfach sehr, sehr wichtig, zu versuchen, alle Stakeholder in einem Projekt zu versammeln. Worauf ich hinaus möchte, ist, dass sich NGOs sehr oft sehr gut vernetzen, zwischen Norden und Süden. Als ich aber in Norduganda war und mich mit Lokalpolitikerinnen und -politikern getroffen habe, haben sie mir zum Beispiel gesagt: Es ist ja super, mit euch NGOs zu arbeiten, aber manchmal fehlt uns einfach der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Norden, aus Europa. Wir bräuchten auch einmal so einen Erfahrungsaustausch, wie ihr das immer auf NGO-Ebene macht.

Gerda Weichsler hat es nicht angesprochen, darum mache ich es: Im Rahmen unseres Projektes wird Gerda Weichsler mit einer Gruppe von Kolleginnen und Kollegen aus dem oberösterreichischen Landtag nach Uganda fliegen – hoffentlich nächstes Jahr, ansonsten übernächstes Jahr –, um den Kolleginnen und Kollegen, den Lokalpoliti­kerIn­nen in Norduganda die Möglichkeit zu geben, sich auszutauschen.

Ich glaube, das ist etwas ganz, ganz Wichtiges, das hier noch nicht erwähnt worden ist, nämlich dass Kommunen und Länder diesen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen leisten können. Ich glaube, das kommt auf politischer Ebene teilweise noch zu kurz. Ich finde es sehr schade, dass Herr Lesigang vom Städtebund schon wegge­gangen ist, denn ich weiß, dass der Städtebund diesen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus den ehemaligen Ostblockländern sehr gefördert hat und dass es da sehr viele Projekte gibt, die es ermöglichen, sich zu treffen und Know-how auszu­tauschen. Wolfgang Pirklhuber hat das eben auch angesprochen.

Ich denke mir, das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt, den Kommunen leisten könnten, dass sie zur Verfügung stehen für Austausch, für Kommunikation und dafür, über Best Practice zu diskutieren – natürlich immer im jeweiligen kulturellen Rahmen. Ich denke mir, das ist auch etwas, das Kommunen leisten könnten und das finanziell sicher nicht so aufwendig ist. Gerade im Verwaltungsbereich gibt es sicher sehr viele Dinge, bei denen NGOs nicht so großes Know-how haben, aber der Leiter einer Finanzabteilung einer mittelgroßen Stadt in Österreich kann sicher viel beitragen und den Kollegen sehr viel Know-how darüber vermitteln, was es alles braucht – ange­fangen von der EDV, über Finanzressourcen, bis hin zu Personalressourcen –, um eine Kleinstadt verwaltungstechnisch in Gang zu halten.

Ich denke mir, hier liegt sehr viel Know-how, das vielleicht noch nicht ausreichend genutzt wird. Ich freue mich, wenn wir mit unserem Projekt einen ganz, ganz kleinen Anfang machen können und auch die Diaspora miteinbeziehen können. – Danke. (Beifall.)

13.16


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Dr. Sauer. – Bitte.

 


13.16.41

Dr. Walter Sauer (ÖGB)|: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Themen Stellung nehmen, zwei Herausforderungen, vor die sich die öster­reichische Entwicklungszusammenarbeit gestellt sieht.

Erstens zur finanziellen Seite: Wir stehen ja vor einer Situation, dass die Entwicklungs­zusammenarbeit nicht nur traditionell budgetär unterdotiert worden ist, sondern auch durch Einsparungen betroffen ist – und zwar überproportional –, sodass es unter diesen Rahmenbedingungen gar nicht möglich sein wird, unsere internationalen Ver­pflichtungen zu erreichen.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund unterstützt daher alle jene Bemühungen, die auf eine rasche und markante Steigerung der Budgetmittel für Entwicklungs­zusam­menarbeit ausgerichtet sind, insbesondere für die gestaltbaren Teile der EZA – das heißt, bilaterale Programmprojekthilfe unter Einschluss der entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit.

Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die konzeptionelle Seite. Hier ist ja in den letzten Monaten erfreulicherweise einiges in Bewegung geraten. Es wurde erwähnt, dass der Herr Staatssekretär ein neues Leitbild erarbeiten möchte. Das bietet uns die Gelegenheit, auch über die Programmatik der Entwicklungszusammenarbeit zu diskutieren und uns auszutauschen – inklusive einer Überprüfung des Dreijahrespro­gram­mes.

Ich glaube daher, dass die heutige Enquete zu einem sehr guten Zeitpunkt stattfindet, weil sich die Möglichkeit bietet, diese reichhaltige Erfahrung aus der Entwicklungs­zusammenarbeit der Länder und Gemeinden – aber auch der Zivilgesellschaft in den Ländern und Gemeinden – in diese Programmdiskussion miteinzubeziehen.

Es scheint ja so zu sein, dass diese Aktivitäten immer ein bisschen als marginal betrachtet wurden. Sie wurden ja nie wirklich in dieser Reichhaltigkeit, wie sie heute dokumentiert wurde und zum Ausdruck kommt, wahrgenommen, wahrscheinlich auch deswegen, weil die Schwerpunktpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte – die Länder­schwerpunktsetzung und die Sektorschwerpunktsetzung – zu rigide war. Es handelte sich hier offensichtlich um einen blinden Fleck, der möglicherweise aufgrund der heutigen Enquete aufgearbeitet, aufgedeckt werden kann.

Ich möchte hier in Fußnote hinzufügen, dass es nicht der einzige blinde Fleck unserer entwicklungspolitischen Programmatik ist. Wir haben zum Beispiel auch einen blinden Fleck in Bezug auf arbeitnehmerrelevante Themen in der Entwicklungs­zusam­menarbeit. Es wird kaum einmal von Beschäftigungspolitik, von Sozialpolitik, von sozialem Schutz oder sozialem Dialog gesprochen. Das wäre aus unserer Sicht auch ein blinder Fleck, den man einmal aufarbeiten könnte – aber damit Ende der Fußnote.

Ich glaube, es wäre wichtig – und zwar auch prioritär notwendig –, diese Thematik der entwicklungspolitischen Aktivitäten auf Länder- und Gemeindeebene sowohl seitens der Gebietskörperschaften, als auch seitens der vielen Initiativen und NGOs in die Programmdiskussion der Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen, bevor wir uns über Strukturen, die Arbeitsteilung et cetera Gedanken machen.

Wichtig fände ich diese programmatische Diskussion aus zwei Gründen: Erstens, weil es eine inhaltliche Bereicherung wäre und wir sozusagen ein bisschen an Flexibilität und auch an Aktualität gewinnen würden. Niemand spricht von einer Rückkehr zum Gießkannenprinzip – also Sie sollten mich nicht missverstehen –, aber ich glaube, ein bisschen mehr an Flexibilität und Reichtum könnte uns programmatisch und in der Implementierung nicht schaden.

Ein weiterer Grund, der auch schon verschiedentlich angesprochen wurde, ist natürlich die partizipatorische Seite. Wenn wir wollen, dass Entwicklungszusammenarbeit jen­seits der Sonntagsreden eine breitere Zustimmung, ein breiteres Mitdenken und Mitarbeiten erfährt, dann wäre hier eine sehr gute Gelegenheit dazu, glaube ich. – Danke schön. (Beifall.)

13.21


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Mag. Santner. – Bitte.

 


13.21.43

Mag. Max Santner (Österreichisches Rotes Kreuz)|: Herzlichen Dank für die Einladung und für das Zustandekommen dieser Enquete! Ich glaube, das gemeinsame Ziel – soweit ich das verstehe – ist einfach, dem Thema Entwicklungspolitik einen höheren Stellenwert zu geben. Das gemeinsame Ziel soll sein, möglicherweise politischen Druck aufzubauen, damit das Thema, das uns alle hier versammelt, eben einen höheren Stellenwert bekommt.

Ich möchte dazu eine Anregung geben: Nehmen wir doch, wenn wir von Entwick­lungspolitik oder Entwicklungszusammenarbeit sprechen, auch das Thema „Humani­täre Hilfe“ mit! Das klingt aufs Erste jetzt ein bisschen so, als wäre es aus dem Thema draußen, aber ich glaube, wenn man sich das genauer anschaut, dann ist das nicht der Fall. Dafür gibt es viele gute Gründe.

Der erste Grund ist, dass in der ODA natürlich auch Hilfeleistungen im Rahmen der humanitären Hilfe drinnen sind. In Österreich sind das in etwa 2 bis 3 Prozent, international gesehen sind das in etwa 8 bis 10 Prozent. Daran sieht man auch, dass die humanitäre Hilfe innerhalb der ODA, die schon in Österreich sehr schwach ist, einen geringen Stellenwert hat.

Zum Zweiten: Es gibt bei der ADA eine Stelle – beziehungsweise würde ich fast sagen einen Appendix –, die auch mit der humanitären Hilfe zu tun hat. Auch da gibt es also den Link zur Entwicklungspolitik. Vielleicht das stärkste Argument ist, dass man unter humanitärer Hilfe natürlich nicht nur Katastrophenhilfe versteht, sondern sehr wohl auch das, was sich im Vorfeld einer Katastrophe abspielt, die Vorbereitung auf eine Katastrophe. Ich nehme jetzt bewusst das Thema Climate Change Adaptation in den Mund.

Das heißt, wir kommen bei der humanitären Hilfe in Bereiche hinein, die etwas mit langfristiger Entwicklung in einem Land zu tun haben. Das heißt also, dass wir uns anschauen sollten, welche Möglichkeiten es aus der Entwicklungspolitik heraus gibt, diese Vorbereitungsmaßnahmen auf eine Katastrophe, die eigentlich eine Entwick­lungsagenda sind, mit hineinzunehmen. Es hat natürlich auch einen Sinn, wenn man sich anschaut, welche Öffentlichkeitswirksamkeit es im Zusammenhang mit Katastro­phen oft gibt; dass wir da also ein viel größeres Publikum erreichen, eine größere Wirk­samkeit – hoffentlich – im Sinn von Druckaufbau erreichen. Dieses Thema vom Wording her hier hineinzunehmen, das wäre eine Anregung.

Vielleicht noch ergänzend dazu: Das Abschlussdokument der Konferenz in Busan wurde schon einige Male angesprochen. Auch in diesem Dokument wird auf diese Situation hingewiesen, dass die Staaten aufgefordert werden, für Katastrophen­vorsorge Mittel zur Verfügung zu stellen.

Vielleicht auch noch zum föderalen Aspekt: Wir wissen alle, dass auch von den Ländern im Zuge von Katastrophenereignissen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Alle, die in den Ländern draußen arbeiten, wissen, das hat Öffentlichkeitswirkung, das ist sichtbar zu machen. Über diesen Hebel für die gesamte Agenda zu agieren beziehungsweise eben den Stellenwert zu heben, das ist eine Anregung, die ich hier dem Plenum mitgeben möchte. – Danke. (Beifall.)

13.25


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Vorläufig letzte Wortmeldung kommt von Frau Dipl.-Ing. Mang. – Bitte.

 


13.25.23

Referentin Dipl.-Ing. Johanna Mang (Licht für die Welt)|: Ich möchte mich abschließend nach all diesen sehr interessanten Beiträgen noch kurz zu Wort melden und die Dinge, die für mich jetzt sozusagen zum Schluss herauskommen, zusam­menfassen. Ich glaube, der Ruf nach den Mitteln auf Bund-, Länder- und Kommu­nenebene war ganz klar, und ich glaube auch, es wurden viele gute Beiträge geleistet, dass diese strukturiert weitergeführt werden, zielorientiert, damit das wirklich in etwas mündet und wir dann gemeinsam eine Orientierung und eine gute Arbeitsteilung haben.

Das andere, das aber auch wichtig ist – und ich glaube, das ist immer wieder betont worden –, ist, dass mehr Bewusstseinsarbeit und mehr zivilgesellschaftliches Enga­gement da sein sollen. Es ist da.

Ich möchte nur daran erinnern: Genau vor einem Jahr haben wir von den NGOs vor dem Parlament 3 000 Kreuze aufgestellt – es hat dicht geschneit –, um darauf auf­merk­sam zu machen, dass zu wenig Mittel da sind. Diese Aktion ist stark in die Öffentlichkeit gekommen und hat, glaube ich, auch einiges bewirkt. Von der Politik wurde uns dann aber gesagt: Bitte, so macht das nicht mehr!

Ich glaube, dass wir da sozusagen auch ein richtiges Verständnis brauchen. Wenn man sich zivilgesellschaftlich engagiert, dann hat das verschiedene Ausdrucksformen, dann hat das verschiedene Möglichkeiten, und dann sollte sozusagen diese Bühne auch wirklich genutzt werden können. Ich kann Ihnen gerne versichern, dass wir uns auch wieder in geeigneter Form zu Wort melden werden. (Beifall.)

13.27


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Zu einem zweiten Redebeitrag hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.27.09

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien)|: Frau Präsidentin! Ich glaube, von dieser Enquete sollten wir seitens des Bundesrates einen Auftrag mitnehmen, dass es nicht bei dieser Enquete bleibt, bei diesem Wachrütteln, sondern dass der Bundesrat hier als Schnittstelle zwischen den Ländern und Gemeinden, den Städten und dem Bund einen ganz besonderen Fokus darauf legt.

Zur Kollegin von der GEZA möchte ich noch sagen: Natürlich gibt es diese Dialoge von Politikerinnen und Politikern. Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, dass es den Dialog zwischen der EU und dem lusophonen Afrika gegeben hat. Ich habe damals das österreichische Parlament vertreten, und für mich wahnsinnig interessant war die Diskussion über die Fragen: Wie budgetieren wir richtig? Was sollen wir budgetieren? Was sind eure Erfahrungen im Norden, was sind unsere Erfahrungen im Süden?

Die größten Experten waren die Vietnamesen. Sie haben uns im Norden gesagt, worauf wir achten sollen, und den Menschen im Süden gesagt, worauf sie achten sollen. Das war ein ganz spannender Dialog, und ich denke, diese Dialoge sollten wir auch in der Politik verstärkt nutzen.

Vielleicht sollte man bei dieser Gelegenheit sagen, dass es zwischen dem Parlament in Maputo in Mosambik und dem österreichischen Parlament eine besondere Form der Zusammenarbeit gibt, nämlich dass die Laptops des österreichischen Parlaments in das Parlament nach Maputo gebracht werden, wo sie neu aufgesetzt und mit portu­giesischsprachiger Software ausgestattet werden. Die Abgeordneten – unsere Kollegen und Kolleginnen in Mosambik – sagen: Jetzt sind wir zum ersten Mal tech­nisch in der Lage, unsere Regierung zu kontrollieren. Ich finde, das sind so ganz kleine Dinge, an denen man sieht, wie Formen der Zusammenarbeit auch funktionieren können.

Ich selber organisiere in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Union für das Mittel­meer gerade eine Vernetzung der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen für einen „Let’s do it Day“, den wir künftig gemeinsam veranstalten, bei dem es um Abfall­vermeidung, Cleaning-up und Bewusstsein für all diese Dinge geht. Das ist sehr spannend, weil Bürgermeister und Bürgermeisterinnen gar nicht überall in der Funktion sind, wie wir sie kennen, aber es gibt ganz spannende Fälle. Es gibt zum Beispiel in Marrakesch eine 32-jährige Bürgermeisterin, die mit dem Young Arab Leaders Award ausgezeichnet wurde. Das sind ganz spannende Personen, und diese Zusam­men­arbeit ist einfach ganz neu und interessant.

Ein letztes Wort zur Verquickung von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe, dazu möchte ich eine kleine geschichtliche Anmerkung machen: Alle, die hier in diesem Raum schon ein paar graue Haare haben und beim Alter zumindest einen Fünfer vorne haben, haben in ihrem Leben eine Sozialisierung durchgemacht – alle in Österreich –, und es gibt niemanden – niemanden! –, der in den sechziger Jahren von der Biafra-Hilfe in Österreich unberührt geblieben ist, denn sie war in jedem winzigen Dorf präsent.

Das war eine Katastrophenhilfe, aber sie hat nachfolgend eine unglaubliche Chance geboten – und das hat man dann gesehen –, in der entwicklungspolitischen Bildungs­arbeit, in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Bewusstsein aufzubauen. Jedes Kind, jeder Kirchgänger, die Gewerkschaften: Alle waren in dieser Aktion aktiv! Das war in meinen Augen die wahrscheinlich republikumfassendste Aktion, die es jemals gegeben hat.

Ich denke, an diesem Strang muss man ziehen, auch hier diese Zusammenarbeit zu sehen, vor allem wenn man weiß, wie bitter es ist, dass zum Beispiel die EZA – zumindest im personellen Bereich – aufgrund von fast 2 000 Prozent Inflation aus Simbabwe hinaus muss und sich hier nun ganz andere Fragen stellen.

Das halte ich für ganz wichtig; und ich danke in diesem Zusammenhang dem Kollegen vom Roten Kreuz. Das sollten wir auch aufnehmen, denn was wir heute geschafft haben, ist ein gemeinsames Lobbying. Da sollen wir uns jetzt nicht auseinan­der­dividie­ren lassen – die humanitäre Hilfe, die Entwicklungszusammenarbeit –, denn das ist letztlich ein gemeinsames Lobbying, das sagt, dass die eine Hälfte der Welt nicht ohne die andere überleben kann.

In diesem Sinne darf auch ich als Mitglied des Bundesrates – die Frau Präsidentin wird es auch tun – Ihnen noch einmal sehr herzlich für diese Diskussion heute danken. (Beifall.)

13.31


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Herr Dr. Wilhelmy hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.32.07

Referent Dr. Stefan Wilhelmy (Projektleiter der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt)|: Herzlichen Dank, dass ich mich gegen Ende dieser spannenden Diskussion noch einmal zu Wort melden darf. Ich möchte ganz gern noch einmal zwei Punkte unterstreichen, die auch in der Diskussion schon aufkamen, wenn es jetzt ein bisschen um eine Neuausrichtung und eine neue Strategie geht.

Das eine ist, was Frau Kollegin Kepplinger schon einmal gesagt hat: Der Erfahrungs­austausch von Kommunalexperten, sei es in der Verwaltung, sei es in der Politik, ist extrem kostengünstig und extrem effektiv. Wir haben damit in der Vergangenheit in der Beratung südafrikanischer Kommunen bezüglich der Ausrichtung der WM 2010 sehr gute Erfahrungen gemacht.

Da war Expertise aus der vorangegangenen WM 2006 in den deutschen Kommunen vorhanden, die niemand in der GIZ oder woanders hatte, die auch extrem gut ange­nommen wurde, weil es eine Beratung auf Augenhöhe war. Man versteht sich zwi­schen Kommunalfachmitarbeitern sehr viel besser, als das in der doch etwas schiefen Beratungssituation mit externen Experten sonst der Fall ist – also noch einmal ein ganz starkes Plädoyer, um diesen kommunalen Austausch zu stärken.

Dasselbe Prinzip verfolgen wir eben in diesem Klimaprojekt. Da sprechen Klima­beauf­tragte, Umweltbeauftrage der deutschen Kommunen mit ihren Kollegen in Tansania, in Ghana, in Südafrika, und auch da versteht man sich relativ schnell und relativ blind, weil man vor denselben Alltagsproblemen steht, die im Norden und im Süden nicht so unterschiedlich sind. Das wäre der eine Aspekt.

Das andere, das ich vorhin nicht so gut ausführen konnte, weil die Zeit dafür nicht reichte, sollte meines Erachtens ganz zwingend Teil der Strategie sein: eine starke Einbindung der Diaspora. Auch da haben wir in den letzten Jahren in der deutschen kommunalen Entwicklungspolitik sehr gute Fortschritte gemacht, die Migranten­organi­sationen, die es bei uns in den deutschen Kommunen gibt, stärker in die Entwicklungs­zusammenarbeit der Kommunen einzubinden. Das hat sehr positive Effekte auf die Entwicklungspolitik und einen sehr hohen integrativen Effekt.

Die Rückspiegelung von allen Migrantenorganisationen war, dass das eine Form der Anerkennung ist, die sie sonst selten erfahren, weil sie nicht mit ihren Defiziten, sondern mit ihren Chancen, mit ihrem Know-how, mit ihren Potenzialen wahrge­nom­men werden – auch dafür noch einmal ein starkes Plädoyer, diesen Aspekt zu berück­sichtigen.

Ein allerletzter Beitrag vielleicht noch: Ich finde, was Herr Nationalrat Glaser zu Beginn ganz deutlich gemacht hat, muss auf jeden Fall beachtet werden. Es geht nicht um eine Konkurrenz oder eine Aufsplitterung, sondern die Verankerung der EZ – oder EZA, wie Sie hier in Österreich sagen – insgesamt in der Gesellschaft gelingt vor allem dann, wenn man sie dezentral über die Kommunen, über die Vereine organisiert. Da geht es, wie gesagt, nicht um eine Konkurrenz zu den staatlichen Maßnahmen, sondern – im Gegenteil – um eine Stärkung der EZ insgesamt. Ich denke, das zu beachten, ist vielleicht noch ein ganz wichtiger Aspekt. – Vielen Dank. (Beifall.)

13.34


Vorsitzende Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Herzlichen Dank auch noch einmal für diese Klarstellung von Ihrer Seite.

Es liegen nun keine Wortmeldungen mehr vor, deshalb schließe ich jetzt die Debatte.

13.34.10Schlussworte der Präsidentin

 


13.34.11

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth|: Ich bedanke mich bei Ihnen allen, die Sie gekommen sind, allen voran den Referentinnen und Referenten für ihre Beiträge und ihr Engagement, hierherzukommen und aus ihrer Sicht zu berichten, was zu diesem Thema zu sagen ist. Ich bedanke mich umsomehr bei allen TeilnehmerInnen aus dem Publikum, aus den Organisationen für die engagierte Diskussion, die Sie heute hier geführt haben.

Auch ich gehe davon aus, dass es hier nicht um Konkurrenz geht, sondern um Zusam­menarbeit. Es geht um das große Thema „Entwicklungszusammenarbeit“, und das große Thema „Entwicklungszusammenarbeit“ soll nicht dazu führen, dass sich Bund und Länder und Kommunen sozusagen gegenseitig irgendwie ein Stück vom Kuchen wegnehmen, sondern es soll dazu führen, dass der Kuchen insgesamt durch gemein­sames Bemühen für alle größer wird und nicht für irgendjemanden kleiner.

Insoferne nehme ich den Auftrag gerne an, den Bundesrat auch in Zukunft als eine Art Schnittstelle zwischen Kommunen, Regionen und Bundesbehörden – und auch Bundesfinanzmitteln, die dafür ausgeschüttet werden – zu verstehen, denn auch ich bin überzeugt davon, dass nur gemeinsames Lobbying hier zu einem Ziel führt.

Wenn diese Enquete heute dazu einen Beitrag geleistet hat, dann freue ich mich natür­lich. Ihnen brauche ich nicht zu erklären, was Nachhaltigkeit bedeutet, denn Sie alle sitzen hier, weil Sie nachhaltig arbeiten. Auch ich arbeite gerne nachhaltig, und bin deshalb sehr froh, dass es diese Initiative für diese Petition gibt. Ich weiß nicht, wie viele Unterschriften sie bekommen hat, aber es geht im Bundesrat glücklicherweise nicht um die Anzahl von Unterschriften, sondern nur um ein Einbringen einer Petition. Sie wird also mit Sicherheit weiterverfolgt werden, und sie hat auch das Ziel, sich noch einmal gemeinsam zusammenzusetzen – die handelnden Akteurinnen und Akteure – und ebenso einen nationalen, auf Länder und Kommunen herunterbrechbaren Aktions­plan im Sinne aller unserer Anliegen zu erarbeiten.

Danke vielmals für Ihr Kommen! Danke für die Teilnahme!

Ich wünsche weiterhin viel Erfolg für Ihre Arbeit und noch einen schönen Tag! (Beifall.)

13.37

13.37.32Schluss der Enquete: 13.38 Uhr

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