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parlamentarische Enquete
des Bundesrates

„Postcorona – Neue Wertschätzung für den ländlichen Raum“


Stenographisches Protokoll

 

Mittwoch, 20. Oktober 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Parlamentarische Enquete des Bundesrates

Mittwoch, 20. Oktober 2021

(XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates)

Thema

„Postcorona – Neue Wertschätzung für den ländlichen Raum“

Dauer der Enquete

Mittwoch, 20. Oktober 2021: 9.14 – 13.19 Uhr

*****

Tagesordnung

I. Eröffnung und Impulsreferat

Vorsitzender Präsident des Bundesrates Dr. Peter Raggl

„Stadt – Land: Die Partnerschaft neu austarieren“

Matthias Horx (Zukunftsinstitut)

II. Panel 1 – Paradigmenwechsel am Land: Chancen, Risiken und Schwerpunkte

„Regionale Qualität – die Zukunft unserer Regionen“

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger

„Schlüsselfaktor Mobilität: Stadt und Land besser vernetzen“

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technolo­gie Leonore Gewessler, BA

„Die Digitalisierung macht’s möglich“

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck

III. Panel 2 – Postcorona – Schlussfolgerungen für die ländlichen Regionen

„Gesellschaftliche und soziale Folgen der Pandemie“

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Markus Schermer (Universität Innsbruck)

„Zukunft Tirol – unsere Antworten auf die neuen Herausforderungen“

Mag. Johannes Tratter (Mitglied der Tiroler Landesregierung, ÖVP)

„Die Regionen gezielt stärken – Initiativen des Landes NÖ“

Dipl.-Ing. Ludwig Schleritzko (Mitglied der Niederösterreichischen Landesregierung, ÖVP)

„Der Arbeitsmarkt nach Corona. Was ändert sich?“

Dr. Johannes Kopf, LL.M (Arbeitsmarktservice)

„Frauen und Familien im Fokus“

Dr. Vera Glassner (Arbeiterkammer Wien)

„Agrarpolitische Forderungen durch die Lehren aus der Coronakrise“

Manfred Muhr (Landwirtschaftskammer Kärnten)

IV. Statements der Fraktionsvorsitzenden

V. Schlussworte des Präsidenten

Vorsitzender Präsident des Bundesrates Dr. Peter Raggl

*****

Inhalt

I. Eröffnung und Impulsreferat ..................................................................................... 4

Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl ...................................................................... 4

„Stadt – Land: Die Partnerschaft neu austarieren“

Matthias Horx .................................................................................................................. 6

II. Panel 1 – Paradigmenwechsel am Land: Chancen, Risiken und Schwer­punkte          ............................................................................................................................... 10

„Regionale Qualität – die Zukunft unserer Regionen“

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ...................................................................... 10

„Schlüsselfaktor Mobilität: Stadt und Land besser vernetzen“

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................................... 13

„Die Digitalisierung macht’s möglich“

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ......................................................... 16

III. Panel 2 – Postcorona – Schlussfolgerungen für die ländlichen Regionen ...... 19

„Gesellschaftliche und soziale Folgen der Pandemie“

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Markus Schermer ............................................................... 19

„Zukunft Tirol – unsere Antworten auf die neuen Herausforderungen“

Mag. Johannes Tratter ................................................................................................. 23

„Die Regionen gezielt stärken – Initiativen des Landes NÖ“

Dipl.-Ing. Ludwig Schleritzko ...................................................................................... 27

„Der Arbeitsmarkt nach Corona. Was ändert sich?“

Dr. Johannes Kopf, LL.M ............................................................................................. 30

„Frauen und Familien im Fokus“

Dr. Vera Glassner ......................................................................................................... 34

„Agrarpolitische Forderungen durch die Lehren aus der Coronakrise“

Manfred Muhr ................................................................................................................ 37

IV. Statements der Fraktionsvorsitzenden ................................................................ 41

Bundesrat Karl Bader .................................................................................................. 41

Bundesrätin Korinna Schumann ................................................................................ 42

Bundesrat Josef Ofner ................................................................................................ 44

Bundesrat Andreas Lackner ....................................................................................... 45

Diskussion:

Bundesrätin Andrea Kahofer ...................................................................................... 47

Abg. Walter Rauch ....................................................................................................... 48

Dr. Hatto Käfer .............................................................................................................. 49

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................... 50

Dipl.-Ing. Elisabeth Blanik ........................................................................................... 51

Bundesrat Stefan Schennach ................................................................................ ..... 52

Abg. Martina Diesner-Wais ......................................................................................... 52

Bundesrat Martin Preineder ........................................................................................ 53

Bundesrat Stefan Zaggl-Kasztner .............................................................................. 54

Abg. Joachim Schnabel ............................................................................................... 55

Bundesrat Silvester Gfrerer ........................................................................................ 56

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster ......................................................................... 57

Bundesrat David Egger ............................................................................................... 58

Abg. Carina Reiter ........................................................................................................ 59

Abg. Andreas Kollross ................................................................................................ 60

Abg. Clemens Stammler .............................................................................................. 61

Ulrike Schwarz .............................................................................................................. 62

Philipp Ovszenik ........................................................................................................... 63

VIII. Schlussworte des Präsidenten ........................................................................... 64

Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl .................................................................... 64

 

 


 

09.14.54Beginn der Enquete: 9.14 Uhr

Vorsitzende: Präsident des Bundesrates Dr. Peter Raggl, Vizepräsident des Bundes­rates Günther Novak, Vizepräsidentin des Bundesrates Mag. Christine Schwarz-Fuchs.

*****

09.14.55I. Eröffnung und Impulsreferat


9.14.57

Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Ich wünsche allen einen schönen guten Mor­gen! Ich eröffne die Enquete des Bundesrates zum Thema „Postcorona – Neue Wert­schätzung für den ländlichen Raum“ und danke Ihnen allen für Ihr zahlreiches Erscheinen.

„Postcorona“ heißt es im Titel der Enquete, weil wir zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vor dem Sommer noch hoffen durften, dass wir heute durch eine entsprechende Durch­impfungsrate die Pandemie vollständig unter Kontrolle hätten. Leider haben wir erst eine Durchimpfungsrate von rund 65 Prozent der Gesamtbevölkerung, die derzeit mindes­tens einen Stich haben; 62 Prozent haben einen vollständigen Impfschutz. Die Bereit­schaft zu einer Impfung ist in den letzten Wochen leider nicht so gewesen, wie wir es erhofft hatten, sodass wir uns noch auf ungewisse Monate einstellen müssen. Post­corona findet daher bis heute im Gesundheitsbereich noch nicht statt.

Anders ist die Situation in großen Teilen der Wirtschaft. Die heimische Wirtschaft hat sich schneller erholt als erwartet. Viele Wirtschaftsbereiche haben die Krise bereits hinter sich gelassen, im zweiten Quartal 2021 ist uns schon der Turnaround geglückt. Handel, Bau, Industrie und Banken haben das Vorkrisenniveau bereits überschritten, während Gastronomie und Beherbergung, insbesondere in den Städten, noch weit davon entfernt sind. Sollte die Wintersaison ohne allzu große Einschränkungen ablaufen, dürfen wir aber trotzdem für 2021 und 2022 eine kräftige Erhöhung des Bruttoinlandsproduktes erwarten.

Auch das Parlament durchlebte während der Coronapandemie fordernde Zeiten. Noch nie gab es so viele Sitzungen der beiden gesetzgebenden Kammern in knapper Auf­einanderfolge und unter strengsten Sicherheitsvorschriften, noch nie gab es so viele Sitzungen an Wochenenden. Für die Mitarbeiter des Hohen Hauses und die Präsidiale war das eine ganz besondere Herausforderung.

Er ist noch nicht anwesend, er ist aber angekündigt: Ich möchte Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka herzlich begrüßen – ich begrüße ihn trotzdem, weil er, glaube ich, noch nachkommen wird.

Corona hat vieles verändert. Die Pandemie hat uns in vielen Dingen geeint, in manchen aber leider auch gespalten. Sie hat aber jedenfalls eine neue Wertschätzung für den ländlichen Raum mit sich gebracht; das haben wir alle mitbekommen.

Jetzt ist er eingetroffen. – Nationalratspräsident Sobotka, ich habe Sie gerade begrüßt. Das ist eine große Ehre für den Bundesrat. Danke für deine Anwesenheit! (Beifall.)

Der Wunsch, am Land in einer gesunden Umwelt zu leben, von der bäuerlichen Nahver­sorgung zu profitieren und in der Geborgenheit einer ländlichen Gemeinde zu leben, ist deutlich gewachsen.

Die auch durch Corona erhöhte Akzeptanz von Remote Work, also des Arbeitens von zu Hause aus, und die zunehmend schwierige Situation am Wohnungsmarkt in den städtischen Gebieten beschleunigen diese Entwicklung. Damit der ländliche Raum seine Attraktivität weiter steigern kann, müssen wir dort die Digitalisierung weiter vorantreiben. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs muss die ländlichen Gemeinden noch besser mit den Städten vernetzen.

Eine prosperierende Wirtschaft und ein gutes Angebot an Arbeitsplätzen für die ländliche Bevölkerung sind eine Grundbedingung dafür, dass es am Land eine Chancengleich­heit gegenüber der Stadtbevölkerung gibt. Bewusster, regionaler Einkauf kann hier ein Schlüs­sel zum Erfolg der ländlichen Regionen sein.

Zu diesen Themenbereichen referieren im Panel 1 dieser Enquete drei unserer Bundes­ministerinnen: Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisa­beth Köstinger, Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie Leonore Gewessler und Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Margarete Schramböck. – Vielen herzlichen Dank, dass die Bundesministerinnen – zumindest schon zwei – eingetroffen sind: Danke, Frau Bundes­ministerin Gewessler, danke, Frau Bundesministerin Köstinger. Ich denke, Frau Minis­terin Schramböck ist auch schon auf dem Weg. Herzlich willkommen hier im Bundesrat und danke für eure Bereitschaft, mit uns über diese wichtigen Themen zu diskutieren! (Beifall.)

Es ist eine der zentralen Aufgaben der nächsten Jahre, mehr Fairness für den ländlichen Raum zu schaffen. Es geht dabei aber um keinen Gegensatz zwischen Stadt und Land, es geht nicht um ein Gegeneinander von Stadt und Land, es geht um ein neues Miteinander. Stadt und Land ergänzen einander. Stadt und Land brauchen einander. Stadt und Land sollen diese Partnerschaft nun neu austarieren. Mit dieser sehr span­nenden Thematik hat sich der Zukunftsforscher Matthias Horx wissenschaftlich aus­einandergesetzt. Wir freuen uns auf seine Analysen und Prognosen zu dieser Thematik. Herr Horx, ich darf Sie herzlich hier im Bundesrat begrüßen! Grüß Gott! (Beifall.)

Im Panel 2 geht es dann um Chancen und Risiken der ländlichen Räume und wie wir darauf reagieren können. Experten aus Wissenschaft, Politik, Arbeitsmarktservice und Sozialpartnerschaft werden uns dazu ihre Gedanken präsentieren. Diese darf ich – und das mache ich jetzt auch en bloc – herzlich willkommen heißen: Univ.-Prof. Dr. Markus Schermer vom Institut für Soziologie an der Universität Innsbruck wird die Keynote „Gesellschaftliche und soziale Folgen der Pandemie“ halten. Landesrat Johannes Tratter aus Tirol wird uns unter dem Titel „Zukunft Tirol“ die Tiroler Lösungsansätze für die ländlichen Räume schildern. Dann dürfen wir auf die Vorstellung der Initiativen des Landes Niederösterreich, mit denen die Regionen gezielt gestärkt werden sollen, gespannt sein. Berichten wird uns darüber Landesrat Ludwig Schleritzko. Eine Einschät­zung darüber, ob die Dezentralisierung der Arbeit ein dauerhafter Trend sein kann, wird uns der Vorstand des Arbeitsmarktservice Dr. Johannes Kopf geben. Im Zusammen­hang mit den aufgeworfenen Fragestellungen wird Dr. Vera Glassner von der Arbeiter­kammer Wien den Fokus auf Frauen und Familien richten. Abschließend wird Manfred Muhr, Erster Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Kärnten, „Agrarpolitische Forde­rungen durch die Lehren aus der Coronakrise“ formulieren. Auch bei Ihnen allen darf ich mich recht herzlich für Ihren Beitrag zu dieser parlamentarischen Enquete bedanken und Sie herzlich hier im Bundesrat begrüßen. (Beifall.)

Auf die hochkarätige Besetzung im Plenum bin ich ebenso stolz. Ich möchte jeden Einzelnen ganz herzlich begrüßen. Mein besonderer Gruß geht dabei an Landtags­präsidentin Brigitta Pallauf aus Salzburg, Landtagspräsidenten Karl Wilfing aus Nieder­österreich, Landtagspräsidenten Ernst Woller aus Wien, den Zweiten Landtagpräsi­denten Jakob Strauß aus Kärnten, den Dritten Landtagpräsidenten Josef Lobnig aus Kärnten, Dr. Hatto Käfer als Vertreter der Europäischen Kommission, Landesrätin Ursula Lackner und Landesrat Johann Seitinger jeweils aus der Steiermark, meine beiden Vize­präsidenten Günther Novak und Christine Schwarz-Fuchs, die Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat Karl Bader, Korinna Schumann und Christoph Steiner, alle Mitglieder des Bundesrates, des Nationalrates, der Landtage, die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierungen aus den Bundesländern, die Vertreter der Bundesministerien und der Sozialpartner sowie an alle von den jeweiligen Institutionen namhaft gemachte Ver­treterinnen und Vertreter, die als Expertinnen und Experten an der heutigen Enquete teilnehmen.

Ich begrüße im Übrigen alle Zuschauerinnen und Zuseher auf der Galerie und insbe­sondere die so zahlreich anwesenden Funktionäre des Tiroler Bauerbundes. Einen guten Morgen, freut mich sehr, dass ihr schon auf seid!

Ferner heiße ich auch die Vertreterinnen und Vertreter der Medien herzlich willkommen. Es freut mich sehr, auch alle Zuseherinnen und Zuseher der Enquete auf ORF III beziehungsweise via Livestream im Internet herzlich begrüßen zu dürfen.

*****

(Es folgen technische Mitteilungen in Bezug auf das Prozedere durch den Vorsitzenden sowie der Hinweis, dass über diese Enquete ein Stenographisches Protokoll verfasst wird, das nach einiger Zeit im Internet unter www.parlament.gv.at abrufbar sein wird.)

*****

Ich darf nun Herrn Matthias Horx um sein Impulsreferat zum Thema „Stadt – Land: Die Partnerschaft neu austarieren“ bitten.

Dazu ersuche ich Sie, Ihren Beitrag vom Rednerpult aus abzugeben und die Zeit von 15 Minuten nicht zu überschreiten. Ich darf darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 2 Minuten vor Ende der Rednerzeit zu blinken beginnt. – Herr Horx, bitte um Ihre Ausführungen.


9.26.48

Matthias Horx (Zukunftsinstitut)|: Guten Morgen! Ich möchte meinen Vortrag, meine Einleitung Die neue Stadt-Land-Dynamik nennen. Vielleicht wird es nicht eine Balance sein, wie wir uns das ja immer wünschen, aber in diesen Diskurs über Stadt und Land, der in den letzten Jahren ganz andere Dimensionen angenommen hat, als die meisten von uns sich das wahrscheinlich gewünscht haben, ist etwas neu hinzugekommen. Wir haben uns gefragt: Ist der ländliche Raum dem Untergang geweiht? So schien es. Unablässig erhöhte sich die Leuchtkraft der Städte, unwiderruflich wuchsen die Schwarmstädte, in denen Kreativität und Komplexität ein abwechslungsreiches Leben boten, Jobchancen warteten.

In den letzten drei Jahrzehnten war die Topografie unseres Kontinents Europa, aber auch der ganzen restlichen Welt – wir können diese Phänomene überall beobachten – von Turbourbanisierung geprägt – so wie es auch eine Turboglobalisierung gab, die wir jetzt langsam zerbröckeln sehen können. Das hat, wir haben es ja alle gespürt, soziale Spannungen ausgelöst: neue Narrative, auch Ängste, Befürchtungen, vielleicht sogar einen unterschwelligen Kulturkampf. In vielen Ländern gab es die Vermutung, es begänne ein Kampf der Peripherien gegen die Metropolen, ein Kulturkrieg: der urbane Hipster gegen den vernünftigen Heimatmenschen, der Spinner aus der Großstadt, mit seinen überzogenen Forderungen an ein bestimmtes politisch korrektes Verhalten, gegen die Bodenständigen.

Das waren klassische Erregungslinien, die immer wieder in den politischen Bereich durchbrachen. Der englische Soziologe David Goodhart hat das einmal mit einem schönen Bonmot, die Somewheres gegen die Anywheres, bezeichnet: also die Some­wheres, die an ihren Ursprung, ihre Heimat gebunden sind, gegen die Anywheres, die Hypermobilen, die über den Planeten ziehen und irgendwo leben können, wo es ihnen interessant erscheint – die Dagebliebenen gegen die Überalligen, die im Irgendwo und Nirgendwo verschwinden.

Man kann darüber streiten, ob diese Beschreibungen irgendeinen Realitätsgrund haben oder wieder aufgeregtes Feuilleton waren, aber auch in den politischen Spannungslinien hat sich etwas davon abgebildet. Zum Basiswissen der Zukunftsforschung zählt jedoch auch die Erkenntnis, dass jeder Trend irgendwann einen Gegentrend erzeugt, und genau das haben wir mit Corona erlebt. Das alte Normal, wie wir die Dinge auf eine bestimmte Art und Weise sahen, wird durch ein – noch nicht vollkommen sichtbares, aber erspürbares und erahnbares – neues Normal abgelöst. Das bedeutet in Bezug auf das Stadt-Land-Verhältnis eine Richtungsänderung der Sehnsucht.Die Sehnsucht ist ja etwas, was Menschen immer hinwegtreibt, davontreibt oder manchmal auch bleiben lässt. In den letzten 30 Jahren war es eine Drift in die großen Städte, die wir erlebt haben. Manche Großstädte wie auch Wien wuchsen mit 2 Prozent, es gab sogar noch viel größere Effekte, und über die ökonomischen Verwerfungen, die damit verbunden waren, muss ich Ihnen nicht groß berichten: die Entleerung der ländlichen Räume, das Schließen der dortigen Infrastrukturen.

Jetzt aber beginnt – so scheint es, so sieht es aus und so wird es sein – ein neuer Tanz, eine neue, man könnte sagen: Turbulenz oder Rekursion. Wir erleben, dass in den Städten wieder eine Sehnsucht nach dem Land auftaucht, wieder mächtig wird. Das betrifft nicht jeden und nicht alle, aber wenn wir heute junge Paare oder auch Paare im besten Alter, Familien betrachten, dann können wir sehen: Ein großer Teil wünscht sich durchaus eine andere Lebensweise, näher an der Natur, näher an den Horizonten. Diese kleine Gruppe, die jetzt beginnt, Landhäuser zu suchen, andere Lebensmöglichkeiten zu erschließen, wird wiederum von einer anderen Gruppe ergänzt, so könnte man es sagen, nämlich von den Urbanisten, die in der Stadt ein anderes Leben möchten.

Diese neue Drift verteilt die Karten neu. Es ist nicht mehr automatisch so, dass Men­schen in einem bestimmten Lebensalter nicht mehr zurückkommen, aus Bildungs­grün­den oder Erwerbsgründen in die Großstadt gehen und dann auch dort bleiben. Diese Drift verteilt die Karten neu: Dörfer, Kleinstädte und Regionen können eine Renaissance erleben, in den Konzepten dessen, was wir die progressive Provinz nennen: In einer der Zukunft zugewandten Ländlichkeit oder Kleinstädtigkeit finden Beziehungsqualität und Weltoffenheit auf neue Weise zusammen.

Wir sollten uns auch fragen: Sind die Verhältnisse, was Land und was Stadt ist, eigentlich immer so klar? Schon heute gibt es Regionen in Europa – auch in Österreich sind sie deutlich –, die Mischformen darstellen: Vorarlberg zum Beispiel als Agglomeration, eine Art Synthese zwischen Land und Stadt, zwischen Urbanität und Landwirtschaft, weder Stadt noch Dorf. Kleinstädte gehen über in größere Städte. Und: Was ist mit den Peripherien, den sogenannten Speckgürteln, die auch eine neue Identität entwickeln wollen oder können?

Ein Teil dieser Entwicklung stammt aus dem, worüber noch zu sprechen sein wird: der Digitalisierung, der neuen Möglichkeit von dislokaler Arbeit – und das hat etwas mit dem Aufkommen des Internets zu tun. „Agronica“ nannte der italienische Architekt Andrea Branzi einmal den von den Bedingungen der elektronischen Kommunikation umge­stal­teten ländlichen Raum. Das Internet allein kann aber die Verödungsgefahr nicht lösen. Dörfer, Städte und Gemeinden sind so wie die großen Städte soziale Organismen, die aus Kommunikationen und Beziehungen zwischen Menschen gewachsen sind. Die Gefahr droht dann, wenn diese Beziehungen und Kommunikationen ins Leere gehen, wenn sie stillgelegt werden, wenn sie veröden. Das Netz löst Verbindungsfragen, aber keine Beziehungsfragen – und deshalb haben wir es mit einer Frage der Beziehungen zu tun, zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen den Bewohnern in beiden Lebensräumen des Menschen gleichzeitig.

Was hier passiert, nennen wir die Rurbanisierung – von rural, ländlich, und von urban, städtisch. Rurbanisierung bedeutet: Das Dorf verstädtert in seiner Kulturform, durch den Zuzug von Städtern vielleicht, aber auch durch Anbindungen an die größeren Zusam­menhänge, und in der Stadt entwickelt sich eine neue dörfliche Struktur, die sich darin ausdrückt, dass kooperative Formen, die wir in der Industriegesellschaft zum großen Teil verloren hatten, wiederkehren: Coliving, also die neue Siedlungsform, die oft in einem Bereich finanziert ist, der von Genossenschaften ausgeht; Coworking, ein Effekt, den wir schon seit Längerem in der modernen Arbeit beobachten; aber auch scheinbare Rand­phänomene wie Cogardening, der Wunsch, gemeinsam Lebensmittel auch in der Stadt herzustellen; oder, als große neue Notwendigkeit angesichts der Klimawende, Co­mobility.

Diese Kooperationsformen führen auch zu anderen Siedlungsformen des Urbanen. Es gibt eine massive Entwicklung hin zu Grätzelbildungen, Clusterbildungen, Dörflichkeiten entstehen in der Stadt. Das Zusammenleben dort wird in Zukunft postindustriell organi­siert, nicht mehr in diesen großen Waben der Randhochhäuser und den eher kommer­zialisierten Innenstädten, sondern in neuen Mischformen. Das ist das, was wir überall erleben können und was große Auswirkungen auf die Stadtstrukturen hat.

Wir sprechen hier von Ideen wie der 10-Minuten-Stadt, die Frau Hidalgo, die Pariser Bürgermeisterin, vertritt, also dass jede wichtige Infrastruktur in der Stadt in 10 Minuten für jeden Bürger erreichbar ist. Diese Prozesse der Kopenhagenisierung – so nennt man das auch; also dass die Dominanz des Autos ihren Griff zumindest lockert – können wir über langfristige Zeiträume schon seit einer Weile beobachten, und sie verstärken sich, weil Krisen wie eben die Coronakrise immer zu Verstärkungsphänomenen führen.

Was dabei am entscheidendsten ist, ist die Kraft der kooperativen Empathie. Während Dörfer und Kleinstädte früher versuchten, sich mit durchbetonierten Gewerbeparks an die urbane Welt anzuschließen, überwindet die nächste Phase der Provinzrenaissance die Topografie der Industriegesellschaft. Gerade die Wissensgesellschaft eröffnet dem Neolokalen neue Märkte und Chancen, im Boom der Lebensqualität, vom Biolandbau bis zur Gourmetregion, und auch im menschlichen Beziehungswesen, von Gesundheits- und Therapieleistungen bis zu Sport und vor allen Dingen Naturerleben.

Kultur spielt da draußen, jenseits der großen Metropolen, vielleicht sogar die wichtigste Rolle. Am wesentlichsten wird die Frage sein, wie man neue Symbiosen von lokal ge­wachsener Kultur – sprich: freiwillige Feuerwehr – und moderneren Kulturformen bis hin zu den klassischen Kulturleistungen entwickeln kann.

Wie gesagt, Technologie ist wichtig, aber nicht alles. Im Kern der ruralen Renaissance entstehen die lebendigen Beziehungen zwischen Menschen, und sie rücken in den Mittelpunkt.

Es gibt fünf Pfeiler dessen, was wir die progressive Provinz, also die der Zukunft zuge­wandte Ländlichkeit und Kleinstädtigkeit, nennen.

Erstens: lokale Visionäre. Die Renaissance des Ortes braucht neue kreative Bürger­meister – und wenn nicht alles täuscht, haben wir es in Europa gerade mit einer neuen Bürgermeisterwelle zu tun. Bürgermeister sind ja am nächsten an den sozialen Struk­turen ihres Ortes dran und sie können ungeheuer viel bewirken: Sie können die Spaltung überwinden, sie können Ideen, Visionen für ihren jeweiligen Ort entwickeln und sie auch kommunikativ umsetzen.

Zweitens: transitorische Architekturen. So idyllisch ländliche Architekturen sein können, ohne eine Spannung der Formen entwickelt sich nur selten Zukunftsdynamik. Man braucht deshalb auch so etwas wie Leuchtturmprojekte, „Provokationen“ – unter Anfüh­rungsstrichen –, die das provinzielle Idyll produktiv stören können. Das kann eine inter­essante lokale Bibliothek, ein moderner Kindergarten oder die Holzarchitektur sein, die in Vorarlberg eine große Rolle spielt. Dadurch entstehen Spannungselektrizitäten. Wenn nicht alles täuscht, sind wir auf dem Weg dazu – auch im Namen der Energiewende, die ja auch neue Architekturen erfordert und ermöglicht –, das zu verstärken.

Drittens: kreative Selbstgestaltung. Es ist so, dass die Eigenverantwortung des länd­lichen Raums erhöht werden kann und muss. Wir haben dafür in den letzten Jahrzehnten viele neue Tools entwickelt – das reicht vom Ortskernkümmerer, also Menschen, die darauf spezialisiert sind, Wiederbelebungen von Ortskernen zu machen, bis zu komplet­ten Umdefinitionen von Dörfern. Das verlorene Dorf Corippo im Tessin hat seine 20 leerstehenden Häuser in ein Dorfhotel verwandelt. Gerade in den Bergregionen haben wir da viele Beispiele, in allen Dach-Ländern und auch im Norden Italiens.

Viertens: ein neues Storytelling. Eine Geschichte, die eine Region zu erzählen hat – die kann ein bestimmtes Handwerk, eine regionale Spezialität, ein Brauchtum, eine Charak­tereigenschaft oder ein Naturphänomen im Zentrum haben –, ist, wenn man so will, lokale Innovationspolitik, wie sie die Wirtschaft schon längst in vielen Formen unter­nimmt. Es geht darum, Unique Selling Points zu entwickeln und nach außen zu kommu­nizieren, und das zeigt auch große Erfolge. Die ländliche zentralfranzösische Region Limousin hat durch aktive Zuzugspolitik in zehn Jahren 25 000 Bewohner dazugewinnen können. Wenn man diese Region kennt, weiß man, dass das eine massiv von Bevöl­kerungsrückgang betroffene Gegend war. Oder der Bregenzerwald in Vorarlberg: Er wurde durch eine Kombination von modernem Holzdesign, Hightechhandwerk und Gourmetspezialitäten zu einem begehrten Wohn- und Reiseort.

Die Liebe zur Heimat ist die Grundlage selbstbewussten Wandels. Aber diese Heimat­liebe kann eben auch glokal sein – lokal und global zugleich. Und so könnte eine neue Stadt-Land-Dynamik gelingen – ein bisschen auch als neue Konkurrenz, als Auseinan­dersetzung zwischen beiden; Stadt und Land in einer Systemkonkurrenz, die lange Zeit nicht vorhanden war. Jetzt treten sie wieder in einen neuen Tanz ein.

Manchmal braucht es einen Moment der Stille, um eine solche neue Evolution, eine neue Bewegung zu initiieren: In Ischgl ist es auffallend still, in Hallstatt halten plötzlich keine 100 Busse mit chinesischen Gästen mehr. In den vergangenen Jahren konnten wir plötzlich durch Innenstädte gehen und staunen. Ohne einem Menschen zu begegnen, haben sich die Städte uns auf ganz andere Art und Weise offenbart. Und am Stadtrand – ich wohne am Stadtrand von Wien – wandern plötzlich wieder wilde Tier ein. „Das Jahr, das unsere Erde veränderte“, der berühmte Film von David Attenborough, hat uns auch etwas über das Verhältnis zwischen den Grenzen der Zivilisation und der natürlichen Welt zu erzählen.

Es sind die anderthalb Jahre, die hinter uns liegen, die die Welt veränderten. Dadurch hat sich auch die Zukunft verändert. Etwas Altes hört auf, etwas Rasendes steht still und etwas Neues beginnt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

9.41


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Vielen Dank, Herr Horx, für Ihre Ausfüh­run­gen und vor allem für Ihre Zeitdisziplin.

09.41.50II. Panel 1 – Paradigmenwechsel am Land: Chancen, Risiken und Schwerpunkte


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Ich darf nun Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger, Frau Bundesministerin Leonore Gewessler und Frau Bundesministerin Mar­garete Schramböck um ihre Referate zu Panel 1 – Paradigmenwechsel am Land: Chancen, Risken und Schwerpunkte bitten.

Dazu ersuche ich die Referentinnen, ihren Beitrag vom Rednerpult aus abzugeben und eine Redezeit von 10 Minuten pro Statement nicht zu überschreiten. Ich darf darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 2 Minuten vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt.

Ich darf zunächst Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger um ihren Beitrag zum The­ma „Regionale Qualität – die Zukunft unserer Regionen“ ersuchen. – Frau Bundesminis­terin, ich bitte Sie darum.

 


9.42.30

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Damen und Herren! Ich freue mich wirklich sehr, dass diese Enquete heute ein ganz zentrales und bedeutendes Thema behandelt, das politisch federführend in der Zustän­digkeit meines Ministeriums liegt – wir tragen es ja auch im Namen –, dass wir uns heute damit auseinandersetzen können, dass wir vor allem auch ein ganz klares Signal und Zeichen ausgehend vom Bundesrat – der Länderkammer der Republik – in die Regionen senden können und zeigen können, dass die Menschen im ländlichen Raum eine beson­dere Bedeutung haben und wir uns sehr intensiv mit deren Zukunft auseinandersetzen.

Geschätzte Damen und Herren! Der Termin ist auch deswegen besonders gut gewählt, weil wir dem Thema Raumordnung heute den gesamten Tag über einen ganz großen Schwerpunkt widmen. Wir veranstalten heute das erste Mal seit zehn Jahren eine poli­tische Raumordnungskonferenz, der ich vorstehen darf. Ich habe die Mitglieder der Örok, also die Länder, die Gemeinden, die Sozialpartner und die Bundesministerien, einge­laden, um zusammenzukommen und das Raumentwicklungskonzept 2030 zu verab­schieden.

Der Schutz des Bodens ist natürlich einer der ganz zentralen und wesentlichen Punkte im Bereich der ländlichen Regionen. Wir sind gerade dabei, gemeinsam eine Boden­schutzstrategie – also quasi für die wertvollste Ressource, die wir in unserem Land haben – auszuarbeiten.

Österreich ist durch den ländlichen Raum geprägt. Er ist Lebensraum, er ist aber vor allem auch Wirtschaftsraum, und ich sage, er ist auch Entfaltungsraum für über fünf Millionen Menschen in unserem Land. Es ist für uns daher durchaus erforderlich, uns ganz intensiv mit Zukunftsfragen auseinanderzusetzen und uns sehr genau anzu­schauen: Was brauchen wir? Was brauchen vor allem die Jugendlichen in den länd­lichen Regionen, damit sie dort Perspektiven finden, damit sie die Möglichkeit haben, dort leben und arbeiten können, damit sie dort ihre Familien gründen, ihre Zukunft auf­bauen können?

Investitionen in den ländlichen Raum sind eine absolute Zukunftsvorsorge für unser Land. Da möchte ich ganz explizit auch die Steuerreform, die wir in den letzten Wochen erarbeitet haben, ansprechen, die einen ganz zentralen Fokus auf den Bereich der Men­schen im ländlichen Raum gelegt hat.

Wir setzen erstmals eine ökosoziale Steuerreform um, etwas, das mir als ehemaliger Präsidentin des Ökosozialen Forum Europa immer sehr am Herzen gelegen ist. Wir be­leuchten den Aspekt des Klimaschutzes, der für uns alle unverzichtbar ist. Wir nehmen aber auch Rücksicht auf die Menschen, die in den ländlichen Regionen wohnen, die – wenn man es überspitzt sagen will – nicht die Möglichkeit haben, alle 2 Minuten vor der Haustür in eine U-Bahn einzusteigen, sondern die auch weiterhin auf Autos angewiesen sein werden, die diese Möglichkeit weiterhin haben werden müssen, um auch ent­sprechend produzieren zu können. Gleichzeitig stellen wir unser gesamtes Wirtschafts­system Schritt für Schritt stärker auf erneuerbare Energien um. Wir setzen vor allem Anreize und erteilen keine Verbote. Das ist genau der richtige Weg für die Zukunft.

Das gesamte Entlastungsvolumen wird 18 Milliarden Euro betragen, es werden vor allem Menschen entlastet, die zur Arbeit gehen, vor allem jene mit niedrigen und mittleren Einkommen, um wirklich auch zentrale Anreize zu schaffen, einen Beitrag für dieses Land zu leisten. Wie gesagt, da spielen vor allem die Menschen im ländlichen Raum eine besonders große Rolle.

Wir schaffen auch ein Sonderprogramm für energieautarke Bauernhöfe, in dem es darum geht, die Infrastruktur, die Möglichkeiten unserer Betriebe, unserer produzierenden Höfe zu nutzen, um unabhängiger und vor allem auch kosteneffizienter zu werden.

Wenn wir schon beim Thema Produktion sind: Die landwirtschaftliche Produktion ist – nicht nur, was die Lebensmittelversorgung an sich betrifft – etwas ganz Zentrales in unserem Land. Sie sorgt für den Erhalt der Kulturlandschaft, das ist eigentlich auch die wichtigste Grundvoraussetzung für den Tourismus in unserem Land. Mit der Wieder­einführung einer Steuerrückvergütung für Agrardiesel schaffen wir die Möglichkeit, dass es weiterhin Wettbewerbschancen, Wettbewerbsgleichheit für unsere Produktions­betriebe gibt.

Darüber hinaus ist sehr vieles im Instrumentenkasten eines Ministeriums, einer Bundes­regierung, das wir verwenden können, um vor allem eben das Leben im ländlichen Raum, das Wirtschaften im ländlichen Raum attraktiv zu gestalten. Zum einen ist das die Gemeinsame Agrarpolitik, in der Österreich einen ganz großen Schwerpunkt auf Umweltschutz, auf Klimaschutz und auf biologische Produktion legt – wir sind, gemessen an der agrarischen Produktion, Weltmeister, und wir setzen ganz klar auf Qualität und gehen in Richtung Kooperationen. Im Zentrum stehen auch unsere bäuerlichen Fami­lien­betriebe, die das Fundament der Lebensmittelproduktion in unserem Land darstellen.

Ganz zentral in meinem Haus ist aber auch die Forstwirtschaft. Der Wald in Österreich ist zum einen unsere wichtigste Klimaanlage, weil er ein ganz großer CO2-Speicher ist, er ist aber vor allem auch ein Wirtschaftsraum. Die Forstwirtschaft hat in Österreich eine enorme Bedeutung, die Wirtschaftswälder sind für uns wesentlich, es hängen auch unglaublich viele Arbeitsplätze an der Forstwirtschaft. Wir schaffen mit der Holzbau­offensive auch die Möglichkeit, das Thema Klimaschutz in die Gebäude zu bringen. Wir schaffen auf der einen Seite Möglichkeiten, ökologischer zu sein und ökologischer zu werden und behalten damit auf der anderen Seite die Wertschöpfung im ländlichen Raum.

Das Dritte, das ich ansprechen möchte, sind die Telekomagenden, der Breitbandausbau und nicht zuletzt auch der Regionalfonds, der in der Zuständigkeit meines Hauses ist.

Ich habe es schon angesprochen, die Themen Regionalität und Qualität gewinnen immer mehr an Bedeutung. Matthias Horx hat es ganz gut beschrieben, dass es Trends und danach wieder Gegentrends gibt. Ich glaube, dass die Coronapandemie in vielen Bereichen zu einem Umdenken geführt hat. Es wird an uns liegen, dieses Umdenken auch in der Gesellschaft zu manifestieren.

Wir haben speziell bei der Nachfrage von Lebensmitteln gesehen, dass es plötzlich einen ganz großen Trend hin zu bäuerlich produzierten Produkten gegeben hat – weg von diesem Einheitsbrei der Konzerne, hin zu dem Ursprünglichen und zu dem, was regional und saisonal in unserem Land produziert wird.

Das ist eine riesengroße Chance, und da wollen wir auch weiter ansetzen, beispiels­wei­se mit dem gesamten Thema Herkunftskennzeichnung. Der Gesundheitsminister erar­beitet eine entsprechende Verordnung, sodass wir endlich eine Regelung für die Kenn­zeichnung der Herkunft von Lebensmitteln, vor allem der verarbeiteten Lebensmittel, der Industrieprodukte, national in Österreich zustande bringen, damit die Gesellschaft, damit die Konsumentinnen und Konsumenten sehen, woher der Rohstoff in den Produkten stammt. Gleichzeitig wollen wir dasselbe auch für den gesamten Bereich der Gemein­schaftsverpflegung, der Großküchen, all jener, die ganz maßgeblich für die Versorgung verantwortlich sind.

Die öffentliche Hand – und das ist mir ganz besonders wichtig – geht da mit gutem Bei­spiel voran. Wir haben im Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung beschlossen, dass Pro­dukte, die vonseiten der öffentlichen Hand eingekauft werden, regional, saisonal und unter höheren Tierwohlstandards produziert werden müssen. Damit leisten wir wichtige Vorarbeit.

Der Tourismus – das habe ich schon angesprochen – ist auch ganz zentral für den ländlichen Raum. Da ist ganz entscheidend, dass wir auf das Thema Nachhaltigkeit, auf das Thema Qualität und vor allem auch auf die Gesundheit setzen. Das ist ein Trend, den wir in den letzten Jahren schon gesehen haben, der sich jetzt auch verstärkt hat, und dorthin wird es auch in Zukunft gehen.

Ganz wesentlich, geschätzte Damen und Herren, ist das Thema Infrastruktur im länd­lichen Raum. Wenn wir von Infrastruktur reden, sind natürlich gut ausgebaute Straßen, We­genetze etwas ganz Zentrales, die Mobilität an sich, auch die Energieversorgung, vor allem auch die Energienetze, die Möglichkeiten, die uns die erneuerbare Energie bietet, beispiels­weise Biomasseproduktion. Es ist aber vor allem das schnelle Internet, das ganz zentral ist, um Chancengleichheit zwischen Stadt und Land herzustellen. Wir inves­tieren bis 2026 1,4 Milliarden Euro in den Ausbau von schnellem Internet. Wir gehen ganz explizit vor allem in die unterversorgten Regionen und Gemeinden und wollen einfach auch zeigen, dass es uns am Herzen liegt, dass junge Menschen, wenn sie gute Ideen haben, dort ihren eigenen Arbeitsraum, ihren Lebensraum aufbauen können und genau den gleichen Anschluss haben wie Personen, die in der Wiener Innenstadt leben und arbeiten.

Genau darum geht es uns, geschätzte Damen und Herren: unsere Regionen attraktiv zu halten, zu gestalten. Ich habe dazu eine Dialogtour gestartet, ich bin auf der Suche nach den besten Beispielen dafür, was in unseren Regionen schon an Kooperation, an Vision, an Innovation passiert. Sie sind alle ganz herzlich eingeladen, unter www.meine-regionen.at auch mitzumachen. Wir sind in den Bundesländern unterwegs, wir sind bei den Menschen und wollen einfach hören, was sie brauchen und was wichtig sein wird, um in Zukunft auch im ländlichen Raum eine Chance, eine Perspektive zu sehen.

Geschätzte Damen und Herren, unsere ländlichen Regionen sind Zukunftsregionen. Sie sind aber noch viel mehr: Sie sind vor allem auch Heimat. Ich glaube, das ist etwas, auf das wir sehr, sehr stolz sein können, und das ist etwas, das wir unbedingt auch bewahren und weiterentwickeln müssen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)

9.53


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Frau Bundesministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Als nächste Rednerin darf ich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler um ihren Bei­trag zum Thema „Schlüsselfaktor Mobilität: Stadt und Land besser vernetzen“ ersuchen. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


9.53.27

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA|: Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank Ihnen stellvertretend für die Organisation der heutigen Enquete! Ich glaube, die vielfältige Besetzung, die ich sehe, wenn ich hier ins Publikum schaue, zeigt, dass das Interesse sehr groß und die Diskussion, die wir heute führen, eine sehr notwendige ist.

Ich kann an Herrn Horx anschließen, der vorhin gesagt hat, dass Grenzen verschwim­men. Der Titel meines Beitrags ist ja auch „Stadt und Land besser vernetzen“ – Mobilität, die dafür den Schlüsselfaktor darstellt. Mobilität ist ein zentrales gesellschaftliches und wirtschaftliches Bedürfnis: die Mobilität von Gütern zwischen Stadt und Land, von Personen zwischen Stadt und Land. Das ist nicht bloß für das Funktionieren unserer Wirtschaft essenziell, sondern auch für das Zusammenleben in unserem schönen Land.

Stadt und Land leben voneinander. Sie werden auch weiterhin gut und künftig im Sinn und unter dem Blickwinkel des Klimaschutzes noch besser zu vernetzen sein. Das muss unser aller Ziel sein, denn Klimaschutz ist die zentrale historische Aufgabe unserer Zeit. Das ist die große politische Herausforderung, vor der wir stehen, und deswegen müssen wir auch die unterschiedlichen Bedürfnisse und diese Vernetzung zwischen Stadt und Land ganz besonders im Blick haben.

Wenn der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Timmermans, sagt, dass Klima­schutz uns nur dann gelingen wird, wenn wir Lösungen haben, die für den städtischen und den ländlichen Raum funktionieren, dann kann ich das nur dreifach unterstreichen. Es ist unsere Aufgabe, das auch zu sehen, gerade im Hinblick auf die Mobilität. Das ist jetzt das Thema meines Inputs, und deswegen fokussiere ich auf den Verkehrsbereich, denn wir sehen gleichzeitig, dass es im Verkehrsbereich besonders herausfordernd ist, die Ziele zu erreichen.

Im Verkehrssektor fallen rund 30 Prozent unserer Emissionen an, es gibt aber vor allem ein Problem: Sie haben sich komplett in die falsche Richtung entwickelt – ich muss das einfach so plakativ sagen. Die Emissionen im Verkehrsbereich sind seit 1990 um 74 Pro­zent gestiegen – sie hätten stark sinken sollen. Deswegen hat der Verkehrsbereich auch Erfolge im Klimaschutz in anderen Bereichen, im Gebäudebereich – ich schaue Landes­rat Seitinger an, einen Mitkämpfer für den nachhaltigen Gebäudebereich –, zunichte­gemacht, und deswegen haben wir da so einen Handlungsbedarf. Gerade im ländlichen Raum müssen wir schauen, dass wir zu guten Lösungen kommen.

Deswegen haben wir uns als Bundesregierung mit dem Mobilitätsmasterplan 2030 ein­mal Karte und Kompass gegeben: Was braucht es für die Mobilitätswende – also für ein Mobilitätssystem, das den Bedürfnissen von Wirtschaft und Bevölkerung und dem Klimaschutz gerecht wird – in den nächsten 20 Jahren? Wir haben da erstmals vom Ziel her gedacht – also nicht einfach bestehende Trends weitergeschrieben. Ich habe vorhin einen bestehenden Trend beschrieben: 74 Prozent Emissionssteigerung. Diesen Trend können wir nicht weiterschreiben, da brauchen wir eine Veränderung. Wir haben vom Ziel her gedacht: Klimaneutralität 2040, wie geht sich das aus? Was müssen wir jetzt jedes Jahr von heute weg im Mobilitätsbereich tun?

Da gibt es ein paar Leitlinien: Verkehr möglichst vermeiden, auch im Sinn der Lebens­qualität. Da spielen ganz viele Dinge, die Kollegin Köstinger gerade erwähnt hat, eine zentrale Rolle: Wie können wir regionalisieren, die Wirtschaft regionalisieren, in der wirtschaftlichen Wertschöpfung in kleineren Kreisläufen denken, nicht nur für eine Schraubendrehung etwas quer durch den Kontinent transportieren? Wie können wir eine bessere digitale Ausstattung erreichen, also Breitbandausbau et cetera? In diesem Bereich sind wir sehr gefordert. Wie können wir dafür sorgen, dass Homeoffice attrak­tiver wird, und damit auch dazu beitragen, dass Ortskerne wieder belebt sind und Leben in der ländlichen Region ist? Das vermeidet auch Pendler- und Pendlerinnenverkehr. Wo können wir verlagern – also Wege auf den öffentlichen Verkehr verlagern, auf den Umweltverbund, auf aktive Mobilität, auf das Fahrrad? Wo können wir den Verkehr verbessern – also auch die technologischen Entwicklungen, die wir sehen, bestmöglich nützen?

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Dinge eingehen. Das eine ist, kürzere Wege durch mehr Regionalität und den Ausbau des gesamten öffentlichen Verkehrs zu forcieren, aber auch und gerade die aktive Mobilität im ländlichen Raum zu forcieren. Wir denken gerade das Radfahren und das Zufußgehen oft als ein städtisches Thema, aber das ist es nicht. Das Potenzial ist riesig, gerade auch im ländlichen Raum. Wenn wir bedenken, dass wir jetzt gerade im ländlichen Raum in einer Abhängigkeit vom Auto stehen, die Familien oft zwingt, ein Zweit- und ein Drittauto zu haben, die zu einer Situation führt, in der man den Führerschein als Eintrittskarte in die wunderschönen Gegenden unseres Landes braucht, dann haben wir gemeinsam – und ich sage das sehr bewusst in der Länderkammer – auch eine Verantwortung, dem etwas entgegen­zuset­zen, eine Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, um diese Entwicklung vom Kopf auf die Füße zu stellen, denn das ist das, was wir brauchen. Wir brauchen eine Verlagerung der Wege auf den öffentlichen Verkehr, auf die aktive Mobilität, und das ist auch ein sehr positives Szenario, gerade für den ländlichen Raum.

Für die Wege, für die wir das Auto auch in Zukunft brauchen, haben wir eine tech­no­logische Entwicklung, die uns den Weg in die Zukunft weist, nämlich das E-Auto als klimafreundlichste Alternative über den gesamten Lebenszyklus. Gerade auf dem Land – auch da wieder – haben wir die besten Voraussetzungen dafür. Wir haben die Mög­lichkeit, zu Hause eine private Lademöglichkeit zu schaffen, im Optimalfall natürlich mit der Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach. Wir haben Tagesdistanzen in unserem Land, die die E-Autos von heute locker schaffen, und mit dem Mobilitätsverhalten am Land rechnet sich das E-Auto sogar deutlich schneller als im städtischen Bereich. Das heißt also, wir haben wirklich auch für diesen Technologiesprung die beste Voraus­setzung im ländlichen Raum.

Das Herzstück der Mobilitätswende muss aber trotzdem der öffentliche Verkehr sein, und auf diesen werde ich jetzt zum Schluss meiner Redezeit noch fokussieren. Es gilt einfach, einen Großteil des Mobilitäts- und Verkehrsaufwands dorthin zu verlagern, damit wir uns ein Niveau an Mobilität, das wir in der Freizeit, in der Arbeit, im Urlaub wollen und brauchen, aufrechterhalten können, aber auf klimaverträgliche Weise.

Deswegen arbeiten wir im BMK mit Hochdruck an allen drei Säulen eines attraktiven öffentlichen Verkehrs, das heißt Infrastruktur ausbauen, Angebot verbessern und den Menschen einfache und leistbare Tarife bieten.

Wir haben deswegen auch nachhaltige Rekordbudgets für den öffentlichen Verkehr ge­sichert. Mittel- und langfristig reden wir von 5 Milliarden Euro, die in den öffentlichen Verkehr fließen. Klimaschutzministerium, Bundesländer, Städte, Gemeinden und Ver­kehrs­unternehmen – ich mag hier wirklich an alle Danke sagen –: Wir haben im ver­gangenen Jahr viele, viele Projekte, die teilweise jahrzehntelang nicht aus den Start­löchern gekommen sind, tatsächlich in die Umsetzung gebracht.

Ich möchte nur ein paar davon nennen: Wir haben bei den Privatbahnen die Mittel beinahe vervierfacht. Wir haben über die Stadtregionalbahnen viele Jahre geredet und erstmals fließen jetzt in Salzburg, Linz, Innsbruck und Wien Mittel, mit denen Stadt und Umland besser vernetzt werden. Niederösterreich wird hoffentlich auch bald mit einem entsprechenden Projekt folgen. Wir haben mit Niederösterreich, Oberösterreich und Kärnten umfangreiche Pakete zur Modernisierung der Regionalbahnstrecken abge­schlossen – ich könnte viele der Strecken aufzählen, tue das aber im Sinne der Zeit­effizienz nicht.

Wir haben mit der Steiermark heuer im Juli ein umfangreiches Bahnausbaupaket ab­geschlossen, bei dem es auch darum geht, die Regionalbahnstrecken gerade wie in allen anderen Bundesländern zu attraktivieren, wie in Salzburg neben dem Ausbau des S-Links, also der Durchbindung durch die Stadt, auch der Beitrag für die Pinzgaubahn, für die Salzburger Lokalbahn. Wir haben also wirklich mit allen Bundesländern speziell darauf geschaut, dass wir den regionalen Bereich gut abdecken und die Regionalbahnen gegenläufig zu den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte auch wieder stärken.

Besonders freut mich natürlich, dass wir es geschafft haben – das ist wirklich eine große Freude –, dass das Klimaticket komplett ist. Ab dem Nationalfeiertag startet das Klimaticket für alle ÖsterreicherInnen, das heißt: ein Ticket für alle Öffis im ganzen Land. Warum erwähne ich das hier? – Ganz egal, wo man in unserem Land wohnt, wie lang die Pendeldistanz ist, ob man aus dem städtischen in den ländlichen Raum pendelt oder umgekehrt, es macht keinen Unterschied, mehr. Das ist eine einheitliche Tarif­gestal­tung – eine einheitliche Tarifgestaltung, mit der man alle Öffis in unserem Land nützen kann. Das geht auf Bundesebene mit dem Klimaticket Österreich.

Wir haben aber auch geschafft, die Regionaltickets auf den Weg zu bringen, mit einem stabilen Budget. Das heißt, auch in den Verkehrsverbünden, auch in den Bundeslän­dern, die bis dato noch kein Flächenticket haben, wird das Pendeln und das Nutzen des öffentlichen Verkehrs deutlich einfacher und deutlich günstiger. So wird der Urlaub von der ländlichen Region in der Stadt oder umgekehrt, der Österreichurlaub für alle, die in den Städten wohnen, noch attraktiver und das Pendeln einfacher, kostengünstiger und auch wesentlich attraktiver.

Natürlich brauchen wir eine Ausweitung des Angebots, auch das ist klar und auch daran arbeiten wir, denn es hilft nichts, eine Bahnstrecke und ein Ticket zu haben, wenn darauf kein Zug fährt – völlig logisch. Das heißt, auch in diesen Bereich haben wir massiv investiert. Mit den Verkehrsdiensteverträgen sind umfangreiche Ausweitungen des An­ge­bots in der nächsten Dekade im Programm, und zwar flächendeckend. Bundesseitig fließt rund 1 Milliarde Euro in das Verkehrsangebot.

In Summe tragen diese drei Schwerpunkte Infrastruktur, Angebot und Ticket deutlich dazu bei, den öffentlichen Verkehr im ganzen Land zu stärken. Darüber hinaus müssen wir daran arbeiten, dass auch die Vernetzung des öffentlichen Verkehrs mit der individuellen Mobilität – mit dem Rad zum Bahnhof, mit dem Auto zum Bahnhof – besser und einfacher funktioniert. Auch daran arbeiten wir, damit wir flächendeckend die Voraussetzungen in unserem Land haben, gut, einfach, kostengünstig, effizient und klimafreundlich mobil zu sein, damit es eben keinen Unterschied mehr macht, ob man in einem städtischen Gebiet oder in einem ländlichen Gebiet wohnt – mit einer prinzipiellen Mobilitätsverfügbarkeit.

Es gilt nun nach diesem – trotz eines schwierigen Pandemiejahrs – Rekordjahr für den öffentlichen Verkehr, auch dafür zu sorgen, dass wir genauso weitermachen, die nächsten Jahre bis 2040 jedes Jahr genauso weitermachen, damit wir das Zielbild eines nachhaltigen, klimaneutralen, sicheren, resilienten, auch gendergerechten – das sei an dieser Stelle erwähnt –, sozialen und wirtschaftsverträglichen Mobilitätssystems in Öster­reich in die Realität bringen. Dazu brauchen wir alle. Dazu brauchen wir die Gemeinden und die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen genauso wie die Länder und den Bund. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, dann schaffen wir wirklich ein attrak­tives Mobili­tätssystem für unser Land, und zwar für Stadt und Land. – Ganz herzlichen Dank. (Beifall.)

10.05


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Frau Bundesministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen.

Als letzte Rednerin im Panel 1 darf ich Frau Bundesministerin Margarete Schramböck um ihren Beitrag zum Thema „Die Digitalisierung macht’s möglich“ ersuchen. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


10.05.29

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck|: Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Ich freue mich, dass so viele heute hier sind, um sich mit dem Thema der Regionen, aber vor allem auch mit dem Thema Digitalisierung für die Regionen in Österreich auseinanderzusetzen. Ich bin auf Ihre Inputs und auch auf den guten Austausch danach gespannt.

Wenn wir auf die Digitalisierung blicken, dann muss man sagen, ist es nicht nur ein Ung-Wort. Viele schauen ja auch mit sehr viel Bedacht, mit sehr viel Sorge und mit sehr viel Angst darauf. Wir sehen aber, dass die Digitalisierung uns gerade in dieser Krise – in dieser Covid-Krise – massiv geholfen hat. Ich würde sogar sagen, sie hilft, die großen Herausforderungen dieser Menschheit zu lösen.

Ohne Innovation und ohne neue Technologien, ohne neue Erfindungen werden wir nicht vorankommen, um die wesentlichen Themen wie zum Beispiel Klimaschutz zu lösen. Klimaschutz ist einer unserer wichtigsten Punkte, und dabei hilft die Digitalisierung. Homeoffice, so wie wir es jetzt auch hatten, wäre ohne die Möglichkeiten, die uns die Technologie bietet, nicht möglich gewesen.

Dabei geht es aber nicht nur um Kommunikation, sondern es geht um das aktive Gestalten, das Gehen neuer Wege und das Finden neuer Lösungen wie zum Beispiel auch im Bereich der Lebensmittelversorgung. Denken wir auch daran, dass es mittels Smartfarming möglich ist, auf weniger Flächen mehr herzustellen und dementsprechend die Problematik der Lebensmittelversorgung dieser Welt zu lösen! Aus meiner Sicht ist das nur über diesen Weg möglich.

Unterricht, Lernen unabhängig von Ort und Zeit ist durch Digitalisierung möglich gewor­den, und das nicht nur für unsere Kinder in der Zeit von Covid, sondern auch für Erwachsene. Es ist für Erwachsene, die sonst vielleicht keinen Zugang zur Bildung hätten, möglich, über diesen Weg mehr zu lernen, als ihnen früher möglich gewesen wäre.

Die Digitalisierung schafft auch hochwertige Arbeitsplätze. Ich erinnere mich an die Arbeit meines Vaters und meiner Mutter, eine schwere körperliche Arbeit, von der sie heute noch die Folgen zu tragen haben. Es ist mit neuen Technologien möglich – ich spreche da zum Beispiel das Exoskelett an –, das schwere Heben zu erleichtern, also da auch Möglichkeiten zu schaffen.

Es ist auch möglich, wieder in Europa zu produzieren. Es geht darum, dass wir in kleinen Einheiten, in smarten Einheiten, in Familienbetrieben österreichweit und europaweit pro­duzieren und unser Kulturgut – unsere Familienbetriebe, unsere KMUs – dabei unter­stützen. Es gab eine große Tendenz, Produktionen nach China und in Märkte auszu­lagern, in denen weniger für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlt wird. Es sind gerade die Digitalisierung und die neuen Technologien, die uns ermöglichen, Arbeitsplätze nicht nur hier zu halten, sondern sie auch zurückzuholen.

Wenn wir genau hinschauen, dann zeigt sich auf den ersten Blick, es gibt ein Paradoxon. Dieses Paradoxon ist, man glaubt, dass mehr Industrieroboter höhere Arbeitslosigkeit bedeuten, aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir in Länder schauen – da brauchen wir nicht so weit weg zu schauen, denn da können wir auch nach Griechenland schauen –, die eine geringe Anzahl von Industrierobotern haben, sieht man, sie haben eine höhere Arbeitslosigkeit und vor allem eine höhere Jugendarbeitslosigkeit als Länder mit einem hohen Automatisierungsgrad und sehr viel Innovation.

Das zeigt also, wir brauchen uns nicht zu fürchten. Wir müssen die Chancen der Digita­lisierung gemeinsam nutzen und zusammenhalten, zusammenstehen – die Gemeinden, die Länder und der Bund –, damit wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit auch für die nächsten Generationen die Sicherheit gewährleistet ist, dass sie großartige, tolle und interessante und vor allem neue Jobs in Europa haben.

Ich würde sagen, wir tun das für unsere Kinder und für unsere Enkelkinder. Die Technologien stehen heute alle zur Verfügung. Wir müssen da ganz, ganz weit vorne sein. Ich trete natürlich mit meinem Ministerium, mit der gesamten Bundesregierung, mit Ihnen gemeinsam an, diese Rahmenbedingungen so voranzubringen, dass das auch möglich ist. Der Mensch muss dabei immer im Mittelpunkt stehen, das ist ganz wichtig. Wir sind es, die aktiv gestalten, und wir sind es auch, die final die Entscheidungen treffen sollen. Das gilt auch für den Bereich der künstlichen Intelligenz und der neuen Methoden, die wir anwenden können. Der Mensch also im Mittelpunkt, und gleichzeitig dürfen wir aber als Österreich und als Europa diese Chancen nicht verpassen.

Aus meiner Sicht ist die Digitalisierung ein Gegentrend zur Zentralisierung, zu diesen Megacitys, die man jetzt schon sieht, die weltweit wachsen. Unsere einzige Chance ist es, dass wir wertvolle Arbeitsplätze in den Regionen schaffen und es den jungen Menschen auch ermöglichen, dort ihren Arbeitsplatz zu finden und dort ihre Unter­nehmen zu gründen, wo sie es denn wollen, nämlich dort, wo sie geboren sind, dort, wo ihre Familien leben, damit sie nicht immer in die Ballungszentren weggehen müssen und dann eben nicht mehr zurückkehren.

Lassen Sie mich noch kurz auf die KMUs eingehen: Die KMUs sind der Schlüssel der österreichischen Wirtschaft. Sie sind der größte Arbeitgeber und deshalb mache ich mir manchmal auch Sorgen um sie, was die Digitalisierung betrifft, aber gleichzeitig können wir ihnen dabei helfen. Wir können Programme auflegen, und das haben wir auch getan. KMU digital ist solch ein Programm, das jedes Jahr aufgelegt wird und jetzt auch wieder im Budget vorgesehen ist. Es soll kleinen Betrieben helfen, diesen nächsten Schritt zu tun.

Sie haben damals von mir gehört, dass ich möchte, dass es über ganz Österreich verteilt Innovationhubs gibt. Das sind Anlaufstellen für die KMUs, damit sich diese, wenn sie ein digitales Problem haben, irgendwohin wenden können und nicht nach Wien oder in die großen Ballungszentren gehen müssen. Ich kann Ihnen berichten, es gibt sechs Inno­vationhubs in Österreich, die in unterschiedlichen Bereichen tätig sind, Ansprechpartner für die KMUs sind und sehr, sehr erfolgreich sind.

Wir müssen uns um bestimmte Branchen besonders kümmern, wie den Handel – E-Commerce ist dort eine große Frage. Wir haben 15 Millionen Euro aufgelegt, damit wir gerade den Handel in dieser Transformation unterstützen.

Letztendlich die Investitionsprämie: Sie wurde mit 5 Milliarden Euro aufgelegt. Sie ist gesetzlich verankert, sie ist abgesichert. Es brauchen jetzt nur alle Unternehmen, die eingereicht haben, diese abzuholen. Fast 100 Prozent der Unternehmen haben also ihre Zusagen. Diese Unternehmen können für die digitale Transformation 14 Prozent für die Investition rückerstattet bekommen. Das ist wichtig für die KMUs, genauso wie für die Leitbetriebe.

Ich war sehr viel in den Regionen unterwegs und gebe Ihnen nur ein paar Beispiele, welche Investitionen in der letzten Zeit gemacht wurden und werden, die davon unter­stützt werden: in der Steiermark die AT&S: 500 Millionen Euro in den Bereich der Chipproduktion – ein wichtiger Schritt für Österreich, da ganz vorne mit dabei zu sein; in Kärnten Infineon: 1,6 Milliarden Euro. Auch dort waren wir mit dabei und haben ent­sprechend unterstützt. In Tirol: Novartis in Kundl; Zumtobel, Palfinger, Boehringer Ingelheim. All das sind Unternehmen, die davon profitieren, dass wir an ihrer Seite stehen.

Ich glaube, unsere wichtigste Aufgabe ist es, Investitionen nach Österreich zu holen, diese auszuweiten und in den Kernbereichen, den Zukunftsbereichen dabei zu sein. Dafür machen wir die Standortstrategie 2040, und diese Standortstrategie beinhaltet ganz klar Zukunftstechnologien, smarte Technologien, ökologische Technologien und sehr viel Digitalisierung. Ich freue mich, wenn Sie Ihre Inputs geben. Wir haben bereits 800 Unternehmen aus ganz Österreich mit dabei, Organisationen und Vertreter der Sozialpartner.

Mir ist das wichtig, um in die Zukunft zu schauen. Letztlich geht es um die wirtschaftliche Sicherheit unserer Kinder und unserer Enkelkinder. – Herzlichen Dank. (Beifall.)

10.14


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Vielen Dank, Frau Bundesministerin, für Ihre Ausführungen.

Der erste Themenblock mit Panel 1 ist damit abgeschlossen. Ich bedanke mich noch­mals für Ihre Beiträge.

10.14.38III. Panel 2 – Postcorona – Schlussfolgerungen für die ländlichen Regionen


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Wir kommen nun zu Panel 2, den Referaten zum Thema Postcorona – Schlussfolgerungen für die ländlichen Regionen.

Ich ersuche wieder die Referentinnen und Referenten, ihre Beiträge vom Rednerpult aus abzugeben, wobei die Zeit von 15 Minuten pro Statement nicht überschritten werden soll. Ich darf wieder darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 2 Minuten vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt.

Ich darf zu Beginn Herrn Univ.-Prof. Dr. Markus Schermer um seinen Beitrag zum Thema „Gesellschaftliche und soziale Folgen der Pandemie“ bitten. – Bitte, Herr Pro­fessor Schermer.

 


10.15.11

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Markus Schermer (Universität Innsbruck)|: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bedanken, dass ich die Gelegenheit habe, auch aus soziologischer Perspektive über die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Pandemie zu berichten und daraus die Konsequenzen für die Zukunft des ländlichen Raumes abzuleiten. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vor­sitz.)

Ich basiere meine Aussagen zum großen Teil auf Präsentationen, die im Rahmen eines gemeinsamen Kongresses der Deutschen und der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie im August dieses Jahres gehalten wurden und bei dem wir mehrere Sessions zum Thema Postcorona – ländlicher Raum durchführen konnten. Eine davon hatte den gleichen Titel wie die heutige Tagung, allerdings versehen mit einem Fragezeichen. Ich werde auch in meinen Ausführungen ein paar Fragezeichen aufwerfen müssen.

Ich sehe die Krise, die durch die Pandemie ausgelöst wurde, als ein erzwungenes so­ziales Experiment. Wir haben da ein flächendeckendes soziales Experiment durch­geführt, von dem wir einiges lernen können, und zwar eben auch in der Hinsicht, dass der Wortstamm für Krise, das griechische Wort krisis, auch Entscheidung bedeutet und wir vor größeren Entscheidungen für die Zukunft stehen und die Krise uns zwingt, neue Wege dazu einzuschlagen. In der Soziologie kennen wir das Konzept des sozialen Wandels, die soziotechnische Transformation. – Sie finden in den Unterlagen auch eine Grafik dazu. Als Universitätsprofessor bin ich es normalerweise gewöhnt, mit Powerpoint zu arbeiten, was hier leider nicht möglich ist. Ich habe mich da schon sehr auf diese Vortragsart hier in diesem Saal umorientieren müssen.

Das Konzept des soziotechnischen Wandels beruht darauf, dass ein gesellschaftliches System durch Druck von außen derart destabilisiert wird, dass dadurch neue, soziale und/oder technische Innovationen aus einer Nische in ein System hineinkommen kön­nen. Genau so ein Einschnitt war die Coronapandemie, die es ermöglicht, mithilfe von sozialen und technischen Innovationen – ich möchte betonen, dass es sowohl soziale als auch technische Innovationen braucht – bei entsprechenden Rahmenbedingungen unsere Gesellschaft in eine nachhaltige und resiliente Zukunft zu führen.

Ich stelle daher die Aussagen in den Rahmen einer generellen Notwendigkeit zu einer großen gesellschaftlichen Transformation in Richtung nachhaltige Entwicklung, auch und besonders hinsichtlich der großen Herausforderungen des Klimawandels. Im Fol­genden beschränke ich mich bei meinen Ausführungen auf die Bereiche Landwirtschaft und Ernährung, Erholungs- und Freizeitwirtschaft, Arbeitswelt sowie die demografischen Wanderbewegungen zurück aufs Land – wir haben im ersten Panel schon einiges darü­ber gehört.

Erstens: Was sind die langfristigen Auswirkungen auf den ländlichen Raum als Ort der Lebensmittelproduktion? – Wir alle wissen, dass während der Pandemie die Nachfrage nach lokalen und biologisch erzeugten Produkten stark erhöht wurde. Agrarmarkt Austria hat anhand einer Umfrage festgestellt, dass 10 Prozent der Befragten den Direkteinkauf verstärkt genützt haben und der Wert der vermarkteten Bioprodukte sogar um über 20 Prozent gestiegen ist. Dabei wurden die bäuerlichen Ab-Hof-Selbstbedienungsläden sehr stark frequentiert, in denen man kontaktlos 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche einkaufen konnte. Auch bäuerliche Liefersysteme, also die Biokisten und Gemüsekisten und so weiter, kamen teilweise an die Grenzen der Lieferlogistik.

Diese erhöhte Nachfrage der EndkonsumentInnen konnte im ersten Lockdown zumin­dest zum Teil den Absatzrückgang in der Gastronomie kompensieren. In Teilen Tirols waren zum Beispiel vor der neuen Ernte lokal Kartoffeln nicht mehr erhältlich. Das ist etwas, was wir normalerweise auch nicht kennen. In der zweiten Lockdownsituation im heurigen Winter konnte natürlich die Direktvermarktung den Totalausfall im Tourismus nicht mehr kompensieren. Im Frühjahr aber konnten durch neue und innovative Vermarktungswege, die zum Teil durch die Jungbauernschaft über Social-Media-Kanäle und unter Mithilfe der Maschinenringe organisiert wurden, zum Beispiel große Mengen doch vermarktet werden. Das zeigt, dass neue Ideen da durchaus eine Chance haben, hereinzukommen.

Die Onlineplattformen zur Bestellung bäuerlicher, regionaler Produkte werden uns sicher längerfristig erhalten bleiben. Wenn da auch neue Akteure einsteigen, die das organisiert machen, wie zum Beispiel in Maschinenringen, kann das durchaus neue Impulse geben.

Interessant ist auch, wie rasch der Lebensmitteleinzelhandel begonnen hat, erfolgreiche bäuerliche Konzepte zu kopieren und einzubauen. In Kärnten zum Beispiel gibt es eine Supermarktkette, die regionale Produkte in Containern in Selbstbedienung anbietet. Vielleicht ist das auch eine Möglichkeit, dass mit dem Lebensmittelhandel neue Absatz­kanäle auf Augenhöhe erschlossen werden können. Es ist momentan ja auch ein großes Thema, wie sich das Verhältnis zwischen Handel und Bauern entwickelt.

Die Landwirtschaft wurde in der Krise als systemrelevanter Sektor erlebt, vor allem die Sichtbarkeit als lokaler Lebensmittelversorger hat die gesellschaftliche Wertschätzung der Bäuerinnen und Bauern erhöht. Das Beispiel zeigt auch, wie Innovationen Akteuren des Ernährungssystems neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Ich glaube, das ist ein großer Punkt, den man noch weiter vertiefen müsste. Das ist zwar nicht eine komplette Veränderung des Ernährungssystems, aber es können Initialzündungen für eine nach­haltige Transformation sein und durch Folgewirkungen größere Veränderungen aus­lösen. Vor allem aber haben die Beteiligten, die da drinnen stehen, neue Kompe­tenzen erworben, die ihre Möglichkeiten vergrößern und ihnen helfen, bisherige Routinen zu überwinden und selbstbestimmt ihr Verhalten zu ändern. Verhaltensände­rung ist im Rahmen der Klimawandelanpassung, glaube ich, das Schlüsselwort und der schwie­rigste Punkt dabei.

Zweitens: Was sind die langfristigen Auswirkungen auf die Erholungs- und Freizeit­wirtschaft? – Wir konnten keine Fernreisen mehr machen, Wochenendflüge nach Barce­lona sind auch ausgefallen, und damit haben sich die Freizeitaktivitäten stärker in die Natur verlagert, was auch zu einer erhöhten Beanspruchung landwirtschaftlicher Flächen und Wege durch Erholungsuchende geführt hat.

Das war einerseits positiv für Almen, Berggasthöfe et cetera, andererseits haben bäuer­liche Bewirtschafter durchaus von vermehrten Nutzungskonflikten berichtet, besonders stark im Umkreis von Ballungsräumen. Das ist ein Trend, bei dem man aufpassen muss, wie man das in Zukunft in den Griff bekommt.

Urlaub am Bauernhof hat ja zu den relativen Krisengewinnern gezählt, auch durch das Angebot an Ferienwohnungen. Da hat sich eben dieser Megatrend zu Regionalität auch positiv ausgewirkt. In einzelnen Regionen konnte die bäuerliche Gästebeherbergung sogar absolute Zuwächse erzielen.

Generell hat also die erhöhte Inlandsnachfrage nach touristischer Infrastruktur insbe­sondere im Sommer einiges auffangen können. Es gibt daraus vielleicht einige Impulse, wie wir die Umstrukturierung unseres Tourismus in Richtung eines verstärkten Sommer­tourismus, wie wir es in Klimawandelzeiten notwendig haben, anpassen können.

Was ist mit den Arbeitsverhältnissen? – Gerade im Tourismus hat sich die Abhängigkeit von vorwiegend ausländischem Saisonpersonal als kritisch erwiesen. Die Saisonalität, aber auch die übrigen Arbeitsbedingungen haben zudem inländische Arbeitskräfte dazu gebracht, dass sie sich auf andere Berufsfelder umschulen ließen. Die Arbeitskraft­situation ist also sicher ein Problem.

Auch in der Landwirtschaft haben wir die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften am Beginn der Pandemie sehr schmerzlich erlebt und dabei auch die Erfahrung ge­macht, dass sich diese nicht so leicht durch einheimische Arbeitskräfte ersetzen lassen. In diesen Bereichen muss man wahrscheinlich längerfristig die bestehenden Arbeits­verhältnisse kritisch hinterfragen und auch langfristig verändern.

Diese prekären Arbeitsverhältnisse in den genannten Bereichen stehen jenen gegen­über, die es sich leisten können, ihren Urlaub mit der Arbeit zu einer Art von Workation zu verbinden – man spricht da jetzt von einer Verbindung von work und vacation. Das kann dann auch die gesellschaftliche Schere zwischen einer digitalen Elite und einem analogen Arbeitsvolk noch stärker öffnen. Ich bin sehr für die Digitalisierung, man muss aber aufpassen, dass man da nicht einem Hype aufsitzt, dass alle davon profitieren  es gibt da durchaus auch gesellschaftliche Verlierer.

Das hat sich sehr verbreitert. Früher waren es Personen aus der Kreativwirtschaft oder dem IT-Bereich, die ortsungebunden arbeiten konnten, jetzt sind, im Rahmen des verpflichtenden Homeoffice, viele Bereiche dazugekommen. Für manche ist es dadurch eben zur ständigen Verlagerung des Wohnsitzes aufs Land gekommen.

Auch in den Beiträgen zu diesem Kongress wurde festgestellt, dass es ein verstärktes Interesse am Leben in ländlichen Regionen gibt – wir haben heute schon von Herrn Horx gehört, dass sich in der Pandemie ländliche Räume resilienter als Großstädte erwiesen haben und sich dort die Beschränkungen leichter ertragen ließen –, diese Beiträge haben aber auch ein kontroverses Bild gezeigt: Die einen haben neue gesellschaftliche Beziehungen und Innovationsschübe erwartet, andere haben das Entstehen von Parallelgesellschaften zwischen vermeintlich modernen Stadtflüchtlingen und vermeint­lich konservativen LandbewohnerInnen vermutet. Dabei sind diese Stadtflüchtlinge nicht immer nur Besserverdienende, sondern häufig auch Personen, die im Rahmen ihres Lebenszyklus aus dem Land in die Stadt und wieder zurückwandern, wenn sie Familien gründen und Kinder bekommen.

Wie wirkt sich das aus? – Es hängt nicht nur von den Leuten ab, sondern auch von der Struktur der Gemeinden. In Stadtumlandgemeinden verschwinden diese ländlichen Le­bensweisen zunehmend oder passen sich an städtische Lebensmuster an – da ist also diese Rurbanization sehr stark. Da sind auch häufig neue Kooperationen zwischen KonsumentInnen und ProduzentInnen zu finden, wobei die ProduzentInnen in diesem Fall nicht unbedingt immer aus dem Ländlichen kommen, sondern zum Teil Neu­einsteiger sind.

Wo starke und vitale Dorfgemeinschaften bestehen, dort erwartet die lokale Bevölke­rung, dass sich die Zugezogenen anpassen. Das heißt dann eben auch, dass die Dorfbewohner häufig den NeobürgerInnen eher skeptisch gegenüberstehen, eine Stei­gerung der Baulandpreise und fortschreitende Zersiedelung befürchten und sich nicht unbedingt vorstellen können, dass sich daraus positive Effekte ergeben.

Eine wirklich positive Rekonfiguration ländlicher Lebenswelten ist wohl am ehesten in kleinen Dorfgemeinschaften in peripheren Regionen zu erhoffen, in denen starke Abwanderung besteht. Dort sind BürgermeisterInnen und auch BürgerInnen eher bereit, innovative Ideen aufzugreifen sowie umzusetzen und erhoffen sich neue Impulse. Allerdings zeigt sich bisher, dass eher der Speckgürtel wachsen wird, als dass Leute in periphere Regionen ziehen werden. Das hängt auch damit zusammen, dass in den peripheren Regionen häufig die Versorgungsinfrastruktur eben nicht adäquat zur Verfügung steht, wobei damit nicht nur das Breitbandinternet gemeint ist, sondern auch der Arzt, das Geschäft und die Schulsituation für die Kinder.

Was sind die Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben? – Corona hat die Trends zur Regionalität und Digitalisierung verstärkt, es hat aber auch die bestehenden Ungleichheiten in unserer Gesellschaft sichtbarer gemacht. Es war kein Resetknopf, um einen kompletten Neustart zu machen, wie wir es uns am Anfang erhofft haben – ich habe es mir anfangs auch irgendwie erhofft, dass wir jetzt die große gesellschaftliche Wende machen, da wir die Möglichkeiten haben, neue Rahmenbedingungen einzu­führen.

Wir haben aber gesehen, dass auch kleine Eingriffe, strategische Eingriffe, über Knock-on-Effekte zukünftig graduelle Veränderungen herbeiführen können. Die sozialen Ef­fekte sind je nach Situation unterschiedlich. Wer die Vorteile aufgrund seines kulturellen, ökonomischen und sozialen Kapitals nützen kann, der profitiert, wer nicht, der verliert. Daraus ergeben sich durchaus häufig neue soziale Ungleichheiten.

Mit Homeoffice wird auch nicht zwangsläufig das Verkehrsaufkommen reduziert! Da muss ich auch ein Fragezeichen dazumachen. Es kommt darauf an, ob diese Stadt­flüchtlinge ihren Wohnsitz permanent verlegen oder bisherige PendlerInnen verstärkt im Homeoffice arbeiten. Im schlimmsten Fall kann sich der Pendelverkehr durch neue Zuzügler auf das Land sogar erhöhen. Da muss man also durchaus differenziert hin­schauen.

Um die Chancen für den ländlichen Raum nutzbar zu machen, braucht es aber intelligente und nachhaltige Mobilitätskonzepte zur Anbindung der ferneren Regionen an den öffentlichen Nahverkehr, keine Frage. Auch Coworkingspaces am Land sind für jene, die keine adäquate Arbeitssituation in ihren Häusern haben beziehungsweise für jene, die es vorziehen, ein Büro in der Nähe zu haben und nicht vom Wohnzimmer aus zu arbeiten, ein Lösungsansatz, der nötig ist.

Positiv ist auf jeden Fall, dass die Bereitschaft zur Veränderung in der Bevölkerung höher geworden ist. In der Ökologie sagt man: Resilienz ist das Zurückkommen nach einer Störung in den Ausgangszustand. Menschen sind aber hoffentlich – und soweit ich es als Universitätsprofessor beurteilen kann, tatsächlich – lernfähig, das heißt, über­wun­dene Krisen führen zu Anpassungen an neue Gegebenheiten und teilweise sogar zur Transformation, um die basalen Systemfunktionen zu erhalten. Darauf muss und soll die Politik auch reagieren und entsprechende Rahmenbedingungen dafür bereit­stel­len. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

10.31


Vorsitzender Vizepräsident Günther Novak|: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Univ.-Prof. Dr. Schermer.

Ich darf nun Herrn Landesrat Johannes Tratter um seinen Beitrag zum Thema „Zukunft Tirol – unsere Antworten auf die neuen Herausforderungen“ ersuchen. – Bitte, Herr Landesrat.

 


10.31.29

Mag. Johannes Tratter (Mitglied der Tiroler Landesregierung, ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzter Herr Präsident, lieber Peter! Ich darf mich zuerst, meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Einladung bedanken, heute bei dieser Enquete dabei sein und ein paar Dinge aus Sicht des Bundeslandes Tirol mitzudiskutieren und einzubringen zu dürfen.

Das Thema, lieber Peter, ist beeindruckend, ich glaube, wichtig. Man sieht es auch an der Anzahl der Vortragenden, der TeilnehmerInnen, wie wichtig dieses Thema gesehen wird. Eine Enquete hat nicht nur den Vorteil, dass man sich sehr wichtige Themen aus verschiedenen Gesichtspunkten anhören kann, sondern auch Menschen zu treffen. Daher sei es mir als Tiroler gestattet, auch die Delegation des Bauernbundes recht herzlich zu begrüßen. Ich habe gehört, der Herr Präsident hat euch gestern zum Rind­fleischessen eingeladen. Das hätte ich nicht geglaubt, dass ihr zum Rindfleischessen geht. Das war sich ein ganz netter Abend.

Da ich gerade Auge in Auge Hans Seitinger aus der Steiermark gegenüber bin und er mir gegenüber sitzt: Ich bin ja kein neidischer Mensch, aber ich gestehe, jedes Mal, wenn ich ihn sehe, bin ich neidisch, denn er hat einen Titel, den hätte ich auch gerne: Weinlandesrat. – Das ist in Tirol allerdings eher schwierig, aber, Hans, das ist etwas – wir haben schon einmal gemeinsam Wein verkostet –, was ich auch sehr gerne wäre. (Heiterkeit des Landesrates Seitinger. Abg. Rauch: Das ist aber ein Titel ohne Mittel!) – Ein Titel ohne Mittel, aber der Wein ist trotzdem ganz angenehm.

Ich muss noch dazusagen, ich bin heute das erste Mal in diesem Saal und erst recht auf der Regierungsbank, und ich staune, wie viel Platz, wie viel Beinfreiheit man eigentlich hat, denn im Fernsehen schaut das wahnsinnig eng aus, auch mit all den Plexiglas­scheiben. Ich habe aber gesehen, ich sitze auf dem Platz von Heinz Faßmann, da kann es schon sein, dass die Beinfreiheit auch damit zusammenhängt. – Kommen wir aber zum Inhaltlichen, zum ländlichen Raum!

Aus meiner persönlichen Sicht – und da werden wir uns ja einig sein – sind bei der Wahl zwischen Stadt und Land – und es ist heute zu diesem Thema ja schon sehr viel angesprochen worden – gleiche oder ähnliche Lebensverhältnisse in Stadt und Land entscheidend. Das ist eine Grundvoraussetzung. Da sind auch – wenig überraschend – die Fragen, die auch schon angedeutet worden sind, wie ganztägige und ganzjährige Kinderbetreuung, die Bildung, der ÖPNV, die Pflege, die Krankenversorgung, die Digitalisierung, moderne Gemeindeinfrastrukturen, attraktive Wohnsituationen, der Erhalt einer leistungsfähigen Landwirtschaft, aber auch Chancen und Risken im Zusam­menhang mit erneuerbarer Energie sind große Herausforderungen.

Zu zwei, drei dieser Themen möchte ich aus Tiroler Sicht heute ein bisschen etwas sagen. Ich gebe schon zu, und habe das auch dem Kollegen aus Niederösterreich schon gesagt, wir können natürlich nur ganz an der Oberfläche bleiben. Zwei Punkte sind aber, glaube ich, entscheidend: Der eine ist das Thema Infrastrukturen, und der zweite Punkt sind andere, weichere Themen, die ganz entscheiden sind, sowohl in der Stadt, aber vor allem im ländlichen Bereich, sodass wir die Menschen dort auch erfolgreich halten können.

Seit zehn Jahren auch Gemeindereferent, unter anderem in der Tiroler Landesregierung, weniger beliebt als Gemeindeaufsicht, beliebter dann schon bei der Übermittlung und Verteilung der Gemeindeausgleichsfondsmittel: Dort haben wir uns ganz intensiv Gedanken gemacht, weil wir gesehen haben, dass die einzelnen Gemeinden die Finan­zierung sehr vieler Gemeindeinfrastrukturen nicht mehr schaffen. Man muss versuchen, gemeinsam zu arbeiten, und da gibt es durchaus unterschiedliche Konzepte, wie auf der einen Seite das der Steiermark mit den Gemeindefusionen – wobei uns da die Frage beschäftigt hat: Wie geht man damit um? – und auf der anderen Seite das der Gemein­dekooperationen. Wir haben einen Doppelweg gewählt. Wir haben dazu vor einigen Jahren eine ganz intensive Studie gemacht, vor allen Dingen am Beispiel der Schweiz. Die Schweiz hat sehr viele Gemeinden fusioniert, und wir haben uns da über ein Institut die Arbeit angetan, und haben die Gemeinden, die fusioniert wurden, nachher mit Gemeinden, die mit den fusionierten vergleichbar waren, aber nicht fusioniert wurden, verglichen. Ganz interessant war, dass der wirtschaftliche Effekt oder Spareffekt fast überhaupt nicht eingetreten ist. Wir oder unser Studienautor glaubt, dass es damit zusammenhängt, dass die Gemeinden schon vorher sehr stark kooperiert haben.

Das ist, glaube ich, eine der ganz wichtigen Voraussetzungen für das eine Thema, das der Infrastrukturen, bei dem natürlich gerade – Herr Horx, jetzt ist er nicht mehr da, hat das gesagt – die neue Generation der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und man auch in den Gemeinderäten viel bewirken kann. Bei den Gemeindekooperationen, das gebe ich schon zu, machen wir vom Land Tirol auch als Gemeindereferent einen quasi sanften Druck, dass das noch stärker, als es schon passiert, entsprechend umgesetzt wird.

Der sanfte Druck schaut so aus, dass für Gemeinden, die gemeinsame Infrastrukturen bauen, die Förderungen aus dem Gemeindeausgleichsfonds zum Beispiel wesentlich höher sind, oder auch bestimmte Bereiche, wenn es eine Gemeinde alleine macht, gar nicht gefördert werden, und wenn zumindest zwei Gemeinden etwas machen, dann unterstützen wir sie entsprechend. Und wenn Gemeinden fusionieren, bei uns ist das bisher freiwillig – heuer, mit Ende des Jahres, werden sich drei Gemeinden im Wipptal, nämlich Matrei, Mühlbachl und Pfons, auflösen und zu einer größeren Gemeinde ver­schmelzen –, dann bekommen diese ein sogenanntes Hochzeitsgeld – so sagen wir bei uns in Tirol liebevoll dazu –, sie bekommen also eine fixe Förderung, wenn sie ent­sprechend fusionieren. Wir begleiten das auch sehr gerne.

Ich glaube, dass das speziell für den ländlichen Raum ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden gut funktioniert und sie gemeinsam Infrastrukturen bauen und errichten und auch betreiben können, weil sie es alleine in vielen Bereichen fast nicht mehr schaffen. Ich komme am Schluss noch einmal speziell zum Bereich Kinderbetreuung.

Zum Bereich Digitalisierung wurde schon sehr viel angesprochen, vielleicht nur in aller Kürze, wie wir es in Tirol versucht haben, zu machen – ich weiß nicht, wie es andere Bundesländer gemacht haben –: Wir aus meinem Ressortbereich Statistik haben 2012 erhoben, wie die Grundversorgung im ganzen Land Tirol, die mit unserer alpinen Region natürlich noch eine zusätzliche Herausforderung darstellt, ist, und es hat sich, wenig überraschend, herausgestellt, dass die Zentralräume, die Bezirkshauptorte und so weiter, auch die hochentwickelten Tourismusorte, schon exzellent ausgestattet waren, andere Bereiche nicht. Ich schaue jetzt zur Bürgermeisterin von Lienz: Eure Region zum Beispiel war damals ganz schwarz – also nicht parteipolitisch, sondern wir haben es damals farblich dargestellt –, es war außer in Lienz quasi keine Infrastruktur vorhanden. Vor wenigen Wochen haben wir in dieser Region sämtliche Lücken geschlossen; also acht Jahre später wurde es da entsprechend gut gemacht.

Wir haben daraus Strategien abgeleitet. Wir haben Kümmerer im Land Tirol aufgebaut und die Bundes- und die Landesförderung entsprechend zusammengeschlossen, und die besonders finanzschwachen Gemeinden bekommen noch eine Förderung aus dem Gemeindeausgleichsfonds, sodass teilweise bis zu 90 Prozent der Kosten für diesen ganzen Ausbau quasi durch den Bund, die Länder finanziert würden. Wir haben in den wesentlichen Teilen Tirols mittlerweile eigentlich alle Lücken geschlossen, auch und insbesondere im ländlichen Raum, was sehr wichtig war.

Ein ganz ein zentraler Punkt ist bei uns in Tirol natürlich das Thema Raumordnung. Da werde ich nur zwei, drei wesentliche Punkte erwähnen, die bei uns vielleicht ein bisschen anders geregelt sind als in anderen Bundesländern, die ganz entscheidend für die Entwicklung speziell auch im ländlichen Raum sind. Ich werde hier, glaube ich, die fol­genden Zahlen nicht erklären müssen: In Tirol sind 12,5 Prozent Dauersiedlungsraum – Kollege aus Oberösterreich, du hast, glaube ich, 70 Prozent Dauersiedlungsraum –; also Raumordnung ist bei uns etwas ganz Lustiges, da wäre ich auch lieber in Ober- oder Niederösterreich. Wir haben 37 Prozent Wald, 35 Prozent Berge, nur 10 Prozent Land­wirtschaft, circa 12 Prozent Dauersiedlungsraum und 16 Prozent sonstige Flächen. Man sieht daran, die Herausforderung ist schon ganz entscheidend.

Einen wichtigen Schritt, den ich ein bisschen in die weichen Faktoren hineinrechnen würde, haben wir letztes Jahr, eigentlich schon vor eineinhalb Jahren, abgeschlossen. Wir haben sogenannte landwirtschaftliche Vorsorgeflächen ausgewiesen. Was heißt das? Wir haben für ganz Tirol erhoben, wo wir noch große landwirtschaftliche Flächen mit guter Bodenbonität haben, und die haben wir unter einen besonderen Schutz gestellt. Die örtliche Raumordnung, der Gemeinderat kann in diesem Bereich erst die normalen Widmungsschritte oder Ähnliches setzen, wenn dieser Schritt in der Landesregierung zuerst erlaubt wird. Dann fängt das eigentliche Raumordnungsverfahren überhaupt erst an. Wir bemühen uns da, sehr streng zu sein. Wenn also jemand in diesen Bereich hineingehen möchte, dann muss es schon besondere Gründe dafür geben.

Das Ziel ist der Erhalt aller landwirtschaftlichen Flächen, für die Lebensmittelproduktion, aber auch als Freiraum. Das war nicht in allen Gemeinden gleich erwünscht. Teilweise ist dieser Schritt sehr begrüßt worden, zum Teil hat es aber auch heftige Widerstände gegeben. Wir haben das Programm fast abgeschlossen, es gibt nur noch zwei Planungs­verbände, mit denen wir jetzt neu anfangen, die wir neu aufgenommen haben. Insgesamt haben wir 352 Quadratkilometer, heute rechnet man meistens anders, also 60 000 Fuß­ballfelder unter diesen besonders erhöhten Schutz durch die Landesregierung gestellt.

Wo wir, wie ich glaube, gleichfalls ein bisschen Vorreiter sind – deswegen möchte ich es auch entsprechend erwähnen –, ist: Wir haben seit zwei Jahren eine Verpflichtung, und die gilt nicht nur für Einkaufszentren, sondern auch bei der Ebene darunter, bei Ver­kaufsbereichen bis 600 Quadratmeter. Wenn diese neu gebaut werden, gibt es keine Parkplätze mehr an der Oberfläche, sondern nur mehr eine Hoch- oder Tiefgarage, und es muss über dem Verkaufsbereich zumindest ein Stock draufkommen können – das können je nach Umgebung natürlich gerne auch zwei, drei sein –, und je nach raum­ordnungsfachlicher Voraussetzung kann es dann zum Beispiel auch Dienstleister­woh­nungen und Ähnliches geben.

Ich glaube, das ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt gerade auch hinsichtlich des Sparens bei der Bodenfläche. Ich darf heute Nachmittag bei der Örok – und wahrscheinlich werden ein paar andere von hier auch dabei sein – sein, wo auch dieser Bereich ein ganz massiver Schwerpunkt ist. Ich glaube, das war ein ganz entscheidender Schritt, den wir da im Land Tirol gegangen sind.

Ein ganz zentraler Bereich, speziell auch bei uns in Tirol, ist der Bereich leistbares Woh­nen, und wir haben dafür eine Sonderkategorie eingeführt, nämlich Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau. Wir achten da sehr genau darauf, dass die Gemeinden in den örtlichen Raumordnungskonzepten darauf schauen, wie es mit Baulandüberhang ausschaut, wie der Bedarf an sozialem Wohnbau ist, und entsprechend muss eine Gemeinde dann nachweisen und ausweisen, wie sie diese Vorbehaltsflächen für den geförderten Wohnbau entsprechend einrichtet.

Ein ganz anderer Bereich, den ich aber auch für ganz entscheidend für die Attraktivität des ländlichen Raumes halte, ist im weitesten Sinn der Bereich Bildung, und da geht es nicht nur darum, dass man die Voraussetzungen in den Gemeinden für die flächen­deckende Kinderbetreuung, den Schulbereich und so weiter natürlich entsprechend unterstützt, sondern wir im Land Tirol haben es auch für sehr wichtig gehalten, Bildungseinrichtungen immer wieder nicht nur in der Landeshauptstadt zu konzentrieren, sondern diese möglichst auch hinaus in die Bezirke zu verteilen: ob das jetzt eine Privatuniversität ist, die nicht in Innsbruck ist, ob das zum Beispiel die Fachhochschule Kufstein ist, der Campus in Lienz – mit leichten Anlaufschwierigkeiten, Frau Bürger­meis­terin, trotzdem meine ich, dass es wichtig war, dass die beiden Universitäten Leopold-Franzens-Universität und die Umit das eingerichtet haben –, sehr gut funktioniert ein Studienlehrgang in Landeck zum Bereich Wirtschaft, Gesundheits- und Sporttourismus: Ich meine, es war wichtig, wirklich auch universitäre Einrichtungen entsprechend hinaus in die Peripherie zu geben – wie ich überhaupt der Meinung bin, dass die seinerzeitige Ausgliederung von Gymnasien, HTLs und so weiter in die Peripherie ein ganz wichtiger, entscheidender Punkt war, um auch dort die Attraktivität zu erhalten.

Lassen Sie mich vielleicht noch zu einem Punkt kommen – ein paar Minuten habe ich noch –, nämlich zur Wohnbauförderung. Wir haben seit Kurzem die Wohnbauförderung dahin gehend umgestellt, dass nach bestimmten Kriterien vorgegangen wird: Je sozu­sagen ländlicher der Raum ist, desto höher ist die entsprechende Wohnbauförderung, die wir ausschütten. Ich glaube, das ist ein Instrument, das wahrscheinlich in mehreren Bundesländern entsprechend angewandt wird, um damit auch einen Anreiz zu setzen, dass die Menschen im ländlichen Raum bleiben. Übrigens haben es auch wir in Tirol erlebt, dass der ländliche Raum momentan aufgrund von Corona wesentlich attraktiver ist als noch vor zwei, drei Jahren. Wie lange der Trend anhält, wird man sehen, aber momentan ist es wirklich so, dass diese Sehnsucht, die heute schon angesprochen wurde, nach Grün deutlich angestiegen ist.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, den ich für einen weichen Faktor halte: Ich glaube, dass es wichtig ist, im ländlichen Raum auch diese typisch ländlichen Struk­turen – Ortskerne und so weiter – entsprechend zu erhalten, damit dieser auch attraktiv ist und dass dieses Lebensgefühl des ländlichen Raums auch entsprechend funktioniert. Wir haben da über die Dorferneuerung, für die ich auch zuständig bin, sehr große Erfolge gehabt, und ich darf ein Instrument erwähnen, das es, glaube ich, nicht in allen Ländern gibt, nämlich das sogenannte Stadt- und Ortsbildschutzgesetz – so heißt es bei uns, kurz SOG.

Das funktioniert folgendermaßen: Wenn in Teilen einiger Gemeinden – zum Beispiel die Altstadt von Innsbruck, die Altstadt von Hall, die Altstadt von Rattenberg, wer es kennt, aber auch den Ortskern von Obertilliach – Häuser umgebaut werden, unterliegt das einem engen Regime nicht nur des Denkmalschutzes und der Dorferneuerung, sondern auch dieses SOG, aber der Bürger, die Bürgerin, der oder die ihr Haus dort zum Beispiel saniert, bekommt die Mehrkosten, die die qualifizierte Restaurierung dort ausmacht, voll ersetzt. 50 Prozent dieser Kosten übernimmt das Land Tirol und die anderen 50 Prozent die jeweilige Standortgemeinde, bei den finanzschwachen Gemeinden verwenden wir sogar einen Schlüssel von 75 zu 25. Das war sehr erfolgreich in den letzten Jahr­zehnten – so lange haben wir das bereits.

Jetzt neu – letztes Jahr habe ich einen Regierungsantrag eingebracht, der wurde mittler­weile im Hohen Tiroler Landtag auch beschlossen – haben wir noch den sogenannten Ensembleschutz dazugenommen. Was versteckt sich dahinter? – Es gibt einige typisch ländliche Ensembles, Weiler, und wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass die zunehmend anfangen, uns wegzusterben – teilweise gibt es niemanden mehr, der dort wohnt, teilweise gibt es bauliche Entwicklungen, die uns nicht so sehr behagen. Da wird auch der ganze Landschaftsbereich entsprechend einbezogen, und dort haben wir auch dieses Fördersystem und Betreuungssystem dahintergesetzt. Wie gesagt, das ist ganz aktuell, seit heuer erstmals in Kraft, man muss aber sagen: Es funktioniert Gott sei Dank wahnsinnig gut.

Eine kurze Bemerkung zum Schluss: Ich habe es schon gesagt, als Gemeindereferent sehe ich jetzt in den letzten Jahren zunehmend, dass wir immer größere Probleme bekommen, speziell die Kinderbetreuung, die Schulen aus dem Gemeinde­ausgleichs­fonds und auch aus Bundesmitteln zu finanzieren. In manchen Bereichen kommen wir jetzt wirklich an Grenzen heran. Ich darf nur sagen, allein bei den Kinderkrippen, den Kindergärten gab es in Tirol in zehn Jahren eine Verzehnfachung der Mittel aus dem Gemeindeausgleichsfonds – irgendwann geht es nicht mehr.

Ich muss da einen ganz dringenden Appell bezüglich des nächsten Finanzausgleichs aussprechen: In diesem Bereich werden wir uns etwas überlegen müssen! Ich denke, in dem Haus hier werden wir nicht darüber diskutieren müssen, dass es wichtig ist, das entsprechend auszubauen – nicht nur im ländlichen Raum, sondern generell –, aber die Finanzierung ist mittlerweile eine Herausforderung, bei der wir schon an Grenzen stoßen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das waren einige wenige Punkte, die uns im Land Tirol beschäftigen. Ich könnte noch lange und auch sehr vertieft darüber reden – wenn Sie etwas interessiert, bitte ich, sich bei mir zu melden; wenn sich jemand etwas von den Punkten, die ich angesprochen habe, anschauen möchte, stehen wir gerne auch für Auskünfte und für Besuche zur Verfügung.

Ich darf, Herr Präsident, der Enquete weiterhin einen guten Verlauf wünschen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall.)

10.46


Vorsitzender Vizepräsident Günther Novak|: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Landesrat Tratter.

Weiters darf ich Herrn Landesrat Ludwig Schleritzko um seinen Beitrag zum Thema „Die Regionen gezielt stärken – Initiativen des Landes NÖ“ ersuchen. – Bitte, Herr Landesrat.

 


10.46.45

Dipl.-Ing. Ludwig Schleritzko (Mitglied der Niederösterreichischen Landesregierung, ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Peter! Recht herzlichen Dank für die Ein­ladung heute hierher! Als niederösterreichischer Landesrat für Finanzen und Mobilität ist es mir eine große Ehre, zu diesem Plenum sprechen zu dürfen.

Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Geschätzte Mitglieder des Nationalrates! Sehr geehrte Expertinnen und Experten! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vergan­gene Woche verbrachte ich einige Tage mit einer Delegation aus Niederösterreich in Hamburg. Wir waren dabei unter anderem zu Gast beim ITS-Weltkongress, dem größten Kongress für intelligente Transportsysteme und -services, sozusagen der Zukunfts­messe für Mobilität. Dort, wo sich Digitalisierung und Mobilität die Hand reichten, konnten wir zahlreiche Eindrücke über Innovationen gewinnen und natürlich auch Good-Practice-Beispiele erleben.

Wir konnten sehen, dass wir in Niederösterreich mit unseren Ausbauplänen im Bereich der E-Busse, der Förderung von aktiver Mobilität – also dem Radfahren und Zufuß­gehen – und weiterer Ideen, die gerade im Verkehrsverbund Ost-Region entwickelt und umgesetzt werden, am richtigen, am guten Weg sind. Eines aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, war auch sehr deutlich zu sehen: Der Fokus dieses Kongresses und in Wahrheit aller größeren Kongresse und Konferenzen darüber hinaus lag und liegt in meiner Wahrnehmung auf den Millionenmetropolen dieser Welt. Der ländliche Raum spielt und spielte dort vielfach keine Rolle in den getätigten Überlegungen.

Ich bin daher dem Bundesrat sehr dankbar, dass sich diese heutige Enquete mit dem ländlichen Raum und der Wertschätzung, die dieser verdient, beschäftigt, denn auch wenn sich Konferenzen und die mediale Berichterstattung oft um Metropolen wie Hamburg, Paris oder Wien drehen, so haben wir in unserer täglichen Arbeit mit Heraus­forderungen in Städten in der Größe von St. Pölten bis Hall in Tirol oder in kleinen Gemeinden wie Meiseldorf oder Sankt Marein bei Graz zu tun. Und ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin persönlich zutiefst davon überzeugt, dass Prob­leme, Wünsche und Anliegen dort die gleiche Wertschätzung, die gleiche Aufmerk­samkeit verdienen, wie jene in Wien, in Graz oder in Linz.

Geschätzte Damen und Herren! Wir in Niederösterreich gehen genau diesen Weg: Wir machen die Anliegen, die Wünsche und Sorgen unserer Landsleute zu den wichtigsten Aufgaben unserer Landespolitik und dabei vor allem keinen Unterschied zwischen Stadt und Land. Unser wichtigstes Thema ist und bleibt dabei Arbeit. Was meine ich damit? – Wir unterstützen Unternehmerinnen und Unternehmer, wir unterstützen Arbeit­nehme­rinnen und Arbeitnehmer dabei, Arbeitsplätze zu sichern, neue Arbeitsplätze zu schaffen und eben auch Arbeit zu finden.

Schon in der Vergangenheit gab es etwa mit den 18 regionalen Wirtschaftsparks unserer Wirtschaftsagentur Ecoplus ein klares Bekenntnis zur regionalen Strukturstärkung. Heute sind dort 1 100 nationale und internationale Unternehmen mit rund 23 820 Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern aktiv.

Während der Coronakrise haben wir darüber hinaus ein Konjunkturprogramm vorgelegt, das zuallererst die Stärkung der regionalen Wirtschaft in den Mittelpunkt stellt. Es geht dabei um die Förderung von Innovationen in der Region, es geht um Investitionen vor allem auch in die Tourismuswirtschaft sowie um den Breitbandausbau in ganz Nieder­österreich. Ich darf für uns in Anspruch nehmen: Wir haben unsere an uns selbst gestellten Aufgaben wohl nicht schlecht gelöst. Mit 3 021 weniger Arbeitslosen im Zweijahresvergleich vermeldet Niederösterreich den absolut höchsten Rückgang der Arbeitslosigkeit aller Bundesländer. Wir sprechen von einer Arbeitslosenquote von 6,6 Prozent, die damit fast so niedrig ist wie zuletzt vor neun Jahren.

Im Blick auf die Regionen sehen wir – und das ist besonders interessant –, dass der ländliche Raum sogar noch besser dasteht, denn die Situation im Mostviertel und im Waldviertel entspannte sich vergleichsweise am schnellsten. Die Arbeitslosigkeit im Waldviertel und im Mostviertel ging im Jahresvergleich jeweils um rund 28 Prozent zurück. Nicht nur deshalb spüren in dieser Zeit immer mehr Menschen, dass es gut ist, in Niederösterreich zu sein, dass es gut ist, in Niederösterreich zu leben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Niederösterreich hat es in den letzten Jahren ge­schafft, Wertschöpfung und Wirtschaftskraft nicht nur in wenigen Zentren zu haben, sondern über das ganze Land hinweg zu verteilen. Eine der Grundlagen für diese Entwicklung war laut Wirtschaftsforschern des Economica-Instituts die gute verkehrliche Anbindung aller Landesteile, speziell was die Anbindung an das und im Straßennetz betrifft. Das Thema Mobilität und die Entscheidung darüber, wie wir in Zukunft und auch jetzt schon von A nach B kommen, werden daher auch entscheidend für den wirt­schaft­lichen Erfolg sein. Dabei blicken wir zum einen auf den Personenverkehr, zum anderen natürlich auch auf den Warenverkehr, und – Frau Bundesministerin Gewessler hat es ausgeführt – ja, es ist gut und richtig, dass öffentlicher Verkehr billiger geworden ist beziehungsweise mit dem 25. Oktober noch billiger wird, aber nein, das kann aus unserer Sicht nicht alles gewesen sein. Wir brauchen nicht nur billigeren, sondern auch besseren und vor allem auch bequemeren öffentlichen Verkehr und damit mehr Infrastruktur und mehr Angebote.

Denn: Wer nur auf den Preis von Öffitickets schaut, blickt nicht über den Tellerrand des Wiener Gürtels hinaus. Wer billige Tickets ermöglicht und Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr motivieren will, muss sich auch genau darauf vorbereiten und sowohl neue Angebote besonders auch für die ländlichen Regionen auf Schiene und Straße bringen als auch zusätzliche Angebote für die städtischen Räume bieten, aber auch noch rascher in das bestehende Verkehrsnetz investieren und auch neue Verbindungen ermöglichen.

Aktuell haben wir gemeinsam mit dem Bund, mit dem zuständigen Ministerium eine Steigerung der Bahnangebote in Niederösterreich um 25 Prozent für das laufende Jahrzehnt angepeilt. Im Bereich des Busverkehrs sprechen wir von 30 Prozent Steige­rung zwischen 2020 und 2029. All diese Pläne wurden aber noch ohne dieses Billigticket erstellt. Was wir also brauchen, sind planerische und auch finanzielle Flexibilität und Nach­besserungen, wo es notwendig ist, sonst bleibt für den ländlichen Raum nur die Fahrkarte aufs Abstellgleis.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines muss abseits dessen aber auch ganz klar sein: Wenn wir über ein Flächenbundesland wie Niederösterreich sprechen, dann wird es auch in Zukunft nicht ohne das Auto, ohne den Lkw gehen. Die Frage ist nur, welche Arten von Fahrzeugen unterwegs sein werden und wo diese Fahrzeuge unterwegs sein werden. Wenn wir einen Blick in den Osten Niederösterreichs werfen, dann sehen wir eine Region, nämlich das Marchfeld, wo schon jetzt aufgrund fehlender höchstrangiger Straßeninfrastruktur in Form der S 8 Marchfeld-Schnellstraße keine Betriebsansiedelungen mehr durchgeführt werden können. Hier werden Menschen zu Pendlerinnen und Pendlern gemacht, anstatt dass regionale Wertschöpfung und Ent­wick­lung ermöglicht wird. Statt einer Verkehrsader sehen wir verstopfte Landes- und Gemeindestraßen, auf denen sich bis zu 35 000 Autos pro Tag stauen, durch die be­troffenen Gemeinden stauen und natürlich dementsprechend die dortige Bevölkerung belasten. Es braucht daher gerade im Blick auf die ländlichen Regionen einen realis­tischen Zugang zu Personen- und Warenverkehr, eben einen breiteren Fokus – wie von mir schon angesprochen – als den auf die Metropolen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Neben den von mir angesprochenen Punkten Arbeit und Wirtschaft sowie Mobilität sind zwei weitere Schwerpunkte unserer Arbeit im Land Niederösterreich die Themenbereiche Familie und Gesundheit. Auch sie sind entschei­dende Faktoren, wenn es darum geht, ob der ländliche Raum lebenswert und ein attraktiver Lebensmittelpunkt bleibt und hoffentlich für viele Menschen auch wird. Ge­rade im Bereich der Familien machen wir uns daher auf, neue Angebote zu schaffen, die die Wahlfreiheit der Eltern stärken. Wir machen das dort, wo entsprechender Bedarf besteht, und in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden in meinem Heimatbundes­land.

Sehr geehrte Damen und Herren! Unser blaugelbes Familienpaket sieht dabei bis Ende 2022 die Errichtung von 3 000 zusätzlichen Betreuungsplätzen im Bereich der Kleinkind­betreuung vor. Diese kommen zu den bereits bestehenden 316 Tagesbetreuungsein­richtun­gen dazu, in denen knapp 5 600 Kinder betreut werden.

Unser Anspruch geht aber auch darüber weit hinaus. Um für die ländlichen Regionen zu werben, brauchen wir nicht nur die Gewissheit, passende Betreuungsangebote für unsere Kinder zu finden, wir brauchen darüber hinaus auch Sicherheit, die beste Ge­sundheitsversorgung von Geburt bis ins hohe Alter vorzufinden. Genau das konnten wir nicht zuletzt durch die Errichtung und die Einrichtung der NÖ Landesgesundheits­agentur, unter deren Dach alle 50 Landespflege-, Landesbetreuungs- und -förderzentren sowie die 27 Landeskliniken zusammengefasst sind, erreichen. Wir haben damit in allen Regionen Niederösterreichs die Weichen für den Erhalt von spitzenmedizinischer Versorgung gestellt.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn es um die Politik in Niederösterreich geht, dann beschreibt kein anderes Wort unseren Zugang so gut wie das Wort miteinander. Deshalb gestalten wir jetzt, nach mehr als einem Jahr von enormen Herausforderungen, die Zeit, die vor uns liegt. Wir nehmen die Erarbeitung unserer neuen Landesstrategie parteiüber­greifend in Angriff und wollen dabei wichtige Fragen klären: Wovon leben wir morgen? Wie leben wir morgen? Worauf achten wir morgen? Wie wollen wir uns morgen organi­sieren? Und wer wollen wir in Zukunft, und damit morgen, sein? Eines, sehr geehrte Damen und Herren, ist aber jetzt schon klar: Niederösterreich wird ein Land bleiben, in dem miteinander gearbeitet wird, in dem es um Land und Leute geht, so wie in allen Bundesländern Österreichs. Das gilt nicht nur für die Zusammenarbeit in der Landes­regierung, sondern natürlich auch über Parteigrenzen hinweg, und das gilt natürlich ganz besonders für das Verhältnis zwischen Stadt und Land.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf mich nochmals sehr herzlich für die Einladung zu der heute hier stattfindenden Enquete bedanken, und ich wünsche der Enquete einen guten weiteren Verlauf. Bleiben Sie gesund! – Danke sehr. (Beifall.)

10.58


Vorsitzender Vizepräsident Günther Novak|: Vielen Dank für die Ausführungen, Herr Landesrat.

Ich darf nun Herrn Dr. Johannes Kopf um seinen Beitrag zum Thema „Der Arbeitsmarkt nach Corona. Was ändert sich?“ bitten. – Bitte, Herr Doktor.

 


10.58.53

Dr. Johannes Kopf, L.L.M (Arbeitsmarktservice)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates und des Nationalrates! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Landesrat! Vielen Dank für die Einladung. Ich möchte vorweg ein bisschen über die Arbeitsmarktsituation erzählen, weil sie so ungewöhnlich ist. Wir alle haben erlebt, wie Mitte März – am 13. März war es bei mir – der Lockdown ab dem 16. März verkündet wurde. Wir alle haben erlebt, in welch schwieriger Situation sich unsere Wirtschaft be­fand. Wir beim AMS haben erlebt, dass in 14 Kalendertagen, die für meine Kolleginnen und Kollegen gleichzeitig auch Arbeitstage waren, die Arbeitslosigkeit bis Ende März und in den April hinein um mehr als 200 000 gestiegen ist und gleichzeitig eine neue Kurzarbeit noch viel Schlimmeres verhindert hat.

Die Zahl der Arbeitslosen wäre im vergangenen Jahr im April wahrscheinlich über einer Million gelegen, hätte es die Kurzarbeit nicht gegeben. 1,3 Millionen Beschäftigte waren zum Zeitpunkt des Höchststandes zur Kurzarbeit angemeldet. Rechnet man sich die Ausfallsstunden aus und diese auf die Normalarbeitszeit dieser Menschen um, dann ist davon auszugehen, dass die Zahl der Arbeitslosen sicher auf deutlich über eine Million gestiegen wäre.

Irgendwie haben wir im vergangenen Jahr dann gelernt, mit dem Wahnsinn zu leben. Auch die Wirtschaft und die Menschen in diesem Land haben sich damit arrangiert. Das soll heißen, dass die Arbeitslosigkeit nie höher war als Ende April 2020. Die Arbeits­losigkeit war natürlich viel, viel höher als vor Corona, aber die Wirtschaft hat sich weiter­entwickelt, es gab ja praktisch kein Gasthaus, das nicht plötzlich Take-away oder Delivery hatte, es wurde Click and Collect entwickelt, es gab zusätzliche Beschäftigung in den Testzentren und so weiter.

Das alles hat dazu geführt, dass wir erlebt haben, dass die Arbeitslosigkeit im vergan­genen Jahr dann nicht mehr so stark gestiegen ist und zum Tiefstand im Oktober nur mehr wobei auch das absurde Zahlen sind  um 70 000 über dem Niveau vor Corona war. Nach dem zweiten, dritten Lockdown waren es wieder über 100 000, das Jahr 2021 haben wir mit 110 000 mehr arbeitslosen Menschen, als es vor Corona gegeben hat, begonnen. Dann kam die Impfung, sie hat für uns alle plötzlich so viel wieder möglich gemacht. Wir haben eine Situation beobachtet, die, ich würde sagen, mindestens ge­nauso ungewöhnlich, aber viel erfreulicher ist als die Entwicklung der Arbeitslosig­keit 2020, und zwar die Entwicklung der Arbeitslosigkeit 2021.

Das Wifo hat noch im Mai auf die Frage, wann wir denn wieder Arbeitslosenzahlen sehen werden, die auf dem Niveau wie vor Corona sind, gesagt, wahrscheinlich 2025. Ich war damals schon mutiger und habe gesagt, es könnte 2023 sein. Es war im Septem­ber 2021!

Wir haben das heurige Jahr mit einem Plus von 110 000 arbeitslosen Personen begon­nen. Vor gerade einmal 14 Tagen hat sich die Regierung sehr gefreut, und auch wir im AMS haben uns sehr darüber gefreut, dass wir das Niveau von 2019 erreicht hatten, heute liegen wir 8 000 darunter, das ist in den letzten zwei Wochen passiert. Es gibt eine enorme Dynamik am Arbeitsmarkt, sie ist vergleichbar mit entschuldigen Sie den animalischen Vergleich  Hunden, die man in der Wohnung eingesperrt hat und plötzlich in den Garten lässt. Warum hat das niemand richtig prognostiziert? – Weil wir alle eine solche Situation noch nie erlebt haben. Wir haben noch nie erlebt, was mit einer Wirtschaft und einem Markt passiert, wenn per Gesetz Produzieren und Dienstleistungs­erbringen verboten wird, obwohl die Güter an sich nachgefragt wären und wir die Dienst­leistungen konsumieren wollten  wir wollten ja Essen gehen, wir wollten auf Urlaub fahren, es war nur nicht möglich –, und dann plötzlich wieder so viel möglich ist.

Das heißt, wir haben eine Zeit erlebt, in der wir in wenigen Monaten von Massenarbeits­losigkeit zu Arbeitskräftemangel gerutscht sind, das ist schon ausgesprochen unge­wöhnlich. Es ist sehr erfreulich, bringt aber andere Herausforderungen mit sich. Wir hören jetzt von so vielen Unternehmen, dass sie nicht nur unter Fachkräftemangel leiden, sondern teilweise auch unter Arbeitskräftemangel. Das ist eine enorme Entwick­lung in sehr, sehr kurzer Zeit. Wir erleben das im AMS vor allem durch die Entwicklung der offenen Stellen, wir haben fast 120 000 offene Stellen, wir hatten nie mehr als 80 000. Jetzt könnte man sagen: Um Gottes willen, das ist ja ein Zeichen dafür, dass keine Stellen besetzt werden. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Wir haben jetzt das dritte Monat in Folge 40 000 Stellen pro Monat besetzt. Trotzdem steigt die Zahl der unbe­setzten Stellen noch, weil noch mehr Angebote kommen, also das ist wirklich eine enorme Dynamik.

Diese Entwicklung prägt den Arbeitsmarkt nach Corona. Das Wifo sagt uns für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 4,8 Prozent voraus. An ein solches Wirtschaftswachstum kann ich mich nicht erinnern! Ende der Siebzigerjahre gab es ein solches Wirtschaftswachstum, und das ist auch interessant  mit gar nicht so einem hohen Anstieg des Arbeitskräfteangebots, wie es bei einem solchen Wirtschaftswachs­tum zu erwarten wäre.

Das heißt, die Arbeitslosigkeit geht großartig zurück, die Anzahl der Stellen steigt, und, auch das ist für uns ein neuer Effekt, überraschenderweise geht sogar die Langzeitar­beits­losigkeit stark zurück. Das haben wir bisher nie erwartet, normalerweise bleibt im Aufschwung leider der Sockel der Langzeitarbeitslosigkeit hoch, jetzt ist das Wachstum gut damit verbunden. Da muss ich auch sagen: Danke an das Parlament, an die Regierung für ein großzügiges Budget beim AMS. Dank großzügiger Lohnförderungen ist es möglich, auch langzeitarbeitslose Personen in den Markt zu bringen, von denen meine Kolleginnen und Kollegen, ich höre das jetzt in diesen Tagen immer wieder, nicht mehr geglaubt hätten, dass die wieder  oder jedenfalls nicht bald  anfangen werden zu arbeiten.

So, es gibt sehr positive Entwicklungen, das ist das Ausgangsgebiet. Der Titel meines Referats ist die Frage, ob es ein dauerhafter Trend ist, Arbeit zu dezentralisieren. Ganz ehrlich: im Großen nein. Wir sehen eine Zentralisierung und keine Dezentralisierung, aber es gibt schon Dinge, die diesen Verlauf jetzt bremsen, das sind kleinere Dinge: Wir entwickeln uns Richtung Wissensgesellschaft, moderne Unternehmensführungen ver­stehen, dass nicht mehr sozusagen das Hirn in der Zentrale sein muss. Im Gegenteil: Große Zentralen kommen zunehmend unter Rechtfertigungsdruck, warum es so einen riesen Overhead gibt, warum die nicht produktiv sind und so weiter. Man beginnt zu erkennen, dass Know-how auch in flacheren Hierarchien, in im hierarchischen Bau weiter unten gelegenen, in regionalen Einrichtungen vorhanden ist, und beginnt in dem Sinne auch eine Dezentralisierung in großen Unternehmenseinrichtungen. Das ist das eine.

Der zweite Punkt: Wir haben erlebt, dass die Telearbeit in einem Umfang gekommen ist, wie wir es nie erwartet hätten. 71 Prozent aller österreichischen Betriebe und 39 Prozent aller Beschäftigten haben während Corona Telearbeit gemacht. 39 Prozent ist viel, trotz­dem dürfen wir nicht vergessen, dass es einen größeren Anteil von Menschen gibt, die nicht telearbeiten konnten. Ich möchte schon die These in den Raum stellen: Viel mehr Telearbeit als das, was wir während Corona erlebt haben, werden wir wohl nicht mehr sehen, sollte nicht  Gott behüte!  noch so etwas kommen.

Da bleibt jetzt Telearbeit zurück. Es gibt eine Studie, Minister Kocher hat sie präsentiert, die zeigt, dass die Erfahrungen der Unternehmen mit Telearbeit gut waren. Es gelten in diesen Tagen interessanterweise viele Unternehmensverantwortliche als ziemlich un­modern, weil sie die Telearbeit wieder auf ein Maß von einem oder zwei Tagen pro Woche zurückführen wollen. Das gilt schon als ziemlich unmodern, da ja auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Vorteile der Telearbeit wirklich zu schätzen gelernt haben. Ein wesentlicher Vorteil ist eben, dass der Anfahrtsweg wegfällt.

Ich glaube, dass die Telearbeit, die uns in einem Umfang von ein bis zwei Tagen pro Woche bleiben wird, vor allem den Stadtrand, den suburbanen Raum stärken wird. Sie wird nicht die kleinen Regionen massiv stärken, aber sie wird die Attraktivität des Woh­nens am Stadtrand im Grünen massiv stärken. Das ist der Punkt, der uns sicher bleibt.

Landesrat Schleritzko hat gefragt: Wer wollen wir morgen sein? So philosophisch kann ich nicht antworten, aber zu der Frage, wie der Arbeitsmarkt von morgen ausschauen wird, gibt es große Trends, die eigentlich klar erkennbar sind, und da können wir sagen: Der Arbeitsmarkt von morgen wird flexibler, internationaler. Auch da erleben wir Dinge, die wir so nicht geglaubt haben. Ich nenne jetzt nur ein kurioses Beispiel von mir selbst: Ich wurde für einen Podcast interviewt, das Tonstudio war in Berlin, der Mann, mit dem ich gesprochen habe, saß in den Niederlanden, der Auftrag kam aus Brüssel und der Moderator war im Homeoffice in London. Kurios, was eigentlich seit Jahren möglich ist, aber plötzlich auch passiert.

Der Arbeitsmarkt wird digitaler also wenn es irgendetwas Gutes an Corona gibt, dann ist es das, dass wir einen Digitalisierungsschub erlebt haben, sonst finde ich nicht sehr viel Gutes an Corona  und er wird notwendigerweise, auch oder vor allem durch die Bemühungen der Politik, zunehmend ökologischer werden. Da ist eine reduzierte Fahr­zeit sicher auch ein Thema, das relevant ist. Ich möchte aber betreffend ländlicher Raum und das Thema Arbeit dezentralisieren eigentlich an Sie als Landesvertreter appellieren. Ich glaube, wir werden uns daran gewöhnen, dass Arbeitskräfte fehlen und vor allem Fachkräfte fehlen. Das hat auch mit der demografischen Entwicklung zu tun und das wird nicht wieder weggehen. Ich glaube, da brauchen wir etwas, das sich in Deutschland bereits entwickelt und das es bei uns eigentlich noch nicht oder erst minimal in Ansätzen gibt, und das ist der Wettbewerb der Regionen um Arbeitskräfte.

Regionen müssen sich, so wie sie sich im Tourismus darum bemühen, dass Leute kommen, auch um Arbeitskräfte bemühen. Da geht es um sehr, sehr viele Themen. Da geht es um das Thema Wohnen  es gibt Regionen, da gibt es nur Wohnen im Eigentum, aber es gibt fast keine Mietwohnungen; für Arbeitskräfte, die überlegen, einen Job zu machen, sind aber Mietwohnungen notwendig –, es geht um regionalen Verkehr, es geht um Kinderbetreuung. Kinderbetreuung ist am Land generell ein Thema, sie ist ten­denziell in einem deutlich geringeren Ausmaß verfügbar als in der Stadt, vor allem in der Betreuung von Kleinkindern im Alter zwischen ein und drei Jahren. Ein Fünftel der Kindergärten, das betrifft die Drei- bis Sechsjährigen, sperren aber immer noch vor 14 Uhr zu. Das sind Arbeitskräfte, die wir nicht nützen, Produktivität, die wir verlieren. Wir brauchen flächendeckend Ganztageskinderbetreuungsangebote, das ist ein ent­scheidendes Kriterium, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Das Nächste ist Wahlfreiheit: Damit es wirklich Wahlfreiheit für die Familien, für die Frauen gibt, brauchen wir dieses Angebot. Von manchen Bürgermeistern hört man das Argument, sie haben es nach drei Monaten in denen sie probiert hatten, am Nach­mittag aufzusperren wieder gelassen, da nur zwei Kinder da waren. Dieser Markt funk­tioniert so, dass man Nachfrage hat, wenn man jahrelang ein Angebot schafft. Erst dann, wenn diese Möglichkeit auch vorhanden ist, stellen sich Familien um. Das ist ein großes Thema.

Dann gibt es noch das Thema der Kinderbetreuung für zuziehende Arbeitskräfte. Es braucht so etwas wie eine ich sage jetzt Touristeninfo für zuziehende Arbeitskräfte. Da geht es um die Fragen: Was arbeitet der Mann? Was arbeitet die Frau? Gerade wenn man in einer Region neu ist, geht es um Fragen wie: Wohin gehen die Kinder? Welche Schulen, welche Angebote gibt es? Wo findet man eine Wohnung? Welche sozialen Angebote gibt es? Kann man beim Fußballverein mitmachen?

In Deutschland gibt es bereits solche Entwicklungen, die werden es schaffen, dass große Unternehmen in den ländlichen Regionen, die jetzt unter einem massivem Mangel an Arbeitskräften leiden, Arbeitskräfte finden und auch halten können. Das, glaube ich, braucht es, da müssen wir uns besser aufstellen. Unser Nachbarland ist in der Suche nach Arbeitskräften stärker als wir. Ich möchte ein Beispiel nennen: Deutschland hat mehrere Staatsverträge mit chinesischen Regionen. Die bilden in China Lehrlinge bei deutschen Autobauern BMW, Mercedes, Audi  nach deutscher Ausbildungsordnung aus, sie haben dort Berufsschulen mit bis zu 12 000 Schülern, die während ihrer ge­samten Lehre Deutschunterricht haben. Nach drei Jahren sind die nach deutscher Aus­bildungsordnung ausgebildet, haben in China bei den deutschen Autobauern gelernt und sind wunderbare Arbeitskräfte, die dann später nach Deutschland übersiedeln können.

Da werden wir wohl nicht mitkommen, so klotzen werden wir nicht können. Wir haben das Glück, dass sehr, sehr viele Arbeitskräfte – auch Deutsche  aus dem EU-Raum zu uns kommen. Die Anzahl der Deutschen in Österreich hat sich innerhalb der letzten 15 Jahre verdoppelt. Viele kommen zum Studieren nach Österreich, verlieben sich dann in uns  wen wundert’s?  und bleiben dann, aber unsere Fachkräftezuwanderung erfolgt vor allem aus der EU.

Das sind die Dinge, die wir aus meiner Sicht tun müssen, um Arbeitskräfte zu finden. Wenn uns das gelingt, können wir die klare Zentralisierung, die alle industrialisierten Gesellschaften erleben, aufhalten, bremsen und möglicherweise da und dort kleinere Regionen stärken. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall.)

11.12


Vorsitzender Vizepräsident Günther Novak|: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Dr. Kopf.

Weiters darf ich Frau Dr. Vera Glassner um ihren Beitrag zum Thema „Frauen und Familien im Fokus“ ersuchen. – Bitte, Frau Dr. Glassner.

 


11.12.50

Dr. Vera Glassner (Arbeiterkammer Wien)|: Vielen herzlichen Dank für die Einladung zu dieser Enquete. Ich begrüße Sie alle recht herzlich, meine Damen und Herren! Ich möchte in meinem Input Schlaglichter auf den ländlichen Raum aus frauen- und familien­politischer Perspektive werfen. Ich verweise Sie auch auf die Unterlagen und auf die Grafiken in der Unterlagenmappe. Auch ich bin eine Rednerin, die sich gerne auf Powerpoint-Präsentationen verlässt. Das ist heute nicht möglich, ich hoffe, es ist trotz­dem alles nachvollziehbar.

Der ländliche Raum ist ein sehr, sehr lebenswerter Sozialraum. Wir haben viel dazu gehört, ich möchte aber auf das Phänomen der Abwanderung von Frauen aus dem ländlichen Raum – ein Phänomen, das heute noch gar nicht so zur Sprache gekommen ist – hinweisen.

Es verlassen insbesondere junge Frauen den ländlichen Raum, damit verliert der länd­liche Raum aber an Lebendigkeit, es gehen Fachkräfte verloren  wir haben es vorher gehört –, Familien werden dann anderswo gegründet, es fehlen die Kinder, in weiterer Folge müssen dann die Schulen schließen, was wiederum dazu führt, dass junge Fami­lien den ländlichen Raum verlassen, das hat negative Auswirkungen auf die wirtschaft­liche Dynamik. So kommt es zu einem Kreislauf, der sich in negativer Art und Weise selbst verstärkt. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, braucht es politische Maßnah­men.

Ich möchte eben vor diesem Hintergrund der Abwanderung von weiblichen Personen aus dem ländlichen Raum drei Punkte erwähnen: Wenn man die Frauen fragt, warum sie den ländlichen Raum verlassen, wird als Grund ganz oft Ausbildung genannt, sie gehen also zu Ausbildungszwecken in die größeren Städte. Frauen sehen einge­schränkte Erwerbs- und Berufsmöglichkeiten, es sind aber auch persönliche Motive, wie beispielsweise einengende Lebensverhältnisse oder Geschlechterrollen, oder auch die Erwartung, in städtischen Gebieten bessere soziale Infrastrukturen vorzufinden.

Der erste Punkt, den ich machen möchte, betrifft den Arbeitsmarkt und die Beschäfti­gungs­chancen: In Österreich ist die geschlechtsspezifische Arbeitsmarktsegmentation im europäischen Vergleich stark ausgeprägt. Das bedeutet, dass sich die Beschäftigung von Männern und Frauen auf unterschiedliche und wenige Branchen konzentriert. In Österreich arbeitet der Großteil der Frauen im Handel oder im Gesundheits- und Sozial­wesen, das sind Bereiche mit unterdurchschnittlicher Bezahlung, während ein großer Teil der Männer in der Sachgüterproduktion oder in technischen Berufen, die überdurch­schnittlich entlohnt sind, arbeitet.

Im ländlichen Raum konzentriert sich die Frauen- und Männerbeschäftigung noch stär­ker auf noch weniger Branchen  Sie sehen das in den Abbildungen. Wenn man sich die Arbeitsmarktsegmentation nach Besiedelungsdichte ansieht, sieht man, dass die zwei am stärksten besetzen Beschäftigungsbranchen nämlich Handel und Gesundheits- und Sozialwesen  in den Gebieten mit mittlerer und niedriger Besiedelungsdichte noch stärker besetzt sind, sich also die Beschäftigung da noch stärker konzentriert. In den Gebieten mit niedriger Besiedelungsdichte kommt noch der Sektor Beherbergung und Gastronomie als wichtige Beschäftigungsbranche bei den Frauen dazu.

Wenn man sich diese Segmentation bei den Männern anschaut, sieht man ein noch deutlicheres Stadt-Land-Gefälle. Man sieht, dass die Industrie/Produktion mit Abstand die größte Beschäftigungsbranche ist, insbesondere in Gebieten mit mittlerer und nied­riger Besiedelungsdichte. Also man sieht auch ganz gut, dass sich im städtischen Raum die Beschäftigung auf viel mehr verschiedene Branchen, auch auf Dienstleistungs­branchen verteilt, Bauwirtschaft ist im ländlichen Raum noch wichtig und die Land- und Forstwirtschaft kommt als viertwichtigste Branche erst in den Gebieten mit niedriger Besiedelungsdichte dazu. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Warum erwähne ich das? – Ich erwähne es deshalb, weil es auch ein Auftrag war, auf die Auswirkungen der Coronapandemie zu schauen. Diese Auswirkungen, die Arbeits­marktauswirkungen der Pandemie, waren für Männer und für Frauen unterschiedlich. Wir haben gesehen, dass durch die wiederholten Lockdowns Frauen stärker betroffen waren  es waren vor allem Dienstleistungsbranchen, es war der Tourismus betroffen , während Männer in der Tendenz eher von saisonalen Effekten betroffen waren.

Man sieht das sehr gut aufbereitet in dieser Grafik zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Da wird die Arbeitslosigkeit im Februar dieses Jahres, also sozusagen am Höhepunkt der Krise dieses Jahres, mit jener im Vorjahresmonat verglichen. Man sieht dabei ganz stark ein Ost-West-Gefälle, und dieses Ost-West-Gefälle ist bei den Frauen noch einmal stärker ausgeprägt. Also bei den westlichen  vom Wintertourismus stark abhängigen  Bundesländern sieht man, dass sich die Arbeitslosigkeit bei den Frauen verdoppelt, verdreifacht hat oder noch stärker angestiegen ist. Eine Ursache dafür ist diese starke Arbeitsmarktsegmentation, die einerseits die Beschäftigungschancen und die Verdienst­möglichkeiten insbesondere von Frauen einschränkt, andererseits aber auch mit einer Krisenanfälligkeit verbunden ist, wie uns das jetzt die Coronakrise vor Augen geführt hat.

Johannes Kopf hat es erwähnt: Seither hat sich der Arbeitsmarkt glücklicherweise gut entwickelt. Die Arbeitslosenquoten sind aber seit Frühjahr dieses Jahres bei den Frauen höher als bei den Männern und die Arbeitslosigkeit geht bei den Frauen auch langsamer zurück. Ein anderer wichtiger Arbeitsmarktfaktor, den ich erwähnen möchte, ist die hohe Teilzeitquote bei den Frauen. Das ist ein Spezifikum in Österreich, fast jede zweite erwerbstätige Frau arbeitet in Teilzeit, das ist der zweithöchste Wert in der EU. Bei den Männern sind es nicht einmal 10 Prozent, die in Teilzeit arbeiten. Dieser Trend ist unterschieden nach Besiedelungsdichte, er ist in den ländlichen Gebieten nochmals stärker ausgeprägt.

Wir wissen es: Der wichtigste Grund für Teilzeitarbeit bei Frauen sind Verpflichtungen  Betreuungsverpflichtungen, Kinderbetreuungsverpflichtungen und die Pflege von Angehörigen.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich ansprechen möchte – die Motive für Teilzeitarbeit bei Frauen führen mich da schon hin –, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die hohe Teilzeitquote von Frauen: Warum erwähne ich sie? Warum ist sie in bestimmter Hinsicht problematisch? – Einerseits hat man natürlich weniger verfügbares Einkommen für die Haushalte, für die Familien, man hat sofort Verluste hinsichtlich der Lohn- und Einkommensteuern, längerfristig dann natürlich deutlich geringere Pensionen von Frauen. Frauen haben im Durchschnitt eine um rund 40 Prozent geringere Pension als Männer. Auch da sind dann wieder öffentliche Mittel notwendig, um dieses Ungleichgewicht aus­zugleichen.

Ein wichtiger Faktor – wir haben es im vorhergehenden Referat gehört und auch andere Vorredner haben es heute gesagt – ist die Kinderbetreuung. Sie ist ein sehr, sehr wichtiges Instrument für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn man sich die Kinderbetreuungsquoten in Österreich anschaut, sind sie je nach Alter unterschiedlich.

Bei den null- bis zweijährigen Kindern haben nur zwei Bundesländer, nämlich Wien und das Burgenland, das EU-Ziel, das sogenannte Barcelona-Ziel, von einem Drittel der Kinder der Altersgruppe, die in Elementarbildungseinrichtungen betreut werden, erreicht. In den restlichen Bundesländern liegt die Betreuungsquote darunter. Auch da gibt es wieder Unterschiede, wenn man nach Besiedelungsdichte unterscheidet: In den länd­lichen Gebieten ist die Betreuung der jungen Kinder, also der null- bis zweijährigen Kinder, noch geringer und liegt bei unter 20 Prozent. Es ist jedoch ein Aufwärtstrend beobachtbar, es ist in den letzten zehn Jahren auch viel investiert worden. Bei den drei- bis fünfjährigen Kindern schaut es besser aus. Da ist in den meisten Bundesländern das europäische Ziel von 90 Prozent der Kinder in der Altersgruppe drei bis fünf in elemen­tarpädagogischen Einrichtungen erreicht.

Andere wichtige Indikatoren, die angesprochen wurden, sind aber auch die Öffnungs­zeiten der Kindergärten und die Qualität der Kindergärten – beispielsweise ob die Öffnungszeiten eine Vollberufstätigkeit beider Elternteile erlauben: Das fällt unter den Punkt Wahlfreiheit für die Eltern. Die Eltern sollten also die Möglichkeit haben, ihr Arbeitskräfteangebot auszuweiten – durch die sogenannte VIF-konforme Betreuung: Das sind ganzjährig und ganztägig geöffnete Kindergartenplätze, auch das sehen Sie in der Grafik. Da sieht man auch ganz starke Unterschiede zwischen den Bundesländern. In Wien sind beispielsweise die große Mehrheit – 90 Prozent der Kinder – in VIF-kon­formen, also ganztägig geöffneten Betreuungsplätzen. In der Mehrheit der Bundesländer sind es nur ungefähr die Hälfte der Kinder oder der Familien, denen solche Plätze zur Verfügung stehen. Auch da ist in den letzten Jahren viel passiert, es ist ein Ausbau erfolgt, aber es ist eben ganz wichtig, darauf zu schauen, dass die Qualität der elemen­tar­pädagogischen Einrichtungen verbessert wird.

Abschließend möchte ich noch einmal Maßnahmen zur Förderung des ländlichen Raums zusammenfassen: Es sind Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Diversifizierung erforderlich, um einen besseren Branchenmix zu erreichen, und gerade auch – Johannes Kopf hat es gesagt –, um den Arbeitsmarkt für Menschen attraktiv zu machen, die in ländliche Gebiete ziehen, um dort zu arbeiten. Wenn also da Arbeits­plätze in verschiedenen Branchen zur Verfügung stehen, ist es auch ein Attraktivierungs­faktor, insbesondere für Frauen würden sich dann bessere Jobmöglichkeiten und Aus­bildungsmöglichkeiten ergeben.

Eine andere wichtige Maßnahmen ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die sich, gerade was Ausbildungsplätze oder Arbeitsplätze betrifft, insbesondere an junge Frauen richtet. Da ist es auch wichtig, die lokalen Unternehmen einzubinden und das Bewusstsein dafür zu schaffen. Wie gesagt, der Arbeitsmarkt ist im Umbruch, er verändert sich. Das Prob­lem des Fachkräftemangels wird ein wichtiges werden. Frauen – gut ausgebildete Frauen, junge Frauen – sind ein ganz wichtiges Arbeitskräftepotenzial, und da gilt es auch, die Rahmenbedingungen zu schaffen.

Da gehört als drittes Maßnahmenbündel, das ich nennen möchte, der Ausbau der Kin­derbetreuung dazu: flächendeckend, überall – also auch in den ländlichen Räumen –, leistbar und natürlich qualitätsvoll. Beim Qualitätselement geht es um die Bildungs­qualität: Wir wissen aus der internationalen Bildungsforschung, dass Investitionen in die frühkindliche Bildung den höchsten Return haben, diese sind also am effizientesten, am effektivsten. Man sieht Zusammenhänge zwischen der Dauer des Kindergartenbesuchs und natürlich auch der Qualität der Einrichtung und dem späteren Schulerfolg der Kinder, dem späteren Berufserfolg der Kinder und anderen gesundheitsbezogenen Indikatoren, die deutlich besser sind.

Allgemein müssen soziale und mobilitätsbezogene Infrastrukturen am Land ausgebaut werden, dazu zählt auch die Pflege. Das waren einige Maßnahmen, die ich nennen wollte, und damit schließe ich auch schon und bedanke mich. (Beifall.)

11.26


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank für die Ausführungen.

Zuletzt darf ich Herrn Vizepräsidenten Manfred Muhr um seinen Beitrag zum Thema „Agrarpolitische Forderungen durch die Lehren aus der Coronakrise“ ersuchen. – Bitte, Herr Vizepräsident.

 


11.26.46

Manfred Muhr (Landwirtschaftskammer Kärnten)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Frau Vorsitzende! Hochverehrte Abgeordnete! Werte Zuseher vor den Fernseh­geräten zu Hause! Herzlichen Dank, dass ich heute die Möglichkeit habe, hier einerseits als Vizepräsident der bäuerlichen Berufsvertretung, der Kärntner Landwirtschafts­kam­mer, andererseits aber auch als aktiver Vollerwerbsbauer aus Moosburg, einer Kärntner Gemeinde, und damit auch aus der sogenannten Kompetenz der Betroffenheit unseres Hofes und unseres bäuerlichen Familienbetriebs zu Hause im letzten Jahr, zu Ihnen zu sprechen. Mit einigen Forderungen möchte ich in dem Bereich dann schließen.

Ganz kurz zu unserer Betriebsstruktur: Ich bewirtschafte mit meiner Familie zu Hause, mit meiner Frau und unseren Kindern, einen biologischen Vollerwerbsbetrieb – vieles ist davon heute auch besprochen worden – mittlerweile sehr digital. Wir haben Ackerbau – unser Betrieb hat 90 Hektar Nutzfläche, mit den Pachtflächen 45 Hektar Acker –, wir haben Biorindermast, Mutterkuhhaltung und auch Biohühnermast.

Genau wegen dieses Spannungsfeldes und dieser unterschiedlichen Aufstellung, zum Beispiel auch unseres Betriebes, kann man nicht pauschal sagen, dass die Landwirt­schaft im Gesamten betroffen ist. Es hat einzelne Bereiche gegeben – der Hühner­bereich zum Beispiel, weißes Fleisch –, für die es eine große Nachfrage gegeben hat. Da fällt mir aber auch der Rindfleischbereich ein, der durch den Wegfall der Gastronomie im letzten Jahr und auch teilweise heuer noch unter Druck geraten ist und für den es in einzelnen Bundesländern, in der Steiermark zum Beispiel oder auch in Kärnten, Unter­stützungsmaßnahmen gegeben hat – aber auch für den Schweinefleischbereich –, diese haben aber nur einen Teil des Verlustes, den die Bauern zu tragen haben, kompensiert.

Bevor ich auf den Bereich der Forderungen eingehe, darf ich vielleicht noch kurz auf die Einkommenssituation der heimischen Land- und Forstwirtschaft eingehen. Ich darf ganz aktuell aus dem Grünen Bericht zur Situation in unserem Bundesland Kärnten zitieren: Es hat im Jahr 2020 in Kärnten einen Einkommensrückgang bei den land- und forstwirt­schaftlichen Betrieben in der Höhe von 8 Prozent gegeben. Das Einkommen macht nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge nur mehr 12 141 Euro je Betrieb aus. Wenn wir das auf die betrieblichen Arbeitskräfte zu Hause umrechnen und durch zwölf dividieren, dann ist daraus ein Einkommen von nur mehr 755 Euro pro Vollzeitarbeitskraft in der Landwirtschaft ersichtlich. Ich gebe nur zu bedenken, dass die Mindestsicherung momentan bei 949 Euro liegt. Das ist in Wahrheit ein Armutszeugnis für die mittlerweile jetzt über Jahrzehnte praktizierte Agrarpolitik und in Wahrheit auch eine nicht vorhan­dene Wertschätzung. Weil es momentan das Zauberwort ist: Die Wertschätzung, die wir Bauern brauchen, ist auch eine Wertschöpfung, um unsere Betriebe – auch unseren Familienbetrieb – daraus ableiten zu können.

Noch dramatischer sieht ja die Situation bei den Mutterkuhbetrieben aus. Dort gibt es Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft vor Abzug der Sozialversicherungsbeiträge von nur mehr 9 690 Euro. Wenn man da noch die Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von 7 000 Euro abzieht, dann bleiben am Ende des Tages nur mehr über 2 000 Euro pro Betrieb für eine Familie übrig, die davon leben soll.

Das ist unserer Meinung nach nicht die Wertschätzung, die die heimische Land- und Forstwirtschaft, und vor allem auch nicht die Mutterkuhhaltung, die für den Bereich der heimischen Landwirtschaft von großer Bedeutung ist, erfahren soll.

Weil auch heute schon mehrmals das Thema, der Trend der Regionalität angesprochen worden ist: Ja, das hat sich abgezeichnet, auch der Trend hin zu heimischen Produkten, dass es da also teilweise, vor allem bei den Direktvermarktern, zu Engpässen – positiver Natur, muss man auch dazusagen – gekommen ist, aber dass es auch einen starken Wunsch nach einer klaren Herkunftskennzeichnung vonseiten des Konsumenten, aber auch vonseiten des Produzenten aus Fairness uns gegenüber und natürlich auch aus klimapolitischen Gründen gibt.

Ich darf nur ganz kurz zitieren – wiederum aus dem Grünen Bericht –: Wir haben im Jahr 1990 33 Schweine importiert, wir haben im Jahr 2019 540 000 Schweine lebend impor­tiert, und wenn wir noch 1,9 Millionen geschlachtete Schweine dazutun, dann sind wir auf 2,4 Millionen; das ist in etwa die Summe, die wir auch exportieren. Das heißt, wir importieren, um sie hier zu verarbeiten und sie dann zu exportieren – teilweise zulasten des heimischen Konsumenten, weil dieses ausländische – vor allem – Schweinefleisch nirgends ersichtlich ist, und auch zulasten des Produzenten, denn da wird – vor allem im Schweinefleischbereich – ein künstlicher Überschuss geschaffen, der den heimi­schen Schweinemarkt, auf dem wir in etwa 100 Prozent Selbstversorgung haben, mas­siv unter Druck bringt. Da sind es einzelne Unternehmen, die sich zulasten des heimi­schen Konsumenten und auch zulasten des heimischen Produzenten eine goldene Nase verdienen.

Wenn schon seit Jahrzehnten eine Herkunftskennzeichnung angekündigt ist, dann möchte ich das natürlich nicht nur bei einem Stück rohes Fleisch sehen, sondern vor allem im verarbeiteten Bereich, dann will ich es bei einer Lasagne oder bei den Früh­lingsrollen oder sonst irgendwo in diese Richtung sehen – vor allem insofern, als im verarbeiteten Bereich logischerweise auch die dementsprechenden Fleischanteile und die anderen tierischen Anteile ersichtlich sind.

Was wir noch brauchen werden: Es wird in weiterer Folge, möglicherweise im Sinne des Konsumenten- und Produzentenschutzes auch verpflichtend – denn das ist ja auch eine österreichische Eigenart, dass wir in vorauseilenden Gehorsam im Bereich des Tier­schutzes, des Naturschutzes, des Umweltschutzes und in allen Bereichen tätig und aktiv sind, dass es dann aber bei importierten Waren plötzlich keine Rolle spielt, unter welchen Bedingungen diese Tiere gehalten wurden beziehungsweise wie dort die Haltung vor Ort stattgefunden hat – eine Haltungsformverordnung oder zumindest auch Erschwernisse für Produkte geben müssen, die nicht unseren Produktionsbedingungen entsprechen. Das wäre ja logisch, das ist ja sonst in Wahrheit unfair den heimischen Bauern und Kon­sumenten gegenüber.

Was noch ein wesentliches Thema ist – das ist auch eine Forderung von uns –: Mittler­weile merken wir, dass viele tierische Produkte durch Palmöl ersetzt werden. Das trifft vor allem den eher unter Druck geratenen Milchbereich. Auch da wird es, auch aus ökologischen Gründen, notwendig sein, in weiterer Folge eine Palmölkennzeich­nungs­pflicht umzusetzen, um auch für den Konsumenten klar ersichtlich darzustellen: Wie schaut es aus? Ist da jetzt Palmöl drinnen oder nicht?

Der Trend zur Regionalität, auch die Selbstvermarktungshütten wurden bereits ange­sprochen. Da sind ja Einzelne – wegen des Öffnungszeitengesetzes, der Gewerbe­ord­nung und so weiter – unter Druck geraten. Da wird es von unserer Seite eine Liberalisie­rung, möglicherweise auch der Gewerbeordnung, brauchen – auch hinsichtlich dessen, teilweise Produkte zuzukaufen: Da haben wir ja einen Widerspruch in der Pauschalie­rungsverordnung beziehungsweise auch zur Gewerbeordnung. Auch da werden wir etwas brauchen.

Wir haben ja gesehen, dass, sobald sich ein Trend – sprich der Trend zu den Selbst­vermarktungshütten – abzeichnet, es bei einzelnen Handelskonzernen – das ist heute angesprochen worden, in Kärnten gibt es ein Paradebeispiel für einen großen Konzern, der sich mit Selbstvermarktungshütten genau in diesem Bereich etabliert, einerseits, so bezeichne ich das, als Verdrängungspolitik, andererseits aber auch, um das den Direkt­vermarktern dort anzubieten: Ihr könnt ja gern bei uns mit ins Boot steigen!, und so weiter – den ganz klar erkennbaren Hintergrund gibt: Der Handel möchte nicht, dass der Produzent direkt zum Konsumenten kommt: Du kannst dort hinkommen, ja, aber nur über mich! Ich bin in Wahrheit die letzte Bastion und die letzte Instanz, die quasi die Deutungshoheit gegenüber dem Konsumenten hat! – Auch da gilt es, Widerstand von unserer Seite zu leisten.

Ich glaube, dass es auch einen Schulterschluss zwischen Konsumenten und Pro­duzen­ten braucht: zwischen dem Konsumenten, dem der Handel sagt: Du musst ein bisschen mehr für die heimische Landwirtschaft ausgeben, weißt eh, regional ist genial, und du musst ein bisschen mehr hineingreifen, damit unterstützt du die heimische Landwirt­schaft!, und uns Bauern, denen man als bäuerlichen Lieferanten sagt: Der Preis ist Kaufargument Nummer eins, geiz ist geil, tut mir leid, ich kann euch in Wahrheit nicht mehr dafür zahlen! – Diesen Schulterschluss brauchen wir wieder, denn eines ist klar: Das Geld, das dazwischen verdient wird, ist nicht weg, es hat nur jemand anderer. Wir sehen das aufgrund der Einkommenssituation, bei der die heimische Landwirtschaft jetzt angelangt ist.

Auch die ökosoziale Steuerreform von Ministerin Gewessler möchte ich kurz anschnei­den: Tatsache ist, dass aktive Landwirtschaft und aktive Forstwirtschaft CO2 im Wald und im Ackerboden binden. Tatsache ist, dass das zukünftig aus bäuerlicher Sicht nicht mehr kostenlos erfolgen kann. Wir haben also CO2-Speicherungen im Wald zwischen 6 und 10 Tonnen pro Hektar, im Acker sind es zwischen 9 und 14 Tonnen pro Hektar. Wir sind es leid – das sage ich ganz klar in dieser Deutlichkeit –, ständig als Kompensations­masse für die Industrie und für den Verkehr herzuhalten. Wir brauchen dafür eine Entschädigung oder sonst irgendeine Möglichkeit, das irgendwie zu kompensieren. Wenn man von einer Rückerstattung des Agrardiesels beziehungsweise von einer Agrardieselförderung spricht, dann erwarte ich mir, dass diese weit über diese 8 Cent der CO2-Bepreisung hinausgeht, damit wir auch europaweit wieder wettbewerbsfähig sind. Ich könnte mir vorstellen, dass der Agrardiesel überhaupt mineralölsteuerbefreit ist, damit wir da gleich von einer richtigen Summe, nämlich zwischen 39 und 40 Cent pro Kilo oder pro Liter Diesel, reden – das zum Thema der ökosozialen Steuerreform.

Was noch ein wesentliches Thema ist: Wir sind ja jetzt in der Endphase, das heißt, in den Schlussverhandlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Gerade bei dieser Gemein­samen Agrarpolitik würde es sich auch aus arbeitspolitischen Gründen jetzt anbieten, das weg von einer reinen Hektarförderung hin zu einer Arbeitsplatzförderung des Bauernhofes umzugestalten.

Vieles geht in den Bereich der Ökologisierung. Auch da muss man sagen: Ökologisie­rung ja, wir sind bereit, da mitzumachen, aber nur, wenn es auch dementsprechend honoriert und abgegolten wird. Naturschutz zum Selbstkostenpreis beziehungsweise zum Nulltarif vonseiten der Landwirtschaft wird es möglicherweise nicht mehr geben, genauso wie es auch bei dem Zugriff auf Grund und Boden möglicherweise noch zu mehr Konflikten kommen wird. Das haben wir ja jetzt in diesem Fall, dass resultierend aus den Erholungssuchenden im Wald und auf den landwirtschaftlichen Feldern immer mehr Nutzungskonflikte entstanden sind, gesehen. Auch da brauchen wir rechtliche Rahmenbedingungen, um diesem – wie soll man sagen – Verfall oder mittlerweile auch diesen Auswüchsen gerecht zu werden.

Die GAP könnte man mit einer Arbeitsplatzprämie oder Arbeitsplatzgarantie für den Bauernhof sozial gestalten, das hätte auch arbeitsplatzpolitische Gründe. Vor allem, was uns noch wichtig wäre: dass wir zumindest die ersten 10, 20 Hektar stärker fokussieren und nach oben hin Grenzen einsetzen, um das auch entsprechend sozial zu gestalten, weil eines klar ist: Das Geld ist da, es geht um die Verteilung. Möglicherweise geht es auch darum, dass wir Hände, die bis jetzt auf die Eler-Mittel zugegriffen haben, vielleicht von dort ein bisschen wegkriegen, damit das Geld dort ankommt, wo es hingehört, nämlich bei den bäuerlichen Betrieben.

Die Raumordnung – auch da ganz klare Unterstützung von unserer Seite und auch die ganz klare Forderung: Ein Land, das sich selbst die Ernährungssouveränität wegbaut, versiegelt und sich auch mit Beton auf Jahrzehnte Flächen aus der Produktion nimmt, läuft Gefahr, zukünftig die eh nicht mehr in vielen Bereichen vorhandene Ernährungs­souveränität auch noch in anderen Bereichen zu verlieren. Es gibt viele Ortskerne: Ich glaube, dass es durch Corona jetzt möglich sein wird, Ortskernreaktivierungen zu machen, leerstehende Gebäude besser zu nutzen oder leerstehende Gebäude auch als Kompensationsmasse für neue Widmungen heranzuziehen, denn wenn der Versie­gelung des Ackerbodens nicht bald Einhalt geboten wird, werden wir noch mehr von ausländischen Importen im Ernährungsbereich abhängig sein.

Die Geschichte lehrt uns ja, was mit Ländern passiert, die ihre Ernährungssouveränität und in weiterer Folge dann auch ihre innerstaatliche Stabilität verloren haben. Als eine der wesentlichen Forderungen gehört damit die Ernährungssouveränität überhaupt wieder als Staatszielbestimmung, als grundsätzliche – wie soll man sagen – Ausrichtung der europäischen und der österreichischen Agrarpolitik in die Verfassung hineinge­schrieben: Wir wollen uns in erster Linie selbst ernähren, um stabil und unabhängig von entsprechenden Importen zu sein.

Zum Thema Smartfarming: Das Smartfarming ist natürlich ein Bereich, keiner der landwirtschaftlichen Betriebe wird sich der Technologie verschließen. Tatsache ist, dass es finanzierbar sein muss. Tatsache ist aber auch, dass es handelbar sein muss.

Eines ist auch klar: Wer mit Tieren arbeitet, wird merken, dass man die persönliche Betreuung des Tiers niemals durch einen Roboter oder durch andere Maschinen ersetzen kann. Es geht also darum, dass landwirtschaftliche Betriebe eine ent­sprechende Wertschöpfung brauchen, ein entsprechendes Einkommen, um daraus resultierend die Tierhaltung und damit auch den Betrieb abzusichern.

Abschließend möchte ich sagen: Wir werden ja im Jahr 2023 eine neue Einheits­wert­feststellung haben, und ich würde mir wünschen, dass es gelingt, die Einheitswerte auf das Niveau zurückzubringen, wo die landwirtschaftlichen Einkünfte auch tatsächlich stehen. Die Einrechnung der öffentlichen Gelder ist meiner Meinung nach fachlich nicht nachvollziehbar. Wenn die Republik oder der Staat öffentliche Gelder ausgibt, als Be­weis, dass die Produktpreise nicht kostendeckend sind, und das im gleichen Atemzug zur steuerlichen und finanziellen Belastung dazurechnet, ist das nichts anderes als ein Taschenspielertrick. Deswegen sind wir der Meinung, dass die Einheitswerte auf das Niveau zurückgefahren werden müssen, wo sie hingehören, und das bedeutet mindes­tens eine Absenkung um 30 Prozent, um die bäuerlichen Betriebe nachhaltig zu entlasten.

Das war es im Großen und Ganzen von meiner Seite. Ich bedanke mich, dass ich als aktiver Landwirt heute hier zu Ihnen sprechen durfte. Regionalität ist der Trend. Koope­ration statt Konkurrenz auch in der Landwirtschaft ist ein Trend, den ich mir für die Zukunft wünsche. Entscheidend ist, dass wir an diesem Trend der Regionalität auch partizipieren können und unseren gerechten Anteil bekommen. – Vielen Dank. (Beifall.)

11.41


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank für die Ausführungen.

Das zweite Panel ist damit abgeschlossen. Ich bedanke mich für Ihre Beiträge.

11.41.51IV. Statements der Fraktionsvorsitzenden


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Wir gelangen nunmehr zu den Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden. Ich darf diese ersuchen, ihren Bei­trag vom Rednerpult aus abzugeben und die Zeit von 5 Minuten pro Statement nicht zu überschreiten.

Ich darf zunächst den Fraktionsvorsitzenden der ÖVP, Herrn Bundesrat Karl Bader, um seinen Beitrag ersuchen. – Bitte, Herr Faktionsvorsitzender.

 


11.42.25

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich)|: Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab möchte ich mich bei Präsident Dr. Peter Raggl für die Initiative zu dieser Enquete mit dem Themenschwerpunkt „Postcorona – Neue Wertschätzung für den ländlichen Raum“ bedanken. Die bisherigen Statements haben ja auch schon gezeigt, dass der ländliche Raum tatsächlich einen ganz wichtigen Stellenwert in unserem Staat, in unserer Gesellschaft einnimmt. Mit Statements zu verschiedenen Themenbereichen, mit unterschiedlichen Zugängen ist der ländliche Raum insgesamt in den Fokus gerückt worden.

Diese Diskussion ist für mich auch deswegen wichtig und erfreulich, weil wir beginnend mit der Präsidentschaft Niederösterreichs im Bundesrat im zweiten Halbjahr 2019 auch einen Schwerpunkt für den ländlichen Raum gestartet haben und dieser Schwerpunkt trotz der halbjährlichen Vorsitzwechsel über einen längeren Zeitraum beibehalten wor­den ist, damit auch nachhaltiger wirken und auch den Bundesrat selber viel stärker in den Fokus rücken kann.

Der Bundesrat will als Zukunftskammer Österreichs im Parlament auch beim Thema ländlicher Raum die Zukunft gestalten und vorangehen. Der ländliche Raum lebt von den Menschen, die dort wohnen, lebt von den Menschen, die sich dafür engagieren, lebt von den Menschen, die sich für diesen ländlichen Raum starkmachen. Wer, wenn nicht wir als Länderkammer im Parlament, soll sich dafür einsetzen, um die Keimzelle des Miteinanders in den Regionen draußen zu stärken?

Meine Damen und Herren! Hinter uns liegt, kann man sagen, eine schwere Gesundheits- und Wirtschaftskrise – zum Großteil liegt sie hinter uns, wir haben ja mit der Impfung schon einen wirklichen Meilenstein geschafft –, und noch nie in der Geschichte gab es so viele Hilfen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, um durch eine Krise zu kom­men.

Eines hat die Pandemie ganz deutlich gezeigt: Jene, die dort und da den Föderalismus ein wenig geringgeschätzt haben, die nicht viel dafür übrig gehabt haben, haben ein­sehen müssen, dass es gerade der Föderalismus war, der es uns ermöglicht hat, besser durch diese Krise zu kommen als andere Länder. Wie hätte diese Krise ohne die Teststraßen, ohne die Impfstraßen bewältigt werden können? Wie wären die Test­straßen, die Impfstraßen ohne die Länder, ohne die Gemeinden, ohne die Bürgermeis­terinnen, ohne die Bürgermeister möglich gewesen? Es wäre nicht möglich gewesen, so rasch und effektiv zu helfen und den Aufbau dieser Impfstraßen umzusetzen. Ohne diese föderale Struktur, davon bin ich überzeugt, hätten wir niemals in so kurzer Zeit so viel geschafft.

Spätestens jetzt muss daher auch klar sein: Die Zukunft des ländlichen Raums ist ein zentrales Thema für unsere gesamtgesellschaftliche positive Entwicklung in die Zukunft. Zwei Drittel der Bevölkerung, wir haben es schon gehört, 90 Prozent des Staatsgebiets sind davon umfasst, das ist auch eindrucksvoll aufgezeigt worden, und es ist auch aufgezeigt worden, welche Herausforderungen vor uns liegen, aber vor allem auch, welche Chancen der ländliche Raum in Zukunft haben kann und haben wird. Wir sind aufgefordert, diese Chancen entsprechend zu nützen.

In den Diskussionen, die wir im Hohen Haus immer wieder erlebt haben, haben wir gesehen, dass man versucht, ein Spiel, ein Match zwischen Land und Stadt zu konstru­ieren. Ich möchte betonen, dass es nicht darum geht, nein, es geht um ein Miteinander von städtischen und ländlichen Regionen. Wir brauchen einander! Alle Regionen, die ländlichen Regionen und die städtischen Regionen, haben ihre speziellen Herausfor­derungen, und das gilt es in beiderseitiger Fairness auch entsprechend umzusetzen. Wir brauchen Chancengerechtigkeit für den ländlichen Raum, und ich glaube, dass die Bundesregierung jetzt auch diese Chancen und Möglichkeiten des ländlichen Raums erkannt hat.

Gerade mit Maßnahmen abseits der Pandemiebekämpfung haben wir bereits wichtige Projekte auf den Weg, in die Umsetzungsphase gebracht, mit dem Budget, das jetzt vorgelegt wurde, auch mit der ökosozialen Steuerreform, die vorgestellt wurde, die jetzt auch diskutiert und umgesetzt wird. Ich erinnere an den Breitbandturbo, das Telekom­munikationsgesetz, das Klimaticket – darauf wurde heute schon mehrmals verwiesen – und den regionalen Klimabonus. Das ist etwas, von dem man wirklich sagen kann, dass ordentlich viel Geld für den ländlichen Raum in die Hand genommen wurde. Inves­titionsprämien gibt es natürlich auch noch.

Das heißt, die Herausforderungen sind da, die Chancen sind aber auch da, und ich appelliere an alle, dass wir diese Chancen gemeinsam nützen, um die Menschen in den ländlichen Regionen zu halten, um den jungen Leuten, die für eine Ausbildung aus dem ländlichen Raum weggehen, auch wieder die Möglichkeit zu bieten, dorthin zurück­zukehren, dort ihre Arbeit zu tun und den ländlichen Raum auch weiterhin für die Zukunft positiv zu gestalten. – Vielen Dank. (Beifall.)

11.47


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank für die Ausführungen.

Ich erteile nunmehr der Fraktionsvorsitzenden der SPÖ, Frau Bundesrätin Korinna Schumann, das Wort. – Bitte, Frau Fraktionsvorsitzende.


11.48.06

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Enquete! „Postcorona – Neue Wertschätzung für den ländlichen Raum“ – ich darf das einfache Bekenntnis abgeben: Die Wertschät­zung für die Menschen im städtischen Raum und für die Menschen im ländlichen Raum ist bei uns gleich. Es geht immer um den Menschen, und es geht um die beste Situation, in der diese Menschen sowohl in der Stadt als auch am Land leben können. Es gibt überall Chancen, und es gibt überall Herausforderungen.

Wenn wir auf den ländlichen Raum blicken, dann sehen wir doch einige Heraus­forde­rungen, die es zu meistern und auf die es zu schauen gilt. Heute wurde schon mehrmals das Kinderbildungsangebot erwähnt, das ist eines der essenziellen Themen für den ländlichen Raum. Ich kann gar nicht sagen, wie oft an mich in meinen verschiedenen Funktionen herangetragen wird: Bitte tut was beim Ausbau der Kinderbildung! Es geht da um Chancen für die Eltern, es geht um Chancen für die Frauen, es geht um den Kampf gegen den Fachkräftemangel. Das ist einer der wichtigen Punkte, bei denen anzusetzen ist.

Ich darf Sie auf das Sozialpartnerpapier zum Thema Ausbau der Kinderbetreuung hin­weisen. Es geht um den Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz für jedes Kind: qualitätsvoll, ab dem ersten Lebensjahr, leistbar und mit Vollzeitarbeit vereinbar.

Dieser Rechtsanspruch ist der Ausdruck der Gewissheit, dass für das eigene Kind ein Kinderbildungsplatz da sein wird. Ob er dann genützt wird, bleibt in der Entscheidung der Eltern, aber man hat die Sicherheit, dass er da ist, und nicht die Sorge: Wie schaffe ich das jetzt, dass ich Beruf und Familie unter einen Hut kriege? – Und das muss die Zielrichtung sein.

Ich muss schon ganz deutlich sagen, wie schmerzhaft die Erkenntnis war, dass 1,2 Mil­liarden Euro für die Nachmittagsbetreuung eigentlich bereits da waren, ausverhandelt waren, und dann aus machtpolitischen Gründen davon abgegangen wurde. Das schmerzt, weil es dabei um eine bessere Situation für die Eltern besonders im ländlichen Raum geht.

Ein großes Thema wird zukünftig die Pflege sein. Auch im ländlichen Raum ist die Pflege und Betreuung älterer Menschen eine der größten Herausforderungen. Wir sind mitten in einer wirklichen Pflegekrise, in einem Pflegenotstand, und da muss gehandelt werden. Es geht um die ältere Generation und um die Sicherheit, an seinem Lebensabend die bestmögliche Betreuung und Pflege zu haben und sich darauf verlassen zu können – in jedem Lebensraum, in der Stadt wie auch am Land.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben festgestellt, dass in diesem Budget, das jetzt vorliegt, weder Zukunftsmittel für die Pflege enthalten sind noch Mittel für den Ausbau der Kinderbildung, und das erachten wir besonders im Interesse des ländlichen Raums wirklich als nicht den richtigen Weg. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist natürlich ein Thema, das auch für den ländlichen Raum ganz, ganz wichtig ist, keine Frage.

Es gilt also an vielen Punkten anzusetzen, um den ländlichen Raum noch mehr zu attraktivieren und die Landflucht, besonders von Frauen, zu verhindern. Es ist kein Entweder-oder – Stadt oder Land –, denn nichts ist zersetzender und schädlicher als eine bewusst herbeigeführte Spaltung der Gesellschaft, auch in diesem Bereich. Natür­lich hat es das immer schon gegeben, dass die Städter etwas über die Menschen am Land und die Menschen am Land etwas über die Städter gesagt haben, aber da war ein bisschen ein Augenzwinkern dabei, ein liebevolles. Wenn es aber wirklich in eine Kon­flikt­haltung hineingeht – besser Stadt, besser Land –, dann ist das nicht der Weg, der Österreich gut tun wird.

Ein gewichtiges Beispiel dafür, wie man da an den Schrauben dreht, ist der Klimabonus und wie er ausgezahlt wird. Es wird von der steuerlichen Erleichterung für Erwerbs­ein­kommen abgegangen, man geht hin zu einer regionalen Steuerung und lässt Wien außer Acht. Wien bekommt den kleinsten Anteil – die Menschen in Wien bekommen den kleinsten Anteil, obwohl sie durch die Heizungsteuerung genauso große Lasten tragen müssen. Dieses Auseinanderdriften und Spalten ist nicht gut.

Ich glaube, was uns alle in nächster Zeit ganz stark beschäftigen wird, ist die Teuerung, 3,3 Prozent Inflation wurden heute gemeldet, die Teuerung der Lebensmittelpreise, der Strompreise, der Energiepreise, des Benzins. alles das werden die Herausforderungen des kommenden Winters sein, und ich glaube, man ist gut beraten, nicht zu spalten, sondern die Bruchlinien dort zu sehen, wo es den Menschen wirklich wehtut, und da ist die Frage: Wie viel haben sie noch im Geldbörsel, um sich ihr Leben leisten zu können?

Darauf werden wir Bedacht nehmen, darauf werden wir fokussieren: keine Spaltung, ein Miteinander und ein gutes Leben für alle Menschen in Österreich. – Danke. (Beifall.)

11.53


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank für den Beitrag.

Als Nächster gelangt in Vertretung des Herrn Fraktionsvorsitzenden der FPÖ Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.53.40

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten)|: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Gerade als Bürgermeister freut es mich besonders, dass eine Enquete statt­findet, die den ländlichen Raum in den Mittelpunkt stellt, das ist ein richtiges und wichtiges Zeichen. Ich hoffe aber, dass es nicht nur bei den politischen Sonntagsreden bleibt – denn das sind wir als Bürgermeister gewohnt; viele sind ja auch heute hier im Plenarsaal –, sondern dass diese Enquete wahrlich dazu beiträgt, dass ein ehrliches Umdenken stattfindet.

Gerade in der Pandemie war zwar ein neues Regionalitätsbewusstsein spürbar, es hat sich gezeigt, dass es eine neue Sehnsucht gibt, um es mit den Worten des Herrn Referenten Horx zu sagen, aber es braucht ein neues politisches Bewusstsein, denn da wird der Fokus leider allzu oft nur auf die Akquise von Wählerstimmen gelegt, und daher wird natürlich auch der urbane Bereich dem ländlichen Raum vorgezogen. Gerade die ländlichen Strukturen haben während der Coronakrise gezeigt, dass das soziale Gefüge hervorragend funktioniert. Man hat den Fokus noch stärker auf das Miteinander gelegt, aufeinander achtgegeben, wenn auch mit Abstand, und gerade jetzt spielt das Gemeinsame eine wesentliche Rolle.

Das heißt, Gemeinschaft – da steckt ja das Wort Gemeinde drinnen – funktioniert. Auch im Bereich der Versorgung haben das die Gemeinden in kürzester Zeit vorgezeigt, als es noch keine Verordnungen gegeben hat, als auf politischer Bundesebene noch niemand gewusst hat, wie man damit umgehen soll, da haben die Gemeinden die Versorgung ihrer Bürger sichergestellt.

Aber es braucht eben auch Perspektiven und Rahmenbedingungen auf politischer Ebene, vor allem auf Bundesebene, um dem ländlichen Raum eine Postcorona-Entwick­lung zu ermöglichen. Gerade die Bürgermeister trachten mit ihren Gemeindevertretern tagtäglich danach, Visionen zu entwickeln, Kreativität und Innovation zu leben, neue Projektideen umzusetzen und die Vorzüge der Lebensqualität unserer Heimat im länd­lichen Raum hervorzuheben. Das war vor Corona schon so, und jetzt findet es in noch größerem Ausmaß statt.

Dieses Bewusstsein braucht es aber nicht nur auf gemeindepolitischer Ebene, sondern auch auf den übergeordneten Ebenen in den Ländern und im Bund. Da braucht es nach Jahrzehnten der leeren Worthülsen endlich auch eine zufriedenstellende Lösung beim Finanzausgleich und einen neuen Zugang, was den abgestuften Bevölkerungsschlüssel betrifft, denn das ist der wahre Schlüssel für eine erfolgreiche Entwicklung in den Landgemeinden.

Gerade Corona hat die Landgemeinden finanziell schwer getroffen, und mit den nicht ganz ziel- und treffsicheren Maßnahmen in diesem Zusammenhang scheint es gewiss, dass das Leiden in den nächsten Jahren prolongiert wird, was man beispielsweise merkt, wenn man sich vor Augen führt, dass Verluste aus den Ertragsanteilen als Vorschüsse, die künftig einbehalten werden, ausbezahlt werden und es damit keine notwendige Kom­pensation dieser Einnahmeausfälle gibt.

Daher fallen diese politischen Maßnahmen für die Gemeinden eher nicht unter die Kate­gorie Lebens- und Entwicklungshilfe, sondern eher unter den Begriff Euthanasie; und das vor dem Hintergrund der umfassenden Herausforderungen, die wir gerade heute auch von der Politik gehört haben: Erhalt der Infrastruktur, Ortskernbelebung und nach­haltige Raumplanung, Mobilität und öffentlicher Verkehr, Förderung der Regionalität, Kinderbetreuung, Digitalisierung, Zurverfügungstellung von Freizeit-, Kultur- und Bil­dungs­angeboten oder vor allem auch, wie von meiner Vorrednerin soeben ange­sprochen wurde, der Bereich der Pflege.

Diese notwendigen Funktionsfelder werden zu großen Teilen von den Gemeinden finan­ziert, und die Gemeinden sind es auch, die durch ihre Investitionen in diesen Bereichen wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Wenn es aber darum geht, das finanzielle Gleichgewicht herzustellen, ist die Bereitschaft oft sehr schnell enden wol­lend.

Ich möchte daher kurz ein paar Themenfelder beleuchten: Wenn wir vom öffentlichen Verkehr und vom 1-2-3-Ticket als Erfolgsprojekt sprechen wollen – wie es heute die Frau Ministerin getan hat –, brauchen wir im ländlichen Raum zuerst einmal die Verbindun­gen, um dieses nutzen zu können. Wenn wir von der Digitalisierung als Zukunftschance reden wollen, so brauchen wir einen entsprechenden Ausbau der Breitbandinfrastruktur am Land, um den Menschen neue Berufsperspektiven mittels Homeoffice zu bieten und zu ermöglichen. Wenn wir den ländlichen Raum für die Familien attraktiver gestalten wollen, dann brauchen wir entsprechende Bildungs- und Betreuungsangebote für die Jüngsten am Land, aber vor allem eine echte Wahlfreiheit in diesem Bereich für die Eltern.

Wenn Regionalität nicht nur mit Worten wertgeschätzt werden soll, dann braucht es vor allem eine faire Preisgestaltung in der Landwirtschaft sowie eine klare Deklaration zu heimischen Produkten, Beispiel: Herkunftskennzeichnung, und gleichzeitig eine deut­liche Absage an regionalitätsschädigende Abkommen, wie es Mercosur bedeutet.

Wie eingangs erwähnt, braucht es ein absolutes Umdenken in all diesen Themenfeldern, um das in Coronazeiten erlangte Bewusstsein nachhaltig zu verankern – das ist der Auftrag an die Politik. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und so möge die Erfahrung aus der Coronazeit den positiven Ausschlag für ein neues politisches Verständnis in diesem Bereich geben! (Beifall.)

11.59


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Danke für den Beitrag.

Zuletzt darf ich Herrn Bundesrat Andreas Lackner in Vertretung des Fraktionsvor­sit­zenden der Grünen um das Wort bitten. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.00.15

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark)|: Frau Präsidentin! Geschätzte Teil­nehmerinnen und Teilnehmer dieser Enquete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann aus den vielen, durchaus auch unterschiedlichen Beiträgen der heutigen Enquete einiges mitnehmen. Danke dafür!

Ich möchte mich kurz auf zwei, drei Punkte konzentrieren. Wertschätzung ist generell, aber besonders für uns Bäuerinnen und Bauern eine wichtige Sache, und ja, die Pan­demie hat die Verbindung zwischen LandwirtInnen und KonsumentInnen gestärkt. Nach­haltig ist das vor allem im Bereich der Direktvermarktung geschehen. Wertschät­zung ist nämlich keine Einbahnstraße; sie kann nur dort entstehen, wo ehrliches Angebot auf ehrliche Nachfrage trifft, sie kann nur dort entstehen, wo es einen direkten Informa­tionsaustausch – dazu gehört durchaus auch Kritik, wenn Kritik angebracht ist, aber auch Lob, wenn Lob angebracht ist – zwischen bäuerlicher Produktion und den Konsu­men­tInnen gibt.

In weiterer Konsequenz heißt das nämlich, dass beide Seiten zu gleichen Teilen die Verantwortung für gesundes und damit nachhaltiges Miteinander übernehmen. Aktuell ist das aber nicht immer möglich, deswegen entsteht zwischen ErzeugerInnen und KonsumentInnen überall dort ein Gefälle, wo Lebensmittel verarbeitende Industrie, Handel oder Gastronomie dazwischengeschaltet sind.

Der beste Ausweg für dieses Problem heißt ganz klar verpflichtende Herkunfts­kenn­zeichnung, natürlich auch in der Gastronomie! Wir haben nämlich alle ein Anrecht darauf, zu wissen, wo unser Essen herkommt, welche Standards damit verbunden sind und wer daran verdient. Erst dadurch sind wir nämlich imstande, gemeinsam eine verantwortungsvolle Konsumentscheidung zu treffen.

Österreich als der viel zitierte „Feinkostladen Europas“: Ja, den haben wir, und ich kenne viele innovative, mutige Betriebe, die auch bereit sind, neue Wege zu gehen – zeigen wir das doch noch stärker her, schaffen wir die Rahmenbedingungen dafür! Aus meiner Sicht ist die verpflichtende Herkunftskennzeichnung der entscheidende Schlüssel, der viel mehr bringt als so manche Agrarförderung, weil er faire Preise ermöglicht.

Der ländliche Raum besteht natürlich nicht nur aus Landwirtschaft: Nach vielen Jahren der Abwanderung – vor allem verursacht durch mangelnde Jobchancen – hat sich in der Coronakrise eine neue Perspektive aufgetan. Plakativ gesprochen galt davor: Bringen wir die Menschen dorthin, wo die Arbeit ist! Und jetzt hat sich herausgestellt, dass es ja auch umgekehrt geht, nämlich die Arbeit dorthin zu bringen, wo die Menschen leben. Diese Sichtweise schafft natürlich ganz neue Möglichkeiten und Chancen für den ländlichen Raum.

Nun gilt es, diese neuen Chancen auch wirklich zu nutzen und die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass eine nachhaltige Entwicklung möglich ist und das Erreichte nicht gleich wieder verpufft.

Ein wichtiger Punkt, der heute schon oft angesprochen wurde, ist die Digitalisierung beziehungsweise der Breitbandausbau: Auch wenn zunehmend Anstrengungen unter­nommen werden, meine ich, dass es erstens wichtig ist, da noch mehr Geld in die Hand zu nehmen. Zweitens muss auch dafür gesorgt werden, dass dieses Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird, und dass nicht die großen Provider gefüttert werden, die nicht immer eine flächendeckende Versorgung im Fokus haben.

Ganz klar Luft nach oben gibt es – Frau Dr. Glassner hat das ja deutlich ausgeführt –, was die Chancen vor allem junger Frauen am Land betrifft, sei es im Bereich der Kin­derbetreuungsmöglichkeiten, sozialer Infrastruktur oder Jobmöglichkeiten.

Die Raumordnung ist aus meiner Sicht ebenfalls ein ganz entscheidender Hebel, und da sind die Bundesländer gefordert: Stoppen wir den Flächenfraß, stoppen wir das Zube­tonieren! Nützen wir zum Beispiel Leerstände, gerade in den Ortskernen! Am Land wurde durch den Boom von Einkaufszentren, durch diese Bauwut, Leerstand en masse produziert. Schaffen wir daraus zum Beispiel Gemeinschaftsbüros, in denen sich Men­schen treffen und vernetzen können! Das Leben findet nämlich dort statt, wo die Men­schen arbeiten – und nicht dort, wo sie hinfahren, um zu wohnen.

Dass durchdachte Infrastrukturmaßnahmen greifen, beweisen aus meiner Sicht die Investitionen des Klimaministeriums, ganz konkret auch in meiner Heimat, der Südost­steiermark: Nachdem man dort über Jahrzehnte hinweg die Schiene vernachläs­sigt hatte, wurden heuer über 230 Millionen an Investitionen für die Bahn und deren Elektrifizierung zugesagt. Verbunden mit dem Klimaticket wird der öffentliche Verkehr zusätzlich finanziell attraktiv, und das tut nicht nur der Umwelt gut, sondern sorgt zusammen mit besserer Taktung für eine nachhaltige Anbindung ländlicher Räume untereinander sowie an den städtischen Ballungsraum.

Anders ausgedrückt: ob Direktvermarktung, Digitalisierung, Raumordnung oder Mobi­lität – die Chancen des ländlichen Raums liegen im beherzten Miteinander! – Danke. (Beifall.)

12.06


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Ich danke für den Beitrag.

12.06.07 Diskussion


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Wir gelangen nun zur abschließenden Diskussion.

Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Redebeiträge eine Dauer von 3 Minuten nicht überschreiten sollen. Ich darf weiters darauf hinweisen, dass das rote Lämpchen am Rednerpult 1 Minute vor Ende der Redezeit zu blinken beginnt.

Wir beginnen nun mit der ersten Rednerin, es ist dies Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. – Bitte sehr.


12.06.47

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich)|: Werte Frau Präsidentin! Werte Besucher der Enquete! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Coronakrise hat vieles in der Sichtweise der Menschen verändert, und plötzlich ist der ländliche Raum, ist diese ländliche Kulturlandschaft zu einem Sinnbild für Freiheit geworden – besonders in einer Zeit, als im städtischen Bereich selbst die wenigen vorhandenen Grünflächen wie die Bundesgärten für Besucher geschlossen wurden.

Da ist natürlich vieles neu bewertet worden, aber ist der Trend, den wir in der Coronazeit, in der Coronakrise erlebt haben – und wir sind ja noch mittendrin, sagen wir einmal, wir sind intracorona –, nachhaltig? Bringt er dauerhaft mehr Wertschätzung für den ländlichen Raum? Entsteht da jetzt eine neue Solidarität zwischen Stadt und Land – oder werden nicht vielmehr manchmal mit Eindrücken und Bildern fast wie aus einem Heimatroman Unzufriedenheit geschürt und ein Keil in unsere Gesellschaft getrieben? Ist diese Entwicklung so nachhaltig, dass wir seitens der Politik jetzt bereit sind, den ländlichen Raum auch finanziell aufzurüsten?

Ich glaube, Herr Univ.-Prof. Schermer hat gemeint, die Bürgermeisterinnen und Bürger­meister müssten kreativ sein und sich etwas einfallen lassen, das ihre Gemeinden mit einer Unique Selling Proposition versieht – aber all das kostet, dafür braucht man Geld und daher ein Bekenntnis.

Der ländliche Raum ist außerdem nicht nur ein Eventpark, der ländliche Raum ist ein Lebensort. Ich kann aus Erfahrung sagen: Viele junge Familien haben sich während der Pandemie überlegt, aufs Land zu ziehen – aber da man jetzt bei Arbeit und Schulalltag wieder zur physischen Präsenz zurückgekehrt ist, gehen sie wieder zurück in die Stadt, weil es an Möglichkeiten fehlt.

Ortskerne zu beleben, wie es auch Frau Bundesminister Gewessler gesagt hat, funk­tioniert nur dann, wenn die Menschen nicht nur am Land leben – am Wochenende –, sondern auch am Land arbeiten. Die Wertschätzung für den ländlichen Raum geht sonst nämlich verloren, denn man kauft dort ein und geht dort essen, wo man arbeitet.

Auch Themen wie die Pflege kosten die Gemeinde Geld, denn auch am Land werden die Menschen älter. Wenn man dann im Alter vom Wohnort Neunkirchen in ein Pflege­heim in Lilienfeld kommt, weil in der Umgebung keine Pflegeplätze vorhanden sind, ist das nicht schön.


Infrastruktur bedeutet auch, ein Finanzamt, die Post und Bankfilialen vor Ort zu haben. All das wird jedoch im ländlichen Raum ausgehungert, sogar in Kleinstädten und Bezirkshauptstädten wie in Neunkirchen. Dort musste man darum kämpfen, dass ein Servicepoint des Finanzamts zumindest einmal in der Woche betrieben wird.

Da muss man auch definieren, was als Land zählt: Beginnt das schon bei den Klein­städten, bei den Bezirkshauptstädten? Auch für die Landbevölkerung muss das Wohnen leistbar werden, sonst wird es kein nachhaltiges Erfolgserlebnis geben, wenn wir den ländlichen Raum als Wohnort bewerben möchten. – Danke schön. (Beifall.)

12.10


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Nationalratsabgeordneter Walter Rauch. – Bitte.


12.11.00

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ)|: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich begrüße auf dem Podium explizit den Kollegen Muhr, der als Einziger noch hier ist. Frau Präsidentin, Sie haben einleitend gesagt, Sie laden zur Diskussion ein – ich frage mich nur: Wo sind die ganzen Protagonisten, die im Vorfeld hier als Experten aufgetreten sind? Das ist für mich eigentlich ein Affront. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hoffe, es hat nichts mit der aktuellen Regierungssituation und damit zu tun, wie es momentan in Österreich zugeht, dass deswegen niemand mehr da ist. Wenn wir hier schon Personen aus allen Bundesländern, aus allen Regionen einladen, würde ich schon gerne mit jemandem diskutieren. Herr Präsident, vielleicht für das nächste Mal: Wenn wir wieder so eine Enquete veranstalten, gestalten wir vielleicht die Tagesordnung so, dass die Teilnehmer durchgehend da sind, oder zumindest so, dass man auch zum Schluss mit jemandem diskutieren kann. Nur für das Buffet sind wir nämlich nicht hergekommen, meine ich. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wurden ja heute viele Themen angerissen, ob es das Klima war, ob es die Regionen waren, der Verkehr wurde angesprochen – auch die aktuelle Preisgestaltung und Preis­situation bei den Treibstoffen –; die Bau- und Raumordnung ist ein Thema und auch die Flächenversiegelung. Jeden Tag werden 11 Hektar versiegelt, die ganz anders genützt werden könnten, auch Flächenrecycling wäre eine Möglichkeit.

Auch die Kinderbetreuung in den ländlichen Regionen war ein Thema, ein sehr heißes Thema: In den letzten zehn, 15 Tagen wurde ja viel darüber diskutiert, warum die Kinder­betreuung in Österreich nicht wie geplant umgesetzt wurde. Trotz alledem haben wir ja den Ansatz, dass wir sagen, es muss in diesem Bereich definitiv eine Freiwilligkeit ge­ben. Die Eltern dürfen nicht in den Arbeitsmarkt gedrängt und gezwungen werden, solange die Kinder betreuungspflichtig sind, es muss stattdessen Freiwilligkeit gegeben sein.

Ein Punkt, den ich noch explizit erwähnen möchte, betrifft das Volksbegehren Kauf Regional, das ja rund 146 000 Unterschriften gesammelt hat: Dieses Anliegen werden wir auch im Nationalrat behandeln, im einen oder anderen Ausschuss diskutieren und eine solche Enquete veranstalten. Wir werden das Volksbegehren Kauf Regional auf jeden Fall zum Thema machen.

Ich muss es noch einmal sagen: Obwohl wir hier schon viel erlebt haben, bin ich es in diesem Haus anders gewohnt, als dass es so ein leeres Podium gibt. Das habe ich noch nie erlebt.

Eines noch zum Klimabonus, weil eine Kollegin vorhin angesprochen hat, wie wertvoll die 200 Euro in den Regionen und wie schlecht die 100 Euro in den Städten sind: Im Endeffekt ist diese ganze Aktion komplett wertlos, ich sage das bewusst so. Sie ist wertlos aus einem bestimmten Grund, weil nämlich die Mehrkosten für und die Mehr­belastung der Bevölkerung den Bonus um das Zigfache übersteigen und diesen ent­sprechend auffressen werden. Wie es ja in Österreich üblich ist, gilt auch jetzt: Jede Steuerreform bringt eine Mehrbelastung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.14


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Hatto Käfer von der Europäischen Kom­mission. – Bitte.


12.14.35

Dr. Hatto Käfer (Europäische Kommission)|: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank an die Institution Bundesrat für die Einladung, und mein Kompliment an den Bundesrat für die Zeitdisziplin. Es ist wirklich angenehm, dass wir zeitlich so gut im Fahrplan sind, so etwas erlebt man eigentlich selten.

Was kann der ländliche Raum von der Europäischen Union, von der Europäischen Kom­mission erwarten? – Zuerst einmal ist festzuhalten: Landwirtschaftspolitik und Politik für den ländlichen Raum sind eigentlich in der DNA der Europapolitik festgeschrieben. Seit unserer Gründung 1958 kümmern wir uns einerseits mit der Gemeinsamen Agrar­politik – die die einzig wirkliche Gemeinschaftspolitik ist –, andererseits mit der Regional­politik intensiv um diesen Bereich.

Sie haben ja gesehen, dass jetzt im Finanzrahmen 2021-2027 sowohl der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft als auch der Europäische Fonds für regionale Entwicklung wirklich gut dotiert sind, das wird auch in den nächsten Perioden so fortgeführt werden.

Der zweite von vier Punkten, den ich erwähnen möchte, ist unser Strategievorschlag, den wir im Mai 2020 gemacht haben. Dieser beinhaltet ganz konkret zwei Vorschläge, einerseits die Biodiversitätsstrategie und andererseits die Strategie Vom Hof auf den Tisch, die Hand in Hand gehen und ineinander verzahnt sind. Es geht darum, die Natur wiederherzustellen, ein nachhaltiges Lebensmittelsystem zu entwickeln und die ökolo­gische Landwirtschaft zu fördern.

Der dritte Punkt: Sie alle kennen die Aufbau- und Resilienzfazilität Next Generation EU in Höhe von insgesamt 750 Milliarden Euro, wovon Österreich ungefähr 4 Milliarden bekommen wird. Da gibt es wiederum vier Projekte, die dem ländlichen Raum zugu­tekommen, das sind der Mobilitätsmasterplan, die Bodenschutzstrategie, das Klimaticket und die gigabitfähigen Netze.

Ganz wichtig noch abschließend: Wir haben am 30. Juni eine Mitteilung über eine langfristige Vision für die ländlichen Gebiete der EU 2040 veröffentlicht. Eine Mitteilung ist eine Willenserklärung von unserer Seite, mit der politische Prozesse in Gang kommen sollen. Da besprechen wir jetzt mit dem Europäischen Ausschuss der Regionen, wie diese Vision am besten umgesetzt werden kann. In weiterer Folge soll es zu Diskus­sionsprozessen mit den Stakeholdern und Interessenvertretern kommen.

Die Bestandsaufnahme wird Anfang 2023 abgeschlossen sein, und wir werden dann die Strategie im Zeitraum 2028 bis 2034 umsetzen. Da sind Sie herzlich eingeladen, mitzuwirken, und ich hoffe, dass wir uns in diesem Haus wiedersehen. Ich kann Ihnen versichern: Die Europäische Kommission ist für den ländlichen Raum da! – Danke. (Beifall.)

12.17


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.


12.18.01

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg)|: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, und wer immer uns auch zuhört und zusieht! Ich danke zuerst einmal dem Präsidenten des Bundesrats Peter Raggl für die Organi­sation und Durchführung dieser Enquete: Sie ist wirklich sehr, sehr interessant und sehr viel­seitig, dieser Vormittag war ein sehr wichtiger in meinem politischen Leben.

Herr Professor Schermer hat gesagt, die Coronakrise sei „ein erzwungenes soziales Experiment“, wir werden „neue Wege“ einschlagen müssen, und sie sei „ein Einschnitt“ gewesen. Die Krise zwingt uns zu nachhaltigen Wegen: Ja, das sehe ich genauso, wir haben entsprechende Ausführungen gehört.

Es gibt ein verstärktes Interesse am Landleben – wir haben das auch gespürt, gerade in Salzburg – und eine Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft, und auch, wie Herr Nationalratsabgeordneter Rauch schon gesagt hat, eine verstärkte Nachfrage nach regionalen Produkten. Wir als Konsumentinnen und Konsumenten haben es in der Hand, diese Bewegung mitzutragen und zu stärken: Jeder von uns kann seinen Beitrag leisten und in der Region einkaufen, um damit seinen Bauern, seinen Nahversorger zu stärken.

Herr Horx hat gesagt, etwas Altes ende und etwas Neues beginne, und er hat auch die Kultur angesprochen: Für mich ist die Kultur ein ganz wichtiger Faktor im ländlichen Bereich, und ich sehe die Kultur als etwas Größeres, da gibt es zum Beispiel die Kultur des Miteinanders. Die Coronapandemie war ja besonders für die Seniorinnen und Senioren eine sehr schwierige Zeit, Stichwort Vereinsamung und Alleinsein.

Da hat die Nachbarschaftshilfe geholfen, da haben die kleinen Einheiten geholfen. Junge haben für die Älteren eingekauft, haben sie versorgt, haben Medikamente geholt. Da sieht man: Diese kleinen Einheiten funktionieren. Daher bin ich ein Fan der Regionen und der Regionalität.

Mich haben auch noch die Ausführungen der Frau Dr. Glassner zur Abwanderung der Jungen und Frauen aus dem ländlichen Raum sehr bewegt. Da gibt es den Satz: Geht die Frau, stirbt das Tal! Also ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir da hinschauen und die Frauenarbeitsplätze in den Regionen halten und stärken.

Abschließend: Ich glaube, es braucht nicht nur kreative BürgermeisterInnen, sondern auch kreative Landes- und Bundespolitikerinnen und Bundespolitiker für all die Bereiche, die wir heute angesprochen haben. Unsere Ministerinnen haben, finde ich, ein sehr gutes Beispiel dafür gegeben, haben schon gezeigt, wie kreativ wir sein können. Ich denke, es geht nur miteinander. (Beifall.)

12.21


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Elisabeth Blanik vom Städtebund. – Bitte.


12.21.24

Dipl.-Ing. Elisabeth Blanik (Österreichischer Städtebund)|: Frau Präsidentin! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich bin Bürgermeisterin, und bei mir ist die große Frage: Ge­höre ich zum ländlichen Raum oder zum städtischen Raum? – Ich bin Bürgermeisterin einer Bezirkshauptstadt, und ich denke, der Bezirk Lienz, Osttirol, wird wahrscheinlich, auch wenn die Definition jetzt nicht so klar war, zum ländlichen Raum gehören.

Darum bin ich immer sehr vorsichtig in der Diskussion, in diesen Auseinandersetzungen ländlicher Raum versus städtischer Raum. Nach meiner Erfahrung sind das kommuni­zierende Gefäße, und ganz viele unserer Bürgerinnen und Bürger sind zu bestimmten Zeiten StadtbewohnerInnen und manchmal auch LandbewohnerInnen. Ich bemerke das jetzt. Es gibt Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen wieder in die Stadt ziehen, sei es im Alter oder als ganz Junge, die dann mit den Kindern wieder aufs Land ziehen.

Ich glaube, es braucht ein gemeinsames Agieren und vor allem die Zusammenarbeit in den Stadtregionen. Da darf ich jetzt auch den Zukunftsraum Lienzer Talboden mit der Stadt Lienz und den 14 Umlandgemeinden erwähnen. Die kleinste davon hat, glaube ich, knapp 600 Einwohnerinnen und Einwohner, es sind wahrscheinlich sogar weniger.

Gerade bei der Digitalisierung war es so: Es wurde ja dieser Großkonzern A1 genannt, gegen den wir als 15, und zwar wieder Stadt und Land gemeinsam, gekämpft haben, und zwar mit aller Vehemenz, weil wir unser digitales System wieder öffentlich haben wollten. Das war es ja schon einmal. Das hat man schon vergessen, dass A1 ja einmal privatisiert worden ist. Da war es so: Es hat die Stadt Lienz, die natürlich interessanter war, nur gemeinsam mit allen 14 kleinen Gemeinden gegeben. Ich glaube, das ist die Zukunft, und so müssen wir städtischen und ländlichen Raum miteinander denken.

Ich gebe noch zu bedenken: Es gibt jetzt dieses gemeinsame Agieren, aber auch die Bodenpolitik. Es gibt eine Problematik, und ich glaube, es hilft niemandem, wenn jetzt alle aufs Land ziehen und es dort wieder eine Zersiedelung gibt, sondern wir werden uns auch da Verdichtungsstrategien überlegen müssen. Wir werden aber dann natürlich auch über die Finanzierung der Gemeinden reden müssen, wenn wir über Verdichtungs­strategien und Energieraumplanung reden.

Zur Mobilitätsplanung möchte ich auch noch etwas sagen. Wir haben im Bezirk aus der Not heraus eine große Kultur der Zusammenarbeit. Wir machen ganz viele Dinge ge­meinsam zu dreiunddreißigst, organisieren auch den öffentlichen Personennahverkehr. Ich darf als Bürgermeisterin der Stadt diesem wunderbaren Verband vorstehen. Wir haben in den letzten Jahren mit Unsummen den öffentlichen Personennahverkehr aus­gebaut. Das Prinzip ist: Die, die mehr haben, zahlen auch mehr. Das heißt, die Stadt­gemeinde Lienz hat für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr des Bezirkes ordentlich mitgezahlt, und zwar meistens 50 Prozent. Der Dank dafür mit dem neuen, tollen Ökobonus ist so, dass jetzt die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Lienz am wenigsten kriegen. Also als ganz gerecht empfinde ich das nicht, und ich glaube, da gibt es dringenden Diskussionsbedarf.

Eines möchte ich noch zur Dezentralisierung und den MitarbeiterInnen sagen: Es gibt ganz viele Hidden Champions. Wir sind alle aufgefordert, innovativ zu sein. Ich denke, der Bezirk Lienz ist ganz sicher eine progressive Provinz. Wir haben uns in den letzten Jahren durch Innovationen aus der Not heraus, glaube ich, sehr, sehr gut entwickelt und haben auch vor, das im Sinne von Beziehungsqualität und Weltoffenheit weiterhin zu machen. – Danke. (Beifall.)

12.25


Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs|: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.


12.25.25

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren bei dieser Enquete! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Immer, wenn die ÖVP den Bundesratsvorsitz hat, kann man vermuten, es wird irgendetwas zum ländlichen Raum kommen. Da ist es, aber eher ein bisschen als Hochamt. Ich befürchte, wir werden es auch beim nächsten ÖVP-Vorsitz in einer solchen Form mit dem länd­lichen Raum zu tun bekommen. (Präsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Ich will aber heute auf etwas anderes eingehen. Im ländlichen Raum in bestimmten Bundesländern herrscht Goldgräberstimmung. Da wird gezockt und gebaut, und das nennt man Chalets, Almdörfer, Hüttendörfer. Das bedeutet, dass es zum Beispiel in Tirol – ich habe ja mit Verwunderung dem Herrn Landesrat zugehört – kaum noch ein Tal gibt, in dem es nicht solche Almdörfer zu unfassbaren Preisen gibt. Da wurde zum Beispiel der Quadratmeterpreis von 8 000 Euro auf 18 000 Euro sprunghaft erhöht, da dürfen die Investoren in Investorengruppen antreten. Im Pinzgau bekommt man derzeit, wenn man investiert, einen E-Porsche. (Zwischenruf der Abg. Reiter.) Also können Sie sich die Spannen vorstellen, die da erzielt werden.

Wir müssen uns auch ein bisschen die Gesetzgebung innerhalb der EU anschauen. Zum Beispiel: Holländer bekommen steuerliche Begünstigungen. Wegen des Klimawandels, durch den Teile des Landes unter Wasser stehen könnten, wird gefördert, dass im Ausland Eigentum erworben werden kann. In der Tschechischen Republik sieht es so aus: Wenn jemand Eigentum außerhalb des Landes hat, fällt das nicht in die steuerliche Bewertung.

Das heißt, mittlerweile gibt es Almdörfer oder Chalets bis in die gelben, in die roten Zonen hinein. Auch idyllische Dörfer werden durch Appartementbauten entsetzlich zerstört. Irgendjemand hat vom drohenden Flächenfraß gesprochen. – Das ist der Flächenfraß, den es derzeit gibt. Es wurde vorhin gesagt: Wenn die Frau geht, stirbt das Dorf! – Mittlerweile müssen die Jungen gehen, weil sich ja bei diesen Beträgen niemand mehr das Wohnen leisten kann. Es gibt kleine Chaletdörfer, die man mittlerweile schon als Millionärsghettos bezeichnet.

Die Grundverkehrs- und Raumordnungsgesetze greifen nicht – die Frau Bundes­minis­ter ist heute bei der Raumordnungskonferenz. Das heißt, langfristig sind das alles Zweit­wohnungen. Der Bürgermeister von Kitzbühel hat gesagt: 8 Prozent sind erlaubt! Offiziell sind es 17, in Wirklichkeit sind es über 20 Prozent. So schaut es aus, und das ist sehr bedenklich. (Beifall.)

12.28


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Danke für den Redebeitrag.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Nationalrätin Martina Diesner-Wais. – Bitte.


12.29.07

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Teilnehmer an der heutigen Enquete! Es freut mich ganz besonders – und ich bedanke mich dafür –, dass der Bundesrat den ländlichen Raum in den Mittelpunkt gestellt hat, denn der ländliche Raum hat wichtige Funktionen. Er ist ein Lebensraum, ein Arbeits­raum, ein Raum, wo gewirtschaftet wird, wo erneuerbare Energie erzeugt wird, aber auch wo CO2 gespeichert und neutralisiert wird. Das ist etwas ganz Wichtiges.

Die Coronasituation hat uns gezeigt, wie interessant er für den Städter geworden ist. Die letzte Gemeinde bei mir an der Grenze ist Haugschlag. Der Bürgermeister sagt mir: Jedes Gebäude, das bis jetzt lange leer gestanden ist, kann verkauft werden, weil die Leute einfach aufs Land wollen, weil sie Corona in der Stadt erlebt haben.

Wir haben aber auch schon gehört, dass die regionalen Produkte interessant geworden sind. Da waren unsere Bauern relativ innovativ und haben schnell 24-Stunden-Selbst­bedienungsläden aus dem Boden gestampft. Ich hoffe, dass es da auch eine Nach­haltigkeit gibt, dass die Bürger das auch weiterhin schätzen.

Ich möchte zu drei Punkten Aspekte einbringen: der erste ist Raumordnung, der zweite ist Infrastruktur, Breitband, und der dritte ist Klima und Mobilität. Raumordnung – das ist schon angesprochen worden – ist ein zentraler Faktor. Es ist natürlich ganz wichtig, dass wir unsere landwirtschaftlichen Produktionsgebiete und einen Schutz des Bodens erhal­ten. Ich sage aber, es kann im ländlichen Raum nicht so sein, dass es keine Weiterent­wicklung geben kann, denn auch unsere Kinder sollen noch die Möglichkeit haben, dort zu bauen. Daher ist es wichtig, dass es die landwirtschaftliche und die gewerbliche Pro­duktion weiterhin gibt und dass da eine Kooperation vorherrscht. Es ist auch schon oft angesprochen worden: Die Herkunftsbezeichnung ist dabei ein wichtiger Punkt.

Breitbandausbau: Dafür wird es vom Bund in der nächsten Zeit 1,4 Milliarden Euro geben. Auch Corona hat gezeigt, wie wichtig das ist, denn gerade im ländlichen Raum ist die Breitbandverbindung wesentlich, damit Arbeitsplätze erhalten werden können. Wichtig ist aber nicht nur Breitband, sondern auch jegliche andere Infrastruktur, ob das Kinderbetreuung, Bildungseinrichtungen, Schulen sind. Auch Erhaltung und Ausbau der Gesundheitsversorgung und der Pflege sind für die Zukunft wichtig.

Wenn wir beim Klima und bei der Mobilität sind: Dazu haben wir schon vom Klimaticket gehört. Da möchte ich besonders unserem Landesrat herzlich danken, denn in Nieder­österreich ist es passiert, dass das 1er-, 2er- und 3er-Ticket zugleich möglich waren. Das war etwas, bei dem man sagt, da profitiert wirklich der ländliche Raum, denn wenn ein Student oder ein Pendler von Gmünd nach Wien fährt, hat er jetzt im Jahr eine große Ersparnis, circa 1 400 Euro. Das ist schon etwas Wichtiges.

Dabei ist zentral, wie es auch der Landesrat schon angesprochen hat: Es soll nicht nur billiger sein, sondern es soll auch besser und bequemer sein. So gehört natürlich im ländlichen Raum auch der öffentliche Verkehr noch stärker ausgebaut, damit man ihn auch wirklich nutzen kann.

Da zum Thema ökosoziale Steuerreform heute schon des Öfteren das Wort ergriffen und gefragt worden ist, warum der Klimabonus im städtischen Gebiet nicht so hoch ist wie im ländlichen, glaube ich, das ist schon dem Umstand geschuldet, dass man in den ländlichen Orten nicht dieselben Möglichkeiten des öffentlichen Verkehrs hat wie im städtischen Bereich. Daher ist es notwendig – das rote Licht leuchtet schon; ich gehe gleich –, dass da ein höherer Ausgleich erfolgt. Das ist, glaube ich, gerecht. (Beifall.)

12.33


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Als Nächster gelangt Bundesrat Martin Preineder zu Wort. – Bitte.


12.33.12

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich)|: Geschätzter Herr Präsident! Werte Teilnehmer an der Enquete! Geschätzte Damen und Herren! Da wir uns nicht alle kennen: Ich bin Mitglied des Bundesrates, Vorsitzender des Landwirtschaftsaus­schus­ses, Biobauer, Direktvermarkter und bäuerlicher Dienstleister.

Die Pandemie ist die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, aber Krisen bringen auch Chancen mit sich. Wir haben durch die Pandemie gesehen, dass wir in einem sehr verletzlichen System leben und dieses System der Veränderung bedarf. Globalisierung, Urbanisierung wurden als Einbahnstraße erkannt. Es ist entsprechend notwendig, dass die Versorgung mit Lebensmitteln, mit Gütern regional passiert, um nicht so stark von dieser Globalisierung, von Importen abhängig zu sein. Diese regionale Versorgung hat dankenswerterweise auch zu einer neuen Wertschätzung geführt.

Viele von uns haben gelernt – und ich glaube, das ist auch eine wesentliche Entwicklung innerhalb der Gesellschaft –, dass es ein bisschen ein Umdenken braucht, dass man nicht billige Lebensmittel um die halbe Welt transportieren soll, die ohne Umwelt­stan­dards, ohne Sozialstandards produziert worden sind, und dass Versorgungssicherheit einen neuen Stellenwert bekommen soll. Handelsketten haben sich auch auf Regio­nalität spezialisiert, haben Regale mit regionalen Produkten eingerichtet. Selbst­bedie­nung ist nicht nur mehr im Supermarkt, sondern auch beim Ab-Hof-Verkauf und beim Bauernmarkt zum Standard geworden und als neue Chance für die Bäuerinnen und Bauern erkannt worden.

Wenn sich da eine stärkere Konsumentenorientierung ergibt, wenn die Produkt­verar­beitung, die Produktentwicklung, die Produktvermarktung entsprechend forciert werden, können auch neue Chancen genützt werden. In meiner Region, der Buckligen Welt und dem Wechselland, haben viele Direktvermarkter mit Automaten, mit Selbstbedie­nungs­läden, mit offenen Bauernhöfen bis hin zu Schaubetrieben diese Chance genutzt, eine neue Chance, die heißt: Nicht die Größe, an der Fläche oder an der Zahl der Tiere gemessen, entscheidet über den Erfolg eines Betriebes, sondern der Umsatz und vielleicht auch die Anzahl der Mitarbeiter entscheiden.

Noch ein Gedanke zur Mobilität im ländlichen Raum. Mobilität sollte für gleiche Chancen in Stadt und Land sorgen, aber mit unterschiedlichen Lösungen. Wird es im städtischen Bereich der öffentliche Verkehr sein, muss es auf dem Land der emissionsfreie Verkehr sein. Man kann sich durchaus mit Verkehrsmitteln wie E-Bike oder E-Auto entsprechend bewegen, aber – um von mir selbst zu sprechen – wenn ich mit dem Elektroauto zur Aspangbahn fahre und dort in einen Zug mit Diesellok umsteige, um in die Bezirks­hauptstadt Wiener Neustadt zu kommen, wird das nicht die Lösung sein können. Da gilt es, emissionsärmere Fahrzeuge und Mobilität entsprechend zu forcieren.

Ich darf unserem Präsidenten ein herzliches Dankeschön dafür sagen, dass er dieses Thema gewählt hat. Wie hat Meinungsforscher Horx gemeint: Es gibt eine neue Sehn­sucht nach dem Land, Liebe zum Land, Liebe zur Landwirtschaft, Liebe zur Wirtschaft auf dem Land und Liebe zum Landleben. (Beifall.)

12.37


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Zaggl-Kasztner. – Bitte.


12.37.17

Bundesrat Stefan Zaggl-Kasztner (SPÖ, Tirol)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Eines der Tiroler Hauptthemen ist und bleibt anscheinend der Transitverkehr: viel beredet, oft diskutiert, ein heißes Thema. Dennoch gibt es bis dato noch immer keine relevante Lösung.

Unsere Pendler müssen entweder stundenlang im Stau stehen oder ewig auf den Zug warten. Es scheint so, als wäre vieles mehr auf den Tourismus ausgelegt als auf den Blick auf unsere eigene Bevölkerung in Tirol. Ein großer Teil des Lkw-Verkehrs quert zwar Tirol, jedoch ohne Belade- oder Abladestelle bei uns. Warum gibt es dann nicht wie in anderen europäischen Ländern eine allgemeine Maut, um unsere Straßen und unsere Bevölkerung zu entlasten?

Wir brauchen nur zu mir ins Außerfern zu schauen: Der Transitverkehr überrollt uns Tag für Tag. Stau über Stau! Die Lärm- und Feinstaubbelastung für unsere Bevölkerung wird immer größer.

Ein Einfall, den es schon vor Jahren gab, war eine Zweitunnelvariante, die keine wirk­liche Entlastung fürs Außerfern bringt, jedoch ein Rieseneingriff in die Natur wäre. Da schreit keiner auf. Verkehrseindämmung und Umweltschutz werden in Tirol gepredigt. In ganz Tirol? – Nein, nicht in ganz Tirol, denn das gallische Dorf ist in beiden Bereichen das Außerfern, der Bezirk Reutte, da durch diese Tunnelvariante der Verkehr allgemein steigen würde, insbesondere der Transitverkehr.

Da gibt es seit Jahrzehnten keine sinnvolle Lösung. Oh, Moment! Die würde es doch geben, und zwar einen Bahntunnel. Um es kurz zu erwähnen: Diese Variante stammt von der Bezirks-SPÖ. Sie wäre die beste Lösung für Mensch und Umwelt. Es gibt dazu auch schon eine Machbarkeitsstudie.

Wir sollten uns über die Parteigrenzen hinweg am Riemen reißen und uns als Ziel für Tirol setzen, dass wir den Schwerverkehr auf die Schiene bekommen, weg von unseren Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen, um unsere Bevölkerung von dem Lärm, den Staus und der gesundheitlichen Belastung zu befreien. – Danke. (Beifall.)

12.39


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Nationalrat Joachim Schnabel. – Bitte.


12.39.52

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP)|: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Wertes Publikum!

Im Gegensatz zum Kollegen Rauch denke ich in Lösungen und in Zukunftschancen. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Die bietet uns quasi leider auch diese Coronapandemie mit der neuen Regionalität. Im Wort Regionalität steckt das Wort Region, und wenn in Zukunft, wie Herr Johannes Kopf gesagt hat, der Wettbewerb der Regionen auf uns zu­kommen wird, wird es wichtig sein, dass wir selbstbewusste Regionen haben.

Die Regionen als eine Ebene, die heute noch nicht genannt wurde, sind Instrumente zwischen den Gemeinden, den Ländern und dem Bund, die vieles kooperativ ermög­lichen. Ich möchte hier als Beispiel das Steiermärkische Landes- und Regionalentwick­lungsgesetz nennen, das den Regionen nicht nur die Zusammenarbeit bietet, sondern erstmalig auch einen finanziellen Spielraum gibt. Eigene Budgets ermöglichen es den Regionen, sich zu entwickeln und ansatzgerechte Lösungen zu verwirklichen, um die Zukunft dort vor Ort zu entwickeln.

Ich möchte mich auch bei dir, lieber Hans Seitinger, als Landesrat recht herzlich bedan­ken, aber auch bei dir, lieber Bundesrat Christian Buchmann. Ihr habt einerseits dieses Modell ermöglicht und es uns andererseits als Bürgermeister in den Regionen durch dezentrale Politik über viele Jahre hinweg ermöglicht, uns so positiv zu entwickeln.

Was kann die Region? – Die Digitalisierung wurde angesprochen. Die Region kann gemeindeübergreifend die dazu notwendigen Ausbaupläne entwickeln, damit dann vor Ort die digitale Infrastruktur, die genannt wurde, kommt. Das ist wichtig, um den Braindrain zu vermeiden, um das Homeoffice weiterhin aufrechtzuerhalten, um auch die Diversität an Jobangeboten und die Diversität an Bildungsangeboten zu ermöglichen.

Die Mobilität wurde als ein Faktor für den ländlichen Raum genannt. Das Klimaticket ist eine Maßnahme dazu, es gibt aber zwei Millionen Menschen, die wir mit dem Klimaticket noch nicht erreichen. Wir brauchen Lösungsansätze für die sogenannte Last Mile, letzte Meile zum öffentlichen Verkehr. Auch da kann die Region im Zusammenschluss mit allen Gemeinden mit dem Mikro-ÖV ein Instrument bieten.

Die Regionen haben – mehrfach schon erprobt – eine Lösung angeboten, und es muss mittelfristig das Ziel sein, diesen Mikro-ÖV in dieses Klimaticket zu integrieren, damit öffentlicher Verkehr bis in die entlegensten Dörfer möglich wird.

Die Regionen können auch, was die interkommunale Zusammenarbeit, was die Wirt­schafts­entwicklung betrifft, ganz wesentlich dazu beitragen, zentralisiert gute, voll ausgestattete Wirtschaftsstandorte zu entwickeln, die mehr sind als nur eine Umwid­mung von Flächen, die mehr sind als nur die Erreichung von Infrastruktur, sondern die integrativ tätig werden, um auch Kinderbetreuung und alle anderen sozialen Komponen­ten abzubilden.

Die Kinderbetreuung – das ist mehrfach genannt worden – ist ein wichtiger Faktor für den ländlichen Raum, ein wichtiger Faktor für die Gemeinden. Der Bund finanziert da in den letzten vier Jahren mit einer Summe von insgesamt 1,6 Milliarden Euro den Ausbau. Den Gemeinden muss aber auch geholfen werden – da wurde auch das Thema Finanz­ausgleich angesprochen –, was den laufenden Betrieb betrifft, denn dieser wird einiges an Geld kosten. Deswegen braucht es mehrere Maßnahmen, um vor Ort, auch in den entlegensten ländlichen Räumen umfassende Kinderbetreuung zu ermöglichen.

Es geht um neue Wertschätzung für den ländlichen Raum. Danke für die Diskussion heute. Ich hoffe, dass daraus in Summe Maßnahmen für den ländlichen Raum folgen. – Danke. (Beifall.)

12.43


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Danke für die Wortmeldung.

Als nächster Redner gelangt Bundesrat Silvester Gfrerer zu Wort. – Bitte.


12.43.47

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg)|: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebes Publikum! Ich möchte mich kurz vorstellen: Gfrerer Silvester mein Name – ist schon gesagt worden. Ich bewirtschafte mit meiner Familie in Großarl einen Bergbauernbetrieb der Zone 3 und bin seit 2018 im Bundesrat tätig. Ich will eine Stimme für den ländlichen Raum, für die bäuerlichen Familien sein, aber immer in Verbindung mit den Menschen im Land und mit dem Tourismus.

Ganz wesentlich ist dabei das Miteinander, es ist wichtig, den urbanen Bereich und den ländlichen Raum zu verbinden. Ich denke: Was wäre Salzburg ohne Mozart oder ohne seine Festspiele?, aber auch: Was wäre Salzburg ohne die bäuerlichen Familien, die das Land bewirtschaften?

Da gibt es zwei Schwerpunkte. Einen hat Preineder Martin schon vorgebracht, das sind die Lebensmittel. Einer meiner Schwerpunkte ist – da mache ich mir sehr viele Ge­danken – natürlich das Thema Klima, Klimaschutz und Landwirtschaft in Verbindung mit dem Klima. Ich bin froh, dass ein Vertreter der Europäischen Kommission dazu ge­sprochen hat.

Ja, auch die Landwirtschaft hat mit dem Klima zu tun. Ich denke, da müssen wir einfach den Unterschied zwischen der nachhaltigen Landwirtschaft, der ökosozialen Markt­wirt­schaft, der Teilnahme an den vielen Umweltprogrammen und der industriellen Landwirt­schaft in Europa herausarbeiten oder besser hervorheben. Ich glaube, es ist eine große Herausforderung, dass wir uns da abheben, weil das einfach nicht dasselbe ist. Im Berggebiet sind die Betriebe kleinstrukturiert, da gibt es viele Biolandwirte und viele, die am österreichischen Umweltprogramm teilnehmen. Da ist, glaube ich, schon ein wesentlicher Unterschied. Ich denke, Landwirtschaft wird sehr oft als Klimakiller dargestellt. Das, glaube ich, trifft so nicht zu.

Zweiter Punkt, der Strukturwandel: Ja, den gibt es, aber im Berggebiet, und das ist eigentlich interessant, wesentlich weniger. Ich weiß nicht genau, warum. Vielleicht ist das der doch starke Familienverbund, vielleicht gibt es im Berggebiet weniger Nachfrage an Pachtfläche, vielleicht gibt es im Berggebiet mehr Bindung zum Betrieb. Eines ist sicher: Wir müssen unbedingt alle Möglichkeiten nutzen, um den Strukturwandel hintan­zuhalten, sonst gehen Erholungsraum und Kulturlandschaft im Berggebiet für immer verloren.

Zum Abschluss: Wir sehen uns in großer Verantwortung für den ländlichen Raum, für die bäuerlichen Familienbetriebe, für die Jugend – dafür, dass sie die Höfe motiviert weiterführt –, aber auch für die Menschen in unserem Land. Diese Verantwortung wollen wir auch in Zukunft wahrnehmen. – Danke schön. (Beifall.)

12.47


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Bettina Lancaster. – Bitte.


12.47.10

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich)|: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren! Covid-19 steht für persönliche Einschränkun­gen und Auseinandersetzung mit dem Lebensstil. Frau Bundesministerin Gewessler hat Mobilität in den Fokus gestellt. Mobil sein ist ein Synonym für Freiheit – eine Freiheit, die in peripheren Räumen fern von regionalen und auch lokalen Zentren ohne privaten Pkw nicht gelebt werden kann.

Dazu kommt, dass der Rückbau von Infrastruktur und Dienstleistungsangeboten – zum Beispiel Post, Bank, aber auch schon der Bankomat wird rückgebaut, Lebensmittel­geschäft und so weiter – in den Kleingemeinden aufgrund mangelnder Frequenzen dazu führte, dass die Distanzen zu Versorgung und Dienstleistungen immer größer wurden.

Ja, die Erreichbarkeit wird bei uns in Autominuten gemessen und die Zumutbarkeit rich­tet sich danach. Aktive Mobilität ist da ein Wunschdenken. Teilhabe am gesell­schaft­lichen Leben im ländlichen Raum hängt im hohen Ausmaß vom Pkw ab. Öffentliche Mobilität im ländlichen Raum flächendeckend zu implementieren bleibt eine große Herausforderung der Zukunft, wie Frau Bundesministerin Gewessler bereits skizziert hat. Es stellt sich die Frage: Wie kann es überhaupt gelingen?

Splittersiedlungen und Einzellagen kennzeichnen den traditionellen Lebensraum der land­wirtschaftlich geprägten Dörfer. In meiner Gemeinde – ich bin seit 2009 Bürger­meisterin – gibt es ein 50 Kilometer langes Güterwegenetz bei 850 Einwohnern. Fein verästelt führen diese Straßen in die Gräben des Tals oder hinauf in die ersten Erhe­bungen des oberösterreichischen Alpenvorlandes. Manche Bürgerinnen und Bürger – und natürlich sind darunter auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Lehrlinge, Schü­lerinnen und Schüler – müssen zunächst etliche Kilometer zurücklegen, um zur Land­straße zu gelangen. Wenn man Glück hat, befindet sich dort dann eine Bushaltestelle.

Die Eltern übernehmen in der Regel den Taxidienst für ihre Kinder. Gelegenheitsverkehr für SchülerInnen ist aufgrund der geringen Anzahl meistens nicht darstellbar. Für Lehr­linge gibt es so ein Angebot sowieso nicht. Bei mehreren Kindern kann das Abholen eine ziemliche zeitliche und finanzielle Herausforderung für die Eltern werden. Die Erreich­barkeit von Arbeitsstätten in der eigenen Gemeinde und in den Nachbargemeinden ist zumeist nur mit dem Auto gegeben. Mikroöffis sind für die Gemeinde nicht leistbar.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Leben im peripheren ländlichen Raum muss auch künftig für Geringverdiener leistbar bleiben. Dazu braucht es differenzierte, leistbare, umweltfreundlichen Mobilitätsangebote, bevor umweltschädliche Mobilität im Alltag zu hohen privaten Ausgaben führt. – Danke. (Beifall.)

12.51


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Nächster Redner: Bundesrat David Egger. – Bitte.


12.51.11

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Ich freue mich, dass Sie der Diskussion noch beiwohnen. Liebe Enqueteteilnehmerinnen und -teilnehmer! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Einer meiner Vorredner hat gesagt: „Was wäre Salzburg ohne [...]!“ Da muss ich für die arbeitenden Menschen in Salzburg eine Lanze brechen: Was wäre Salzburg ohne die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die jeden Tag ihre Leistung bringen!

Heute vor zwei Jahren war Corona noch kein Thema, für uns alle nicht. Der eine oder die andere hat vielleicht die Biermarke gekannt, aber für das Leben spielte dieses schreckliche Virus noch keine Rolle. Das hat sich in den vergangenen bald zwei Jahren dann drastisch geändert, fundamental, und zwar für unser aller Leben, muss ich an dieser Stelle sagen, und es hat auch schonungslos die Schwächen in unserer Gesell­schaft und die Schwächen in unserem System aufgezeigt.

Wir erlebten einen Pflegenotstand, der uns in der Pandemie an die Leistungsgrenzen gebracht hat. Wir erlebten einen Bildungsnotstand, der nur deswegen nicht katastrophal geendet ist, weil einzelne Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen Notlösungen gefunden haben. Notlösungen gab es etwa für Schulen in den ländlichen Gemeinden, für die die Digitalisierung leider noch weiterhin oft ein Fremdwort ist. Es gab einen Notstand in der Kinderbetreuung, das haben wir heute schon öfter gehört, oder in der Produktion selbst einfacher Güter und Lebensmittel.

Ich habe die Sorge, dass wir aus dieser Krise nichts gelernt haben, keine Lehren ge­zogen haben. Statt Politik mit Hausverstand und Lösungen für die Alltagsprobleme der ganz normalen Leute gibt es Chats und Hausdurchsuchungen. Dabei sind die Miss­stände, die wir bei Corona erlebt haben, genau die, die uns im ländlichen Raum ganz besonders geschmerzt haben: die unterfinanzierten Spitäler in den Bezirken, die Senio­renwohnhäuser und Kinderbetreuungseinrichtungen, denen das Personal davonläuft, die teilweise kein Personal mehr finden. Das Personal läuft deswegen davon, weil es an der absoluten Belastungsgrenze gearbeitet hat und immer noch arbeitet.

Die fehlenden wohnortnahen Jobs, die schlechten Öffiverbindungen, sodass man bei der täglichen Fahrt in die Arbeit Lebenszeit verliert, aber auch – als Salzburger möchte ich das an dieser Stelle ganz stark betonen – die explodierenden Wohnpreise zwingen besonders die jungen Leute, ihre Heimatorte zu verlassen. All das sind die Probleme, die wir jetzt lösen müssen. Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung, das sind die Dinge, die wir jetzt angehen müssen.

Ich bin überzeugt davon, dass Österreich und mein Heimatbundesland Salzburg, auf das ich so stolz bin, diese Dinge werden lösen können. Wir können krisenfester werden und uns für die Zukunft auch gut aufstellen, nämlich mit starken Regionen und guten Jobs in den Gemeinden und in den Regionen draußen. Es müssen unbedingt Kinder­betreu­ungseinrichtungen ausgebaut werden, um den jungen Leuten, den jungen Familien auch am Land alle Möglichkeiten zu bieten.

Ich glaube an Chancen statt Chats, an eine ehrliche und anständige Politik, die das auch wirklich angehen möchte. Dafür braucht es eine Politik, die nicht mauschelt, sondern macht, weil wir mehr können. Die Menschen in unserem Land haben das verdient. – Danke schön! (Beifall.)

12.55


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Nationalrätin Carina Reiter ist die nächste Rednerin. – Bitte.


12.55.09

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP)|: Herr Präsident! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Vielen Dank für die interessanten Beiträge auch von der Expertenseite! Ich glaube, die Coronapandemie war bis jetzt ein ganz guter Realitätscheck für unser Sys­tem. Wir haben gesehen, wo wir gut aufgestellt sind und wo es im System ein bisschen hakt, wo wir noch besser werden müssen, woran wir arbeiten müssen.

Herr Horx hat auch schon von der „ruralen Renaissance“ gesprochen. Der Ausdruck gefällt mir eigentlich sehr gut. Auch seine Assoziation mit der Beziehung zwischen den Menschen, den kreativen Köpfen, und der Wertschätzung und dem Respekt passt, glaube ich, ganz gut. Das ist etwas, das sich jeder von uns heute mitnehmen kann: Im Umgang miteinander, in den Ausführungen, die man vielleicht macht, bei der Wahl der Wörter, die man verwendet, sollte man sich auch in sein Gegenüber hineinversetzen und Wertschätzung und Respekt großschreiben.

Zwei für mich wichtige Punkte, die heute auch schon erwähnt wurden, sind die Regio­nalisierung und die Dezentralisierung. Gerade die Arbeitsplätze im ländlichen Raum sind extrem wichtig, um unsere Regionen attraktiv zu halten, um auch die jungen Menschen, gerade auch die jungen Frauen, in den Regionen zu halten. Da muss man einen guten Branchenmix anstreben.

Ich denke, da kann die Verwaltung mit einem guten Beispiel vorangehen. Zum Beispiel werden jetzt in Salzburg 25 Dienststellen des Landes Salzburg in den Lungau versetzt. Das ist, glaube ich, ein Schritt in die richtige Richtung, wobei man auch noch weitere setzen kann, sodass das dann auch für Unternehmen attraktiv wird.

Auch die Landwirtschaft ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Aspekt für uns in den länd­lichen Regionen. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe leisten da sehr vieles für unsere Gesellschaft, aber auch für die Gemeinschaft in den Dörfern.

Es ist wirklich sehr gut, dass, wie Herr Dr. Schermer betont hat, die gesellschaftliche Wertschätzung gestiegen ist. Das ist, glaube ich, sehr wichtig und richtig. Natürlich braucht es auch noch ein bisschen mehr als Wertschätzung. Es muss sich das natürlich auch in der Einkommenssituation widerspiegeln. Das ist, glaube ich, essenziell.

Wie wichtig die Landwirtschaft aber auch auf Ebene der Politik gesehen wird und wie sie wahrgenommen wird, kann man schon sehen, wenn man sich das letzte Jahr anschaut. Ich glaube, es war ganz wichtig, dass der landwirtschaftliche Bereich zu allen Unter­stützungsmaßnahmen im Rahmen der Pandemie Zugänge gehabt hat – das ist alles andere als selbstverständlich, wenn man auf andere europäischen Länder schaut, zum Beispiel nach Irland – oder dass auch Teile der Steuerreform vorgezogen worden sind, wie die Pauschalierungsverordnung, was auch sehr wichtig war.

Die ökosoziale Steuerreform bietet, glaube ich, wichtige Ansätze für die Landwirtschaft. Die Details sind da noch in Verhandlung, aber ich glaube, dass es schon sehr wichtig und richtig ist, auch die Landwirtschaft zu entlasten und wirklich auf die Realitäten, die wir in diesem Bereich haben, einzugehen.

Zum Schluss möchte ich noch kurz etwas zur GAP, der Gemeinsamen Agrarpolitik, sagen. Da ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass die Junglandwirte eine entsprechende Unter­stüt­zung kriegen. Das ist ein wichtiges Zeichen. Österreich hat den größten Junglandwirteanteil europaweit. Das müssen wir fördern und erhalten. Dazu braucht es Planbarkeit und eine unbürokratische Unterstützung. Ich denke, wenn wir uns ein bisschen etwas trauen, ein bisschen kreativ sind und mit einer guten Portion Augenmaß und Hausverstand an die Sache herangehen, werden wir unsere Regionen auch weiterhin sehr lebenswert erhalten können. – Danke. (Beifall.)

12.58


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Nächster Redner: Nationalrat Andreas Kollross. – Bitte.


12.58.36

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ)|: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte am Beginn an Kollegen Rauch anknüpfen. Da der Titel der heutigen Enquete lautet: „Neue Wertschätzung für den ländlichen Raum“, wäre es eine Wertschätzung, wenn man als politisch Verant­wortliche, als Ministerin, auch den Dialog führt; dass man nicht nur herkommt, hier ganz einfach seinen Redebeitrag abgibt und dann nicht mehr gesehen wird. Da geht es auch darum, dass man den ländlichen Raum auch wirklich wertschätzt und auch dement­sprechend die Debatte führt und nicht nur seine eigene Meinung hier formuliert. (Beifall.)

Übrigens, Herr Präsident, die Zeit läuft nicht – ich bedanke mich für die zusätzliche Redezeit. Vor allen Dingen, was Frau Minister Köstinger betrifft, möchte ich nämlich eines anmerken, da sie ja die letztendlich politisch Verantwortliche in der Bundes­regierung für den ländlichen Raum ist: Ländlicher Raum ist mehr als Landwirtschaft, und ich glaube, dass man über diesen viel mehr diskutieren muss, auch heute.

Herr Univ.-Prof. Schermer hat es auch ganz kurz angesprochen: In Wirklichkeit müssen wir doch viel stärker über kommunale Grundinfrastruktur im ländlichen Raum und was der Beitrag der Politik dazu ist, diskutieren. Was ist zum Beispiel mit der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum? Wir wissen doch, dass wir mit Ende 2019 über 320 nicht besetzte Planstellen haben: praktische Ärzte, Fachärzte, Kinderärzte und so weiter und so fort. Wir alle in den Regionen wissen das, wir sehen das doch tagtäglich. Wo ist die Initiative der Politik, um hier gegenzusteuern? Oder lassen wir das ganz einfach laufen und schauen, wie es weitergeht? Das war, wie gesagt, Ende 2019, mittlerweile haben wir Ende 2021. Von den 320 nicht besetzten Planstellen sind wir doch mittlerweile schon weit entfernt, es sind mittlerweile weit mehr.

Wie ist es mit den Polizeiposten? Wie ist es mit der Post, den Postpartnern? Wie ist es mit der Bank? Wie ist es mit den Gemeinden, die nicht einmal mehr einen Bankomat haben, wenn die Gemeinden dann unter Druck kommen, indem irgendein Anbieter sagt: Du kannst eh einen Bankomat haben, aber du als Gemeinde musst dafür zahlen, dass du überhaupt noch einen kriegst, damit die eigenen Menschen überhaupt noch zu ihrem eigenen Bargeld kommen!? Das ist doch eine Entwicklung, die man so nicht stehen lassen kann, sondern da muss man doch endlich politisch gegensteuern. (Beifall.)

Wie ist es mit den Einkaufsmöglichkeiten? Wie ist es mit dem öffentlichen Verkehr? Ich freue mich total über das Klimaticket. Es ist wunderbar für all jene, die an den Haupt­verkehrsadern wohnen. Was ist aber mit jenen Leuten, die dort gar nicht hinkommen, weil es keine öffentliche Anbindung gibt? Was ist mit den Menschen, die von einer Gemeinde in die andere oder in die Bezirkshauptstadt pendeln müssen, wo es keine öffentliche Anbindung gibt? Wo sind diesbezüglich die notwendigen Maßnahmen? Und so könnte man vieles weiter ausführen.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man sagt: Klar, für die Landwirtschaft und auch für die Forstwirtschaft soll es alle Unterstützung geben, die dort gebraucht wird. Darü­ber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Wenn wir aber über den ländlichen Raum diskutieren, dann diskutieren wir endlich auch über die Leute, die dort wohnen, und dann diskutieren wir darüber, wie man auch im ländlichen Raum Arbeitsplätze entwickelt. Das ist auch eine notwendige Geschichte, inklusive Kinderbetreuung. Dazu, wie notwendig es ist, dass es auch die notwendige Kinderbetreuung gibt, damit sich eine Region, eine Gemeinde, eine Stadt überhaupt dementsprechend entwickeln kann, hat AMS-Chef Kopf heute einen sehr guten Beitrag geleistet.

Abschließend möchte ich nur noch gerne Folgendes sagen: Es ist wichtig, nicht nur auf den Finanzausgleich hinzuweisen und zu sagen, die Gemeinden brauchen Finanzmittel, denn die Gemeinden brauchen jetzt schon Finanzmittel, und die Bundesregierung könn­te endlich etwas dafür tun, indem sie ganz einfach zusätzliche Finanzmittel zur Verfü­gung stellt. Eines hat uns die Coronakrise nämlich auch gezeigt: Die Gemeinden und die Städte sind das schwächste Glied bei den Gebietskörperschaften. Sie können es nicht selber aus der finanziellen Situation herausschaffen, und die Bundesregierung ist leider nicht bereit, notwendige Unterstützungsmaßnahmen zu geben. – Danke schön. (Beifall.)

13.03


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Herr Nationalrat Clemens Stammler. – Bitte.


13.03.26

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne)|: Herr Präsident! Werte ZuhörerInnen und TeilnehmerInnen! Corona hat zweifelsohne eine gewisse Renaissance für den länd­lichen Raum gebracht, die meines Erachtens dem Wunsch der Menschheit nach Gebor­genheit und gleichermaßen nach Freiheit, nach Freiraum geschuldet ist. Die Renais­sance kann aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ländliche Raum nach wie vor unter denselben Problemen wie bisher leidet.

Wir diskutieren ja heute den ländlichen Raum fast so, als wäre dieser homogen, und das ist er natürlich nicht. Egal in welches Dorf ich als Regionalsprecher komme, es wird mir überall von anderen Problemen berichtet. In der einen Gemeinde ist es die Abwan­derung, woanders der zu starke Zuzug, wieder woanders das Thema Zweitwohnsitz, das überbordend ist. Was aber fast alle Regionen gleich betrifft, ist der enorme Flächen­verbrauch, das Verbauen von fruchtbarem Boden.

Man vergleicht das Verbauen von fruchtbarem Boden immer gerne mit Fußballfeldern. Wir verbauen aber keine Fußballfelder! Was wir verbauen, ist Agrarfläche, und zwar in Österreich jeden Tag eine Agrarfläche, die rund 60 Tonnen Brotgetreide hervorbringen könnte, wäre sie nicht zubetoniert. Das heißt, viele Bäuerinnen und Bauern leben von dieser sogenannten – ich nenne es immer – einmaligen Fruchtfolge, denn Beton ist keine Feldfrucht, und sind dadurch natürlich auch dem Strukturwandel unterlegen beziehungsweise sperren für immer die Türen zu.

Worüber wir heute auch noch nicht gesprochen haben, sind circa 2 500 Arbeitsplätze jährlich, die uns im ländlichen Raum deshalb entgehen, weil Bauernhöfe ihre Hoftore für immer schließen.

Wir hätten eigentlich ein großartiges Instrument, nämlich die Gemeinsame Agrarpolitik, die auch den ländlichen Raum beziehungsweise die ländliche Entwicklung mitein­schließt. Zwingend notwendig ist es, in der neuen Periode den Erhalt der kleineren Familienbetriebe zu fördern. Es ist heute schon einmal gefallen: Die ersten 20 Hektar besser zu fördern, ist eine Umschichtung und eine soziale Komponente.

Es gibt aber natürlich neben den bäuerlichen Betrieben auch noch etwas anderes, und da gibt es im Prinzip in der GAP auch grundsätzlich sensationelle Instrumente, die man ja nur anzuwenden braucht. Ich nenne die regionale Kooperation zwischen Landwirt­schaft, Handwerk und Handel, die man fördern muss, weil dadurch nicht nur Wertschöpfung und Geld in der Region bleiben, sondern auch die Wertschätzung in der Region da ist.

Es gibt ein aktives Fördern von Kreativität, auch kommunaler politischer Kreativität, das Einsetzen von Leerstandsmanagern, die gefördert werden. Es wird auch das Leer­stands­management gefördert, das wäre eine gute Möglichkeit. Was wir auf alle Fälle einmal brauchen, ist ein bundesweiter Leerstandskataster, um überhaupt einmal zu wissen, wo welche Gebäude leer stehen und wie man sie nutzen kann.

Ich glaube, dass wir uns natürlich zur Wissenschaftsgesellschaft entwickeln. Wenn man nachschaut, woher wir eigentlich kommen, was vor 100 Jahren war, bemerkt man, dass wir in den Dörfern früher ja Hunderte Silicon Valleys in Form von Kompetenzzentren gehabt haben. Wenn wir uns die ländliche Gegend anschauen: Wir waren einmal Sen­senmacher, einmal eine Keramikstadt, dort eine Gegend für Weber. Genau das könnten wir in die Wissensgesellschaft transformieren, indem wir Bereiche im ländlichen Raum schaffen, wo Menschen zusammenarbeiten können. Dazu brauchen wir die Digitalisie­rung. Ich sage immer, das Internet ist der Nachfolger der Post, und darum braucht es auch den Breitbandausbau, damit auch dort die Post wieder abgeht, wo die Post längst abgeht. – Danke. (Beifall.)

13.08


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Nächste Rednerin: Landtagsabgeordnete Ulrike Schwarz aus Oberösterreich. – Bitte.


13.08.19

Ulrike Schwarz (Abgeordnete zum Oberösterreichischen Landtag, Grüne)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Politik! Ich freue mich, dass ich vonseiten des Landtags hier dabei sein kann. Mir ist ganz wichtig, noch einmal auf einen anderen Aspekt hinzuweisen: Gerade die Coronapandemie zeigt uns, wie wichtig die Gesundheits- und Sozialversorgung ist, gleich ob in der Stadt oder am Land, in der peripheren Region. Schauen wir dorthin! Für den Standort, für das Dableiben der jungen Frauen, für das Zuziehen von Familien, aber natürlich auch, damit alle gut und im Stundenausmaß so lange arbeiten können, wie sie wollen, ist es genauso wichtig, eine gesicherte Versorgung mit Kinderbetreuung zu haben. Das sind ganz wichtige Standortfaktoren, die oft nach hinten geschoben werden.

Wir müssen auch hier neu denken. Wir können nicht in alten Muster weitermachen und sagen, es wird schon kommen, irgendwer von der Politik – wir sind hier alle Politik – wird das schon richten. Nein, wir müssen wieder auf den Sozialraum zurückgehen. Nicht umsonst war genau dieser Sozialraum die Keimzelle der Gemeinde, wie es auch Kollege Clemens Stammler gesagt hat, um die Menschen dort einzubinden, damit sie sich aktiv beteiligen können, was die Bedürfnisse und Stärken betrifft.

Wie heute schon einige am Podium gesagt haben, geht es im ländlichen Bereich genauso wie im städtischen Bereich um die Sozialraumorientierung. In der Stadt ist es halt das Grätzel, und im ländlichen Bereich sind es vielleicht mehrere Gemeinden zusammen, die einen Sozialraum schaffen, wo man jetzt zum Beispiel auch die Communitynurses, diese Gemeindeschwestern, einsetzt.

Ich komme aus dem Gesundheitsbereich, und früher haben wir sie in der Region – ich komme aus dem Mühlviertel – noch gehabt. Ich habe viel mehr über den Gesund­heits­zustand der Familien, aber auch über das soziale Netzwerk gewusst und wo es vielleicht jemanden gibt, der helfen kann, wo man eben zusammenarbeiten kann.

Genau diese Stärke müssen wir für ganz Österreich, für die ländlichen Regionen und auch für die Städte wieder hervorholen. Wir müssen die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Wir müssen einfach viel mehr darauf schauen und Sicherheit haben, dass alte, pflegebedürftige oder auch behinderte Menschen eine gesicherte Betreuung und einen gesicherten Platz in unserer Gesellschaft haben.

Wir müssen auch in der Altenbetreuung neue Modelle denken. Hausgemeinschaften sind besser als große Altenheime, wo sich die Leute nicht so wohl fühlen und sich auch nicht wirklich am Alltag beteiligen können. Das ist mein Aufruf: Schauen wir gemeinsam, dass wir in Stadt und Land in den Regionen zusammenarbeiten und dort auch eine gute Gesundheits- und Sozialversorgung für einen guten Standort Oberösterreich und Österreich sicherstellen! – Danke. (Beifall.)

13.11


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Letzter gemeldeter Redner ist Philipp Ovszenik vom ÖGB. – Bitte.


13.11.18

Philipp Ovszenik (ÖGB)|: Geschätzter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Bundesjugend­sek­retär des ÖGB und darf als solcher die Jugendabteilung des ÖGB leiten. Ich danke für die Einladung und freue mich sehr, dass ich hier insbesondere zu den Interessen der Jugendlichen und Lehrlinge sowie jugendlicher Arbeitnehmer sprechen darf.

Es wurde heute viel über Wirtschaft und Arbeit gesprochen, es wurde aber kaum das Wort Lehrling oder Lehre in den Mund genommen. Das bedauere ich eigentlich sehr, denn diese Jugendlichen haben sich meines Erachtens in dieser Debatte viel mehr Wertschätzung und Anerkennung verdient. (Beifall.)

Ich habe mir im Vorfeld ein paar Zahlen angesehen, die vielleicht für euch und Sie alle sehr spannend sind, nämlich die Zahlen vom Jugenddialog. Das ist eine Umfrage, bei der insgesamt 3 000 TeilnehmerInnen, Jugendliche in ganz Österreich befragt wurden. Folgende Erkenntnis habe ich dadurch erlangt: Die Jugendlichen wollen eher am Land leben. Das haben wir heute auch schon gehört. Faktisch erleben wir aber das Gegenteil, nämlich die Abwanderung in die Städte, in die Zentren.

Und warum ist das so? Wenn man weiterliest, erfährt man, dass es 92 Prozent der Befragten für wichtig empfinden, dass es gute Jobs vor Ort gibt. Wenn man weiterliest, sieht man, dass nur ein Drittel der Befragten zustimmt, dass es diese qualitativ hoch­wertigen Jobs vor Ort tatsächlich gibt. Wir müssen da also ansetzen, gemeinsam für Veränderungen kämpfen und diese auch herbeiführen.

Es ist unerlässlich, dass es bessere Arbeitsbedingungen und Ausbildungsbedingungen für Lehrlinge und junge Fachkräfte gibt, und da möchte ich zwei Branchen ganz beson­ders hervorheben, einerseits die Tourismus- und Freizeitwirtschaft: Wir erleben dort, dass es bei den Lehrlingszahlen massive Rückgänge gibt und dass es einen großen Fachkräftemangel gibt, der sich auch noch verschärfen wird. Das heißt, da braucht es bessere Arbeitszeiten, bessere Arbeitsbedingungen und zu guter Letzt auch bessere Bezahlung.

Auch in der Pflege – sie ist heute schon ein paar Mal angesprochen worden – müssen wir ansetzen. Ich glaube nicht, dass eine Pflegelehre das Modell ist, um mehr Pflege­kräfte in diesen Bereich zu bekommen. Was aber ganz klar ist: Zu wenig Personal wird am Ende unser aller Gesundheit gefährden. Auch in diesem Bereich fordere ich bessere Arbeitsbedingungen ein.

Nicht nur der Wettbewerb der Regionen – AMS-Chef Kopf hat das vorhin so schön gesagt – ist erforderlich, sondern auch das attraktive Angebot der Unternehmen und Betriebe für die jungen ArbeitnehmerInnen, denn wir sind momentan, glaube ich, in einem Umbruch, wobei sich bald die Unternehmen und Betriebe bei den Jugendlichen und Menschen bewerben müssen und nicht umgekehrt.

Abschließend eine letzte Bemerkung: Ich bin überzeugt davon, dass das Ausspielen Stadt gegen Land nicht zielführend ist. Das bringt am Ende niemandem etwas. Wir müs­sen an einem gemeinsamen Strang ziehen. Ich glaube, es braucht ein echtes Mitei­nander und es geht darum, genügend Ausbildungsplätze mit den besten Rahmen­bedingungen für die jungen ArbeitnehmerInnen und Lehrlinge in Österreich zu schaffen. (Beifall.)

13.14


Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Vielen Dank.

13.14.54V. Schlussworte des Präsidenten


13.14.56

Vorsitzender Präsident Dr. Peter Raggl|: Wir sind nun am Ende unserer Enquete angelangt, und ich darf vielleicht noch in ein paar Schlagworten wesentliche Ergebnisse dieser Enquete zusammenfassen.

Wir haben aus verschiedenen Perspektiven – von Bundes- und Landespolitik, von Zu­kunftsforschung über Wissenschaft und die Fachwelt – unterschiedliche Sichtweisen auf den ländlichen Raum erfahren können, die uns, glaube ich, in unserer gemeinsamen zukünftigen Arbeit für den ländlichen Raum weiterbringen können.

Was haben wir gehört und was können wir lernen? – Es gibt den Trend in Richtung ländliche Räume, Matthias Horx hat von einem Sehnsuchtsraum gesprochen. Politik für ländliche Räume erfordert eine enorme Bandbreite an Anstrengungen und Herausfor­derungen. Elisabeth Köstinger spricht von einem Instrumentenkoffer, der für die Bewäl­tigung der Probleme der ländlichen Räume notwendig ist. Der Klimawandel bringt unter anderem ein neues Denken für regionale Kreisläufe. Leonore Gewessler spricht dabei auch von einer Chance für ländliche Räume und einem Treiber für neue Entwicklungen im ländlichen Raum.

Eine zentrale Bedeutung haben auch die Infrastrukturen. Wo es keine entsprechenden Infrastrukturen gibt, macht man die Arbeitnehmer zu Pendlerinnen und Pendlern. Das kann gerade im Hinblick auf den Klimawandel nicht sinnvoll sein.

Neben dem Ziel, Arbeit und Wertschöpfung auf das gesamte Land zu verteilen, wie uns Landesrat Ludwig Schleritzko berichtete, ist es vor allem ein Ziel, ein modernes Angebot an Kinderbetreuung als Schlüsselkriterium im ländlichen Raum zu schaffen. Dafür braucht es eine Bündelung der Kräfte von Bund, Ländern und Gemeinden. Landesrat Tratter hat an uns als Bundesvertreter eine Botschaft in Richtung Finanzausgleich gesendet, die auch, glaube ich, verstanden wurde.

Eine völlig neue Situation wurde im Zusammenhang mit dem Wettbewerb der Regionen um Arbeitskräfte beschrieben. Danke an Johannes Kopf, der uns das auch augen­schein­lich vor Augen geführt hat. Darauf müssen sich die Stakeholder in den ländlichen Re­gionen einstellen und versuchen, ihre Chance wahrzunehmen.

Es wurde auch betont, dass die Landwirtschaft essenzielle Leistungen zum Erhalt attrak­tiver ländlicher Räume erbringt. Will man diese unverzichtbaren Leistungen aufrecht­erhalten, braucht es nicht nur eine Wertschätzung für die Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte, es braucht auch eine entsprechende Wertschöpfung auf den Höfen.

Es gibt in den Regionen nicht nur Gewinner. Die meisten Chancen, hat uns Markus Schermer berichtet, werden auch zukünftig die Speckgürtel rund um die Ballungsräume haben. Schwieriger wird es auch zukünftig für die peripheren Regionen sein, und hier braucht es große Anstrengungen, um Arbeitsplätze in diesen Regionen zu halten, um entsprechende Angebote für den öffentlichen Verkehr zu schaffen, um den Ausbau der Kinderbetreuung zu gewährleisten und vieles andere mehr.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bauen wir – so wie heute bei dieser Enquete, gemein­sam über die Parteigrenzen hinweg – auf die gewonnenen Erkenntnisse des heutigen Tages auf und arbeiten wir gemeinsam für eine positive Entwicklung der ländlichen Regionen!

Das Thema aufgelockerte Reihen auf der Regierungsbank wurde angesprochen. Ich möchte am Ende ein Kompliment an das Plenum machen: Ich sehe selten in dieser Konstanz volle Reihen hier im Plenum. Ich danke vielmals für die Mitarbeit im Plenum. – Alles Gute und danke vielmals.

13.19

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Die Enquete ist geschlossen. (Beifall.)

13.19.20Schluss der Enquete: 13.19 Uhr

 

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