Stenographisches Protokoll.

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96. Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung
der Republik Österreich.

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Dienstag, den 20. Juli 1920.

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Tagesordnung: 1. Bericht des Verfassungsausschusses über: a) die Vorlage der Staatsregierung (923 der Beilagen), betreffend die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung (945 der Beilagen), und b) die Vorlage der Staatsregierung (924 der Beilagen), betreffend die Wahlordnung für die Nationalversammlung (946 der Beilagen). — 2. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (623 der Beilagen), betreffend die große Vermögensabgabe (941 der Beilagen). — 3. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (825 der Beilagen), betreffend die Voraussetzungen der Übernahme österreichischer Kriegsanleihe als Schuld der Republik Österreich (942 der Beilagen). — 4. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (918 der Beilagen), betreffend die Führung des Staatshaushaltes vom 1. August bis 31. Dezember 1920 (933 der Beilagen). — 5. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (857 der Beilagen), betreffend Maßnahmen für die Behandlung ehemals österreichischer Zivilstaats(Staatsbahn)angestellter aus Anlass ihrer Übernahme in den Dienst der Republik (931 der Beilagen). — 6. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (893 der Beilagen), betreffend die Dienstverhältnisse der unter Artikel IV des Gesetzes vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15, fallenden Postdienerschaft mit Dienstprüfung (932 der Beilagen). — 7. Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (868 der Beilagen), betreffend die Bestandverträge über Grundstücke, die als Spiel-, Sport- oder Turnplätze in gemeinnütziger Weise verwendet werden (Spielplatzschutzgesetz) (929 der Beilagen). — 8. Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (869 der Beilagen), betreffend die Anforderung von Grundstücken für die gemeinnützige Verwendung als Spiel-, Sport- oder Turnplätze (Spielplatzanforderungsgesetz) (930 der Beilagen). — 9. Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten über den Antrag der Abgeordneten Witzany, Hafner und Genossen (357 der Beilagen), bezüglich Ausgestaltung und Erweiterung der Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen und Stahlbearbeitung in Steyr (883 der Beilagen).


 

Inhalt.

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Personalien.

Abwesenheitsanzeige (Seite 3119).

Zuschriften der Staatsregierung,

betreffend die Gesetzentwürfe:

1. über die Aufnahme des Burgenlandes in das Staatsgebiet der Republik Österreich (928 der Beilagen (Seite 3119));

2. betreffend die Verwendbarkeit der von der Gemeinde Salzburg auf Grund des mit landesgesetzlicher Ermächtigung aufgenommenen Anlehens auszugebenden Teilschuldverschreibungen zur fruchtbringenden Anlegung von Stiftungs-, Pupillar- und ähnlichen Kapitalien (948 der Beilagen (Seite 3119) — Zuweisung der Vorlage an den Finanz- und Budgetausschuss (Seite 3119)).

Verhandlungen.

Bericht des Verfassungsausschusses über:

a) die Vorlage der Staatsregierung (923 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung (945 der Beilagen), und

b) die Vorlage der Staatsregierung (924 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Wahlordnung für die Nationalversammlung (946 der Beilagen — Generaldebatte — Redner: Berichterstatter Dr. Adler (Seite 3120 und 3134), die Abgeordneten Dvorak (Seite 3124), Gröger (Seite 3126), Dr. Schürff (Seite 3127), Dr. Danneberg (Seite 3139) — Spezialdebatte über Punkt a), sowie über Punkt b) — Annahme der beiden Gesetze in zweiter und dritter Lesung (Seite 3138 und 3139)).

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (623 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die große Vermögensabgabe (941 der Beilagen — Redner: Berichterstatter Dr. Weiskirchner (Seite 3139), die Abgeordneten Friedmann (Seite 3145), Dr. Otto Bauer (Seite 3150), Dr. Buresch (Seite 3158), Kraft (Seite 3164)).

Komitee zur Überwachung der wirtschaftlichen Demobilisierung.

Mitteilung des Präsidenten, betreffend die Niederlegung des Mandates als Mitglied dieser Kommission seitens des Abgeordneten Partik (Seite 3167).

Ersatzwahl des Abgeordneten Dr. Waihs als Mitglied dieser Kommission an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Partik (Seite 3168).

Ausschüsse.

Mitteilung des Präsidenten, betreffend die Niederlegung des Mandates als Mitglied des Finanz- und Budgetausschusses von Seiten des Abgeordneten Dr. Waber (Seite 3167).

Ersatzwahl des Abgeordneten Dr. Angerer als Mitglied des Finanz- und Budgetausschusses an Stelle des zurückgetretenen Abgeordneten Dr. Waber (Seite 3168).

 

Zuweisungen:

1. 920 der Beilagen an den Ausschuss für Erziehung und Unterricht (Seite 3167);

2. 936 und 937 der Beilagen an den Finanz- und Budgetausschuss (Seite 3167);

3. 919 der Beilagen an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft (Seite 3167);

4. 921 der Beilagen an den Ausschuss für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten (Seite 3167).

 

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Verzeichnis

der in der Sitzung eingebrachten Anträge und Anfragen:

 

Anträge

1. der Abgeordneten Wiesmaier, Josef Weiß, Pischitz und Genossen, betreffend die Einführung einer staatlichen Automobilsteuer (955 der Beilagen);

2. des Abgeordneten Niedrist und Genossen, betreffend eine Notstandsangelegenheit (956 der Beilagen);

3. der Abgeordneten Gruber, Parrer und Genossen, betreffend eine Notstandsangelegenheit (957 der Beilagen);

4. der Abgeordneten Weigl, Höchtl und Genossen in Notstandsangelegenheiten (958 der Beilagen).

 

Anfragen

1. der Abgeordneten Altenbacher, Birchbauer, Dengg und Genossen an den Staatssekretär für Äußeres, betreffend die Durchführung der territorialen Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain an der südsteirischen Grenze (Anhang I, 396/I);

2. der Abgeordneten Parrer, Gruber und Genossen an den Staatssekretär für Äußeres, betreffend Angelegenheiten des Burgenlandes (Anhang I, 397/I);

3. der Abgeordneten Dr. Gimpl, Lieschnegg und Genossen an den Staatssekretär für Äußeres, betreffend die Befreiung Radkersburgs, Spielfelds und des Abstaller Beckens von der jugoslawischen Besetzung (Anhang I, 398/I);

4. der Abgeordneten Richter, Stika, Smitka, Dr. Danneberg und Genossen an den Staatssekretär für Inneres über die schweren Ausschreitungen in Baden vom 18. d. M. (Anhang I, 399/I).

 

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An Druckschriften sind eingelangt:

Vom Fortbildungsschulrate in Wien:

10 Exemplare des 47. Berichtes über das Schuljahr 1917/18 und 1918/19.

 

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Zur Verteilung gelangen am 20. Juli 1920:

die Regierungsvorlagen 928, 934, 935 und 948 der Beilagen;

der Bericht des Ernährungsausschusses 938 der Beilagen;

der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft 939 der Beilagen;

die Berichte des Finanz- und Budgetausschusses 940, 943, 947 und 949 der Beilagen;

die Anträge 919, 920, 921, 936 und 937 der Beilagen;

die Anfragebeantwortung 163.

 

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Beginn der Sitzung: 3 Uhr 30 Minuten nachmittags.

 

Vorsitzende: Präsident Seitz, Zweiter Präsident Hauser, dritter Präsident Dr. Dinghofer.

Schriftführer: Schönsteiner, Dr. Angerer.

Vorsitzender im Kabinett: Staatssekretär Dr. Mayr.

Staatssekretäre: Hanusch für soziale Verwaltung, Breisky für Inneres und Unterricht, Dr. Reisch für Finanzen, Haueis für Land- und Forstwirtschaft, Heinl für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten, Dr. Renner für Äußeres, Dr. Deutsch für Heereswesen, Dr. Ellenbogen.

Unterstaatssekretäre: Glöckel und Miklas im Staatsamte für Inneres und Unterricht, Dr. Resch und Dr. Tandler im Staatsamte für soziale Verwaltung.

Leiter des Staatsamtes für Volksernährung: Ministerialrat Dr. Grünberger.

Auf der Bank der Regierungsvertreter: Ministerialrat Dr. Fröhlich von der Staatskanzlei und Ministerialrat Dr. Ruber vom Staatsamte für Inneres und Unterricht, Sektionschef Gottlieb-Billroth, Ministerialrat Grünwald, Adjunkt Lind-Gapp vom Staatsamte für Finanzen.

 

Präsident: Ich eröffne die Sitzung.

Das Protokoll über die Sitzung vom 15. Juli ist in der Kanzlei zur Einsicht für die Mitglieder aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Der Herr Abgeordnete Weiser hat sich krank gemeldet.

Es sind Zuschriften eingelangt, mit denen die Einbringung von Vorlagen der Staatsregierung angekündigt wird.

Ich ersuche um Verlesung dieser Zuschriften.

Schriftführer Schönsteiner (liest):

„Auf Grund der mir in der Sitzung des Kabinettsrates vom 13. Juli 1920 erteilten Ermächtigung beehre ich mich, den Entwurf eines Gesetzes über die Aufnahme des Burgenlandes in das Staatsgebiet der Republik Österreich (928 der Beilagen) mit dem Ersuchen zu übersenden, diesen Entwurf als Vorlage der Staatsregierung der verfassungsmäßigen Behandlung zu unterziehen.

Wien, am 14. Juli 1920.

Dr Mayr.“

„Auf Grund der mir in der Sitzung des Kabinettsrates vom 16. Juli 1920 erteilten Ermächtigung beehre ich mich, den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Verwendbarkeit der von der Gemeinde Salzburg auf Grund des mit landesgesetzlicher Ermächtigung aufgenommenen Anlehens auszugebenden Teilschuldverschreibungen zur fruchtbringenden Anlegung von Stiftungs-, Pupillar- und ähnlichen Kapitalien (948 der Beilagen), in dreifacher Ausfertigung mit dem Ersuchen zu übersenden, diesen Entwurf als Vorlage der Staatsregierung der verfassungsmäßigen Behandlung zu unterziehen.

Bemerkt wird, dass die Stadtgemeinde Salzburg gebeten hat, die Pupillarsicherheit noch im Laufe der Sommersession zu erwirken.

Wien, 16. Juli 1920.

Der Staatssekretär für Finanzen:

Dr. Reisch.“

Präsident: Wenn kein Widerspruch erhoben wird, werde ich die Vorlage, betreffend das Gesetz über die Verwendbarkeit der von der Gemeinde Salzburg auszugebenden Teilschuldverschreibungen zur Anlegung von Stiftungskapitalien sofort dem Finanz- und Budgetausschusse zuweisen. (Nach einer Pause:) Es ist kein Widerspruch erfolgt, ich werde daher die Zuweisung in diesem Sinne vornehmen.

Die Vorlage, betreffend das Gesetz über die Ausnahme des Burgenlandes in das Staatsgebiet der Republik Österreich, werde ich, wenn bis zum Schlusse der nächsten Sitzung kein Begehren auf Vornahme einer ersten Lesung gestellt wird, dem Verfassungsausschusse zuweisen.

 

Wir gelangen nunmehr zur Tagesordnung.

 


Erster Punkt der Tagesordnung sind die Berichte des Verfassungsausschusses über:

a) die Vorlage der Staatsregierung (923 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung (945 der Beilagen), und

b) die Vorlage der Staatsregierung (924 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Wahlordnung für die Nationalversammlung (946 der Beilagen).

Berichterstatter für beide Vorlagen ist der Herr Abgeordnete Dr. Adler. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Dr. Adler: Hohes Haus! Die Wahlordnung, auf Grund deren die Konstituierende Nationalversammlung gewählt worden ist, war eine Wahlordnung nur für diese eine Nationalversammlung und es wurde daher nötig, für die nächsten Wahlen, die infolge des Beschlusses der Nationalversammlung über das Ende der Session am 17. Oktober stattfinden werden, eine neue Wahlordnung vorzulegen und der Beschlussfassung durch dieses hohe Haus zuzuführen.

Meine Herren! Ich will in der Generaldebatte vorläufig nur auf die wesentlichsten Gesichtspunkte dieser neuen Wahlordnung eingehen. Ebenso wie die Wahlordnung für die Konstituierende Nationalversammlung, zerfallen die Bestimmungen, die gegenwärtig vorgelegt werden, auch wiederum in zwei Gesetze: Einerseits in das Gesetz über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung, das in 923 der Beilagen enthalten ist, andrerseits in das Gesetz über die Wahlordnung für die Nationalversammlung, das in 924 der Beilagen vorliegt.

Bezüglich der Einzelheiten erlaube ich mir auf die gedruckten Berichte hinzuweisen. Ich wünsche hier nur die Hauptgesichtspunkte, die bei der Vorlage, wie sie der Verfassungsausschuss unterbreitet, maßgebend gewesen sind, darzulegen.

Es hat sich zunächst darum gehandelt, ob eine neue Wahlordnung zu schaffen sei, und der Verfassungsausschuss ist nach langen Beratungen, denen weitläufige Vorberatungen der Parteien vorangegangen sind, zu dem Beschlusse gekommen, im Wesentlichen an der bisherigen Wahlordnung nichts zu ändern, sondern das Wahlsystem, auf Grund dessen die Konstituierende Nationalversammlung gewählt worden ist, auch den nächsten Wahlen zugrunde zu legen. Ein einziger Punkt war es, bei dem der Wunsch aufgetaucht ist, schon diesmal eine einschneidende Änderung vorzunehmen. Das war die Frage der Reststimmen, die in den Wahlordnungen in Deutschland und in der Tschecho-Slowakei zur Geltung gekommen sind. Unser Wahlrecht, auf Grund dessen die Konstituierende Nationalversammlung gewählt war, sollte ein gleiches Wahlrecht sein. Dem Gesichtspunkte der Gleichheit ist dadurch Rechnung getragen, dass jeder Staatsbürger das gleiche Wahlrecht besitzt. Es ist aber die Gleichheit des Wahlrechtes nicht vollständig durchgeführt, soweit es die Abgrenzung der Wahlkreise, respektive die Zuteilung der Mandate an die Wahlkreise betrifft. Es bestand deshalb der Wunsch, einerseits jenen nichtvertretenen Wählergruppen Rechnung zu tragen, die unter der Wahlzahl sich befinden, also in den sogenannten Reststimmen zum Ausdruck kommen, anderseits aber auch ein Korrektiv zu schaffen, das jene Ungleichheiten, die zwischen der Zuteilung der Mandate an die Wahlkreise stattfinden, irgendwie zur Korrektur bringt.

Meine Herren! Die Ungleichheit der Wahlkreise war schon in der Wahlordnung für die Konstituierende Nationalversammlung vorhanden; sie kam vor allem darin zum Ausdruck, dass man den kleinen Ländern relativ mehr Mandate zugewiesen hat, als ihrer Bevölkerungszahl entsprach, und sie kam verstärkt zum Ausdruck, wenn man an Stelle der Volkszählung vom Ende Dezember 1910, auf welche sich die frühere Wahlordnung stützte, die neue provisorische Volkszählung, die Ende Jänner 1920 stattgefunden hat, zur Grundlage nimmt. Im gedruckten Berichte finden die Mitglieder des Hauses eine Gegenüberstellung dieser Volkszählungsergebnisse und können ihr entnehmen, dass eine ganze Reihe von Wahlkreisen an Bevölkerungszahl abgenommen hat, eine größere Zahl stationär geblieben ist und vereinzelte Wahlkreise an Bevölkerungszahl auch zugenommen haben. Wenn man auf Grund des Proporzes eine Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise vornehmen würde, käme ein wesentlich anderes Bild zustande, als es in der Wahlordnung, auf Grund deren die Konstituierende Nationalversammlung gewählt ist, zum Ausdruck kommt. Die Mitglieder der Nationalversammlung finden eine derartige Gegenüberstellung auf Grund des Proporzes auf Seite 6 des gedruckten Berichtes, der Sie entnehmen können, dass die Länder Tirol und Vorarlberg begünstigt sind, noch stärker das Land Salzburg, gegenüber den Ländern Niederösterreich und Steiermark. Einzig das Land Oberösterreich hat jene Zahl von Mandaten zur Verfügung, die ihm auf Grund des Proporzes auch zukommen würden.

Es wäre also, meine Herren, naheliegend gewesen, eine Neueinteilung vorzunehmen, das heißt wenn man die Wahlkreisgrenzen festhalten wollte, eine neue Zuweisung der Mandatszahlen auf Grund des Proporzes vorzunehmen. Es war auch weiter nötig, den Tatsachen Rechnung
 zu tragen, die durch den Frieden von St. Germain gesetzt sind. Es

 


haben einzelne Länder, so vor allem Steiermark und Tirol — bei Kärnten ist die Sache ja noch ganz unklar — und zum Teil auch Niederösterreich Änderungen ihres Gebietes erfahren und es war daher nötig, wie es provisorisch schon in der konstituierenden Nationalversammlung bezüglich des Wahlkreises Südtirol und des Wahlkreises Unter- und Mittelsteiermark geschehen ist, eine Neueinteilung vorzunehmen. Das hat in der Konstituierenden Nationalversammlung provisorisch stattgefunden. Es ist von den vier Mandaten von Südtirol ein einziges für den Bezirk Lienz übrig geblieben, es sind dem Kreise Unter- und Mittelsteiermark, der früher neun Mandate hatte, sechs Mandate gelassen worden. Diese damalige provisorische Zuteilung hätte nun durch eine definitive Regelung ergänzt und ersetzt werden müssen und es lag nahe, auch in diesem Punkte eine vollständig neue Ordnung eintreten zu lassen.

Die Unterschiede sind ganz erheblich. Am krassesten kommen sie zum Ausdruck, wenn wir einen Wiener Kreis etwa mit dem Wahlkreis Salzburg vergleichen. Da finden wir, dass im sechsten Wiener Wahlkreis auf 28.332 Wahlberechtigte ein Abgeordneter entfällt; im Wahlkreis Salzburg dagegen entfällt nicht auf 28.000, sondern bereits auf 18.116 Wahlberechtigte ein Abgeordneter. Es ist also eine sehr starke Begünstigung der ländlichen Bevölkerung gegenüber der industriellen vorhanden. Diese starke Begünstigung fällt noch mehr ins Auge, wenn man die neue Volkszählung berücksichtigt. Man kann daraus erkennen, dass der sechste Wiener Wahlkreis, das ist der Wahlkreis Hietzing, bei 278.246 Einwohnern sechs Abgeordnete wählt, dagegen der Wahlkreis Salzburg, der um nahezu 65.000 Einwohner weniger hat, ein Mandat mehr hat, nämlich sieben Abgeordnete wählt, so dass wir zu konstatieren haben, dass im sechsten Wiener Wahlkreis auf 46.374 Einwohner, während in Salzburg schon auf 30.554 ein Abgeordneter entfällt, also in Wien, in dem Wahlkreis Südwest nahezu um 50 Prozent mehr Einwohner auf ein Mandat entfallen als im Wahlkreis Salzburg.

Das sind grobe Ungerechtigkeiten, die dem gleichen Wahlrechte durchaus nicht entsprechen, und es wäre daher naheliegend, dass man mindestens auf die Länder den Proporz entsprechend der d'Hondtschen Methode anwendet. Wenn das geschähe, wenn man die Länder zur Grundlage nähme, dann würden in Niederösterreich statt 85, wie bisher, 88, in Steiermark statt 24, wie bisher, 25 Abgeordnete gewählt werden müssen und hätten Tirol und Vorarlberg je einen Abgeordneten, Salzburg zwei Abgeordnete weniger zu erhalten. Wenn man dagegen etwa den Wahlkreis Salzburg zur Grundlage machen und sagen wollte, wie das immer betont wurde, an dem Besitzstande von Salzburg darf nichts geändert werden, und dann diesen Schlüssel für die übrigen Länder anwenden wollte, müsste Wien um zwölf Mandate mehr erhalten, als es gegenwärtig hat.

Die Herren sehen aus diesen wenigen Beispielen bereits, dass dieses sogenannte gleiche Wahlrecht bezüglich der Zuteilung der Mandate auf die Wahlkreise starke Ungleichheiten aufweist, die einer Reform bedürfen würden. Es ist nun im Verfassungsausschusse nicht möglich gewesen, eine Änderung in dieser Beziehung anzubahnen. Die Anwendung des Proporzes auf die Länder war nicht möglich, weil erklärt worden ist, dass gegenwärtig an dem Besitzstande der Länder nichts geändert werden soll, dass die Volkszählungsergebnisse noch nicht als endgültig betrachtet werden dürfen und dass, wenn man auch theoretisch die Methode d'Hondt für die proportionale Einteilung als die einzig berechtigte ansieht, es gegenwärtig noch nicht möglich sei, sie anzuwenden, weil die Staatsbürgerschaft, die Zahl der Staatsbürger, noch nicht im Einklange steht mit der Zahl der Einwohner des Wahlkreises. Erst nachdem der Friedensvertrag von St. Germain in Kraft getreten sein wird, werde es möglich sein, die Zahl der Staatsbürger endgültig zu fixieren, so dass also die proportionale Einteilung erst in einem späteren Zeitpunkte möglich sein wird. Es wurde von allen Parteien anerkannt, dass sie für die übernächsten Wahlen dann tatsächlich in Kraft werde treten müssen. (Unruhe.)

Präsident (das Glockenzeichen gebend): Darf ich um Ruhe bitten. Der Herr Redner kann sich ja nicht verständlich machen.

Berichterstatter Dr. Adler: Meine Herren! Es wurde dann noch der Vorschlag in Erörterung gezogen, dass man zwar nicht die Methode d'Hondt auf die Länder anwenden, sondern erklären soll, auf je 40.000 Einwohner entfalle ein Mandat und die Reste über 10.000 werden mit Rücksicht auf die kleinen Länder für voll gerechnet. Das hätte nur eine Verschiebung in der Richtung bewirkt, dass Tirol und Salzburg ein Mandat weniger erhalten hätten, dagegen Steiermark ein Mandat mehr. Es wäre also das Unrecht, das Niederösterreich erfährt, gar nicht in Frage gekommen. Niederösterreich und Vorarlberg hätten ihren Besitzstand behalten. Auch zu dieser Regelung, die der Gerechtigkeit im Sinne des Proporzes näherkommt, konnte man sich nicht entschließen, für diesen Vorschlag war keine Mehrheit zu finden, so dass man davon abgesehen und die Verteilung der Mandate auf die Länder, wie sie in der früheren Wahlordnung vorhanden war, auch zur Grundlage der Wahlordnung gemacht hat, die gegenwärtig dem Hause vorliegt.

Man hat aber dann im Verfassungsausschuss wenigstens den Versuch unternommen, innerhalb der

 


Länder eine Verteilung zu finden, die dem Proporz entspricht. Diese Verteilung bedingt nur Änderungen innerhalb Niederösterreich einerseits und innerhalb Steiermark anderseits. Es kann Steiermark die Zahl der Mandate behalten, die es früher hatte, es sollen nur die Mandate innerhalb des Landes auf die Wahlkreise, entsprechend der Einwohnerzahl, verteilt werden. Das hätte bedingt, dass der Wahlkreis Untersteier ein Mandat weniger erhalten hätte, das dem Wahlkreis Obersteier zugefallen wäre. Dieser Vorschlag war bereits in der Regierungsvorlage enthalten und entsprechend diesem Vorschlage wurde durch einen Antrag des Abgeordneten Dr. Danneberg vorgeschlagen, dass auch bezüglich Niederösterreichs eine derartige proportionale Verteilung stattfinden möge, was bedeutet hätte, dass die Wahlkreise 4, 6, 9 und 11 je ein Mandat mehr, die Wahlkreise 1, 2, 7 und 10 ein Mandat weniger erhalten hätten, dass das ganze Land Niederösterreich dieselbe Zahl von Mandaten hätte, aber Wien zugunsten des flachen Landes auf ein Mandat hätte verzichten müssen.

Es wurde dieser Antrag Danneberg und die Regierungsvorlage vom Verfassungsausschuss angenommen. In einer folgenden Sitzung hat sich aber dann im Zusammenhang mit anderen Vereinbarungen, die da getroffen worden sind, die Notwendigkeit herausgestellt, diesen Beschluss zu reassumieren und es hat der Verfassungsausschuss schließlich den Beschluss gefasst, auch von diesen Änderungen abzusehen, nämlich innerhalb der Länder den Proporz zur Durchführung zu bringen, sondern er hat die alte Einteilung der Mandate vollkommen akzeptiert. Es wird auf Grund genau derselben Zuteilung der Mandate für die Wahlkreise gewählt werden. Das bedingt nunmehr, meine Herren, dass bezüglich der Regierungsvorlage in dem Punkt 25 (früher 24) eine Änderung vorgenommen wird. Während die Regierungsvorlage dem Proporz Rechnung trägt, indem sie dem Wahlkreis Mittel- und Untersteier fünf Mandate zuwies, heißt es nun „sechs“ Mandate, und während sie dem Wahlkreis Obersteier anstatt sieben Mandate acht zuwies, entfällt dieser Absatz bezüglich Obersteier, weil keinerlei Änderung eintritt.

Es ist also dieses Wahlgesetz mit denselben Mängeln behaftet wie das Wahlgesetz, welches wir bisher gehabt haben, und es erscheint nur möglich, dass auf Grund der Reststimmenvertretung, die eingeführt werden wird, eine gewisse Korrektur — zwar nicht zugunsten der Länder, wohl aber im Sinne des Gleichgewichtes der proportionalen Vertretung der politischen Parteien eintreten werde. Man hat geglaubt, vorläufig mit einer derartigen Vertretung der Reststimmen das Auslangen finden zu können. Diese Forderung der Reststimmenvertretung war nun bei unserer Wahlordnung nicht ganz leicht verwirklichbar. Es ist den Mitgliedern des hohen Hauses bekannt, dass in Deutschland die Reststimmenvertretung in einer ganz anderen Weise vorgenommen wird, weil auch die Wahlordnung eine vollständig andere ist, indem auf je 60.000 Stimmen, die irgendeine Partei erhält, ein Mandat entfällt und dasselbe System der vollen 60.000 Stimmen nun auf die Reststimmenvertretung angewendet wird. Dieses Wahlrecht, welches ja seine großen Vorzüge hat, hat aber doch den einen großen Nachteil, dass die Zahl der Abgeordneten, die gewählt werden, von gewissen Zufälligkeiten der Wahlbeteiligung abhängig und vor allem nicht im Voraus vollständig berechenbar ist, so dass die Zahl der Abgeordneten eben erst das Ergebnis der Wahlen selbst sein kann. Zu einer derartigen Reform hat man sich nach dem Grundsatz, möglichst wenig an der bisherigen Wahlordnung zu ändern, nicht entschließen können, sondern hat an dem Grundsatz der bisherigen Wahlordnung festgehalten. Es soll von vornherein fixiert werden, welche Größe die Nationalversammlung habe, es soll von vornherein die Zahl der Abgeordneten fixiert werden, und zwar hat man an der Zahl von 160 Mitgliedern festgehalten, die das Haus gegenwärtig besitzt, und hat 15 Mitglieder dazu kreiert, die als Reststimmenvertreter auftreten würden, so dass das ganze Haus 175 Mitglieder haben wird.

Es war nun die Frage, in welcher Form unter den Umständen, die von den Verhältnissen bei den deutschen Wahlen verschieden sind, die Reststimmenvertretung eintreten könnte. Es liegt da zunächst nahe, das Muster zu wählen, das in dem Wahlgesetz der tschecho-slowakischen Republik zum Ausdruck kommt. Dieses Wahlgesetz war für uns in vielen Belangen ganz akzeptabel, es hätte aber den einen Nachteil gehabt, dass die Form der Berechnung der Wahlresultate nach der Methode d'Hondt, die sich bei uns durch die Anwendung bei den Nationalversammlungswahlen, bei den Landtagswahlen und bei den Gemeinderatswahlen eingebürgert hat, aufgegeben hätte werden müssen, dass wir ein neues Rechnungsverfahren hätten zur Grundlage nehmen müssen und nicht mehr nach der Methode d'Hondt hätten rechnen können, bei der man einfach die Rechnung in der Form durchführt, dass man die Hälfte der Stimmen, das Drittel, das Viertel usw. nimmt, und die in sehr einfacher, elementarer Weise zu dem Resultat führt. Wir hätten diese Rechnungsmethode aufgeben müssen und dazu konnte sich der Verfassungsausschuss nicht entschließen. Der Verfassungsausschuss ist auf dem Standpunkt gestanden, es solle die Methode d'Hondt, die sich eingebürgert hat, jetzt nicht durch eine neue Rechnungsmethode verdrängt werden. Wir kamen deshalb in die Lage, die 160 Mandate nach der Methode d'Hondt weiter
 


zu verteilen, wie es bisher der Fall war, und für die 15 Mandate, die durch Reststimmen zu besetzen sind, ein anderes Verfahren einzuschlagen. Da war es nun weiters naheliegend, dass man sagt: Man verteilt diese weiteren Restmandate in der Form, dass man die Reststimmen, die die einzelnen Parteien erhalten haben, wiederum auf Grund der Methode d'Hondt einfach verteilt, respektive die Zahl der Reststimmen jeder Partei durch die Wahlzahl dividiert und der Partei die entsprechende Zahl von Mandaten zuweist. Das hätte wiederum eine Unsicherheit darüber bedingt, wieviel Restmandate herausgekommen wären. Wir wollten eine Grenze fixieren, damit das Haus nicht allzu groß werde. Man hat sich gesagt, dass unseren staatlichen Verhältnissen die Zahl von 175 Mandaten vollständig entspreche, während man, wenn man ohne Limitierung Restmandate zugeteilt hätte, zu Zahlen gekommen wäre, die unter Umständen über das Doppelte der 15 Mandate hinausgegangen wären. Es hätte sogar die Möglichkeit bestanden, dass das Dreifache an Restmandaten zu verteilen gewesen wäre. Das hätte wiederum bewirkt, dass das Verhältnis der Restmandate zu den Mandaten, die im ersten Skrutinium besetzt werden, ein relativ zu großes gewesen wäre. Man hat deshalb beschlossen, die Limitierung der Restmandate vorzunehmen, nur 15 Restmandate zu besetzen und diese auf Grund der d'Hondtschen Methode zur Verteilung zu bringen.

Auch bezüglich dieser Restmandate war es nun sehr schwer, eine Einigung im Ausschusse zustande zu bringen, da Tendenzen vorhanden waren, diese Restmandate auch auf die Länder zu verteilen. Das hätte nun keine wirkliche Korrektur mehr bedeutet, sondern hätte, wenn man von vornherein die 15 Mandate verteilt hätte, es dem reinen Zufall anheimgegeben, welche Parteien dann in den einzelnen Ländern diese Mandate erhalten hätten; es wäre keine Korrektur im Sinne des Proporzes eingetreten. Man hat sich also deshalb — und es mussten Parteien, bei denen die Länderinteressen stark im Vordergrunde stehen, darin manches Opfer bringen — entschlossen, in der Form vorzugehen, dass dieses zweite Skrutinium oder, wie es bei uns offiziell heißt, das zweite Ermittlungsverfahren in der Zentrale stattfindet, dass die Reste aus allen Ländern zusammengezählt werden und wir es also mit einer Art Reichszählung zu tun haben werden. Man ist jedoch diesen Wünschen der Länder in dem Sinne entgegengekommen, dass es für keine Partei nötig sein soll, eine sogenannte Reichsliste einzureichen, sondern sie kann ihren Anspruch auf Reststimmenvertretung geltend machen, ohne dass sie gezwungen wäre, gleichzeitig eine Liste der Kandidaten für dieses zweite Ermittlungsverfahren vorzulegen. Wenn eine Partei eine solche Liste nicht vorlegt, dann wird einfach auf Grund des d'Hondtschen Verfahrens jenen größten Resten, welcher Wahlkreis, es dann immer ist, einfach dieses Mandat für den Nächsten, der da in Betracht kommen könnte, zugewiesen.

Es ist klar, dass diese Bestimmung, die es den Parteien anheimstellt, ob sie eine Liste einreichen wollen oder ob die Sache automatisch verteilt werde, sicherlich keine ist, die im Sinne der Bestimmungen unseres Gesetzes sehr erfreulich ist, weil sie den Parteien eine gewisse Willkür in die Hand gibt, aber es war die Methode, auf deren Grund doch eine Einigung zustandekommen konnte.

Nun wurden in dieses Gesetz auch Bestimmungen aufgenommen, die sich mit den kleinen Parteien befassen, und zwar wurde entsprechend den Bestimmungen, wie sie in Deutschland sind und wie sie auch in der Tschecho-slowakischen Republik bestehen, bestimmt, dass keine Partei im zweiten Ermittlungsverfahren mehr Mandate besetzen kann, als sie im ersten Ermittlungsverfahren bereits erhalten hat. Diese Bestimmung soll in dem Sinne wirken, dass nicht — und da handelt es sich nicht mit Parteien — irgendwelche Eigenbrötler, die allen politischen Parteien ferne stehen, indem sie etwa in verschiedenen Wahlkreisen je einige hundert Stimmen aufbringen, diese nun zusammenzählen und, obwohl sie in gar keinem einzigen Kreise wirklich Fuß fassen können, doch zu einer Vertretung in der Gesamtheit kommen. Diese Bestimmung ist in Deutschland in der Wahlordnung durchgeführt und sie ist von uns aus der deutschen Wahlordnung einfach übernommen worden.

Das, meine Herren, sind die wesentlichen Punkte, die sich auf die Grundlagen der Wahlordnung beziehen.

Ich habe nun noch ein Wort bezüglich des Gesetzes über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung zu sagen. Es wurde in dem Gesetze die Legislaturperiode mir drei Jahren festgelegt. Es bestanden verschiedene Wünsche bezüglich der Legislaturperiode. Von Seiten der Vertreter der christlichsozialen Vereinigung wurde ein Antrag gestellt, die Legislaturperiode mit fünf Jahren festzusetzen, von Seiten des Verbandes der sozialdemokratischen Abgeordneten wurde der Wunsch geäußert, die Legislaturperiode mit zwei Jahren festzusetzen. Es kam schließlich auf Grund langwieriger Verhandlungen die Übereinkunft zustande, die Legislaturperiode mit drei Jahren festzusetzen. Es wurde konstatiert, dass diese Festsetzung ja vorläufig für diese eine Legislaturperiode bestimmt sei, dass bezüglich der weiteren, folgenden Parlamente, die unser Staat haben wird, ja die Verfassung endgültig entscheiden werde. Es konnte aber weder dem Beschlusse, den zuerst der Verfassungsausschuss gefasst hat, nämlich die Zeit mit fünf Jahren
festzusetzen, zugestimmt werden, noch hatte der Vorschlag, sie


mit zwei Jahren festzusetzen, Aussicht, die nötige Mehrheit zu gewinnen, und da das Gesetz über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung eine Zweidrittelmehrheit voraussetzt, war es nötig, die beiden Standpunkte soweit in Einklang zu bringen, dass sich eine Mehrheit in diesem Hause finden kann.

Die anderen Abänderungen, von denen im schriftlichen Berichte die Rede ist, sind wesentlich stilistischer Natur und können ja Gegenstand der Spezialdebatte sein. Ich habe also im Namen des Verfassungsausschusses dem hohen Hause den Antrag zu unterbreiten (liest):

„Die Nationalversammlung wolle dem beigeschlossenen Gesetzentwurf, 946 der Beilagen, über die Wahlordnung für die Nationalversammlung mit den vom Ausschusse beantragten Änderungen die Zustimmung erteilen.“

Denselben Antrag stelle ich bezüglich 945 der Beilagen.

Endlich liegt noch eine Resolution des Herrn Abgeordneten Dr. Danneberg vor, auf die ich die Herren aufmerksam mache, die auf einem separaten Zettel zur Verteilung gekommen ist und die der Verfassungsausschuss einstimmig angenommen hat. Sie lautet folgendermaßen (liest):

„Die Regierung wird aufgefordert:

1. Den Gemeinden einen angemessenen Teil der Kosten, welche die Durchführung der Wahlen am 17. Oktober 1920 verursacht, zu vergüten. Die Grundsätze hiefür sind im Einvernehmen mit dem Hauptausschusse festzustellen.

2. Den wahlwerbenden Parteien einen Kostenbeitrag für die Stimmzettel zu gewähren, der nach Durchführung der Wahlen auszuzahlen und entsprechend der Stimmenzahl der einzelnen Parteien zu bemessen ist.“ Diese Resolution wird vom Verfassungsausschusse dem hohen Hause auch zur Genehmigung unterbreitet. Auf die einzelnen kleinen Druckfehler werde ich mir erlauben in der Spezialdebatte zu sprechen zu kommen und entsprechende Abänderungsanträge zu stellen.

Ich bitte das hohe Haus, in die Spezialdebatte einzugehen.

Präsident: Als Regierungsvertreter sind im Hause erschienen Herr Ministerialrat Dr. Fröhlich von der Staatskanzlei und Ministerialrat Ruber vom Staatsamt des Innern.

Ich schlage vor für beide Gesetze eine gemeinsame Generaldebatte zu führen und dann je eine Spezialdebatte, und zwar erstens eine über die Wahlordnung und zweitens eine über das Einberufungsgesetz. Wenn keine Einwendung erhoben wird — und dies ist nicht der Fall —, so nehme ich an, dass das Haus mit diesem Vorgange einverstanden ist.

Zum Worte gemeldet ist zunächst, und zwar kontra, der Herr Abgeordnete Dvorak.

Abgeordneter Dvorak: Hohes Haus! Ich müsste mich schämen, nicht nur vor meinen Wählern, sondern auch vor der Geschichte, wenn ich nicht gegen das Wahlgesetz protestieren würde, das uns die Regierung vorgelegt hat. Die Habsburg-Lothringische Dynastie hat wenigstens nach außen verkündet, dass Gerechtigkeit die Grundlage des Staates sein soll, Sie aber, meine Herren, wollen in der Republik das unhaltbarste Unrecht gesetzlich festlegen. Schon das alte Wahlgesetz, das Gesetz für die Konstituierende Nationalversammlung ist ein himmelschreiendes Unrecht gegen uns gewesen. Sie haben eine Wahlgeometrie geschaffen, die uns bloß in Wien um drei Mandate betrogen hat. Wir haben in Wien und in einem niederösterreichischen Wahlkreise 67.514 Stimmen bekommen und daher gebührten uns wenigstens vier Mandate. Die Öffentlichkeit, meine Herren, hat mit Recht erwartet, dass Sie jetzt das große Unrecht, welches in dieser undemokratischen Geometrie steckt, abschaffen werden. Besonders die Wiener Bevölkerung hat erwartet, dass Sie wenigstens die Stadt Wien für einen Wahlkreis zu erklären gewillt sein werden. Anstatt dessen kommen Sie mit einem neuen großen Unrecht, und zwar mit der Bestimmung, dass beim zweiten Skrutinium keine Partei mehr Mandate erhalten kann, als sie bei der Verteilung in den Wahlkreisen erhalten hat. Das kann ich nicht schweigend übergehen. Diese Bestimmung betrifft wieder die Minoritäten und trotz aller politischen Raffiniertheiten, die hier wirksam waren, ist es nicht zu verdecken, dass es Absicht war, die Minoritäten zu unterdrücken. Es macht sich hier ein System geltend, das Lassalle immer verurteilte, das System, der Gewalt einen gesetzlichen Deckmantel zu geben. Sie tun es allerdings sehr raffiniert, aber vergessen Sie nicht, dass diese Raffiniertheit sehr unmoralisch ist. Unterdrücken ist keine Regierungskunst, sondern Recht und Zufriedenheit zu schaffen.

Die großen Parteien, meine Herren, die hier sitzen, können allerdings bei 15 Mandaten nicht mehr bekommen als bei 160 Mandaten im ersten Skrutinium. Es wird aller Welt klar sein, dass es sich nur um eine Unterdrückung der Minoritäten handelt. Anstatt die tschecho-slowakische Wählerschaft, die bloß in Wien mehr als 65.000 Stimmen abgegeben hat und, wenn sie ebenso wie die großen Parteien behandelt worden wäre, 4 Mandate
 besitzen müsste, zufriedenzustellen, anstatt ihr das Recht zu verschaffen, wie Sie dazu nach dem
Friedensvertrage verpflichtet sind, trachten Sie, das Unrecht noch zu
 


verdoppeln und den Tschecho-Slowaken auch sogar noch das eine Mandat unmöglich zu machen. Im Wahlkreis Wien-Nordost —Leopoldstadt, Brigittenau, Floridsdorf — wurden wir um ein Mandat verkürzt, nur weil eine Koppelung stattfand. Jetzt soll die Koppelung nicht mehr möglich sein, aber trotzdem sollen wir das Mandat verlieren, wenn es gelingen wird, uns auch im 7. Wahlkreis das Mandat zu entziehen.

Meine Herren! Meine persönlichen Interessen vertrete ich hier nicht, aber es geht um die Minderheit und geradeso, wie Sie für ihre eigenen Minoritäten Rechte verlangen, sollten Sie einsehen, dass auch andere Minoritäten Rechte zu verlangen berechtigt sind. Nach Ihrem Plan könnten die Tschecho-Slowaken sogar 100.000 und mehr Stimmen für ihre Kandidaten abgeben und trotzdem kein Mandat erringen, wenn es Ihnen gelingt, beim ersten Skrutinium die Wahl eines tschecho-slowakischen Kandidaten zu hintertreiben. Die Tschecho-Slowaken werden die Stimmen abgeben, die Mandate jedoch wollen Sie anderen Parteien schenken. Sie glauben gewiss, dass das politisch und vernünftig ist, aber ich erkläre das für unmoralisch und auch für unklug. Mit List und Heucheleien hat Altösterreich manipuliert und sie wissen, wie weit Altösterreich es gebracht hat. Ich bin zwar nicht imstande, das Recht der tschecho-slowakischen Minoritäten hier durchzusetzen, und was Sie unter sich ausgemacht haben, könnte auch keine Gruppe der tschecho-slowakischen Abgeordneten, falls sie hier sitzen würde, hintanhalten. Vergessen Sie aber nicht, meine Herren, dass das Ausland richten wird.

Meine Herren, es ist noch Zeit, die Sache zu regeln — streichen Sie die ungerechten Zeilen aus dem Gesetz! Ich beantrage, dass der Satz: „Keine Partei kann jedoch im zweiten Ermittlungsverfahren mehr Abgeordnetensitze erhalten, als ihr im ersten Ermittlungsverfahren zugefallen sind“ gestrichen werde. Meine Herren, ich wiederhole es, meine eigenen Interessen vertrete ich mit diesem Antrage nicht. Ich kann ruhig erklären, dass ich es nicht nur im Interesse der tschecho-slowakischen Minorität beantrage, ich tue es vielmehr im Interesse der Demokratie, die durch dieses Gesetz stark berührt ist. Sie machen das demokratische Proporzrecht, welches man als große demokratische Errungenschaft betrachtet, vollkommen illusorisch, wenn Sie sagen, dass den zweiten Skrutinium die Stimmen nicht denen zugezählt werden sollen, für welche sie abgegeben worden sind, sondern ganz anderen, die zunächst in Betracht kommen. Wo finden Sie in der Welt die Regel, dass die Stimmen, welche die Wähler abgegeben haben, nicht denjenigen, für die die Wählerschaft gestimmt hat, sondern ganz anderen Parteien gehören? In der „Arbeiter-Zeitung“ habe ich am Sonntag gelesen, was für ein wundersamer Abgeordneter es wäre, der etwa in jedem Wahlkreise 500 Stimmen erhielte und nach der Zusammenzählung als Abgeordneter auftreten könnte. Ich glaube, dass dieser Abgeordnete nicht so wundersam wäre wie der nächstfolgende, der nicht durch eigene, sondern durch ganz fremde Stimmen gewählt sein wird. Die „Arbeiter-Zeitung“ scheint zu glauben, dass die Wahl zu einem Rechenexempel herabsinken würde, wenn man alle Parteien am zweiten Skrutinium partizipieren lässt. Nein, das wäre kein Rechenexempel, sondern ein Recht. Ein Rechenexempel soll wirklich eingeführt werden, wenn nicht alle Parteien partizipieren, ein Rechenexempel, wie es darin besteht, die Stimmen denjenigen, für welche sie abgegeben werden, abzurechnen und anderen, denen sie nicht gehören, zuzurechnen. Dann werden wir wirklich nicht gewählte, sondern raffiniert zusammengezählte Abgeordnete haben. Wir werden ein Rechenexempel haben, wie das Recht mit Unrecht geschlagen ist.

Man sagt uns, dass Deutschland so ein Gesetz hat. Ja, meine Herren, hat uns der Krieg nicht gelehrt, dass nicht alles gut ist, was man von Deutschland lernt? Wäre Österreich ein - neutraler Staat geblieben, anstatt das Muster Deutschland nachzuahmen, wären wir heute besser daran. Nun gut, Deutschland lässt keine Partei am zweiten Skrutinium partizipieren, wenn diese beim ersten Skrutinium kein Mandat erhalten hat. Hat aber Deutschland dieselben Verpflichtungen wie Österreich? Dem Deutschen Reiche schreibt kein Friedensvertrag vor, dass es das Minoritätsrecht respektieren soll, weil Deutschland keine Minoritäten hat.

Dann hat Deutschland eine ganz andere Wahlgeometrie, als Sie in Österreich geschaffen haben. So kleine Wahlkreise sind nirgends zu finden wie in Österreich. In Prag zum Beispiel hat man einen Wahlkreis gemacht, in dem man 45 Abgeordnete wählt. So kann jede Minorität ihr Recht durchsetzen. In Wien aber gibt es Wahlkreise mit höchstens neun, ja sogar fünf Abgeordneten. Das ist kein Proporz und auch keine demokratische Sicherheit, es ist Arbeit für die Reaktion. (Widerspruch.) Wenn Sie wirklich ein demokratischer Staat werden wollen, schaffen Sie diese sieben Wiener Wahlkreise ab und erklären Sie die Stadt Wien für einen Wahlkreis mit 48 Abgeordneten.

Ich beantrage, dass § 1 der Wahlordnung zu lauten habe (liest):

„Die Stadt Wien bildet einen Wahlkreis mit 48 Abgeordneten.“

Die Bestimmung des § 38c, dass keine Partei im zweiten Ermittlungsverfahren mehr Abgeordnetensitze erhalten kann, als ihr im ersten Ermittlungsverfahren zugefallen sind, wird undemokratisch bleiben auch in
dem Falle, wenn Wien als ein Wahlkreis erklärt sein wird. Es ist eine Bestimmung zugunsten


der großen Parteien und zuungunsten der schwachen und schwächeren. Die letzten Wahlen in der Tschecho-Slowakei haben uns gelehrt, dass nicht nur eine, sondern verschiedene Parteien beim zweiten Skrutinium viel mehr Mandate erhalten haben als beim ersten Ermittlungsverfahren. So bekam zum Beispiel die Modráček-Partei, die fortschrittlichen Sozialisten, welche beim ersten Ermittlungsverfahren nur ein Mandat erhalten hat, später noch zwei Mandate, also zusammen drei, die Gewerbepartei bekam auch nur ein Mandat beim ersten Ermittlungsverfahren, beim zweiten und dritten fünf, also zusammen sechs Mandate; die Deutsche christlichsoziale Partei bekam beim ersten Ermittlungsverfahren bloß vier Mandate, später sechs, also zusammen zehn. So in der tschecho-slowakischen Republik. Hier in Österreich soll das Gesetz so ungerecht sein, damit man den Starken zugeben kann, was man den Kleinen wegnehmen will. Und wieder sollen die Tschecho-Slowaken dulden. Wenn wir mit 67.000 Stimmen rechnen, die wir im Februar 1919 bekommen haben, so bekommen wir nach den Bestimmungen des § 38c im besten Falle zwei Mandate anstatt vier. Also um die Hälfte sollen wir wieder beraubt werden.

Meine Herren! Das widerspricht nicht nur den Prinzipien der Demokratie, sondern auch dem Friedensvertrag, den Sie durchzuführen versprochen haben. Mit dieser Gesetzesvorlage sabotieren Sie den Friedensvertrag und trachten Sie wieder, die tschecho-slowakische Minorität zu unterdrücken.

Gerade meinen Parteigenossen, den Sozialdemokraten, muss ich sagen, sie mögen gut erwägen, was sie tun. Sie machen ein Gesetz gegen die ihnen nächststehenden, gegen die demokratischen und republikanischen Wähler. In Österreich spricht man viel von Reaktionsgefahr und mit Recht. Die Reaktion ist schon marschbereit und das Kommando zum Ausmarsch haben gerade Sie, Parteigenossen, mit diesem kuriosen Wahlgesetz gegeben!

Präsident: Zum Worte gelangt der Abgeordnete Gröger.

Abgeordneter Gröger: Hohes Haus! Der Artikel 4 des vorliegenden Gesetzentwurfes bestimmt, dass im Lande Kärnten die Wahlen zur Nationalversammlung erst nach erfolgter Volksabstimmung vorzunehmen sind. Mit Rücksicht auf die eigenartigen Verhältnisse, die wir in unserem Lande haben, lässt sich gegen diese Bestimmung nichts einwenden. Denn in den beiden strittigen Zonen A und B wohnt ein Drittel der Bevölkerung des Landes und es ist nicht gut möglich, dass man über die Köpfe eines Drittels der Bevölkerung hinweg Wahlen vornimmt.

Trotzdem muss ich sagen, dass die Arbeiterschaft Kärntens es bedauert, dass sie nicht wie die übrige Bevölkerung Deutschösterreichs am 17. Oktober zur Wahlurne schreiten kann. Die Arbeiterschaft Kärntens, die an Kämpfe gewöhnt ist und die aus diesen Kämpfen auch häufig als Sieger hervorgegangen ist, wünscht sehnlichst die Neuwahlen herbei und möchte sich mit den verschiedenen anderen politischen Parteien des Landes gern im Wahlkampf messen.

Bei der gegenwärtigen politischen Situation bleibt nichts anderes übrig als der Appell an das Volk. Das Volk soll entscheiden, wie in Zukunft die Parteienkonstellation im Parlament und wie die Regierung zu sein hat. Und wenn auch alle nichtsozialdemokratischen Parteien des Staates darangehen, sich zu einem Block gegen die Sozialdemokratie zusammenzuschließen, so fürchtet die Arbeiterschaft diesen Block durchaus nicht, sondern sie wartet geradezu mit Sehnsucht auf den Wahltag, um mit allen jenen Menschen und politischen Parteien Abrechnung halten zu können, die bisher zur Konsolidierung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse und zum Wiederaufbau unseres Wirtschafts- und Staatslebens nichts anderes übrig hatten als Schmähungen und Beschimpfungen jener Menschen, die Tag und Nacht an der Arbeit waren, um diesen armen Staat vor dem völligen Zusammenbruch zu bewahren.

Wir haben gar keine Ursache, uns vor der Entscheidung des Volkes zu fürchten, weil wir wissen, dass das Volk ganz genau und gut zu beurteilen imstande ist, was in der Republik in politischer und sozialpolitischer Hinsicht geschaffen wurde. Wir wissen allerdings auch, dass es dem Kapitalisten und den ihrer Vorherrschaft entkleideten Offizieren, Fürsten, Grafen und Baronen eine Hoffnung sein mag, wieder jene alte Herrschaft aufrichten zu können und Protest gegen die demokratische und freiheitliche Entwicklung im Staate zu erheben. Aber die Arbeiterschaft des ganzen deutschösterreichischen Staates fürchtet diese Herrschaften nicht im geringsten und sie wird mit ihnen am Wahltage abzurechnen wissen. So gern wir also auch in Kärnten am 17. Oktober an dem Wahlkampf teilnehmen würden, können wir uns der Notwendigkeit nicht verschließen, dass in diesem so viel geprüften Lande wegen der bevorstehenden Volksabstimmung die Nationalratswahlen zu dieser Zeit nicht vorgenommen werden können.

Am 16. Juli d. J. ist endlich der Friedensvertrag endgültig ratifiziert worden. Und nun besteht für das vielgequälte und vielgeplagte Volk des Kärntnerlandes die Möglichkeit, durch Volksabstimmung innerhalb dreier Monate so wie es im Friedensvertrag festgestellt ist, zu entscheiden, was aus dem Lande werden soll.
Ich möchte von dieser Stelle an die bereits in Klagenfurt eingetroffene


interalliierte Abstimmungskommission den dringenden Appell richten, ihren ganzen Einfluss aufzubieten, damit die unerhörten Gewalttätigkeiten, die in der Zone A von den Jugoslawen bisher verübt wurden und die geradezu zu einem europäischen Skandal geworden sind, endlich aufhören, damit die Bevölkerung der Zone A in die Lage komme, frei und unbeeinflusst ihr Stimmrecht auszuüben. Dann wird es möglich sein, dass das gequälte, Jahre hindurch gemarterte Volk des Landes Kärnten endlich wieder zur Ruhe und Arbeit und zu friedlichem Schaffen gelangt. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte gelangt der Abgeordnete Dr. Schürff Ich erteile ihm das Wort.

Abgeordneter Dr. Schürff: Hohes Haus! Nach längeren Beratungen hat uns der Verfassungsausschuss zwei Berichte vorgelegt, einen Bericht über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung und einen zweiten, betreffend die Wahlordnung. Es wäre freilich zu wünschen, dass das Ergebnis der Beratungen, die der Vorlage dieser Berichte vorangegangen sind, ein erfreulicheres Resultat gezeitigt hätte, als dasjenige ist, das durch die Beschlussfassung über diese beiden Berichte zustande kommen dürfte. Denn es steht heute schon fest, dass alles, was wir bezüglich dieser beiden Angelegenheiten beschließen, wieder nur provisorischer Natur sein wird, und dass wir nicht imstande sind, etwas Endgültiges, Definitives an Stelle der bisherigen ungenügenden und provisorischen Bestimmungen zu beschließen.

Was den ersten Bericht über die Wahlen und die Einberufung der Nationalversammlung anbelangt, so möchte ich zunächst mit Befriedigung feststellen, dass aus diesem Bericht eine Unrichtigkeit, die in der Wahlordnung für die jetzige Nationalversammlung enthalten gewesen ist, verschwunden ist, nämlich die Bezeichnung der Nationalversammlung als einer konstituierenden. Es war von Anfang an eine ganz unrichtige Bezeichnung oder Charakterisierung unserer Nationalversammlung, als einer konstituierenden, denn meine verehrten Kollegen und Kolleginnen, konstituiert war der Staat bereits durch die Provisorische Nationalversammlung, und die der jetzigen Nationalversammlung gegebene Bezeichnung als Konstituante war vollständig hinfällig und insbesondere deswegen unzweckmäßig gewesen, weil sie der Bevölkerung ein ganz falsches Bild über die Aufgaben der Nationalversammlung gegeben hat.

Die Arbeit, die wir aber jetzt leisten, bleibt eine Stück- und Teilarbeit; denn die Wahlbestimmungen, die durch die zwei Berichte geschaffen werden sollen, sind wieder nur provisorischer Natur. Wir finden keine Veränderung in den wesentlichen Bestimmungen, die uns alle interessieren und insbesondere eine Reform des ganzen Wahlgesetzes herbeiführen sollten, zum Beispiel, in der Wahlkreiseinteilung, bei der Mandatsverteilung. Insbesondere aber enthält diese Wahlordnung zwei Bestimmungen, die eigentlich in das ganze Prinzip, das in einer Wahlordnung zum Ausdruck kommen soll, nämlich in das Prinzip der Verhältniswahl nicht hineinpassen; denn einerseits besteht ein Wahlkreis, der nach der Einerwahl wählt, wie der Wahlbezirk Lienz, und andrerseits ist eine Bestimmung über das Burgenland enthalten, wo die Mandatszahl nicht festgestellt werden konnte.

Hinsichtlich der Legislaturperiode stand meine Gruppe auf dem Standpunkte, dass es besser gewesen wäre, der Nationalversammlung schon heute eine längere Legislaturperiode zuzusichern. Die kurzen Legislaturperioden parlamentarischer Körperschäften haben große Nachteile, insbesondere den einen, dass die Wahlkampfstimmung niemals aus der Arbeit dieser Vertreterkörperschaften verschwindet. Der Abgeordnete kommt noch aufgepeitscht durch die Leidenschaften des Wahlkampfes in das Parlament herein und kommt nicht zur entsprechenden ruhigen, fruchtbaren Arbeit. Es ist daher, meine verehrten Damen und Herren, lebhaft zu bedauern, dass es nicht gelungen ist, der nunmehr zur Neuwahl beschlossenen Nationalversammlung eine längere Legislaturperiode als eine solche von drei Jahren zuzusichern. Es wird dadurch auch nicht erreicht, stabile und arbeitslustige Elemente in größerer Zahl hereinzubringen, als es bis zum heutigen Tage der Fall gewesen ist. Den neugewählten Kollegen wird eben die Möglichkeit des Einlebens in das ganz eigenartige Getriebe parlamentarischer Arbeit von vornherein erschwert, und wenn die Tätigkeit der jetzigen Nationalversammlung bis zum heutigen Tage nicht jenes erfolgreiche und befriedigende Ergebnis auszuweisen hatte, das wir gewünscht hätten, so ist dies endlich und schließlich darauf zurückzuführen, dass infolge der kurzen Mandats- oder Legislaturperiode dieses Hauses viele Kollegen, die vor kaum 5/4 Jahren neugewählt in dieses Haus hereingekommen sind, den parlamentarischen Geschäftsgang nicht genug kennen lernten, in die Eigenartigkeit des Betriebes sich nicht hineinfinden konnten und jetzt am Ende der Periode verschwinden und neuen Männern Platz machen sollen. Es wäre zweckmäßiger gewesen, um für längere Zeit einen größeren Arbeitserfolg zu sichern, eine entsprechend größere Arbeitsperiode; eine längere Legislaturperiode in Aussicht zu nehmen. Und insbesondere ist zu bedauern, dass auch das künftige Haus — das kann schon heute gesagt werden — wieder unter den Schlagworten und dem
Einflusse der Wahlkampftaktik stehen wird. Denn kaum wird dieses neue Haus beisammen


sein, so werden sich verschiedene Parteien wieder mit dem Gedanken vertraut machen, sich nicht nur von den Interessen des Staates und der gesamten Bevölkerung und den Nöten unseres Wirtschaftslebens beeinflussen zu lassen, sondern vielleicht schon dasjenige wieder vorzubereiten, was der künftige Wahlkampf und ihr Parteivorteil vorschreiben dürfte.

Hinsichtlich des Wahltages ist der Wunsch zum Ausdruck gekommen, dass den Wünschen unserer bäuerlichen, landwirtschaftlichen Bevölkerung nach einer Verschiebung hätte Rechnung getragen werden sollen, leider war die Erfüllung dieses Wunsches nicht durchführbar.

Was die zweite Vorlage anbelangt, nämlich den Bericht über die Wahlordnung, so gestatten Sie mir darüber einige Worte. Unser bisheriges Wahlgesetz, über das auch der Herr Berichterstatter bereits in sehr eingehender Weise kein zustimmendes Urteil abgegeben hat, in dem Sinne, dass er selbst hervorhob, es sei nicht möglich gewesen, durch dieses Proprotionalwahlsystem den Grundsatz der Gleichheit und Gerechtigkeit allüberall durchzuführen, wird nun in seinen Grundzügen auch für die künftige Wahlordnung übernommen. Da müssen wir gestehen, dass der Weiterbestand der schon im alten Wahlgesetze enthaltenen angefochtenen Grundsätze auch im neuen Wahlrechte ehebaldigst, und zwar sobald die Verfassung neu geschaffen und festgelegt sein wird, Anlass geben muss, die Wahlordnung neu aufzubauen. Was hier geschaffen wird, stellt die Befriedigung nur der spärlichsten Wünsche und Forderungen dar, die gestellt worden sind, insbesondere einer Forderung, die von unserer Seite gelegentlich der Verhandlungen über die Bildung der Regierung als eine conditio sine qua non erhoben wurde. Das ist die Verwertung der Reststimmen. Es hat keine Partei dieses Hauses so schwer durch den Verlust der Reststimmen gelitten als die Gruppe, die ich zu vertreten die Ehre habe. Es ist daher nur ganz begreiflich gewesen, dass meine Partei schon von allem Anfange an gegen das jetzige in dem Wahlgesetz enthaltene Aufteilungssystem nach der d'Hondtschen Rechnungsmethode Stellung genommen hat. Das d'Hondtsche Wahlsystem ist — darüber mag man sagen, was man will — effektiv ungerecht; es begünstigt die großen und benachteiligt die kleineren Parteien. Es lässt keine relative Verteilung der Mandate zu, so wie sie eigentlich nach dem Grundsätze einer gerechten Verteilung der Mandate und einem gerechten Wahlrechte wünschenswert gewesen wäre. Man bringt zur Entschuldigung immer nur das eine vor, dass es den Minoritäten nur möglich sein soll, Kontrollzwecke und Kontrollaufgaben zu erfüllen.

Nun, meine verehrten Damen und Herren, ich gebe zu, dass es vielleicht nicht ganz möglich sein wird, bis in die kleinsten Details den Grundsatz der gleichen, gerechten Vertretung rechnerisch durchzuführen, aber eines ist sicher, dass die Angriffe und Vorwürfe, die gegen dieses System erhoben worden sind, in ihren wesentlichen Punkten nicht ganz unbegründet sind. Man erhob bei dem bisherigen Wahlrechte insbesondere Bedenken gegen die sogenannte Koppelung, und zwar aus zweierlei Gesichtspunkten: Dass die Koppelung diejenigen Parteien begünstige, die eben koppeln, und die anderen, die dies nicht tun, benachteilige; dass weiters die Koppelung unsere politische Moral verderbe und die Reinheit der Wahlergebnisse trübe. Das sind zweifellos Ansichten, die als richtig bezeichnet werden müssen. Weiters wird, wie ich schon früher sagte, gegen das bisherige Wahlsystem nach der d'Hondt'schen Rechnungsart immer wieder der Vorwurf erhoben, dass dieses System trotz rechnerischer Richtigkeit die großen Parteien begünstige und die kleineren benachteilige. Der schwerste Vorwurf hat aber unser Wahlrecht in dem Sinne getroffen, dass bei ihm die Reststimmen nicht entsprechend ausgenutzt werden konnten.

Eine Frage, die ebenfalls schon gelegentlich der Beratungen der Provisorischen Nationalversammlung zur Erörterung kam, war die Wahlkreiseinteilung. Doch darüber will ich heute kein Wort verlieren, weil in dieser Frage zweifellos später einmal in der nächstgewählten Nationalversammlung nach der Beschlussfassung über unsere Verfassungsgrundsätze eine endgültige Entscheidung über die Neubildung unserer Wahlkreise und über die Mandatszuweisung wird gefällt werden müssen. Wenn schon an unserem bisherigen Wahlsystem und auch an der jetzt hier vorgelegten Wahlordnung eine so heftige Kritik, zum Teil auch vom Herrn Berichterstatter, geübt wurde, so ergibt sich für uns andrerseits die Pflicht, alle Fehler und Nachteile, die dieses Wahlsystem aufweist, dass Wahlkreise zu groß oder zu klein sind, dass ferner Mandate auf ungleiche Wählerzahlen entfallen, möglichst zu beseitigen.

Der größte Nachteil ergibt sich nach der bisherigen Wahlordnung dadurch, dass dem Wahlrecht, das die einzelnen Wahlberechtigten besitzen, nicht das entsprechende Korrelat, die Wahlpflicht, gegenübersteht. Wenn wir unsere ganze Bevölkerung Österreichs, die wahlberechtigt ist, zur Wahlurne bringen könnten, so wäre es zweifellos möglich, eine entsprechende photographische Wiedergabe der politischen Stimmung unserer Bevölkerung zu bekommen, wie sich einmal der berühmte sozialdemokratische Führer Bebel ausgedrückt hat. Aber so begünstigt dieses Wahlrecht der Ungleichheit das Unrecht, das in ihr festgelegt ist, durch den Mangel der
Wahlpflicht noch besonders. Ich sage, es ist nicht richtig, die Bevölkerung von der Wahlpflicht
zu befreien und ihr andrerseits das Wahlrecht zu geben. Das
 


Wahlrecht ist heute eine öffentliche Funktion des Bürgers, er übt diese im Interesse des Staates und der Allgemeinheit aus. Dieses Recht und diese Pflicht ergibt sich aus dem Grundsatz der Souveränität, die heute ganz auf dem Volke lastet und auf den von dem Volke freigewählten Vertretern in der Nationalversammlung. Die Wahlpflicht ist auch nicht so ganz ungeheuerlich, als sie hingestellt wird. Wir haben nicht nur Länder, wo sie seit Jahrzehnten eingeführt ist, sondern auch solche, in denen sie erst in letzter Zeit eingeführt wurde, wie zum Beispiel in der Tschecho-Slowakei, wo sie sich gut bewährt hat. Auch in der österreichischen Reichratswahlordnung vom Jahre 1907 war bereits dieser Gedanke wenigstens theoretisch zum Ausdruck gekommen. Die Wahlenthaltung, wie sie zur heutigen Zeit nach unserer Wahlordnung möglich gewesen, birgt große Gefahren, sie verhindert ein verlässliches politisches Bild unserer Wähler und trägt dazu bei, in der Bevölkerung selbst das richtige Verständnis für die Politik nicht aufkommen zu lassen.

Die Wahlpflicht macht ferner einen Umstand, der sich bei dem Wahlrecht ohne Wahlpflicht ungünstig fühlbar macht, überflüssig oder eliminiert oder schwächt ihn bedeutend ab; das ist die heftige Agitation und die damit verbundenen Kosten. Man vergesse nicht, was das Herbeischleppen der Wähler in der verschiedensten Form oft für ungeheure Kosten verursacht. Bedenken Sie weiters, dass dazu noch subjektive Momente kommen. Für das Beibehalten der Wahlpflicht spricht insbesondere, dass es das beste Mittel gegen die politische Gleichgültigkeit ist, die sich in manchen Kreisen breit macht, dass es weiters ein Mittel ist, um den politischen Terror bei den Wahlen zu verkleinern. Vergessen Sie nicht, ein Teil der Wählerschaft stimmt unter dem Eindruck des Terrors, ein anderer Teil enthält sich unter dem Eindruck des Terrors. (Sehr richtig!) Daher ist der Wahlzwang zweifellos ein Mittel gegen solche terroristische Ausschreitungen ob sie nun eine positive oder negative Wirkung auf die Wahl ausüben. Die Wahlpflicht ist weiters ein Mittel, um die Wahldersertion unmöglich zu machen. Es gibt, meine Herren, eine Menge von Wählern, welche sich aus Feigheit der Wahl entziehen wollen; man zwingt sie dadurch, dass sie sich politisch betätigen und diese öffentliche Funktion im Interesse des Staates ausüben. Anderseits ist die Wahlpflicht ein Mittel gegen die sogenannten Wahloptimisten. Es gibt viele, die behaupten, dass ihre Stimme nicht notwendig sei, ihre Partei hätte auch ohne ihre Stimme ihre Mandate sicher; anderseits gibt es sogenannte Entsagungspessimisten, die von vornherein erklären, es habe überhaupt keine Bedeutung, zur Wahl zu gehen, die Partei könnte überhaupt keine entsprechende Mandatszahl erreichen.

Gegen alle diese einzuschreiten ist Pflicht, sowohl im Interesse des Staates, als der Reinheit der Wahlen und um ein wirklich getreues Spiegelbild der politischen Ansichten zu bekommen. Es ist nichts Neues, was wir da vorschlagen, und es wundert mich, dass gerade von einer Seite, nämlich, von sozialdemokratischer Seite, gegen die Wahlpflicht Stellung genommen wird, wo doch dieser Grundsatz zum ersten Mal gelegentlich der französischen Revolution zum Ausdruck gekommen ist und man die Theorie verteidigte, dass das Wahlrecht nicht ein individuelles Recht eines Staatsbürgers, sondern eine öffentliche Funktion sei, der sich der einzelne ebenso wenig wie dem Geschwornenamt entziehen dürfe. Aus diesen Gründen sehen wir uns genötigt, neuerlich den Gedanken der Wahlpflicht hier nicht bloß in Diskussion zu stellen, sondern diesbezüglich auch einen Antrag zu stellen, der folgendermaßen lautet (liest):

„Zusatzantrag zu § 3a, Absatz 1.

Jeder Wahlberechtigte hat die Pflicht, an dem festgesetzten Wahltag innerhalb der für die Stimmenabgabe vorgeschriebenen Zeit vor der Wahlbehörde zu erscheinen und seine Stimmzettel abzugeben (Wahlpflicht). Wer sich ohne einen gerechtfertigten Entschuldigungsgrund seiner Wahlpflicht entzieht, wird an Geld mit 10 bis 500 K bestraft. Bei Bemessung der Strafe ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Lage des Wahlberechtigten Rücksicht zu nehmen. Im Wiederholungsfalle ist die Strafe innerhalb des obigen Ausmaßes höher zu bemessen. Als Entschuldigungsgrund, der die Nichtbeteiligung an der Wahl rechtfertigt, ist insbesondere anzusehen:

1. wenn ein Wähler durch Krankheit oder Gebrechlichkeit am Erscheinen im Wahllokale verhindert ist;

2. wenn der Wahlberechtigte das 70. Lebensjahr vollendet hat;

3. wenn ein Wähler durch Pflichten seines Amtes oder durch sonst unaufschiebbare Berufspflichten zurückgehalten wird;

4. wenn ein Wähler auf Reisen außerhalb Österreichs ist;

5. wenn ein Wähler durch Krankheit von Familienmitgliedern oder durch sonstige unaufschiebbare Familienangelegenheiten zurückgehalten wird;

6. wenn ein Wähler durch Verkehrsstörungen oder sonstige zwingende Umstände abgehalten wird. Die Ausübung des Strafrechtes steht der politischen Bezirksbehörde des Wahlortes zu.“


Ich habe schon früher darauf hingewiesen und auch der Herr Berichterstatter hat es in seinen einleitenden Worten getan, dass es notwendig war, die Wahlfreiheit wieder sicherzustellen. Es ist unbedingt und dringendst nötig, dass Präventivmaßnahmen gegen Fälle von Terror und Einschränkung bei den nächsten Wahlen geschaffen werden. Es geht nicht an, dass sich bei den nächsten Wahlen am 17. Oktober vielleicht solche bedauerliche Erscheinungen ereignen, wie sie im vergangenen Jahre am 16. Februar zu bemerken waren, wo nicht bloß ziviler, sondern auch militärischer Terror angewendet wurde, um eine freie, unbeeinflusste Stimmenabgabe der Wählerschaft zu verhindern. In dieser Richtung verlangen wir von der Regierung die weitestgehende Vorsorge und ich hoffe, dass die Regierung die Einsicht haben wird, alle diese notwendigen Maßnahmen rechtzeitig zu veranlassen.

Aber nicht bloß in dieser Richtung allein, auch in einer zweiten Richtung muss die Regierung unserer Wählerschaft die Wahlfreiheit sichern. Ich meine da insbesondere jene Orte, die bis zum heutigen Tage trotz des bestehenden Friedensvertrages, trotz der Zusicherungen der Entente noch immer von jugoslawischen Truppen besetzt sind, wie zum Beispiel in Südsteiermark. Es ist nicht zu dulden und nicht zu billigen, dass diese Teile unserer österreichischen Wählerschaft von der Ausübung des Wahlrechtes durch diese willkürliche Besetzung ausgeschlossen werden, wie zum Beispiel in Radkersburg usw. Ich hoffe, dass die Regierung in der Lage sein wird, in dieser Richtung die entsprechenden Sicherheiten zu bieten.

Ich gestatte mir nun, auf einige Ausführungen des Herrn Vorredners, des Herrn Kollegen Dvorak, kurz zu erwidern. Er hat hier lebhaft über die Bestimmungen dieses Wahlrechtes Beschwerde geführt und gesagt, dass hier ein grobes Unrecht festgelegt würde, und er hat das starke Wort gebraucht, dass dieses Wahlrecht sein Volk um drei Mandate betrügen würde. Ich finde es sonderbar, dass in einem Momente, wo die sogenannten Minoritäten in der Tschecho-Slowakei: die Deutschen, die Slowaken, die Magyaren, die Ruthenen usw., in der entsetzlichsten und barbarischesten Weise bedrängt, ja geradezu mit dem Hungertode und dem Boykott bedroht werden, hier der Vertreter des tschechischen Volkes die Verhältnisse in einer so entstellenden Art schildert. Bei den letzten Wahlen wurde der tschechischen Bevölkerung in Österreich die Ausübung ihres Wahlrechtes nicht genommen und sicher wurde ihr auch kein Wahlrechtsraub zugefügt. Sie konnte von ihrem Wahlrechte ganz frei und ungehindert Gebrauch machen. Der Herr Abgeordnete hat selbst zugegeben, dass hier 65.000 tschechische Stimmen abgegeben werden konnten. Es fragt sich freilich, ob die Tschechen bei den nächsten Wahlen überhaupt noch diese Stimmenanzahl erreichen dürften, weil ja in der Zwischenzeit viele Tausende diese Stadt, die sie früher als ihren politischen und nationalen Kampfboden bezeichnet hatten, aus wirtschaftlichen Gründen, aus Gründen ihrer wirtschaftlichen Besserstellung verlassen haben. Aber eines ist sicher: wenn der Herr Kollege Dvorak behauptet, dass in der Tschecho-Slowakei die Parteien und die Minoritäten besser behandelt würden als bei uns nach der vorliegenden Wahlordnung, so ist er völlig im Unrecht. Dieselben Grundsätze, die hier angewendet werden, gelten auch in der Tschecho-Slowakei. Auch dort — ich kenne den Text des tschechischen Wahlrechtsgesetzes — kann nur jene Partei ein Mandat im zweiten oder dritten Skrutinium erhalten, die mindestens 20.000 Stimmen oder die Wahlzahl, das heißt also ein Mandat im ersten Wahlgange errungen hat.

Wenn daher Kollege Dvorak behauptet, dass in der Tschecho-Slowakei auch diejenigen Mandate bekommen könnten, die im ersten Wahlgange solche nicht erringen konnten, so ist er entweder unrichtig informiert oder er hat uns hier mit dieser Behauptung einfach betören oder irreführen wollen. Dagegen Stellung zu nehmen, sehe ich mich verpflichtet, weil gerade die Tschechen gegen die Deutschen, gegen die Magyaren, ja sogar gegen ihre sogenannten slowakischen Brüder bei den letzten Wahlen in der gehässigsten, gewalttätigsten und egoistischesten Weise vorgegangen sind, und zwar in der Art, dass sie in jene Wahlorte, wo sie befürchteten, dass dort die tschechische Majorität vielleicht nicht völlig gesichert wäre, einfach ganze Garnisonen von Legionären, sogenannte fliegende Wahlbataillone und -regimenter, hineingelegt und mit diesen Bataillonen und Regimentern den entsprechend gewünschten, das heißt tschechischen Wahlausgang herbeigeführt haben. Dagegen in dieser Nationalversammlung Stellung zu nehmen, war notwendig. Unsere Regierung war gewiss jederzeit bemüht, den im Friedensvertrage festgelegten Bedingungen so weit als möglich Rechnung zu tragen. Die Behauptung jedoch, dass unser Staat hier den Minoritäten das ihnen gesetzlich zustehende Recht rauben wollte, ist eine Frivolität, die zurückzuweisen ich mich im Interesse der Wahrheit veranlasst gesehen habe. (Beifall.)

Präsident: Zum Worte gelangt der Abgeordnete Dr. Danneberg.

Abgeordneter Dr. Danneberg: Es ist selbstverständlich, dass das neue Wahlgesetz, das jetzt beraten wird, dieselben Grundsätze enthält, wie das, nach dem die Konstituierende Nationalversammlung gewählt
worden ist, dass wir auch jetzt bei dem allgemeinen gleichen Wahlrecht für Männer und
 


Frauen geblieben sind und dass auch jetzt die Methode des Proporzes Anwendung findet.

Wenn das heute alles eine Selbstverständlichkeit geworden ist, so muss doch daran erinnert werden, dass um die Verwirklichung dieser Grundsätze die Arbeiterklasse einen jahrzehntelangen Kampf führen musste, dem im Jahre 1906 wenigstens ein teilweiser Erfolg geworden ist.

Die Erinnerung an die Zeit, in der zum ersten Male das gleiche Wahlrecht in Österreich verwirklicht worden ist, wird bei der Beratung dieses Wahlgesetzes für die Nationalversammlung lebendig, nicht nur wenn wir an die Grundsätze denken, auf Grund deren dieses Wahlgesetz zustande gekommen ist, sondern auch, wenn wir an die Einzelbestimmungen, insbesondere an die schlechten Bestimmungen denken, die immer noch in dieser Wahlordnung, die heute beschlossen werden soll, vorhanden sind.

Der Herr Berichterstatter hat schon sehr ausführlich von der Einteilung der Wahlkreise, beziehungsweise von der Aufteilung der Mandate auf die einzelnen Wahlkreise gesprochen, und das ist ein Punkt, der die größte Beachtung verdient. Als sich im Jahre 1906 die Idee des gleichen Wahlrechtes durchgesetzt hatte, da hat niemand mehr gewagt, diese Idee als solche irgendwie anzutasten, aber man hat den Versuch nicht aufgegeben, dieses gleiche Wahlrecht auf listige Weise zu verfälschen. Man hat es damals getan, indem man ganz merkwürdige und unnatürliche Wahlkreise konstruiert hat, alles nur unter dem Gesichtspunkte, die Sozialdemokratie zurückzudrängen und ihr nicht jenen Platz in der Volksvertretung einzuräumen, der ihr aus Grund ihrer Stärke in der Bevölkerung gebühren müsste. Man hat die Wahlkreise so konstruiert, dass alle industriellen Orte möglichst in wenige Kreise zusammengepfercht werden sollten, die dann natürlich der Sozialdemokratie als sicherer Besitzstand zufallen müssten, damit sie in all den anderen Kreisen eine hoffnungslose Minderheit werden solle. So konnte ihr Wachstum — haben politische Führer geglaubt — dem Bürgertum nicht schaden; denn wenn sie auch stärker wird, meinte man damals, wird sie stärker immer nur in den Kreisen, die ihr ohnedies gehören und in den anderen bleibt sie eine hoffnungslose Minderheit. Die Ergebnisse der Wahlen schon vom Jahre 1907 und vom Jahre 1911 haben allerdings gezeigt, dass die Herren, die so gerechnet haben, nicht immer richtig gerechnet haben, sondern dass diese Rechnung in mannigfachen Punkten falsch gewesen ist.

Dieses System nun, das gleiche Wahlrecht zu korrigieren, kann man heute, da wir den Proporz haben, freilich nicht mehr anwenden. Heute sind die großen Wahlkreise, in die ein Land eingeteilt wird, ganz selbstverständlich geworden, aber eine Korrektur des gleichen Wahlrechtes hat man trotzdem im vorigen Jahre, als das Gesetz für die konstituierende Nationalversammlung gemacht worden ist, erfolgreich versucht und dieses Unrecht soll nun in das Gesetz, das jetzt dem hohen Hause vorliegt, übernommen werden. Das Unrecht liegt darin, dass man die Mandate nicht gerechterweise nach einem bestimmten Schlüssel auf die einzelnen Wahlkreise, in die das Land zerfällt, aufgeteilt hat, sondern, dass man hier ganz nach Willkür vorgegangen ist, und zwar, wie wir jetzt gleich sehen werden, nach einer Willkür, die dabei ganz bestimmte Absichten verfolgt hat. Man hat in den Beratungen des Ausschusses und der Parteien daraus hingewiesen, dass das Unrecht, von dem schon der Herr Berichterstatter gesprochen hat, dass die Mandate nicht auf die einzelnen Länder gleichmäßig entsprechend der Bevölkerungszahl verteilt sind, jetzt nicht gut gemacht werden könne, da wir wieder keine verlässlichen Grundlagen dafür haben, wie die Bevölkerung im Staate sich verteilt. Dem gegenüber möchte ich aber doch mit Nachdruck darauf hinweisen, dass wir ja jetzt die Resultate einer Volkszählung vor uns haben, die im heurigen Jahre, am 31. Jänner, stattgefunden hat, die also gar nicht alt ist, deren Ergebnisse bereits vorliegen und die sicherlich, auch wenn sie nur eine provisorische Volkszählung genannt wird, doch durchaus verlässliche Resultate über die Verteilung der Bevölkerung liefert, die die Grundlage für eine Neueinteilung der Mandate hätten sein können. Man hat allerdings dagegen eingewendet, dass nicht die Verteilung der Bevölkerung maßgebend sei, sondern die Anzahl der Staatsbürger, die in einem Lande wohnen. Aber wir dürfen doch nicht vergessen, dass die Zahl der Fremden in unserem Lande — das Wort richtig verstanden — eine nicht sehr große ist und dass, wenn man dagegen eingewendet hat, dass bei den vorigen Wahlen viele Leute mitwählen konnten, die keine wirklichen Deutschösterreicher waren, doch dieselben Leute, die man da jetzt gerne ausnehmen möchte, nach dem Friedensvertrage ein Optionsrecht haben und durchaus deutschösterreichische Staatsbürger werden können. Die Zahl der Wähler, die bei den letzten Wahlen in Wien, was immer wieder angeführt wird, ein Wahlrecht gehabt haben, ohne in einer deutschösterreichischen Gemeinde heimatzuständig zu sein, die Zahl solcher Wähler war in Wien etwa 30.000; in Anbetracht einer Gesamtwählerzahl von 1,100.000 spielt diese Ziffer in Wirklichkeit keine Rolle. Allerdings haben sich unter den Wählern viele befunden, die auf Grund des Gebietsgesetzes von 1918 wahlberechtigt geworden sind, also alle diejenigen, die in einer Gemeinde von Deutschböhmen oder dem Sudetenlande heimatzuständig waren und heute allerdings das Wahlrecht verlieren würden. Aber alle diese haben auf Grund des Friedensvertrages ein Optionsrecht und es wäre unserer Ansicht nach ein


Wahlrechtsraub ärgster Sorte, wenn es nicht möglich gemacht würde, dass allen den vielen tausenden Deutschen, die nach einer Gemeinde in Böhmen oder Mähren zuständig sind, die auf Grund des Gebietsgesetzes zu Deutschösterreich gehört hätte, das Optionsrecht so rechtzeitig ermöglicht werden würde, dass sie auch noch das Wahlrecht ausüben können.

Wenn wir das alles in Betracht ziehen, so müssen wir schon sagen, dass auf Grund der Ergebnisse der Volkszählung vom Jänner dieses Jahres ohneweiters eine Neueinteilung der Mandate hätte stattfinden können und wie notwendig sie ist, hohes Haus, das hat der Berichterstatter selbst schon an einigen Zahlen sehr deutlich erwiesen. Ich möchte seine Bemerkungen in dieser Hinsicht nur in einigen Punkten noch ergänzen.

Das Land, das am allerstärksten in der Wahlordnung begünstigt ist, ist das Land Salzburg. Salzburg wählt sieben Abgeordnete bei einer Einwohnerzahl von 212.000. In Salzburg entfällt auf 30.543 Einwohner ein Abgeordneter, während in Wien durchschnittlich auf 38.360 Einwohner ein Abgeordneter entfällt. Wenn wir nur die Wahlberechtigten nehmen, so entfällt in Salzburg ein Abgeordneter aus 18.100 Wahlberechtigte, in Wien auf 23.460 Wahlberechtigte. In Tirol, dem zweitbegünstigten Land, entfällt ein Abgeordneter auf 19.100 Wahlberechtigte, im Lande Niederösterreich ohne Wien auf 22.700 Wahlberechtigte. Der Reichsdurchschnitt ohne Kärnten ist so, dass auf 38.000 Einwohner ein Abgeordneter entfallen soll. In Wien entfällt aber ein Abgeordneter auf 38.360 Einwohner, in Oberösterreich auf 38.950, in Niederösterreich-Land auf 39.350, in Steiermark auf 39.400 Einwohner, während in Salzburg, wie schon erwähnt, auf 30.500, in Vorarlberg auf 33.250 und in Tirol auf 34.000 Einwohner ein Abgeordneter entfällt. Es sind also gerade die Länder Salzburg, Tirol und Vorarlberg außerordentlich begünstigt gegenüber den andern Ländern in Deutschösterreich. Wenn die Mandate auf alle Länder so verteilt würden, wie das bei Salzburg geschehen ist, nach demselben Schlüssel, der auf dieses Land Anwendung gefunden hat, dann müsste Wien nicht 48, sondern trotz seines Bevölkerungsrückganges 60 Mandate haben, und es müsste Niederösterreich-Land statt 37 Mandate 47 oder 48 bekommen. Daraus, hohes Haus, ist am deutlichsten zu ersehen, dass wir es in Wirklichkeit hier mit einem gleichen Wahlrecht nicht zu tun haben, sondern dass die Mandatsverteilung bestimmte Länder in ganz außerordentlicher Weise begünstigt.

Und wenn wir uns fragen, meine Herren, warum gerade diese Länder Salzburg, Tirol und Vorarlberg begünstigt worden sind gegenüber Wien, Niederösterreich-Land und Steiermark, so werden wir sofort sehen, dass diese Gruppierung kein Zufall ist. Salzburg, Tirol und Vorarlberg sind die industriearmen Länder, sind die Länder, in denen das Großbauerntum politisch dominiert. In den Ländern der Industrie, in den Ländern, in denen die breiten Massen der Arbeiter leben, in Wien, Niederösterreich-Land und in Steiermark, da ist man so weit gegangen, dass man 5000 bis 6000 Einwohner mehr auf einen Abgeordneten rechnet als in den begünstigten Ländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg.

Und dass diese Einteilung kein Zufall ist, sehen wir daran, dass sich dieses Unrecht innerhalb der einzelnen Länder wiederholt. Werfen wir einen Blick auf Niederösterreich.

Das Land Niederösterreich hat vier Wahlkreise. Der Wahlkreis, der am wenigsten industriell, ist, ist der Wahlkreis Krems. In diesem Wahlkreise entfällt auf 35.250 Einwohner ein Abgeordneter, im industriellen Wahlkreis Wiener-Neustadt entfällt erst auf 41.000 Einwohner ein Abgeordneter. (Hört! Hört!) Dasselbe wiederholt sich in Steiermark. Das nicht oder sehr wenig industrielle Untersteiermark hat auf 32.700 Einwohner einen Abgeordneten, der industrielle Wahlkreis Obersteiermark aus 41.430 Einwohner einen Abgeordneten und im Grazer Wahlkreis entfallen gar 42.000 Einwohner auf einen Abgeordneten. Wir sehen, das Unrecht, das Privileg der Agrarier wiederholt sich innerhalb der einzelnen Länder. Von einem wirklich gleichen Wahlrecht kann da unseres Erachtens nicht mehr die Rede sein und es wäre sehr dringend und notwendig gewesen, dass diese ungerechte Wahlkreiseinteilung, beziehungsweise diese ungerechte Verteilung der Mandate jetzt ein Ende gefunden hätte.

Es ist abgelehnt worden, weil man gesagt hat, das würde eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses der Länder bedeuten und das soll man nicht machen, bevor nicht die Verfassung erledigt ist. Aber wenn man es jetzt nicht gemacht hat, wird man es unbedingt das nächste Mal machen müssen. Denn dass die Länder bei der Verfassung als Individualitäten in irgendeiner Form berücksichtigt werden sollen, worüber allerdings die Meinungen weit auseinandergehen, in einer zweiten Kammer, und dass außerdem in der Nationalversammlung ein Privileg gewisser Länder vorhanden sein soll, ist ein Zustand, der gewiss nicht gerechtfertigt werden kann. Wir haben schließlich der Einteilung zugestimmt, um das Gesetz nicht zu verzögern, aber wir stellen schon heute fest, dass ein zweites Mal auf Grund dieser ungerechten Einteilung der Mandate absolut nicht mehr gewählt werden kann.

Was nun andere Fragen anbelangt, die eine Rolle spielen und hier in der Debatte erwähnt worden sind,
möchte ich bemerken, dass uns die Abschaffung der Koppelung als etwas durchaus
 


Notwendiges erscheint. Das war so ein Rest aus der Zeit, wo man noch die Stichwahlen gehabt hat, und ein Stück der politischen Unmoral, die die Stichwahlen ins politische Leben gebracht haben, hat auch das System der Koppelung bedeutet. Dass es abgeschafft wird, wird zur Reinigung unseres politischen Lebens gewiss nur beitragen.

Wir sind nicht der Meinung, dass dieses zweite Ermittlungsverfahren, welches das neue Gesetz einführt, eine wesentliche Bedeutung hat. Da es aber gewünscht wurde und manchen Parteien als etwas Gerechtes erscheint, haben wir uns seiner Einführung nicht widersetzt. Wir glauben aber nicht, dass irgendeine besondere Korrektur in dem Verhältnis der Parteien in diesem hohen Hause durch dieses zweite Ermittlungsverfahren eintreten wird.

Wogegen wir uns aber wenden und was wir nicht akzeptieren können, das sind die Abänderungsvorschläge, die von den Abgeordneten Dvorak und Dr. Schürff hier gemacht worden sind. Wenn der Abgeordnete Dvorak den Antrag gestellt hat, dass bei der Durchführung dieses zweiten Ermittlungsverfahrens der Satz gestrichen werden möge, dass keine Partei mehr Mandate erhalten soll, als sie im ersten Wahlgang erhalten hat, so können wir ihm nicht beipflichten.

Der Herr Abgeordnete Dvorak hat auch gegen die „Arbeiter-Zeitung“ polemisiert. Ich glaube aber nicht, dass es ihm gelungen ist, die Gründe, die dort für diese Bestimmung dargelegt waren, zu entkräften. Denn es bleibt eine Tatsache, dass für eine Betätigung in diesem Hause für jedermann eine gewisse Parteigrundlage vorhanden sein, muss, und eine Partei, die nicht einmal in einem einzigen Wahlkreis im Staate so stark wurzelt, dass sie imstande ist, dort ein Mandat zu erringen, ist eben noch zu klein, als dass sie bei der Beteiligung in der Nationalversammlung ernsthaft in Frage kommen könnte, und ein Mandat, das sich aus lauter Resten zusammensetzte, hätte eben kein wirkliches Parteifundament, das für die politische Verantwortung des einzelnen Abgeordneten, wie wir glauben, durchaus notwendig ist.

Wenn der Herr Abgeordnete Dvorak weiter beantragt hat, dass man aus Gründen der Demokratie aus Wien einen einzigen Wahlkreis mache, so glaube ich wohl, dass ein solcher Wahlkreis mit 48 Mandaten innerhalb unseres Staates ein Unikum wäre. Die Demokratie ist nicht verletzt, wenn Wien in sieben Wahlkreise zerfällt, denn von diesen sieben Wahlkreisen hat jeder einzelne so viele Mandate wie ein normaler Wahlkreis draußen auf dem Lande. Der kleinste Wiener Wahlkreis hat fünf Mandate, das sind, wenn ich nicht irre, so viele, wie zum Beispiel in Oberösterreich jeder Wahlkreis, auch der größte hat. Und wir haben in Wien Wahlkreise mit acht und sogar mit neun Mandaten, die also zu den größten von ganz Deutschösterreich gehören. Es ist auch durchaus nicht so, dass etwa die Bevölkerung dieser Millionenstadt etwas Homogenes und Einheitliches, durchaus Zusammengehörendes wäre. Die Abgrenzung nach Bezirken bedeutet schon auch eine gewisse soziale Schichtung der Wiener Bevölkerung nach den Siedlungsverhältnissen, wie sie sich eben in der Großstadt herausgebildet haben. Ich glaube, dass die Wahlkreiseinteilung, die wir heute in Wien haben, so sehr man auch dies und jenes im Detail gegen sie einwenden könnte, doch den Verhältnissen besser entspricht, als ein einheitlicher Wiener Wahlkreis mit 48 Mandaten ihnen entspräche. Für die Anträge des Herrn Abgeordneten Dvorak können wir Sozialdemokraten also nicht stimmen.

Wir können aber auch nicht für den Antrag stimmen, den der Herr Abgeordnete Dr. Schürff gestellt hat. Er hat beantragt, dass die Wahlpflicht allgemein in das Gesetz aufgenommen werde. Ich möchte daran erinnern, dass die Wahlpflicht ja nicht verboten ist. Es ist den einzelnen Ländern auf Grund des Gesetzes überlassen, die Wahlpflicht einzuführen, wenn sie wollen. Für das ganze Reich wird es im Gesetze nicht geregelt, weil man da eben den Ländern einen gewissen Spielraum lassen wollte. Und wenn der Herr Abgeordnete Dr. Schürff mannigfache Gründe für die Wahlpflicht vorgebracht hat, so kann er sich doch nicht verhehlen, dass sehr gewichtige Gründe auch gegen die Wahlpflicht sprechen. Denn alle diese Wählerschichten, die er da charakterisiert hat, die Optimisten und die Pessimisten, die Lauen und die Anderen, es sind doch vielleicht Wählerschichten, die er aus dem nahen Umkreis seiner eigenen Parteigenossen kennt und mit denen er sich innerhalb seiner Partei eben wird auseinandersetzen müssen. Dass es aber im allgemeinen für den Staat ein politischer Gewinn wäre, die Leute mit Geldstrafen dazu zu zwingen, dass sie ein politisches Recht ausnutzen, für das sie kein Interesse haben, das wäre doch eigentlich sehr sonderbar und es scheint uns auch mit den Grundsätzen der Demokratie, von der der Herr Abgeordnete Dr. Schürff uns soviel gesprochen hat, eigentlich gar nicht recht vereinbar. Wer sich nicht interessiert genug erachtet, wer nicht interessiert genug ist, freiwillig zur Wahl zu gehen, der soll nicht durch das Gesetz dazu gezwungen werden. Die Schlepparbeit der Parteien bedeutet doch etwas ganz anderes als der gesetzliche Zwang. Jede Partei versucht, auf die Wähler ihren Einfluss geltend zu machen, dazu ist sie ja da, aber das ist etwas ganz anderes, als wenn man mechanisch mit Geldstrafen den Menschen, der gar kein politisches
Interesse hat, dazu zwingen wollte, eine bestimmte Meinung zu äußern. Und wenn er sich
dann dieser Meinungsäußerung dadurch entzieht, dass er einen
 


leeren Stimmzettel abgibt, so hat man erst nichts erreicht. Wir hatten, glaube ich, im Jahre 1911 in Wien die Wahlpflicht und da wurde eine sehr große Menge weißer Stimmzettel bei den Wahlen abgegeben, gewissermaßen als ein Protest gegen die Idee der Wahlpflicht, die einen Menschen zwingen will, ein Recht auszuüben, wenn er von diesem Recht gar keinen Gebrauch zu machen wünscht. Die Wahlpflicht erscheint uns also nicht als etwas Empfehlenswertes und wir werden gegen den Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr.Schürff stimmen.

Was die einzelnen Bestimmungen im Wahlgesetz anlangt, so muss festgestellt werden, dass da in manchen Beziehungen Verbesserungen gemacht worden sind. Insbesondere die Frage der Stimmzettel scheint uns im neuen Wahlgesetz viel besser geregelt zu sein als im früheren. Es bedarf aber eine Bestimmung doch noch einer näheren Erklärung und ich möchte mir da erlauben, zu dem Gesetz 946 der Beilagen, und zwar zum Artikel II, Punkt 16, einen Abänderungsantrag zu stellen. Der zweite Satz dieses Punktes 16 lautet (liest):

„Auch kann die Art des Papieres“ — nämlich der Stimmzettel — „durch Vollzugsanweisung bestimmt werden.“

Wir wünschen, dass dieser Satz präziser gefasst werde, nicht, dass die Vollzugsanweisung bestimmen kann, sondern, dass sie zu bestimmen hat, und zwar nicht nur die Art, sondern auch die Farbe des Papiers.

Ich beantrage daher, dass dieser zweite Satz durch folgenden ersetzt werden soll (liest):

„Art und Farbe des Papiers werden durch Vollzugsanweisung bestimmt.“

Auch die Farbe, meine Herren, ist wichtig, wenn das Wahlgeheimnis wirklich gewahrt bleiben soll. Ich bitte daher um Annahme dieses Antrages.

Der Herr Berichterstatter hat ferner darauf hingewiesen, dass der Verfassungsausschuss dem hohen Hause zwei Resolutionen oder vielmehr eine Resolution mit zwei Punkten empfiehlt, welche die Kosten der Wahl betreffen. Zunächst, dass den Gemeinden ein angemessener Teil der Kosten vergütet werden soll. Eine solche Bestimmung ist in Deutschland im Gesetze selbst vorhanden. Dort heißt es, dass vier Fünftel der gesamten Wahlkosten den Gemeinden vom Staate vergütet werden. Nicht alle Kosten, damit die Gemeinden doch auch einen Antrieb zum Sparen haben. Wir haben infolge der Kürze der Zeit eine solche Bestimmung in das Gesetz selbst nicht mehr aufnehmen können, aber es ist notwendig, dass die Regierung dieser Resolution Rechnung trägt, und zwar in einer zweckentsprechenden Weise. Es verlautet, dass die Regierung in einer Vollzugsanweisung die Grundsätze für die Kostenvergütung, die den Gemeinden zuteil werden soll, festlegen will, und zwar in einem Ausmaße, das durchaus ungerecht erscheint. Nach dieser Rechnung würde sich herausstellen, dass die Gemeinde Wien, die ihre Wahlkosten, so weil man sie jetzt schon, feststellen kann, mit 5,600.000 K berechnet, nur eine Vergütung von 800.000 K erhalten würde, demnach 4,800.000 K aus eigenem bestreiten müsste. Das wäre gewiss nicht, wie die Resolution ihn nennt, ein „angemessener“ Teil der Kosten, der der Gemeinde vergütet werden soll. Ich möchte daher an die Regierung — wir können uns ja auf das Detail hier nicht näher einlassen — das Ersuchen stellen, die Vorschläge, die sie bisher für diese Kostenvergütung zusammengestellt hat, einer Überprüfung zu unterziehen, damit eine gerechtere Verteilung der Kosten auf Staat und Gemeinde herauskomme.

Der zweite Antrag, dass den wahlwerbenden Parteien die Kosten der Stimmzettel vergütet werden sollen, und zwar entsprechend der Stimmenanzahl, die die Parteien erhalten haben, erscheint, durchaus gerechtfertigt. Denn die Bestimmung im neuen Gesetz, wonach amtliche Stimmzettel zu entfallen haben, erspart ja der Regierung große Auslagen, während sie bei den vorigen Wahlen diese großen Stimmzettel machen lassen musste, in denen 12 bis 15 Listen von Kandidaten abgedruckt waren, ohne dass diese Stimmzettel bei der Durchführung der Wahl in nennenswerter Zahl benutzt wurden. Da also die Parteien hier der Regierung eine Ausgabe abnehmen, ist es gerechtfertigt, dass ihnen wenigstens ein Teil der Kosten vergütet wird.

Wenn der Herr Abgeordnete Dr. Schürff den Wunsch ausgesprochen hat, dass diese Wahlen sich vollziehen mögen ohne Beeinflussung und ohne Terror, dass reine Wahlen sein mögen, so können, wir uns diesem Wunsche durchaus anschließen und wir wollen hoffen, dass alle überall, in den Städten sowohl, aber auch auf den Dörfern, dazu beitragen werden, dass wir wirklich reine und unbeeinflusste Wahlen ohne irgendeinen Terror am 17. Oktober haben werden. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Es ist niemand mehr zum Worte gemeldet, die Generaldebatte ist geschlossen. Der Berichterstatter hat das Schlusswort.

Berichterstatter Dr. Adler: Meine Herren! Ich habe zu den vorliegenden Anträgen in kurzen Worten nur einiges zu sagen. Zunächst wurde von dem Herrn Abgeordneten Dvorak der Antrag gestellt, die Wiener Wahlkreise zu einem einzigen Wahlkreise mit 48 Abgeordneten zu vereinigen. Es ist sicher, dass, je größer ein Wahlkreis ist, es umso mehr möglich ist, der Proportionalität Rechnung zu tragen. Daran ist kein Zweifel. Anderseits ist aber
 


denn doch aus den Erfahrungen, die wir mit unseren großen Wahlkreisen gewonnen haben, hervorgegangen, dass der Zusammenhang zwischen Abgeordneten und Wählern wesentlich dadurch gelockert wird, dass der Umfang des Wahlkreises sehr groß ist, und es ist schon der Gedanke ventiliert worden, der aber diesmal nicht ernstlich in Erwägung gezogen werden konnte, weil prinzipielle Änderungen nicht stattfinden sollten, ob nicht ein System etwa wie in Holland, wo der Proporz verbunden ist mit den Einerwahlkreisen, unserem System vorzuziehen wäre. Es ist sicher so, dass es berechtigt erscheint, dem Gedanken des Proporzes möglichst Rechnung zu tragen; aber über das, was an Größe der Wahlkreise gegenwärtig bei uns besteht, hinauszugehen, wäre etwas, was durchaus nicht im Geiste der wirklichen Vertretung der Wählermassen gelegen wäre. Ich muss mich deshalb gegen den ersten Antrag des Abgeordneten Dvorak, aus Wien einen einzigen Wahlkreis zu machen, wenden und das hohe Haus bitten, diesen Antrag abzulehnen.

Weiters hat der Herr Abgeordnete Dvorak den Antrag gestellt, in der Vorlage jene Bestimmung zu streichen, in der es heißt, dass im zweiten Ermittlungsverfahren nicht mehr Mandate auf eine Partei entfallen können, als sie im ersten Ermittlungsverfahren erhalten hat. Ich habe bereits in meinem einleitenden Referate bemerkt, dass diese Bestimmung aus dem deutschen Wahlgesetze übernommen worden ist und dass dafür gute Gründe vorliegen. Der Herr Abgeordnete Dvorak hat sich dagegen gewendet und gesagt, dass keineswegs alles gut sei, was aus Deutschland kommt. Ich will mich hier nicht in Erörterungen über diese Frage einlassen, will jedoch bemerken, dass auch das tschechische Wahlgesetz in dieser Beziehung gewisse Vorkehrungen getroffen hat, und ich erlaube mir, dem hohen Hause aus dem tschechischen Wahlgesetz die einschlägigen Bestimmungen zur Kenntnis zu bringen. Es ist auch in der Tschecho-Slowakei so, dass man nicht wünscht, alle beliebigen Splitter zu summieren und auf diese Weise einen Abgeordneten zu schaffen; denn es handelt sich ja doch darum, wirklich politische Parteien und nicht irgendwelche Individualitäten in das Haus zu bringen. Es handelt sich ja nicht darum — ich sehe da von nationalen Gesichtspunkten usw. vollständig ab — allen möglichen Eigenbrötlern durch derartige Bestimmungen Vorschub zu leisten. Es handelt sich nicht darum, in dem Parlament eine Menagerie von Individualitäten zu haben, sondern wir wollen, dass das Parlament eine Widerspiegelung der auf ökonomischen Bedingungen fundierten Klassenverhältnisse der Gesellschaft sei. Das ist der Sinn der Wahlordnung und deshalb hat man derartige Bestimmungen nicht nur im Deutschen Reiche, an das wir uns hier angeschlossen haben, sondern auch in der Tschecho-Slowakei im Gesetze festgestellt. Und zwar heißt es im § 51 des tschecho-slowakischen Gesetzes, der direkt den Titel trägt „Unberücksichtigt bleibende Kandidatenlisten“ (liest): „Beim zweiten Skrutinium werden bloß die Stimmen jener Parteien berücksichtigt, welche wenigstens in einem Wahlkreise mindestens 20.000 Stimmen oder die Wahlzahl, wenn diese niedriger ist als 20.000, erreicht und zum zweiten Skrutinium eine Kandidatenliste angemeldet haben.“

Das heißt also, dass, wenn die Wahlzahl erreicht sein muss, mindestens ein Kandidat hineingekommen sein muss. Bei uns ist die Wahlzahl immer niedriger als 20.000 Stimmen. (Zwischenruf des Abgeordneten Dvorak.) Auch kommt in Betracht, dass in der Tschecho-Slowakei noch ein drittes Skrutinium besteht. Da sind die Bestimmungen wieder in gleicher Weise wiederholt. Das ist im § 53 der Fall und da heißt es ausdrücklich (liest): „Eine Partei, die weder beim ersten noch beim zweiten Skrutinium die Wahlzahl erreicht hat, besitzt keinen Anspruch auf ein Mandat.“

Das ist absolut deutlich und es ist der Unterschied zwischen unserem Gesetz und dem der tschecho-slowakischen Republik nur der, dass wir geglaubt haben, uns bei unseren kleinen Verhältnissen mit zwei Skrutinien behelfen zu können und nicht ein drittes vorzunehmen. Wir haben für das zweite Skrutinium genau dieselbe Bestimmung, wie sie die Tschecho-Slowakei für das dritte Skrutinium hat. Es ist also ein Unrecht, uns vorzuwerfen, dass das eine Bestimmung sei, die in anderen Staaten im Gesetze nicht Eingang gefunden haben.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich denn doch sagen, dass ich es nicht für angemessen finden kann, dass man, wenn wir unsere inneren Angelegenheiten ordnen, sich immer wieder auf den Friedensvertrag, der uns diktiert worden ist, beruft. Wenn wir alle, die wir hier sind, gesonnen sind, den Forderungen der Demokratie Rechnung zu tragen und auch die nationalen Rechte zu wahren, so sind wir in diesem Parlament uns denn doch immer wieder bewusst, dass dieser Friedensvertrag vor allem auch die Wirkung hat, dass nicht irgendwelche Minderheiten, sondern dass die Mehrheit dieses Staates vergewaltigt ist, das Selbstbestimmungsrecht nicht ausüben kann und in ihren nationalen Wünschen durch diesen Friedensvertrag gehindert ist, dass ihr nämlich das, was die große Mehrheit dieses Hauses und die große Mehrheit der ganzen Bevölkerung wünscht, die Möglichkeit eines Anschlusses an Deutschland, genommen ist. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Wir werden uns hier Berufungen auf die nationalen Rechte von kleinen Minderheiten nicht gefallen lassen, wo der großen Mehrheit durch diesen selben Vertrag das Recht der Selbstbestimmung tatsächlich fehlt. Ich bin also nicht in der Lage, den zweiten Antrag des Herrn Abgeordneten


Dvorak zu befürworten und bitte um dessen Ablehnung.

Von den andern Anträgen, die gestellt worden sind, ist einer prinzipieller Natur, und zwar ein Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schürff betreffend die Wahlpflicht. Wir haben in der bisherigen Wahlordnung die Bestimmung, dass es den einzelnen Ländern freisteht, die Wahlpflicht einzuführen. Ich glaube, dass es bei den Gegensätzen, die bezüglich der Wahlpflicht auch in der Debatte in Erscheinung getreten sind, damit auch in Zukunft wird sein Bewenden haben müssen, und ich bitte daher das hohe Haus, diesen Antrag Schürff bezüglich der Wahlpflicht abzulehnen.

Dagegen kann ich mich als Berichterstatter damit einverstanden erklären, dass einem Antrag, den der Herr Abgeordnete Fink eingebracht hat, der eine Stilisierung im § 33 bezüglich der Koppelung, die auf einem Versehen beruht, behandelt, die Zustimmung erteilt werde, und ebenso der Abänderung zum Punkt 16, früher 14, die der Abgeordnete Dr. Danneberg bezüglich der Farbe der Stimmzettel eingebracht hat.

Ich möchte weiters noch darauf aufmerksam machen, dass sich in dem Gesetze über die Wahlordnung einige Druckfehler befinden, die korrigiert werden müssen, und zwar muss es im § 3 unter 3a, Alinea 3, vierte Zeile, heißen: „nach dem zweiten Absatz“, anstatt: „nach dem ersten Absatze“. Weiters heißt es im Punkt 4 in der siebenten Zeile nicht „Wahlkreisbehörden“ , sondern „Kreiswahlbehörden“ und endlich ist im neuen Punkt 7, wo „7“ steht, die Ziffer „8“ zu setzen. Weiters ist bei den Punkten 21, 22, 23, 24 und 25 das Paragraphenzeichen zu streichen.

Das sind technische Versehen, die ich gleich in die Abstimmung einzubeziehen bitte. Ich habe dem hohen Hause nochmals das Eingehen in die Spezialdebatte zu empfehlen und bemerke, dass zu dem zweiten Gesetze (945 der Beilagen) kein Abänderungsantrag vorliegt.

Präsident: Ich schreite zur Abstimmung über das Eingehen in die Spezialdebatte. Zuerst wird abgestimmt über das Gesetz, betreffend die Wahlordnung für die Nationalversammlung.

Ich bitte jene Abgeordneten, die für das Eingehen in die Spezialdebatte sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nunmehr jene Abgeordneten, die den Gesetzentwurf, betreffend die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung, wie er vom Ausschuss vorgeschlagen wird, zur Grundlage der Spezialdebatte machen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Gleichfalls angenommen.

Wir treten also in die Spezialdebatte ein, und zwar zunächst über das Gesetz über die Wahlordnung für die Nationalversammlung.

Zum Worte gemeldet ist niemand, so dass es wohl genügen wird, wenn ich die eingebrachten Anträge verlese.

Ein Antrag des Abgeordneten Franz Dvorak ist nicht gehörig unterstützt und ich muss daher die Unterstützungsfrage stellen. Er lautet (liest):

„§ 1, Absatz 2, der jetzt nennt als die ersten Wahlkreise Wien Innenost, Wien Innenwest, Wien Nordwest usw. bis Wien West, dieser Absatz soll lauten: Die Stadt Wien bildet einen Wahlkreis mit 48 Abgeordneten.“

Ich werde zuerst die Unterstützungsfrage stellen. Ich bitte jene Abgeordneten, die diesen Antrag unterstützen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Er ist nicht genügend unterstützt, ich kann ihn daher nicht zur Verhandlung stellen.

Dann liegt ein gehörig gezeichneter Antrag des Abgeordneten Dr. Schürff vor, und zwar ein Zusatzantrag zum § 3a auf Seite 10 des Berichtes. Dort soll nach dem ersten Absatz nach den Worten „persönlich auszuüben“, hinzugefügt werden, was der Herr Abgeordnete Dr. Schürff hier über die Wahlpflicht ausführte. Wir haben das vorhin gehört. Dieser Antrag, der in Verhandlung steht, lautet (liest):

„Zusatzantrag zu § 3a, Absatz 1.

Jeder Wahlberechtigte hat die Pflicht, an dem festgesetzten Wahltag innerhalb der für die Stimmenabgabe vorgeschriebenen Zeit vor der Wahlbehörde zu erscheinen und seine Stimmzettel abzugeben. (Wahlpflicht.) Wer sich ohne einen gerechtfertigten Entschuldigungsgrund seiner Wahlpflicht entzieht, wird an Geld mit 10 bis 500 K bestraft. Bei Bemessung der Strafe ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Lage des Wahlberechtigten Rücksicht zu nehmen. Im Wiederholungsfalle ist die Strafe innerhalb des obigen Ausmaßes höher zu bemessen. Als Entschuldigungsgrund, der die Nichtbeteiligung an der Wahl rechtfertigt, ist insbesondere anzusehen:

1. Wenn ein Wähler durch Krankheit oder Gebrechlichkeit am Erscheinen im Wahllokale verhindert ist;

2. wenn der Wahlberechtigte das 70. Lebensjahr vollendet hat;


3. wenn ein Wähler durch Pflichten seines Amtes oder durch sonst unaufschiebbare Berufspflichten zurückgehalten wird;

4. wenn ein Wähler auf Reisen außerhalb Österreichs ist;

5. wenn ein Wähler durch Krankheit von Familienmitgliedern oder durch sonstige unaufschiebbare Familienangelegenheiten zurückgehalten wird;

6. wenn ein Wähler durch Verkehrsstörungen oder sonstige zwingende Umstände abgehalten wird. Die Ausübung des Strafrechtes steht der politischen Bezirksbehörde des Wahlortes zu.“

Ferner liegt ein Antrag des Abgeordneten Dr. Danneberg zu Artikel 2, Punkt 16, des Ausschussantrages vor. Dort heißt der zweite Satz: „Auch kann die Art des Papieres durch Vollzugsanweisung bestimmt werden.“ Der Antrag Danneberg wünscht statt dieses Satzes folgenden: „Art und Farbe des Papieres wird durch Vollzugsanweisung bestimmt.“

Der Antrag Danneberg ist nicht genügend unterstützt. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesen Antrag unter­stützen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Er ist unterstützt und steht daher in Verhandlung.

Ein Zusatzantrag Fink besagt, dass im Artikel 2, Zahl 18, als zweiter Absatz anzufügen ist: „Ferner entfallen am Schlusse des § 33 zwischen den Worten ,jede Partei' und ,Anspruch hat' die Worte: ,beziehungsweise jede gekoppelte Parteigruppe.'“ Es ist das nur ein stilistischer Fehler, der dem Ausschuss unterlaufen ist.

Dieser Antrag ist ebenfalls nicht unterstützt. Ich bitte daher diejenigen Abgeordneten, die diesen Antrag unter­stützen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Er ist nunmehr unterstützt und steht in Verhandlung.

Schließlich liegt ein Antrag des Abgeordneten Dvorak zu § 38c vor, wonach der Satz: „Keine Partei kann jedoch bei diesem zweiten Skrutinium mehr Mandate erhalten, als sie bei der Verteilung in den Wahlkreisen erhalten hat“, zu streichen sei.

Für diesen Antrag brauche ich nicht die Unterstützungsfrage zu stellen, weil es dem Herrn Abgeordneten Dvorak auch als einem einzelnen Mitgliede zusteht, bei der betreffenden Stelle eine getrennte Abstimmung zu verlangen. Streichungsanträge gibt es überhaupt nicht, es wird positiv abgestimmt und es kann durch Trennung der Abstimmung die Meinung des Hauses zum Ausdruck kommen. Ich fasse also den Antrag des Herrn Abgeordneten Dvorak in diesem Sinne als Antrag zur Abstimmung auf. Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist dies nicht der Fall. Ich schreite also zur Abstimmung.

Zu Artikel 1 und Artikel 2 bis inklusive: „§ 1 hat zu lauten: ,Das Staatsgebiet wird für die Zwecke der Wahlen in folgende Wahlkreise eingeteilt'" ist ein Gegenantrag nicht gestellt.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Hiebei bemerke ich, dass nach § 7 des Gesetzes, betreffend die Geschäftsordnung über Verfassungsgesetze nur bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Hauses abgestimmt werden kann und dass die Anträge nur mit Zweidrittelmehrheit genehmigt werden können. Dieses Gesetz ist ein Verfassungsgesetz. Ich konstatiere die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder und dass der Antrag mit Zweidrittelmehrheit angenommen ist.

Nun kommt die Abstimmung über den zweiten Teil dieses Paragraphen, das ist die Nennung der einzelnen Wahlkreise. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesen Bestimmungen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist angenommen.

Jetzt kommen die Punkte 2, 3 mit § 3a, 1. Absatz — es ist immer die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder und die Zweidrittelmehrheit konstatiert.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesen Bestimmungen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Nun kommt der Zusatzantrag Schürff. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihm ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das ist nicht die Mehrheit, der Antrag ist daher abgelehnt.

Die übrigen Bestimmungen des § 3a, ferner die Punkte 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 und 15 sind unbestritten. Dagegen muss ich hier einige Druckfehler berichtigen. Es heißt im § 3a, Absatz 3, in der vierten Zeile (liest): „außerhalb ihres nach dem ersten Absatze...“. Das Wort „ersten“ ist falsch; es soll heißen „zweiten“.

Ferner soll es in Punkt 4 im zweiten Absatz in der fünften Zeile statt „Wahlkreisbehörden“ richtig heißen: „Kreiswahlbehörden“.

Schließlich trägt nach dem Punkte 7 der nächste Punkt wieder die Ziffer 7, es soll „8“ heißen.

Ich lasse also nach Konstatierung dieser Druckfehler über alle diese Punkte inklusive Punkt 15 des Ausschussberichtes abstimmen und bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Bei Punkt 16 liegt ein Gegenantrag des Abgeordneten Dr. Danneberg vor, den ich früher bekanntgegeben habe.

Ich werde zuerst über Punkt 16 unter vorläufiger Hinweglassung des zweiten Satzes abstimmen lassen. Ich bitte diejenigen Mitglieder, die diesen Bestimmungen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nunmehr diejenigen Abgeordneten, die der Fassung des zweiten Satzes nach dem Antrage Danneberg ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Punkt 17 ist unbestritten und ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihm zustimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Zu Punkt 18 liegt der Zusatzantrag Fink vor, der bekannt ist. Wer für den Punkt 18 ist, wolle sich vom Sitze erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Wer dem Zusatzantrage Fink zu Punkt 18 die Zustimmung geben will, möge sich vom Sitze erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Nun kommen die Punkte 19 und 20, dann § 38, § 38a, § 38b und § 38c, erster Absatz. (Abgeordneter Dvorak: Ich bitte um das Wort!) Ich habe Ihren Antrag schon zur Kenntnis genommen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesen Bestimmungen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Nun kommt der zweite Absatz des § 38c. Hier werde ich getrennt abstimmen lassen. Ich bringe also den zweiten Absatz unter vorläufiger Hinweglassung der durch den Abgeordneten Dvorak bestrittenen Bestimmung zur Abstimmung, und bitte diejenigen Abgeordneten, die unter vorläufiger Hinweglassung des bestrittenen Satzes dem Absatz 2 zustimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nunmehr diejenigen Abgeordneten, die auch dem vom Abgeordneten Dvorak bestrittenen Satze ihre Zustimmung geben wollen, sich von ihren Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Er ist gleichfalls angenommen.

Es kommen nun die Absätze 3 und 4, dann § 38d, dann die Punkte 21, 22, 23 und 24 — hier ist ein Druckfehler unterlaufen, indem diese Punkte immer mit Paragraphenzeichen versehen sind; diese Paragraphenzeichen sind vor 21, 22, 23, 24 und ebenso vor 25 zu streichen —, ferner der Punkt 25, dann Artikel 3, Artikel 4, Artikel 5, Artikel 6 und Artikel 7, die alle unbestritten sind.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche ihnen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nun diejenigen Abgeordneten, die für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung und zwar als ein Verfassungsgesetz bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Berichterstatter Dr. Adler: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Das ist ein formeller Antrag, zu dessen Annahme eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Sinne des Antragstellers beschlossen.

Wir kommen zur dritten Lesung. Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Ich bitte diejenigen Mitglieder, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung, geben wollen, sich von den Sitzen, zu erheben.

(Geschieht.)

Das Gesetz über die Wahlordnung für die Nationalversammlung ist bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit auch in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschlusse erhoben.

Der Ausschuss beantragt auch noch eine Resolution, die infolge eines Versehens nicht in den offiziellen Bericht aufgenommen wurde. Diese Resolution lautet (liest):

„Das hohe Haus wolle beschließen:

Die Regierung wird aufgefordert:

1. Den Gemeinden einen angemessenen Teil der Kosten, welche die Durchführung der Wahlen am 17. Oktober 1920 verursacht, zu vergüten. Die Grundsätze hiefür sind im Einvernehmen mit dem Hauptausschusse festzustellen.

2. Den wahlwerbenden Parteien einen Kostenbeitrag für die Stimmzettel zu gewähren, der nach Durchführung der Wahlen auszuzahlen und entsprechend der Stimmenzahl der einzelnen Parteien zu bemessen ist.“

Wird eine getrennte Abstimmung verlangt? (Nach einer Pause:) Es ist nicht der Fall. Ich

 

werde daher diese beiden Punkte unter Einem zur Abstimmung bringen und bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen ihre Zustimmung geben, wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Die Resolution ist angenommen und wird der Regierung zur Darnachachtung übermittelt werden.

Wir kommen nunmehr zur Spezialdebatte über das zweite Gesetz, das ist das Gesetz über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung.

Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich:) Niemand. Ich mache nun das hohe Haus darauf aufmerksam, dass wir bei der neuen Art der Stilisierung der Gesetze die in früheren Gesetzen übliche Schlussbestimmung: „Damit treten die Bestimmungen der Gesetze so und so außer Kraft“, jetzt nicht mehr anwenden, sondern uns einfach stillschweigend an den Rechtsgrundsatz halten, dass durch das später erflossene Gesetz das alte aufgehoben wird. Durch die Annahme dieses Gesetzes werden nämlich auch Bestimmungen des Gesetzes über die Geschäftsordnung abgeändert, und zwar Bestimmungen des § 2 und des § 3 der Geschäftsordnung — das ist wohl den Abgeordneten bekannt.

Ich werde, da ein Gegenantrag nicht gestellt ist, sofort alle sechs Paragraphen unter einem zur Abstimmung bringen und bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die für Titel und Eingang sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Titel und Eingang sind angenommen. Damit ist das Gesetz, und zwar als Grundgesetz bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit als Grundgesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Dr. Adler: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Das ist ein formeller Antrag, für den eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Damit ist das Gesetz über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit (945 der Beilagen) endgültig zum Beschluss erhoben.

Wir kommen nunmehr zum zweiten Punkt unserer Tagesordnung, das ist der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (623 der Beilagen), betreffend die große Vermögensabgabe. (941 der Beilagen.)

Gemäß § 53 G. O. schlage ich vor, die Redezeit für diese Verhandlung, und zwar für die Generaldebatte mit je einer Stunde und für die Spezialdebatte mit je einer halben Stunde zu bemessen. Darf ich die Mitglieder einladen, die Plätze zu behalten, ich muss nämlich abstimmen lassen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Antrag ist angenommen, ich werde daher in diesem Sinne vorgehen.

Berichterstatter ist der Obmann des Finanzausschusses, Herr Abgeordneter Dr. Weiskirchner. Ich ersuche ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Dr. Weiskirchner: Meine sehr geehrten Frauen und Herren! Wenn ich heute an den Referententisch herantrete, um über den Gesetzentwurf, betreffend die einmalige große Vermögensabgabe, dem Hause zu berichten, so möge mir das hohe Haus gestatten, einleitend hervorzuheben, dass ich vom Ausschusse ermächtigt wurde, an Stelle des erkrankten Referenten Abgeordneten Gürtler die Berichterstattung zu übernehmen. Ich ergreife gerne den Anlass, um dem Kollegen Gürtler den herzlichsten Dank für seine hervorragende Mitarbeit abzustatten und der Freude Ausdruck zu geben, dass er heute zum ersten Male nach seiner Genesung in der Nationalversammlung erschienen ist. (Beifall.) Ich freue mich nicht nur über seine Genesung, sondern ich freue mich auch deshalb, weil dadurch ein Kronzeuge mehr für die Arbeiten des Unterausschusses und des Plenums des Finanzausschusses im Hause anwesend ist, um gegen die in jüngster Zeit betriebenen Hetzereien und Quertreibereien Verwahrung einlegen zu können. Ich habe in meinem Berichte, meine hochgeehrten Frauen und Herren, ein Kalendarium angeführt. Wir haben am 16. Jänner 1920 die Vorlage erhalten, die erste Lesung fand am 21. Jänner 1920 statt. Der Budgetausschuss beschloss die Einsetzung eines siebengliedrigen Unterausschusses, dessen Konstituierung am 28. Jänner 1920 erfolgte. Der Unterausschuss hat in 25 Sitzungen eine streng sachliche, eingehende Debatte abgeführt und hat an den Finanzausschuss berichtet. Der Finanzausschuss hielt neun Sitzungen ab, beendigte die Beratung am 13. Juli 1920 und nun ist das hohe Haus mit der Sache befasst. Ein halbes Jahr hat die Beratung der Vorlage gedauert,

deren Inhalt aber auch schon früher, seit zwei Jahren mindestens, die weite Öffentlichkeit intensiv beschäftigt hat. Es ist wahrlich ein frivoles Spiel, das da von gewissen Kreisen getrieben wird, um noch in letzter Stunde die erwerbenden Schichten der Bevölkerung zu beunruhigen und ich muss wohl den Mut eines Blattes bewundern, das die Geschichte von einem 150.000 Kronen-Mann bringt, wobei man nicht weiß: ist der betreffende Autor des Artikels von keinerlei Sachkenntnis angekränkelt oder ist es einfach eine demagogische Mache, um das Gesetz, dessen unabweisbare Notwendigkeit so oft auch in diesen Kreisen betont wurde, in letzter Minute zu diskreditieren? (Sehr richtig!) Wahrlich, es gehört ein großes Maß von Heuchelei dazu, durch Monate zu schreien: Ja, die Vermögensabgabe ist notwendig im Interesse der Sanierung der Staatsfinanzen, im Interesse der Wiederaufrichtung unserer Volkswirtschaft, und jetzt von einem Durchpeitschen dieses Gesetzentwurfes zu faseln.

Meine verehrten Frauen und Herren! Es ist gewiss eines der schwerwiegendsten und tief in die Volkswirtschaft eingreifenden Gesetze, das uns heute zur Beratung überwiesen ist. Aber ich glaube wohl im Namen meiner Kollegen im Finanzausschusse erklären zu dürfen unser Gewissen ist ruhig; wir haben im Vollbewusstsein unserer Verantwortung die Beratungen geführt und wir sind zur Überzeugung gelangt, dass wir der hohen Nationalversammlung ein Gesetz zur Beschlussfassung unterbreiten, das einerseits der Finanznot des Staates Rechnung trägt, das aber auch den breiten Schichten der Bevölkerung eine erträgliche Last auferlegt.

Meine verehrten Frauen und Herren! Es ist aber wohl noch bedauernswerter, wenn die Agitation gegen die Vermögensabgabe in ausländische Kreise getragen wird (lebhafte Rufe: Hört! Hört!), und ich muss wohl sagen, dass ich mich schämen würde, einen solchen Schritt zu unternehmen (Rufe: Sehr richtig!), und dass ich wohl die schwerste Missbilligung gegen alle jene auszusprechen mich veranlasst fühle, welche diesen traurigen Mut gehabt haben. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Wir peitschen also dieses Gesetz durch. Ich hätte einen Lastträger mitnehmen müssen, wenn ich all die Konvolute, Memoranden und Drucksorten, die im Laufe dieses halben Jahres mir als Obmann des Budgetausschusses übermittelt worden sind, hier auf den Tisch niederlegen müsste, und ich glaube, es ist auch den andern Kollegen nicht nur des Finanzausschusses, sondern des ganzen Hauses so gegangen. Wir wurden ja von Zuschriften geradezu überschwemmt. Ich muss annehmen, dass aus der Existenz dieser Eingaben wohl hervorgeht, dass die breite Bevölkerung sich rechtzeitig je nach ihrem Interessenstandpunkte mit den einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes befasst hat, und gerade jene Kreise, welche heute von der Durchpeitschung reden, haben ihre Sekretäre und Generalsekretäre usw. sich die Köpfe zerbrechen lassen, um all jenes Material dem Hause und den Beratungen zu unterbreiten, welches nach ihrer Meinung geeignet war, eine Verbesserung der Vorlage herbeizuführen. (Rufe: Sehr richtig!) Allerdings, das eine Recht müssen wir schon für uns in Anspruch nehmen, dass wir in unserer Beschlussfassung selbständig sind, nach bestem Wissen und Gewissen Vorgehen und dass wir daher allen diesen Interessentenkreisen nicht entsprechen können. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Meine hochverehrten Frauen und Herren! Wenn ein Vorwurf gegen den Gesetzentwurf erhoben werden könnte, so wäre es der, dass wir erst heute darüber beraten, (Lebhafte Zustimmung.) Die Vermögensabgabe kommt spät, sie kommt zu einem Zeitpunkt, wo schon manches Vermögen ohne Pass und Visum die Reise nach dem Westen angetreten hat. (Rufe: So ist es!) Sie wäre vielleicht vor zwei Jahren besser gewesen als heute. Aber wenn etwas spät kommt, ist es immer noch zweckmäßiger, als wenn es gar nicht kommt (Zustimmung), denn diese Verantwortung könnte die Nationalversammlung nicht übernehmen.

Ich möchte doch auch die Bemerkung mir gestatten: Es zeigt doch von starker Lebenskraft dieser Nationalversammlung, dass sie in den letzten Augenblicken ihres Bestandes die Kraft hat, ein Gesetz von dieser finanziell und volkswirtschaftlich weittragenden Bedeutung zu beraten und zu beschließen. Ich glaube, die Nationalversammlung ist besser als der Ruf, den sie in gewissen Kreisen genießt, vielleicht auch deshalb, weil diese Kreise hier nur sehr schwach vertreten sind. (Heiterkeit und lebhafter Beifall.) Ich glaube, es soll gerade durch die Beratung dieses Gesetzes der Beweis geliefert werden, dass wir mit vollem Ernst darangehen, den ersten, aber vielleicht wichtigsten Schritt zur Sanierung unserer Finanzen und zur Wiederaufrichtung unserer Volkswirtschaft zu unternehmen.

Ja, freilich höre ich die Stimmen, die da sagen: Was wollt ihr mit der Vermögensabgabe, sie kommt nicht nur zu spät, sie ist auch nicht geeignet, in dieser Beziehung jene Zwecke zu erfüllen, die den Gesetzgebern vorschweben. Ja, meine hochverehrten Frauen und Herren, sollen wir nie Ernst machen, sollen wir nicht auch dem Auslande zeigen, es ist uns Ernst damit, endlich Ordnung zu bringen? (Zustimmung.) Ich bin mir sehr wohl bewusst, die Vermögensabgabe ist eine Maßnahme, aber nicht die einzige Maßnahme (Sehr richtig!), ich bin mir sehr wohl bewusst, dass zur Vermögensabgabe auch ein voller Finanzplan gehört, und das hohe Haus wird ja
noch in der Lage sein, Bausteine für einen großen Finanzplan herbeizuschaffen. Meine Herren


und Frauen! Es wird immer gesagt, unser Kredit ist deshalb erschüttert, weil wir nicht Ordnung machen. Wir sind daran, wir wollen Ordnung machen und dabei werden wir uns auch durch gar nichts behindern lassen. Die Nationalversammlung ist noch die souveräne Körperschaft in Österreich (lebhafter Beifall und Händeklatschen) und lässt sich in ihren Beratungen nicht stören.

Es genügt aber nicht, dass wir die gesetzlichen Grundlagen schaffen — ich bin auch hier ebenso offen —, um unsere Finanzen in Ordnung zu bringen, wir müssen auch mit aller Kraft, mit allem Eifer dahin trachten, dass wieder Autorität und Disziplin hergestellt wird (So ist es!) und dass auch jene Sparsamkeit im öffentlichen Haushalt Platz greift, welche in Verbindung mit neuen Steuern und erhöhten Steuern und einer Vermögensabgabe, aber immer im Zusammenhang, unser armes, armes, bettelarmes Vaterland in bessere Geleise zu bringen vermag. Wir wollen, dass im Inlande und im Auslande Vertrauen in unsere Finanzwirtschaft, dass aber auch Vertrauen in unsere Verwaltung Platz greife.

Es ist ja so viel über den Zweck der Vermögensabgabe gesprochen worden, es sind so viele Befürchtungen geäußert worden, als ob jene Regierung, die ich nicht kenne, die am Ruder sein wird, wenn die Vermögensabgabe gezahlt wird, in der Lage sein könnte, die ganzen einlaufenden Gelder zu unproduktiven Zwecken zu verwenden. Ich glaube, so lange noch ein Gesetz Geltung hat, wird dieser § 1, wie ihn der Ausschuss Ihnen vorlegt, Geltung haben. Mit fast feierlichen Worten wird hier der Zweck der Vermögensabgabe bekundet. Es kann wohl niemand einen Zweifel hegen, dass diese Zweckumschreibung eine so einfache, eine so klare ist, dass die Befürchtungen, die vor der Beschlussfassung vielfach geäußert wurden, tatsächlich hinfällig sind. Der Zweck der Vermögensabgabe ist die Hebung des Geldwertes. Es kann bezweifelt werden, ob diese Maßnahme die einzige und genügende ist, um die Hebung des Geldwertes zu bewirken. Aber zweifellos ist, dass die Verringerung des Banknotenumlaufes geeignet ist, unseren Geldwert zu heben, zweifellos ist, dass die Einziehung von Millionen Kriegsanleihe geeignet ist, das Vertrauen des Auslandes zu stärken und dass auch unser Budget durch den Entfall der Zinsen für die eingelaufene und vernichtete Kriegsanleihe entlastet wird. Es ist zweifellos, dass, wenn wir daran denken, einen Teil der Vermögensabgabe, soweit sie eben Wertpapiere und andere Gegenstände betrifft, die für die Erwerbung ausländischer Valuta geeignet sind, zur Anschaffung ausländischer Valuta zu verwenden, auch das ein wichtiges Moment ist, die Hebung des Geldwertes zu fördern. Und kann die Regierung so willkürlich über die einlaufenden Gelder verfügen? Es hat noch kaum je ein Finanzgesetz gegeben, in welchem eine derartige besondere Kontrolle eingeführt wurde. Die Zusammensetzung dieser Kontrollkommission, wie sie der § 2 enthält, gibt eine genügende Gewähr, dass hier unabhängige und dass Männer tätig sein werden, die sich nur von dem Geiste des Gesetzes und seiner strikten Durchführung leiten lassen werden. Ich möchte noch besonders aufmerksam machen, dass gerade jenes Statut, das die Wirksamkeit der Kontrollkommission regeln soll, vom Staatsamte für Finanzen dem Hauptausschusse zur Genehmigung vorzulegen ist und dass daher die Nationalversammlung durch ihren Hauptausschuss bestimmenden Einfluss auf die Art und Weise der Geschäftsführung der Kontrollkommission nehmen kann.

Meine hochverehrten Frauen und Herren! Was nun die Systematik und die logische Anordnung des Gesetzes anbelangt, so ist der Ausschuss im allgemeinen der Regierungsvorlage gefolgt. Wir haben hier die Bestimmungen über die abgabepflichtigen Vermögenschaften und über die abgabepflichtigen Personen. Ich gebe hier dem hohen Hause bekannt, dass der Ausschuss in der Frage des Kunstbesitzes weiter gegangen ist als die Regierung und dass wir den alten Besitz weiter zu schützen uns für verpflichtet hielten als seinerzeit die Regierung.

Was die abgabepflichtigen Personen anbelangt, so möchte ich gerade heute aufmerksam machen, dass im § 6 ausdrücklich betont wird, dass die Grundsätze für die persönliche Abgabepflicht unbeschadet der einschlägigen Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain gelten und dass wir uns wohl bewusst sind, dass dieser Staatsvertrag uns bindet. Aber weiter zu gehen haben wir keine Veranlassung.

Ich möchte dann weiters hervorheben, dass wir bei der Abgabefreiheit im § 15 so weit gegangen sind, um alle jene öffentlichen Körperschaften von der Abgabe zu befreien, welche, wie Staat, Länder, Bezirke, Gemeinden, von der Abgabe, selbstverständlich befreit sein müssen. Wir haben aber auch die Fonds, Anstalten, Unternehmungen und die gemeinwirtschaftlichen Anstalten dieser öffentlichen Korporationen ausgenommen. Wir haben jene Einrichtungen, welche charitativen, sozialen oder sozialcharitativen Charakter tragen, ebenfalls ausgenommen und ich glaube, dass wir hier so weit gegangen sind, als nur noch verantwortet werden kann.

Es ist uns gewiss am Herzen gelegen, dass wir den Kleinbesitz schützen und dass nur den
Kleinrentnerstand unter die möglichste Schonung stellen. Wenn Sie nun alle jene
Bestimmungen ins Auge fassen, welche diesen Gedanken zu realisieren geeignet sind, dann werden Sie wohl sehen, dass alle jene Behauptungen, welche von einem Ruin des


Mittelstandes sprechen, entweder von unwissenden oder von böswilligen Leuten herrühren. (Sehr richtig!) Erlauben Sie nur einige Gesichtspunkte. Der Ausschuss hat die Befreiung von 30.000 K beschlossen. Weiter erhöht sich der Betrag der Befreiung um 30.000 K für die Ehefrau, die im Haushalte lebt, und um 15.000 K für jedes im Haushalte lebende Kind. Ist die Gattin 60 Jahre alt oder erwerbsunfähig, so ist nicht 30.000, sondern 50.000 K der Abzugsbetrag. Nehmen Sie ein Ehepaar, wo die Frau erwerbsunfähig ist — und ich gewärtige ja noch einen Antrag, der in Form einer Resolution überreicht werden wird, wo bei Frauen, insbesondere der Mittelstandsklassen, die Frage der Erwerbsunfähigkeit noch viel weitgehender behandelt wird als die durch spezielle Krankheiten oder durch Alter hervorgerufene —, dann haben wir Abzüge von 30.000 K für den Mann, von 50.000 K für die Frau, das sind 80.000 K; nehmen wir vier Kinder an, so sind das 60.000 K, das sind zusammen 140.000 K. Gehen wir aber weiter: Ist der Abgabepflichtige über 60 Jahre alt oder erwerbsunfähig oder als Kriegsinvalider in seiner Erwerbsfähigkeit über 75 Prozent geschädigt, so ist er von der Abgabe befreit, wenn sein Vermögen die früher bezeichneten Grenzen um nicht mehr als 35.000 K übersteigt. Das ist also dann ein Abzug von 65.000 K. Meine hochverehrten Herren und Damen! Wir gehen aber weiter. Schlagen Sie Seite 17 und 18 auf. Der Ausschuss hat beschlossen, dem Hause vorzulegen, dass in gewissen Fällen gestundet werden kann, wo also der Betreffende überhaupt keine Vermögensabgabe zahlt, solange er lebt und erst im Falle seines Todes die Forderung der Vermögensabgabe in Existenz tritt. Auf derselbe Seite finden Sie eine weitere Begünstigung der Kinder - ich glaube das auch hervorheben zu müssen —, die dahin geht, dass die Abgabe sich vermindert, wenn die Bemessungsgrundlage nicht mehr als 50.000 K ausmacht, um 10 Prozent, wenn die Bemessungsgrundlage nicht mehr als 100.000 K ausmacht, um 5 Prozent ihres Betrages für jedes in Versorgung des Abgabepflichtigen stehende Kind unter 21 Jahren. Gehen wir weiter! Der kleine Besitz oder der mittlere Besitz, der Aktien hat, zahlt ja auch keine Steuern. Das wäre eine Doppelbesteuerung, da ja die Aktiengesellschaft zahlt. Gehen wir noch weiter! Ich bitte sich anzusehen, wie das Vorkriegsvermögen behandelt wird, das ja gerade im Besitze des bodenständigen Bürgertums, des Kleinrentnertums usw. sich befindet. Für Kriegsgewinner, meine Herren, haben wir allerdings kein Herz. Wir wollen aber die schützen, die sich in ehrlicher Arbeit ein Vermögen erworben haben, das allerdings durch die Geldentwertung ihnen nicht die Hoffnung erfüllt, die sie bei ihrer Arbeit auf ihr Lebensalter gesetzt haben. Gehen wir weiter! Dann kommt die Möglichkeit einer Vorauszahlung und gerade das ganze Rentnertum, weil es nur liquides Vermögen hat, ist in der Lage vorauszuzahlen. Ich bitte, sich auch diese Bestimmung gefälligst zu betrachten. Mit der Vorauszahlung verbindet das Gesetz auch eine ziemlich weitgehende Amnestie. Es werden wiederum die Sünden verziehen; vielleicht, dass wir dann in jenen Zustand kommen, in dem nicht mehr gesündigt wird. Wir dürfen auch nicht übersehen, dass auch bei der Abstattung weitere Begünstigungen für jene gegeben werden, welche ihrer Pflicht sofort nachkommen. Ich muss schon gestehen, dass man kaum der Versuchung widerstehen kann, den Mann mit den 150.000 K Einkommen nach meiner Darstellung jetzt — ich weiß nicht, wie ich sagen soll — zu analysieren. Ich bitte, es kann eintreten, dass der förmlich noch etwas herauskriegt, geschweige denn, dass er etwas bezahlt, und ich muss wohl sagen, dass es tatsächlich eine Frivolität sondergleichen ist, eine solche Berechnung aufzustellen, welche der Wahrheit direkt ins Gesicht schlägt. (Zustimmung.)

Nun kommt der Stichtag. Ja, meine verehrten Frauen und Herren, und wenn der liebe Gott herniederstiege und er wollte einen Stichtag bestimmen, glauben Sie, dass er es allen recht machen kann? Nun, wir konnten es auch nicht allen recht machen; und hätten wir einen Stichtag vom 30. Juni 1919 bestimmt, dem A, dem B oder dem C wäre auch das aus persönlichen Gründen unangenehm gewesen. Hätten wir den Stichtag mit dem 31. Dezember 1919 bestimmt, wäre es wieder anderen nicht recht gemacht worden. Da war es doch das einfachste, jenen Stichtag zu nehmen, der dem Zustandekommen des Gesetzes am nächsten gelegen war und an welchem bei Gott jene Preisexzesse, die wir vor einem halben Jahre erlebt haben, nicht mehr vorkommen. Gewiss, es wird der 30. Juni 1920 auch dem einen oder anderen mit Rücksicht auf seine persönlichen Verhältnisse unangenehm sein. Ja, wenn's regnet, ist es auch nicht allen recht und wenn die Sonne scheint, begehren andere wieder Regen. Allen diesen Fällen kann ein Gesetz nicht entsprechen. Es war unsere Pflicht, nach reiflicher Überlegung aller Verhältnisse den Stichtag zu bestimmen, und ich empfehle dem hohen Hause den 30. Juni 1920.

Was die Skala anbelangt, so möchte ich doch auch hier darauf hinweisen, dass wir gegenüber der Regierungsvorlage uns bemüht haben, den Klein- und Mittelbesitz zu schonen. Die Einteilung, die Sie hier am Beginn der Skala sehen, ist geeignet, diesen Schutz zu gewährleisten. Natürlich in der Höhe haben wir keine Veranlassung gehabt, mit irgendwelchen Milderungen vorzugehen.

Ich habe schon erwähnt, dass das Vorkriegsvermögen geschützt wird, und ich komme nunmehr
 


auf die Bewertungsgrundlagen. In dieser Beziehung waren wohl für den Ausschuss die schwersten Beratungen und ich darf wohl daraus verweisen, dass ja nicht nur der Ausschuss damit befasst war, es hat sich bis zum Ende der Koalition auch der Koalitionsausschuss wiederholt mit diesen Bewertungen eingehend beschäftigt. Wir haben ja in den jüngsten Zeiten noch in langen, ernsten Parteiberatungen gerade diese Gegenstände besprochen. Die Regierung ist von dem gemeinen Werte ausgegangen; ich muss aber wohl zugeben, dass das Haus in seiner überwiegenden Mehrheit diesem Gedanken der Regierung nicht folgen konnte. Wir haben daher den gemeinen Wert auf Ausnahmsfälle beschränkt und sind auf den Ertragswert gekommen, den wir als den gerechteren Maßstab angesehen haben. Meine sehr verehrten Frauen und Herren, ich glaube nicht, dass die Behauptung gerechtfertigt ist, es sei zweierlei Maß angewendet und es sei die ländliche Bevölkerung zugunsten der städtischen bevorzugt worden. Unsere Partei hat schon seinerzeit, als im vorigen Jahre die Koalition geschaffen wurde, die programmatische Erklärung abgegeben, es sei ländlicher und städtischer Besitz gleichmäßig zu belasten. Bei den Beratungen hat es sich gezeigt, dass gegenüber der Vorlage der Regierung Milderungen eingetreten sind, sowohl für die Landwirtschaft als auch für den städtischen Hausbesitz als auch für das Gewerbe, dessen Hauptvertretung ja doch in den Städten sich befindet.

Ich habe einleitend bemerkt, dass nach meiner Meinung eine so schwere Belastung, wie sie die Vermögensabgabe in sich schließt, nicht weiter gehen darf, als die breiten Schichten dieser erwerbenden Gruppen auf ihren Schultern noch tragen können. Wir dürfen nicht so weit gehen, dass die Produktion des einzelnen vernichtet wird und dass wir dadurch auch eine Wiederaufrichtung der Volkswirtschaft im allgemeinen behindern. Meine sehr verehrten Frauen und Herren! Ich bitte zu berücksichtigen: Ist denn die Vermögensabgabe die einzige Belastung? Ja, wenn nur der Staat fordern würde! Aber es gibt ja auch andere Korporationen, die ebenfalls gezwungen sind, an die Steuerträger heranzutreten und ihnen neue Lasten aufzubürden. Ist denn nur der Staat in dieser finanziellen Not, sind es denn nicht auch die Länder und sind es denn nicht fast alle großen Gemeinden? Sehen wir denn nicht, wie die Stadt Wien schwer mit ihrem finanziellen Ungemach kämpft? Meine verehrten Frauen und Herren! Wir dürfen nicht bloß die Belastung unserer Bevölkerung aus dem Gesichtswinkel der Vermögensabgabe allein beurteilen, wir dürfen sie nicht allein beurteilen aus der Einführung neuer Steuern und der Erhöhung bestehender Steuern des Staates. Wir müssen bedenken, dass auch Land und Gemeinden daran gehen, hohe Lasten aufzuerlegen und da müsste es unsere pflichtgemäße Sorge sein, dahin zu trachten, dass, wenigstens nach unserer Überzeugung, die auferlegten Lasten noch ertragen werden können, ohne die Wirtschaft des einzelnen und die gesamte Volkswirtschaft unmöglich zu machen. Wie sollen wir unser Staatsleben neu ausbauen, wenn wir die Produktion vernichten? Wir müssen danach trachten, dass der einzelne und die Gesamtheit in der Lage ist, sich wieder aufzurichten, damit wir endlich aus unserer Not, aus unserem Elend herauskommen und dass wir eine leichtere Zukunft vorbereiten. Ich kann daher nicht zugeben, dass hierin eine einseitige Begünstigung irgend eines erwerbenden Standes gelegen ist.

Ich weiß sehr wohl, es ist ja vielleicht für die kommenden Wahlen ein Schlagwort, wiederum die Kluft zwischen Land und Staat aufzureißen. Meine hochverehrten Damen und Herren! Diese Wahlmachination wird Ihnen ziemlich wenig nutzen und alle die Zeitungen, die jetzt schon danach ausgehen, diese Kluft aufzureißen und sie zu erweitern, werden kein Glück haben, denn die Bevölkerung denkt ehrlich und vernünftig. Und diese Agitation ist weder ehrlich noch vernünftig. Meine verehrten Frauen und Herren! Ich werde in der Spezialdebatte sehen, wie weit die Gegenmeinungen gegen diese Bewertungsgrundlagen sich äußern. Ich möchte nur das eine hier hervorheben, dass damit allen diesen Ständen, sowohl der Landwirtschaft, wie dem Gewerbestande, wie dem städtischen Realbesitz noch genug große Lasten auferlegt werden, aber wir hoffen, dass diese Lasten als erträglich angesehen werden und dass sie auch geleistet werden. Und da muss ich namens des Ausschusses schon sagen, dass ich bei der Leistung wohl einen großen Wert darauf legen muss, dass für eine rasche und prompte Bezahlung gesorgt wird. Ich glaube auch, dass das Gesetz diesem Gedanken Rechnung trägt und dass es Momente enthält, welche die rasche und prompte Bezahlung als angemessen in den weiteren Kreisen erkennen lassen.

Meine hochverehrten Damen und Herren! Diesem Gedanken trägt insbesondere der § 49 Rechnung. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass durch einen mir unerklärlichen Vorgang eine Lücke in diesem § 49 sich ergeben hat, indem wir nämlich im Ausschusse beschlossen haben, dass die Rentenform nicht nur auf 20 Jahre, sondern auch auf 5, 10, 15 und 20 Jahre gestellt werden kann. Ich werde mir erlauben, in der Spezialdebatte dann darauf aufmerksam zu machen, und die Richtigstellung dem hohen Hause vorzuschlagen. Es ist dann erst hievon auf Seite 39 die Rede.

Meine hochverehrten Frauen und Herren! Eine weitere sehr umstrittene Frage war die Frage der
Bemessung und Entrichtung der Vermögensabgabe durch Aktiengesellschaften. Diese umstrittene


Frage suchte der Ausschuss dadurch zu lösen, dass er von dem Antrag auf obligatorische Einführung von Gratisaktien abging, und dass er den Gesellschaften ein Wahlrecht einräumte, von dem sie nach Lage ihrer Verhältnisse Gebrauch machen können. Es ist auch hier noch für jene Gesellschaften, die unter Umständen in schwierigen Situationen sind, die Möglichkeit geboten, bei Erstattung der Vermögensabgabe nicht ungebührlich belastet zu werden.

Hinsichtlich der im § 54 vorgesehenen Kautionshypothek hat es auch viele Missverständnisse gegeben und es wird mir wohl gestattet sein, hier folgende Wahrnehmungen zum Ausdruck zu bringen. Es hat eine Unzahl Personen gegeben, die den ganzen Gesetzentwurf immer nur aus dem Gesichtswinkel eines Paragraphen, der sie persönlich angeht, beurteilt haben, die aber den Überblick über das ganze Gesetz nie erworben haben und auch heute noch nicht besitzen. Und gerade hier spielt das eine Rolle. Es haben schließlich auch die Vertreter der Landwirtschaft gesehen, dass diese Bestimmung nicht zu ihrem Schaden, sondern eigentlich zu ihrem Schutze eingeführt ist; sie haben nämlich nicht 15 Prozent der Vermögensabgabe als Kaution zu gewärtigen, sondern 15 Prozent des Wertes ihrer Liegenschaften, nach Abzug aller Schulden und Lasten. Nehmen Sie zum Beispiel an, es hat ein Abgabepflichtiger ein Haus; dieses Haus ist bis zu 80 Prozent mit Hypotheken belastet, so bleiben 20 Prozent unbelastet. Nun hätte er 15 Prozent Kautionshypothek sich gefallen zu lassen, aber nicht 15 Prozent von dem Betrage, den er eventuell auf Grund seines Kapitalvermögensbesitzes zu entrichten hat, nein, 15 Prozent vom freien Wert des Hauses. Nachdem er nur mehr 20 Prozent unbelastet hat, so bekommt der Betreffende eine Kautionshypothek von 3 Prozent. Und darüber Räuber und Mörder, darum dieses ganze Geschrei. Ich muss aufrichtig gestehen: Wenn das Gesetz in der Regierungsvorlage die ganze Vermögensabgabe als Kautionshypothek auferlegt hätte, dann wären vielleicht die Vorwürfe gerechtfertigt, aber so bitte ich zu berücksichtigen, dass sich die gesetzliche Kautionshypothek lediglich auf 15 Prozent des Wertes der Liegenschaft nach Abzug der dinglichen Rechte und Lasten bezieht.

Dass in einem Momente, wo die Vermögensabgabe rechtskräftig bemessen und das Bemessungserkenntnis zugestellt ist, eine gesetzliche Hypothek eingeräumt werden muss, ergibt sich ja aus der ganzen Steuergesetzgebung, weil alle Steuern ohne Unterschied ein gesetzliches Pfandrecht genießen. Außerdem gibt es noch weitere Sicherungsmittel, die aber nicht bei dem pflichtgemäßen Schuldner eintreten, sondern bei säumigen Schuldnern oder bei solchen, wo die Gefahr besteht, dass sie sich der Vermögensabgabe entziehen. Diese Sicherungsmittel, glaube ich, sind voll und ganz gerechtfertigt.

Es ist ja nicht meine Aufgabe, in der Einleitung zur Generaldebatte alle einzelnen Bestimmungen des Gesetzes anzuführen. Ich gebe ohne weiteres zu, dass die Strafbestimmungen, welche der Gesetzentwurf enthält, vielfach schwere und harte sind. Ich glaube aber, dass solche Strafbestimmungen im gegebenen Falle wohl notwendig sind. Sie treffen nicht diejenigen, welche in Betätigung des Gemeinsinns, in Betätigung der Opferwilligkeit beisteuern, um der Not und dem Elend des Staates zu begegnen, sondern sie treffen eben diejenigen, welche auch hier geneigt sind, Lumpereien zu begehen und die Allgemeinheit zu betrügen. Die sollen eben auch der Härte des Strafgesetzes verfallen. (Sehr richtig!)

Ich will meinem Kollegen Abgeordneten Paulitsch nicht vorgreifen, aber ich möchte doch hervorheben, dass der Finanzausschuss es für nötig gefunden hat, für die Einwohner des Kärntner Abstimmungsgebietes besondere Bestimmungen in das Gesetz aufzunehmen. Wir beklagen wahrlich die Leiden, die unsere Volksgenossen in Kärnten durch Monate getragen haben. Wir bedauern, dass sie unter der Besetzung durch fremde Truppen gelitten haben und wir wollen gewiss ihre Lage erleichtern und nicht erschweren. (Lebhafte Bravo-Rufe!)

Meine hochverehrten Frauen und Herren! Ich glaube, es erwächst uns, sobald das Gesetz beschlossen und publiziert ist, eine allgemeine Pflicht. Es haben die Abgeordneten die Pflicht, hinauszutreten und der Öffentlichkeit jene Aufklärungen zu unterbreiten, welche erstens die Vermögensabgabe als eine unabwendbare Notwendigkeit im Interesse der Allgemeinheit erhärten, wir haben aber auch zu erklären, wie die einzelnen von den Bestimmungen des Gesetzes Gebrauch zu machen haben; ich möchte sagen, wir müssen den Geist des Gesetzes in die Volksseele einprägen und wir müssen auch den breiten Massen die Mittel bieten, wie sie sich mit den Bestimmungen des Gesetzes abfinden.

Meine hochverehrten Frauen und Herren! Dieses Gesetz ist nicht durchgepeitscht, sondern es ist getragen vom Geiste voller Verantwortung gegenüber den uns anvertrauten Interessen. Wir haben uns bemüht — ich wiederhole es noch einmal —, den ehrlich erworbenen, den bodenständigen Besitz zu schonen. Wir gehen aber dorthin, wo der Besitz ein Opfer bringen muss, ein Opfer, das nicht so groß ist wie das Opfer, das breite Volksmassen während des Krieges gebracht haben. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Ich möchte aber einem Wunsche Ausdruck geben. Wir sind die Legislative und erfüllen
heute und in den nächsten Tagen unsere Pflicht, wenn wir das Gesetz beschließen.
Möge aber der Geist des opferwilligen Gemeinsinns, des sozialen und
 


volkswirtschaftlichen Empfindens auch bei der Durchführung des Gesetzes maßgebend sein. (Zustimmung.) Mögen die Organe, welche dann berufen sein werden, unseren legislativen Willen in die Praxis umzusetzen, sich auch vor Augen halten, dass sie nicht die Inquisitoren und Exekutoren sind, sondern dass sie als Berater und Helfer den Schichten des Volkes, die diese Abgabe zu leisten haben, beistehen sollen.

Meine hochverehrten Frauen und Herren! Es ist gewiss für den Staatssekretär und seine Organe, die dieses Gesetz durchzuführen haben, eine schwere Aufgabe. Sie werden sich aber den Dank der Bevölkerung reichlich verdienen, wenn sie, von den Intentionen, die ich gekennzeichnet habe, getragen, hinaustreten und ihrer Ausgabe gerecht werden.

Und so, meine hochverehrten Damen und Herren, lade ich Sie ein, in die Generaldebatte über dieses schwerwiegende, volkswirtschaftlich tief eingreifende Gesetz einzutreten. (Lebhafter, langanhaltender Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Ich eröffne die Generaldebatte. Als Regierungsvertreter sind im Hause erschienen die Herren: Sektionschef Dr. Gottlieb-Billroth, Ministerialrat Grünwald und Adjunkt Lind-Gapp, sämtliche vom Staatsamte für Finanzen.

Es sind vorgemerkt: 1 Kontraredner und 15 Proredner. Zum Worte gelangt der Kontraredner Abgeordneter Friedmann.

Abgeordneter Friedmann: Meine geehrten Damen und Herren! Der verehrte Herr Berichterstatter hat mit einem sonst bei Berichterstattern nicht üblichen Temperament und mit einer ganz besonderen Schärfe und Wärme die Vorlage, die uns nunmehr knapp vor der Beschlussfassung vorliegt, verteidigt und er hat vorweg schon derartig harte Worte für etwaige Kritiken an diesem Elaborat gefunden, dass man beinahe den Mut verlieren möchte, mit einer Kritik hervorzutreten. Ich möchte einer häufig auftretenden Taktik die Spitze abbrechen, die dahin geht, dass man, wenn man von rein sachlichen Erwägungen geleitet, an einer so schwierigen und so tief in das Wirtschaftsleben des Staates und des Volkes eingreifenden Vorlage Kritik übt, als jemand hingestellt wird, der sich mit jenen identifizieren wollte, die die Leistungen, die notwendig sind, ablehnen. Dem ist durchaus nicht so. Wenn die Vermögensabgabe geeignet wäre, den Zweck zu erfüllen, der im § 1 angeführt ist, und wenn Hand in Hand mit der Durchführung dieses Gesetzes jene Sparsamkeit im Staatshaushalte Platz greifen würde, über die leider zu meinem Erstaunen der Herr Berichterstatter nicht gesprochen hat, die wünschenswert ist und die viel zu wünschen übrig lässt, wenn, mit anderen Worten, mit der furchtbaren und zum Teile gewissenlosen Ausgabenwirtschaft gebrochen würde, wenn alles das, meine verehrten Damen und Herren, zutreffen würde, dann, glaube ich, würden alle freudig auf den Altar des Vaterlandes die Opfer hingeben, die man von ihnen verlangt.

Der Herr Berichterstatter war außerordentlich ungehalten über alle diejenigen, welche gefunden haben, dass diese Vorlage in übertriebener Eile vor das Haus gekommen ist, und hat demgegenüber angeführt, wie lange es her sei, seitdem die Vorlage eingebracht worden ist, wie sie im Unterausschusse und seither im Vollausschusse usw. behandelt worden ist. Ich erinnere mich, dass bei Einbringung der Vorlage, die ein eigenes Vorspiel hatte, dieselbe nicht als eine ausgesprochene Regierungsvorlage gegolten hat, sondern uns nach all den Differenzen, welche im Schoße des Kabinetts, vertreten durch die beiden Parteien, geherrscht haben, als ein Elaborat des Herrn Staatssekretärs unterbreitet worden ist, der damals bei der Einbegleitung das Haus darauf aufmerksam machte, dass er sich auf ganz wesentliche Änderungen bei Erfüllung der Wünsche, wie sie im Ausschusse zutage treten würden, gefasst mache. Die Vorlage ist also schon in dieser Beziehung von der sonst üblichen Form abgewichen, in der Regierungsvorlagen eingebracht werden. Und nun erzählt uns der Herr Berichterstatter - und wir glauben es ihm durchwegs —, dass der Unterausschuss in fleißigen Sitzungen sich mit der Materie befasst hat. Aber es scheinen doch dann im Ausschusse die Beschlüsse des Unterausschusses noch ganz wesentlichen Änderungen zugänglich gewesen zu sein und es scheint doch eine Reihe von wichtigen Fragen, wenn sie auch formell im Unterausschusse beschlossen worden sind, offen geblieben zu sein. Und schließlich und endlich ist das Gesetz in der Form, in der es uns nun vorliegt, behaftet mit Abänderungen grundsätzlicher Natur, die weder in der Vorlage des Herrn Staatssekretärs noch im Elaborat des Unterausschusses enthalten sind, vor das Haus gekommen. Wenn man all das berücksichtigt, darf man nicht harte Worte gegenüber denjenigen finden, die erklären, dass ein derartiges Elaborat, dass erst vor ganz wenigen Tagen, am Samstag nachmittags glaube ich, zur Kenntnis der Nationalversammlung gekommen ist, welches heute zur Diskussion gestellt wird und morgen womöglich verabschiedet werden soll, denn doch mit einer Eile behandelt wird, die dem Ernste und der Schwierigkeit der Frage nicht entspricht.

Die wesentlichste Änderung, die überraschend gekommen ist, besteht darin, dass das Vermögen
in ein liquides und in ein illiquides Vermögen geteilt wird. Es ist schon einige Tage
vor der Drucklegung des Berichtes durchgesickert und man hat aus


einigen zufälligen Zeitungsnotizen entnommen, dass eine derartige Scheidung vorgenommen werden wird. Aber Sie dürfen es allen jenen nicht verargen, die, plötzlich durch ein derartiges Vorhaben überrascht, verlangen, dass man denn doch die Frage genauer erwägen solle, und gerade dieser grundsätzliche Punkt scheint mir einer ganz besonderen Erwägung wert und zugänglich. Sie werden dadurch, dass Sie zwischen liquidem und illiquidem Vermögen unterschieden haben und die Abstattung des ersteren in drei Jahresraten innerhalb einer Zeit von 2 1/4 Jahren nach Zustellung der Zahlungsaufforderung festgesetzt haben, allerdings erreichen, dass für die allernächste Zeit mehr Beträge einfließen werden, als sonst bei der normalen Ratenabzahlung einfließen würden. Aber ich bemerke vorweg, dass Sie sich hiedurch in einen starken Gegensatz zu der Konstruktion des Reichsnotopfers im Deutschen Reiche bringen, wo eine 30jährige Ratenabzahlung vorgesehen ist. Und wenn der verehrte Herr Berichterstatter uns die Vorteile, die dem Mittelstand und den Kleinrentnern aus der Vorlage erwachsen, geschildert hat, so müsste man sich wirklich sagen: welche Wonne und welche Lust ist es, in dieser Zeit kleiner Mittelständler und Kleinrentner in Österreich zu sein!

Aber, meine verehrten Anwesenden, es liegt doch ein Unterschied vor und ich muss hier den Vergleich zwischen uns und den Verhältnissen im Deutschen Reich ziehen. Im Deutschen Reich, welches doch wirtschaftlich kräftiger ist als wir es in Österreich sind, hat, wie ich schon sagte, der Rentner — ich spreche absichtlich von dem Rentner, den ich als den mittelständischen bezeichne —, da er Zeit hat, die Abgabe binnen 30 Jahren in Raten zu leisten, die Möglichkeit, diese Abgabe aus seinen Zinseneingängen oder aus seinem sonstigen Jahreserwerb, wenn er ein Nebeneinkommen besitzen sollte, zu decken, während bei uns die Leistung in 2 1/3 Jahren zu erfolgen hat und er in vielen Fällen gezwungen sein wird, diesen Betrag aus dem Kapital abzustatten. Und hierin liegt ein ganz gewaltiger Unterschied.

Wenn der verehrte Herr Berichterstatter von den kleinen Leuten gesprochen hat, von den Kleinrentnern, wie ich sie kurz bezeichnen will, und von all den Vorteilen, die ihnen eingeräumt werden, so möchte ich Sie doch daran erinnern, meine verehrten Damen und Herren, dass nach unserer Vorlage derjenige, der ein Vermögen bis zu 200.000 K hat, in all den Fällen, die angeführt sind und die eine ganz besondere Berücksichtigung erheischen, eine Stundung der Abgabe bis zum Lebensende erwarten kann. Das ist richtig. Halten Sie aber dem gegenüber, dass nach dem deutschen Gesetz ein derartiger Kleinrentner die Stundung zugesichert erhält bis zu einer Grenze seines Vermögens von 100.000 Mark, was ungefähr 400.000 K, also dem Doppelten desjenigen Betrages entspricht, den Sie vorgesehen haben, nebst einem Jahreseinkommen von 5000 Mark; also ungefähr 20.000 K. Sie werden mir zugeben, dass, wenn Sie sowohl das Moment der kurzfristigen Zahlung bei uns gegenüber der langfristigen Ratenzahlung der Abgabe in Deutschland als auch die Vorteile in Betracht ziehen, die nach den wenigen Beispielen, die ich hier angeführt habe, der deutsche Rentner und Mittelständler besitzt, derselbe weitaus besser gestellt ist, als wir es hier sind.

Und, meine verehrten Anwesenden, ich möchte, obwohl wir noch nicht in der Spezialdebatte sind, im Zusammenhänge mit dem, was ich über die Scheidung in liquides und illiquides Vermögen zu sagen habe, einer Gruppe von Menschen Erwähnung tun, die mir außerordentlich stiefmütterlich behandelt zu sein scheint, das sind all die Minderjährigen, welche während des Krieges gezwungen waren, ihr Vermögen in Kriegsanleihe anzulegen, die nun, da ihr Kapital liquides Kapital ist, in drei Jahresraten die Abgabe zu leisten haben und nicht besser gestellt sind als all die übrigen Vermögenspflichtigen mit liquidem Vermögen. Ich werde mir erlauben, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen und appelliere schon jetzt an die Nationalversammlung, sich gerade dieser Persönlichkeiten, die besonderer Berücksichtigung würdig sind, zu erinnern.

Der verehrte Herr Berichterstatter hat der Meinung Ausdruck gegeben, dass es unrichtig sei, zu behaupten, diese Vermögensabgabe treffe die städtische Bevölkerung mehr als die ländliche, und es wäre das nur quasi als Zankapfel hineingeworfen, als eine Parole mit Rücksicht auf die bevorstehenden Wahlen. Es liegt mir nichts ferner als hier zu diesem ernsten Thema anders als sachlich zu sprechen, nichts ferner, als dieses Thema mit Rücksicht auf die kommenden Wahlen zu behandeln. Ich kann mich allerdings des Eindruckes nicht erwehren, dass die Geschwindigkeit und Plötzlichkeit, mit der dieser Entwurf in einer ganz neuen Form und Fassung vorgelegt worden ist, in einem untrennbaren Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen steht.

Wenn ich nun trotzdem darüber spreche, dass die Behandlung der ländlichen Bevölkerung gegenüber der städtischen eine ganz verschiedene ist, tue ich es erstens nicht, um irgendwelche Demagogie zu treiben, und zweitens absolut nicht, um etwa der Landwirtschaft die Vorteile, die ihr nach dieser Vorlage zukommen, zu miss­gönnen. Das möchte ich ausdrücklich erklären. Ich bin mir vollkommen darüber im klaren, dass unsere Landwirt­schaft gerade in der jetzigen Zeit eine der hauptsächlichsten Stützen unseres Staates und unserer Volkswirtschaft zu sein hat. Ich missgönne ihr die Vorteile nicht. Aber ich muss dem widersprechen, wenn der Herr
 


Berichterstatter meint, die städtischen Kreise seien nicht mehr betroffen als die ländlichen. Die städtischen Kreise sind weit stärker herangezogen, wesentlich stärker herangezogen durch die Art und Weise der Bewertung der gewerblichen Vermögen und — ich bitte die verehrten Kollegen von der Landwirtschaft um Vergebung — wesentlich stärker herangezogen wegen der Scheidung in liquides und nichtliquides Vermögen. Sie werden auch durch diese Vorlage die große Zahl der Banknoten, die als Strumpfgeld verwahrt sind, nicht herausbekommen, ebenso wenig wie Sie diejenigen Kreise treffen werden, von denen ich wünschte, sie könnten getroffen werden, und von denen der Herr Berichterstatter meinte, sie wollten sich der Vermögensabgabe entziehen und es müsste das verhindert werden, nämlich alle diejenigen Kreise, die weder Bücher führen, noch bodenständig sind, die als Schleichhändler und Schieber Unsummen aufgestapelt haben, deren Sie nicht habhaft werden. Nein, diese Vermögensabgabe ist vorweg eine Belastung der städtischen und in allererster Linie eine Belastung der Wiener Bevölkerung — darüber kann gar kein Zweifel sein —, und zwar desjenigen Kreises der Wiener Bevölkerung, der bodenständig ist, der Bücher führt, von Leuten, die bekannt sind, die nichts hinterziehen und nichts hintertreiben können, die keine Schleichhändler sind. So allversöhnend, wie der sehr verehrte Herr Berichterstatter es uns darstellen wollte, ist diese Vorlage denn doch nicht.

Noch einige Bemerkungen über die Scheidung in liquides und illiquides Vermögen. Es gibt sehr viele im Erwerbsleben stehende Persönlichkeiten, die Privatvermögen haben und Gesellschafter einer offenen Gesellschaft sind. Sie haften mit ihrem ganzen Vermögen und trotzdem kann ihr Privatvermögen, soweit ich die Vorlage in der kurzen Zeit durchsehen und überblicken konnte, nicht als illiquid, sondern muss als liquides Vermögen betrachtet werden. Sie sind gezwungen, aus demselben in den kurzen Fristen die Abgabe zu leisten. Dabei ist zu bedenken, dass die Haftung für das Unternehmen mit dem ganzen Vermögen ja zusammenhängt mit der Kreditwürdigkeit des Unternehmens, dem sie als öffentlicher Gesellschafter angehören.

Und nun einige Worte über die Heranziehung der zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Gesellschaften, der Aktiengesellschaften. Die Aktiengesellschaften haben 15 Prozent ihres Aktienkapitals als liquides Vermögen in den kurzen Fristen abzustatten. Ich kann nicht umhin, hier einen Vergleich zwischen unserer und der deutschen Gesetzgebung zu ziehen. In Deutschland werden bloß von den offenen und stillen Reserven 10 Prozent und in den langfristigen Raten abverlangt. Nicht so bei uns. Und doch ist in Österreich die wirtschaftliche Not und Krisis eine stärkere als im Deutschen Reiche und Hand in Hand damit das Kreditbedürfnis bei uns ein viel größeres als in Deutschland. Wir dürfen uns nicht dadurch irre machen lassen, dass unsere Krone, die noch vor wenigen Monaten 1.8 gestanden ist, auf 4 gestiegen ist. Nicht der Züricher Kurs ist maßgebend. Unsere Krone ist trotzdem fortwährend gesunken, weil sie immer schlechter geworden ist gegenüber der deutschen Mark, gegenüber der jugoslawischen, gegenüber der tschecho-slowakischen Krone. Mit diesen Ländern müssen wir uns vergleichen.

Und wenn nun das trotz aller Not, in der es sich befindet, wirtschaftlich weitaus kräftigere Deutsche Reich ein Reichsnotopfer seiner Bevölkerung zumutet, das in vielen Beziehungen milder ist als das unsere, so gibt das zu denken in einer Zeit einer starken wirtschaftlichen Krise, in der wir uns befinden und die noch lange nicht im Abflauen begriffen ist. Unsere industrielle und gewerbliche Produktion stagniert. Wir sind kaum mehr in der Lage zu exportieren. Trotz der in dem Disagio liegenden Exportprämie sind wir seit längerer Zeit bereits in unserer Erzeugung teurer als das Ausland, nach dem wir exportieren sollen. Der Inlandsmarkt ist nicht aufnahmsfähig. Die Teuerung schreitet schneller fort als die Erzeugung der Banknoten, die der Herr Staatssekretär auf dem Wege der Vermögensabgabe wieder hereinzubekommen glaubt. In solchen Zeiten ist das Kreditbedürfnis ein ganz außerordentliches. Und wenn ich im Zusammenhange damit über die Besteuerung der Aktiengesellschaften spreche, so tue ich es im Hinblick auf die große Bedeutung, welche der Aufrechterhaltung unserer gewerblichen und industriellen Betriebe zukommt. Wenn Sie ganz im Gegensatz zum Deutschen Reich in derart kräftiger und ausgiebiger Weise in kurzer Zeit diesen Kreditquellen Kraft entziehen, dann wird sich das unbedingt auf das nachteiligste äußern bei allen denjenigen Kreisen, welche produzieren sollen, welche exportieren sollen, das ist Gewerbe und Industrie.

Allerdings erwartet die Finanzverwaltung, dass aus den Abgaben auf liquide Vermögen und auf Aktiengesellschaften größere Beträge gerade in den ersten Jahren hereinkommen werden.

Wenn ich die ursprüngliche Rechnung von einem Erträgnis der Vermögensabgabe von ungefähr 12 Milliarden in Betracht ziehe, so will ich ja zugeben, dass das, was als liquides Vermögen erfasst wird, vielleicht in den ersten drei Jahren rechnungsmäßig 6 Milliarden, also pro Jahr 1 1/2 bis 2 Milliarden, einbringen würde. Ich sage rechnungsmäßig, unter der Voraussetzung, dass der Veranlagungsapparat funktionieren wird, der allerdings hier am leichtesten und schnellsten funktionieren kann, viel schneller als bei anderen Gattungen von Steuern.


Nun ist es sehr verlockend, sich vorzustellen, dass diese je 1 1/2 Milliarden, die, sagen wir, während der ersten drei Jahre einfließen sollen, wieder in die Wirtschaft gepumpt werden. Ja, sie werden wieder ausgegeben werden. Aber ich bezweifle, dass sie in diejenigen Kanäle kommen, in die sie zu kommen haben, um das Kreditbedürfnis der erwerbenden städtischen Kreise zu befriedigen. Das wird nicht der Fall sein. Es wird die Kreditenge zunehmen und ich sehe darin eine große Gefahr und einen großen Fehler der Konstruktion dieser Vorlage, wie sie uns seit wenigen Tagen bekanntgeworden ist. Sie werden mir zugeben, wenn ich eingangs gesagt habe, bei so grundsätzlichen Änderungen ist es nicht übertrieben, wenn man von einer Überstürzung spricht, wenn man davon spricht, dass grundstürzende Einrichtungen eingeführt werden, ohne dass den interessierten Kreisen die Gelegenheit gegeben wird, darüber auch nur nachzudenken und sich die Sache anzuschauen. Ich sage die interessierten Kreise. Ich möchte aber auch die Frage stellen, wie viele der verehrten Mitglieder der Nationalversammlung in der Lage waren, seit der Drucklegung dieses Berichtes ihn zu studieren und durchzulesen. Er ist am Samstag — heute haben wir Dienstag — herausgekommen.

Ich habe vorhin gemeint, dass es wohl nicht leicht möglich sein werde, die Beträge, die man sich von der Vermögensabgabe erwartet, auch nur in annäherungsweise regelmäßigen und kürzeren Fristen hereinzubekommen. Ich hätte gern vom Herrn Berichterstatter, der dieser Vorlage ein so glänzendes Lob gespendet hat und uns mitgeteilt hat, wie gründlich sie im Ausschusse verhandelt worden ist, einige Mitteilungen darüber bekommen, ob sich der löbliche Finanzausschuss auch die Frage vorgelegt hat, welche Auslagen aus der Einhebung dieser Vermögensabgabe erwachsen werden und wie man es sich denn vorstellt, die Veranlagung wirklich durchführen zu können. Der Apparat der Beamten, die zur Verfügung stehen, ist ein beschränkter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man eine beliebige Anzahl von Beamten neu heranziehen kann; denn die Materie ist außerordentlich schwierig und es ist notwendig, dass tüchtige, erfahrene Fachleute zu dieser Arbeit herangezogen werden. Die Rückstände aus der Kriegszeit und aus der Zeit seit dem Umsturze sind noch außerordentlich groß. Dazu kommt, dass das Studium dieser Vorlage nach der ganzen Textierung nicht eine gar so einfache Sache ist und die Leute sich erst allmählich werden hineinleben können. Sie werden ja nebst dieser Gesetzesvorlage noch ein viel schwierigeres Elaborat, nämlich die Vollzugsanweisung, zu studieren haben und da glaube ich kaum, dass es ohne starke Rückstände, ohne starke Erschütterungen vor sich gehen wird. Und ich erinnere mich jetzt an die Worte, die vor drei oder vier Jahren der leider inzwischen verstorbene Dr. Beurle in Linz gesprochen hat, als er über die Vermögensabgabe sprach.

Das Thema spielt ja in die Kriegszeit zurück, das Problem der Vermögensabgabe ist ja keine neue Erfindung. Er sagte, wenn — wie schon damals beabsichtigt war —- die Vermögensabgabe Gesetz wird, dann wird es zwei Teile der Bevölkerung geben: die einen, die veranlagen und Exekution führen und die anderen, die fatieren, beziehungsweise hinterziehen. In dieser Übertreibung liegt aber doch viel Wahres.

Ich sprach vorhin von den unendlichen Schwierigkeiten, die dem Beamtenapparat auferlegt werden, um das Werk zu bewältigen. Aber vergessen Sie, wenn Sie an diese Kosten denken, nicht an die unberechenbaren Kosten, die darin liegen, dass sich jeder Zensit jetzt den Kopf zerbrechen wird, wie er denn nur zu fatieren hat, dass er allein gar nicht in der Lage sein wird, wenn er das Gesetz liest, die Fassion zu legen, dass er sich einen Ratgeber zur Seite stellen muss, dass er jemand wird zu Rate ziehen müssen, um zu wissen, wie er zu fatieren hat — nicht um falsch und unrichtig zu fatieren, sondern um sich nur auszukennen. Ich habe hier ein kleines Beispiel der Ausrechnung für ein Vermögensbekenntnis eines Zensiten mit liquidem und illiquidem Vermögen. Das wird ja die Regel sein oder zumindest sehr häufig vorkommen bei Leuten, die für die Abstattung der Vermögensabgabe in Betracht kommen. Da haben Sie zunächst ein Bekenntnis, dann einen vorläufigen Zahlungsauftrag für das liquide Vermögen, ein Bekenntnis und einen vorläufigen Zahlungsauftrag unter Bedachtnahme auf das illiquide Vermögen, eine definitive Bemessung mit all den komplizierten und schwierigen Berechnungen, dann einen definitiven Zahlungsauftrag und schließlich eine Berufung und Entscheidung auf Grund der Berufung.

Wenn es ähnlich bei jedem vermögensabgabepflichtigen Zensiten vorgeht, kann man sich vorstellen, nicht nur wie schwierig, sondern auch wie langwierig die ganze Veranlagung und wie kompliziert der Veranlagungsapparat sein wird. Die Vorlage sieht auch eine provisorische Bemessung vor. das heißt der Abgabepflichtige wird provisorisch bemessen, und wenn er es bei dem komplizierten Veranlagungsapparat und bei den Schwierigkeiten erlebt, so wird er dereinst die definitive Bemessung mit der Richtigstellung haben, in einer Zeit, wo ihm das vielleicht schon mehr oder weniger gleichgültig ist.

Nun wird bei den Bemessungen den Kommissionen eine ganz besondere Aufgabe zufallen. Als die Vorlage eingebracht wurde, dachte man noch an die normalen Einkommensteuerschätzungs-, beziehungsweise Berufungskommissionen. Aber diese Frage hängt innig zusammen mit einem Gesetze, welches.
 


wenn ich nicht irre, übermorgen besprochen und beschlossen werden soll, mit der Einkommensteuervorlage, und soweit man bisher aus Notizen, Nachrichten und Communiqués entnehmen konnte, sollen diese Steuerkommissionen nicht nach der bisher üblichen Art gewählt werden, sondern die Schätzungskommissionen erster Instanz werden von der Gemeinde gewählt, rekte ernannt, die Berufungskommissionen, die zweite Instanz, von den Landtagen nach dem Grundsatze des Verhältniswahlrechtes. Und da ich mir vorhin zu bemerken erlaubt habe, dass diese Abgabe vornehmlich eine Wiener Abgabe ist, so können wir uns lebhaft vorstellen, wie die Kommissionen, die der Wiener Gemeinderat zusammenzustellen haben wird, ausschauen werden.

Es werden in den Kommissionen in der überwiegenden Mehrzahl Leute sein, die keine Vermögensabgabe zu zahlen haben, die aber über Leute beschließen werden, welche die Vermögensabgabe leisten müssen. Es ist das ein ganz neues Prinzip. Genau das gleiche wird bei der Personaleinkommensteuer zutreffen, denn die verehrten Herren von der linken Seite des Hauses, die immer so außerordentlich für direkte Steuern geschwärmt haben und noch schwärmen, meinen damit die Zahlung der direkten Steuern seitens der anderen.

Ich möchte ein wenig vom Thema abweichen und auf die bisher bekannt gewordenen Verhandlungen über die Einkommensteuer mit wenigen Worten eingehen. In der ursprünglichen Vorlage, wie sie der Herr Staatssekretär eingebracht hat, meinte er, es sei notwendig, nicht nur dass jeder Zensit — auch der Arbeiter und Angestellte — seine Einkommensteuer zahle, dass sie ihm von seinem Lohne abgezogen werde, es sei auch notwendig, dass er das Bewusstsein habe, dass er die Steuer leiste und zu den Steueropfern beitrage. Infolgedessen sollte das Überwälzungsverbot eingeführt werden. Ich las letzthin, dass das Überwälzungsverbot fallen soll, wohl in der Absicht, dass diese Steuer abgezogen werden kann, aber überwälzt werden soll. Wenn nun diejenigen, die keine Steuern zahlen, in den Kommissionen sitzen und über diejenigen entscheiden, die Steuern zu zahlen haben, dann kann man sich lebhaft vorstellen, wie das ausgehen wird, zumindest aber — ich bitte, wenn ich auch vorweg objektiv genug sein will, volle Unparteilichkeit all den Leuten, die in die Kommissionen kommen, die ich vorläufig noch nicht kenne, zuzugestehen — dass doch ein Grund zur berechtigten Beunruhigung auf Seiten all derjenigen, denen wir diese großen Opfer zumuten, vorhanden sein muss.

Durch Monate hieß es — und auch darüber hat der verehrte Herr Berichterstatter offenbar vergessen uns heute eine Belehrung zu geben — zwischen Vermögensabgabe und Verfassung werde ein Junktim verlangt werden. Ein untrennbarer Zusammenhang bestünde und besteht auch zwischen den beiden Materien. Die Vermögensabgabe wird jetzt in aller Eile verabschiedet, bezüglich der Verfassung sind wir auf den September vertröstet, auf einen Monat, der schon um ganz Wesentliches den Wahlen näher steht, die ebenso wenig aus die Behandlung der Verfassung ohne Einfluss sein werden; wie sie ohne Einfluss gewesen sind auf die Art der Behandlung des Gesetzes, über das wir uns heute unterhalten. Da muss ich schon sagen, dass bei einer Abgabe, die, wie nicht stark genug hervorgehoben werden kann, eine ausgesprochene Wiener Abgabe ist, es mir unverantwortlich erschiene, nicht volle Gewähr dafür zu haben, dass bei der Gesetzwerdung ein tatsächliches Junktim zwischen Vermögensabgabe und Verfassung besteht. Denn es kann für uns in Wien, die wir den Löwenanteil dieser Abgaben und Steuern zu bezahlen haben, nicht gleichgültig sein, wie die Verfassung ausschauen, welche Stellung Wien haben wird, wie in der Verfassung und im Zusammenhang mit ihr die finanziellen Fragen geregelt werden, welche Beiträge Wien für die Verwaltung der Länder zu leisten hat, ob in der Verfassung für die Verwaltung jene Maximen der Sparsamkeit Platz finden werden, die wir verlangen müssen, wenn wir schließlich aus Wien den ganzen Staat und das ganze Reich so wesentlich mitzudotieren haben. Ich meine also, dieser innige und untrennbare Zusammenhang zwischen Verfassung und Vermögensabgabe ist vorhanden, er müsste aufrechterhalten werden, und wenn es nicht geschähe, wäre es ein Verrat und eine schwere Enttäuschung für die ganze Wiener Bevölkerung, die es erwartet hat und erwarten musste.

Ich werde mir vorbehalten, eventuell noch in der Spezialdebatte eine Reihe von Anträgen zu motivieren, die ich einbringe und von denen ich bitte, einige wenige erwähnen zu dürfen. Sie haben im § 16, Absatz 2, um wieder aus die Kleinrentner zurückzukommen, das Wort „Kriegsinvalider“. Es ist nicht einzusehen, warum der Kleinrentner, der für den Fall der 60 Jahre, der Erwerbsunfähigkeit oder der Invalidität besonders begünstigt werden soll, gerade Kriegsinvalider sein muss und nicht Invalider schlechtweg sein kann. Ich glaube, es ist das nur ein Redaktionsfehler oder ein Übersehen gewesen.

Was die Besteuerung der Aktiengesellschaften anbelangt, so sieht der uns vorliegende Entwurf vor, dass das Mittel zwischen dem gemeinen Werte und dem Ertragswerte genommen wird: Es ist nun ganz gut möglich, dass dieses Mittel noch wesentlich über den tatsächlichen Wert des Unternehmens hinausgeht, und in diesem Falle müsste es dem Unternehmer zugebilligt sein, bei Vorlage einer Vermögensbilanz diese zur Grundlage der Bewertung machen zu lassen. Auch darauf zielt mein Antrag ab.


Was die gewerblichen Unternehmungen anbelangt, so beantrage ich, dass, so wie in dem deutschen Gesetze, nicht nur der Anschaffungswert maßgebend sei, sondern der Anschaffungswert abzüglich angemessener Abschreibungen. Im § 139 der deutschen Reichsabgabeordnung heißt es, dass für die Bewertung der dauernd dem Betriebe gewidmeten Gegenstände der Anschaffungspreis abzüglich angemessener Abnutzungen maßgebend ist unter Zulassung des Ansatzes eines niedrigeren Wertes usw. Ich sehe nicht ein, warum wir in Österreich unserem Gewerbe in der Frage der Bewertung zumindest nicht dieselben Begünstigungen einräumen sollten, die dem deutschen Gewerbe zugebilligt werden.

Die Ausgabe von Gratisaktien ist, wie uns der Herr Berichterstatter mitgeteilt hat, fakultativ, aber doch nur insoweit, als der Staatssekretär für Finanzen die Ausgabe der Gratisaktien gestattet, mit anderen Worten, die Gratisaktien entgegennehmen will. Die ratio ist wohl die: Ist das Unternehmen ein schlechtes, wird er die Gratisaktien nicht nehmen wollen, wohl aber die Vermögensabgabe, die in zwei Jahren drei Monaten abgestattet werden soll.

Das schiene mir direkt unmoralisch. Ich glaube, es muss dem Unternehmen wirklich freigestellt sein, je nach der wirtschaftlichen Lage Gratisaktien abzuliefern oder bar zu zahlen und es darf im letzteren Falle die Abstattung der Gratisaktien nicht an die besondere Zustimmung des Staatsekretärs für Finanzen gebunden sein.

Die Abstattung in drei Jahresraten ist eine derartige Härte und eine derartige nicht zu rechtfertigende Diskrepanz gegenüber den Bestimmungen im Deutschen Reiche, dass ich, um zu mindestens die Sache zu mildern, mir zu beantragen vorbehalte, die drei Jahresraten auf sechs Jahresraten zu erweitern.

Ich möchte nicht des näheren über einige Anträge sprechen, die ich zum Verfahren selbst zu stellen habe. Gestatten Sie mir zum Schlusse nochmals, lebhafte Verwahrung dagegen einzulegen, dass eine Kritik an diesem Entwurf identisch gehalten wird mit einer Sabotierung desselben. Das liegt gerade denen, die den Entwurf kritisieren, um so ferner, weil die Kritik sich auf Studium stützt und eine genaue Befassung mit der Materie. (Abgeordneter Dr. Alfred Gürtler: Sie sagten doch, es war keine Zeit zum Studium vorhanden!) Das widerspricht nicht, ich werde sofort darauf antworten. Insoweit es identisch war mit der Vorlage, ist es Studium und ein Studium schließt nicht aus, dass man binnen zweimal 48 Stunden studieren kann, verehrter Herr Professor. Vielleicht sind auch Nichtprofessoren in der Lage, Drucksorten zu studieren, und ich habe mir die Freiheit genommen, am Samstag sofort als die Drucksorte erschienen ist, dieselbe an mich zu nehmen und sie zu studieren. (Abgeordneter Dr. Alfred Gürtler: Es war also doch Zeit!) Das war aber nur eine Zeit für eine ganz ausnahmsweise Aufwendung der Arbeit und ich maße mir durchaus nicht an, selbst kompetent zu sein. Ich gehöre zu jenen Abgeordneten, die glauben, die betroffenen Kreise und Bevölkerungsschichten haben ein Recht, sich darüber zu äußern, und dieses Recht, diese Möglichkeit haben Sie ihnen genommen. Dagegen muss flammender Protest erhoben werden und deshalb schließe ich, indem ich ganz besonders unterstreiche: die Art und Weise, mit der diese Vorlage vor das Haus kommt, um verabschiedet zu werden, ist eine Leichtfertigkeit sondergleichen.

Präsident Hauser (welcher während vorstehender Rede den Vorsitz übernommen hat): Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Dr. Otto Bauer.

Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Hohes Haus! Schon zur Zeit des Umsturzes war es allgemeine Überzeugung, dass die Vermögensabgabe gemacht werden muss und so schnell als möglich gemacht werden soll, als ein notwendiger und unentbehrlicher Schritt zur allmählichen Sanierung unseres Staatshaushaltes und damit auch unserer Volkswirtschaft.

Man hat uns damals zunächst warten lassen und hat geglaubt, man könne mit der Vermögensabgabe nicht Vorgehen, so lange der Friede nicht geschlossen ist. Nach dem Friedensschluss von Saint Germain ist das Werk weiter verzögert worden, weil indessen ein Wechsel im Staatsamt für Finanzen die Arbeit unterbrochen und ihre Wiederaufnahme notwendig gemacht hat. Die Vorlage konnte nicht vor das Haus kommen, weil man in der Regierung verschiedener Meinung gewesen ist. Endlich kam sie als Vorlage des Staatsamtes der Finanzen an das Haus. Sie ist — ich brauche hier an diesen Leidensweg nicht zu erinnern — hier ein halbes Jahr lang in allen Phasen durchberaten worden. An Sitzungen hat es dabei wahrhaftig nicht gefehlt; es ist darauf ein Zeitaufwand verwendet worden, wie kaum jemals auf ein ähnliches Gesetz.

Wer die Geschichte der Beratung des Reichsnotopfers im Deutschen Reiche oder gar der Vermögensabgabe in der Tschecho-Slowakei kennt, dem wird es einfach lächerlich erscheinen, wenn man hier jetzt so tut, als sei man durch die Verhandlung der Vorlage überrascht worden. Dabei ist das Sonderbare, dass die Herren und die Zeitungen alle so tun, als hätte man erst auf den gedruckten Ausschussbericht warten müssen, um die Beschlüsse des Unterausschusses und des Ausschusses kennen zu lernen.

Diese Beschlüsse sind enthalten in den Zeitungen, sie sind in amtlichen Communiqués
 


publiziert worden, es konnte sich sie jemand zum Beispiel hintereinander aufkleben und er wäre nicht so überrascht worden und hätte viel mehr Zeit zum Studium gehabt.

Und nachdem man so lange Zeit gehabt hat und das Gesetz zur Überraschung derjenigen, die sich von dem Gesetze bedroht fühlen, nun endlich doch zur Verabschiedung kommen soll, hat ein wahrhaft schamloses Treiben hier begonnen. Wenn ich mit Vorbedacht von einem „schamlosen Treiben“ spreche, so meine ich damit nicht jenen Pressefeldzug, von dem schon der Herr Berichterstatter gesprochen hat. Dass das Großkapital sich wehrt und dass daher auch die Presse, die dem Großkapital dient und allgemeine und persönliche großkapitalistische Interessen zu verteidigen hat (Heiterkeit und Rufe: Sehr gut!), sich mit allen Mitteln wehrt, das hat uns Sozialdemokraten wahrhaftig nicht überrascht. Das war immer so und war zu erwarten. Aber wenn ich von einem schamlosen Treiben gesprochen habe, so meine ich das Treiben gewisser Kreise, großkapitalistischer Kreise hier in Wien, die sich in den letzten Tagen nicht geschämt haben, worauf auch schon der Herr Berichterstatter eine Anspielung gemacht hat, ganz unmittelbar das Ausland anzurufen (Hört! Hört!) und von der Reparationskommission zu verlangen, dass sie gegen dieses Gesetz oder wenigstens gegen gewisse Bestimmungen dieses Gesetzes Einspruch erhebe und das souveräne Recht der Volksvertretung hier in Frage stelle und aufhebe. (Rufe: Unerhört!)

Meine Herren, vielleicht erlauben Sie, dass ich die Behauptung, dass das vorgekommen ist, doch etwas näher begründe. Es haben am 6., am 8. und am 9. Juli Beratungen stattgefunden, an denen Vertreter der Wiener Großbanken, des Reichsverbandes der Industrie und der Handels- und Gewerbekammer teilgenommen haben. Die Beratungen fanden am 6. Juli im Sitzungssaale des Bankenverbandes, am 8. Juli beim Direktor Neurath der Kreditanstalt und am 9. Juli in den Räumlichkeiten der Handelskammer statt. Die Aufzeichnungen über diese Beratungen sind sehr interessant unter vielen Gesichtspunkten. Es sind darunter zum Beispiel Aufzeichnungen, die auch einen sehr interessanten Aufschluss darüber geben, mit welchen Mitteln das Wiener Finanzkapital den Versuch unternehmen wollte, die bürgerlichen Parteien dieses Hauses seinen Zwecken dienstbar zu machen. (Hört! Hört!) Aber diese Seite wünsche ich in diesem Zusammenhange nicht zu besprechen. Man wird ja aus der Abstimmung sehen, wie weit dieser Versuch etwa gelungen ist oder nicht. (Heiterkeit und Rufe: Sehr gut!) Wichtiger, zumindest für den Augenblick, scheint es mir, auf einen anderen Beratungsstoff dieser Konferenzen hinzuweisen. Die Herren haben sich nämlich dort über die Frage unterhalten, ob man und wie man die Reparationskommission zu einem Einspruch gegen diesen Gesetzentwurf gewinnen kann. (Rufe: Hört! Hört!) Das wurde in der Sitzung vom 8. Juli erörtert. An der Sitzung nahmen teil: die Direktoren Neurath und Frankl von der Kreditanstalt, Präsident Minkus von der Unionbank, Generaldirektor Rotter von der Länderbank, Dr. Fuchs vom Bankhause Rothschild, Direktor Treichl von der Anglo-Bank, der Herr Abgeordnete Friedmann (lebhafte Rufe: Hört! Hört! Zwischenrufe), der Herr Direktor Stern von der Bodenkreditanstalt, Direktor Breuer von der Länderbank, Direktor Muntendorf von der Depositenbank, Popper jun. von der Verkehrsbank, Heinsheimer vom Bankverein, Professor Mises von der Handelskammer, Generalsekretär Weiß vom Reichsverband der Industrie und außerdem eine Reihe von Steuerreferenten der Großbanken.

In dieser Sitzung, deren Teilnehmerliste ich verlesen habe, hat Generaldirektor Rotter von der Länderbank zunächst angeregt, man möge doch die Ententevertreter zum Schutze gegen die Vermögensabgabe anrufen, und er hat nun gleich, die Argumente ausgeführt, welche man der Reparationskommission vorhalten müsse, damit sie gegen diesen Gesetzentwurf Einspruch erhebe. Generaldirektor Rotter empfiehlt folgende Argumente: Erstens soll man der Reparationskommission sagen, dass durch dieses Gesetz die Durchführung des Friedensvertrages in einer Reihe von Bestimmungen gefährdet wird. (Lebhafte Zwischenrufe.) Es soll ihr weiters klar gemacht werden, dass die Aktien deutschösterreichischer Industriegesellschaften, welche sich im Besitze französischer, englischer oder italienischer Kapitalisten befinden, entwertet werden, wenn man den Aktiengesellschaften eine hohe Steuer auferlegt, insbesondere wenn man sie zur Herausgabe von Gratisaktien und damit, wie die Herren es nennen, zur „Verwässerung ihres Aktienkapitales“ verhält, so dass diese Vermögensabgabe eine Gefährdung der Interessen der ausländischen, der Ententekapitalisten sei. Insbesondere, meinte der Generaldirektor Rotter, werde es auf die Entente doch vielleicht einen Eindruck machen, wenn man die Frage der Gratisaktien in den Mittelpunkt der Erörterung stellt und ihr sagt, dass wenn einmal ein Staat sich entschließt, Gratisaktien zu verlangen, er das am Ende auch einmal wiederholen könnte, was auf eine Expropriation der ausländischen Kapitalisten, die Aktien unserer Gesellschaften besitzen, hinauslaufe. Auch würden diese Gratisaktien im Auslande ohnehin jedenfalls unverkäuflich sein. Man solle weiters — dieses Argument wird von den Herren wahrscheinlich als besonders wirksam angesehen worden sein — die Reparationskommission darauf aufmerksam machen, dass die inländischen Banken und die inländische Industrie durch die Vermögensabgabe so schwer belastet


würden, dass sie dann nicht mehr imstande wären, ihre Vorkriegsschulden an die französischen und englischen Kapitalisten zu bezahlen. (Zwischenrufe.) Mit diesen Argumenten, meinte Generaldirektor Rotter, solle man die Reparationskommission zumindest dazu bringen — nicht gegen die Besteuerung des 150.000 K-Mannes — aber gegen die Einbeziehung der Aktiengesellschaften in die Vermögensabgabe Einspruch zu erheben. (Heiterkeit und Zwischenrufe.) Es wurde dann davon gesprochen, dass man ein Komitee einsetzen solle, welches diesen Schritt bei der Reparationskommission machen soll, und zwar ein Komitee von drei Mitgliedern, für das in Aussicht genommen wurden, zunächst Generaldirektor Rotter als Vorsitzender und Anreger, dann der Herr Abgeordnete Friedmann (Rufe: Hört! Hört!) und Generalsekretär Waiß vom Reichsverband der Industrie.

Generalsekretär Waiß hat nun erklärt, dass er aus Anstandsgefühl eine solche Berufung ablehnen müsse; er hat gesagt, dass man solche Dinge doch nicht machen könne, dass es höchst odios sei, die Reparationskommission anzurufen, und hat insbesondere auseinandergesetzt, dass so etwas am Ende in die Öffentlichkeit kommen könnte und was die „Arbeiter-Zeitung“ schreiben werde, wenn das herauskommt. (Heiterkeit.) Diese Auseinandersetzung darüber, was dann die „Arbeiter-Zeitung“ darüber schreiben werde, hat auf die anwesenden Herren einen großen Eindruck gemacht und es wurde tatsächlich der Plan, eine Deputation dieser beratenden Körperschaft an die Reparationskommission zu schicken, fallen gelassen und den anwesenden Herren anheimgestellt, nicht als Deputation, sondern einzeln sich an die Reparationskommission zu wenden, um sie zu diesem Einspruche zu bewegen. In der Tat hat sich zuerst der Herr Abgeordnete Friedmann bereit erklärt (lebhafte Hufe: Hört! Hört!), diesen Schritt bei der Reparationskommission zu machen. (Zwischenrufe.)

Präsident Hauser: Ich bitte, meine Herren, den Herrn Redner nicht zu unterbrechen!

Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Der Herr Friedmann hat sich zuerst dazu bereit erklärt, auch Generaldirektor Rotter deutete an, dass er den Weg zur Reparationskommission nicht scheuen werde. Im Gespräche, bei dem, wie ich schon gesagt habe, Generalsekretär Waiß sich gegen diesen Schritt gewendet hat und auch eine Reihe anderer anwesender Herren zu erkennen gab, dass sie das für einen unzulässigen Schritt halten, ist dem Abgeordneten Friedmann von einigen Anwesenden auch vorgehalten worden, dass ein solcher Schritt, das Anrufen der ausländischen Mächte gegen die Volksvertretung und die Gesetzgebung, doch eigentlich ein Hochverrat sei. (Rufe: Sehr richtig!) Darauf hat der Herr Abgeordnete Friedmann geantwortet, wenn man das als Hochverrat betrachtet, so habe er schon öfter den Hochverrat begangen und sei bereit, ihn auch weiter zu begehen, da es einem Staate wie dem unseren gegenüber keine patriotische Pflicht gebe. (Lebhafte Rufe: Hört! Hört! — Zwischenrufe.)

Präsident Hauser: Ich bitte, meine Herren, den Herrn Redner doch nicht zu unterbrechen.

Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Meine Herren! Diese Sitzung hat am 8. Juli stattgefunden; am folgenden Tage, am 9. Juli, fand in den Räumlichkeiten der Handelskammer eine weitere Sitzung, die schwächer besucht war, statt — offenbar war einigen Herren die Sache doch schon zu bunt geworden. An dieser Sitzung vom 9. Juli haben teilgenommen: Professor Mises von der Handelskammer, Generalsekretär Waiß vom Reichsverband der Industrie, Abgeordneter Friedmann, Direktor Stern von der Bodenkreditanstalt und die Steuerreferenten der Großbanken. Es wurde auch da wieder zunächst über Verhandlungen mit der christlichsozialen Partei gesprochen; man hat damals mit der christlichsozialen Partei, wie dort berichtet wurde, verhandelt, dass sie sich doch bereit erkläre, die schrecklichen Bauerschen Vorschläge im Finanzausschusse umzubringen oder wenigstens zu verschlechtern. Dann haben sich die Herren wiederum mit der Frage der Reparationskommission befasst, und zwar war der eigentliche Inhalt dieser Beratungen der, dass Professor Mises, ein Lehrer an einer deutschen Hochschule, mit dem Abgeordneten Friedmann, einem Volksvertreter, den Schritt nun näher besprach, der bei der Reparationskommission zu unternehmen sei. Vereinbart wurde, dass Professor Mises und der Abgeordnete Friedmann am folgenden Tage eine Denkschrift verfassen sollen, diese Denkschrift werde von einer Beamtin der Bodenkreditanstalt ins Englische übersetzt und vom Abgeordneten Friedmann der Reparationskommission überreicht werden. Bemerkt wird, dass auch bei dieser Sitzung wieder Generalsekretär Waiß über das Vorgehen des Abgeordneten Friedmann abfällige Bemerkungen gemacht hat. (Zwischenrufe.)

Hohes Haus! Ich wünsche über die anderen Herren, die an der Sache beteiligt sind, gar nicht zu reden. Der Herr Generaldirektor Rotter fühlt sich wahrscheinlich jetzt nur noch als Vertreter des französischen Kapitals. Was den Professor Mises anbelangt, so darf ich ihn wohl der autonomen Justiz der akademischen Kreise überlassen, denen er angehört. Aber was uns hier eigentlich interessiert, dass ist insbesondere der Fall des
Herrn Abgeordneten Friedmann. (Sehr richtig!) Die Herren


werden mir nicht zumuten, dass ich nur ein Wort der Polemik an die Rede, die wir von dem Herrn gehört haben, verschwende, es schiene mir ganz unzulässig, mit ihm auch nur eine Gemeinschaft der Polemik zu pflegen. Das englische Parlament hat früher oft in Fällen, in denen ein Abgeordneter Hochverrat gegen die Nation und gegen die Privilegien des Parlaments begangen hat, den Abgeordneten vor seine Schranken gestellt und ist ihm als Gericht gegenübergetreten. Manchmal — so in diesem Falle — könnte man versucht sein, zu bedauern, dass wir diese Institution der Mutter der Parlamente nicht haben. Wir können daher den Herrn Abgeordneten nur dem Urteil aller Menschen in diesem Lande überlassen, die sich noch eine Spur von staatlichem und nationalem Selbstgefühl bewahrt haben. (Zustimmung.) Ich weiß nicht, wie die anderen Körperschaften verfahren werden. Herr Friedmann tritt ja in sehr verschiedenen Körperschaften auf: Ich weiß nicht, man konferiert am Nachmittag mit dem Vertreter des Bankhauses Rothschild darüber, wie man die Entente aufmerksam machen soll, dass sie gegen unsere Gesetzgebung vorgeht, und sitzt am Abend im Bürger- und Ständerat mit den Vertretern der christlichsozialen und großdeutschen Partei zusammen. Das mag ja der tiefere Sinn der bürgerlichen Einheitsfront sein (Heiterkeit), aber meine Herren, ich muss es diesen Körperschaften überlassen, ob sie noch irgendeine Gemeinschaft mit dem Herrn zu haben wünschen. Wir hier, meine Herren — ich glaube, darüber kann doch hier zwischen den Parteien keine Meinungsverschiedenheit bestehen —, wir alle hier müssen das als ein parlamentarisch nicht qualifizierbares Attentat auf die Rechte dieser Volksvertretung und auf diesen Staat ansehen, was da begangen worden ist (Beifall und Händeklatschen), und ich darf wohl annehmen, dass nicht nur bei unserer Partei, sondern auch bei den anderen der Eindruck doch der sein wird, dass, wenn wir auch leider nicht die Macht haben, den Herrn aus diesem Saale zu weisen — das müssen wir seinen Wählern überlassen und ich hoffe, dass sie es schon besorgen werden —, es zumindest für uns alle keinerlei Gemeinschaft mehr mit diesem Herrn geben kann. (Sehr richtig!)

Hohes Haus! Man hat es mit allen Mitteln versucht, mit den Mitteln der Presskampagne hier, mit allen möglichen Beeinflussungs- und Einschüchterungsversuchen auch von außen her und tatsächlich hat der Staatssekretär für Finanzen uns heute mitgeteilt, dass die Reparationskommission, offenbar aufmerksam gemacht auf die schrecklichen Dinge, die da vorgehen, sich in der Tat mit diesem Gesetzentwurf beschäftigt hat, wenn auch ihr Interesse weit zurückgeblieben ist hinter dem, wofür man sie interessieren wollte. Die Reparationskommission hat sich darauf beschränkt — und nur das kann ja ein Gegenstand ihres Eingreifens sein —, Überprüfungen und Sicherungen dafür zu verlangen, dass durch diesen Gesetzentwurf nicht etwa irgendwelche Bestimmungen des Friedensvertrages oder der anderen Vereinbarungen über die Lebensmittelkredite, die wir mit der Entente zu schließen gezwungen waren, verletzt werden. Nun, hohes Haus, ich weiß nicht, was die Herren, die da zu der Reparationskommission hingelaufen sind, vom Inhalte des Gesetzes erzählt haben — in Wirklichkeit ist niemals mit größerer Sorgfalt bei der Beratung eines Gesetzes auf internationale Verträge Rücksicht genommen worden, als das gerade hier bei dieser Beratung geschehen ist. Wir waren geradezu ängstlich darauf bedacht, dafür zu sorgen, dass uns nicht irgendwelche internationale Schwierigkeiten aus der Vermögensabgabe erwachsen können. Es war schon in der Regierungsvorlage der Paragraph darin, der jetzt nach dem Ausschussbericht die Nummer 88 hat, der schon ausdrücklich erklärt, dass natürlich der Staatsvertrag von St. Germain nicht verletzt werden dürfe, der überdies dem Staatssekretär für Finanzen die Vollmacht gibt, Verfügungen auch abweichend vom Gesetze zu treffen, nur damit das internationale Recht nicht etwa durch uns verletzt werde. Dem Ausschusse, meine Herren, dem Unterausschusse schon hat auch diese Bestimmung des § 88 nicht genügt; wir sind weitergegangen: wir haben zunächst im § 6 der Vorlage ausdrücklich bezüglich der Abgabepflicht dafür gesorgt, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages von St. Germain noch einmal zitiert werden, damit ja niemand, dem der Staatsvertrag von St. Germain etwa Freiheit von dieser Abgabe zusichert, dieser Abgabe unterworfen werde. Wir sind weitergegangen, meine Herren: wir haben in Zahl 6 des § 49 ausdrücklich für die Ausländer das Privilegium geschaffen, dass sie die Abgabe in jedem Fall in Form einer Rente abstatten können und dass diese Rentenzahlung aufhört, wenn sie ihren Sitz wieder in das Ausland verlegen, damit niemand behaupten könne, dass wir einem Ausländer einen Teil seines Vermögens konfiszieren, damit es klar sei, dass ein Ausländer jedenfalls nur laufende Steuern hier zu zahlen hat. Mit einem Worte, wir sind so weit gegangen, als man überhaupt gehen kann, und wenn die Reparationskommission -—- die Ententemissionen sind ja immer etwas einseitig unterrichtet, da ja zum Glück noch nicht alle Teile der Bevölkerung die Moral haben, ständig zur Entente zu gehen und sie anzurufen gegen den eigenen Staat - nicht die Herren hören wird, die zu ihr gekommen sind, um sie zur Einmengung in unsere inneren Angelegenheiten zu verleiten, sondern sich einfach das Gesetz anschauen wird, dann zweifle ich nicht,
dass sie die volle Beruhigung erlangen wird, dass die Interessen, zu


deren Wahrung sie hier tätig ist, durch dieses Gesetz wahrhaftig nicht verletzt werden können. Die Ausländer werden, soweit sie hier nicht gebundenes Vermögen haben, dieser Abgabe überhaupt nicht unterworfen. Es ist bezüglich derer, die hier gebundenes Vermögen haben, die weitestgehende Einschränkung geschaffen worden. Im Wesen handelt es sich da um eine Abgabe, die die deutschösterreichische Republik ihren eigenen Staatsangehörigen und Unternehmungen auf ihrem Boden auferlegt und das schließlich muss doch noch unser Recht sein, ohne dass die Ententemissionen sich da einmengen könnten; dass sich unser Staat mit seinen eigenen Staatsbürgern auseinandersetzt, kann doch schließlich nicht unter der Kontrolle des Auslandes stehen. Vielleicht könnte die Einmengung der Reparationskommission durch andere Dinge begründet werden. Man könnte etwa sagen, dass die Entente über die bekannte Bestimmung des Friedensvertrages über die Generalhypothek, die sie aus allem unseren Besitz hat, und nach den Vereinbarungen, die wir eingehen mussten, um unsere Lebensmittelkredite zu sichern, berechtigt sei, die Verwendung unserer Staatseinnahmen überhaupt zu kontrollieren und etwa auch die Verwendung der Vermögensabgabe zu kontrollieren befugt sei. Nun, ich will auf die allgemeine Frage, die darin steckt, heute gar nicht eingehen. Was die Vermögensabgabe anbelangt, so wird die Vermögensabgabe in ihrer ungeheueren Menge einfließen in zwei Formen: in Form von Banknoten, die dem Staate zufließen, und in Form von Kriegsanleihen, die dem Staate zufließen. Ich befürchte, dass die Entente weder nach unseren Banknoten, noch nach unserer Kriegsanleihe gierig ist. (Heiterkeit.) Die Befürchtung, dass sie etwa darauf greifen könnte, wie sie manchmal geäußert worden ist, ist unbegründet und die Untersuchung der Entente, ob nicht da irgendetwas sei, worauf sie greifen könnte, um ihre Interessen zu sichern, scheint mir auch recht müßig zu sein.

Was aber hier unsere inneren Verhältnisse anbelangt, so glaube ich nicht, dass irgendjemand, der unsere wirtschaftlichen und unsere staatsfinanziellen Verhältnisse vorurteilslos betrachtet, im Zweifel sein kann darüber, dass wir mit den normalen Mitteln der Besteuerung nicht auskommen können und zur Sanierung unserer Wirtschaft zu außerordentlichen Maßregeln, wie es diese ist, greifen müssen. Es sind ja die, die heute so beweglich klagen, ganz dieselben Zeitungen und Herren, die uns ständig unsere Papiergeldwirtschaft vorwerfen (Sehr richtig!), die uns sonst ständig vorwerfen, dass wir nicht genug Vorsorge getroffen hätten, dass nicht immerfort zusätzliche Kaufkraft geschaffen und dadurch das Geld entwertet werde. Und wenn wir in der Tat den Versuch machen, einmal wenigstens einen Teil unserer Ausgaben nicht mehr zu decken durch fortwährende Schaffung zusätzlicher Kaufkraft, durch fortwährende Vergrößerung der Banknotenflut, sondern einmal einen Teil der geschaffenen zusätzlichen Kaufkraft abzuschöpfen versuchen, dann sind es dieselben Herren, die immer behaupten, dass dadurch die Volkswirtschaft und die Produktion in die allergrößte Gefahr geraten.

Es wurden uns vorgehalten der verarmte Mittelstand, die Schichten der Intelligenz, die geistigen Arbeiter, deren Interessen angeblich bedroht sind. Auch wir sind durchaus nicht geneigt, die Tatsache irgendwie in Abrede zu stellen oder verkleinern zu wollen, dass es gerade gewisse Schichten des Mittelstandes und vor allem breite Schichten der geistigen Arbeiter sind, die in den letzten Jahren besonders tief gedrückt wurden, besonders schwer gelitten haben. Aber jeder, dem dieses Elend nicht einfach eine günstige Gelegenheit zur Demagogie ist, wird zugeben müssen, dass der wirkliche Grund der Senkung der Lebenshaltung breiter Schichten der geistigen Arbeiter doch nichts anderes ist als die Geldentwertung, und dass in einem Lande, dem der Krieg ein so ungeheueres Defizit hinterlassen hat, in einem Lande, das aus dem Zerfall eines größeren Wirtschaftsgebietes entstanden ist und das nun überall die Wundmale dieser Katastrophe trägt und sie vor allem auch im Staatshaushalte trägt, das infolge der Katastrophe, in die es geraten ist, ein Riesendefizit fortwährend durch Ausgabe neuer Banknoten bedecken muss, die Geldentwertung eine unvermeidliche Wirkung ist und dass es dagegen gar kein anderes Mittel gibt, als die Staatseinnahmen schrittweise, allmählich — auf einmal geht es sicherlich nicht —so zu heben und die Ausgaben so zu verkleinern, dass das Gleichgewicht wenigstens so weit hergestellt werden kann, dass nicht eine fortwährende Vergrößerung des Banknotenumlaufes notwendig ist. Wir Sozialdemokraten sind durchaus nicht der Meinung, dass man das nur durch Steuern bewirken soll, wir wissen sehr gut, dass die Steuereinkünfte vor allem von der wirtschaftlichen Lage des Landes abhängig sind und dass für die Überwindung der wirtschaftlichen Krise natürlich Fragen wie die Kohlenversorgung und die Rohstoffversorgung von mindestens ebenso großer Bedeutung sind wie die staatsfinanziellen Fragen. Aber das wissen wir und das weiß jeder Mensch, der kein Analphabet ist und der nicht durch ein Interesse verhindert ist, die Wahrheit zu sehen, dass wir in Wirklichkeit zu einer Gesundung ohne eine sehr wesentliche Umwälzung in der ganzen Einnahmewirtschaft des Staates wie der anderen öffentlichen Körperschaften nicht kommen können, dass es ganz aussichtslos ist, das durch bloße Steuerreform erreichen zu wollen und dass
wir zu außerordentlichen Mitteln greifen müssen. Und von diesem Gesichtspunkte aus sind
 


wir zur Forderung der Vermögensabgabe und zu ihrer energischesten Vertretung gekommen.

Hohes Haus! Wir haben daneben durchaus nicht geleugnet, dass auch andere Steuerreformen notwendig sind, dass im Interesse der Wiedergesundung unserer Volkswirtschaft alle Opfer bringen müssen. Und wenn Sie die Beschlüsse des Finanzausschusses aus den letzten Tagen überblicken, dann werden Sie uns das Zeugnis nicht versagen können, dass wir dieser Notwendigkeit auch Rechnung getragen haben, dass auch die von uns vertretenen Wählerschichten, dass auch die breiten Massen der Arbeiter und Angestellten ihr Teil zum Staatshaushalte leisten müssen. Wir sagen das den Arbeitern und Angestellten durchaus in jeder Versammlung, in der wir über diese Dinge sprechen, und haben danach auch gestimmt. Die Wirkung der Gesetze, die da in Vorbereitung sind, ist unzweifelhaft die, dass viele Hunderttausende von Arbeitern, die bisher nicht zur direkten Steuerleistung herangezogen waren, jetzt sehr beträchtliche direkte Steuern zahlen werden, sogar unter den Bedingungen eines sehr einfachen Veranlagungs-, Bemessungs- und Eintreibungsverfahrens, das keine Steuerhinterziehung kennt, wodurch sich die Steuer der Arbeiter und Angestellten sehr wesentlich unterscheiden wird von den Steuern anderer Klassen der Bevölkerung. (Sehr richtig!) Aber wenn wir zugeben, dass alle Klassen der Bevölkerung Opfer bringen müssen, so ist es allerdings für uns einfache Selbstverständlichkeit, dass zu einem ausgiebigen Opfer auch die besitzenden Klassen herangezogen werden müssen, dass es einfach ein Akt nicht etwa nur der Steuerpolitik, sondern auch der sozialen Gerechtigkeit ist, sie zu dieser Leistung heranzuziehen. Und ich gestehe ganz offen, die große Aufregung in der bürgerlichen Presse und die ganzen Beratungen von der Art derer, wie ich sie früher beschrieben habe, in jenen Besprechungen der Banken, sie geben uns doch eine gewisse Beruhigung, dass trotz all der Mängel, die der Gesetzentwurf nach unserer Meinung hat und über die ich später noch einige Worte sagen werde, es doch ein guter Schritt auf einer nach unserer Meinung zielführenden Bahn ist.

Hohes Haus! Man schiebt natürlich den Mittelständler, den Mann mit den 150.000 K vor. Wenn die Herren, die darüber reden und schreiben, die ganze Geschichte des Gesetzes von der Regierungsvorlage bis zur endgültigen Fassung des Ausschusses sich ansehen und die Stadien miteinander vergleichen, würden sie sehen, dass es keinen ungerechteren Vorwurf gibt, um mich schonend auszudrücken, als den, der da dem Finanzausschusse gemacht wird. Denn in Wirklichkeit war ein gut Teil der Arbeit des Finanzausschusses gerade der Ermäßigung der Abgabe zuerst für die kleinen und dann selbst für die mittleren Vermögen gewidmet, wobei ich schon sagen muss, dass man nach meiner persönlichen Meinung bei den mittleren Vermögen über das Ziel geschossen hat. Was hat man gemacht? In erster Linie die Abgabesätze in den unteren Stufen beträchtlich herabgesetzt. Es wird immer nur mit Deutschland verglichen, wenn die Sätze in Deutschland mäßiger sind. Dass aber die Abgabesätze in den unteren Stufen bei uns niedriger sind, davon redet man nicht. Man hat die Abgabesätze herabgesetzt, man hat dann sehr bedeutende Abzüge für die Ehegattin und für die Kinder beschlossen und dadurch sowohl die Grenze der abgabefreien Vermögen erhöht als auch die Abgabe von den abgabepflichtigen wesentlich ermäßigt. Man hat weiter die Bestimmungen über die Annahme der Kriegsanleihe an Zahlungs Statt abgeändert, was in einer ungeheuren Zahl von Fällen aus eine wesentliche Ermäßigung der Vermögensabgabe hinausläuft. Man hat Sonderbestimmungen für die Kleinrentner getroffen, durch die man den Kleinrentnern sehr weit entgegenkommt, die von der Geldentwertung am meisten betroffen werden, indem man unter Umständen sogar eine zinsenlose Stundung der Abgabe bis zum Tode zugegeben hat. Es besteht eine Vereinbarung der Parteien darüber und sie wird in einer Entschließung zum Ausdruck kommen, dass wir noch eine Reihe von Wünschen haben, denen gemäß die Vollzugsanweisung diesen Bevölkerungsschichten entgegenkommt.

Man hat also, alles Mögliche getan, um den kleinsten und selbst den mittleren Besitz nicht zu schwer zu treffen. Aber allerdings — und das ist der Grund der Aufregung — man hat eine Reihe von Bestimmungen hineingenommen, durch die der große Besitz, durch die insbesondere das Finanzkapital, die Banken, die Aktiengesellschaften usw. etwas härter getroffen werden, als sie es erwartet hatten, und das wird wohl der Grund sein, warum plötzlich so viel über das Los der Kleinrentner gejammert wird.

Es handelt sich da hauptsächlich um die Frage der Abstattungsfristen. Es ist eine große Aufregung darüber, dass die Abstattung bei den liquiden Vermögen in drei Jahren erfolgen soll. Es ist dem hohen Haus aus den Berichten über den Unterausschuss und den Ausschuss bekannt, dass wir Sozialdemokraten noch ein gutes Stück weiter gehen wollten. Diese Bestimmungen des § 49 gehen uns nicht weit genug. In Wirklichkeit ist es doch das Natürliche, dass jedermann, der liquides Vermögen hat, sofort zahlt; dem hat der Staat nicht zu borgen. Wer kein liquides Vermögen hat, sondern nur Vermögenschaften, die er nicht von heute auf morgen
liquid machen kann, wer wirklich in wirtschaftliche Bedrängnis geraten würde,
dem muss man selbstverständlich Stundung gewähren und ihm


die Abstattung in Form einer Rente erlauben. Wenn aber bei jemandem mehr als die Hälfte des Vermögens — denn das war unser Antrag, der Ausschuss ist gegen unsere Stimmen und unseren Willen auf 60 Prozent hinaufgegangen — aus liquiden Vermögenschaften, aus Bargeld und Wertpapieren besteht, dann kann er ohne weiteres sofort zahlen; er braucht kein Darlehen vom Staat in Anspruch zu nehmen. Und er wird nicht einmal geschädigt, wenn er sofort zahlt. Denn wenn man dem Staate schuldig bleibt, muss man es ihm mit 5 Prozent verzinsen. Ob man nun im Besitze des Kapitals bleibt und die Zinsen einsteckt, die man aber sofort dem Staate als Zinsen für die Vermögensabgabe bezahlen muss, oder ob man die Quote des Vermögens sofort weggibt, kommt auf eines hinaus. Es kann sich höchstens um Zinsenverluste in solchen Fällen handeln, in denen die Wertpapiere sich mit mehr als 5 Prozent verzinsen. Es ist also einfach nicht wahr, dass dadurch irgendjemand unerträglich betroffen wird. Im Übrigen ist der Ausschuss in der Auslegung des Begriffes „liquides Vermögen“ so weit gegangen, dass in allen Fällen, in denen die Abstattung nur schwer oder nicht in kurzen Fristen erfolgen kann, ohnehin die volle Möglichkeit geboten wurde, die Rentenzahlung zu wählen.

Nun regen sich die Herren nicht über die drei Jahre im allgemeinen aus, sondern sie regen sich besonders darüber auf, dass den Aktiengesellschaften die Zahlung in drei Jahren vorgeschrieben, ihnen aber eine Rentenzahlung nicht zugestanden wird. Das soll deswegen so schrecklich sein, weil dadurch auf die Gesellschaften mittelbar ein Druck geübt wird, dem Staate Gratisaktien zu geben. Da möchte ich den Herren folgendes sagen: Wir Sozialdemokraten standen auf dem Standpunkte der obligatorischen Gratisaktie, auf dem Standpunkte, dass die Aktiengesellschaften verhalten werden sollen, zumindestens nach Wahl des Staatssekretärs für Finanzen die Abgabe in Gratisaktien zu bezahlen, und ich bin auch heute noch überzeugt, dass die bürgerlichen Parteien, die auf unseren Antrag nicht eingegangen sind, damit eine schwere Verantwortung auf sich genommen haben. Wie steht es in Wirklichkeit mit der Abgabe der Aktiengesellschaften? Wenn die Aktiengesellschaften die Vermögensabgabe in Form von Gratisaktien entrichten, so wird ihnen von ihrem Betriebskapital auch nicht ein Heller entzogen, vom Betriebskapital verlieren sie nichts, sie brauchen nicht mit Geldansprüchen an den Geldmarkt heranzutreten, sie übertragen nur dem Staate den Anspruch auf eine Quote des Erträgnisses. Das wäre für die Aktiengesellschaften im Grunde genommen, sollte man meinen, insbesondere in Zeiten der Geldknappheit sehr verlockend und ist es nach meiner Überzeugung auch. Es gibt einen einzigen Grund, welcher die Banken und gewisse andere kapitalistische Kreise veranlasst, gegen die Gratisaktie zu sein. Das ist folgender: Es ist bekannt, dass die Großfinanz das Kapital der Aktiengesellschaften kontrolliert, indem sie einen bestimmten Teil der Aktien in den Händen hält. Wenn die Aktiengesellschaften ihr Aktienkapital vermehren müssen, so haben die betreffenden Großbanken nicht mehr die Kontrolle, weil das Aktienkapital zu groß geworden ist und die Quote, die sie in ihren Händen halten, für die Großbank zu klein ist. Der Kampf gegen die Gratisaktie hat seinen Grund nur darin, dass die Banken auch dort, wo die Gratisaktie die einzige rationelle und billigste Art der Einhebung der Vermögensabgabe sowohl für die Industriegesellschaften als auch für die Volkswirtschaft ist, dies trotzdem nicht tun wollen, weil sie fürchten, dadurch die Kontrolle über die Aktiengesellschaften zu verlieren. (Zustimmung.)

Wozu führt es, wenn man auf diese großkapitalistischen Herrschaftsinteressen, auf die Herrschaftsinteressen des Finanzkapitals so sehr Rücksicht nimmt? Es führt dazu, dass die Banken den Industriegesellschaften auch gegen ihr Interesse nicht erlauben werden, in Form von Gratisaktien zu zahlen, dass sie sie zwingen werden, bar zu bezahlen, daher mit großen Geldansprüchen an den Geldmarkt zu kommen, was die ungünstige Wirkung hat, dass die Kreditnöte sich verschärfen, dass insbesondere die Abhängigkeit der Industriegesellschaften von den Banken durch die Notwendigkeit dieser Kreditaufnahme natürlich noch verschärft wird. Nur die obligatorische Gratisaktie hätte vor diesen Gefahren schützen können. Die fakultative Gratisaktie, wie sie die bürgerlichen Parteien gewünscht und wie sie das Staatsamt für Finanzen verfochten hat, wird meiner Überzeugung nach eine Quelle schwerer Gefahren für unseren Geldmarkt und für unsere Industrie sein. Sie wird zu einer unnötigen Anspannung des Geldmarktes und zu einer unnötigen Abhängigkeit der Industriegesellschaften von den Banken und zu einer Verschärfung derselben führen, nur weil die Banken aus bloßem Herrschaftsinteresse heraus den Aktiengesellschaften nicht erlauben werden, die für sie einzig zweckmäßige Form der Abstattung zu wählen.

Hohes Haus! Während man von dieser Verschärfung, die durch die Veränderung der Abstattungsfristen und durch die Bestimmungen insbesondere über die Abstattung der Aktiengesellschaften eingetreten ist, soviel spricht, spricht man erstaunlich wenig und viel zu wenig über die Bewertungsvorschriften, die der Finanzausschuss in das Gesetz hineingearbeitet hat. Der Herr Berichterstatter hat in seiner einleitenden Rede auch diese Bestimmungen zu rechtfertigen gesucht und hat daran erinnert, dass die christlichsoziale Partei im
Koalitionsprogramm die Verpflichtung schon seinerzeit übernommen habe,


die städtischen und ländlichen Besitzer bei der Vermögensabgabe gleichmäßig zu belasten. Ich kann dem Herrn Berichterstatter darauf nur antworten, dass die christlichsoziale Partei diese Verpflichtung des Koalitionsprogrammes genauso treu gehalten hat wie alle anderen Verpflichtungen, die sie in dem Koalitionsprogramm übernommen hat. (Berichterstatter Dr. Weiskirchner: Na, na, na!) Sie meinen, Herr Berichterstatter, dass andere noch weniger treu gehalten wurden! (Heiterkeit. — Berichterstatter Dr. Weiskirchner: Nein, im Gegenteil!) Also noch treuer! Dann scheint es doch hier mit der Treue nicht weit her zu sein! In Wirklichkeit, meine Herren, kann niemand, der dieses Gesetz unbefangen prüft, leugnen, dass darin durch die Beschlüsse der bürgerlichen Mehrheit eine nach unserer Meinung ganz und gar unzulässige Begünstigung des agrarischen Besitzes hineingearbeitet wurde. (Zustimmung.) Schon die äußeren Anzeichen sprechen dafür. Sie setzen den Stichtag für den 30. Juni 1920 fest, meiner Meinung nach mit Recht. Ich glaube, dass die Gründe, die der Herr Berichterstatter dafür angeführt hat, durchaus schlagend sind; aber Sie setzen diesen Stichtag nur für den gewerblichen, für den industriellen Besitz und für den Rentner fest, aber nicht für den landwirtschaftlichen Besitz. Den landwirtschaftlichen Besitz, soweit es sich nicht um Vorräte über eine bestimmte Menge handelt, wobei wir keinen Zweifel darüber haben, wie diese Bestimmung ausgelegt und durchgeführt werden wird, sondern um den Grund- und Gebäudebesitz, um den Vieh- und Inventarbesitz samt dem Wald noch dazu handelt, bewerten Sie nach dem Durchschnitt der Erträge der Jahre 1913 bis 1919. Da kann natürlich vom 30. Juni 1920 gar keine Rede sein. Wenn man schon eine Bewertung nach der Vergangenheit für unvermeidlich hält, wofür sich, wenn man sich überhaupt auf den Standpunkt des Ertragswertes stellt, sicherlich Gründe anführen lassen, muss man doch sagen, dass ein Zurückgreifen auf die Jahre 1913 und 1914, also aus Zeiten mit ganz anderem Preisniveau, mit ganz anderem Geldwert, mit ganz anderen Preisen der landwirtschaftlichen Produkte, diese ganze Bewertung zu einer Komödie macht. Es wird doch eine rein fiktive Bewertung sein, die da herauskommt. Sie suchen nur wieder zu beweisen, dass in Wirklichkeit in dem einen Punkte in der Tat alles beim alten geblieben ist, dass bei jedem Steuergesetz Privilegien des agrarischen Besitzes hineinkommen müssen. Wir Sozialdemokraten sind durchaus auf dem Standpunkte gestanden, dass wir eine gewisse Begünstigung des bäuerlichen Besitzes, des kleinbäuerlichen und des Häuslerbesitzes vor allem, auch als notwendig ansehen — wir haben bei den Beratungen im Unterausschuss diesen Standpunkt vertreten und werden auch in unseren Anträgen, die wir in der Spezialdebatte stellen werden, dabei selbstverständlich verbleiben. Aber dass Sie, meine Herren, diese selben Begünstigungen, die, soweit sie dem Kleinbauern und dem Häusler gewährt werden, durchaus berechtigt sind, nicht nur den Großbauern gewähren, sondern gleich auch dem Großgrundbesitz einschließlich des Forstbesitzes, der zu den größten Kriegs- und Nachkriegsgewinnern gehört, das halten wir für eine Begünstigung des ländlichen Besitzes, die vor der städtischen Bevölkerung nicht vertreten werden kann. Es scheint mir in der Tat, dass hier das schwerste Gebrechen des ganzen Gesetzentwurfes liegt. Sie selber sind durch diese Bestimmung, die Sie für den agrarischen Besitz getroffen haben, bei den anderen Besitzeskategorien in eine ganz unmögliche Lage geraten, weil Ihnen die Vertreter der Industrie, des Gewerbes, des Hausbesitzes und der Wertpapierbesitzer mit Recht entgegengehalten haben, dass nun auch sie Begünstigungen brauchen und Sie haben auch denen Begünstigungen gewährt.

Aber wenn Sie glauben, dass man eine hohe Abgabeskala bis in die 60 Prozent vom Vermögen hinaus festsetzt und diese in Wirklichkeit dadurch außer Wirksamkeit setzt, dass man jede Vermögenschaft unter ihrem Werte schätzt, so hat das gar keinen Sinn. In Wirklichkeit wäre es viel einfacher und viel ehrlicher gewesen, Sie hätten sich nur auf den Standpunkt gestellt, die Abgabe ist zu hoch, wir wünschen niedrigere Abgabesätze, die Vermögen aber werden nach ihrem gemeinen Werte geschätzt und die Abgabesätze sind etwas niedriger.

Das hätte ungefähr zu demselben Resultate geführt und wäre ehrlich gewesen; statt dessen machen Sie der Bevölkerung hohe Abgabesätze vor, die solche Beunruhigung erzeugen, in Wirklichkeit heben Sie die hohen Sätze aber durch diese Bewertungsvorschriften auf, weil Sie beinahe alles Vermögen unter dem wirklichen Werte bewertet haben. Höchstens die Leute, deren Vermögen aus Forderungen bestehen, aus Hypotheken oder aus reinem Geldbesitz, werden im vollen Werte getroffen, alle anderen Vermögen werden zu einem fiktiven Werte, unter dem wirklichen Werte getroffen, und dabei machen Sie durch die komplizierten Bewertungsvorschriften den Steuerbehörden die größten Schwierigkeiten und erschweren den ganzen Veranlagungsvorgang. Wir Sozialdemokraten bleiben bei dem Standpunkte, den mir auch schon im Unterausschusse eingenommen haben, wir wünschen grundsätzlich die Bewertung nach dem gemeinen Wert, nur für bestimmte Fälle lassen wir Ausnahmen zu. Wir werden solche Ausnahmen zulassen auch für den kleinbäuerlichen und Häuslerbesitz.
Im Übrigen werden wir bezüglich der Landwirtschaft, wenn Sie sich entschließen, das noch
anzunehmen, nach dem gemeinen Werte vorgehen und werden
 


auch die entsprechenden Anträge stellen, dass dann auch die Bewertung der Betriebsmittel der Industrie nach den Anschaffungskosten nicht ausgenommen werde. Das kann man zulassen und wir werden es auch zulassen für das Kleingewerbe, für den kleinen Handwerksmeister, wo es sich um ein paar Werkzeuge handelt, aber unserer Großindustrie zu erlauben, dass sie ihre Maschinen und ihre Fabriksgebäude nach dem Friedenswerte, nach dem Werte vom Jahre 1913 oder 12 oder 10 einstellt, das bedeutet doch, den reichsten Kapitalisten in Deutschösterreich Millionen an Abgabe einfach zu schenken.

Auch das ist eine ganz fiktive Bewertung und wir werden konsequent beantragen, dass auch für die Wertpapiere der gemeine Wert gilt und nicht jener fiktive Wert, den Sie aus den Ertragswert und dem Kurswert zusammen herauskristallisieren. Allerdings sagen wir Ihnen eines ganz offen: Wenn Sie Begünstigungen für den agrarischen Besitz annehmen, werden wir gegen die Begünstigungen des städtischen Besitzes als Entschädigung nicht einen Kampf führen, wir werden unsere Anträge nicht aufrechterhalten, wir werden sie nur als Eventualanträge stellen. Dafür sind wir nicht zu haben, dass die Begünstigungen für den Agrarbesitz bleiben und die für den Industriebesitz gestrichen werden, denn dass schließlich die Vermögensabgabe nur von den Städten getragen werden soll, das ist nicht unser Standpunkt.

Wir sind der Meinung, dass alle diese Begünstigungen sinnlos sind, dass sie alle keinen Wert haben und dass das einzig Vernünftige ist, dass man alles nach dem gemeinen Werte bewertet und Ausnahmen nur macht für den ganz kleinen Land- und Gewerbebesitz und für den Hausbesitz, der und solange er unter den Bestimmungen der Mieterschutzverordnung steht.

Wir Sozialdemokraten sind von dem ganzen System dieser Abgabe sehr wenig entzückt. Wir sind bei den Vorberatungen seinerzeit für die objektive Methode der Vermögensabgabe eingetreten. Wir leugnen nicht, dass die subjektive Methode ihre Vorzüge hat, dass sie eine genauere und feinere Anpassung an die individuellen Verhältnisse ermöglicht, aber wir sind überzeugt, dass die Vorteile der objektiven Methode durchaus überwiegend sind, denn sie ermöglicht es, die Vermögen schneller zu erfassen, mit geringerem Apparat und vollständiger vor allem zu erfassen, dass sie schneller und gründlicher zu machen gewesen wäre, wenn man sich unseren Wünschen gemäß entschlossen hätte, eine Vermögensabgabe nach der objektiven Methode vorzuschlagen, dass wir viel schneller fertig geworden wären und eine viel gründlichere Arbeit für die Volkswirtschaft hätten leisten können. Wir haben das nicht durchgesetzt, der Widerstand des Finanzamtes und der bürgerlichen Parteien war nicht zu brechen, die Herren haben auf der subjektiven Methode bestanden und wir mussten schließlich, damit überhaupt etwas zustande kommt, uns darauf beschränken, die subjektive Methode so günstig als möglich auszubauen. So ist dieser Gesetzentwurf zustande gekommen. Heute die Frage von neuem aufzuwerfen, hat keinen Sinn. Nach unendlich langen Vorberatungen liegt die Vorlage auf dem Tisch und wir müssen endlich damit fertig werden. Die Volkswirtschaft erträgt nicht länger das Warten auf diese Abgabe, es ist eine dringende Pflicht der Nationalversammlung, dass sie unbekümmert um das interessierte Gerede nun endlich dieses Werk verabschiedet. Das Großkapital ist höchst unzufrieden, es jammert, es intrigiert, es läuft zum Ausland sogar um Hilfe, darum werden wir uns nicht kümmern dürfen. Es sind das dieselben Kreise, die die eigentlichen Träger der Kriegspolitik gewesen sind, die uns in diese Katastrophe gestürzt hat (So ist es!), es sind das dieselben Kreise, die die fettesten Kriegsgewinne eingesteckt haben, es sind das dieselben Kreise, die uns einen Beweis ihrer patriotischen Gesinnung erst in den letzten Tagen wieder gegeben haben durch jene Aktion, über die ich dem Hause berichtet habe.

Wir haben keine Gründe, diese Herren zu schonen, und wir werden uns von diesen Herren an dem, was wir für notwendig und für unsere Pflicht halten, nicht hindern lassen. Ich hoffe, dass das hohe Haus unbekümmert um alle diese Intrigen, unbekümmert darum, welche Mittel die großkapitalistischen Kreise in letzter Stunde noch anwenden, das Gesetz verabschieden wird, sofort verabschieden wird in den nächstem Tagen. Ich hoffe, dass das hohe Haus bei den Einzelbestimmungen, bei den Abstimmungen in der Spezialdebatte sich nicht beeinflussen lassen wird von allen jenen Wünschen, die da in so auffallender Form, wie ich mir früher anzudeuten erlaubt habe, in jenen Konferenzen ausgeheckt worden sind und die hieher zu bringen mit den verschiedensten Mitteln versucht worden ist. Ich hoffe, dass das hohe Haus eine Abgabe schaffen wird, nicht nach den Wünschen jener, die eine ganze Verschwörung mit dem Auslande gegen unsere Republik versuchten, ich hoffe, dass es den Herren bei dieser Gelegenheit zeigen wird, dass die Demokratie sich nicht unterwerfen lässt der Diktatur des Kapitals!

(Lebhafter, langanhaltender Beifall und Händeklatschen!)

Präsident (welcher während vorstehender Rede den Vorsitz wieder übernommen hat): Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Dr. Buresch.

Abgeordneter Dr. Buresch: Hohes Haus! Der Not des Volkes und des Staates, so heißt es in den
einleitenden Worten der Vorlage, die heute dem Hause zur Beschlussfassung vorliegt, der Not
 


des Volkes und des Staates opfert der Besitz durch eine einmalige große Abgabe vom Vermögen. Die Not, in welche der unselige Krieg unseren Staat gestürzt hat und die durch die Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain noch weiter verschärft worden ist, ist in der letzten Zeit ins ungeheure gewachsen. Staat und Volk sind gänzlich verarmt. Alle wirtschaftlichen Kräfte des Staates und des Volkes sind infolge des langen Krieges fast gänzlich versiegt. Dasjenige, was langjährige Friedensarbeit an Reichtümern und Wohlstand aufgestapelt hat, ist während des Krieges für den Krieg verwendet worden und die ganze Tätigkeit der Industrie, die ganze Tätigkeit des Gewerbes, mit einem Worte die ganze Tätigkeit des Volkes war während der viereinhalb Jahre des Krieges nur darauf gerichtet, Kriegsartikel zu erzeugen, die draußen an der Front zerstören oder zerstört werden sollten. Kein Wunder, dass infolgedessen nach Ende des Krieges der Bestand der Volkswirtschaft in Deutschösterreich vollkommen geplündert und leer war. Die Situation, in der sich unser Staat bei Kriegsende befand, ähnelte ungeheuer der Situation, in der sich ein Kaufmann, ein Geschäftsmann befindet, denn ein plündernder Haufe das Warenlager davongetragen, die Einrichtung zerschlagen hat und schließlich auch noch das Dach über dem Kopfe angezündet hat. Alles das trifft für unseren Staat in klarer und deutlicher Weise zu. Die Verhältnisse, wie sie der Krieg und die Übergangswirtschaft gebracht hat, sind ganz abnorme Verhältnisse, Verhältnisse, wie sie die Weltgeschichte überhaupt noch nicht gekannt hat. Es ist klar, dass auch ganz außerordentliche Mittel angewendet werden müssen, um diesem furchtbaren Zusammenbruch, um dieser furchtbaren finanziellen Erschütterung wieder abzuhelfen.

Vielleicht hat die Abnormität der finanziellen Erscheinungen auch in dem Kopfe eines Abgeordneten, wie soeben mein Vorredner erklärt hat, zu Verwirrungen und Verirrungen geführt, die ich namens meiner Partei aufs tiefste verdamme. Ich gehöre sonst nicht zu jenen, die den Ausführungen des Herrn Dr. Otto Bauer zustimmen, in diesem Falle muss ich aber sagen, dass seine Worte bei uns vollkommenen Widerhall gefunden haben. Ich bedauere es doppelt, dass in der schweren Zeit finanzieller Bedrängnis, dass in der Zeit, wo wir uns gerade in einem Engpass befanden, sich ein Ephialtes gefunden hat, der die Feinde von gestern uns gewissermaßen in den Rücken geführt hat.

Hohes Haus! Der Besitz hat sich in diesem Staate von Haus aus bereit erklärt, auch das seine beizutragen, um der finanziellen Bedrängnis abzuhelfen, er hat sich bereit erklärt, das schwere Opfer zu bringen, das ihm durch die Vermögensabgabe zugemutet wird. Die Landwirtschaft hat von Anfang an und bereits in den ersten Tagen des vorigen Jahres immer und immer wieder erklärt, dass sie bereit sei, auch aus ihren Mitteln beizutragen, um unserem schwer geprüften Staat wieder aufzuhelfen. (Zustimmung.) Der Besitz hat seine Pflicht für die Allgemeinheit voll und ganz anerkannt und aus diesem Grunde sind wir Abgeordnete vom Reichsbauernbund für die Vorlage, welche nunmehr vom Finanzausschusse dem Hause unterbreitet worden ist.

Das Opfer, welches von den Besitzern abverlangt wird, hat nach den klaren Bestimmungen des § 1 den Zweck, den Geldwert zu heben. In diesen Worten ist klar und deutlich gesagt, was eigentlich unserem Staate nottut. Das äußere Zeichen der totalen Verarmung ist eben das katastrophale Sinken des Geldwertes. Deswegen, weil eben das Volk verarmt ist, deswegen, weil der Staat verarmt ist und mit einem jährlichen gewaltigen Defizit abschließt, deswegen schenkt das Ausland, auf dessen finanzielle Unterstützung wir verwiesen sind, unseren Schuldversprechungen nicht jenes Vertrauen, das wir seinerzeit im Frieden genossen haben. Die Krone, welche früher zirka 105 Rappen aus den Schweizer Plätzen gegolten hat, ist auf zirka 4 herabgesunken, ein deutliches Zeichen, wie sehr das Vertrauen des Auslandes zu unserer Wirtschaft, zu unserer finanziellen Kraft gesunken ist.

Das Bitterste in dieser Erscheinung ist insbesondere das, dass der Wert der Krone stetigen Schwankungen ausgesetzt ist. Die Krone, die heute auf zirka 4 Rappen steht, war vor kurzem auf zirka 1.7 Rappen gesunken. Diese Erscheinung ist es, welche speziell für alle erwerbenden Stände, für den Geschäftsmann, den Gewerbsmann, für den Landwirt geradezu von katastrophaler Wirkung ist. Es ist niemand in der Lage, sich Vorräte auf längere Zeit anzuschaffen. Wenn schon die Krone durch die Maßnahmen, die wir jetzt zu treffen im Begriffe sind, zweifellos nicht auf den alten Stand wieder hinaufgehoben werden wird, was wir im Grunde genommen auch nicht wünschen dürfen, weil es geradezu furchtbare Wirkungen auf die heutige Volkswirtschaft ausüben würde, wenn es also auch zweifellos nicht der Fall sein wird, so wird es — und das wünschen wir und wollen es durch die Vermögensabgabe erreichen — zu einer gewissen Stabilisierung des Kronenwertes in einer Höhe kommen, welche menschenmöglich erscheint.

Innig zusammen mit diesen Geldschwankungen und mit dem Geldwerte hängt ein Problem, welches sowohl im Unterausschusse, wie auch im Finanzausschusse wie überhaupt allen Politikern in diesem hohen Hause am meisten Kopfzerbrechen gemacht hat und welches auch in den Verhandlungen den weitaus größten Raum eingenommen hat, nämlich die Frage der Bewertung der einzelnen Vermögenschaften.


Die Wertbegriffe waren im Frieden ganz andere als sie heute sind. Im Frieden hatten wir den Ertragswert und den Verkehrswert. Die beiden Begriffe waren, gewiss voneinander verschieden, sie waren aber nur so wenig voneinander entfernt, dass sie in einem ganz engen Kreise zusammenzufassen waren, und mit diesen Wertbegriffen hat sich selbstverständlich in der Steuergesetzgebung leicht arbeiten lassen. Ich erinnere Sie daran, dass anlässlich der Vermögensabgabe im Deutschen Reiche im Jahre 1912 diese Frage absolut keinen Staub aufgewirbelt hat. Damals waren eben die Wertbegriffe ziemlich homogen, abgesehen davon, dass die Vermögensabgabe im Jahre 1912 bedeutend bescheidener war, als sie es heute ist; damals wurde ungefähr ein Prozent vom Vermögen für staatliche Zwecke, für Rüstungszwecke, eingehoben. Heute sind die Wertbegriffe jedoch gerade infolge der Schwankungen des Geldwertes furchtbar auseinandergerissen, die Begriffe lassen sich nicht mehr in einen engen Kreis hineinbringen, sondern sie sind weit voneinander entfernt. Der Begriff des Ertragswertes ist vom Begriff des Verkehrswertes, der eigentlich mit dem Preise gleichbedeutend ist, voneinander geradezu himmelweit entfernt und es ist notwendig, aus diesen, Wirrsal heraus einen Weg zu finden, welcher den Prinzipien ökonomischer Gerechtigkeit entspricht.

In dieser Beziehung war es notwendig, zwischen Gütern zu unterscheiden, welche bestimmt sind, unmittelbar, in kurzer Zeit, vielleicht nach Wochen oder nach Monaten zu Gelde zu werden, und zwischen solchen Gütern, deren Bestimmung es nicht ist, einfach glatt in den Handelsverkehr hinauszukommen und in kurzer Zeit wieder in Geld umgesetzt zu werden. Die ersten Güter sind die Waren. Der Kaufmann, der ein Warenlager hat, verfolgt damit den Zweck, dass er diese Waren wieder in kurzer Zeit zu Geld macht, mit einem Worte, von der heutigen Konjunktur Gebrauch macht; er wird in der Lage sein, seine Waren in seinem Geschäfte in kurzer Zeit zu Geld zu machen und mit diesem Gelde, das vielleicht in ziemlich großer Menge für wenig Waren in seinen Besitz einfließt, auch die Vermögensabgabe in entsprechender Höhe zu bezahlen. Bei den anderen Gütern jedoch, die diese Bestimmung nicht haben, bei den Produktionsmitteln kann man, wie gesagt, diese Erwägung absolut nicht anwenden. Die Produktionsmittel haben nicht auch die Aufgabe, Handelsartikel zu sein, sondern sie sind namentlich wie die landwirtschaftlichen Güter in den Familien oft seit Jahrhunderten verankert und bilden die Grundlage der Produktion und sollen sie für kommende Zeiten bilden.

Dasselbe gilt wie für die Landwirtschaft so auch für den Gewerbestand und für alle Stände, welche Produkte in die Welt setzen, und zwar eben für diese Güter, welche für sie Produktionsmittel sind. Bei diesen Produktionsmitteln muss man natürlich daran denken, dass sie jetzt nicht verkauft werden, sondern weiterhin die Grundlage der Produktion bleiben sollen und müssen. Es ist doch selbstverständlich die Pflicht des Staates, dafür zu sorgen, dass die Produktion in diesem Staate nicht unterbunden oder gar vernichtet wird; denn wenn die Vermögensabgabe auch noch so viele Milliarden ins Haus bringt, so wird sie uns zweifellos nicht über die größten Schwierigkeiten in der Finanzgebarung hinüberhelfen, heraushelfen aus dem Sumpfe wird uns lediglich die Hebung der Produktion. Aus diesem Grunde ist es unsere Pflicht, den Unterschied zwischen den Produktionsmitteln einerseits und den Waren anderseits, den Produkten, uns vor Augen zu halten und daran zu denken, dass aus den Produktionsmitteln nicht durch den Verkauf sofort diejenigen Mengen von Kronen gewonnen werden, die vielleicht heute für diese Produktionsmittel tatsächlich auf dem Markte gezahlt werden würden. Aus diesem Grunde heraus haben wir uns entschlossen, nicht vielleicht als erster Staat, der die Vermögensabgabe eingeführt hat, sondern ganz nach dem Beispiele des Deutschen Reiches für die Produktionsmittel den Ertragswert zu verlangen. Der Ertragswert wird an Stelle des Verkehrswertes gesetzt.

Wir haben uns immer ganz entschieden gegen den Verkehrswert gewendet, weil er voraussetzt, dass die betreffenden Güter, die hier geschätzt werden, verkauft werden sollen. Das ist aber sicherlich nicht der Zweck der Vermögensabgabe. Es kann niemals Zweck der Vermögensabgabe sein, aus diesem Staate ein großes Handelshaus zu machen und alle die Produktionsmittel einfach in einer großen Marktbude feilzuhalten und zum Verkaufe zu bringen. Wir haben uns deswegen auch dagegen gewehrt, dass der gemeine Wert bei den landwirtschaftlichen Gütern angewendet wird. Dieser gemeine Wert ist ein Begriff, welcher dem bürgerlichen Gesetzbuche entnommen ist und aus einer Zeit stammt, in welcher das bürgerliche Gesetzbuch geschaffen wurde, das ist eben vor mehr als hundert Jahren. Der Begriff des gemeinen Wertes wird auch von Juristen verschieden ausgelegt. Es gibt Juristen, welche behaupten, dass er dem Verkehrswerte gleich ist, dass er dem Preise gleich ist, der jetzt zu bezahlen ist. Es gibt aber auch Juristen, welche sagen, dass der gemeine Wert dem Ertragswerte gleich ist, weil es im § 305 heißt, dass eine Sache, die nach ihrem Nutzen geschätzt wird, den sie anderen bringt, nach dem gemeinen Werte geschätzt worden ist. Ich glaube, das Richtige wird ziemlich in der Mitte sein. Der gemeine Wert wird sich ungefähr als Durchschnitt zwischen Ertragswert und Verkehrswert ergeben. Auch das war für die
 


Vertreter der Landwirtschaft in keiner Weise annehmbar und entsprechend, wir haben auch diese Terminologie abgelehnt und nach deutschem Muster den Ertragswert gefordert. Diese Forderung hat der Reichsbauernbund bereits im vorigen Jahre aufgestellt, er hat erklärt, dass, wenn man in diesem Staate nicht wünscht, den letzten Bauern von seiner Scholle zu vertreiben, unter allen Umständen der Ertragswert, und zwar nach dauernden Verhältnissen zugrunde gelegt werden müsse.

In diesem Sinne hat denn auch der Finanzausschuss über unseren Antrag den § 29 abgeändert. Er hat erklärt, dass Grund und Boden und Gebäude, welche der Land- und Forstwirtschaft und auch der Gärtnerei gewidmet sind, ebenso wie der Wald nach dem Ertragswert veranschlagt werden müssen. Wir haben keinen Unterschied gemacht zwischen der Größe des Besitzes, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die Verhältnisse, die ich eben geschildert habe, beim Kleinbesitz gerade so zutreffen, wie beim großen Besitz. Übrigens ist der Großbesitz heute in Deutschösterreich eine quantité négligeable. Im alten Staate hatten wir den großen Latifundienbesitz in Polen, wo die Sapieha, die Potocki usw. aus Quadratkilometern von Ländern saßen, wir hatten die Schwarzenberge und andere Adelige in Böhmen, wir hatten Adelige in Kroatien, welche über Ländereien verfügen konnten, die Latifundienbesitze ausmachten. In Deutschösterreich gibt es solche Ländereien nicht mehr. Aus einer Statistik, welche das Landeswirtschaftsamt vorgelegt hat, haben wir entnommen, dass im ganzen 0.6 Prozent des gesamten Besitzes in den Händen der sogenannten Großbesitzer sind, und wenn man von diesen 0.6 Prozent oder 6 Promille noch den Besitz von 200 bis 500 Hektar wegnimmt, dann bleibt die lächerliche Zahl von 2 Promille für die Besitzungen von mehr als 500 Hektar übrig. Und von diesem sogenannten Großbesitz entfällt der größte Teil auf den Waldbesitz. Ich gebe zu, dass der Waldbesitz im Laufe der letzten Jahre ziemliche Einnahmen gehabt hat, ich glaube aber, es ist volkswirtschaftlich vorn höchsten Interesse, dass der Waldbesitz in diesem Staate geschont wird. Wir wollen es unter allen Umständen verhindern, dass unser Land verkarstet wird, so wie es unten in den Gebieten Dalmatiens seinerzeit geschehen ist und wie es namentlich in den letzten zwei Jahren in den slowenischen und kroatischen Gebieten geschehen ist, wo sich infolge der Aushebung des Fideikommissbandes ausländische Kapitalisten auf die Wälder gestürzt und sie abgeholzt haben. In diesem Staate ist das einzige, was uns noch geblieben ist, was aufrecht steht und dem Lande seinen Charakter, seine Schönheit verleiht und auch den Namen gegeben hat, der deutsche Wald und diesen wollen wir erhalten. Aus diesem Grunde haben wir uns auch entschieden, beim Walde ebenfalls grundsätzlich — natürlich unter gewissen Modifikationen, die sich aus dem Charakter der Waldwirtschaft ergeben — den Ertragswert zu nehmen.

Wir haben insbesondere auch die Forderung aufgestellt, welche im Finanzausschusse als gerechtfertigt anerkannt worden ist, wenn auch unter dem Widerspruch der Partei der Linken dieses Hauses, dass der Durchschnitt der Erträge der Jahre 1913 bis 1919 genommen wird. Es ist das eine notwendige Konsequenz der Forderung, dass der dauernde Ertragswert zu nehmen ist, dass nicht die abnormen Erträge genommen werden dürfen, welche sich jetzt infolge Sinkens des Geldwertes ergeben haben, und ich glaube, es ist in diesem Falle vollkommen logisch und konsequent, wenn wir sämtliche Kriegsjahre genommen haben, hiezu ein Friedensjahr vor dem Kriege und ein Jahr der Übergangswirtschaft nach dem Kriege. Das ist vollkommen plausibel und es wird niemand in der Welt geben, der bei klarer und ohne Voreingenommenheit angestellter Untersuchung der Rechtslage sagen wird, dass auf diese Weise ein Präzipuum für die Landwirtschaft geschaffen worden sei. Die Landwirtschaft hat in diesem Falle nur dasjenige erreicht, was ihr gutes Recht war und was notwendig war, um ihren Bestand zu schützen. Wir werden daher auch für diese unserem Antrage entnommene Bestimmung stimmen. Die Kapitalisierung des Reinertrages erfolgt auf Basis einer 5prozentigen Verzinsung, welche übrigens der Realschätzordnung entspricht, in der ebenfalls eine Kapitalisierung des Ertrages auf der Basis von 5 Prozent vorgesehen ist.

Was die Minimierung des Ertragswertes betrifft, so wird voraussichtlich vom Kollegen Födermayr ein Abänderungsantrag gestellt werden, welcher darauf Rücksicht nimmt, dass die Verhältnisse in den einzelnen Ländern recht verschieden sind. Wir vom Reichsbauernbund haben uns aus dem Grunde, weil der Katastralreinertrag in den verschiedenen Kronländern überaus verschieden ist und keineswegs ein richtiges Bild von dem wirtschaftlichen Ertrag eines Landgutes gibt, dagegen gewehrt, dass ein bestimmtes Vielfaches des Katastralreinertrages einfach für das ganze Reich ohne Unterschied angenommen wird. Dieser Vorschlag, welcher im Finanzausschuss durchgegangen ist, stammt von der Regierung und er hat den alten Fehler, gegen den wir uns seinerzeit so gewendet haben, zu dem seinen gemacht, dass die Landwirtschaft im Reiche über einen Leisten geschlagen worden ist. Kollege Födermayr wird in diesem Sinne einen Abänderungsantrag stellen und wir werden diesen akzeptieren, weil er dem Gebote der Gerechtigkeit und dem Gebote der Vernunft entspricht.


Eine besondere Forderung ist es auch, dass die landwirtschaftlichen Güter als Einheit anzunehmen sind. Der Bauerngrund, das Ackerland, das draußen liegt, hat keinen Ertragswert an und für sich oder aus sich selbst heraus, es hat ihn nur deshalb, weil es von dem Landwirt bearbeitet wird mit Maschinen und Geräten, die das Zubehör bilden, die gezogen werden von den Pferden und die Güter sind es, die gedüngt werden von dem Vieh, das auf den landwirtschaftlichen Gütern eingestellt ist. Nur dadurch, dass das Zubehör auf den Gütern vorhanden ist, ergibt sich ein Ertrag der betreffenden Güter. Und es ist daher eine notwendige und logische Konsequenz, zu sagen, dass das landwirtschaftliche Gut als Einheit zu bewerten ist mit all seinem toten und lebenden Fundus, wie er technisch genannt wird, oder mit den Worten des Gesetzes „mit Vieh, Geräten, Maschinen und sonstigem Zubehör“. (Zwischenruf: Es ist ein Produktionsmittel und keine Handelsware!) Es ist ein Produktionsmittel und keine Handelsware, wie der Herr Zwischenrufer richtig bemerkt hat, es ist, ich möchte sagen, die verlängerte Hand des Landwirtes, welcher hier auf dem Boden neue Werte schafft.

Wir haben insbesondere auch die Forderung aufgestellt, die im Gesetzentwurfe Aufnahme gefunden hat, dass, wenn Vorräte und dergleichen in größerer Zahl vorhanden sind als der normale Bestand ausmacht, sie auch dann nicht gerechnet werden dürfen, wenn sie angeschafft worden sind, um wirtschaftliche Schäden, die der Krieg mit sich gebracht hat, auszubessern.

Es ist klar, dass ein Landwirt, dessen Viehstand infolge der Viehrequisition sehr gelitten hat, heute, wenn er ein braver und tüchtiger Arbeiter ist, eine größere Anzahl von Jungvieh haben wird, die über den normalen Bestand hinausgeht; das kann selbstverständlich nicht als Vorrat angesehen werden. Denn gerade dieses Vieh belastet den Landwirt durch die Aufzucht, die durch Jahre hindurch vorgenommen werden muss (Zwischenruf: Ohne einen Ertrag zu liefern!) … ohne einen Ertrag zu liefern, wie sehr richtig bemerkt wird. Aus diesem Grunde haben wir diese Forderung gestellt, welche in das Gesetz auch Aufnahme gefunden hat.

Beim Walde musste dem besondern Charakter der Waldwirtschaft Rechnung getragen werden. Wir haben ebenfalls den Ertragswert als Basis der Bewertung des Waldes verlangt. Wir haben insbesondere darauf hingewiesen, dass Rücksicht genommen werden muss auf die Bestandverhältnisse, darauf, ob der Wald bestanden ist mit minderwertigem Auholz oder mit Buche, Fichte oder mit Eiche, was den Wert bedeutend verändert. Rücksicht muss genommen werden, auf die Dichte des Bestandes. Es ist nicht gleichgültig, ob die Bäume dicht nebeneinander sind oder ob durch Ausholzungen der Wald den Charakter einer Waldweide bekommen hat. Selbstverständlich ist es von großer Wichtigkeit, darauf zu sehen, dass die Bringungsverhältnisse in Rechnung gezogen werden müssen. Der schönste Buchwald, der schönste Eichenwald, der in einem abgelegenen Tale liegt, wo der Wildbach herabstürzt, hat für den betreffenden Besitzer fast gar keinen Wert, während der schlechteste Auwald, der unmittelbar vor den Toren einer Großstadt liegt, vielleicht das Zehnfache eines Waldes wert ist, der draußen irgendwo in einem Seitental Tirols oder Salzburgs gelegen ist.

Wir haben Rücksicht nehmen lassen auf die Umtriebsverhältnisse und ausgesprochen, dass die Bewertung des Waldes nach den Grundsätzen der Waldwertrechnung erfolgt. Wir glauben, dass wir in diesen Belangen dem Charakter der Waldwirtschaft voll und ganz Rechnung getragen haben, insbesondere haben wir Rücksicht genommen darauf, dass ein gewisser Wald als Hauswald auszuscheiden ist. Dieser Hauswald stellt draußen in den Alpen gewissermaßen ein Stück Zubehör der Wirtschaft dar, so wie irgendwelche Geräte und Vorräte für den Landwirt in der Ebene. Der Landwirt in den Alpen benötigt gewaltige Mengen Holz für die Erbauung und Ausbesserung seines Hauses, denn die meisten Gebäude sind ja aus Holz, sie haben eine Holzbedachung, da ist natürlich die Abnutzung sehr stark. Auch wird eine gewaltige Menge Zaunholz jährlich verbraucht. Mancher Städter, der im Sommer in den Alpen wanderte, wird sich gewundert haben, dass eine solche Menge Holz für die Zäune verwendet wird. Es muss aber verwendet werden im Interesse der Viehhaltung, im Interesse einer geordneten Zuchtwirtschaft, so erfordert es die rationelle Landwirtschaft in diesen Gebieten. Aus diesen Gründen haben wir in das Gesetz aufnehmen lassen, dass der Hauswald in das Zubehör, in die Einheit des landwirtschaftlichen Gutes eingerechnet wird.

Dass wir gegen die Annahme des gemeinen Wertes bei Gründen, welche nicht landwirtschaftlichen Zwecken dienen, sondern Spekulationsgründe sind, eingetreten sind, ist wohl selbstverständlich. Wir haben keineswegs die Tendenz, jemanden zu schützen, der spekulativ Konjunkturchancen ausnutzt, dieser soll ohne weiteres von dem Betrage zahlen, den er in der Anhoffnung irgend eines schönen Gewinnes auf Kosten der Allgemeinheit ausgelegt hat. Aus eben dem Grunde haben wir uns auch dagegen ausgesprochen, dass Grunderwerbungen, die nach dem 1. August 1914 vorgenommen worden sind, unter den Ertragswert nach § 29, erster Absatz, zu fallen haben. Bekanntlich haben sich im Kriege viele Kriegsgewinner auf landwirtschaftliche Güter
geworfen, die dachten, dieser Besitz werde schließlich seinen Mann vielleicht doch
 


ernähren, zumindest werde er seinem Besitzer Lebensmittel schaffen und auch ein gewisses Gefühl der Sicherheit geben, denn ein Acker ist nicht etwa Blitzschlägen und Feuersbrünsten ausgesetzt wie ein Wiener Haus. Da ist es also durchaus recht und billig, dass nach der Gesetzesvorlage derartige Gründe nach dem gemeinen Werte geschätzt werden, zumindest aber nach dem Kaufpreis, der für sie ausgelegt worden ist.

Dass hier von der Regel auch eine Ausnahme gemacht werden muss, ist klar. Im Interesse derjenigen Kriegsteilnehmer, die infolge einer Verwundung oder durch den Verlust ihres Gewerbes oder ihrer Beschäftigung als Beamte und Offiziere gezwungen waren, umzusatteln und sich eine neue Existenz zu gründen. Für diese Personen, wie überhaupt für Personen landwirtschaftlichen Berufsstandes haben wir unter der Voraussetzung, dass die Güter zur Selbstbewirtschaftung erworben werden, ebenfalls die Berechnung nach dem Ertragswert eingeführt. Damit nun nicht etwa hier Güter einbezogen werden, welche ein billiges Maß weit übersteigen, haben wir es dem Staatsamt für Finanzen überlassen, durch eine Vollzugsanweisung auszusprechen, was als Gut für Selbstbewirtschaftung in den einzelnen Ländern anzunehmen ist.

Schließlich wurde mit unserer Zustimmung für solche Güter, welche den Charakter eines Bauerngutes haben, ein besonders einfaches Verfahren eingeführt. Es entspringt der Erwägung, dass der Landwirt in der Regel eine besondere Buchführung nicht hat; er hat einen Kalender, in dem er mit wenigen Buchstaben die Ereignisse des Jahres einträgt, was an Vieh gefallen, was an Getreide geerntet worden ist. Eine Buchführung, welche den Ertragswert für die Steuerbehörde errechnen ließe, hat der Landwirt nicht. Um nun für den bäuerlichen Landwirt eine Erleichterung zu schaffen, haben wir in das Gesetz die Bestimmung aufnehmen lassen, dass in diesem Falle auf Grund von Bewertungen von Vergleichsgütern, die in wirtschaftlich homogenen Gebieten errichtet und ausgewählt werden sollen, geschätzt wird, indem eine Vergleichsziffer in Form eines Vielfachen des Katastralreinertrages in dem betreffenden Gebiete geschaffen wird. Es wird diese Vergleichsziffer, diese Verhältniszahl durch Verordnung des Staatsamtes für Finanzen publiziert werden, sie wird in den Gemeinden ortsüblich, sagen wir durch Verlautbarung an der Gemeindetafel kundgemacht werden, und es wird jeder Landwirt in der Lage sein, indem er einfach seinen Grundbesitzbogen in die Hand nimmt, durch eine einfache Multiplikation, die ihm sein 14jähriger Sohn besorgt, der die Bürgerschule besucht, auszurechnen, was sein Gutwert ist. Er wird so in der Lage sein, schnell und richtig zu fatieren.

Wir haben es dem Staatsamte für Finanzen überlassen, durch Vollzugsanweisung festzusetzen, was als bäuerliches Gut anzusehen ist. Eine fixe Norm aufzustellen, war in diesem Belange unmöglich, denn die wirtschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen Ländern sind in dieser Beziehung ungeheuer verschieden. Dasjenige, was zum Beispiel in Steiermark ein Großbesitz ist, ist in Oberösterreich ein bäuerlicher Besitz. Dort sind die Reinertragsziffern aus dem Kataster so hoch, dass sie zum Beispiel oft pro Hektar zwei Hektar des niederösterreichischen Grundes umfassen. Aus diesem Grunde haben wir es dem Finanzamte überlassen, für die einzelnen Länder festzusetzen, bei welchem Katastralreinertrag ein Gut noch als ein bäuerliches, als ein selbstbewirtschaftetes Gut anzusehen ist. Aus unseren Verhandlungen im Finanzausschusse hat sich klar ergeben, welche Wünsche wir in dieser Beziehung hegen, und ich bin überzeugt, dass der Herr Staatssekretär für Finanzen sich von denselben Erwägungen leiten lassen wird, welche wir gehabt haben, und alle Güter unter die bäuerlichen einbeziehen wird, welche sich tatsächlich in den einzelnen Ländern als bäuerliche Güter darstellen.

Wir haben insbesondere, hohes Haus, auch zugestimmt, dass die Regierung im § 31a sich dagegen gesichert hat, dass jemand, der heute erklärt, er sei ein bodenständiger Besitzer, im nächsten Jahre vielleicht sein Gut verkauft und mit einem großen Konjunkturgewinn das Weite sucht. Wir haben nur die Interessen des bodenständigen Besitzes zu schützen. Wir wollen die anderen, die heute sich als Bodenständige erklären und nach zwei bis drei Jahren die Flucht aus dem Bauernstande und aus der Landwirtschaft ergreifen wollen, nicht schützen. Deshalb haben wir zugestimmt, dass die Regierung im § 31a die Bestimmung aufgenommen hat, dass, wenn solche Güter bis zum 1. Jänner 1930, also innerhalb eines Zeitraumes von zirka zehn Jahren, verkauft werden, der gemeine Wert zugrunde zu legen ist, wenn der Verkaufspreis um ein Viertel den Ertragswert übersteigt. Diese Bestimmung entspricht vollkommen der gesunden Auffassung, welche der Reichsbauernbund der Bewertung der landwirtschaftlichen Güter immer entgegengebracht hat. Wir haben daher dieser Verschärfung ohne weiteres zugestimmt.

Eine Forderung der Landwirtschaft war es auch, dass die Organisationen der Landwirtschaft von der Vermögensabgabe befreit werden, und ich habe es begrüßt, dass der Finanzausschuss in diesem Belange den klaren und gerechten Forderungen der Landwirtschaft nachgegeben hat. Es wurden die
Raiffeisenkassen von der Vermögensabgabe befreit, es werden
Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften befreit, wenn das Staatsamt für Landwirtschaft sie als
 


gemeinnützige Anstalten erklärt. Alle Produktivgenossenschaften zu befreien, haben wir kein Interesse, wir haben vollkommen zugestimmt, dass das Finanzamt diese Einschränkungen gemacht hat. Denn es gibt viele Genossenschaften, namentlich auf Wiener Boden, welche nach außenhin die Form von Genossenschaften haben, die aber oft lediglich dem Erwerb, oft sogar einen nicht reellen Erwerb gewisser Persönlichkeiten dienen. Diese zu schützen liegt uns vollkommen fern. Wir haben aber in dieser Beziehung keineswegs ein Präzipuum für die Landwirtschaft geschaffen, wir haben nicht vielleicht eine ungerechte Bevorzugung der Landwirtschaft erreicht, sondern wir haben in dieser Beziehung lediglich die Form der Besteuerung geändert.

Es wird diese Abgabe von den genannten Genossenschaften nicht nach dem objektiven, sondern nach dem subjektiven Grundsatz erhoben, denn nach dem Gesetze werden sämtliche Kassen verpflichtet sein, von dem Stichtage an, dem 30. Juni 1920, eine Bilanz aufzustellen und die Geschäftsanteile zu bewerten. Die Genossenschaften werden weiters verpflichtet sein, die Verzeichnisse ihrer Mitglieder den Steuerbehörden mitzuteilen und bekanntzugeben, wie hoch der Anteil der Genossenschafter sich am Stichtage belaufen hat. Diese Anteile werden dann in den Fassionen der betreffenden Landwirte eben als Teile ihres Vermögens aufscheinen und damit der Besteuerung unterzogen werden, in vielen Fällen sogar einer schärferen Besteuerung, als sie in Form der objektiven Methode eingetreten wäre.

Hohes Haus! Der Reichsbauernbund hat der Vermögensabgabe von Haus aus zugestimmt, er wird auch heute für die Vermögensabgabe stimmen, weil sie nicht allein die Eigenart des landwirtschaftlichen Betriebes würdigen, sondern auch deshalb, weil sie auch den Prinzipien einer wirklich ökonomischen und sozialen Gerechtigkeit vollkommen entsprechen. Wir hoffen aber, ja wir fordern es auch, dass die Verwaltung in diesem Staate späterhin, wenn es zur Eintreibung der Vermögensabgabe kommen wird, die eingehenden Gelder in dem Sinne verwendet, in welchem Sinne wir heute für die Vermögensabgabe votieren werden, nämlich in dem Sinne des Wiederaufbaues unseres Staates. Wir werden mit aller Entschiedenheit Protest dagegen einlegen, wenn die Gelder, die aus dieser Vermögensabgabe in den Staatssäckel einfließen, anderen Zwecken zugeführt, wenn sie vielleicht auf unnütze und phantastische Experimente vergeudet werden sollten. Mit diesen Worten schließe ich. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Kraft.

Abgeordneter Kraft: Hohes Haus! Es obliegt mir in dieser vorgerückten Stunde, in ganz kurzen Zügen den Standpunkt unserer Partei zu skizzieren. Schon im Jahre 1916, als die Vermögensabgabe als Finanzidee aus dem Reiche zu uns kam, waren es gerade Männer unserer Partei, welche die Vermögensabgabe als einen der Hauptpunkte ihres Finanzprogrammes annahmen. Ich erinnere daran, dass, als dann der Zusammenbruch kam, der Staatssekretär Steinwender die ersten einleitenden Schritte zur Durchführung der Vermögensabgabe unternahm, dass er verschiedene Maßnahmen traf, welche ihm gewiss nicht überall als dankenswert angerechnet wurden, und dass tatsächlich die Vermögensabgabe schon so in Nähe gerückt schien, dass man sie hätte in eigenen Monaten zum Abschluss bringen können. Es sind dann leider, vielleicht durch die Friedensverhandlungen von St. Germain, durch die Unterhandlungen, welche monatelang dauerten, dann vielleicht durch verschiedene Vorkommnisse innerhalb des Staatssekretariats für Finanzen Verzögerungen eingetreten, die uns gewiss nicht zur Last gelegt werden können, aber es immerhin verursachten, dass die Vermögensabgabe längere Zeit, viel länger auf sich warten ließ, als es ihrem Zwecke entsprochen hat. Wäre die Vermögensabgabe in einer Zeit erschienen, als das Defizit des Staates ungefähr mit fünf Milliarden geschätzt wurde, als der Notenumlauf 5 1/2 Milliarden ausmachte, so hätte die Wirkung der Vermögensabgabe natürlich eine ganz andere sein können als sie derzeit ist, wo eine verhältnismäßig kleine Summe, welche in Noten und Kriegsanleihen einfließt, ganz gewiss viel weniger Bedeutung hat und auch viel weniger Wirkung besitzt als sie damals besessen hätte. Es ist daher nicht unsere Schuld, dass die Abgabe verhältnismäßig wirkungsloser verläuft als sie hätte verlaufen können.

Als nun im Jänner dieses Jahres der Gesetzentwurf über die Vermögensabgabe in das Haus kam, beteiligten wir uns an der Arbeit und ich kann konstatieren, dass die Arbeit wirklich mit großem Fleiße in 25 Sitzungen durchgeführt wurde, dass sich alle Parteien daran beteiligten und dass auch, was von unserem bürgerlichen Standpunkte aus gewiss anzuerkennen ist, die Vertreter der sozialdemokratischen Partei, obwohl sie ja doch aus dem Grundsatze einer ganz anderen Wirtschaftsordnung steht, nie so weit gingen, durch Beantragung von Skalenerhöhungen und anderen außerordentlich großen Erschwerungen die Berechnung für uns unmöglich zu machen. Wir konnten uns daher an den Beratungen beteiligen und wir haben es getan, obwohl der Weg, den wir vorgeschlagen haben, ein anderer war. Wir legten das Hauptmoment der Vermögensabgabe auf die Raschheit der Durchführung, wir dachten, durch eine Staatsanleihe vom Vermögen, eventuell mit einer Noteneinziehung von ungefähr 10 Prozent, viel rascher die Wirkung der Vermögensabgabe zu erzielen und dann die aus


den geschöpften Noten erzielten Schuldscheine des Staates als eine Anzahlung auf die Vermögensabgabe verwenden zu können. Es ist anders gekommen; die Vermögensabgabe wurde im Unterausschuss erledigt und sie liegt nun heute als ein gewiss nicht fehlerfreies Kompromiss vor uns.

Das, was die Vermögensabgabe im § 1 an Wirkung vorsieht, wird ganz bestimmt nicht in dem Maße eintreten und der Herr Referent hat bereits darauf hingewiesen, dass man immerhin mit kleinen Wirkungen zufrieden sein muss, weil sie besser seien, als gar keine. Wir sind ja auch dieser Meinung, obwohl die Vermögensabgabe, welche hier nicht nur zur Schuldentilgung, sondern gleichzeitig als Teil der Defizitdeckung verwendet werden soll, gewiss nicht geeignet ist, das Defizit im wesentlichen Maße zu verringern. Bei einem heutigen Defizit von ungefähr 10 1/2 ausgewiesenen und vielleicht wirklichen 20 Milliarden wird das Einfließen von ungefähr 1 1/2 bis 2 Milliarden, im günstigsten Fall von 3 Milliarden, gewiss nicht sehr wirkungsreich.

Ich möchte nur noch in Kürze auf einige Punkte zurückkommen, welche unsere Haltung zu einzelnen Spezialbestimmungen der Vermögensabgabe erklären. Es wurde vor allem von großen Teilen der Bevölkerung, auch von unserer Partei verlangt, dass der Vermögenszuwachs etwas stärker herangezogen werden möge. Leider ist unter der Regierung des Grafen Stürgkh ein Vermögenskataster nicht aufgestellt worden. Ich selbst war einer derjenigen, der die Aufstellung eines solchen verlangt hat. Man hat im Kriege als Ursache dieser Nichtfixierung des Vermögensstandes angegeben, dass die verfügbaren Arbeitskräfte nicht vorhanden seien.

Nun, es mag ja vielleicht heute etwas gutes daran sein, denn was heute als Vermögenszuwachs bezeichnet wird, ist im wirklichen Sinne des Wortes eben kein Vermögenszuwachs. Wer sein Vermögen erhalten hat, wenn er es nicht in Liegenschaften angelegt hat, in Immobilien, der hat, falls er Pfandbriefe oder sonstige Anlagewerte hat, mindestens 90 Prozent seines Vermögens verloren.

So ist es zu erklären, dass eine scharfe Inanspruchnahme des Vermögenszuwachses weder von uns noch von den anderen Parteien gefordert wurde.

Bezüglich der Bewertungsfrage hat sich Kollege Bauer bereits eingehendst geäußert, ihm hat bezüglich der landwirtschaftlichen Liegenschaften und des landwirtschaftlichen Vermögens Kollege Buresch bereits seine Argumentation entgegengesetzt.

Ich komme nun zum Stichtag. Der Stichtag ist gewiss eine indirekte Bewertung. Wenn wir sämtliche Vermögen mit dem Stichtag und mit dem Werte vom 30. Juni 1920 eingesetzt hätten, so wäre das eine erträgliche Belastung nicht nur für den Bauern, sondern für die sämtlichen Unternehmer. Es wäre auch möglich gewesen, dass wir die Bewertung mit 31. Dezember vorgenommen hätten. Dann wäre der Stand der Krone ungefähr 1.8 gewesen. Diese Bewertung hätte natürlich jede Aufwärtsbewegung der Krone von vornherein ausgeschlossen. Es hätte selbst, wenn die Krone nur auf 10 Prozent gestiegen wäre, die Vermögensabgabe das Fünffache des wirklichen Wertes betragen und sie wäre natürlich vollständig unmöglich geworden. Aus diesem Grunde musste ein Durchschnitt gesucht werden und dieser wurde gefunden. Da man aus verschiedenen steuertechnischen Gründen nicht weiter zurückgreifen konnte, musste der Durchschnitt dadurch gefunden werden, dass man die verschiedenen produktiven Vermögenschaften mit einem mittleren Kurse festsetzte. Würde man die Vermögenschaften tatsächlich zu dem heutigen Kurse von vier Prozent des Schweizer Franks bewerten, so würde das zur Folge haben, dass, wenn der Preis der Krone auf 12, 15 oder, sagen wir, auf 20 steigen würde, eine Zahlung unmöglich wäre und in der kürzesten Zeit irgendwie Remedur hätte geschaffen werden müssen. Was nun die vom Kollegen Bauer angeführte objektive Methode anbelangt, so muss ich sagen, dass uns von dieser objektiven Methode, welche von seiner Partei beantragt wurde, nichts bekannt wurde. Wenigstens solange ich im Unterausschusse arbeitete, habe ich von der objektiven Methode, die ich aus den Beratungen des deutschen Reichstages kenne, nie etwas gehört. Ich habe nur von der Mischung der objektiven und subjektiven Methode gehört, aber das, was über die objektive Methode offenbar wurde, dürfte im Schoße der Koalitionsregierung vor sich gegangen sein.

Nun wäre noch die Frage zu streifen bezüglich des Einflusses der Reparationskommission. Als im Mai, ich glaube es war am 21. Mai, der Staatskanzler Dr. Renner im Finanzausschusse die Note der Reparationskommission bekanntgab, war es doch klar, dass diese sich in irgendeiner Form mit unseren Finanzangelegenheiten beschäftigen wird. Selbstverständlich liegt mir vollkommen ferne, die hier besprochenen Schritte des Kollegen Friedmann in irgendeiner Weise zu verteidigen. Übrigens, ich weiß weiter nichts, als was ich hier gehört habe. (Abgeordneter Schiegl: Das ist eine Schufterei!) Wie gesagt, ich kenne sie nicht. Man musste doch wissen, dass die Reparationskommission, wenn sie erklärt, dass sie Finanzmaßnahmen treffen wird, um den Staat wieder aufzurichten, um ihn zur Leistung einer Kriegsentschädigung zu bringen, ganz bestimmte Absichten hat, und diese bestimmten Absichten kommen heute eben zum Vorschein. Es mag ja sein, dass die
Reparationskommission — und ich glaube, so etwas Ähnliches gehört zu haben —
die Absicht hat, in irgendeiner Form ein Finanzprogramm aufzustellen,


das mit einer Art Devalvation, mit einer Herabsetzung des Geldwertes, in Verbindung steht, oder in der Form eines Währungswechsels. Es kann auch in anderer Form geschehen; aber offenbar liegt irgendein Plan vor. Wenn nun die Reparationskommission sagt: Wir können nicht zwei Vermögensabgaben machen, sondern nur eine, so müssen wir immerhin sagen: Das ist richtig und wir müssen uns dafür interessieren, welchen Plan die Reparationskommission vertritt. Wir müssen zu erfahren trachten, ob die Vermögensabgabe, die wir hier machen, in irgendeiner Weise in diesen Plan Eingang finden kann. Wir wahren unsere Souveränität. Unsere Partei hat es gewiss leicht, diesen Standpunkt einzunehmen, denn wir haben an dem Friedensschluss nicht teilgenommen. Wir haben diesen Friedensvertrag abgelehnt. (Abgeordneter Dr. Alfred Gürtler: Sie waren doch auch in Saint Germain!) Wir stehen aber unter diesem Zwangsfrieden und wir können die Wirkungen desselben nicht ablehnen. Aber wenn wir heute die Vermögensabgabe machen, so wird es für uns gewiss sehr interessant sein, zu erfahren, wie sich die Reparationskommission die Sanierung der österreichischen Finanzen vorstellt. Es ist von vornherein von der ganzen Bevölkerung gefragt worden: Wird die Reparationskommission, wird die Entente auf die Vermögensabgabe Beschlag legen oder nicht? Der Staatssekretär der Finanzen hat nun erklärt, dass offenbar alle Anzeichen dafür sprechen, dass dies ebenso wie im Deutschen Reiche nicht geschehen wird; aber immerhin scheint es, dass jetzt die Ketten zu klirren beginnen. Wir spüren tatsächlich, dass die Reparationskommission hier ist und in unsere finanziellen Angelegenheiten eingreifen will. Und weil wir das spüren, wehren wir uns.

Aber andrerseits werden wir doch trachten müssen, zu erfahren, in welcher Weise sie eingreifen will, denn schließlich ist die Reparationskommission jene Körperschaft, die uns eben die Entente als Kontrollorgan vorgesetzt hat.

Ich möchte nicht schließen, bevor ich noch etwas erwähne, was, wie ich glaube, heute nicht gesagt wurde. Das betrifft den Stichtag und die Ursachen, warum wir für diesen Stichtag gestimmt haben. Gewiss sind auch jene Gründe für uns maßgebend gewesen, die der Referent Dr. Weiskirchner vorgebracht hat. Aber wenn wir für den 30. Juni als Stichtag gestimmt haben, so hauptsächlich deshalb, weil seit dem 30. Juli 1919 über 10 Milliarden Noten in Umlauf gebracht wurden, und seit dem 31. Dezember 5 Milliarden. Würden wir den Stichtag nicht auf den 30. Juni 1919 zurückverlegt haben, so würden eben die 10 Milliarden Noten nicht zur Versteuerung kommen.

Ich möchte noch einen Antrag streifen, den ich als Minoritätsvotum angemeldet habe; er bezieht sich auf den § 89 und verlangt, dass eine siebengliedrige Kommission im Einvernehmen mit dem Staatssekretär der Finanzen berufen werden soll, um die Ausführungsbestimmungen zu erlassen und zu überprüfen. Das scheint umso notwendiger, als eine viel größere Zahl solcher Bestimmungen, als sie das Deutsche Reichsnotopfer hat, das ganze Gesetz beeinflusst. Die wichtigsten Bestimmungen wie die über die Bewertung, die Strafbestimmungen, kurz alle diese Momente wirken einschneidend auf den Abgabepflichtigen. Und weil die Vermögensabgabe durch ihre Größe, durch die Bedeutung und durch den Eingriff, den sie in das Vermögen des einzelnen Besitzers verursacht, tatsächlich ungeheuerlich wirken kann, erscheint eine parlamentarische Kontrolle unerlässlich.

Das scheint mir das Wesentlichste, das ich in der Einleitung zur Vermögensabgabe zu sagen habe.

Andere Sprecher unserer Partei werden noch über einzelne Punkte näher berichten. Mir scheint es als das Wesentlichste, dass doch in dieses Reich endlich der Gedanke einzieht, dass ein großer allgemeiner Finanzplan allein geeignet erscheint, die große Not, die auf allen Gebieten herrscht, zu lindern. Dass aber die Vermögensabgabe ganz frei und herausgerissen aus einem solchen Finanzplane erscheint, dass der Finanzplan als solcher nicht zu ersehen ist, das erscheint mir als eine Mangel. Trotzdem werden wir für die Vermögensabgabe stimmen. Wir werden in die Beratung eingehen, weil auch im Deutschen Reiche die Vermögensabgabe als eines der Hauptmittel zur Sanierung der Finanzen aufgestellt ist und weil wir wünschen, dass wir in das Deutsche Reich als würdige Genossen eingehen. (Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Wir schreiten zum Schlusse der Sitzung.

Ausschussmandate haben zurückgelegt die Herren Abgeordneten:

Waber als Mitglied des Finanz- und Budgetausschusses;

Partik als Mitglied des Komitees zur Überwachung der wirtschaftlichen Demobilisierung.

Mit Zustimmung der Versammlung werde ich die erforderliche Ersatzwahl sofort vornehmen lassen und ersuche die Mitglieder die Stimmzettel abzugeben.

(Nach Abgabe der Stimmzettel:)

Die Stimmenabgabe ist geschlossen; ich werde das Skrutinium sofort vornehmen
 


lassen und sein Ergebnis noch im Laufe der Sitzung bekanntgeben.

Ich werde zuweisen:

dem Ausschusse für Erziehung und Unterricht: den Antrag der Abgeordneten Geisler, Huber und Genossen, betreffend Verbilligung, beziehungsweise unentgeltliche Beistellung von Material für den weiblichen Handarbeitsunterricht in den Schulen (920 der Beilagen);

dem Finanz- und Budgetausschusse:

den Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Maier, Hollersbacher, Luttenberger und Genossen, betreffend eine staatliche Hilfeleistung für die durch Unwetterschäden hart getroffenen Gebiete der Oststeiermark (936 der Beilagen) und

den Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Maier, Fischer, Paulitsch, Steinegger und Genossen, betreffend die Neuregelung des Pensionistengesetzes (937 der Beilagen);

dem Ausschusse für Land- und Forstwirtschaft: den Antrag des Abgeordneten Dr. Ursin und Genossen, betreffend die Errichtung einer Auforstschule nebst Fortbildungsschule zur Verwertung der Auhölzer in Tulln (919 der Beilagen);

dem Ausschusse für Handel und Gewerbe: den Antrag der Abgeordneten Paulitsch, Scharfegger und Genossen, wegen der schleunigsten Durchführung der Drauregulierung in der Gemeinde Flaschberg, Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau, Kärnten (921 der Beilagen),

 

Die nächste Sitzung schlage ich vor für morgen Mittwoch, den 21. Juli d. J., halb 1 Uhr nachmittags mit folgender Tagesordnung:

Fortsetzung der heutigen Tagesordnung:

1. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (623 der Beilagen), betreffend die große Vermögensabgabe (941 der Beilagen).

2. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (825 der Beilagen), betreffend die Voraussetzungen der Übernahme österreichischer Kriegsanleihe als Schuld der Republik Österreich (942 der Beilagen).

3. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (918 der Beilagen), betreffend die Führung des Staatshaushaltes vom 1. August bis 31. Dezember 1920 (933 der Beilagen).

4. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (857 der Beilagen), betreffend Maßnahmen für die Behandlung ehemals österreichischer Zivilstaats(Staatsbahn)angestellter aus Anlass ihrer Übernahme in den Dienst der Republik (931 der Beilagen).

5. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (893 der Beilagen), betreffend die Dienstverhältnisse der unter Artikel IV des Gesetzes vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15, fallenden Postdienerschaft mit Dienstprüfung (932 der Beilagen).

6. Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (868 der Beilagen), betreffend die Bestandverträge über Grundstücke, die als Spiel-, Sport- oder Turnplätze in gemeinnütziger Weise verwendet werden (Spielplatzschutzgesetz) (929 der Beilagen).

7. Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (869 der Beilagen), betreffend die Anforderung von Grundstücken für die gemeinnützige Verwendung als Spiel-, Sport- oder Turnplätze (Spielplatzanforderungsgesetz) (930 der Beilagen).

8. Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten über den Antrag der Abgeordneten Witzany, Hafner und Genossen (357 der Beilagen), bezüglich Ausgestaltung und Erweiterung der Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung in Steyr (883 der Beilagen).

9. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (935 der Beilagen), betreffend die Verwendbarkeit der vierprozentigen Teilschuldverschreibungen des vom Lande Oberösterreich auf Grund des von der Staatsregierung genehmigten Landtagsbeschlusses vom 21. Juni 1920 aufzunehmenden Anlehens im Nennbetrage von 300 Millionen Kronen zur fruchtbringenden Anlegung von Stiftungs-, Pupillar- und ähnlichen Kapitalien (947 der Beilagen).

10. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (948 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Verwendbarkeit der von der Gemeinde Salzburg auf Grund des mit landesgesetzlicher Ermächtigung aufgenommenen Anlehens vom Jahre 1920 auszugebenden Teilschuldverschreibungen zur fruchtbringenden Anlegung von Stiftungs-, Pupillar- und ähnlichen Kapitalien (952 der Beilagen).


11. Bericht des Ausschusses für Land und Forstwirtschaft über den Antrag der Abgeordneten Dr. Schürff und Genossen (475 der Beilagen), betreffend die Einsetzung einer Untersuchungskommission zum Zwecke der Überprüfung der Wirtschaft in den deutschösterreichischen Staatsforsten (939 der Beilagen).

Ferner:

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (935 der Beilagen), betreffend die Verwendbarkeit der vierprozentigen Teilschuldverschreibungen des vom Lande Oberösterreich auf Grund des von der Staatsregierung genehmigten Landtagsbeschlusses vom 21. Juni 1920 aufzunehmenden Anlehens im Nennbeträge von 300 Millionen Kronen zur fruchtbringenden Anlegung von Stiftungs-, Pupillar- und ähnlichen Kapitalien (947 der Beilagen).

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (948 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Verwendbarkeit der von der Gemeinde Salzburg auf Grund des mit landesgesetzlicher Ermächtigung aufgenommenen Anlehens vom Jahre 1920 auszugebenden Teilschuldverschreibungen zur fruchtbringenden Anlegung von Stiftungs-, Pupillar- und ähnlichen Kapitalien (952 der Beilagen).

Bericht des Ausschusses für Land und Forstwirtschaft über den Antrag des Abgeordneten Dr. Schürff und Genossen (475 der Beilagen), betreffend die Einsetzung einer Untersuchungskommission zum Zwecke der Überprüfung der Wirtschaft in den deutschösterreichischen Staatsforsten (939 der Beilagen).

Wird gegen Tag, Stunde und Tagesordnung eine Einwendung erhoben? (Nach einer Pause:) Es ist nicht der Fall, es bleibt bei meinem Vorschlage.

Bei der Wahl eines Mitgliedes des Finanz- und Budgetausschusses und eines Mitgliedes des Komitees zur Überwachung der wirtschaftlichen Demobilisierung wurden 81 Stimmzettel abgegeben; die absolute Stimmenmehrheit beträgt 41. Gewählt erscheinen mit je 81 Stimmen in den Finanz- und Budgetausschuss als Mitglied der Herr Abgeordnete Dr. Angerer, in das Komitee zur Überwachung der wirtschaftlichen Demobilisierung der Herr Abgeordnete Erwin Dr. Waihs.

Die Sitzung ist geschlossen.

 

Schluss der Sitzung: 9 Uhr abends.

 

 

 

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