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„Der Anteil der älteren Menschen steigt in der österreichischen Gesellschaft stetig an – welche Auswirkungen hat dies auf die verschiedenen Lebensbereiche der älteren Menschen, welche Herausforderungen stellen sich für die österreichische Politik?“

 

 

 

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Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Dienstag, 1. Oktober 2013

 

(Stenographisches Protokoll)

 


Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Dienstag, 1. Oktober 2013

(XXIV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)

Thema

„Der Anteil der älteren Menschen steigt in der österreichischen Gesellschaft stetig an – welche Auswirkungen hat dies auf die verschiedenen Lebensbereiche der älteren Menschen, welche Herausforderungen stellen sich für die österreichische Politik?“

Dauer der Enquete

Dienstag, 1. Oktober 2013: 10.05 – 14.12 Uhr

*****

Tagesordnung

I. Eröffnung

Präsident des Bundesrates Reinhard Todt

II. Einleitungsreferate

„Ältere Menschen im Fokus der Politik“

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner

„Die Entwicklung der Rahmenbedingungen für ältere Menschen zwischen 2000 und 2025“

Dr. Konrad Pesendorfer (Generaldirektor der Statistik Austria)

„Herausforderung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“

Werner Thum (Vorsitzender der ÖGB-PensionistInnen)

Dr. Richard Schenz (Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich)

„Gesundheitspolitik für ältere Menschen“

Mag. Sonja Wehsely (Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Wien)

„Politik für ältere Menschen im ländlichen Raum“

Dr. Greti Schmid (Landesrätin für Soziales, Familie, Frauen und Senioren, Vorarlberg)

„Gesellschaftspolitische Herausforderungen für die ältere Generation“

BM a.D. Karl Blecha (Präsident des Seniorenrates)

Präsident des Nationalrates a.D. Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol (Präsident des Senioren­rates)

III. Diskussion

*****

Inhalt

I. Eröffnung

Vorsitzender Präsident Reinhard Todt ........................................................................ 3

II. Einleitungsreferate

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ........................................................................... 5

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ................................................................. 9

Generaldirektor Dr. Konrad Pesendorfer .................................................................. 14

Werner Thum ................................................................................................................ 18

Dr. Richard Schenz ...................................................................................................... 22

Mag. Sonja Wehsely ..................................................................................................... 26

Dr. Greti Schmid .......................................................................................................... 32

Karl Blecha .................................................................................................................... 35

Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol ...................................................................................... 39

III. Diskussion

Abg. Mag. Gertrude Aubauer ..................................................................................... 42

Bundesrätin Ana Blatnik ............................................................................................. 43

Mag. Richard Kühnel ................................................................................................... 44

Bundesrätin Cornelia Michalke .................................................................................. 45

Bundesrat Gottfried Kneifel ........................................................................................ 46

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ............................................................................ 47

Georg Schwarzenberger ............................................................................................. 48

Bundesrat Walter Temmel .......................................................................................... 49

Bundesrätin Ilse Fetik .................................................................................................. 50

Maria Pein ..................................................................................................................... 51

Bundesrat Josef Saller ................................................................................................ 52

Mag. Franz Karl ............................................................................................................ 53

Dr. Elisabeth Pittermann ............................................................................................. 54

Dr. Marilies Flemming ................................................................................................. 55

Mag. Ingrid Moritz ........................................................................................................ 56

Dr. Josef Wöss ............................................................................................................. 56

Mag. Anton Hörting ..................................................................................................... 58

 


 

10.05.47Beginn der Enquete: 10.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident des Bundesrates Reinhard Todt, Vizepräsident des Bundes­rates Mag. Harald Himmer, Vizepräsidentin des Bundesrates Mag. Susanne Kurz.

*****

10.05.48I. Eröffnung

 


10.05.50

Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Einen schönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Enquete des Bundesrates zum Thema „Der Anteil der älte­ren Menschen steigt in der österreichischen Gesellschaft stetig an – welche Auswirkun­gen hat dies auf die verschiedenen Lebensbereiche der älteren Menschen, welche He­rausforderungen stellen sich für die österreichische Politik?“ und danke Ihnen, dass Sie unserer Einladung so zahlreich gefolgt sind.

Ich begrüße alle Anwesenden sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Referentin­nen und Referenten, Herrn Bundesminister Rudolf Hundstorfer, Herrn Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner, dem Generaldirektor der Statistik Austria Herrn Dr. Konrad Pesendorfer, dem Vorsitzenden der ÖGB-PensionistInnen Herrn Werner Thum, dem Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer Österreich Herrn Dipl.-Ing. Dr. Richard Schenz, Frau Landesrätin Dr. Greti Schmid und den beiden Präsidenten des Seniorenrates Bundesminister a.D. Karl Blecha und dem Präsidenten des Nationalrates a.D. Herrn Universitätsprofessor Andreas Khol – er kommt um 11 Uhr. (Beifall.)

Frau Stadträtin Mag. Sonja Wehsely, die auch referieren wird, hat überraschend einen unaufschiebbaren Termin wahrzunehmen und wird gleichfalls verspätet, nämlich um zirka 11.20 Uhr, kommen.

Weiters begrüße ich die Landeshauptmann-Stellvertreterin von Kärnten, Frau Dr. Bea­te Prettner – sie kommt gleich –, den Zweiten Präsidenten des Wiener Landtages Herrn Johann Herzog und die Dritte Präsidentin des Wiener Landtages Frau Marianne Klicka. (Beifall.)

Darüber hinaus begrüße ich sehr herzlich alle Mitglieder des Bundesrates, des Natio­nalrates, der Landtage und das Präsidium und den Vorstand des Österreichischen Se­niorenrates.

Es finden sich auch prominente ehemalige Minister unter uns. Ich begrüße Herrn Mi­nister a.D. Rudolf Edlinger, Frau Bundesministerin a.D. Dr. Marilies Flemming, Herrn Landeshauptmann a.D. Dr. Ratzenböck und Frau Bundesministerin a.D. Dr. Hilde Hawlicek. (Beifall.)

Weiters begrüße ich die Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskanzleramtes und der jeweiligen Bundesministerien sowie alle von den jeweiligen Institutionen namhaft ge­machten Vertreterinnen und Vertreter, die als Expertinnen und Experten an der heuti­gen Enquete teilnehmen.

Im Besonderen heiße ich auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien herzlich willkommen.

Ferner begrüße ich alle Zuschauerinnen und Zuschauer, die die heutige Enquete ent­weder hier oder via Livestream verfolgen.

(Es folgen technische Mitteilungen in Bezug auf das Procedere durch den Vorsitzen­den sowie der Hinweis darauf, dass über diese Enquete ein Stenographisches Proto­koll verfasst wird, das nach einiger Zeit im Internet unter www.parlament.gv.at abruf­bar sein wird.)

Sehr geehrte Damen und Herren! 1990 haben die Vereinten Nationen beschlossen, den 1. Oktober zum Internationalen Tag der älteren Menschen zu erklären, um die He­rausforderungen und Chancen des demographischen Wandels stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Die heutige Enquete steht daher auch ganz im Zeichen der älteren Generation und deren Lebensbereich in unserem Gesellschaftssystem sowie der Herausforderungen und Chancen, die sich durch den demographischen Wandel ergeben.

Gerade die Schnelllebigkeit unserer Zeit fordert die ältere Generation und wirft die Fra­ge auf, wie sich ältere Menschen an Herausforderungen des heutigen Alltags anpas­sen. Auch für die Politik ergeben sich durch diesen Wandel Veränderungen, Herausfor­derungen und Chancen, die von essenzieller Bedeutung sind, denn eines muss uns klar sein: Der Anteil der älteren Generation steigt in der österreichischen Gesellschaft stetig an, und die Interessen dieser Personengruppe müssen auch in der Politik noch stärker Gehör finden. So zeigt beispielsweise eine Studie, dass der Anteil der Über-65-Jährigen von derzeit 18,2 Prozent auf 24 Prozent im Jahre 2030 ansteigen wird.

Bereits in meiner Ansprache anlässlich der Übernahme des Vorsitzes im Bundesrat durch das Bundesland Wien habe ich die Wichtigkeit der älteren Generation hervorge­hoben und betont, dass es notwendig ist, deren Interessen zu fördern, zu unterstützen und voranzutreiben. Gerade in einem Sozialstaat wie Österreich muss es für Politiker aller Fraktionen klar sein, dass wir gegen Armut und für das Durchsetzen existenzsi­chernder sozialpolitischer Maßnahmen für die Pensionistinnen und Pensionisten Öster­reichs kämpfen müssen. Das ist zweifelsohne eine der wichtigsten politischen Aufga­ben der Gegenwart.

So muss unumstößlich feststehen, dass jeder Mensch in Österreich in Würde und si­cher altern kann. Dafür braucht es ein sicheres staatliches Pensionssystem sowie ein gut ausgebautes Gesundheits- und Pflegesystem. Gerade die Bedürfnisse der älteren Generation und deren Vertretung in den unterschiedlichen Körperschaften und Gre­mien vom Nationalrat bis zu den Gemeinden müssen bestmöglich gefördert, unterstützt und vorangetrieben werden.

Die noch bessere Einbeziehung des Seniorenrates in alle Maßnahmen, welche die äl­tere Generation betreffen, muss ein vorrangiges Ziel sein. Auch die Arbeit der Beiräte in den Sozialversicherungen ist ein wichtiger Bestandteil der Mitwirkung der älteren Generation und muss intensiv unterstützt werden. Denn eines, meine Damen und Her­ren, muss uns klar sein: Nicht nur die Mitwirkung der älteren Generation muss geför­dert werden, sondern vor allem die Mitbestimmung der älteren Generation in unserer Gesellschaft. Das Stimmrecht der Beiräte ist gesetzlich zu verankern.

Eines sei aber noch gesagt: Mir persönlich ist es wichtig, die Mitmenschen auf die Si­tuation sowie die Bedürfnisse und Anliegen der älteren Generation aufmerksam zu ma­chen und das Verständnis zwischen der jungen und der älteren Generation zu fördern.

Damit wünsche ich mir für die heutige Enquete einen interessanten, aufschlussreichen, aber vor allem einen sehr offenen Diskurs. Und ich wünsche mir, dass wir am Ende des heutigen Tages Ergebnisse präsentieren können, die umgesetzt werden und Ver­besserungen für die ältere Generation in Österreich bringen.

10.14.10II. Einleitungsreferate

 


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Ich darf nun den Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Herrn Rudolf Hundstorfer, und den Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, Herrn Dr. Reinhold Mitterlehner, um die Einleitungsreferate zum Thema

„Ältere Menschen im Fokus der Politik“

ersuchen.

Bitte, Herr Bundesminister Hundstorfer. (Beifall.)

 


10.14.31

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer|: Herr Präsident! Lieber Reinhold! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsi­dent des Seniorenrates! Zunächst einmal sage ich Danke dafür, dass es an diesem 1. Oktober diese Enquete gibt, und darf versuchen, die Themen, die mein Ressort be­treffen, aufzuarbeiten. Das ist das Thema Pensionen, das ist das Thema Beschäfti­gung, das ist das Thema Pflege und das ist das Thema – was das Ganze auch le­gistisch absichert – Bundes-Seniorengesetz beziehungsweise auch Bundessenioren­plan. Das sind jene Punkte, die in mein Ressort fallen.

Und es ist gar keine Frage, dass es notwendig und wichtig ist – und zwar nicht nur an diesem heutigen Tag, sondern in Wahrheit ist das ein permanenter Prozess –, mit die­sem demographischen Wandel umzugehen. Es ist auch aufzuzeigen, was die Leistun­gen der älteren Generation sind, welchen Mehrwert und welchen Gewinn das für un­sere Gesellschaft darstellt, denn ich muss ganz offen sagen, ich lebe gerne in einem Land, in dem die Lebenserwartung steigt, und ich würde nicht gerne in einem Land le­ben, in dem die Lebenserwartung sinkt. Dass das Steigen der Lebenserwartung na­türlich eine Herausforderung für uns alle ist, ja. Dass das natürlich dazu führen muss, einen intensiven Dialog zu führen, ja. Aber in Wahrheit ist es ganz toll, dass wir älter werden – dank unserer hygienischen Zustände, dank des Sozialsystems, dank des Ge­sundheitssystems und so weiter.

Und es ist keine Frage: Wir haben im Pensionssystem schon viele Reformen gemacht, die dazu da waren und dazu da sind, dass wir uns diesen veränderten Anforderungen immer wieder anpassen. Wir haben dies aber zum Glück in letzter Zeit so zustande gebracht, dass wir im Zuge dieser Veränderungsprozesse auch die soziale Verträglich­keit mit berücksichtigt und im Blick behalten haben.

Was haben wir in letzter Zeit getan? – Das sei nur ganz kurz gestreift: Wir haben die Langzeitversichertenpension reformiert, wir haben jetzt das Pensionskonto endgültig eingeführt, wir hatten die Abschaffung der befristeten Invaliditätspension, die uns in der Umsetzung – damit es auch wirklich funktioniert – sicher noch einige Zeit begleiten wird, und wir haben, was das Frauenpensionsalter betrifft, eine Verfassungslage, die so ist, wie sie ist. Was wir aber in den letzten zwei Jahren auch zustande gebracht ha­ben, ist, dass wir beim Pensionsantritt älter geworden sind.

Wir sind zwar nicht in einem dramatischen Ausmaß älter geworden, sondern wir sind älter geworden im Ausmaß von Wochen. Diese Rechnung ist deshalb so wichtig, weil wir im Vorjahr beim Pensionsantrittsalter erstmalig älter geworden sind. Das waren zwar nur fünf Wochen, nicht mehr, aber Sie müssen immer eine Rechnung im Hinter­kopf haben: Wenn wir eine Woche später in Pension gehen, dann bedeutet das für den Bundeszuschuss ein Minus von 25 Millionen € – eine Woche später in Pension ge­hen! –, und demzufolge bedeuten diese fünf Wochen schon 125 Millionen €, was wir im Vorjahr weniger an Bundeszuschuss gebraucht haben. Und das, was Sie jetzt bei der Statistik Austria gelesen haben, nämlich dass wir bei den Pensionen einen Mehrauf­wand hatten, das betrifft nicht das ASVG, sondern das betrifft die Beamtenpensionen; in diesem Segment hat sich dieser Mehraufwand ergeben. Ich weiß, dass das in der normalen Debatte natürlich untergeht, aber ich möchte es hier speziell erwähnen.

Und wir werden auch heuer älter: Wenn alles gut geht und wenn der Trend der ersten sieben Monate so anhält, dann kommen wir dahin, dass wir acht Wochen später in Pension gehen. – Schauen wir, was jetzt noch passiert, aber Fakt ist, dass wir auch heuer älter werden.

Der Grund, warum ich das so betone, ist, weil wir erstmalig im Vorjahr diese Trendwen­de hatten und sich dieser Trend heuer fortsetzt. Darum erwähne ich das so. Es ist kei­ne Frage: Hier muss noch viel geschehen – und hier wird auch viel geschehen! –, aber in Wahrheit gibt es hinter all diesen Finanzierungsfragen natürlich das Hauptthema, und das Hauptthema heißt Beschäftigung. Eine hoher Beschäftigungsstand ist ganz einfach eine Garantie dafür, dass das Gesamtsystem funktioniert, und demzufolge hat­ten wir im Vorjahr beim Gesamtbundesbeitrag zum ASVG ein Minus von 400 Mil­lionen €.

Ich hoffe, dass das, was mit der Reform der Langzeitversichertenregelung eingeleitet wurde und was ab 1. Jänner 2014 wirksam ist – das 62. Lebensjahr, das Pensions­konto –, nämlich das Pensionskonto, das bringen wird, was wir uns unter anderem davon erwarten. Ich kann auf jeden Fall klar erkennen, was es für mich finanziell be­deutet, wenn ich in Pension gehe. Somit können die Menschen noch klarer erkennen, dass es sich lohnt, länger erwerbstätig zu sein, weil wir natürlich auch bei den Zu­schlägen und Abschlägen – vor allem bei den Abschlägen – doch relativ viel reformiert haben.

Und was die wenigsten wissen: Wir haben auch Zuschläge, wenn du länger bleibst als bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter – ein Jahr bringt 6 Prozent. Das wird sehr oft nicht wirklich wahrgenommen, dass wir das schon haben. Wir müssen das nicht erst einführen, sondern wir haben das bereits.

Hauptthema beim Pensionssystem ist und bleibt aber die Verringerung der Zahl jener, die aufgrund von Invalidität in Pension gehen. Das ist und bleibt unser Hauptthema. Warum ist das ein so wichtiges Thema? – Wir haben ohne Beamte rund 96 000 Pen­sionsantritte pro Jahr im ASVG, alles zusammengerechnet, die Bauern, die gewerbli­che Wirtschaft und Arbeiter und Angestellte, also rund 96 000 Menschen pro Jahr, die in Pension gehen. Und ein Drittel davon geht aufgrund von Invalidität – etwas, womit wir uns beschäftigen müssen. Die machen das ja nicht aus Jux und Tollerei, die ma­chen das nicht aus Spaß, denen macht es ja kein Vergnügen, in die Invaliditätspension gehen zu müssen. Deshalb müssen wir mit den Menschen versuchen, frühzeitiger ge­genzusteuern, damit es erst gar nicht zu Invalidität kommt: mit dem Projekt Gesund­heitsstraße, dem Projekt fit2work, dem Projekt verpflichtende Rehab vor I-Pension, dem sogenannten Rechtsanspruch auf berufliche Rehab.

Wir sind in der medizinischen Rehab perfekt, da sind wir Weltmeister, da können wir wirklich allen Vergleichen weltweit standhalten. Wo wir aber sicher einen massiven Bedarf haben, ist bei der beruflichen Rehab. Das bedeutet aber auch einen Wandel in uns selbst, dass man sich zugesteht: Ich bin jetzt 40, 45, und wenn ich in diesem Be­reich bleibe, dann geht es irgendwann nicht mehr. Aber wenn ich mich mit 40, 45 dafür entscheide, eine berufliche Rehab zu machen, dann kann ich erreichen, dass ich län­ger gesünder im Erwerbsprozess bleiben kann.

All das ist legistisch vorbereitet und wird mit 1.1.2014 endgültig in Kraft treten. Der Vor­lauf waren ja Gesundheitsstraße und fit2work, was immerhin dazu geführt hat, dass wir um 2 Prozent weniger Menschen in der I-Pension haben als die Jahre davor.

Wofür ich mich auch beim Seniorenrat vor allem bedanken möchte, ist die Frage der Pensionsanpassung, weil die Pensionen auch eine Kaufkraftsicherung darstellen, das ist gar keine Frage. In den letzten fünf Jahren hat die Bundesregierung es geschafft, dass alle Pensionen bis 2 000 € immer mit dem Anpassungsfaktor erhöht wurden, mit Ausnahme des laufenden Jahres. Ich bedanke mich aber auch dafür, dass es im Zuge der Stabilitätsmaßnahmen möglich war, im laufenden Jahr diese Dämpfung vorzuneh­men, ebenso im nächsten Jahr. Ausgenommen von all diesen Maßnahmen sind immer die Ausgleichszulagenbezieherinnen und -bezieher.

Was, wie gesagt, im Pensionsrecht unser wesentlichster Punkt ist, ist, das tatsächliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Ich kann es nur immer wieder betonen: Eine Woche später heißt 25 Millionen. Das erscheint vielleicht als eine sehr plakative Rechnung, aber sie ist so einfach, wie sie ist. Damit kann man, glaube ich, sehr vieles erreichen, wenn es uns gelingt, das tatsächliche Pensionsantrittsalter weiter nach hinten zu ver­schieben. Wobei eines ganz klar ist: Hier sind alle gefordert!, damit das ja nicht miss­verstanden wird. Das ist nicht ein Punkt, den die Menschen alleine bestimmen können, sondern da ist natürlich auch die Wirtschaft, da ist natürlich auch die Gesamtgesell­schaft am Zug, denn 30 Prozent aller Pensionsantritte erfolgen nicht aus der Beschäf­tigung heraus, das muss uns auch klar sein. 30 Prozent erfolgen aus der Arbeitslosig­keit oder aus dem Krankengeldbezug heraus. Das müssen wir immer mitdenken, dass da natürlich auch sehr viele Schicksale dahinter stehen, Schicksale von Menschen, die ganz gerne im Erwerbsleben bleiben würden.

Ich erwarte mir von dem Paket, das wir rund um die Invaliditätspension Neu gemacht haben, relativ viel, wissend, dass die Umsetzung ihre Zeit beansprucht. Wir haben uns das in Europa angeschaut, da ist ja vieles dessen, was wir hier machen, schon beste­hender Prozess. Bis wirklich alles greift, wird es einige Jahre dauern. Finnland und Hol­land haben fünf Jahre gebraucht, und wenn wir es in drei bis vier Jahren schaffen, dann sind wir hier schon sehr, sehr gut unterwegs.

Keine Frage – ich habe das schon erwähnt –, der Arbeitsmarkt ist ein Schlüssel für ein faires Pensionssystem. Das heißt, es geht darum: Wie können wir es ermöglichen, dass ältere ArbeitnehmerInnen länger in Beschäftigung bleiben? Eines der Projekte, die wir hier ins Leben gerufen haben, ist „Reife Leistung“. Diese Worte sollen nicht missverstanden werden. Es soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein hohes Leistungsniveau, ein großes Wissen und viel Know-how haben und demzufolge auch sehr wichtige und wertvolle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter sind.

Was ich hoffe, ist, dass wir jetzt wirklich einmal ein Bonus-Malus-Modell zustande brin­gen. Es gibt zwar von den Sozialpartnern unterschrieben seit 2011 die Zusage, dass sie mitwirken würden, aber wir haben es bis jetzt nicht geschafft. Ich hoffe, dass wir das in Zukunft schaffen werden.

Derzeit haben wir zwar eine hohe Arbeitslosigkeit, aber bei der Altersgruppe 50 plus einen Anstieg der Beschäftigung um zirka 40 000. Das heißt, in der Gruppe 50 plus sind heute schon mehr Leute beschäftigt als im letzten Jahr. Das ist auch Teil des de­mographischen Wandels, der ganz einfach hier stattfindet.

Worum wir uns auch bemühen wollen, ist eine – das hängt mit Bonus/Malus zusam­men – politische Vision. Wir haben für die Jugend eine Ausbildungsgarantie entwickelt, vielleicht gelingt uns so etwas Ähnliches bei den Älteren: eine Beschäftigungsgarantie für Ältere. Ich weiß, das klingt jetzt wie eine politische Vision, aber Visionen darf und soll man haben. Hier müssen wir uns bemühen, etwas in diese Richtung zu entwickeln, denn eines muss ganz klar sein: Die Beschäftigung Jüngerer und die Beschäftigung Älterer sind kein Widerspruch, sondern ein sehr sinnvolles Miteinander. Auch aufgrund des demographischen Wandels müssen wir einmal mehr festhalten: Ältere nehmen Jungen keinen Arbeitsplatz weg, weil wir bei der Jugend einen Rückgang haben, und das, was vor 15 oder 20 Jahren gegolten hat, dass man gesagt hat, wenn die Älteren länger im Arbeitsprozess bleiben, dann haben die Jungen keine Chance, das ist vorbei, das ist Geschichte, das ist nicht das Thema für die nächsten zehn Jahre. Daher hoffe ich, dass wir hier weiterkommen.

Ich möchte noch kurz zur Pflege kommen. Das ist ein großer Sprung, gebe ich offen zu, aber die Pflege ist auf der einen Seite ein Riesenarbeitsmarkt, aber auf der ande­ren Seite ist das, was wir da den Menschen zur Verfügung stellen, natürlich auch ein sehr zentrales sozialpolitisches Thema, geht es doch um das Recht auf würdevolle Pflege, Betreuung, Schutz und Unterstützung, um möglichst lange selbstbestimmt und möglichst lange selbständig leben zu können.

Sie kennen unser System. Wir haben drei Säulen: die Geldleistung, die Unterstützung der Angehörigen und die Dienstleistung per se. Wir sind Weltmeister: 5,1 Prozent der österreichischen Bevölkerung bekommen Pflegegeld. Sie werden kein Land der Welt finden, wo 5,1 Prozent der Bevölkerung Pflegegeld bekommen.

Warum sind wir Weltmeister? – Weil wir ein siebenstufiges System haben. Ganz egal, wo immer Sie hinschauen, Sie werden das nirgendwo anders finden. Wir haben dieses siebenstufige System, was gut ist, was auch sehr, sehr in Ordnung ist. Und wir haben, auch wenn einige politische Mitbewerber immer wieder kritisieren, wir würden hier dämpfen, Zuwachs beim Pflegegeld. Es geht nicht hinunter, sondern es geht hinauf. Wenn man die gesamten Pflegegeldausgaben betrachtet, inklusive der großen Verwal­tungsreform mit der Übernahme des Landespflegegeldes, dann sieht man, dass wir ein Plus von 17 Prozent haben.

Weiters haben wir uns bemüht, die Angehörigen entsprechend zu unterstützen. Dieje­nigen, die aus dem Erwerbsprozess aussteigen, werden von uns sozialversichert, so­wohl kranken- als auch pensionsversichert, wenn sie jemanden betreuen. Wir haben auch eine weitere sozialpolitische Maßnahme entwickelt, die jetzt ab 1.1.2014 wirksam wird, das ist die Pflegekarenz, das ist die Pflegeteilzeit, die ich als Angehöriger für drei Monate in Anspruch nehmen kann. Während dieser drei Monate bekomme ich eine Entschädigung in der Höhe eines sogenannten fiktiven AMS-Bezuges. Das Ganze gilt ab der Pflegestufe 3 beziehungsweise Demenz unabhängig von der Pflegestufe. Dem­zufolge hoffen wir, dass wir auch weiterhin pflegende Angehörige entsprechend entlas­ten können.

Was wir auch getan haben: Wir haben den Pflegefonds eingeführt, gemeinsam mit al­len österreichischen Bundesländern, und dieser Pflegefonds wird das Gesamtsystem zusätzlich mit 1,3 Milliarden € bis 2016 unterstützen. Natürlich geht es weiter mit dem Pflegefonds, aber wir haben uns bewusst damals mit allen Beteiligten darauf verstän­digt, das bis 2016 so zu machen. Warum? – Weil bis dahin der Stabilitätspakt läuft, und bis dahin werden auch die Verhandlungen über einen neuen Finanzausgleich laufen, und demzufolge muss das dann in all diesen Paketen natürlich weitergehen. Ob es in Richtung Fonds weitergeht oder eine andere Form gefunden wird, das ist jetzt nicht das Thema. Klar ist, und das war allen Beteiligten klar: Natürlich gibt es diese Zusatzfi­nanzierung auch ab 2017 weiter. Das ist völlig klar und logisch.

Das heißt, wir haben es jetzt den Bundesländern noch ermöglicht, dass sie alles aus dem Titel Pflege auch entsprechend abrechnen können, da der Rahmen beim ersten Pflegefondsgesetz sehr eng gesetzt war. Das ist eben durch eine Novelle, die der Nationalrat noch vor dem Sommer beschlossen hat, noch entsprechend verändert wor­den.

Ich möchte nicht zuletzt dem Bundesseniorenbeirat danken, danken für das sehr kons­truktive, manchmal auch sehr kritische Miteinander. Das gehört dazu und das ist not­wendig und wichtig. Es ist, glaube ich, dadurch die sogenannte angemessene Vertre­tung der älteren Generation auf nationaler Ebene sehr wohl möglich und wurde auch sehr intensiv gelebt, sitzen doch auch viele Mitglieder des Bundesseniorenbeirats hier. Und wenn man weiß, welch gewichtiges Wort sie während ihrer Aktivzeit hatten, darf ich Ihnen versichern, sie haben es in der Pension nicht vergessen. Demzufolge ist das ein sehr, sehr wesentliches Dialogforum.

Ich möchte mich auch bedanken, dass es möglich war, diesen Bundesplan für Senio­rinnen und Senioren zu entwickeln, der Empfehlungen und Zielvorgaben enthält, der aber ganz einfach auch ein Leitfaden ist, ein Leitfaden dafür, wie sich gewisse Dinge weiterentwickeln sollen.

Was wir auch geschaffen haben, ist ein Nationales Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime. Auch da danke ich, dass es möglich war, das gemeinsam zu tun. Mit die­sem Nationalen Qualitätszertifikat wollten wir nicht nur erreichen, dass Qualität nach gewissen Kriterien festgestellt werden kann, sondern dass auch ein gewisser Wild­wuchs an diversen Zertifikaten eingedämmt wird. Wir wollten damit eines schaffen, und dieses eine soll gelten und quasi der Leitfaden für alle, die in diesem Segment tätig sind, sein. Ich danke, dass alle Bundesländer hier mitmachen. Das war am Anfang nicht ganz einfach, das gebe ich offen zu, es war ein schwieriger Dialogprozess.

Zum Schluss kommend möchte ich mich noch einmal bedanken, aber auch das kons­truktive Miteinander, die gelebte Solidarität zwischen den Generationen speziell hervor­heben. Uns allen, ganz egal, woher wir parteipolitisch kommen, sollte eines klar sein: Der soziale Friede soll nicht durch das Ausspielen von Generationen aufs Spiel gesetzt werden. Ich glaube, wir sind in diesem Land gut damit gefahren, dass es uns möglich war, gemeinsam gewisse Dinge zu erledigen, wissend, dass wir noch etliches vor uns haben. Keine Frage, der demographische Trend: immer weniger Jüngere, immer mehr Ältere bedeutet natürlich Herausforderungen, Herausforderungen in allen Bereichen, bedeutet auch die Herausforderung, dass wir uns, ich zumindest, klar zur Migration be­kennen müssen. Wir werden weiterhin Migration brauchen. Ohne Migration ist vieles in diesem Land nicht möglich. Das heißt aber offensiv aufeinander zugehen, einander zu­hören, einander respektieren und so viele konstruktive Lösungen als möglich gemein­sam erarbeiten. – Ich danke schön. (Beifall.)

10.33


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Vielen Dank für die Ausführungen, Herr Bun­desminister.

Ich bitte nun Herrn Bundesminister Dr. Mitterlehner.

 


10.33.58

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner|: Herr Präsident! Lieber Kollege Rudi Hundstorfer! Sehr geehrte Präsidenten! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr für die Einladung zu der heutigen Enquete, aber auch für die Durchführung. Ich glaube, das ist, gerade was das Datum anbelangt, durchaus ein gelungener Kontrapunkt zu vielen Wahlauseinandersetzun­gen, da es ganz eindeutig, gerade auch angesprochen, wieder in Richtung mehr Sach­lichkeit, aber auch in Richtung mehr Gemeinsamkeit geht und hier wichtige Themen­stellungen für die Zukunft miteinander bearbeitet und aufgearbeitet werden.

Sie werden heute noch erleben, dass de facto fast alle Referenten, so nehme ich zu­mindest an, damit einsteigen werden, dass wir eine alternde Gesellschaft haben, was für die Betroffenen an sich erfreulich ist, was sich auch in bestimmten Fakten äußert. Es wurde ja heute in der Einleitung schon dargestellt: Wir haben derzeit einen Anteil der Bevölkerung, die älter als 60 Jahre ist, von 23,7 Prozent. In rund 30 Jahren werden es 33 Prozent der Bevölkerung sein. Das impliziert eine Reihe von Herausforderungen. Aber was die meisten vielleicht nicht sehen, ist, dass wir damit nicht im Gleichklang mit anderen Teilen unserer Erde und mit anderen Kontinenten sind, sondern dass das ein spezifisches Kennzeichen vor allem von Europa ist. Denken Sie etwa daran, im Mittle­ren Osten haben Sie im Altersbereich der 25-Jährigen 50 Prozent der Gesellschaft. Das heißt für uns, dass sich, was den Wettbewerb der Nationen auch im wirtschaftli­chen Bereich betrifft, unterschiedliche Konstellationen ergeben werden.

Ich sehe es als besonders wichtig, dass wir nicht nur von Herausforderungen spre­chen, sondern auf der anderen Seite auch von Chancen, die sich durch Entwicklungen ergeben. Jede Medaille hat zwei Seiten.

Es sind drei Themenbereiche angesprochen worden, die ich natürlich streifen, aber auch in Richtung anderer ergänzen möchte. Es stellt sich immer die Frage: Was hat dieser Prozess, dass wir alle älter werden, mit der Beschäftigung zu tun? Welche Kon­sequenzen ergeben sich für Pflege und Gesundheit? Was ergibt sich im Bereich des Generationenvertrages für die Pensionen?

Es gibt aber auch noch andere Entwicklungen und Herausforderungen: Welche Not­wendigkeiten und Erfordernisse ergeben sich im Bereich der Mobilität? Was ergibt sich vor allem an Chancen und Entwicklungen im Bereich Freizeit und Tourismus? Wie se­hen die geänderten Notwendigkeiten im Wohnbereich aus? Aber auch: Was gibt es an Möglichkeiten und Chancen im Bereich des Konsums?

Sie haben da also eine Reihe von Aktivitäten und Gesellschaftsfeldern, die wichtige Möglichkeiten ergeben.

Was auch als Ergebnis festzustellen ist und dann auch noch von verschiedenen Ver­tretern des Seniorenrates selber beleuchtet werden wird, ist eine gesellschaftlich ande­re Entwicklung und Bedeutung, was Senioren anbelangt. Wir haben dieser mit dem Bundes-Seniorengesetz Rechnung getragen. Das ist allerdings nur eine Festlegung von Rahmenbedingungen auf formaler Ebene, die aber auch noch entwicklungsbedürf­tig sind. Bestimmte Mitbestimmungsrechte und auch Möglichkeiten sind in diesem Zu­sammenhang schon angesprochen worden. Es geht im Wesentlichen aus meiner Sicht darum, dass der Seniorenrat wirklich ein gleichberechtigter Sozialpartner auf allen Ebe­nen wird, und da gibt es formalen, aber auch noch ideellen Gestaltungsspielraum. Die Finanzierung ist gesichert, auch sonstige formale Erfordernisse sind gegeben, aber das andere, was die Interessenvertretung anbelangt, ist sicherlich noch weiter gestalt­bar.

Was aus meiner Sicht interessant erscheint, ist auch, dass sich die Forschung dem Thema der alternden Gesellschaft stärker widmet. Ich meine jetzt nicht nur die Grund­lagenforschung, sondern vor allem die anwendungsorientierte Forschung. Wir fördern aus unserem Ministeriumsbereich im Rahmen der FFG eine Reihe von Projekten, die sich einer altersgerechten Gesellschaftsentwicklung und Forschung in diesem Bereich widmen; etwa was die Biotechnologie anbelangt: Projekte, die sich mit dem Bewe­gungs- und Stützapparat zur Verbesserung der Mobilität beschäftigen; was die medizi­nische Versorgung anbelangt: technologieunterstützte Diagnose, Kranken­anstalten, In­novationen bei der Verknüpfung von Datenbanken in Pflegeeinrichtungen, Innovatio­nen zur besseren Pflege in den Einrichtungen, aber auch besseren Pflege zu Hause, wo es eben um Tools zur Bewältigung von Alltagsaufgaben geht. Aber auch was die Produktentwicklung, die Chancen, die ich im Bereich der Wirtschaft angesprochen ha­be, betrifft, gibt es entsprechende Projekte, die sich beispielsweise mit seniorengerech­ten Fahrzeugen beschäftigen, und andere mehr.

Also Sie sehen, dass sich die Wirtschaft und auch die Forschung dieser Themenberei­che annehmen und entsprechende Aktionspläne aufgestellt und finanziert werden.

Ein zweiter Schwerpunkt, den schon Kollege Rudi Hundstorfer angesprochen hat, ist der gesamte Bereich Pflege und damit zusammenhängend auch die Barrierefreiheit, wobei Barrierefreiheit von mir jetzt nicht nur als Barrierefreiheit, was bestimmte Zu­gänge und Auffahrten anbelangt, verstanden wird, sondern auch als Barrierefreiheit in allen Bereichen der Gesellschaft und Gesundheit.

Wir sehen uns da ja auch nicht nur mit zunehmender Nachfrage konfrontiert, sondern auf der anderen Seite gibt es auch Einsparungsdruck durch strapazierte Budgets der öffentlichen Hand, den Fachkräftemangel, aber auch die zunehmende große und inten­sivere Beanspruchung des Personals, das pflegend tätig ist. Daher sehen wir auch zu­nehmende Notwendigkeiten. Die Pflege ist ein ständig wachsender Wirt­schafts­faktor. Wir haben etwa 440 000 Pflegegeldbezieher  es ist angesprochen worden , das be­deutet Pflegegeld in Höhe von 2,5 Milliarden. Insgesamt werden aber in Österreich von Bund, Ländern und Gemeinden jährlich mehr als 4 Milliarden € für die Pflege und Be­treuung älterer Mitmenschen ausgegeben.

Was aber aus meiner Sicht interessant zu sein scheint, ist, dass auch der Personalbe­darf im Pflegebereich bis 2020 um 17 000 Personen steigen wird. Wir haben derzeit 110 000 unselbständig Erwerbstätige im Sozialwesen, inklusive Heime, beschäftigt. Diese Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. 75 Prozent dieser Beschäf­tigten sind Frauen, und dazu kommen dann auch noch 35 000 selb­ständige Personen­betreuer.

Daher glaube ich, dass man gerade in diesem Bereich auch in Richtung Awareness, in Richtung steigender Bedeutung in der Gesellschaft etwas tun muss. Ich finde es posi­tiv, dass wir das gemeinsam mit anderen machen, wie etwa mit dem Sozialministerium die Kampagne „PflegerIn mit Herz“. In der Bevölkerung wird damit, was die Bewusst­seinsbildung für Pflege und Betreuung anbelangt, wertvolle Arbeit im Imagebereich ge­macht. Wir nutzen damit aber auch die Möglichkeit, diese Personen vor den Vorhang zu holen und ihnen auch öffentlich sozusagen Danke zu sagen.

Wir haben aber auch, was unser Ministerium anbelangt, etwas entwickelt, nämlich das Audit Pflege und Familie. Wir wollen damit einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die Vereinbarkeit von Pflegeberuf, Familie und Freizeit gegeben ist, indem das Modell und das Audit auch berufsgruppenspezifische Lösungen für ÄrztInnen, Pflege­personal und Verwaltungspersonal anbieten. Das wird auch angenommen. Wir haben derzeit 3 700 Beschäftigte, die bereits davon profitieren, was in der Organi­sationsstruk­tur, vor allem in den Arbeitsläufen, in den Arbeitsangeboten weiterentwickelt und ange­boten wird. Damit ist eine ausgeglichene Work-Family-Balance erlaubt und wird auch eine Überlastung der Betroffenen vermieden. Ich glaube, dass wir mit systematischen Ansätzen, die sich auch in anderen Ländern bewährt haben, sehr gut unterwegs sind. Damit wird Familienfreundlichkeit auch als Teil der Unternehmenskultur etabliert.

Wir haben diese Vereinbarkeit von Familie und Beruf in anderen Bereichen ja schon in größerem Ausmaß und mit noch viel mehr Mitarbeitern, auch mit führenden Unterneh­men in Österreich, entsprechend ausrichten können und erreicht, dass diesem Thema ein höherer Stellenwert beigemessen wird. Wir fördern das auch finanziell, der Projekt­unterstützungsbeitrag beträgt in diesem Bereich in etwa 5 000 €.

Nicht nur die Familien der PflegerInnen, sondern auch die Angehörigen der Pflegebe­dürftigen stehen im Fokus der Politik. Pflegekarenz und Pflegeteilzeit wurden heuer ge­schaffen und sind meines Erachtens ein wichtiger Schritt zur Unterstützung pflegender Angehöriger.

Neu und noch nicht angesprochen worden ist ein weiteres Thema, das ich erwähnen möchte, nämlich das seniorengerechte Wohnen. Wenn Sie sich ein wenig umhören, wie sich das in der Gesellschaft entwickelt, dann sieht man meiner Meinung nach schon, dass die Einstellung da ist, dass viele ältere Menschen ihren Lebensabend nicht in Heimen oder woanders verbringen wollen, sondern dort, wo sie auch früher ge­wohnt haben. Das bringt aber Probleme mit sich, denn etwa eine Million Häuser in Österreich sind nicht altersgerecht vorbereitet. Daher ist es notwendig, Eingänge, aber auch Verbindungswege in der Wohnung entsprechend zu adaptieren, was die Lebens­qualität für die Betroffenen verbessert und es ihnen dann auch ermöglicht, dort zu bleiben, wo sie den Großteil ihres Lebens verbracht haben.

Der Ausbau mobiler Dienste und die Versorgung der Senioren mit Dienstleistungen sind natürlich ebenso ergänzende Beiträge zur selbständigen Lebensführung.

Das bedeutet für uns als Aufgabe betreffend den Altersbereich etwa, den Sanierungs­scheck, den wir für die thermische Sanierung von Häusers schon haben, in Richtung altersgerechtes Wohnen umzubauen. Ich sehe gerade in diesem Bereich auch für die kommenden Regierungsverhandlungen einen Schwerpunkt, so es solche geben wird. (Heiterkeit.) Na ja, man muss immer sehr genau aufpassen. Es gibt Sondierungsge­spräche, und irgendwann wird es auch Verhandlungen geben.

Aber was immer es geben wird, ich nehme sicher an, dass sich jede Regierung mit die­sem Thema beschäftigen wird, denn es ist enorm wichtig, da auch entsprechende Mit­tel zu haben. Es ist aber dann nicht mit diesen Mitteln und diesen Vorhaben getan. Es wird darüber hinaus auch noch eine weitere Einbindung des Themas, auch bei den Ge­samtkonzepten, notwendig sein, etwa was Nahversorgung anbelangt, was den öffentli­chen Verkehr betrifft, aber auch was Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten anbelangt.

Auch dort haben wir ganz interessante Entwicklungen. Etwa wenn wir Audits von Ge­meinden machen, Gemeindeaudits, familiengerechte Angebote zu entwickeln, dann hat man immer den Eindruck, das wird nur für Kinder entwickelt. Es gibt schon mehrere Gemeinden, die parallel dazu auch für ältere Mitbürger Angebote, die den Bewegungs­ablauf, die Bewegungsstimulierung und anderes forcieren, bereitstellen. Ich glaube, dass das durchaus eine wichtige Zukunftsaufgabe ist.

Dieses Thema betrifft auch die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, was Hotels, was Gastwirtschaften anbelangt. Ältere Menschen wollen genauso von den Angeboten Ge­brauch machen, wollen reisen. Und daher dürfen das Alter, aber auch physische oder psychische Beeinträchtigungen kein Grund sein, dass Angebote nicht in Anspruch ge­nommen werden können.

Barrierefreiheit im umfassenden Sinn ist ein Qualitätsmerkmal und auch eine Chance für die Tourismus- und Freizeitbetriebe. Wir haben unter anderem deswegen heuer mit der Österreich Werbung einen Wettbewerb zum Thema „Tourismus für Alle – Initiativen für barrierefreies Reisen“ durchgeführt. Wir werden bei der Verleihung Best-Practice-Modelle in ganz Österreich aufzeigen und andere zum Nachmachen veranlassen. Auch dieses Thema ist, wie ich meine, positiv besetzt und wird zur Weiterentwicklung beitragen.

Wir stehen aber – das hat Kollege Hundstorfer angesprochen – auch vor einer demo­graphischen Herausforderung, was die Arbeitnehmer anbelangt, nämlich dass wir in Zukunft ältere Arbeitnehmer brauchen werden. Wenn ich merke, dass bis zum Jahr 2015 in jedem Jahrgang der 15-Jährigen 10 000 Jugendliche weniger da sind – also wir hatten pro Jahr immer in etwa 95 000, 2015 haben wird 85 000, 10 000 we­niger, in zwei Jahren –, dann ist die Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt, dass wir einfach ältere Arbeitnehmer auch entsprechend brauchen.

Das ist vom Kalkül her nicht negativ gemeint, sondern als positives Angebot. Und des­wegen wird sich eine Entwicklung ergeben, die wir mit längeren Beschäftigungsver­läufen beschreiben können, und damit auch eine Anhebung zumindest einmal des fak­tischen Pensionsantrittsalters einhergehen. Wir haben bekanntermaßen immer noch ein Antrittsalter, das unter 60 ist, und haben vor, in den nächsten Jahren vier Jahre auf­zuholen. Mit 60 gehören viele Österreicher noch lange nicht zum alten Eisen. Sie brau­chen sich nur die Verläufe im Freizeitbereich und anderes anzuschauen und sehen, dass man da nicht mehr mit früher vergleichen kann.

Der „Ageing Report 2012“ der EU prognostiziert, dass im Jahr 2020 in Österreich das durchschnittliche Alter für den Austritt aus dem Arbeitsmarkt bei 61,8 Jahren liegen wird, deutlich unter dem EU-Schnitt von 63,5 Jahren, dies obwohl die österreichischen Pensionisten erfreulicherweise eine um vier Monate höhere Lebenserwartung haben als der durchschnittliche Europäer. Daher finde ich es richtig, was wir gemeinsam in der Regierung vereinbart haben, nämlich dass der Grundsatz Rehabilitation vor Pen­sion, die betriebliche Gesundheitsförderung, die Aktivierung von älteren Arbeitnehmern für Prozesse im Arbeitsbereich auf freiwilliger Basis wichtige Gesichtspunkte sind, um das faktische Pensionsantrittsalter zu heben.

Wir haben auch, was Eingliederungsbeihilfen, was betriebliche Gesundheitsförderung anbelangt, finde ich, gute Angebote beim AMS.

Aber eine Herausforderung ist nach wie vor nicht gelöst, das ist die Abflachung der Ge­haltskurven. Da haben sich die Sozialpartner schon bemüht. Sie haben den wesentli­chen Gesichtspunkt, wenn das gelingen würde, dass dann einfach ältere Arbeitnehmer nicht genau in der Phase, in der sie eben älter sind, die meisten Kosten für die Betriebe verursachen würden. Mit einer anderen, langsamen Aufteilung des Lebenseinkom­mens wären auch Lohnnebenkosten günstiger zu gestalten.

Aber auch was flexible Arbeits- und Pensionsmodelle anbelangt, glaube ich, dass wir noch Angebote entwickeln könnten. Es gibt da durchaus interessante Möglichkeiten.

In diesem Zusammenhang muss ich auch darauf hinweisen, dass wir auch die Ar­beitsplätze in den Betrieben altersgerecht anpassen müssen. Da gibt es eine Reihe von entsprechenden Krediten und Förderungen, die wir über unser AWS, das Austria Wirtschaftsservice, anbieten. Aber da ist noch einiges an Möglichkeiten und Notwen­digkeiten gegeben. Das Programm fit2work und anderes sind ja schon angesprochen worden.

Was natürlich ebenfalls gilt, ist das lebenslange Lernen an sich. Wenn Sie sich die Bil­dungsstatistik anschauen, dann werden Sie merken, dass gerade im Altersbereich ab 50 aufwärts viele der Meinung sind, man braucht keine Weiterbildung mehr zu konsu­mieren. Auch da gibt es, gerade was die Employability anbelangt, nämlich dass man Erfahrung hat, sich aber auch entsprechend weiterentwickelt, eine Aufgabe für unsere Bildungseinrichtungen.

Was schließlich und endlich die Pensionen anbelangt, ist vieles schon gesagt worden, und ich kann mich daher auf das aus meiner Sicht Wesentliche beschränken. Wir ha­ben uns eben bemüht, das faktische Pensionsantrittsalter und eine Reihe von Maßnah­men, die dahin führen, zu verbessern. Wir sollten aber doch auch sehen, was andere Länder in diesem Zusammenhang tun. Andere Länder haben nämlich schon eine An­hebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters vorgesehen; etwa im Jahr 2030 ist das Regelpensionsalter der Männer und Frauen in Dänemark, Deutschland, Irland, Italien, Norwegen, Spanien und Großbritannien bei 67 Jahren und darüber. Sie können sich erinnern, was ich vorher gesagt habe: Wir werden uns dann freuen, dass wir mit allen unseren Maßnahmen gerade bei 62 liegen, wenn alles gut läuft.

Das heißt also, dass wir längeres Arbeiten wahrscheinlich noch forcieren müssen. Wie schon angesprochen gibt es auch, gerade was den Seniorenbund anbelangt, eine Rei­he von aus meiner Sicht attraktiven Vorschlägen, um einen Bonus für längeres Ar­beiten noch attraktiver zu gestalten, als das jetzt schon angeboten wird. Da geht es dann aber auch um Ruhens- und Wegfallensbestimmungen, was die sogenannte Zu­verdienstgrenze anbelangt, wo noch Verbesserungen möglich sind.

Ein Thema, das mir als Familienminister besonders am Herzen liegt, ist die Anrech­nung von Kinderbetreuungszeiten. Je Kind sollen in Zukunft volle vier Jahre für Kinder­erziehungszeiten für die Pension angerechnet werden. Die Anrechnung der Kinderer­ziehungszeiten soll zudem auch für Frauen, die vor dem 1.1.1955 geboren sind, wenn ihre Kinder vor 2005 geboren sind, gelten. Das wird den FLAF, der ja ohnedies keine einfache Entwicklung hat, vor weitere große Belastungen stellen. Wir bemühen uns immer, das auf andere Systeme zu übertragen. Ich bin nicht so zuversichtlich, dass uns das auch gelingen wird. Aber im Endeffekt haben wir durch die steigende Be­schäftigung ja auch beim FLAF wieder eine im Prinzip gute Entwicklung, vor allem in den letzten drei Jahren, gehabt.

Damit, meine Damen und Herren, um die Zeit auch nicht übermäßig zu strapazieren, möchte ich schließen. Ich glaube, es sind hier eine Reihe von Themenfeldern skizziert worden. Ich finde, dass wir auch programmatisch durchaus in Arbeit sind, nicht nur in der Beschreibung der Themenfelder, und ich hoffe und bin mir sicher, dass die heutige Enquete dazu beitragen wird, uns in Richtung von noch mehr Problemlösungsfähigkeit weiterzubringen.  Vielen Dank. (Beifall.)

10.53


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke, Herr Bundesminister.

Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich in unserer Mitte Frau Volksanwältin Dr. Gertru­de Brinek und Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter in Ruhe Dr. Hannes Bauer be­grüßen. (Beifall.)

Ich darf nun das Wort dem Generaldirektor der Statistik Austria Dr. Pesendorfer er­teilen.

„Die Entwicklung der Rahmenbedingungen für ältere Menschen zwischen 2000 und 2025“

 


10.54.34

Generaldirektor Dr. Konrad Pesendorfer (Statistik Austria)|: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Vielen Dank für die Einladung zur heutigen Enquete. Oft ist es die Aufgabe von Statistik, auf Umstände aufmerksam zu machen und das mit Fakten und Daten zu untermauern. Sowohl das Programm der heutigen Enquete als auch die Reden der Bundesminister zeigen aber, dass es dieses Be­wusstsein bereits sehr tief verankert gibt, was unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erwarten wird. Ich werde dennoch versuchen, mit einigen Zahlen und Fakten die Diskussionsgrundlage weiter zu verbreitern und zu vertiefen.

In der Statistik Austria machen wir Jahr für Jahr eine Aktualisierung unserer Bevölke­rungsprognosen und sehen, dass wir es in den nächsten Jahrzehnten mit einer wach­senden Bevölkerung zu tun haben werden. Wie Sie wissen, haben wir heute einen Be­völkerungsstand von 8,4 Millionen Personen in Österreich. Wir werden etwa im Jahr 2030 die 9-Millionen-Grenze überschreiten, und gegen 2060 werden wir bei 9,4 Millionen, also eine Million mehr, Menschen in diesem Land haben.

Diese Entwicklung ist allerdings durch zwei ganz gravierende Strukturveränderungen gekennzeichnet, auf die ich kurz eingehen möchte.

Die erste wesentliche Strukturveränderung ist, dass dieses gesamte Bevölkerungs­wachstum, das wir in den nächsten Jahrzehnten sehen werden, ausschließlich durch internationale Zuwanderung zustande kommen wird. Wir sehen in unseren Prognosen, dass jährlich rund 30 000 Personen mehr nach Österreich zuwandern als aus Öster­reich abwandern werden. Das bedeutet eine positive Migrationsbilanz. Die Geburtenbi­lanz, das sind die Sterbefälle den Geburten gegenübergestellt, ist derzeit ausgegli­chen, wird sich aber in den nächsten Jahren ins Negative wandeln, und diese negative Geburtenbilanz wird durch die internationale Zuwanderung mehr als ausgeglichen. Das hat natürlich eine Auswirkung auf unsere Gesellschaft, auf deren Zusammensetzung und Herausforderungen.

Der zweite wesentliche Strukturwandel – das wurde heute bereits mehrfach erwähnt – ist der zunehmende Altersanteil in unserer Bevölkerung. Das ist ja auch das Thema unserer heutigen Enquete.

Ein paar Zahlen dazu, die vielleicht noch nicht genannt worden sind: Wir haben heute ein Durchschnittsalter in unserer Bevölkerung von 42,2 Jahren; im Jahr 2030 wird die­ses Durchschnittsalter auf 44,8 Jahre ansteigen, und im Jahr 2060 wird die österreichi­sche Bevölkerung im Durchschnitt 47,1 Jahre alt sein.

Der Anteil der Über-65-Jährigen lag im Jahr 2000 bei 15 Prozent, im Jahr 2030 wird es fast ein Viertel der Bevölkerung, 24 Prozent, sein, und im Jahr 2060 werden 29 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein.

Ich möchte jetzt ein paar Aspekte, die mit dieser alternden Bevölkerung zu tun haben, herausgreifen und Ihnen ein paar Zahlen dazu nennen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Wie bereits erwähnt steigt die Lebenserwartung kontinuierlich an. Wir sehen das in der Vergangenheit. Ich habe mir ein bisschen die Lebensläufe unserer beiden Bundesmi­nister angesehen und dabei entdeckt, dass sie Anfang beziehungsweise Mitte der fünf­ziger Jahre geboren wurden. Damals betrug die Lebenserwartung für neugeborene männliche Babys 75,5 Jahre. Die Lebenserwartung für Männer, die im Jahr 2013 – also dieses Jahr – geboren werden, liegt bei 78,6 Jahren; 2030 wird diese auf 82 und im Jahr 2060 auf 87 Jahre ansteigen.

Bei Frauen liegt die Lebenserwartung kontinuierlich höher als bei Männern. Im heuri­gen Jahr geborene weibliche Babys haben eine Lebenserwartung von knapp 84 Jah­ren; das steigt an auf knapp 87 Jahre im Jahr 2030 und auf über 90 Jahre im Jahr 2060.

Das ist ja an sich eine gute Nachricht. Aber dass das Lebensalter steigt und die Le­benserwartung steigt, ist auf viele Faktoren zurückzuführen – Bundesminister Hunds­torfer hat bereits darauf hingewiesen. Eine weitere gute Nachricht ist, dass die Lebens­erwartung in gesunden Altersjahren ansteigt. Ein paar Zahlen dazu.

Ende der siebziger Jahre, etwa 1978, hatten die 65-Jährigen eine Lebenserwartung in sehr guter Gesundheit von 4,1 Jahren. Diese Anzahl von Jahren in sehr guter Gesund­heit ist im Jahr 2006 – das sind die letzten verfügbaren Zahlen – auf mehr als das Dop­pelte angestiegen. Wir erwarten jetzt in etwa 8,7 Jahre in sehr guter Gesundheit für über 65-jährige Männer; bei Frauen liegt das in etwa in der gleichen Höhe, ganz ge­ringfügig höher.

Was bedeutet dies? – Das bedeutet, dass die Teilhabe von älteren Menschen an unse­rer Gesellschaft eine intensivere, eine aktivere ist. Wir sehen das beispielsweise auch an den Konsumausgaben. Ältere Menschen werden zu einem bedeutenden Wirt­schaftsfaktor.

Wir sehen, dass sich die Konsumausgaben in unserer Gesellschaft im Wesentlichen auf Wohnen und Ernährung konzentrieren, gefolgt vom Verkehr, und an dritter Stelle kommen Ausgaben für Freizeitaktivitäten. Das Interessante ist, dass die Pensionisten­haushalte in den Anteilen vom verfügbaren Budget, die ausgegeben werden, der gene­rellen Gesellschaft fast um nichts nachstehen, das heißt, die Ausgabenstärke bei den Freizeitaktivitäten spiegelt die aktive Teilhabe der älteren Bevölkerung an unserer Ge­sellschaft wider, und das wird sich in Zukunft wahrscheinlich noch verstärken.

Viele Herausforderungen sind mit diesen Strukturveränderungen verbunden, die meis­ten wurden bereits genannt. Ich werde daher nur ein paar Zahlen zu den einzelnen Elementen hinzufügen. Großes Herausforderungsthema sind natürlich die Pensionen. Wir haben noch nicht über die Belastungsquoten gesprochen, das heißt, wie sich das Verhältnis von älterer Bevölkerung und Erwerbsbevölkerung entwickelt.

Heute, im Jahr 2013, kommen auf 100 Erwerbstätige 29,5 Personen, die über 65 Jahre alt sind. Im Jahr 2030 werden das bereits 42 Personen sein und im Jahr 2060 55 Per­sonen.

Zum Thema Pensionsantrittsalter: Die Differenz zwischen dem gesetzlichen und dem tatsächlichen Pensionsantrittsalter wurde bereits erwähnt. Bei den Männern beträgt das tatsächliche Pensionsantrittsalter im Durchschnitt 59,4 Jahre, bei den Frauen 57,4 Jahre. Was wir allerdings beobachten – das wurde ja bereits erwähnt –, ist, dass der Antritt von Invaliditätspensionen, sowohl was die Anträge als auch was die Aner­kennungen betrifft, deutlich zurückgegangen ist und dass eine Angleichung des tat­sächlichen an das gesetzliche Pensionsantrittsalter im Gange ist.

Zum Thema Gesundheitssystem und Pflege: In beiden Bereichen gibt es Prognosen, was die Ausgaben betrifft, die von der Europäischen Union für alle Mitgliedstaaten er­stellt wurden. Natürlich ist in einer alternden Gesellschaft mit einem Anstieg bei den Ausgaben zu rechnen, sowohl was das Gesundheitssystem betrifft als auch was das Pflegesystem betrifft. Wir haben heute in etwa 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Aufwendungen für das Gesundheitssystem zu verbuchen, und die Prognosen zei­gen, dass das im Jahr 2030 auf 8 bis 9,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen wird. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Die Nachfrage nach Pflegeunterstützung wird schon rein aus demographischen Grün­den zunehmen. Da beträgt der Kostenanteil heute 1,6 Prozent des Brutto­inlandspro­dukts, und er wird bis zum Jahr 2030 auf 2 bis 2,5 Prozent steigen.

Es ist allerdings zu sagen, dass mit Zunahme der absoluten Zahl von älteren Men­schen nicht automatisch auch eine Zunahme der Kosten – sowohl was die Gesundheit als auch was die Pflege betrifft – verbunden sein muss, denn vieles ist durch Techno­logie, Innovation, teurere Behandlungsmaßnahmen oder eben günstigere Behand­lungsmaßnahmen, die effizienter sein könnten, getrieben. Was wir allerdings sehen, ist, dass der wesentliche Kostenanteil auf die allerletzten Lebensjahre konzentriert ist. Dort sehen wir rein aus demographischen Gründen in Zukunft eine größere Herausfor­derung auf uns zukommen, als das heute noch der Fall ist.

Wohn- und Lebensformen werden sich verändern. Herr Bundesminister Mitterlehner hat das bereits angeschnitten. Wir sehen in der Vergangenheit die Tendenz, dass Per­sonen, die über 65 Jahre alt sind, zunehmend in Ein-Personen-Haushalten leben. Der­zeit kommen 485 000 Personen in Ein-Personen-Haushalten aus dieser Altersgruppe. Diese Zahl wird bis zum Jahr 2050 auf fast das Doppelte, nämlich auf 800 000 Perso­nen, ansteigen, die im Alter von über 65 Jahren in einem Ein-Personen-Haushalt leben werden. Das heißt, es entstehen Anpassungsnotwendigkeiten, was die Infrastruktur betrifft. Seniorengerechte Wohneinheiten müssen geschaffen werden, und es muss si­chergestellt sein, dass die Generationsverbindung möglich wird – auch durch Wohnfor­men, die man heute für die Zukunft planen muss.

Bei Erwerbstätigen kommt es ebenfalls zu einer Strukturveränderung, was die Alters­struktur innerhalb der erwerbsfähigen Personen – das sind die 15- bis 65-Jährigen betrifft. Da sehen wir, dass die absolute Zahl der 15- bis 44-Jährigen sinken wird. Heu­te gehören 2,6 Millionen Personen zu dieser Altersgruppe, die Größe dieser Personen­gruppe wird aber bis 2050 auf 2,4 Millionen Personen sinken. Demgegenüber steigt die Zahl der Personen, die zwischen 45 und 65 Jahren alt sind, im selben Zeitraum von 1,4 auf 1,7 Millionen Menschen.

Das bedeutet, altersgerechte Arbeitsplätze werden immer wichtiger, aber es gilt auch sicherzustellen, dass die Innovationskraft unserer Wirtschaft erhalten bleibt, weil es nicht mehr so sein wird, dass automatisch junge Personen mit neuen Ideen nachrü­cken, sondern der Innovationsprozess muss sich durch zunehmendes Lernen weiter­entwickeln und sichergestellt werden.

Dass es nicht einfach sein wird, ältere Menschen im Arbeitsleben zu behalten, zeigen Zahlen des Arbeitsmarkservice, die heute veröffentlicht worden sind. Da sehen wir, dass die Arbeitslosigkeit insbesondere bei den älteren Menschen im September 2013 im Vergleich zum Vorjahr um fast 25 Prozent gestiegen ist. Das heißt, in diesem Be­reich gilt es noch große Herausforderungen zu meistern.

Mein letzter Punkt ist, dass die Herausforderungen, die ich genannt habe, sowohl was die Bevölkerungsentwicklung und den Zuwachs als auch was den größeren Anteil von älteren Personen in unserer Gesellschaft betrifft, regional ungleich verteilt sein werden. Wir sehen, dass sich das Bevölkerungswachstum in Österreich auf die Ballungsräume und deren Umfeld konzentrieren wird. Dort, wo neue Personen hinzukommen, vor al­lem durch internationale Migration, gibt es eher eine jüngere Gesellschaft, und dort, wo weggezogen wird – das sind die strukturschwächeren Gebiete wie zum Beispiel das nördliche Waldviertel, die Mur-Mürz-Furche oder dezentrale Bezirke Kärntens oder auch des südlichen Burgenlandes –, werden wir nicht nur eine sinkende Bevölkerungs­zahl sehen, sondern auch einen höheren Anteil an älteren Menschen vorfinden, weil äl­tere Menschen dieser Mobilität natürlich weniger unterliegen als die jüngeren Genera­tionen.

Das wirft Infrastrukturfragen auf, es wirft Fragen der mobilen Pflege auf, und diese Fra­gen sind der Politik, wie wir gesehen haben, durchaus bewusst und werden auch Be­handlung finden.

Zum Abschluss: Wie bereits erwähnt wird unsere Gesellschaft in 20 Jahren deutlich anders aussehen. Wir werden einen deutlich höheren Migrationsanteil haben, Integra­tion in unsere Gesellschaft wird ein ganz wichtiges Thema sein, aber der Umgang mit einer alternden Gesellschaft muss als Positivum interpretiert werden. Es ist durchaus positiv, eine höhere Lebenserwartung in besserer Gesundheit verzeichnen zu können. Und deswegen, denke ich, können wir uns auch in der heutigen Enquete durchaus mit Optimismus dieser Zukunft nähern. Vielen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall.)

11.09


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Herzlichen Dank für Ihre Ausfüh­rungen, Herr Generaldirektor Dr. Pesendorfer.

Ich darf den zwischenzeitlich eingelangten Präsidenten des Österreichischen Senioren­bundes, Dr. Andreas Khol, sehr herzlich bei uns begrüßen. Herzlich willkommen! (Bei­fall.)

11.09.58„Herausforderung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“

 


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Wir kommen nun zum nächsten Thema. Ich darf dazu den Vorsitzenden der ÖGB-Pensionisten und -Pensionistinnen, Herrn Werner Thum, auch in Vertretung des ÖBG-Präsidenten Foglar, sowie in weite­rer Folge dann den Herrn Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer Dr. Richard Schenz um ihre Ausführungen bitten. – Bitte, Herr Thum.

 


11.10.20

Werner Thum (Vorsitzender der ÖGB-PensionistInnen)|: Ich möchte mich zuerst ein­mal recht herzlich erstens dafür bedanken, dass diese Enquete durchgeführt wird, und zweitens dafür, dass auch der Österreichische Gewerkschaftsbund eingeladen wurde, seine Position zur Situation der älteren Arbeitnehmer darzustellen.

Wir haben natürlich eine Fülle von Vorschlägen. Ich möchte mich aber im Wesentli­chen auf ein paar Punkte beschränken. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass wir in unserem Leitantrag, der im Juni beim letzten ÖGB-Kongress beschlossen wor­den ist, sehr umfangreiche Forderungen gestellt haben. Diejenigen, die es interessiert, können sich diesen Leitantrag – das ist ja in der heutigen Zeit kein Problem mehr – aus dem Internet herunterladen, um sich das genau anzuschauen.

Das Thema „Herausforderung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ hat Aus­wirkungen auf viele gesellschaftspolitische Bereiche. Dazu gehören – wir haben ja schon einige Beispiele dafür gehört – Gesundheitspolitik und Prävention – eine ganz wichtige Sache! –, Arbeitnehmerschutz – auch enorm wichtig; ich werde in weiterer Folge auf ein Beispiel genauer eingehen –, Schaffung von individuell angepassten Ar­beits­plätzen – was brauchen wir für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? –, das Arbeitsmarktservice für die Beschäftigungsmöglichkeiten älterer ArbeitnehmerIn­nen oder Fragen der Pensionsversicherung – klarerweise nicht unbedeutend. Gerade in der immer wieder aufflackernden politischen Diskussion über die Finanzierung der Pensionsversicherung stellt die Frage der Beschäftigung von älteren Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmern eine besonders wichtige Frage dar.

Ich möchte aufgrund der Komplexität und Breite des Themenfeldes nur einige Schwer­punkte herausgreifen, die aus unserer Sicht besonderer Berücksichtigung bedürfen, und zwar folgende: Beschäftigungssituation beziehungsweise Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das Schaffen von alternsgerechten Arbeitsplät­zen sowie die Gesundheitsförderung und Prävention am Arbeitsplatz.

Ich möchte, bevor ich im Detail auf die einzelnen Punkte eingehe, den Versuch einer Definition vornehmen.

Was sind altersgerechte Arbeitsbedingungen?

Altersgerecht sind sie, wenn die besonderen Anforderungen und Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer bei der Arbeitsumgebung, der Arbeitszeitgestaltung und den Leistungs­anforderungen berücksichtigt werden.

Alternsgerecht sind sie, wenn sie über das ganze Berufsleben hinaus so gestaltet sind, dass keine Spätfolgen der Arbeit auftreten und die Arbeitnehmer gesund, moti­viert und produktiv die Pension erreichen und diese auch gesund erleben können.

Für viele dieser Handlungen ist für mich ein Zitat des leider vor einem Vierteljahrhun­dert tödlich verunglückten ehemaligen Sozialministers Alfred Dallinger von besonderer Bedeutung. Alfred Dallinger hat einmal gesagt, Sozialpolitik hat die Aufgabe, Schäden am Menschen zu verhindern und sie nicht primär finanziell abzugelten. Ich glaube, das ist eine wichtige, eine enorm wichtige Aussage, die vor allem auch für die Gerechtigkeit gegenüber den älteren Mitgliedern der Gesellschaft eine große Bedeutung hat.

Auf welchen Ebenen spielen sich also die Herausforderungen im Zusammenhang mit älteren ArbeitnehmerInnen ab? Ist die Beschäftigung älterer Arbeitskräfte ein Problem des Individuums, der Wirtschaft, der Gesellschaft? Wenn man sich das alles genau an­sieht, dann wird man feststellen, dass das ein wichtiges Thema ist und alle diese Ebe­nen betrifft. Wir müssen künftig – das ist bereits vom Herrn Bundesminister Mitterleh­ner angedeutet worden – die Innovationsfähigkeit von Betrieben mit älteren Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern sicherstellen. Der Schlüssel hiefür liegt also in der Schaffung von alters- und alternsgerechten Arbeitsplätzen. Wir brauchen diese Arbeitsplätze ei­nerseits, und andererseits müssen sie so gestaltet sein, dass sie MitarbeiterInnen jeder Generation gewährleisten, dass sie gesund bleiben. Arbeit darf nicht krank machen.

Es gibt zwar schon einige Ansätze dafür, aber in der gelebten betrieblichen Praxis sieht das bedauerlicherweise vielfach anders aus, wenn es auch positive Einzelbeispiele gibt. Wir wissen, dass das Durchschnittsalter der österreichischen Bevölkerung steigen wird. Damit steigt auch das Alter der Beschäftigten.

Es geht letztendlich darum, diesen Strukturwandel und die Innovationsfähigkeit für ein gesünderes Wachstum auch mit älteren Arbeitskräften zu gewährleisten. Die österrei­chischen Betriebe müssen sich damit auseinandersetzen. Die gängige Praxis des vor­zeitigen, des frühzeitigen Hinausstellens Älterer führt dazu, dass zu wenig Erfahrung im Bereich der Förderung von Arbeitsfähigkeit bis ins höhere Erwerbsalter gesammelt wurde.

Von der Arbeiterkammer Österreich wurde im Herbst 2012 eine Erhebung unter den oberösterreichischen Betriebsratsvorsitzenden zum Thema „Erhalt der Arbeitsfähigkeit“ durchgeführt. 63 Prozent sagen aus, dass die Arbeitsbedingungen im Betrieb die Ge­sundheit der KollegInnen stark belasten. Besonders in jenen Betrieben, in denen kör­perlich schwer gearbeitet wird, in denen die Arbeitszeitregelungen gesundheitlich be­lastend sind, sehen die BetriebsrätInnen oft wenig Chance für ihre KollegInnen, bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter durchzuhalten.

Ein gezieltes Alterns-Management im Sinne einer Gesamtstrategie, um mit Alter und Altern produktiv umzugehen, gibt es nur in jedem zehnten Betrieb. Als häufigster Grund – und damit schließt sich der Kreis zu dem, was ich vorher gesagt habe – wird von den Betriebsräten mangelndes Problembewusstsein des Managements angege­ben. Eine empirische Studie kommt in Deutschland zu einem ähnlichen Ergebnis.

Wenn wir uns die Arbeitslosen-Statistiken ansehen, dann bemerken wir, dass die Ar­beitslosenzahlen bei Menschen über 50 steigen. Bundesminister Hundstorfer hat zwar gesagt, erfreulicherweise ist im heurigen Jahr die Zahl der Beschäftigten über 50 Jahre auch gestiegen, unbeschadet dessen ist aber die Zahl der Arbeitslosen über 50 eben­falls gestiegen – das ist der demographische Wandel, der eintritt.

2012 waren rund 24 Prozent der Arbeitsuchenden zwischen 50 und 64 Jahren inklusi­ve der Schulungsteilnehmer arbeitslos – das sind 66 000 Menschen. 16 000 der über 50-jährigen Arbeitsuchenden haben gesundheitliche Vermittlungseinschränkungen. Die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit nimmt mit zunehmendem Alter zu. Sie ist länger, je älter die Menschen sind. Das zeigt noch einmal mehr als deutlich, dass es offenbar zu wenige Arbeitsplätze für ältere Menschen gibt. So sind in der Altersgruppe 55 plus nur 9 Prozent in Betrieben beschäftigt, obwohl der Anteil der über 55-Jährigen in Öster­reich 17 Prozent beträgt.

Der Betriebsratsvorsitzende der Filiale eines großen internationalen Konzerns in Öster­reich hat mir vor nicht allzu langer Zeit ein erschreckendes Beispiel erzählt. Er hat ge­sagt, bei der Aufsichtsratssitzung wurde der Personalplan – eines großen internationa­len Unternehmens! – für die nächsten fünf Jahre vorgelegt. Auf Nachfrage des Be­triebsrates erhielt er die Auskunft, dass es in fünf Jahren keinen einzigen Beschäftigten mehr geben wird, der älter als 60 Jahre ist. Aber gleichzeitig hören wir von den glei­chen Leuten, es müsse etwas getan werden, damit die Menschen später in Pension gehen. Aber es gibt diese Arbeitsplätze nicht! Das ist eine wichtige und wesentliche Sache, die wir bei der ganzen Diskussion immer wieder berücksichtigen müssen.

Das sind ein paar prägnante Beispiele zur Beschäftigungssituation.

Wichtig ist, dass entsprechende Arbeitsplätze vorhanden sind und die Menschen auch arbeiten können. Hier muss aus unserer Sicht ein umfassendes Umdenken erfolgen. Wenn gefordert wird, dass die Menschen länger arbeiten, dann muss das auch ermög­licht werden. Es ist nicht möglich, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit 45 bereits als zu alt für den Arbeitsmarkt angesehen werden. Es ist sicher nur dann mög­lich, wenn die Gesundheit auch in höheren Lebensjahren erhalten bleibt. Dazu gehören Arbeitsplätze, die die Gesundheit physisch und psychisch erhalten. Das ist enorm wichtig.

Wir fordern daher als ÖGB geeignete Maßnahmen, die dieser Entwicklung gegensteu­ern. Ein sinnvolles Beispiel wäre, und der Herr Bundesminister hat es bereits auch er­wähnt, ein Bonus-Malus-System in Form eines Quotenmodells. Damit sollen Unterneh­men auch einen kleinen Beitrag an die Gesellschaft leisten, wenn sie Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer vor dem Regelpensionsalter kündigen. Das würde bedeuten, dass, wenn der Prozentsatz der Beschäftigten über 55, also 55 plus, niedriger ist als bei der Gesamtbeschäftigungszahl, eine kleine Abgabe zu bezahlen ist, die auch zweckgebunden für die Förderung altersgerechter Arbeitsplätze verwendet werden kann.

Wir brauchen hier aber neben diesen Dingen vor allem auch gesunde Arbeitsplätze. Es geht um die psychische Gesundheit. Wir wissen, dass die Ursachen für Berufsunfähig­keits- beziehungsweise Invaliditätspensionen bereits zu 30 Prozent psychische Erkran­kungen sind. Es ist daher sehr wichtig und sehr wesentlich, dass beim ArbeitnehmerIn­nenschutz ab 1. Jänner 2013 Unternehmungen zur Evaluierung der psychischen Be­lastung verpflichtet sind. Es muss jetzt nur noch umgesetzt werden. Wir haben bis jetzt noch keine Erfahrungen, wie das tatsächlich läuft. Aber ich glaube, dass hier ein sehr wichtiger und sehr wesentlicher Schritt in die richtige Richtung gemacht wurde.

Zweite Sache: Muskel- und Skeletterkrankungen – sehr wichtig und sehr wesentlich. Da müssen langfristige Maßnahmen ergriffen werden. Als Beispiel möchte ich nur an­führen: Wir würden sehr gerne eine Verordnung zum Heben und Tragen für die Trans­parenz und Rechtssicherheit über die zulässigen Grenzlasten haben.

Das sind also ein paar Dinge, die sehr wichtig und sehr wesentlich sind und auch einen Beitrag dazu leisten können, dass wir das faktische Pensionsalter letztendlich entspre­chend anheben können. Die Schritte in die richtige Richtung, die wir zum Teil auch in den Sozialpartnergesprächen 2011 in Bad Ischl gemacht haben, müssen aber nun der Reihe nach umgesetzt werden.

Die Evaluierung der psychischen Belastung ist sehr wichtig und sehr wesentlich. Wir werden uns das genau anschauen. Bundesminister Hundstorfer hat es erwähnt, es gibt das Serviceangebot für Unternehmungen, das fit2work, wo Beratungen angeboten werden, um Arbeitsplätze gesünder zu gestalten. Es gibt auch Beispiele, wo viele sol­che Dinge bereits umgesetzt wurden. Ich möchte hier nur einen Betrieb in Bruck an der Mur anführen – auch das lässt sich im Internet abrufen –, wo auf Sozialpartnerebene derartige Maßnahmen gefördert werden. In diesem Betrieb wurden alle Arbeitsplätze auf belastende Tätigkeiten überprüft, die durch körperlich anstrengende Arbeit, Belas­tungen durch Lärm, Hitze, Zeitdruck, Stress, bis zu Nachtarbeit und Schichtarbeit, vor­handen sind. Danach wurde eine systematische Einschätzung des Risikos der einzel­nen Arbeitsplätze gemacht, und diese war Ausgangspunkt für zahlreiche arbeitsplatz­bezogene und verhaltensbezogene Maßnahmen.

Wichtig und wesentlich sind aber auch viele andere Dinge. Bestimmte Tätigkeiten kann ich nicht mein ganzes Leben lang ausüben. Dazu gibt es das Beispiel des Dachde­ckers, der mit 65 Jahren sicherlich nicht mehr auf dem Dach herumklettern kann, von Einzelfällen abgesehen. Hier müssen daher auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden.

Wir wollen da viele Dinge machen, wobei wichtig und wesentlich ist, wenn man diese Beispiele zusammenfasst: Die Arbeitsmarktsituation für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist äußerst schwierig. Aufgrund des demographischen Wandels ist es er­forderlich, dass das Thema weiterhin intensiv diskutiert wird und Maßnahmen umge­setzt werden. Die Erfüllung unserer Forderung zur Schaffung alternsgerechter Arbeits­plätze und zur Gesundheitsförderung ist daher eine wichtige Investition für die Zukunft.

Gestatten Sie mir zum Abschluss, ein persönliches Erlebnis zu erzählen, wie man mit dem Alter umgeht. Ich war im vorigen Jahrhundert – aufgrund meines Alters kann ich das sagen – in der Pensionsversicherung beschäftigt, und die letzten paar Jahre, bevor ich aus dem Betrieb ausgeschieden bin, sind etliche Kolleginnen und Kollegen zu mir gekommen und haben gesagt: Du, wir kennen uns noch aus der Gewerkschaftsjugend, ich hätte gern diese oder jene Auskunft über meine künftige Pension. – Abgesehen da­von war es damals noch relativ einfach, diese Auskunft zu erteilen. Heute wäre das wahnsinnig schwierig. Das ändert sich erst durch das Pensionskonto.

Ich habe mir am Anfang gedacht: Was wollen die von mir? Wieso will so ein junger Mensch zu mir kommen und über seine künftige Pension etwas wissen?, bis ich dann draufgekommen bin – das war auch ein Umdenkprozess bei mir –: Die sind in meinem Alter, und ich stehe demnächst vor derselben Situation.

Das heißt, wir wollen das eigene Alter nicht wahrnehmen. Wir werden dann durch ei­nen Schock darauf hingewiesen. Und daher bedeutet das auch, dass man in den Be­trieben damit sehr sorgfältig umzugehen hat, weil sich dadurch rapid viele Dinge ver­ändern, wenn man sagt: Sie sind zu alt!, oder: Ab morgen sind Sie nicht mehr hier!, oder: Sie machen ab jetzt eine ganz einfache Arbeit, die mit einem anderen Einkom­men verbunden ist!, und Ähnliches. – Das sind eine paar Dinge, die wir mit überlegen sollten.

Eine letzte persönliche Bemerkung noch. Beim vorletzten ÖGB-Kongress, also vor vier Jahren, habe ich gesagt: Liebe Freunde, wenn ich so in die Runde der Delegierten schaue, dann muss ich feststellen, es werden beim nächsten ÖGB-Kongress – der jetzt im Juni stattfand – etliche, die jetzt als Delegierte da unten sitzen, nicht mehr da­bei sein, weil sie bereits Pensionisten sein werden. Nachher ist ein Kollege zu mir ge­kommen und hat gesagt: Das sind Dinge, an die ich eigentlich bis jetzt nicht gedacht habe.

Wir brauchen für Arbeitnehmer also die entsprechende Unterstützung, wir brauchen aber auch Maßnahmen, die es ermöglichen, dass ältere Menschen in Würde und ge­sund altern können. Dazu bedarf es auch in der Arbeitswelt eine ganze Reihe von Ver­änderungen, die wir angegangen sind, wo es aber noch viel zu tun gibt.

Ich möchte mich nochmals recht herzlich für die Einladung bedanken und dafür, dass wir hier einen kleinen Beitrag zur Diskussion über dieses Thema leisten konnten, einer Diskussion, die – davon bin ich überzeugt – weiter fortgesetzt werden wird. (Beifall.)

11.31


Vorsitzender Vizepräsident Mag. Harald Himmer|: Danke für Ihre Ausführungen.

Das Stichwort Gesundheit ist ja heute schon öfter gefallen, und ich darf sehr herzlich die Stadträtin für Gesundheit und Soziales in Wien, Frau Mag. Sonja Wehsely, bei uns begrüßen. Herzlich willkommen! (Beifall.)

Es freut mich, nun dem Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer Österreich das Wort zu erteilen. – Bitte, Herr Dr. Schenz.

 


11.32.07

Vizepräsident Dr. Richard Schenz (Wirtschaftskammer Österreich)|: Herr Präsident! Meine Herren Präsidenten des Seniorenverbandes! Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens möchte ich dazu gratulieren, dass der Bun­desrat zu diesem Thema eine Enquete macht. Es ist ein ganz wichtiges Thema, das natürlich in viele Lebensbereiche hineinreicht, von der Pension angefangen über das Wohlbefinden der Mitarbeiter und, und, und.

Das Zweite, was ich sagen möchte, ist: Offenbar wurde ich zu dieser Enquete dele­giert, weil ich der Älteste im Wirtschaftskammerpräsidium bin. Ich habe das an sich ganz gerne gemacht, obwohl ich kein Spezialist bin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die Bevölkerung immer älter wird, ist ein Faktum in der Europäischen Union und damit natürlich auch in Österreich. Es ist vielleicht recht interessant, einen kurzen Blick auf die EU-27 zu werfen. Ich werde ver­suchen, möglichst wenige Zahlen zu nennen, auch wenn schon sehr viele Zahlen ge­nannt wurden. Dies lässt sich bei so einem Thema natürlich nicht vermeiden.

Europäische Union: 2012 entfielen auf jede Person im Alter von über 65 Jahren vier Er­werbstätige im Alter von 15 bis 64. Im Jahre 2060 werden laut Forecast auf eine Per­son über 65 Jahre nur noch zwei Personen im erwerbsfähigen Alter entfallen.

Die gegenwärtige demographische Situation in der EU ist zwar gekennzeichnet durch anhaltendes Bevölkerungswachstum, aber auch durch eine alternde Bevölkerung. Viel­leicht nur zwei Zahlen – das ist recht interessant –: Das Medianalter in der EU der 27 im Jahre 2010 war 40,9 Jahre. Im Jahre 2050 werden es um sieben Jahre mehr sein, also 47,6 Jahre.

Im EU-Durchschnitt wird in den kommenden Jahren mit einem geringen Rückgang der Zahl der Kinder und Jugendlichen im Alter von bis zu 14 Jahren gerechnet, mit einem massiven Anstieg der Zahl der Menschen im Alter von 65 plus – das haben wir alles heute schon mehrfach gehört – und einem deutlichen Rückgang der Altersgruppe der Erwerbstätigen.

Es gibt aber erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Ländern. Einen mas­siven Rückgang der Zahl der Menschen im Erwerbsalter, sprich im Alter von 15 bis 64, wird es zum Beispiel in Deutschland, Italien, Polen, Ungarn und Tschechien geben, ei­nen relativ geringen Rückgang wird es in Österreich und in Finnland geben und einen zum Teil beträchtlichen Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen in Großbritannien und Ir­land. – Also ich habe vom Durchschnitt gesprochen, aber in den einzelnen Ländern schaut es unterschiedlich aus.

Wie ist es nun in Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren? Die Zahlen ha­ben wir schon gehört, ich nenne nur zwei: Im Jahre 2012 hatten wir 8,4 Millionen Ein­wohner, im Jahre 2050 werden wir 9,4 Millionen, also um eine Million Menschen mehr, in Österreich haben.

Der Zuwachs entsteht durch eine angenommene starke Nettozuwanderung – das ha­ben wir auch schon gehört –, aber auch durch die steigende Lebenserwartung. Bis 2030 wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 um mehr als 100 000 Personen zurückgehen. Die Zahl der Über-65-Jährigen wird dramatisch, im­merhin um 43 Prozent, ansteigen. Das bedeutet, die Gruppe der über 50-jährigen Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird überproportional zunehmen. Schon ab 2017 werden aus Altersgründen mehr Personen aus dem Berufsleben ausscheiden als in das Berufsleben eintreten werden.

Welche Herausforderungen ergeben sich für den österreichischen Arbeitsmarkt? – Bei Frauen sinkt die Erwerbsquote nach Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters und bei Männern sinkt die Erwerbsquote noch vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsal­ters. Und das faktische Pensionsantrittsalter liegt in Österreich derzeit – diese Zahl werden Sie sicherlich schon mehrfach gehört haben – bei 58,4 Jahren. Wir sind also weit entfernt von den gesetzlichen Grenzen.

Im EU-Vergleich ist die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen in Österreich seit 2004 von 28,8 auf 43,1 Prozent im Jahr 2012 gestiegen. Das ist ein erfreulicher Anstieg, gar keine Frage, wenn auch das Ausgangsniveau ein sehr niedriges ist. Öster­reich liegt hinsichtlich der Erwerbsquote noch immer deutlich unter dem EU-Schnitt. Während der EU-Schnitt bei 48,9 Prozent liegt, beträgt die Erwerbsquote bei uns 43,1 Prozent, ist also immerhin fünf Prozentpunkte niedriger.

Warum ist die Anhebung der Erwerbsquote für ältere Arbeitnehmer notwendig? – In der Zwischenzeit wissen wir es alle: um die Systeme der sozialen Sicherheit auch in den kommenden Jahren einer steigenden demographischen Belastung tragfähig zu machen, und zweitens ist es eine ökonomische Notwendigkeit zur Erhaltung des Ar­beitskräftepotenzials im Hinblick auf die demographisch bedingte Alterung der Erwerbs­bevölkerung.

Der früher oft dagegen vorgebrachte Einwand, dass längeres Arbeiten der Älteren die Arbeitsmarktchancen der jungen Berufseinsteiger verringert, ist aktuellen Studien zufol­ge nicht mehr zutreffend. Vielmehr ist es so, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer gut in den Arbeitsmarkt integriert werden können und auch keine Verdrängung anderer Altersgruppen, insbesondere Jugendlicher, zu befürchten ist und dass eine Verlängerung der Erwerbskarrieren den öffentlichen Haushalt, wie wir schon wissen, entlastet und letztlich auch das Budget für die kommenden Jahre entlasten wird.

Deutschland konnte innerhalb der letzten zehn Jahre die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen von 40 Prozent auf 60 Prozent markant steigern. Würde Österreich dasselbe gelingen, würden die Bruttoeinkommen um 10 Milliarden € steigen, das BIP um 7,4 Prozent und der öffentliche Haushalt würde bis 2022 um 7,4 Milliarden € entlas­tet werden.

Was ich mich natürlich schon frage, ist: Warum bringen die Deutschen das zusammen und wir nicht? – Also irgendwie müsste man analysieren, warum das so ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeitslosenquote bei den über 50-Jähri­gen liegt mit 7,4 Prozent nur unwesentlich über der allgemeinen Arbeitslosen­quote von 7 Prozent. – Herr Vorsitzender Thum, da haben wir ein bisschen unterschiedliche Zah­len, ich weiß nicht, warum, aber das ist halt so in der Statistik. – Ältere werden nicht häufiger arbeitslos, aber sie müssen länger in der Arbeitslosigkeit verweilen. 2012 be­trug die Verweildauer 121 Tage, während die Verweildauer über alle Altersgruppen hin­weg immerhin noch 94 Tage beträgt, aber doch kürzer ist.

Ein erfolgreiches Instrument zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser in den Ar­beitsmarkt ist die AMS-Eingliederungsbeihilfe – ein Zuschuss für Betriebe zu den Lohn­kosten bei der Einstellung älterer Arbeitnehmer. Knapp drei Viertel der so Eingestellten bleiben im Arbeitsprozess, auch wenn die Förderung durch das AMS wegfällt. Die Kos­ten der Förderung werden vollständig durch die zusätzlichen Einnahmen wie Lohn­steuer oder Sozialversicherungsabgaben kompensiert. Dies ist also ein sehr erfolgrei­ches Modell, das wir unbedingt beibehalten sollten.

Was bedeutet das Älterwerden der österreichischen Gesellschaft für die österreichi­schen Unternehmen? – Österreichische Betriebe sollten im Durchschnitt auch bei älte­ren Belegschaften produktiv und wettbewerbsfähig bleiben. Die österreichische Wirt­schaft kann es sich nicht leisten, auf das Potenzial älterer Arbeit­nehmerinnen und Ar­beitnehmer zu verzichten. Eine Steigerung der Beschäftigungsquote ist erforderlich, um die Systeme der sozialen Sicherheit nachhaltig tragfähig zu gestalten und um inter­national wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Europäische Union verliert gegenüber den USA und Asien 20 Prozent an Produk­tivität, weil das durch Erfahrung gewonnene Wissen älterer Mitarbeiter in Europa nicht zu Verfügung steht, wenn wir sie zu früh in Pension schicken. Ältere Mitarbeiter ma­chen deutlich seltener schwere Fehler, deren Beseitigung oft teuer ist, als jüngere Mit­arbeiter. Und es stimmt nicht, dass jüngere Mitarbeiter produktiver sind als ältere. Dazu gibt es eine deutsche Studie aus der Automobilindustrie.

Ziel muss es daher sein, wertvolles Erfahrungswissen und Mitarbeiter möglichst lange im Betrieb zu halten. Dieses Wissen darf nicht durch vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsleben unwiederbringlich verloren gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man älter wird, entwickelt man unter­schiedliche Fähigkeiten. Zunehmen werden Berufserfahrung, betriebsspezifisches Wis­sen, Urteilsvermögen, Verantwortungsbewusstsein und so weiter; abnehmen werden natürlich körperliche Leistungsfähigkeit, Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und letztlich auch Aufstiegsorientierung – was allerdings dem seelischen Wohlbefinden eines Mitarbeiters vielleicht gar nicht so schlecht tut, wenn er sagt: Ich will eigentlich nichts mehr werden, ich möchte einen ordentlichen Job machen, so wie es mir persön­lich geht. Ich fühle mich dabei pudelwohl.

Um die Produktivität älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhalten bezie­hungsweise sogar zu verbessern, sollen ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Stärken und Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden. Als ich noch bei der OMV war, war es beispielsweise so, dass jene Mitarbeiter, die einen schweren Job hatten, nämlich im Marchfeld im Ölfeld gebohrt haben, im Sommer bei plus 35 Grad, in der Nacht im Winter bei minus 20 Grad, mit 50 Jahren dort natürlich nicht mehr einsetzbar waren.

Was haben wir gemacht? – Wir haben sie in den Innendienst geholt, haben sie zu Por­tieren, zu Garagenmeistern ausgebildet, und sie haben dort weiterhin eine Tätigkeit ausgeübt. Wir mussten sie schulen, das ist keine Frage, denn wenn ein Kunde in die OMV gekommen ist und der ehemalige Bohrmeister, Bohrarbeiter gefragt hat: Wo wol­len S’ denn hin?, dann war das eben nicht die richtige Ansprechform. Aber immerhin haben wir sie umgeschult. (Vizepräsidentin Mag. Kurz übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Experten haben vier Handlungsfelder defi­niert, welche Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit ergriffen werden können. Ich mache das jetzt ganz kurz. Im Bereich der Führungs- und Unternehmenskultur sollen die älteren Arbeitnehmer das Gefühl haben, dass der Chef sie schätzt. Weiters: eine altersgerechte Arbeitsorganisation. Die betriebliche Gesundheitsförderung ist auch nicht unwichtig. Qualifikation, Weiterbildung und sogenanntes lebenslanges Lernen sind wesentlich. Also auch ältere Arbeitnehmer sollen in ihrem neuen Job weitergebildet werden. Ziel unserer Unternehmer muss es daher sein, diese Altersgruppe beim Erhalt der Arbeitsfähigkeit zu unterstützen.

Natürlich haben wir uns auch als Wirtschaftskammer bei der Nase zu nehmen. Wir ver­treten ja die Unternehmer, die nicht alle darauf vorbereitet sind, ältere Arbeitnehmer vernünftig einzusetzen. Wir halten Informationsveranstaltungen für die Betriebe ab. Die Wirtschaftskammer betreibt gemeinsam mit dem Gewerkschaftsbund, der Arbeiterkam­mer und der Industriellenvereinigung die Website arbeitundalter.at. Diese ist ein Infor­mationsportal für Unternehmer, Belegschaftsvertreter, Experten und Unternehmensbe­rater und enthält erfolgreiche Beispiele österreichischer Unter­nehmen.

Ich komme zum Schluss: die Forderungen der Wirtschaftskammer Österreich, an wen auch immer, im Wesentlichen natürlich auch an die Politik. 33 Prozent der Unterneh­men entwickeln konkrete demographiebezogene Maßnahmen und setzen diese auch um. Also immerhin ein Drittel der Unternehmen hat sich dieser Situation angepasst. 42 Prozent befinden sich in der Analyse- und Prognosephase und identifizieren Risken, das sind noch die Unsicheren. Und 25 Prozent sammeln erst Informationen, wie man damit umgeht.

Kleine und mittlere Unternehmen haben noch größere Schwierigkeiten, das Thema al­tersgerechte Arbeit anzugehen, da sie nicht wie die Großunternehmungen die entspre­chenden Ressourcen im Haus haben. Vor allem KMUs brauchen daher mehr Unter­stützung bei der Bewältigung des demographischen Wandels.

Zur Unterstützung bei der Umsetzung von Maßnahmen im Bereich des altersgerechten Arbeitens fordert die Wirtschaftskammer Österreich geförderte Betriebsberatung für KMUs für Analyse- und Maßnahmenplanung und eine finanzielle Unterstützung bei den Kosten der Einführung von Maßnahmen für altersgerechtes Arbeiten, etwa wenn bauli­che Adaptierungen von Arbeitsplätzen notwendig werden.

Eine längere und produktivere Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer erfordert auch Anpassungen bei den politischen Rahmenbedingungen. So fordern wir eine Lohnnebenkostensenkung für über 50-Jährige. Das haben wir schon gehabt, ich bin aber nicht sicher, ob das fortgesetzt wurde. Das sollte auf alle Fälle weiter ge­schehen.

Wir fordern weiters Aktivitäten der Kollektivvertragsverhandler zur Abflachung der Ein­kommensentwicklung. Bestrebungen, das Senioritätsprinzip zu durchbrechen, sind auf alle Fälle fortzusetzen. Junge sollen etwas mehr bekommen, bei den Älteren soll eben eine Abflachung stattfinden.

Altersteilzeitmodelle sind weiterzuentwickeln. Davon gibt es schon eine Reihe. Die Weiterbildung älterer Arbeitskräfte ist ein zentrales Thema für den Erhalt ihrer Arbeits­fähigkeit und Produktivität. Das bestehende Förderprogramm des AMS für die betrieb­liche Weiterbildung älterer Beschäftigter ist daher unbedingt fortzuführen.

Das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, ESF, kofinanzierte Programm ist der­zeit nur bis Ende 2013 gesichert. Ich hoffe, dass dieses Programm verlängert wird. Ich könnte mir vorstellen, dass viele EU-Mitglieder sehr daran interessiert sind, dass die­ses ESF-Programm fortgesetzt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war mein bescheidener Beitrag zu die­sem Thema, aber nochmals: Herzlichen Glückwunsch zu diesem Thema. Es müssen auch Maßnahmen daraus folgen. Unsere älteren Arbeitnehmer werden das seelisch sehr gut aufnehmen, habe ich das Gefühl, es gibt ja viele, die weiterarbeiten wollen, aber daran gehindert sind. – Punkt eins.

Punkt zwei werden es uns unsere Kinder und Kindeskinder danken, wenn wir uns mit der demographischen Entwicklung in Österreich, aber auch im übrigen Europa, da wir doch mehr oder weniger ein Single Market sind, befassen. – Recht herzlichen Dank. (Beifall.)

11.53


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz|: Danke für Ihre Ausführungen, Herr Vizepräsident.

Ich erteile nun der ersten Referentin des heutigen Vormittags das Wort und darf in die­sem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es ja die Frauen sind, die die Mehrheit in der Bevölkerungsgruppe stellen, über die wir heute diskutieren, und dass dieser Anteil in Zukunft ja noch weiter steigen wird.

Ich freue mich, die Stadträtin für Gesundheit und Soziales der Stadt Wien, Frau Mag. Sonja Wehsely, bei uns zu begrüßen. – Bitte.

„Gesundheitspolitik für ältere Menschen“

 


11.53.45

Mag. Sonja Wehsely (Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Wien)|: Frau Präsiden­tin! Bezüglich der Gesellschaft haben Sie vollkommen recht, in den politischen Orga­nen haben wir es noch nicht ganz geschafft. Und wenn es so langsam weitergeht, wie es in den letzten Jahren gegangen ist, werden wir noch sehr lange warten müssen. Da­mit können wir uns natürlich nicht zufrieden geben. Aber wie immer sind ja Geschlech­terfragen Machtfragen und somit auch diese.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Es liegt in der Natur der Sache, dass, wenn man als Kommunalpolitikerin, als Landespolitikerin zum Thema „Ältere Menschen“, im Konkreten „Gesundheitspolitik für ältere Menschen“ sprechen darf, dies sozusagen sehr handfest ist, weil wir ja in den Ländern und in den Gemeinden ganz handfest damit zu tun haben, was der demographische Wandel, der steigende Anteil an älteren Menschen in unserer Gesellschaft bedeutet, was die kon­krete Tätigkeit, die konkrete Arbeit vor Ort angeht. Man sagt ja immer, Budgets sind die in Zahlen gegossene Politik – und das sieht man dann eben ganz konkret.

Obwohl das Thema „Gesundheitspolitik für ältere Menschen“ lautet, habe ich mich da­für entschieden, mich auch mit dem Thema der Pflege zu beschäftigen, denn die Frage der Trennung zwischen Pflege und Gesundheit ist ausschließlich – und ich sage das jetzt unter Anführungszeichen – „eine Finanzierungsfrage“ für die betroffenen Men­schen und deren Angehörige. Der Umstand, dass der eine Bereich sozialhilfefinanziert ist, der andere Bereich eben gesundheitsfinanziert ist, ist für jene Menschen, die da ein Anliegen haben, die Bedürfnisse haben, die Versorgung brauchen, verhältnismäßig ir­relevant. Daher möchte ich das gerne gemeinsam behandeln.

Gesundheitspolitik, Pflegepolitik für ältere Menschen – da ist so wie in vielen anderen Politikfeldern, die Sie heute schon diskutiert haben oder noch diskutieren werden, be­reits der Begriff „ältere Menschen“ sehr unklar. Die ältere Generation hat ja mittlerweile einen Spread, der ganz unterschiedliche Bedürfnisse mit sich bringt, wo es die große Aufgabe der Politik ist, diese unterschiedlichen Bedürfnisse auch abzudecken. Darüber sind wir schon lange hinweg, zu glauben, man kann für die ältere Generation eine Lö­sung finden. Greti Schmid und ich sind da auf Landesebene große Kämpferinnen auch für die Diversität. So einfach ist das nicht, weil einfach Unterschiedliches notwendig ist und die Situation in Vorarlberg auch eine andere ist als in der Bundeshauptstadt, so­dass es da auch unterschiedliche Lösungen geben muss.

Was meines Erachtens für die ältere Generation wie für alle anderen Altersgruppen in unserer Gesellschaft gilt, ist, dass die Frage der Gesundheitspolitik und der Pflege­politik im Kern ganz klassisch eine soziale Frage ist. Wir wissen, gerade auch wenn es um den Gesundheitszustand von älteren Menschen geht, dass jene Menschen, die aus sozial schwachen Schichten kommen, die wenig verdienen, einen schlechteren Ge­sundheitszustand haben, weniger gesunde Lebensjahre haben, als das bei Menschen der Fall ist, denen es sozial besser geht.

Jetzt ist immer die Diskussion: Stimmt es wirklich, dass wir in Österreich weniger ge­sunde Lebensjahre haben als in anderen Staaten? – Ich bin da ein bisschen skeptisch, weil es nicht ganz klar ist, woran das wirklich gemessen wird, ob das ein statistischer Fehler ist oder nicht. Das bedeutet nicht, irgendetwas schönzureden, aber wenn ich mir die Statistiken anschaue, in welchen Ländern die Menschen angeblich länger gesund bleiben, so muss ich ehrlich sagen, stelle ich das einfach ein bisschen hausverstands­mäßig in Frage.

Was jedoch nicht in Frage zu stellen ist, weil das einfach harte Fakten sind, ist: Wann sterben die Menschen? – Ich nehme jetzt zum Beispiel Wien, aber das kann man sich sicher in den anderen Bundesländern genauso anschauen. Da sehen wir, dass im 19. Wiener Gemeindebezirk die Menschen länger leben als im 20. Diese beiden Be­zirke trennt der Donaukanal. Mir ist von der MA 45 nicht bekannt, dass dort giftige Ga­se herauskommen, daher wird es an der sozialen Lage liegen.

Das heißt, da haben wir auch neben allen Versorgungsfragen, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, ganz stark dasselbe Thema, das wir in allen anderen Le­bens- und Altersbereichen auch haben, nämlich dass natürlich auch für die ältere Ge­neration die soziale Frage und die Frage: Wie gelingt es uns, eine möglichst gute so­ziale Lage zu schaffen, in der dann vieles impliziert ist? – ich werde später darauf zu sprechen kommen –, zu stellen ist.

Ich möchte mit der Pflege beginnen, wo für mich als Stadträtin, die für den Bereich So­ziales und Senioren zuständig ist, qualitätsgesicherte und individuelle Pflege- und Be­treuungsangebote ganz besonders wichtig sind und – ich habe es schon gesagt – auch wichtig ist, dass es verschiedene Angebote sind, dass die Diversität gegeben ist und dass die Menschen die Möglichkeit haben, das auszuwählen, was sie wollen.

Da wir in den letzten Wochen umfassende Debatten zum Thema Wahlfreiheit hatten: Wahlfreiheit ist immer nur dann gegeben, wenn man sich etwas aussuchen kann. Wenn man sich nämlich nicht aussuchen kann, ob man einen Mobilen Dienst oder lie­ber eine stationäre Pflegeeinrichtung möchte, weil es zum Beispiel nur Mobile Dienste und gar keine Pflegeeinrichtungen gibt, dann kann man nicht von Wahlfreiheit spre­chen, sondern nur mehr von Menschen heckerln.

Das bedeutet, um Vielfalt und Wahlfreiheit möglich zu machen, muss zunächst das An­gebot geschaffen werden. Wir haben uns in den letzten Jahren in Wien sehr stark be­müht, in diesem Bereich auszubauen, auch in enger Kooperation mit dem Seniorenbei­rat in Wien und mit den Senioren- und Seniorinnen-Verbänden.

Ich möchte nur einige Zahlen nennen, damit man auch die Dimension sieht, denn das ist ja immer das Schöne, wie gesagt, an der Landes-, an der Kommunalpolitik, dass das gleich immer etwas ganz Konkretes ist. Der Fonds Soziales Wien ist für die Um­setzung in diesem Bereich operativ zuständig und fördert und vermittelt das Angebot. Rund 60 000 Menschen in Wien werden durch Pflege- und Betreuungsleistungen im Alltag unterstützt, was im konkreten Fall bedeutet, dass sie von der Stadt Wien geför­derte Maßnahmen zur Verfügung gestellt bekommen, entweder im ambulanten oder im stationären Bereich. Dafür stehen in diesem Jahr 742 Millionen € zur Verfügung. Das, wie gesagt, nur, damit man die Dimension sieht und wie groß diese ist.

Dazu muss man auch eines gleich ganz offen sagen: Wenn jemand glaubt, dass wir angesichts der demographischen Entwicklung, in der wir uns befinden und die wir vor uns haben, zukünftig mit weniger öffentlichen Mitteln auskommen werden, dann muss der Betreffende auch den zweiten Halbsatz dazusagen – ich bin immer dafür, nicht beim Beistrich aufzuhören, sondern bis zum Punkt zu reden –, nämlich: dann bedeutet das Leistungskürzungen. Wenn man das nicht möchte, dann muss man den Staats­haushalt, die Landeshaushalte und die Städte- und Gemeindehaushalte so ausstatten, dass sie dieser Kernaufgabe des Staates, nämlich der Betreuung und der Versorgung von älteren Menschen, die diese Leistung brauchen – niemand wird dazu gezwungen –, die sich dafür entscheiden, diese Leistung in Anspruch zu nehmen, auch nachkommen können.

Ich möchte ein paar Eckpunkte ausführen. Wir wissen, dass Seniorinnen und Senio­ren – jeder weiß das aus der eigenen Familie, aus allen möglichen Umfragen – mög­lichst lange zu Hause bleiben wollen. Darin unterscheidet sich sozusagen die Stadt nicht vom Land, aber die Familienstrukturen in der Stadt sind einfach andere, worauf die Politik natürlich reagieren muss. Unser Ziel ist es, dass Menschen, solange es möglich ist, solange es für sie vertretbar ist, solange es sozusagen hinsichtlich der gesundheitlichen Sicherheit vertretbar ist, diesbezüglich ist dann auch einmal eine Grenze erreicht, zu Hause, in Wohngemeinschaften oder in kleinen Einrichtungen be­treut werden. Derzeit ist es so, dass ungefähr 40 000 Menschen in Wien mithilfe von Maßnahmen, die der Fonds Soziales Wien organisiert, betreut werden. Das reicht von der Heimhilfe bis hin zur mobilen Hauskrankenpflege. Es gibt ganz unterschiedliche Leistungen, die in Anspruch genommen werden können.

Ein weiterer Punkt, der für die Stadt jedenfalls ein wichtiger ist, ist der massive Ausbau der Tageszentren, den wir in den letzten sieben Jahren vorgenommen haben. Bei den Tageszentren geht es auch ganz stark darum, pflegende Angehörige zu entlasten, geht es darum, dass Seniorinnen und Senioren tagsüber – sei es an jedem Tag, sei es nur an wenigen Tagen in der Woche, wie immer man das wünscht – gepflegt und betreut werden, dass dort ein sinnvolles Programm stattfindet, sodass sie auch gefördert und gefordert werden. Es werden derzeit über 2 000 Wienerinnen und Wiener, Tendenz stark steigend, in Tageszentren betreut.

Wir haben bei der Erweiterung dieser Tageszentren ganz bewusst auf eine Nähe zu stationären Pflegeeinrichtungen geachtet, da es einfach darum geht, auch dieses Un­wohlsein in Bezug auf stationäre Pflegeeinrichtungen abzubauen. Wir haben diese Häuser – darauf komme ich noch zu sprechen – auf der einen Seite im Stadtgebiet ver­teilt, haben kleinere Einrichtungen errichtet und sie geöffnet. Es wird zum Beispiel kei­ne neue Pflegeeinrichtung mehr in Wien gebaut, in deren unmittelbarer Nähe nicht ein Kindergarten ist. Auch wenn es pflegebedürftige Menschen sind, die oft bettlägerig sind, muss ich sagen, es ist ein Unterschied, wenn die Türen offen sind und die kleinen Kinder kommen. Das macht einfach eine ganz andere Stimmung, als wenn sie irgend­wo am Rand der Stadt untergebracht sind, so nach dem Motto: Versorgt sie gut, aber wir wollen nicht hinschauen! Ebenso wenig wie jemand auf die Idee kommen könnte, Kindergärten nur in einem Teil Wiens zu errichten, kann man heutzutage sagen, es wä­re richtig, nur in einem Teil Wiens stationäre Pflegeangebote bereit­zustellen.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wenn eigenständiges, selbständiges Leben im eige­nen Zuhause nicht mehr möglich ist, dass stationäre Pflege und Betreuungsleistungen angeboten werden. Auch hier zeigt die Stadt Wien große Verantwortung. 22 500 Wie­nerinnen und Wiener haben derzeit – da wir nicht auf Vorrat bauen, sondern für den vorhandenen Bedarf – so ein Zuhause gefunden. Das ist eine Investition von rund 500 Millionen € im Jahr, die die Stadt Wien leistet, zusätzlich zu dem, was die Men­schen von ihrer Pension und vom Pflegegeld leisten.

Das bedeutet schon, dass das ein ganz, ganz wesentlicher Punkt ist, dass das auch gesellschaftspolitisch und politisch eine große Herausforderung ist, dass qualitative Pflege nicht vom Geldbörsel der Kinder abhängig sein darf und auch nicht von der Frage, wie lange sie in Anspruch genommen wird. Man könnte lange darüber diskutie­ren, wäre aber schnell einer Meinung, dass das Pflegegeld valorisiert gehört. Aber man muss auch ganz ehrlich sagen, dass nur mit dem Pflegegeld allein qualitative sta­tionäre Pflege nicht ausreichend finanzierbar ist. Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir für die Zukunft mit dem Pflegefonds einen richtigen Schritt gesetzt haben, aber wir müs­sen meiner Meinung nach schon generell über die Frage diskutieren, wie Pflege zu­künftig finanziert wird.

Wir haben im Rahmen des Wiener Geriatriekonzepts 2007 entschieden, dass wir die alten Häuser in Wien, die teilweise seit 100 Jahren und länger bestehen, in Zukunft nicht mehr weiterbetreiben wollen, sondern elf neue Pflegewohnhäuser, in der Stadt verteilt, errichten. Das ist, denke ich, ein ganz, ganz wesentlicher Punkt, dass wir nicht „kleine Spitäler“, sondern Wohnhäuser errichten, die Pflege und Betreuung im Hinter­grund aber perfekt anbieten. Wir haben von diesen neuen Häusern bereits vier eröff­net, und ich lade Sie – gerne auch Sie aus den Bundesländern, aber leichter tun sich jene aus Wien – sehr gerne ein, sich diese Häuser auch anzuschauen.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der ganz besonders wichtig ist, weil das ein Thema werden wird, nämlich Demenzerkrankungen. Je älter Menschen werden, desto mehr wird das Normalität werden. Deswegen ist es ganz besonders wichtig, dass wir uns auch diesem Thema widmen.

Ein Weiteres, das wir in Wien als ganz besonderes Angebot haben – in der Dimension gibt es das, glaube ich, nicht, aber auch sonst nicht in der Intensität –, sind die Pen­sionisten-Wohnhäuser. Wir haben 31 Pensionisten-Wohnhäuser in Wien, die für rund 8 800 Wienerinnen und Wiener eine Wohnung bereitstellen, und es geht jetzt ganz stark darum, dass wir das Angebot auch den Bedürfnissen der Menschen anpassen.

Ich möchte dazu nur ganz kurz erläutern: Das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohn­häuser wurde vor über 50 Jahren gegründet, damals – und jetzt können wir alle ge­meinsam lachen – mit dem Ziel, älteren Menschen über 60 ein würdevolles Wohnen zu ermöglichen. Das war zu einer Zeit – ich schaue jetzt in Richtung von Rudi Edlinger als ehemaligem Wohnbaustadtrat von Wien, damals war er noch nicht tätig –, als wir in Wien ein Drittel Substandardwohnungen hatten. Heute haben wir in Wien 4 Prozent Substandardwohnungen. Das heißt, Dinge wie: Ich kann nicht in meine Wohnung, dort gibt es keinen Lift, kein Bad!, gibt es kaum mehr.

Damals war die Überlegung, Menschen ab dem 60. Lebensjahr sollen in diese Pen­sionisten-Wohnhäuser einziehen. Wir liegen derzeit – und daran sieht man einfach, wie sich die Bedürfnisse verändern – bei einem durchschnittlichen Einzugsalter in die Häu­ser des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser von 86 Jahren. In diesem Alter kommen die Menschen und sagen, sie wollen nicht mehr zu Hause bleiben, können nicht mehr zu Hause bleiben und möchten dort einziehen. Es ist daher völlig klar, dass die Zahl derer, die pumperlg’sund einziehen, immer geringer wird, weil das ausschließ­liche Wohnen – und das liegt daran, dass sich im Wohnbereich in Wien in den letzten Jahrzehnten sehr, sehr viel getan hat – nicht mehr der Bedarf ist. Deswegen bauen wir auch dort das Leistungsangebot aus.

Lassen Sie mich, bevor ich dann noch über das Thema Gesundheitsförderung spre­che, zu einem Punkt kommen, der mir auch ganz besonders wichtig zu sein scheint, weil ich das für eine hochpolitische Frage halte, eine hochpolitische Frage zu einem Thema, das uns alle beschäftigt, nämlich: Wie können wir auch für die nächsten Gene­rationen die Pensionen sichern? Wenn ich die Zeitungen aufschlage – wir haben die Nationalratswahl ja gerade erst hinter uns gebracht – und das alles glauben würde, was die einzelnen Parteien dazu sagen, dann müsste ich davon ausgehen – ich bin nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht ganz alt, ein 1970er-Jahrgang –, ich be­komme sicher keine Pension mehr, wie sollte sich das ausgehen, Politikerpensionen gibt es dann gar nicht mehr, ich bekomme eine ganz normale ASVG-Pension, und könnte jetzt schon zu weinen anfangen.

Das, denke ich, ist jedenfalls zu kurz gegriffen, und man kann lange darüber diskutie­ren, wer eigentlich Interesse an diesen Horrormeldungen hat. Das, was immer darge­stellt wird, nämlich dieser Vergleich, wie viele Menschen jetzt über 65 Jahre und wie viele Menschen jetzt zwischen 15 und 64 Jahre alt sind und wie sich das verschiebt, wenn eben meine, nämlich diese Baby-Boomer-Generation, dann einmal über 65 ist, ir­gendwann im Jahr 2035, ist ein wesentlicher Punkt, das ist überhaupt gar keine Frage. Ich denke auch, dass die Menschen – wie heute schon in vielen Referaten angespro­chen – länger im Arbeitsprozess bleiben, ist wichtig, überhaupt keine Frage. Das ist eine etwas skurrile Grundstimmung in diesem Land, dass sich die Leute ab 50 aus­rechnen, wann sie in Pension gehen können. Das finde ich etwas eigentümlich, dage­gen muss man meiner Meinung nach auch ankämpfen.

Der wesentliche Punkt ist aber, zu vergleichen, wie viele Menschen zwischen 15 und 64 im Erwerbsleben stehen und einzahlen und wie viele von denen nicht im Erwerbs­leben stehen und daher eigentlich so zu bewerten sind wie die über 65-Jährigen, weil sie aus irgendwelchen Gründen Leistungsempfänger sind, seien es Transferleistungen, seien es Sozialleistungen, was auch immer.

Warum sage ich das jetzt? – Das sage ich deshalb, weil meiner Meinung nach zwei Bereiche ganz besonders geeignet sind, eine höhere Erwerbsquote in diesem Land zu­stande zu bringen. Ich sage jetzt einmal, diesbezüglich sind wir nicht die Avantgarde, da könnten wir in Richtung Skandinavien schauen, wo das schon der Fall ist. Ich meine den Bereich der professionalisierten Pflege, und zwar egal, ob zu Hause oder im sta­tionären Bereich oder in Mittelbereichen, und, um an den Anfang des Lebens zu ge­hen, jenen der professionalisierten Kinderbetreuung und Ganztagsbetreuung in der Schule. Das sind nämlich zwei Gesellschaftsbereiche, die zwei ganz wichtige Fliegen mit einer Klappe schlagen. Auf der einen Seite schaffen sie Arbeitsplätze, und zwar qualitätsvolle Arbeitsplätze, im Bereich der Kinderbetreuung, der Frühkindpädagogik, der Ganztagsschulen, auf der anderen Seite, sozusagen im anderen Teil des Lebens, im Bereich der Pflege.

Das heißt, diese Bereiche geben Sicherheit, weil sie professionell das tun, was für den jeweiligen Menschen getan werden muss, und zweitens ermöglichen sie Männern und Frauen – in der Realität Frauen, Männer kümmern sich in der Regel nicht darum –, am Erwerbsleben teilzunehmen. Und wenn es uns gelingt, die Erwerbsquote zu steigern, und zwar deutlich zu steigern, genau durch solche Maßnahmen, dann denke ich, dass auch die künftigen Generationen nicht in Sorge sein müssen, dass das, was wir in die­ser Republik durch unsere Sozialpolitik eigentlich abgeschafft haben, nämlich Altersar­mut, wieder kommt. Aber dazu braucht es ein über alle Parteigrenzen hinausgehendes Bekenntnis zur Professionalisierung in diesen beiden Bereichen.

Dazu braucht es ein Bekenntnis dazu, dass nicht die Mamas schlecht sind, wenn die unter 3-jährigen Kinder in den Kindergarten gehen, und dass nicht die Schwieger­töchter schlecht sind, wenn sie die Schwiegermutter nicht zu Hause betreuen, sondern dazu, dass die Gesellschaft Geld in die Hand nimmt, um das professionell zu machen. Das ist meiner Meinung nach eine Win-win-Situation für die Gesellschaft und vor allem auch für das Pensionssystem.

Lassen Sie mich noch zwei Punkte anschneiden, die mir wichtig zu sein scheinen. Zum einen ist das das Thema Prävention und Gesundheitsförderung. Das ist etwas, das aus meiner Sicht gerade bei der älteren Generation viel zu wenig beleuchtet ist. Das ist im Gesundheitswesen an sich zu wenig beleuchtet. Wir haben eine hervorragende kura­tive Medizin, und bei Gesundheitsförderung wissen wir nie genau, was wir tun, auch wenn wir dafür sorgen, dass Mittel dafür eingesetzt werden.

Ich denke, dass Gesundheitsförderung gerade für die ältere Generation ein ganz wich­tiger Punkt ist, weil es um Lebensqualität geht. Es ist wichtig – und das ist ganz schwierig, es gibt nichts Schwierigeres als Bewusstseinsveränderungen –, zu vermit­teln, dass es nie zu spät ist. Auch wenn man sich 70 oder 75 Jahre lang nicht „bewegt“ hat, ist es nicht zu spät, damit zu beginnen. Es ist gut für die Lebensqualität. Ich denke, darauf sollten wir zukünftig noch viel stärker achten.

Als letzten Punkt möchte ich den Bereich der Gesundheitsreform anschneiden. Sie ha­ben sich sicherlich schon damit beschäftigt, daher brauche ich das jetzt nicht umfas­send auszuführen. Aber ganz besonders wichtig, und zwar gerade für die ältere Gene­ration, weil im Alter in der Regel mehr Krankheiten auftreten also mit 25, gerade für die Sicherheit der älteren Generation, ist, dass wir ein solidarisches und starkes öffentli­ches Gesundheitswesen haben. Unser Problem in Österreich ist, denke ich, dass wir eben in Österreich leben und nicht im Vergleich, sonst hätten wir manche Probleme nicht. Der Umstand, dass die Menschen in dieser Republik unabhängig von ihrem Ge­schlecht, von ihrem Alter, von ihrer Herkunft die beste medizinische Betreuung be­kommen, kann, glaube ich, seinesgleichen suchen. Das ist von ganz, ganz großem Wert und in Wahrheit schon auch das Herzstück von Sozialpolitik, wenn wir wissen, wie ich eingangs schon gesagt habe, dass die Frage der Gesundheit ganz eng mit der Frage der sozialen Lage zusammenhängt.

Ich denke, dass es sehr, sehr wichtig, gut und richtig und aus meiner Sicht schon auch ein Vorbild für zukünftige Politik ist, dass es uns in dieser Legislaturperiode gelungen ist, die Gesundheitsreform über die Bühne zu bringen – quer über alle Parteigrenzen hinweg, hinweg über die Frage Bund, Sozialversicherung oder Länder, einfach gemein­sam mit dem Fokus, das öffentliche Gesundheitswesen auch für die nächsten Jahr­zehnte abzusichern.

Ich gehe davon aus, dass wir, unabhängig davon, wie es jetzt hier im Parlament weiter­gehen wird, die Gesundheitsreform auf Schiene gestellt – im Interesse der Österreiche­rinnen und Österreicher und natürlich ganz besonders im Interesse der älteren Gene­ration, weil diese ganz besonders davon profitiert – und damit einen unumkehrbaren Prozess eingeleitet haben, der meiner Ansicht nach maßgeblich dazu beitragen wird, dass wir als Gesellschaft unserer Verantwortung der älteren Generation gegenüber nachhaltig gerecht werden können, nämlich ihr einen möglichst sorgenfreien Lebens­abend in Würde und sozialer Sicherheit zu ermöglichen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)

12.16


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz|: Danke, Frau Stadträtin, für Ihren Beitrag und die vielen verschiedenen Punkte, die Sie zu diesem Thema angesprochen haben.

Wir kommen jetzt sozusagen in die Bundesländer. Ich bitte nun die Frau Landesrätin für Soziales, Familie, Frauen und Senioren des Landes Vorarlberg zum Rednerpult. – Bitte, Frau Dr. Greti Schmid.

„Politik für ältere Menschen im ländlichen Raum“

 


12.17.26

Dr. Greti Schmid (Landesrätin für Soziales, Familie, Frauen und Senioren, Vorarl­berg)|: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke vorab für die Einladung, die Thematik Älterwerden, Seniorenpolitik auf Landesebene auch aus der Sicht einer regionalen Struktur in Vorarlberg zu beurteilen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich hauptsächlich auf die Pflege konzentrie­ren, denn die Pflege und Betreuung älterer Menschen ist eine der größten Herausfor­derungen, die wir haben. Die demographischen Zahlen wurden genannt. Wir wissen al­le, dass wir vor großen Herausforderungen stehen. Wir haben deshalb, wohl wissend – und das wissen wir aus einschlägigen Erhebungen und Befragungen –, dass über 90 Prozent der Menschen zu Hause im gewohnten Umfeld alt werden wollen, eine ganz, ganz klare Strategie entwickelt, und diese Strategie lautet: aktivierend und selbstbestimmt, ganz nah und hochwertig und verlässlich und rasch.

Was bedeutet das? – Aktivierend und selbstbestimmt bedeutet, dass wir mit unter­schiedlichen Maßnahmen versuchen, Menschen in ihrer Eigeninitiative zu fördern, Menschen zu aktivieren, dafür zu sorgen, dass Menschen möglichst lange fit und be­weglich bleiben. Gerade in diesem Bereich spielen die Seniorenvereinigungen, egal welcher Partei, eine ganz, ganz wichtige Rolle, weil sie sich der Menschen in ihrem so­zialen Umfeld annehmen. Das ist ganz, ganz wichtig.

Wir müssen versuchen, dass durch dieses Aktivieren der Menschen die Menschen möglichst lange zu Hause bleiben können, und dafür sorgen, dass ihre Lebensqualität auch gesichert ist.

Was heißt der zweite Grundsatz, ganz nah? – Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, dass auch in den Regionen gleiche Voraussetzungen für alle Menschen bestehen müssen. Das heißt, dass die Angebote der Pflege und Betreuung im städtischen und im ländli­chen Bereich die gleichen sein müssen. Das ist nicht immer einfach, das ist mit großen finanziellen Herausforderungen und auch damit verbunden, dass wir einen großen Anteil an Menschen haben, die mehr tun, als sie müssten, und auch im ehrenamtlichen Bereich deutliche Unterstützung brauchen, um das zu bewerkstelligen.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, muss die Pflege, wenn jemand Pflege und Betreuung braucht, auch rasch erfolgen und auch in einer qualitativ hochwertigen Art und Weise.

Wir haben dazu in Vorarlberg – und ich denke, das ist österreichweit einzigartig – ein sogenanntes Betreuungs- und Pflegenetz eingerichtet. Da treffen sich alle, die in die­sem Bereich tätig sind: die Politik, die mobilen Dienste, die Gemeinden, die Vertreterin­nen und Vertreter der Angehörigenorganisationen. Da geht es um Folgendes – wir ha­ben das im Jahr 2001 gegründet –: Da wird die gemeinsame Strategie entwickelt und da wird gemeinsam daran gearbeitet, dass bestmöglich informiert, bestmöglich koope­riert wird, dass wir die bestmögliche Betreuung anbieten können.

Wir bauen in Vorarlberg – das ist wesentlich, und das ist auch ein wesentlicher Unter­schied. Ich muss sagen, ich teile hier die Meinung meiner Vorgängerin nicht, dass wir nur durch Professionalisierung in der Lage sein werden, der Herausforderung, die wir haben, zu entsprechen. Wir brauchen die pflegenden Angehörigen; wir brauchen das ehrenamtliche Segment; wir brauchen die hochqualifizierten ambulanten Dienste und natürlich brauchen wir auch stationäre Einrichtungen.

Eine ganz, ganz wesentliche Säule sind die pflegenden Angehörigen, und diese gilt es zu unterstützen. Es sind ja hier auch auf Bundesebene schon sehr wesentliche Schritte gesetzt worden, wenn ich an die Möglichkeit der kostenlosen Pensions- und Kranken­versicherung denke, aber auch Hospiz- und Pflegekarenz und so weiter sind ganz be­sonders wichtig. Wir legen in Vorarlberg ein besonders großes Augenmerk auf die pfle­genden Angehörigen. Wir haben in Vorarlberg einen zusätzlichen Pflegezuschuss ein­geführt. Das heißt, wenn Menschen zu Hause auf der Stufe 5 bis 7 betreut werden, dann bekommen sie vom Land zusätzlich zum Pflegegeld noch einen Pflegezuschuss in der Größenordnung von 100 € pro Monat.

Ein wichtiger Bereich österreichweit und auch in Vorarlberg ist das Thema demenzielle Erkrankungen. Wir haben deshalb eine sogenannte „Aktion Demenz“ ins Leben geru­fen. Worum geht es dabei? – Da geht es darum, eine demenzfreundliche Umwelt, eine demenzfreundliche Gemeinde zu entwickeln, denn die Menschen, die in den Gemein­den leben und wohnen, müssen lernen, mit demenziell erkrankten Menschen umzuge­hen. Man kann nicht alle wegsperren oder stationär betreuen. Es ist wichtig, dass sie in ihrer Krankheitsentwicklung, in ihrem Krankheitsverlauf in der Kommune aufgenommen und da betreut werden. Wir haben in Vorarlberg mittlerweile schon 23 Modellgemein­den, die intensiv an dieser Thematik arbeiten und durch unter­schiedliche Initiativen und Maßnahmen das Thema Demenz aufarbeiten.

Ganz wichtig ist auch die Information und Begleitung der Angehörigen. Sehr oft ist es mit Scham verbunden, wenn jemand einen an Demenz erkrankten Menschen zu Hau­se hat. Dem muss entgegengewirkt werden, weil sonst die Situation eintritt, dass die Menschen auch nicht Hilfe holen. Sie holen keine Hilfe, weil sie sich schämen! Also ist es wichtig, demenzielle Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und frühzeitig Hilfe zu ho­len, damit die Unterstützung, auch die professionelle Unterstützung, frühzeitig einset­zen kann.

Die zweite Säule neben den Angehörigen sind die ambulanten Dienste. Hier sind wir in Vorarlberg in einer ganz, ganz tollen, glücklichen Situation mit der Hauskrankenpflege, die flächendeckend in jeder Gemeinde etabliert ist, ehrenamtlich organisiert ist, natür­lich mit professioneller Pflege und Betreuung. Und was natürlich schon einzigartig ist: Bei dieser Hauskrankenpflege sind fast die Hälfte der Haushalte Mitglieder, sie sind Mitglieder bei diesem Verein. Dies funktioniert nach der Art eines Genossenschafts­prinzips: Indem ich Mitglied bei diesem Verein bin, erwerbe ich mir das Recht, dass ich im Alter betreut und gepflegt werde, und zwar sehr, sehr kostengünstig. Das heißt, für einen Mitgliedsbeitrag von 30 € pro Jahr sichere ich mir, dass ich im Alter gepflegt und betreut werde.

Ich denke, das ist eine ganz wesentliche Sache, getragen von einer ehrenamtlichen Organisation mit hauptamtlichem Pflegepersonal. Und man darf eines nicht vergessen: Durch diese Mitgliedschaft ist die Hauskrankenpflege in der Lage, 40 Prozent der Kos­ten der Pflege und Betreuung abzudecken. 40 Prozent – das ist sehr, sehr viel!

Selbstverständlich braucht es und errichten wir natürlich auch stationäre Einrichtungen. Das ist die größte Herausforderung, auch was die Prognosen anbelangt. Es wurde ja schon angesprochen, auch von Kollegin Wehsely und den VorrednerInnen: Die Prog­nosen sind unwahrscheinlich schwierig, denn Älterwerden heißt nicht automatisch, auch länger pflegebedürftig zu sein. Dem muss man entgegenwirken und sich die Sa­che laufend im Drei- bis Vierjahresrhythmus anschauen, wie sie sich wirklich entwi­ckelt.

Wir konnten die Prognosen für die Zahl der stationären Betten mittlerweile deutlich re­duzieren, weil wir wissen, dass Menschen länger gesund bleiben und, wenn sie dann pflegebedürftig werden, das auch kürzer sind. Ich denke, es ist ganz, ganz wichtig, dass man nicht in einer Überpanik, hätte ich beinahe gesagt, viele Pflegeheime baut, sondern dass man sukzessive evaluiert und schaut, wie sich das entwickelt.

Ein ganz wesentlicher Punkt – ich habe es vorhin angesprochen – ist die regionale Be­darfsplanung, dass wir versuchen, in jeder Region adäquate Angebote zu schaffen. Da möchte ich noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der mir sehr, sehr wichtig ist: Das ist das sogenannte Case- und Care-Management. Was heißt das? – Care-Ma­nagement heißt Angebotssteuerung. Ich habe es kurz erwähnt: Wir schauen, dass si­chergestellt ist, dass in jeder Region alles da ist, was es braucht. Es ist nicht immer ganz einfach, wenn jeder Bürgermeister sein Pflegeheim bauen will. Es ist auch nicht immer ganz einfach, eine Verbindung herzustellen zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich. Aber wir schaffen es, mit einer konsequenten Arbeit und mit Men­schen, die dafür zur Verfügung stehen, sicherzustellen, dass in jeder Region diese am­bulanten, stationären und teilstationären Angebote zur Verfügung stehen.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist das sogenannte Case-Management, die Fall-Beglei­tung. Das heißt, dass wir dann, wenn die Familie nicht in der Lage ist, die Pflegebiogra­phie eines Menschen zu begleiten, Profis haben, die unterstützend dabei tätig sind, Menschen in ihrer jeweiligen Pflegesituation zu begleiten und zu schauen: Was sind die Ressourcen der Familie? Was sind die Ressourcen des Umfeldes? Was sind die ambulanten Ressourcen? – Und wenn es die Ressourcen nicht gibt oder sie nicht aus­genützt werden können, dann gibt es selbstverständlich auch eine Unter­bringung in ei­nem Pflegeheim.

Über Herausforderungen haben wir schon gesprochen. Große Herausforderungen sind natürlich Personalrekrutierung und Personalausbildung. In dem Bereich möchte ich wirklich appellieren – und das ist auch schon in Diskussion –, wir brauchen, was die Personalentwicklung anbelangt, einfach ein durchlässigeres System! Hier gibt es auch schon einschlägige Initiativen. Das heißt, wir brauchen bei der Ausbildung eine Öff­nung sowohl nach oben, in Richtung ärztlicher Bereich, als auch im Diplombereich, in Richtung nach unten, eine Öffnung, damit wir in der Lage sind, die Heraus­forderungen personell zu bewerkstelligen. Wir brauchen jede Hand, mit jeder Qualifizierung. Wir brauchen die Diplomierte, wir brauchen auch eine Diplomierte mit einer akademischen Ausbildung, aber wir brauchen auch Pflegehilfe und Heimhilfe, die zur Verfügung steht und die auch in einem gewissen Alter auf Anweisung in einer gewissen Art arbeiten kann.

Selbstverständlich ist es auch der finanzielle Teil, der für Länder und Gemeinden ein ganz, ganz wesentlicher ist. Es ist müßig, wieder eine Pflegegeldvalorisierung zu for­dern, ist aber nach wie vor Fakt, weil es uns sehr hilft. Was ich allerdings dazusagen muss – und ich bin froh darüber –, ist: Die Auszahlungen des Pflegefonds haben eine Entlastung für die Länder gebracht, und es ist natürlich auch wesentlich, dass hier für Länder und Gemeinden noch mehrere Entlastungen folgen.

Ich komme schon zum Schluss, und zwar mit einem kurzen Ausblick. Ein Schwer­punktthema wird natürlich das neue Wohnen sein. Wir brauchen neue Modelle des be­treuten Wohnens, und zwar plädiere ich sehr stark für ein Mehr-Generationen-Wohnen. Ich halte nicht viel davon, wenn man ältere Menschen segregiert, sondern sie müssen integriert sein in ein barrierefreies Wohnen, wo Jung und Alt zusammen wohnen kön­nen und einander dann auch unterstützen können. Wir haben schon einige diesbezüg­liche Mehr-Generationen-Anlagen, aber auch Sozialzentren gebaut.

Ich fasse zusammen: Wir wissen, Menschen möchten zu Hause alt werden. Das ist die Herausforderung und der Auftrag an die Politik. Wir haben aktuell über 80 Prozent im ambulanten Bereich, Gott sei Dank derzeit noch mit steigender Tendenz. Es ist sicher­lich eine große Herausforderung, das auch zu halten, indem wir versuchen, mit neuen Modellen, aber auch mit noch besserer und intensiverer Unterstützung der Angehöri­gen an der Herausforderung zu arbeiten, dass Menschen möglichst lange zu Hause bleiben können. – Vielen Dank. (Beifall.)

12.29


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz|: Danke, Frau Landesrätin, für die­se Einblicke in die Situation älterer Menschen im ländlichen Raum.

Ich darf nun die beiden Präsidenten des Österreichischen Seniorenrates, Herrn Bun­desminister außer Dienst Karl Blecha und Herrn Präsidenten des Nationalrates außer Dienst Universitätsprofessor Dr. Andreas Khol, um ihre Beiträge zum Thema „Gesell­schaftspolitische Herausforderungen für die ältere Generation“ bitten. – Bitte, Herr Bun­desminister außer Dienst Blecha, um deine Ausführungen.

„Gesellschaftspolitische Herausforderungen für die ältere Generation“

 


12.29.37

Bundesminister a.D. Karl Blecha (Präsident des Seniorenrates)|: Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zeit ist vorgeschritten, wir haben eine Unzahl von Informationen, Vorschlägen, Stellungnahmen, Fakten, Meinun­gen gehört, die jetzt langer Aufarbeitung bedürfen. Lassen Sie mich nur einige Anmer­kungen zu den gesellschaftspolitischen Herausforderungen für die ältere Generation machen.

Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen hat sich in nicht einmal 200 Jah­ren verdoppelt: Sie hat früher weniger als 40 Jahre ausgemacht und ist heute auf fast 80 Jahre gestiegen. Ein jetzt in Österreich geborenes Mädchen wird 100 Jahre alt wer­den. Die Seniorinnen und Senioren haben sich in den vergangenen Jahrzehnten radi­kal gewandelt, und dieser Fortschritt, meine Damen und Herren, ist noch nicht am En­de. In weiterer Zukunft werden von der Berufsreife bis zur durchschnittlichen Pension 40 Lebensjahre gleich vielen Pensionsjahren gegenüberstehen.

Der sogenannte demographische Wandel ist somit die zentrale Herausforderung, die wir in den kommenden Jahrzehnten bewältigen müssen. Er hat erhebliche Auswirkun­gen auf nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens: auf die Wirtschaft, auf die Sozialsysteme, auf die Wohnverhältnisse, auf den Verkehr, auf die Entwicklung der Infrastrukturen, auf unsere Kultur, auf die Kommunikationstechnologien. Wesentliche Rollen werden damit der Arbeitswelt und dem Arbeitsmarkt, der Teilhabe der Älteren am sozialen Leben, der Sicherung der Pensionen, der Generationensolidarität und dem lebenslangen Lernen zukommen.

Wie diese Herausforderungen von der älteren Generation bewältigt werden, hängt von dem Bild ab, das diese Generation in der Gesellschaft hat, und hängt auch davon ab, wie sie sich selbst sieht. Wir nennen das die Altersbilder, die kollektive Deutungsmus­ter sind. Sie werden in erheblichem Maß von Massenmedien bestimmt.

Die Massenmedien sind einfach eine unverzichtbare Informationsquelle in unserer Ge­sellschaft, aber sie liefern Informationen aus zweiter Hand. Was sie besonders bedeu­tend macht, ist, dass sie mit Text und Bild einen hohen Authentizitätswert und einen hohen Glaubwürdigkeitswert erlangt haben. Die meisten unserer Zeitgenossen begnü­gen sich mit solchen Informationen aus zweiter Hand, weil vor allem immer mehr die eigenen Erfahrungen fehlen. Das spielt bei den Altersbildern eine große Rolle. Die Großfamilien gibt es kaum mehr. Daher haben viele der Jungen das Bild von den Al­ten, das ihnen die Medien liefern, und nicht mehr das der eigenen Erfahrung aus dem familiären Kreis, in dem sie drinnen sind.

Dort, wo sich Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft, ein funktionierendes Vereinsle­ben, Interessenvertretungen und/oder Kirche mit voller Kraft um Alte und Kinder küm­mern, fällt das noch nicht so ins Gewicht, meint der Sozialforscher Gehmacher. Doch mit Verstädterung und Technisierung lösen sich diese Bindungs­vernetzungen zwi­schen Alt und Jung zusehends auf. Laut Gehmacher steigen Individualisierung und Vereinsamung, das Sozialkapital schrumpft, Institutionen und kommerzielle Betreu­ungsorganisationen übernehmen die Pflege und Betreuung, und, würde ich fortsetzen, es breitet sich eine Verarmung menschlicher Beziehungen aus, die dann nicht mehr nur die Alten betrifft, sondern auch die Kinder und letztlich die gesamte Bevölkerung.

Man schreibt heute schon von einer sozialen Klimakatastrophe und registriert zuneh­mend seelische und körperliche Gesundheitsschäden. Es ist doch alarmierend, dass auch bei uns in Österreich die psychischen Störungen zunehmen. Eine Million unserer Mitbürger sind schon davon betroffen. Ein Viertel aller Pensionsempfänger benötigt psychische Medikation, und dieser Anteil wächst ständig, nicht zuletzt auch aufgrund von Demenz, wozu die Frau Landesrätin gerade viele Beispiele aus Vorarlberg ge­bracht hat.

Eine der großen Gefahren ist die Vereinsamung und die soziale Ausschließung des Al­ters aufgrund falscher Altenbilder und damit der Verlust der gesellschaftlichen Ganz­heit. Diese falschen Altersbilder, die eben durch die Massenmedien vermittelt werden – und daher müssen wir dort ansetzen, bei ihnen ansetzen –, haben für die Lebenssitua­tion der älteren Menschen in Österreich und die Stellung der Älteren in unserer Gesell­schaft eine große Bedeutung. Die negativen Einstellungen, die häufiger als die positi­ven transportiert werden und Stereotype unterstützen, führen zu Altersdiskriminierung.

Das zeigt sich zum Beispiel in der Arbeitswelt – bereits 50-Jährige werden für viele Tä­tigkeiten als zu alt abgestempelt – oder im Gesundheitswesen. Auch bei uns wird schon darüber diskutiert: Na ja, die Alten belasten, überbeanspruchen unser Gesund­heitssystem. Da müsste man sich überlegen, von welchen medizinischen Versorgun­gen, Operationen beispielsweise, sie auszuschließen wären, weil es sich bei einem Al­ten gar nicht mehr auszahlt.

Und wir haben es in der Demokratie. Das ist bei uns noch nicht so stark, wohl aber in manchen anderen europäischen Ländern. Da heißt es, dass die Überalterung zur Macht der Alten führt, zur Gerontokratie. Daher werden in manchen Ländern sogar schon Wahlrechtsbeschränkungen diskutiert.

Demgegenüber, meine geschätzten Damen und Herren, müssen wir – und dem gilt vor allem auch diese wunderbare Enquete hier – über die Potenziale des Alters sprechen, das aktive Altern hervorheben, die Verfolgung persönlicher Ziele und Interessen, die auch im Dienste der gesamten Gesellschaft sind, unterstützen, späte Freiheit beschrei­ben. Von dieser aber, die manche Ältere immer wieder auch im Munde führen, muss die soziale Verpflichtung der Älteren zur Freiwilligenarbeit in ihren vielfältigsten For­men abgeleitet werden.

Schon Simone de Beauvoir hat in ihrer Schrift „Das Alter“ dargelegt, dass die Weiterga­be des im Leben Erfahrenen und Erarbeiteten an nachfolgende Generationen zur Ab­rundung des Lebenswerkes jedes Einzelnen gehört und das mangelnde Interesse der Gesellschaft – und ich würde hier bei uns in Österreich ergänzen: auch unserer Me­dien – die klassische Abwertung des Alters in unserer Zeit ist. Die Wissensweitergabe und die Übernahme von Mitverantwortung für andere Menschen, wie sie Freiwilligenar­beit und politisches Engagement bieten, sind Quellen von Lebenszufriedenheit und von Generationensolidarität.

Die scharfe Abgrenzung zwischen dem Berufsleben und dem Alter, zwischen Stress und Ruhestand, zwischen Arbeitsleben und Pensionistendasein löst sich meiner Mei­nung nach allmählich in einer Art Selbstentfaltungsgesellschaft auf. Je rascher sich mehr flexible Pensionierung, Altersberufe, ehrenamtliche Tätigkeiten, Altershobbys ausbreiten, desto rascher kommen wir in die Selbstentfaltungsgesellschaft. Die jungen Alten, die oft noch gar nicht so in unseren Medien dargestellt sind, die agil, gesund, kompetent, engagiert sind, sind die Vorboten dieser Selbstentfaltungsgesellschaft. Sie fühlen sich nach der Generali-Altersstudie 2013, die vor Kurzem vorgestellt worden ist, um zehn Jahre jünger.

Sie wollen nicht zum „alten Eisen“ gehören, sind die in die Jahre gekommenen 68er – sie sind aufmüpfig, sehr kritisch, möchte ich noch hinzufügen – und haben ein neues Altersbild entstehen lassen, das von unserer Gesellschaft noch nicht voll anerkannt wird.

Laut dem Zukunftsforscher Matthias Horx verjüngt sich mit der Alterung unserer Ge­sellschaft die Gesellschaft. Er schreibt, dass es zwar paradox ist, in der alternden Ge­sellschaft aber viel, viel, viel mehr Menschen jünger bleiben als es in den früheren Ge­sellschaften der Fall war. Um die 50 sind Frauen und Männer heute körperlich und vor allem geistig viel beweglicher als in den fünfziger oder sechziger Jahren. Menschen, die man früher als alt bezeichnet hätte, reisen heute um die Welt, gründen Unterneh­men oder verwirklichen lang gehegte Lebensträume.

Je länger der Mensch lebt, umso wichtiger wird für ihn die Qualität der gewonnenen Jahre. Die schon einmal zitierte Generali-Altersstudie hat bewiesen, dass die agilen „jungen Alten“ sozial stark vernetzt sind, in ihrer freien Zeit als zivilgesellschaftliche Multiplikatoren wirken und sich nicht mit Antritt der Pension ins Private zurückziehen. Die Beziehungen zwischen Kinder-, Eltern- und Großeltern-Generationen sind laut die­ser Studie bei uns in Österreich so gut wie noch nie.

Die Älteren helfen bei der Betreuung der Enkel, unterstützen die Jüngeren durch finan­zielle Zuwendungen und helfen entscheidend bei Hausstandsgründung und Familien­planung. Für sich selbst können sie ihr Leben vielseitiger und selbstbestimmter planen. Die einzelnen Lebensbereiche werden entzerrt, neue biographische Muster definiert und Fähigkeiten entwickelt, das Umfeld aktiv und sozial mitzugestalten.

Dem Konfliktgerede, das bei uns nicht aufhört, müssen die Daten einer jetzt in diesem Jahr fertiggestellten umfangreichen Studie entgegengehalten werden. Die heute Alten haben für ihre Altvorderen und ihre Kinder gesorgt. Jetzt ist es an den erwachsenen Kindern, für die Alten zu sorgen. Generationengerechtigkeit beruht auf der gleichmäßi­gen Verteilung von Nutzen und Belastungen zwischen den Generationen. Ein funktio­nierendes Miteinander, das auf den Grundwerten Solidarität und Gerechtig­keit aufbaut, muss von gegenseitigem Respekt, Verantwortung und Zuwendungsbereitschaft getra­gen sein. Aus diesem Grund treten wir vom Seniorenrat für die Verstärkung des Gene­rationendialogs ein.

In der Regel sind die, die vom Generationenkonflikt reden, meistens die, die unser Sys­tem für unfinanzierbar halten, die eine Privatisierung des gesamten Pensionssystems herbeiführen wollen, die natürlich auch nicht müde werden, zu fragen: Was ist denn der Generationenvertrag? Wer hat denn den überhaupt unter­schrieben? Dabei wissen sie ganz genau, dass dieses System, dieser Generationenvertrag Teil des österreichi­schen Alterssicherungssystems ist. Dieser Generationenvertrag bedeutet doch nichts anderes, als dass die jeweils berufstätige Generation ihrer Verantwortung für die vor­herige Generation durch Beiträge und Steuern nachkommt. Solange es eine erwerbs­tätige Generation gibt, so lange sind die Verpflichtungen, die der jeweils älteren Gene­ration in ihrem Erwerbsleben gegeben worden sind, einlösbar. Dieser Generationen­vertrag hat seine ökonomische und politische Stabilität immer wieder bewiesen.

Im Gegensatz zur Beschwörung eines nicht vorhandenen Generationenkonflikts haben wir das gemeinsame Ziel, eine Kultur des aktiven Alters zu schaffen. Das heißt, dass die rasch wachsende Bevölkerungsgruppe der Menschen 50 plus gute Beschäftigungs­möglichkeiten sowie gute Chancen und entsprechende Rahmen­bedingungen für eine aktive Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben haben muss.

In der Arbeitswelt brauchen wir verbesserte Arbeitsbedingungen und altersgerechte Jobs anstatt Diskriminierung von Arbeitnehmern jenseits der 50. Österreich braucht keine neue Pensionsreform, sondern eine Reform der Arbeitswelt mit alters- und al­ternsgerechten Arbeitsplätzen, die der Leistungsfähigkeit, dem Wissen und dem Ge­sundheitszustand der Älteren entsprechen, und ein Malus für Firmen – das betone ich auch ganz besonders –, die ältere Menschen in die Frühpension oder in die Arbeitslo­sigkeit drängen oder mobben. Firmen allerdings, die ältere Menschen länger – am bes­ten über die Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters hinaus – gesund im Erwerbs­leben halten können oder diese aus der Arbeitslosigkeit ins Erwerbsleben zurückholen, sollen einen entsprechenden Bonus erhalten.

Es ist eine Binsenweisheit: Je besser es uns gelingt, eine möglichst große Zahl von Menschen aller Altersgruppen – das betone ich ganz besonders – ins Erwerbsleben zu integrieren und länger im Erwerbsleben zu halten, desto weniger stark kann die ökono­mische Abhängigkeitsquote in die Höhe gehen.

So sieht das auch die Europäische Union, die ausgeführt hat, dass es von zentraler Bedeutung ist, den Zusammenhang zwischen Arbeitsmarktentwicklung und Entwick­lung der ökonomischen Abhängigkeitsquote aufzuzeigen, und dass das die richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Demokratie sind.

Die Europäische Union hat darüber hinaus schon Leitlinien entwickelt, die von der ös­terreichischen Politik berücksichtigt werden müssen: Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit, arbeitsmarktnahe Qualifizierung, lebenslanges Lernen, Optimierung des Bildungswesens, Armutsbekämpfung und soziale Eingliede­rung.

Wir vom Seniorenrat fordern, um diesen Herausforderungen begegnen zu können: die volle Mitbestimmung der Seniorinnen und Senioren auf allen Entscheidungsebenen, die Verankerung des Diskriminierungsverbots des Alters in der Verfassung, das Grund­recht auf Alterssicherung einschließlich der Werterhaltung der Pensionen, den Ausbau und die Förderung des Dialogs der Generationen, eine ausgewogene und dem tat­sächlichen Bild der Seniorinnen und Senioren entsprechende Berichterstattung in den Medien, eine Förderung der Mobilität der Seniorinnen und Senioren in allen Lebensbe­reichen und den uneingeschränkten Zugang zu modernen Informationstechnologien.

Menschen sind nur dann zufrieden und können nur dann glücklich altern, wenn sie wei­terhin sinnvoll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und ihre Rollenerwartung erfül­len können.

Diese neue Art, alt zu werden, die ich soeben für diese „jungen Alten“ ausgeführt habe, ist eine Bereicherung für die ganze Gesellschaft. Ältere Menschen werden in Zukunft noch mehr gebraucht. Ihr Wissen, ihre Erfahrung, ihre Kompetenz werden im Beruf und im sozialen Gefüge immer unverzichtbarer, sie müssen aber von der Notwendig­keit des lebenslangen Lernens überzeugt werden.

Es ist heute schon erwähnt worden, alle sind mit dem zufrieden, was wir bis jetzt schon erreicht haben. Diese Menschen haben ihre Erfahrungen. Sie müssen aber erst reali­sieren, dass diese nicht mehr ausreichen, alle Antworten auf die Fragen zu geben, die jetzt gestellt werden. Daher braucht es das lebenslange Lernen.

Dabei haben wir eines zu beachten: Die heute Älteren haben niedrigere Bildungsab­schlüsse als die jüngere Generation. Daher gibt es eine relative Bildungsbenachteili­gung im Alter. Leider sind es vorwiegend die „jungen Alten“ mit höherer Schulbildung und höheren Einkommen, die die Bildungsangebote annehmen und nutzen. Da sind die Seniorenorganisationen aufgerufen, alles zu tun, damit auch Angebote für die et­was älteren als die „jungen Alten“ geschaffen werden und damit diese auch genutzt werden. Für die Verbesserung der Lebensqualität und Stärkung der Autonomie im Alter ist es von grundlegender Bedeutung, dass die älteren Menschen verstärkt Angebote zum Lernen haben und nutzen können.

Eine besonders wichtige gesellschaftliche Herausforderung für die ältere Generation ist die Sicherung des Pensionssystems. Dieses gewährt den Menschen eine sichere Al­tersversorgung und ist bei uns in Österreich finanzierbar. Allerdings bedarf diese Si­cherung einer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik, die mit der Pensionspolitik untrennbar verbunden ist. Wir müssen gemeinsam jenen entgegentreten, die das gesetzliche dem Versicherungsprinzip und dem Solidarausgleich verpflichtete Pensionssystem krankre­den und das Vertrauen in dieses zerstören wollen. Unsere umlagefinanzierten gesetzli­chen Pensionen haben gerade jetzt in Zeiten der Krise ihre Stabilität bewiesen: Sie wurden stets pünktlich und stets in voller Höhe ausbezahlt – Monat für Monat, seit 1956, als das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz in Kraft getreten ist.

Vieles ist zu den Herausforderungen der Pensionsfinanzierung, der Wertsicherung so­wie der Pflege und Betreuung von unserer Seite zu sagen. Ich bitte aber um Verständ­nis: Wir im Österreichischen Seniorenrat bemühen uns immer, eine ganz einheitliche Haltung und einheitlich beschlossene Forderungsprogramme vorzulegen. Wir haben morgen eine Sitzung des Österreichischen Seniorenrates und werden dort schon die ersten entsprechenden Punkte für die Verhandlungen, die zu einer neuen Regierung führen sollen, fixieren. (Präsident Todt übernimmt wieder den Vorsitz.)

Am 27. Oktober wird hier im Hohen Haus die Hauptversammlung des Österreichischen Seniorenrates stattfinden, und abschließend werden wir dann die zu den Punkten Pen­sionsfinanzierung, Wertsicherung, Pflege und Betreuung klaren und von uns gemein­sam vertretenen Stellungnahmen der Öffentlichkeit vorstellen können.

Nur so viel sei vielleicht schon jetzt gesagt: Wir Pensionistinnen und Pensionisten ha­ben zur Konsolidierung des Staatshaushaltes mit der Dämpfung der Pensionsanpas­sungen 2013 und 2014 einen enormen Beitrag geleistet. Wir waren pakttreu und erwar­ten von der kommenden Regierung das Gleiche: volle Teuerungsabgeltung für 2015 und die Folgejahre und die verstärkte Bekämpfung der Altersarmut – aber das schon jetzt.

Man soll nie vergessen: Pensionen sind kein Geschenk des Staates, sondern die Ge­genleistung für die Lebensleistung von Menschen, die gearbeitet sowie Beiträge und Steuern bezahlt haben. (Beifall.)

12.54


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke, Herr Präsident Blecha.

Bevor ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Khol das Wort erteile, begrüße ich noch den Präsiden­ten des Burgenländischen Landtages Gerhard Steier. (Beifall.)

Bitte, Herr Univ.-Prof. Dr. Khol.

 


12.54.20

Präsident des Nationalrates a.D. Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol (Präsident des Seni­orenrates)|: Meine Damen und Herren! Wir vom Österreichischen Seniorenrat – Präsi­dent Blecha und ich – teilen uns die Arbeit. Das, was er gesagt hat, unterschreibe ich hundertprozentig. Das ist gemeinsame Linie.

Ich korrigiere ihn nur in einem einzigen kleinen Detail bezüglich einer Information: Un­sere Hauptversammlung findet am 23. und nicht am 27. im Plenum des Nationalrates statt. Ich bitte Sie alle, dass Sie daran teilnehmen.

Ich ergänze das Thema nur in einem ganz kleinen Aspekt. Ich befasse mich weder mit den Pensionen noch mit der Pflege, noch mit der Gesundheit, noch mit der sozialen Eingliederung im ländlichen Raum, das ist alles wunderbar dargestellt worden, sondern ich konzentriere mich in den wenigen Minuten, die ich in Anspruch nehme, auf Folgen­des: Welche Rolle können, wollen und dürfen Ältere in der Gesellschaft spielen? Es geht also um die Mitwirkung, die Mitbestimmung, die Selbstbestimmungsgesellschaft.

Karl Blecha hat bereits die Generali-Studie zitiert. Wir lassen im Seniorenbund seit vie­len Jahren jährlich eine Umfrage von Fessel beziehungsweise GfK durchführen, die wir dann gemeinsam interpretieren. In dieser Umfrage schauen wir uns sehr genau an, wie der ältere Mensch in der Gesellschaft steht, und zwar mit den gleichen Fragen und Parametern seit dem Jahre 2003. Wir können also die Veränderungen sehr genau messen.

Wir haben auf Grundlage der Studie 2003 – Samplegröße 1 000, also nicht die be­rühmten 400 Telefoninterviews, die man in den Papierkorb schmeißen kann, sondern eine ordentliche Studie – vier Typen von Senioren in ihrer Lebenswelt gebildet:

7 Prozent der Senioren – zwischen 2003 und 2012 eigentlich recht konstant – sind „Flotte“: gesund, erwerbstätig, im Internet aktiv, mit Freiwilligentätigkeiten. 31 Prozent sind „Zufriedene“: häusliche, in der Familie aufgehende Senioren. 30 Prozent sind „Neugierige“ und 32 Prozent sind „Zurückgezogene“, also vereinsamte, vereinzelte Se­nioren, die dem Klischeebild der Seniorinnen und Senioren entsprechen, das in man­chen Medien immer noch gezeichnet wird: arm, einsam, schlecht frisiert, schlecht ge­kleidet, ängstlich, gesundheitlich beeinträchtigt.

Das war also in den Jahren 2003 und folgende. Wir haben hier aber ständig Verände­rungen messen können. Das Interessante ist, die große Studie diesbezüglich 2013, die wir gerade gestern bekommen und noch nicht veröffentlicht haben, zeigt eine unglaub­liche Veränderung der Lebenswelt der Senioren: Aus den 7 Prozent „Flotte“ wurden 74 Prozent „Flotte“, 74 Prozent, die das Internet nutzen, die reisen, die in der Freiwilli­genarbeit aktiv sind – und zwar in der formellen Freiwilligenarbeit, aber auch in der in­formellen, also Familienarbeit – und nur mehr 3 Prozent „Zurückgezogene“, Verein­samte, Vereinzelte. Das ist ein unglaublicher Fortschritt.

Daher trete ich all den Unglückspropheten, die uns sagen, es wird alles immer schlech­ter und die Menschen werden immer kränker, entschieden entgegen. Natürlich, wir werden alle immer älter, aber dass wir ständig krank sind, stimmt absolut nicht. In ab­soluten Zahlen stimmt das vielleicht, aber sicherlich nicht, wenn man den prozentuellen Anteil betrachtet. Das ist ein großer Fortschritt.

Welche Folgerungen ziehen wir daraus? – Meine Damen und Herren! Warm, satt, sau­ber und betreut ist heute für diese aktiven Generationen der 60- bis 85-Jährigen nicht mehr die Antwort. Das ist selbstverständlich. Das sind die materiellen Dinge, die wir durch unsere Beiträge, durch die Familienarbeit und subsidiär durch die Gemeinschaft leisten. Wir wollen mehr! Wir sind eine eigene, selbstbestimmte Generation, die nicht nur – wie noch im Jahr 1973 – sechs bis sieben Jahre in der Pension verbringt und dann verstirbt, sondern die jetzt einen eigenen Lebensabschnitt bildet, der ziemlich ge­nau gleich lang dauert wie die Jugend, nämlich 25 Jahre lang.

Im 90. Psalm heißt es: „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn‘s hoch kommt, so sind‘s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit ge­wesen“, und so weiter.

Heute müsste es heißen: Des Menschen Leben währet 80 Jahre, und wenn‘s hoch kommt, 100, und es war nicht nur Mühsal, sondern es war Erfüllung und Selbstbestim­mung.

Noch nie waren Senioren so mobil wie heute. Noch nie waren Seniorinnen und Senio­ren so gut versorgt. Noch nie waren sie so gesund und noch nie waren sie so produk­tiv. Sie sind nämlich auch nach dem Ausscheiden aus dem formellen Erwerbsleben, also mit der Pensionierung, produktiv: produktiv in der Freiwilligenarbeit, produktiv in der Familienarbeit, produktiv auch in einer zweiten Erwerbskarriere nach der Pensio­nierung.

Welche Forderungen ergeben sich daraus?  Auf der einen Seite die Anerkennung in der Teilhabe. Wir wollen in allen Vertretungskörpern der Republik angemessen vertre­ten sein, wie es den 24 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahren entspricht.

Wir wollen als Sozialpartner nicht nur im Gesetz verankert sein, sondern die Entwick­lung weiterverfolgen, nämlich dahin gehend, dass wir voll anerkannt und auf allen Ebenen ernst genommen werden, und zwar nicht nur bei Warm-, Satt- und Sauber­fragen, sondern auch bei der gesellschaftlichen Mitbestimmung. Ich kann mich gut er­innern an Zeiten, als man sagte: Alt bin ich selber, also brauchen wir keine Senioren­vertreter, das machen wir selber. Diese Zeiten müssen vorbei sein!

Wichtig ist auch die Anerkennung der Freiwilligenarbeit. Wir haben uns nicht durchset­zen können, dass im Sozialministerium bei verschiedenen Regelungen für die Freiwil­ligen die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Freiwilligen gleich behandelt wer­den wie die jungen Menschen – dies im Jahr der Freiwilligen. Zum Beispiel kann kein 65-Jähriger und keine 70-Jährige ein Freiwilligenjahr machen – trotz voller Leistungsfä­higkeit. Da wird nach wie vor diskriminiert. Das ist nur ein Beispiel, es gibt auch an­dere.

Wir wollen auch eine Anerkennung der produktiven Leistung, die wir, die Über-60-Jäh­rigen, in der Republik erbringen. Es ist inzwischen klargestellt, von der OECD und in vielen Studien bestätigt, dass es eine Mär ist, dass die Alten den Jungen die Arbeit wegnehmen. Das brauche ich nicht länger auszuführen, ist eine bekannte Tatsache.

Die Anerkennung der Produktivität der älteren Generationen ist aber in der Republik noch unterentwickelt. Wir vom Seniorenrat verlangen einen Wegfall der Zuverdienst­grenze neben der Pension. Insbesondere nach dem Inkrafttreten des Pensionskontos muss es so sein, dass jemand, der in Pensionskontopension ist, unbegrenzt dazuver­dienen kann. Die Ungleichbehandlung gegenüber dem öffentlichen Dienst muss ein Ende haben!

Ein weiteres Beispiel ist das Ärgernis, das mir in vielen Briefen mitgeteilt wird, nämlich von Selbständigen, die nach der Pensionierung als Konsulent irgendwo tätig sind oder eine neue Tätigkeit entfalten, für die sie natürlich voll Steuer bezahlen, ist überhaupt keine Frage, für die sie aber Krankenversicherung zahlen müssen, obwohl sie schon aufgrund der Pension krankenversichert sind.

Auch das ist in Ordnung, aber es gibt keine automatische Rückzahlung der Beträge, wenn man zusammenrechnet: Pension plus neuer Bezug und um 200 bis 300 € über der Höchstbemessungsgrundlage beziehungsweise Höchstbeitragsgrundlage für die Krankenversicherung ist. Dann kommt nur der Kundige zu seinem Geld, indem er nach § 70 ASVG ähnlich wie in anderen versicherungsrechtlichen Fällen einen Antrag stellt. Er bekommt aber nicht den gesamten Betrag, den er zu viel eingezahlt hat, zurück, sondern nur 4 Prozent. Das ist eine glatte Ungerechtigkeit!

Aber was die Menschen im Lande noch viel mehr erbittert, ist, dass sie in ihrer zweiten Konsulententätigkeit zum Beispiel für eine Pension einbezahlen müssen, und zwar er­hebliche Beträge – fast 20 Prozent des Umsatzes, über 7 000 € müssen einbezahlt werden –, für eine Pension, von der man eigentlich nichts hat.

Ein 70-Jähriger zahlt ein für eine Pension. Die Gegenleistung ist, dass er im nächsten Jahr pro Monat eine um 1,80 € oder 2,12 € höhere Pension hat. Da fühlen sich die Leute geheckerlt, wie man in Wien sagt, gepflanzt. Das ist eine deutliche Missachtung des Beitrags, den diese Menschen für die Gesellschaft leisten. Sie zahlen Steuer, und ihre Erfahrungen werden genutzt.

Damit bin ich schon am Schluss meiner Ausführungen. Ich bin der Meinung, dass wir Jahre und Jahrzehnte gebraucht haben, bis wir für die Jugend alle Regelungen, Förderungsmaßnahmen, all das, was wir heute für das jugendliche Alter an Ausbildung et cetera zur Verfügung haben, erreicht haben. Die Aufgabe der Gesellschaft muss es sein, für diese neue Generation, die ja auch 25 Jahre Lebenszeit hat, spiegelbildlich ähnliche Institutionen zu entwickeln. Und wenn die heutige Enquete einen Beitrag dazu leistet, so wird es mich freuen. (Beifall.)

13.07


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Vielen Dank für die Ausführungen.

13.07.50III. Diskussion

 


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Wir gehen nun in die Diskussion ein.

Bevor ich der ersten Rednerin beziehungsweise dem ersten Redner das Wort erteile, weise ich darauf hin, dass die Redebeiträge die Dauer von 3 Minuten nicht überschrei­ten sollen, und ersuche gleichzeitig, diese Vorgabe einzuhalten.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Aubauer. Ich erteile es ihr. – Bitte.

 


13.08.03

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP)|: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Länger gesund leben, das ist ja unser aller Anliegen, das wollen wir doch alle. Und wer länger arbeiten will und auch gesundheitlich dazu in der Lage ist, der soll auch länger arbeiten dürfen, und für den brauchen wir auch die geeigneten Arbeitsplätze.

Daher möchte ich um etwas ersuchen, was uns wichtig ist: Hören wir auf, Arbeitswilli­gen Prügel vor die Füße zu werfen! Die Herren Präsidenten Khol und Blecha haben es ja angesprochen: Die Zuverdienstgrenzen für ASVG-Frühpensionisten sind derzeit starr. Da brauchen wir eine moderne, flexible Regelung. Derzeit darf ein Frühpensionist ja nicht einmal 30 € pro Tag dazuverdienen! Also das kann nicht mehr zeitgemäß sein! Ich glaube, da sind sich mittlerweile auch schon die wesentlichen Gruppierungen einig.

Wir wollen auch höhere finanzielle Anreize für jene, die nach dem Regelpensionsalter länger arbeiten, einen deutlichen Bonus. Länger arbeiten soll sich in der Pension wirk­lich auszahlen, und diese Arbeitswilligen müssen dann auch wirklich mehr Geld im Bör­sel haben. Nehmen wir einen neuen Anlauf, um das in der nächsten Legislaturperiode auch umzusetzen!

Ein besonderes Anliegen ist uns: Schauen wir doch auch die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt an! Damit wir einander jetzt nicht missverstehen: Jeder Arbeitslose braucht einen Arbeitsplatz, und wir werden uns dafür einsetzen, dass dieser auch wie­der einen Job bekommt. Jeder ist einer zu viel. Hier laufen schon die verschiedensten Programme wie zum Beispiel fit2work und mehr Gesundheitsvorsorge. Da hat die Bun­desregierung schon sehr viel Geld in die Hand genommen für Arbeitsmarktoffensiven. Das wollen wir auch weiter fördern.

Aber sehen wir doch die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt! Alleine im August gab es 40 000 mehr Beschäftigte in der Gruppe 50 plus. Das ist doch ein wirklich deut­licher Erfolg, darüber können wir uns freuen. Der gesamte Beschäftigungszuwachs kommt im Wesentlichen von den älteren Arbeitskräften. Noch nie gab es so viele ältere Beschäftige.

Und noch etwas Erfreuliches: Jeder sechste Erwerbstätige über 60 ist ein Unterneh­mer, ist als Unternehmer aktiv. Auch das ist eine interessante positive Entwicklung.

Das heißt, es bewegt sich sehr viel auf dem Arbeitsmarkt. Einerseits sollen die, die ar­beiten wollen, auch arbeiten dürfen. Es soll sich auszahlen, etwas zu leisten und zu ar­beiten. Das ist unser Vorhaben.

Ich danke Ihnen heute für diese sachliche Diskussion, für diese konstruktiven Beiträge. Es hat sich auch gezeigt: Gemeinsam können wir zu guten Lösungen kommen, ge­meinsam mit dem Seniorenrat und gemeinsam mit allen Gruppierungen und Partei­en. – Danke schön. (Beifall.)

13.11


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag.

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.11.35

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten)|: Herr Vorsitzender! Herr Präsident! Gospod predsednik! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Sehr geehrte Damen und Herren! Spoštovane dame in gospodje!

Ich komme aus Kärnten, einem Land, wo die Bevölkerungszahl permanent sinkt. Täg­lich verlassen acht junge Menschen das Land, vor allem Frauen. Die Bevölkerung und die Gesellschaft, zum Beispiel die Gesellschaft in Kärnten, in Österreich, in Europa, ha­ben wir gehört, werden immer älter, älter, aber deshalb noch lange nicht grauer, so möchte ich es betiteln.

Was meine ich damit? Wir haben sowohl von Ihnen, Herr Präsident Blecha, als auch von Ihnen, Herr Präsident Dr. Khol, gehört, dass sich die Pensionisten verändert ha­ben. Die Pensionisten sind aktiv, die Pensionisten und Pensionistinnen sind modern, sie wollen arbeiten. Die Pensionisten und Pensionistinnen sind leistungsfähig und nicht so, wie es vor Jahren war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das Alter weist eine Vielfalt auf. Was meine ich damit? Wenn man jetzt zum Beispiel in die Städte schaut, wenn man in die Wohnblöcke schaut, wenn man sich jetzt zum Beispiel die Freizeitgestaltung an­schaut, dann sieht man, wie vielfältig das Alter ist, wie vielfältig das Alter gestaltet wer­den kann; und diese Pensionisten und Pensionistinnen nehmen das auch in Anspruch. Deswegen sehe ich die Vielfalt des Alters als Chance und nicht als Problem. Die Politik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass diese Pensionisten und Pensio­nistinnen dieses Leben auch genießen können.

Ich möchte noch auf einen Punkt ganz kurz eingehen, nämlich die Solidarität. Nicht „einsam“, sondern „gemeinsam“ soll unser Motto lauten. Ich glaube, wir dürfen eines nicht machen: dass wir die Alten gegen die Jungen ausspielen. Denn unser Land, die Gesellschaft braucht sowohl die ältere, erfahrene Generation als auch die jüngere Generation; und ich glaube, für alle Generationen müssen Lebensmöglichkeiten und Lebenschancen in allen Bereichen bereitgestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heuti­gen Pensionisten sind keine Randgruppe mehr, die abseits steht und stumm und al­leine die Wege des grauen Alltags beschreitet. Die Pensionisten und Pensionistinnen gehören in unsere Gesellschaft und sind eine Chance und eine Bereicherung. (Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke. (Beifall.)

13.14


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag.

Zu Wort gemeldet ist Mag. Richard Kühnel. Ich erteile es ihm. – Bitte.

 


13.15.08

Mag. Richard Kühnel (Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident!

Erstens: Herzlichen Glückwunsch, Ihnen, Herr Präsident, und dem Bundesrat zu Ihrer Initiative.

Zweitens: Herzlichen Dank, dass Sie uns als Europäische Kommission in die Debatte mit einbinden. Das ist keine Selbstverständlichkeit, wir wissen das sehr zu schätzen.

Drittens: Aus unserer Sicht ist neben dem großen Thema Jugendbeschäftigung die Frage des aktiven und würdevollen Alterns eine ganz zentrale Herausforderung für das Europäische Sozialmodell.

Viertens: Daher arbeiten wir als Europäische Kommission sehr intensiv mit unseren Mitgliedstaaten, aber auch mit der UNO an Maßnahmen zur Unterstützung des aktiven Alterns.

Und fünftens haben wir uns als Kommission in diesem Zusammenhang drei Schwer­punkte gesetzt, die ich ein bisschen erläutern möchte: erstens aktives Altern in der Erwerbstätigkeit, zweitens Teilhabe an der Gesellschaft und drittens unabhängiges Le­ben.

Zum aktiven Altern in der Erwerbstätigkeit ist viel gesagt worden. Auch für uns auf eu­ropäischer Ebene ist es sehr wichtig, Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das ist ein ganz zentrales Thema im Rahmen unseres europäischen Semesters, in dem wir allen Mitgliedstaaten länderspezifische Empfehlungen geben. Da ist dieses Thema bei fast allen Ländern ein wichtiges Element.

In Österreich, wissen wir, wird die Beschäftigungsquote ab dem Jahr 2020 wahrschein­lich sinken. Wir wissen, dass die Beschäftigungsrate älterer Menschen in Österreich weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Daher haben wir dazu Empfehlungen formuliert, die einerseits darauf abzielen, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen – das Programm fit2work ist bereits erwähnt worden, ich glaube, das ist bereits ein wichtiger Ansatz –, zweitens aber auch das Pensionsalter stärker mit der steigenden Lebenser­wartung zu verbinden.

Zum zweiten Punkt, Teilhabe an der Gesellschaft: Ich glaube, der Beitrag der älteren Menschen in der Gesellschaft wird zu oft als eine Selbstverständlichkeit wahrgenom­men und daher in seiner Bedeutung übersehen. Das Europäische Jahr für aktives Al­tern 2012 hat, glaube ich, sehr viele Bewusstseinsanstöße geliefert. Auf diesen gilt es aufzubauen und den Erfahrungsschatz älterer Mitmenschen mehr zu nützen, etwa im Dialog zwischen den Generationen.

Zum Thema Unabhängigkeit im Alltag: Da geht es natürlich vor allem um das gesunde Altern. Wir haben ein europäisches Pilotprojekt gestartet, um bis zum Jahr 2020 in ganz Europa das gesunde Altwerden um zwei Jahre zu erhöhen. Das ist auch für Ös­terreich sehr wichtig. Österreich hat ja generell eine sehr hohe Lebenserwartung, aber bei der gesunden Lebenserwartung liegen wir leider Gottes nicht so gut; da liegen wir eher im unteren Drittel, was die alten EU-Mitgliedstaaten betrifft.

All diese Maßnahmen und Themen sind wichtig, und zwar nicht nur für die ältere Gene­ration, sondern für eine gesunde Gesellschaft insgesamt. Ich glaube, hier sind Aufga­ben auch für die neue Bundesregierung und den Gesetzgeber, Maßnahmen im Ein­klang mit diesen europäischen Zielen zu treffen.

Man kann sich dabei auch Inspirationen in anderen Mitgliedstaaten holen. Dänemark und Schweden sind, wie ich meine, auch in dieser Hinsicht klassischerweise gute Bei­spiele. Ich schließe mit dem Active Ageing Index: Österreich liegt in diesem europawei­ten Index an zehnter Stelle von 28 Mitgliedstaaten. Aber vor allem bei zwei Themen hinken wir, glaube ich, doch ein bisschen hinterher: überraschenderweise bei der Be­schäftigung, da sind wir nur auf Platz 15, und beim Faktor Unabhängigkeit, da sind wir nur auf Platz 13.

Ich glaube, da ist doch ein bisschen Handlungsbedarf. Die heutige Debatte ist sicher­lich ein wichtiger Anstoß. Als Europäische Kommission werden wir gerne das Unsere tun, um zu unterstützen. – Danke schön. (Beifall.)

13.18


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


13.18.52

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Referentinnen und Referenten! Interessante Ideen. Wenn man von Anfang an bis jetzt zugehört hat, dann weiß man: Es ist ein der­art breites Spektrum, das hier im Prinzip abgedeckt, diskutiert wurde. Ideen gibt es, Pläne gibt es. Einige Dinge sind bereits umgesetzt worden.

Ein Punkt, den ich noch gerne angesprochen hätte, ist die Eigenverantwortung, die je­de Person von jung bis alt auch hat. Jeder Mensch ist auch für sich selbst verant­wortlich, hat dafür Sorge zu tragen, dass er gesund lebt, dass er entsprechend lebt, dass er natürlich die besten Voraussetzungen für ein entsprechendes Altern hat. Selbstverständlich können auch unabhängig davon Dinge passieren, die dann abge­deckt werden müssen. Das haben wir gehört. Diese Möglichkeiten unterstützt die Poli­tik, unterstützt der Staat, dafür ist er da, wenn eben Bedarf gegeben ist.

Ich würde gerne zu den einzelnen Punkten nur ganz kurz Stellung nehmen. Die Maß­nahmen zur Hebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters, sind, wie ich meine, ein ganz wesentlicher Punkt. Wenn wir es schaffen, dass das tatsächliche Antrittsalter dem gesetzlich vorgegebenen entspricht, dann wäre ein riesengroßer Schritt getan. Ich müsste mich theoretisch – wenn ich sehe, dass man ab 50 bereits bestrebt ist, in Pen­sion zu gehen – schon ordentlich bemüht haben, dorthin zu kommen. Tatsächlich be­schäftige ich mich noch nicht mit diesem Thema, der Pensionierung.

Also ich glaube, dass es für jede Frau erstrebenswert ist, mindestens ein Pensionsan­trittsalter von 60 zu erreichen, und wenn wir das tun, dann haben wir etwas Hervorra­gendes erreicht. Wenn die Herren in unserer Gesellschaft das Ihre dazutun und auch das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreichen – das durchschnittliche Pensionsan­trittsalter liegt jetzt bei 58,4 Jahren –, dann, glaube ich, haben wir im Staat Österreich dafür gesorgt, dass die finanziellen Voraussetzungen weit besser sind, als wir es in Prognosen so darstellen.

Wenn wir das im Staatlichen ein bisschen regeln können, dann sollte es auch nicht so sein, dass man in staatlichen Unternehmen – ich muss jetzt doch noch einen kleinen Seitenhieb machen –, wenn es dann ein bisschen schwierig wird im betrieblichen Um­feld, wie das bei ÖBB und Post zum Beispiel der Fall war, versucht, Leute in die Früh­pension zu schicken; das ist nicht gerade immer die beste Variante. Vielleicht hätte man versuchen können, für diese sicher hervorragenden jungen Frühpensionisten eine sinnvolle Beschäftigung in diesen Unternehmen zu finden.

Welchen Anreiz wollen wir für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber schaffen? – Ich glau­be, das Know-how, das diese Menschen haben, die Fachkräfte – die uns tatsächlich in Zukunft fehlen werden, das hören wir auch jeden Tag –, müssen wir nützen, dieses Know-how darf nicht so früh verloren gehen, aber ich glaube auch, dass man den Unternehmen natürlich auch ein Werkzeug in die Hand geben muss, in Form einer entsprechenden Entlastung, einer steuerlichen Entlastung, auch eines Bonussystems, damit sie bereit sind, mehr dazu zu tun, diese ältere Generation vielleicht länger im Be­rufsleben zu halten.

Wo kommt das Geld her? – Das ist eine gute Frage. Wenn ich aber den beiden Herren, die zuletzt gesprochen haben, zugehört habe, dann darf ich Ihnen sagen, es war wohl­tuend, festzustellen, dass offensichtlich nicht nur die großen Sorgen, die wir natürlich um das Älterwerden herum haben, ein Thema für die Politik sein müssen, sondern dass es unseren Pensionisten eigentlich sehr, sehr gut geht, dass sie sehr, sehr aktiv sind. Und ich darf den beiden jungen Pensionisten sagen, mein Vater erreicht viel­leicht – mit viel Glück – in einem Jahr seinen Hunderter. Er ist nicht erst jetzt geboren, sondern 1915, hat das offensichtlich mit einem gesunden Schaffensdrang auch ge­schafft. In meiner Familie sind die Jüngsten gerade so 90, ich habe also beste Zu­kunftsaussichten und wünsche mir, genauso geistig fit und unternehmenslustig zu sein wie diese Pensionisten.

Mit einer positiven Stimmung aus dieser Enquete zu gehen ist eine schöne Angelegen­heit, und ich glaube, es macht Sinn, wenn wir uns das im Geiste bewahren und so ei­nen schönen Abschluss dieser Enquete haben dürfen. – Danke. (Beifall.)

13.24


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für den Beitrag.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Kneifel. – Bitte.

 


13.24.15

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich)|: Sehr geschätzte Präsidenten des Bundesseniorenrates! Sehr geschätzter Herr Präsident Reinhard Todt! Zuerst ein herzliches Dankeschön! Es ist eine gute Fügung, und du hattest eine glückliche Hand bei der Terminisierung dieser Enquete – gerade richtig platziert, wie die beiden Präsi­denten des Bundesseniorenrates gesagt haben. Sie sind gerade in Vorbereitung der Forderungspakete an die neue Koalitionsregierung – wie immer sie aussehen wird –, und ich glaube, dass es richtig ist, ganz klar und gemeinsam diese Punkte zu formu­lieren.

Die Stadträtin von Wien, Frau Sonja Wehsely, hat auf die Gesundheit der Senioren, auf die Prävention hingewiesen. Prävention ist wichtig. Auch Herr Präsident Khol hat da­rauf hingewiesen, wie fit die Seniorinnen und Senioren in unserer Zeit sind. Ich glaube aber, es gibt noch ein Defizit: ein Defizit bei der Unfallprävention. Wir sind sehr weit fortgeschritten bei der Verhütung von Arbeitsunfällen, diese nehmen wegen der star­ken und sehr rigorosen Bestimmungen zur Unfallverhütung rapide ab. Wir haben aber ein starkes Ansteigen der Freizeit-, Heim- und Haushaltsunfälle und da wiederum ein besonderes Ansteigen der Seniorinnen- und Seniorenunfälle.

Wenn wir uns vor Augen führen, dass alle fünf Stunden in Österreich ein Senior bei einem Unfall zu Tode kommt – alle fünf Stunden! –, dann muss uns das als Gesetzge­ber alarmieren. Ich glaube, da können wir nicht einfach zusehen, da ist Handlungsbe­darf. Alle fünf Stunden stirbt ein älterer Mensch bei einem Unfall. Es ist wichtig, dass wir einen nationalen Aktionsplan für Unfallverhütung ins Leben rufen. Ich glaube, alle Seniorenorganisationen sind aufgefordert, da mitzuarbeiten, Unfälle zu verhüten und entsprechende Maßnahmen zu setzen. Der Staat alleine wird es nicht schaffen, aber ich glaube, da ist ein großes Betätigungsfeld, damit auch die immer älter werdende Ge­neration entsprechend sicher leben kann.

Die meisten Seniorenunfälle geschehen im eigenen Haus, in der Wohnung – Sturz und Fall, ich brauche Ihnen das nicht zu erläutern. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat das ganz klar herausgearbeitet. Meine Herren Präsidenten, ich glaube, es ist wich­tig, in das Forderungspaket auch einen nationalen Aktionsplan zur Unfallverhütung für die Seniorinnen und Senioren aufzunehmen, damit dieser Bereich auch für die Senio­rinnen und Senioren in Österreich sicherer wird. (Beifall.)

13.27


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für den Beitrag.

Zu Wort gemeldet ist Frau Volksanwältin Brinek. – Bitte.

 


13.27.43

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Prä­sidenten! Hohes Haus! Lassen Sie mich aus der Perspektive und Erfahrung der Arbeit der Volksanwaltschaft einige Anmerkungen zu den reichlich gebotenen Darstellungen machen. Ja, wir werden älter – Gott sei Dank! Die Familie, die Gesellschaft um uns he­rum, um die älter werdenden Menschen haben sich aber auch geändert.

Menschen, die älter werden oder überhaupt selbstbewusster auftreten und das Leben der Familie gestalten wollen, brauchen manchmal Hilfe. Diese Hilfe ist auch differen­ziert zu geben, und aus der Sicht der Volksanwaltschaft wird als Hilfsangebot zu oft die Sachwalterschaft ausgesprochen. Menschen spüren, dass das doch noch den alten Charakter der Entmündigung in sich trägt, und aus der Unselbständigkeit wird dann ge­radezu das nicht, was Präsident Blecha angesprochen hat und in Zahlen auch Präsi­dent Khol, nämlich ein Mitglied einer Selbstentfaltungsgesellschaft.

Was heißt „Sachwalterschaft“? – Ich darf über mein eigenes Vermögen nicht verfügen, über meinen Aufenthalt nicht bestimmen, ich bekomme Taschengeld, ich werde in der Entscheidungsfreiheit massiv eingeschränkt. Wir haben in Österreich gegenwärtig an die 70 000 besachwaltete Personen, und was mich beunruhigt, ist: Es war früher nicht diese formale Sachwalterschaft notwendig, weil die Familie geholfen und Verantwor­tung übernommen hat. Jetzt sind das in der Regel Vertreter von Rechtsberufen, und diese sagen nach der klassischen Form: Ich trete da ein, wo die Geschäftsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, aber um Pflege, Gesundheit, Aufenthalt und Pflege von sozia­len Kontakten – mit dem geringen Taschengeld, stellen Sie sich das einmal vor! – küm­mere ich mich nicht.

Nach dem Sachwalterschaftsgesetz sind die Angehörigen oftmals draußen, sind davon ausgeschlossen mitzureden. Auf diese Art und Weise entsteht diese Situation für Men­schen, die bloß ein bisschen beginnen – wie Stadträtin Wehsely gesagt hat –, erste Demenzanzeichen oder erste Hilfsbedürftigkeit zu zeigen, weil sie mit der schnelllebi­gen Welt nicht mehr mitkommen, und da setzt dann die volle Sachwalterschaft an einer falschen Stelle und zu früh ein.

Der Bundesrat war im Hohen Haus immer jene Kammer, die den Arbeiten und den Re­sümees der Volksanwaltschaft besonders große Aufmerksamkeit geschenkt hat. Ich setze auch heute auf Sie, dass Sie diesem Impuls aus der Arbeit der Volksanwaltschaft gerade im Kontext dieses heute gesamthaft beleuchteten Themas auch diese Aufmerk­samkeit schenken.

Wir sind gerne aktiv und auch bereit, mit der künftigen Regierung im Bereich Justiz, aber auch im Bereich Soziales, Sozialministerium, zusammenzuarbeiten, um zu sehen: Was ist eine wohlfahrtliche Aufgabe? Wo brauche ich Hilfe, wo brauche ich Schnittstel­lenmanagement und wo brauche ich wirklich Unterstützung in der Geschäftsfähigkeit und der Gestaltung meines Lebens? Möglichst lange Selb­ständigkeit, möglichst lange Autonomie, maßgeschneiderte Lösungen statt Sachwalterschaftsautomatismus! Das ist meine Anregung.

Noch ein kleiner Aspekt zu zwei weiteren Momenten, die schon angesprochen wurden: Ja, aus der Beschwerdelage der Volksanwaltschaft wissen wir, dass barrierefreies Wohnen, seniorengerechtes Wohnen ein absolutes Thema ist und dass einerseits die gesetzlichen Auflagen ignoriert werden, aber andererseits auch am Bewusstsein noch gearbeitet werden muss, damit das, was sich Menschen wünschen, nämlich weiterhin in ihrer Wohnumgebung zu leben, auch in Erfüllung geht.

Und abschließend: Wir haben auch viele Beschwerden an der Schnittstelle Pensionie­rung, AMS und Invalidität. Es wird der Wunsch geäußert, länger zu arbeiten, aber nach flexibleren Modellen, nach Verquickungen zwischen Pension und Beschäftigung. Aus 150 Prozent Berufstätigkeit wird von einem Tag auf den anderen null – so soll es nicht sein. Menschen wünschen sich, so höre ich es täglich in der Volksanwaltschaft, mehr Flexibilität, und sie wollen länger maßgeschneidert arbeiten.

Herr Präsident, ich geben Ihnen ein Exemplar der Studie über Sachwalterschaft der Volksanwaltschaft und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall.)

13.32


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag.

Zu Wort gemeldet ist Herr Schwarzenberger. – Bitte.

 


13.32.15

Georg Schwarzenberger (Landwirtschaftskammer Österreich)|: Herr Vorsitzender! Mei­ne sehr geschätzten Damen und Herren! Als Vorsitzender des Beirats der Sozialversi­cherungsanstalt der Bauern muss ich auf ein Problem hinweisen, das durch die ge­sellschaftliche Veränderung auch im ländlichen Raum entstanden ist.

Als 1969 die Pensionsversicherung der Bauern beschlossen wurde, hat man sie auf zwei Beine gestellt: die betriebliche Vorsorge durch den Hofübernehmer und eine Geldleistung aus der Pensionsversicherung. Damals war es grundsätzlich üblich, dass mehrere Generationen gemeinsam an einem Tisch aßen. Deshalb hat man sozusagen ein fiktives Ausgedinge errechnet, das auf die Pension angerechnet wird. In der Zwi­schenzeit hat sich aber die Situation dort entscheidend verändert: Fast sämtliche Bau­ernpensionisten haben einen eigenen Haushalt, oft sogar außerhalb des Bauernhofes, und müssen für alle ihre Aufwendungen selbst aufkommen.

Es wird jedoch bei der Berechnung der Ausgleichszulage nach wie vor das fiktive Aus­gedinge errechnet, egal, ob sie etwas bekommen oder nicht. Deshalb meine Bitte. Es ist zwar in der Zwischenzeit etwas gemildert worden, da man auch beim Budgetbegleit­gesetz 2011 die Absenkung des fiktiven Ausgedinges – damals um einige Prozent – beschlossen hat, und mit dem 2. Stabilitätsgesetz wurden für die Jahre 2015 und 2016 weitere Absenkungen um jeweils einen Punkt beschlossen. Immerhin sind es rund 43 000 Bauernpensionisten. Da wir in Österreich sehr kleine Höfe und sehr niedrige Einheitswerte und deshalb auch sehr niedrige Bewertungsgrundlagen für die Pension haben, sind es immerhin rund 25 Prozent, die eine Ausgleichszulage erhalten und der­zeit – Pension plus Ausgleichszulage – mit 700 € im Monat auskommen müssen.

Wenn wir dieses Problem in den nächsten Jahren schrittweise lösen könnten, wäre das ein wesentlicher Beitrag zur Milderung der Altersarmut im ländlichen Raum. (Beifall.)

13.35


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Temmel. – Bitte.

 


13.35.12

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland)|: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Heute wurde es bereits er­wähnt – und man kann es nicht oft genug sagen –: Wir sind in der Pflege und im Ge­sundheitsbereich Weltmeister. Ich glaube aber – und das wurde heute auch kurz von Bundesminister Mitterlehner und von Präsidenten Blecha angesprochen –, Nachholbe­darf besteht in der Mobilität, besonders in den ländlichen Gebieten. Es muss meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit sein, auch dort eine gewisse Grundversor­gung mit öffentlichem Personennahverkehr sicherzustellen, genauso wie das auch in anderen Bereichen – in der Energieversorgung, im Wasser- und Abfallbereich und so weiter – ist.

Diese Entwicklung muss natürlich auch mit Förderungen und mit weiteren Mobilitätsan­geboten, die eben bedarfsgerecht auf die einzelnen Dörfer zugeschnitten werden, von­stattengehen. Da ist natürlich ein großes Vorbild das Land Vorarlberg, das im Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs vorbildhaft für eine ländliche Region ist.

Natürlich gehört zu einer gewissen Mobilität auch eine gute Breitbandinternetversor­gung. Ich glaube, man sollte auch da eine Grundversorgung in jedem einzelnen Dorf sicherstellen, auch wenn es etwas kosten wird – da sind wir uns alle, wie ich meine, einig –, aber es trägt wesentlich zum Selbstwertgefühl der Menschen im ländlichen Raum und zu einer Attraktivierung dieses Raumes bei.

Es wäre mir besonders wichtig, dass wir in den nächsten Jahren diese beiden Proble­me der Mobilität auch für die ländlichen Regionen lösen. (Beifall.)

13.36


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für den Beitrag.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


13.37.10

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren! Ich möchte gerne ganz kurz aus der Erfahrung von Betriebsrätinnen und Betriebsräten, aus der betrieblichen Realität berichten. Die Erfahrungen beginnen eigentlich damit, dass der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin gefühlterweise immer jün­ger älter wird, wenn Sie verstehen, was ich meine. Heute geht es längst nicht mehr da­rum, dass wir über 50-Jährige als alt angesehen werden, sondern schon zu einem we­sentlich früheren Zeitpunkt.

Die zweite Erfahrung, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte, ist, dass über die Vorteile von älteren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen im Betrieb wenig gesprochen wird. Von vielen Dienstgebern wird wenig geschätzt, dass zum Beispiel die Familienplanung zu Ende ist, man daher auch nicht mehr unbedingt zu den Hauptreisezeiten auf Urlaub gehen muss, gegebenenfalls auch ein bisschen flexibler sein kann, wenn plötzlicher Arbeitsbedarf da ist, mit Überstunden, auch die persönlichen, beruflichen Erfahrungen, die man gewonnen hat, aufgrund derer es vielleicht leichter ist, die eine oder andere außergewöhnliche Situation zu bewältigen oder das eine oder andere neue Problem zu lösen, mit durchaus vorhandener Konzentrationsfähigkeit, die uns offenbar ein Stück weit abgesprochen wird, mit sozialen Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Geduld, mit möglichen Vorbildwirkungen, Mentoringtätigkeiten. Vieles mehr könnte ich jetzt ins Treffen führen, das so etwas wie einen Mehrwert hat, wenn ältere Menschen länger in einem Unternehmen sind, Betriebstreue aber nicht mehr so gefragt ist.

Die dritte Erfahrung, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte, betrifft das Thema Arbeits­platzangebot. Wie schaut denn das wirklich aus? Ist es nicht vielmehr so, dass viele Äl­tere, wenn es darum geht, Personalabbaumaßnahmen zu treffen, die ersten Betroffe­nen sind? Ist es nicht vielmehr oft so, dass Arbeitsplätze weder alters- noch alternsge­recht ausgestattet sind? Gibt es nicht da oder dort durchaus auch die Entwicklung, dass die Zugangsmöglichkeit zu Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Menschen im Betrieb weniger ausgeprägt ist?

Und vor allem, wenn ich auch an meine eigene Situation denke, wie sich die Arbeitsor­ganisation, wie sich die Arbeitsmittel in den letzten Jahren verändert haben: Ich per­sönlich habe das alles nicht gelehrt bekommen, sondern eher versucht, es mir selbst anzueignen. Das heißt, auch hier bedarf es durchaus einer anderen Vorgangsweise, um älteren MitarbeiterInnen gleiche Chancen zu ermöglichen..

Ist es nicht so, dass es auch gewisse Diskriminierungen in der Gehaltsentwicklung gibt? – Zum Beispiel geht die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern im Alter immer weiter auf, zum Beispiel geht es auch um die Frage, ob ältere Menschen überhaupt auch noch außerordentliche Gehaltsentwicklungen bekommen.

Ich könnte noch vieles aufzählen, es ist mir aber wichtig, jedenfalls auch das Thema betriebliche Gesundheitsförderung anzusprechen – natürlich nicht nur für ältere Men­schen, aber auch für ältere Menschen, eben in einer alternsgerechten Art und Weise. Und zwar geht es mir da nicht um verhaltenspräventive Maßnahmen, sondern um ver­hältnispräventive Maßnahmen und natürlich auch um das Thema betriebliches Wieder­eingliederungsmanagement nach längerer schwerer Erkrankung, um ArbeitnehmerIn­nen eine weitere Berufstätigkeit zu ermöglichen. Dies auch deswegen, weil ich jetzt gerne noch drei aus meiner Sicht wesentliche gesetzliche Änderungen der letzten Jah­re ansprechen möchte.

Ich meine damit zum Beispiel die Novelle zum Arbeitnehmerschutzgesetz, wo es da­rum geht, psychische Erkrankungen zu evaluieren – das freut mich sehr; ich bin neu­gierig, welche Erkenntnisse wir da auch aus dem Blickwinkel von unterschiedlichen An­forderungen in unterschiedlichem Alter gewinnen werden –, zweitens natürlich die mit 1. Jänner 2014 bevorstehende Änderung, was das Thema Berufsunfähigkeit, Rehabili­tation und Umschulungsmaßnahmen betrifft, wo aus meiner Sicht das 50. Lebensjahr eine durchaus relativ willkürliche Grenze ist, aber es trotzdem sehr wichtig sein wird, wie wir auch seitens der Betriebe damit umgehen, und ich denke natürlich auch an die Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz, wo das Thema Diskriminierung aus Altersgrün­den eigentlich ausgeschlossen wäre – die betriebliche Praxis erlebe ich anders.

Daher und daraus ableitend ist aus meiner Sicht das Thema betriebliche Gesundheits­förderung zu ergänzen um eine betriebliche Arbeitsplatzförderung, die darauf Rück­sicht nimmt, wie Arbeitsplätze vom Inhalt her, von der Organisation her, von der Tech­nik, aber natürlich auch von der Arbeitszeitplanung her ausgestaltet werden. Ich wün­sche mir da ein Recht auf Altersteilzeit. Ich denke, das könnte eine ganz wesentliche Maßnahme dazu sein, dass Menschen da oder dort auch länger im Arbeitsprozess bleiben können.

Ich möchte damit schließen, dass ich sage, dass gesunde, berufstätige Menschen wichtige Grundlagen für die Finanzierung des Sozialstaates liefern, und sie sind uns allen – wie ich uns hier heute in dieser Enquete verstanden habe – auch ein ganz be­sonderes persönliches Anliegen. – Danke. (Beifall.)

13.43


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Zu Wort gemeldet ist Frau Maria Pein. – Bitte.

 


13.43.30

Maria Pein (Landwirtschaftskammer Österreich)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich recht herzlich für die heutige Einladung bedanken. Gerade für mich als aktive Unternehmerin, als Bäuerin war es sehr spannend, heute am Vormittag diese Diskussion und die Beiträge zu hören.

Ich komme ja aus einem SV-Träger, dessen Versichertenkreis den Strukturwandel, den andere Systeme noch vor sich haben, bereits heute durchlebt: Auf einen aktiven Bau­ern/auf eine aktive Bäuerin kommt bereits ein Pensionist/eine Pensionistin. Das hat ei­nerseits finanzielle Auswirkungen – verhältnismäßig geringer werdende Beitragsleis­tungen –, aber auch leistungsrechtliche Konsequenzen – vergleichsweise hoher Leis­tungsaufwand der Pensionsversicherung für Pensionen. Hinzu kommen eine längere Bezugsdauer durch längere Lebenserwartung, mehr Leistungsaufwand in der Kran­kenversicherung – das ist klar, denn im Alter steigen die Ansprüche an das Sozialsys­tem –, mehr Gesundheitsausgaben.

Auch ich möchte heute zwei Ansätze einbringen, und zwar: Wir müssen die Menschen befähigen, länger im Berufsleben zu bleiben. Das ist einerseits eine mentale Aufgabe. Der Wunsch nach Pension, der schon sehr früh beginnt, ist irrational, nach dem Motto: Mit dem Pensionsantritt fängt das Leben erst so richtig an! – Hier brauchen wir ein rea­listisches Bild, aber auch eine Arbeitswelt, die gesundes Arbeiten, soweit es irgendwie geht, ermöglicht, und Maßnahmen, die uns ein Arbeiten auch im fortgeschrittenen Le­bensalter ermöglichen.

Es müssen die Arbeitsmedizin, aber auch Präventionsprogramme auf die körperlichen und mentalen Anforderungen hin abgestimmt werden. Wir müssen uns auch den psy­chischen Erkrankungen oder Belastungen durch Stress et cetera widmen. Vielleicht muss man auch den Leistungskatalog der Sozialversicherung überarbeiten. Das ist na­türlich eine finanzielle Frage, über die wir nicht hinwegsehen dürfen. Es ist aber gut an­gelegtes Geld.

Zweitens: Länger in Gesundheit leben bedeutet nicht nur längeres Arbeitsleben, son­dern auch Leben außerhalb der Arbeitswelt. Wir brauchen Programme für Ernährung, Bewegung, einfach einen gesünderen Lebensstil – und das von Kindheit an. Die So­zialversicherungsanstalt der Bauern ist da schon seit Jahren mit großem Erfolg aktiv. Unsere Erholungsprogramme und -aktionen finden sehr großen Anklang.

Wir brauchen aber auch verstärkt Programme für Senioren. Natürlich spielen da ein gesunder Lebensstil, aber auch die hohe Unfallgefahr im Alter eine Rolle. Da braucht es spezielle Präventions- und Sicherheitsprogramme.

Im bäuerlichen Bereich ist zudem die Mitarbeit, das Leben aller Generationen im Be­trieb die Regel, sodass wieder das Arbeitsumfeld eine Rolle spielt. Dazu kommt noch die häusliche Pflege, die im bäuerlichen Bereich zu 95 Prozent gegeben ist. Sie wird von Angehörigen erbracht, die nicht nur der jüngeren Generation angehören. Auf diese Herausforderung muss die Gesellschaft reagieren.

Wie man sieht, ist dieses Thema sehr breit und vielschichtig. Wir haben in vielen Be­reichen schon tolle Angebote und Programme. Wir müssen, wenn wir dieses Thema ansprechen, berufsspezifische Notwendigkeiten beachten, denn erst dann, wenn wir das tun, werden wir Erfolg haben, weil wir auf Akzeptanz und Motivation stoßen wer­den. – Recht herzlichen Dank. (Beifall.)

13.48


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Als Nächster ist Herr Bundesrat Saller zu Wort gemeldet.

 


13.48.18

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der gebotenen Kürze möchte ich noch etwas betreffend Senioren und Bil­dung anfügen, weil mir das ein besonderes Anliegen ist.

Bildung spielt ja in allen Lebensbereichen eine große Rolle. Lernen betrifft natürlich in erster Linie den Beruf selber, aber man darf nicht vergessen, dass das, wenn es dann in Richtung jenes Alters geht, in dem man in Pension übertritt, meistens aufhört – und das soll es eben nicht sein.

Bildung ist natürlich in erster Linie der Jugend zuzuordnen, aber es muss selbstver­ständlich auch noch ein wichtiges Segment für die ältere Generation da sein. Weiterbil­dung erhöht das physische, also das körperliche, und psychische Wohl­befinden. Und wir dürfen in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass es eine große Grup­pe gibt, die Hilfe und Pflege braucht. Das möchte ich auch noch erwähnen.

Bildung und gesunde Lebensweise gehören zusammen und halten uns fit. Wir können die demographischen Herausforderungen nur dann meistern, wenn es uns gelingt, ak­tive Lebensgestaltung und Gesundheit unter Einbindung der Bildung und der geistigen Regsamkeit zu vereinen. Die Selbstverantwortung der älteren Generation ist natürlich auch wichtig. Sie ist ebenso gefordert wie das Verständnis der Jungen, und Motivation ist gerade dabei eine besonders wichtige Sache.

Wir im Salzburger Seniorenbund haben eine Seniorenschule, wo wöchentlich – wö­chentlich! – 1 200 Leute Kurse und Veranstaltungen besuchen: Computer­schulungen, Mal-, Sprachkurse und vieles, vieles andere mehr. Wir gehören zu den größten Er­wachsenenbildungseinrichtungen, und die Seniorenverbände – ich sage bewusst: alle Seniorenverbände und Seniorenorganisationen – übernehmen da vielfältige Tätigkei­ten, für die eigentlich sehr oft auch die öffentliche Hand zuständig wäre, und es ist da­her eine finanzielle Förderung in diesem Zusammenhang mehr als gerechtfertigt.

Der Knackpunkt ist, den Wunsch und den Drang nach Fortbildung in die Köpfe unserer Seniorinnen und Senioren hineinzupflanzen. Es muss uns gelingen, den Slogan „ge­sund älter werden“ mit der parallel laufenden unverzichtbaren Bildung zu verbinden. – Danke. (Beifall.)

13.51


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Als nächster Redner ist Herr Mag. Karl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.51.15

Mag. Franz Karl (Vizepräsident des Österreichischen Seniorenrates)|: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner hat in seinem Referat auf die Barrierefreiheit hingewiesen. Barrierefreiheit ist nicht nur für be­hinderte Menschen wie mich oder meinen Freund Dr. Franz-Joseph Huainigg, der heu­te den ganzen Vormittag hier gesessen ist, von Bedeutung, sondern natürlich auch für die Senioren. Dem hat auch der Gesetzgeber Rechnung getragen, der zwar bei der Er­richtung des Bundesbehindertenbeirates den Seniorenrat noch nicht vorgesehen hat, aber dann vor einiger Zeit den Seniorenrat in den Bundesbehindertenbeirat als Mitglied aufgenommen hat. Und ich habe die Ehre, den Seniorenrat dort zu vertreten.

Ich war viele Jahre Behindertensprecher im Wiener Landtag, und daher bitte ich um Verständnis, wenn ich jetzt auf zwei Wiener Probleme hinweise. Ich sage gleich zu Be­ginn, damit man ja nicht sagen kann, das wäre parteipolitisch motiviert, ich habe in ei­ner wissenschaftlichen Arbeit die neuen Bauordnungen studiert und kann sagen, dass die Wiener Bauordnung eine der besten und behindertenfreundlichsten ist. Aber ich ha­be zwei Probleme, die Wien betreffen.

Die Interessenvertretung der behinderten Menschen hat den Etappenplan für ein bar­rierefreies Wien bekommen, und dort ist vorgesehen, dass viele Dinge erst bis 2042 barrierefrei gemacht werden. Das kann nicht so sein, meine Damen und Herren! Das widerspricht nicht nur der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern auch dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz. Ich weiß, das gilt nicht für Länder, aber trotzdem ist es eine moralische Pflicht für die Länder, daher muss da etwas geschehen.

Der zweite Punkt betrifft die Behindertenparkplätze. Diesbezüglich hat ja der National­rat vor kurzer Zeit eine Änderung beschlossen, die dazu führt, dass die Notwendigkeit der Behindertenparkplätze größer geworden ist. Es gibt eine Arbeitsgruppe, die inner­halb von fünf Jahren ganz Wien untersucht und Vorschläge gemacht hat. Es hat ein einziger Bezirk, nämlich der 9. Bezirk, diese Vorschläge umgesetzt. Ich bin jetzt dahin­ter: Ich habe mit Frau Gemeinderätin Mörk und mit dem Herrn Bezirksvorsteher Hora gesprochen, die versichert haben, sie werden der Sache nachgehen. Aber ich sage schon hier: Wenn da nicht in Bälde etwas geschieht, dann sehe ich mich gezwungen, mit dieser Frage an die Öffentlichkeit zu gehen.

Und eines möchte ich hier sagen: Ein Hoch dem Parlament, denn die Behindertenpark­plätze des Parlaments sind erstens ausreichend, was ihre Anzahl betrifft, und zweitens vorbildlich. (Beifall.)

13.54


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Dr. Pitter­mann vom Österreichischen Seniorenrat. – Bitte.

 


13.54.33

Dr. Elisabeth Pittermann (Österreichischer Seniorenrat)|: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Damen und Herren! Ich danke sehr für dieses so interessante Sym­posium und möchte gleich auf ein Thema eingehen.

Es wurde öfter vom Bonus für längeres Arbeiten gesprochen. – Nun, der Bonus ist aber gedeckelt. Ich wäre unter den Bonus gefallen. Ich glaube, dass er nicht komplett ausgeschöpft ist, denn ich habe über mein gesetzliches Pensionsantrittsalter hinaus gearbeitet und war niemals in Karenz. Das kann man überhaupt nicht nachvollziehen, was einem gutgeschrieben wird dafür, dass man niemals in Karenz war. Wen immer man fragt, der sagt, das macht einer, und das weiß man eigentlich nicht so. – Manche wissen nicht einmal, dass es das gibt. Auch das sehe ich als Diskriminierung der Frau: dass sie aus solchen Dingen nicht auch einmal einen gewissen Vorteil haben kann, wenn wir schon genügend Nachteile im Leben haben.

Sachwalterschaft: Sie haben völlig recht mit dem, was Sie sagen. Leider können wir nicht darauf verzichten, denn wir Ärzte sind gezwungen, uns – außer im Akutfall – zu vergewissern, dass einer einwilligt, der das versteht. Wenn der Patient das nicht ver­steht, dann brauche ich einen Sachwalter, wenn es nicht lebensbedrohlich ist. Ich darf nicht für ihn entscheiden – und die Angehörigen auch nicht, weil ich ihre Motive nicht kenne, warum sie wofür entscheiden. Daher muss man die Vorsorgevollmacht groß propagieren.

Im Vollbesitz der geistigen Kräfte und schon in jungen Jahren soll ein Mensch diese Vorsorgevollmacht ausfüllen! (Beifall von Volksanwältin Dr. Brinek.) Dann soll er ent­scheiden können, wenn er schon völlig dement ist und nicht weiß, dass er, wenn er aufsteht, hinfällt und sich den Schenkelhals bricht? Und der, der für ihn entscheidet? – Sie alle kennen diese Briefe des einen Herrn! – Von Gesetzes wegen haben alle richtig gehandelt, aber er hat völlig recht: Es ist schwachsinnig, dass ich nicht eine kranke Person vor dem Sturz und vor dem Schenkelhalsbruch bewahren kann, weil das eine freiheitsbeschränkende Maßnahme ist, und da muss erst irgendeine Kommission zu­sammentreten. Also bitte, lassen wir bei diesen Dingen die Kirche im Dorf!

Pflegende Angehörige: Wir sagen immer „Angehörige“, in Wirklichkeit sind die, die für die Pflege am Menschen selbst infrage kommen, immer nur die Frauen. Sie haben da­für auch einen Pensionsnachteil, und den muss man auch ausbessern. Das ist früher mit den 15 besten Jahren besser gegangen – da konnte man einiges aufholen –, mit den 40 Jahren ist das schwerer.

Daher bin ich eine Verfechterin der Ganztagsschule und auch eine Verfechterin des frühen Kindergartens. Ich war eben viel weg. Ich habe mir ein Kindermädchen geleistet und habe mir eben keine Kleider und sonstige Freuden geleistet – aber ich habe bes­ser verdient. Ich glaube aber, die Ganztagsschule ist die einzige Möglichkeit.

Und noch etwas: In Österreich hat jeder Anspruch auf maximal sechs Wochen Urlaub; es ist nicht einzusehen, dass es in den Schulen 14 Wochen gibt. Es kann auch ein Paar, das getrennt Urlaub macht, nicht bewältigen, die Kinder zu versorgen. Wir haben es ja zum Großteil so stattfinden lassen. Die Schule gehört ganzjährig geöffnet! Auch die Lehrer haben an sich nur sechs Wochen Urlaubsanspruch, genauso wie es auch Parlamentarier, Gerichte, Universitäten und dergleichen haben.

Vom Statistischen Zentralamt wurde uns ein Netto-Haushaltseinkommen für Senioren von 2 360 € angegeben. Ich frage mich, wie viele das wirklich haben.

Noch einen Wunsch habe ich, nämlich betreffend die Tarife: Es sollte beschlossen wer­den, dass diese nur in der Höhe der Pensionserhöhung angehoben werden dürfen, denn sonst werden die Einkommen der Pensionisten immer kleiner. Tarife dürfen ein­fach nicht darüber angehoben werden!

Barrierefreiheit: Diesbezüglich sage auch ich, dass da noch immer viel zu tun ist. Es gehören auch Häuser mit Aufzügen ausgestattet. Und der Railjet ist fast für junge Men­schen nicht zu begehen, der geht so hinunter. In der Schweiz habe ich andere Züge gesehen. Also ich klettere da fast wie ein Aff’ hinunter, denn man hält sich so an und weiß nicht, wie man den Koffer mitnimmt.

Ich möchte noch etwas zum Thema Unfälle sagen: Wir alle wissen, dass es früher ein Stadtlicht, ein Abblendlicht und ein Fernlicht gab, und bei schlechterer Straßen­beleuch­tung haben wir die Menschen wahrgenommen. Jetzt haben wir das tolle LED-Licht, entsprechend dem Fernlicht. Das saust uns in die Augen, die Pupille geht zu, und wir nehmen maximal einen Schatten wahr. Mich wundert nur, dass nicht viel mehr Unfälle passieren, und ich appelliere an alle – und ich habe das schon öfters in Diskussionen gebracht –, dass wir mit diesem Unfug des im Grunde genommen Fernlichts in der Stadt aufhören und dass wir wieder zu Stadtlicht, Abblendlicht und Fernlicht zurückge­hen. Dann werden wir etliche Fußgängerunfälle in der Nacht verhindern können.

Und Gesunderhaltung ist wichtig und Rehab ist wichtig, daher muss die Rehab für alte Menschen ein Rechtsanspruch sein. Sie muss nicht von der Pensionsversicherungsan­stalt sein, aber diese Menschen sollen nicht mehr dafür zahlen müssen als eine Rehab für jene kostet, die im Erwerbsleben stehen.

Ich hätte noch vieles zu sagen – ich habe meine Zeit schon überschritten. Ich kenne das, wenn die rote Lampe leuchtet. Ich danke (in Richtung des Vorsitzenden Präsiden­ten Todt) dir, dass du das Mikrofon nicht abgedreht hast. Der Präsident des Nationalra­tes hat das getan, und man hat wie ein Fisch im Wasser tonlos den Mund geöffnet. – Danke schön. (Beifall.)

13.59


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Bring mich nicht auf diese Idee! – Zu Wort gemeldet hat sich Frau Dr. Flemming. – Bitte.

 


14.00.02

Dr. Marilies Flemming (Österreichischer Seniorenrat)|: Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Als Vizepräsidentin der Europäischen Senioren Union muss ich heftig dem widersprechen, was mein Freund, Bundesminister Mitterlehner, mehr­mals in seinen Ausführungen gesagt hat. Er hat gesagt, wir leben in einer alternden Gesellschaft. Ich kann dem nur widersprechen, das ist nicht wahr! Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Menschen länger leben.

Im Europäischen Parlament, dem ich bis zu meinem 72. Lebensjahr angehört habe, haben wir einen Bericht verabschiedet. Darin haben wir gesagt: Jung seid ihr bis 30, zwischen 30 und 60 seid ihr jugendliche Erwachsene, erwachsen seid ihr dann endlich mit 60. Zwischen 60 und 85 seid ihr Erwachsene, und erst ab 85 sprechen wir davon, dass ihr alt seid. Und wir haben absolut abgelehnt den Begriff einer alternden Gesell­schaft, denn das ist eine Diskriminierung älterer Menschen, und damit haben wir nichts am Hut, damit wollen wir nichts zu tun haben!

Wir leben länger, und biologisch gesehen können Menschen bis zu 120 Jahre alt wer­den. Also wir sind erst am Anfang, es geht noch weiter.

Ich werde heuer 80 Jahre alt, ich weiß nicht, wie lange der liebe Gott mich leben lässt, aber ich halte es mit dem Europäischen Parlament: Alt werde ich mich erst mit 85 füh­len. – Danke. (Beifall.)

14.01


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für den Beitrag.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Ingrid Moritz. – Bitte.

 


14.01.19

Mag. Ingrid Moritz (Bundesarbeitskammer)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Mir wä­re es noch wichtig, auf den Aspekt des Zusammenhangs der Erwerbstätigkeit und der Pflege hinzuweisen, in Anknüpfung an die Ausführungen von Stadträtin Sonja Weh­sely.

Wir haben 436 000 Personen, die im erwerbsfähigen Alter sind und Pflege leisten. Sehr viele Erwerbstätige sind plötzlich mit einem Pflegebedarf konfrontiert und wissen nicht, wie sie das bewältigen sollen, weil das Angebot fehlt. Wir haben 14 Prozent Nicht-Erwerbstätige, die sagen, sie würden gerne arbeiten, wenn eine entsprechende Pflege vorhanden wäre. Wir haben viele Teilzeitbeschäftigte, die sagen, ich würde ger­ne mehr arbeiten, wenn ein Pflegeangebot vorhanden wäre.

In Summe können wir jetzt schon von einem Potenzial von 20 000 Personen sprechen, die eine Arbeit aufnehmen würden, und von 10 000, die ihre Arbeitszeit ausweiten würden, und das ist sicher niedrig gegriffen, denn sobald mehr Angebote vorhanden sind – das wissen wir, gerade auch aus dem Bereich der Kinderbetreuung –, steigt auch die Nachfrage. Und die Hälfte aller PflegegeldbezieherInnen wird ohne institutio­nelle Angebote nur zu Hause betreut.

Daher ist es sehr dringend, dass der Ausbau der Pflegeinfrastruktur zügig angegangen wird, denn nur so werden Hemmnisse in der Frauenerwerbstätigkeit wie in der Er­werbstätigkeit insgesamt abgebaut. Es braucht dafür mehr Mittel in der Pflegeinfra­struktur. Ich denke, in diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, eine Kostenwahrheit herzustellen, denn Investitionen in Pflege schaffen Arbeit, verursachen nicht nur Kos­ten, sondern bringen auch Rückflüsse. Auch Mittel von ELER und EFRE, also des Landwirtschafts- und Regionalfonds – ich betone das besonders hier im Bundesrat –, sollten für den Ausbau sozialer Dienstleistungen eingesetzt werden. – Danke. (Beifall.)

14.03


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für den Beitrag.

Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Josef Wöss von der Bundesarbeitskammer. – Bitte.

 


14.04.01

Dr. Josef Wöss (Bundesarbeitskammer)|: Werte Damen und Herren! Werte Bundesrä­te! Zuerst vielen Dank für die Einladung und Gratulation zu der Veranstaltung! Ich glau­be, es ist wirklich sehr wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Es ist völ­lig unbestritten, eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte wird der demographische Wandel sein, und es ist sehr, sehr wichtig, sich mit dieser zentralen Herausforderung zu beschäftigen und sich nicht nur damit zu be­schäftigen, sondern sich sachlich damit zu beschäftigen. Ich finde, diese Enquete ist wirklich hochgradig interessant und sehr sachlich und in dem Sinne auch sehr wertvoll.

Ich wollte eigentlich nur einen Punkt ansprechen, deswegen habe ich mich zu Wort ge­meldet, nämlich den Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Bewältigung des de­mographischen Wandels. Darauf sind ja mehrere schon eingegangen, ich möchte es noch einmal unterstreichen.

Es geht nicht nur darum, wie sich die Altersgruppen zueinander entwickeln, wie das häufig leider immer wieder dargestellt wird, die Zahl der Menschen im Erwerbsalter, 15- bis 64-Jährige, relativ zur Zahl der Menschen über 65. Wir finden das beispiels­weise in vielen EU-Dokumenten, Unterlagen der OECD und so weiter, in denen gesagt wird, es gibt eine 4 : 1-Relation: vier Erwerbstätige, ein Pensionist. Von dieser Behaup­tung sind wir meilenweit entfernt. Warum? – Weil natürlich bei Weitem nicht alle Men­schen im Erwerbsalter erwerbstätig sind, und darauf müssen wir wirklich Acht geben in der ganzen Analyse und auch bei der Suche unserer Antworten auf den demographi­schen Wandel.

Wir müssen uns bemühen – das wurde von vielen schon angesprochen –, das Poten­zial älterer Menschen, also Menschen im höheren Erwerbsalter, zu nützen, mehr in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir müssen uns aber auch bemühen, die anderen Al­tersgruppen, auch die Jüngeren, ins Visier zu nehmen. Es geht auch darum, den Jün­geren eine gute Erstausbildung zu bieten und einen raschen Berufseinstieg zu ermögli­chen. Es geht darum, Beruf und Familie noch besser vereinbar zu machen als bisher. Es geht um Gesundheitsschutz, es geht um Weiterbildung, um alternsgerechte Arbeits­plätze; vieles wurde da schon gesagt.

Das alles zusammen, ob wir das schaffen oder nicht, wird ganz entscheidend darüber bestimmen, ob wir gut oder schlecht mit dem demographischen Wandel umgehen. Wir haben in der AK Berechnungen gemacht, die ganz klar zeigen, wenn wir eine gute Er­werbsintegration über alle Altersgruppen zustande bringen würden, so in etwa das Be­schäftigungsniveau erreichen würden, das heute schon in Dänemark, Schweden – die Schweiz liegt noch höher –, in vielen Ländern schon gegeben ist, wenn wir das in Ös­terreich 2040, 2050 erreichen würden, dann würde der demographisch bedingte Kos­tenanstieg, der uns von der Europäischen Kommission und auch von eigenen Kommis­sionen immer wieder vorgerechnet wird, wesentlich geringer ausfallen, als das immer behauptet wird, und zwar deshalb, weil sich die Relation zwischen Erwerbstätigen auf der einen Seite und Pensionisten und Arbeitslosen – ich glaube, die sollten wir dazu­zählen – auf der anderen Seite viel weniger verschlechtern würde, als das in den bis­herigen Rechnungen immer wieder angenommen wird. Also das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ich ersuche, bei der weiteren Bearbeitung des Themas auf diese Unterscheidung ganz klar immer wieder Bezug zu nehmen: Reden wir über die Zahl der Menschen im Er­werbsalter oder reden wir über die Zahl der Erwerbstätigen?

Leider ist jetzt von der Kommission niemand mehr da, aber dazu würde ich gerne auch noch eine Anmerkung machen: Die Arbeitsmarktdaten herausgegeben von der Kom­mission sind lobenswert, es ist gut, dass es sie gibt, dass sie europaweit vergleichbar sind, aber da wird zum Teil ein Bild vermittelt, das der Realität nicht wirklich entspricht. Da wird jede Person, die zumindest eine Stunde gegen Entgelt arbeitet, als erwerbs­tätig gezählt. Das basiert auf Befragungen. Damit ist es automatisch unmöglich, dass diese Person als arbeitslos gezählt wird, obwohl sie vielleicht sogar Arbeitslosengeld bezieht, damit ist es unmöglich, dass diese Person als Pensionist gezählt wird – man ist eben einfach erwerbstätig, auch bei nur einer Stunde gegen Entgelt.

Ich glaube, man sollte diese Daten – wie gesagt, es ist wichtig und gut, dass es sie in der international vergleichbaren Form gibt – etwas genauer analysieren, um sich ein Bild darüber zu verschaffen, wie groß eigentlich die Potenziale sind, um die Erwerbsin­tegration der Menschen zu verbessern. – Sie sind sehr groß in Österreich, noch viel größer in vielen anderen Ländern wie Spanien, Italien und so weiter. Also da müssen wir ganz wesentlich ansetzen. Wenn wir das tun, dann wird uns, glaube ich, die Bewäl­tigung viel leichter fallen, hoffentlich, als uns das oft vorgezeichnet wird. – Danke. (Bei­fall.)

14.08


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für den Beitrag.

Als Letzter zu Wort gemeldet ist Mag. Anton Hörting vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. – Bitte.

 


14.08.33

Mag. Anton Hörting (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist bei dieser Enquete – vielen herzlichen Dank für die Initiative! – dankenswerterweise immer wieder auf die Wichtigkeit und die Bedeutung des aktiven Alterns, vor allem aber auf den Beitrag, den ältere Menschen für unsere Gesellschaft leisten, hingewiesen wor­den. Ebenso wurde die Produktivität der älteren Menschen, die ja eine sehr hohe ist, betont.

Erfreulich dabei ist – das hat ja die jüngste Erhebung aus dem Jahr 2012 über das freiwillige Engagement in Österreich gezeigt –, dass sich die älteren Menschen immer mehr und auch immer länger freiwillig engagieren, das heißt freiwillig engagieren im formellen Bereich, also in Organisationen und Vereinen, wie auch im informellen Be­reich, sozusagen in der Nachbarschaftshilfe. Dieses Engagement wollen wir gemein­sam mit dem Österreichischen Freiwilligenrat weiter fördern und weiter unterstützen.

Was ich leider nicht unwidersprochen lassen kann, ist, dass die Seniorinnen und Se­nioren beim freiwilligen sozialen Jahr benachteiligt sind. Laut Freiwilligengesetz können Personen ab 17 Jahren, in Ausnahmefällen ab 16 Jahren, ein freiwilliges soziales Jahr machen. Eine Altersgrenze nach oben gibt es somit nicht. Das heißt, grundsätzlich könnten auch Seniorinnen und Senioren ein freiwilliges soziales Jahr machen, aller­dings würde ihnen natürlich nicht die Familienbeihilfe zustehen. Aber ich glaube, das ist ja auch nicht der Anspruch.

Persönlich glaube ich, dass das nicht ein gesetzliches Manko darstellt, sondern dass es eher ein Problem insofern ist, als die Trägerorganisationen des freiwilligen sozialen Jahres die große Zielgruppe der älteren Menschen noch nicht als Zielgruppe für ein freiwilliges soziales Jahr sehen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)

14.11


Vorsitzender Präsident Reinhard Todt|: Danke für Ihren Beitrag.

Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Ich danke allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das große Interesse, das sie an der Themenstellung der heutigen Enquete gezeigt haben, und für die wertvollen Dis­kussionsbeiträge. Ich danke auch allen Referentinnen und Referenten für ihre Beiträge.

In der Säulenhalle ist ein kleiner Empfang vorbereitet, Sie sind alle sehr herzlich dazu eingeladen.

Ich danke für das Kommen und wünsche Ihnen noch eine angeregte Diskussion beim Empfang und weiters einen angenehmen Tag. (Beifall.)

14.12.01Schluss der Enquete: 14.12 Uhr

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