Stenographisches Protokoll.

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102. Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung
der Republik Österreich.

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Freitag, den 1. Oktober 1920.

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Tagesordnung: 1. Dritte Lesung: a) des Bundesverfassungsgesetzes; b) des Verfassungsgesetzes, betreffend den Übergang zur bundesstaatlichen Verfassung. — 2. Berichte des Ausschusses für soziale Verwaltung: a) über die Vorlage der Staatsregierung (988 der Beilagen), womit einige Bestimmungen des Invalidenentschädigungs­gesetzes vom 25. April 1919, St. G. Bl. Nr. 245, abgeändert und ergänzt werden (997 der Beilagen): b) über die Vorlage der Staatsregierung (934 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Einstellung und Beschäftigung Kriegsbeschädigter (Invalidenbeschäftigungsgesetz) (1022 der Beilagen). — 3. Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (987 der Beilagen), betreffend das Gesetz zur Abänderung und Ergänzung des Gesetzes, vom 24. März 1920, St. G. Bl. Nr. 153, über die Arbeitslosenversicherung (1000 der Beilagen). — 4. Bericht des Finanz und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (999 der Beilagen), betreffend die Regelung von Ruhegenüssen der in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920 in den Ruhestand versetzten Zivilstaatsbeamten, Staatslehrpersonen, Unterbeamten und Diener, welche in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920 in der Aktivität gestorben oder in den Ruhestand versetzt worden sind (1019 der Beilagen). — 5. Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über den Antrag Forstner und Genossen (1003 der Beilagen), betreffend Änderung des Zahntechnikergesetzes (1020 der Beilagen). — 6. Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über den Antrag Tomschik, Pick und Genossen (1001 der Beilagen), betreffend Änderung des Gesetzes über die Arbeiterkammern (1023 der Beilagen). — 7. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (989 der Beilagen), betreffend das Gesetz über Kreditoperationen (1018 der Beilagen). — 8. Bericht des Finanz und Budgetausschusses über die Vorlagen der Staatsregierung (1016 und 1017 der Beilagen), womit die Ausscheidung der unter das Gesetz vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15 (Dienstpragmatik), fallenden Postbediensteten (Beilage 1016) und Telegraphen- und Fernsprechbediensteten (Beilage 1017), aus diesem Gesetze vorgenommen wird (Entpragmatisierungsgesetz) (1028 der Beilagen). — 9. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung. (995 der Beilagen), womit der Artikel II des Gesetzes vom 15. Mai 1920, St. G. Bl. Nr. 227, abgeändert wird. (3. Nachtrag zum Besoldungsübergangsgesetz) (1029 der Beilagen). — 10. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (982 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die begünstigte Versorgungsbehandlung der Hinterbliebenen nach im Dienste verunglückten Staatsangestellten (Unfallhinterbliebenennovelle) (1030 der Beilagen). — 11. Mündlicher Bericht des Finanz- und Budget-


 

ausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (998 der Beilagen), betreffend Teuerungszulagen für den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, seinen Stellvertreter und die ständigen Referenten dieses Gerichtshofes (3. Verfassungsgerichtshofnovelle). — 12. Bericht des Justizausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (984 der Beilagen), betreffend die Rechtsanwalts- und Notarsgehilfen (1024 der Beilagen). — 13. Bericht des Justizausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (993 der Beilagen), betreffend die Durchführung der Grenzregelung auf Grund des Staatsvertrages von St. Germain (1027 der Beilagen). — 14. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (981 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Beitragsleistung des Staates zu dem Aufwand der autonomen Körperschaften für die Bezüge der aktiven und pensionierten Lehrpersonen der öffentlichen Volks- und Bürgerschulen, sowie der Witwen und Waisen nach solchen Lehrpersonen für das Jahr 1920 (1026 der Beilagen). — 15. Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten über die Vorlage der Staatsregierung (996 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Ermächtigung der Regierung zur provisorischen Regelung der Handels- und Verkehrsbeziehungen mit auswärtigen Staaten (1031 der Beilagen). — 16. Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten über die Vorlage der Staatsregierung (907 der Beilagen), womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 4. April 1919, St. G. Bl. Nr. 220, über die Errichtung von Einigungsämtern für Streitigkeiten aus bestimmten Lieferungsverträgen, abgeändert und ergänzt werden (1025 der Beilagen). — 17. Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Anträge der Abgeordneten Schneidmadl und Genossen, betreffend die Ablösung landwirtschaftlicher Pachtgründe (358 der Beilagen), Stöcker und Genossen, betreffend Ablösung langjährig verpachteter Grundstücke (435 der Beilagen) und Haueis und Genossen, betreffend die Enteignung von Pachtgründen (447 der Beilagen) (1021 der Beilagen). — 18. Bericht des Ausschusses für Erziehung und Unterricht über die Anträge Therese Schlesinger, betreffend die Zulassung weiblicher Schüler zu den Unterrichtsanstalten aller Kategorien (211 der Beilagen) und Dr. Angerer, Pauly, betreffend die Errichtung und Ausgestaltung der Mädchenmittelschulen (309 der Beilagen) (699 der Beilagen). — 19. Bericht des Ausschusses für Erziehung und Unterricht über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Burjan und Genossen (196 der Beilagen), betreffend Schaffung weiblicher Referentenstellen im Staatsamt für Inneres und Unterricht (687 der Beilagen).

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Inhalt.

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Ansprache des Präsidenten

aus Anlass des Schlusses der Arbeiten der Konstituierenden Nationalversammlung (Seite 2513).

 

Tagesordnung.

Antrag des Abgeordneten Dr. Seipel auf Ergänzung der Tagesordnung durch den Bericht des Verfassungsausschusses, betreffend das Auslieferungsbegehren des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 28. September gegen den Abgeordneten Ferdinand Skaret (1032 der Beilagen [Seite 3469] — Annahme des Antrages [Seite 3469]).

Antrag des Abgeordneten Fink auf Absetzung des Berichtes des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft betreffend Ablösung langjährig verpachteter Grundstücke, landwirtschaftlicher Pachtgründe und Enteignung von Pachtgründen (1021 der Beilagen) von der Tagesordnung ([Seite 3493] — Annahme des Antrages [Seite 3493]).


 

Antrag des Abgeordneten Pauly auf Absetzung des Berichtes des Ausschusses für Erziehung und Unterricht über die Anträge Therese Schlesinger, betreffend die Zulassung weiblicher Schüler zu den Unterrichtsanstalten aller Kategorien (211 der Beilagen) und Dr. Angerer, Pauly, betreffend die Errichtung und Ausgestaltung der Mädchenmittelschulen (309 der Beilagen), (699 der Beilagen) von der Tagesordnung ([Seite 3494] — Annahme des Antrages [Seite 3494]).

Unterbrechung der Sitzung (Seite 3487).

Verhandlungen.

Dritte Lesung:

a) des Bundesverfassungsgesetzes;

b) des Verfassungsgesetzes, betreffend den Übergang zur bundesstaatlichen Verfassung (Redner: Berichterstatter Dr. Seipel [Seite 3469] — Annahme der Gesetze in dritter Lesung [Seite 3470] — Ansprache des Präsidenten [Seite 3470]).

Berichte des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (988 der Beilagen), womit einige Bestimmungen des Invalidenentschädigungsgesetzes vom 25. April 1919, St. G. Bl. Nr. 245, abgeändert und ergänzt werden (997 der Beilagen — Redner: Berichterstatter Kletzmayr [Seite 3471], die Abgeordneten Hölzl [Seite 3473], Spalowsky [Seite 3474] — Annahme des Gesetzes, in zweiter und dritter Lesung [Seite 3475]).

Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (934 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Einstellung und Beschäftigung Kriegsbeschädigter (Invalidenbeschäftigungsgesetz) (1022 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Kletzmayr [Seite 3476], Abgeordneter Hölzl [Seite 3478] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3479]).

Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (987 der Beilagen), betreffend das Gesetz zur Abänderung und Ergänzung des Gesetzes vom 24. März 1920, St. G. Bl. Nr. 153, über die Arbeitslosenversicherung (1000 der Beilagen — Redner: Berichterstatter Mühlberger [Seite 3479] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3479]).

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (999 der Beilagen), betreffend die Regelung von Ruhegenüssen der in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920 in den Ruhestand versetzten Zivilstaatsbeamten, Staatslehrpersonen, Unterbeamten und Diener und von Versorgungsgenüssen der Hinterbliebenen jener Zivilstaatsbeamten, Staatslehrpersonen, Unterbeamten und Diener, welche in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920 in der Aktivität gestorben oder in den Ruhestand versetzt worden sind (1019 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Steinegger [Seite 3480], die Abgeordneten Zelenka [Seite 3480], Dr. Alfred Gürtler [Seite 3481] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3482]).

Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über den Antrag Forstner, Partik und Genossen (1003 der Beilagen), betreffend Änderung des Zahntechnikergesetzes (1020 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Forstner [Seite 3482] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3482]).

Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über den Antrag Tomschik, .Pick und Genossen (1001 der Beilagen), betreffend Änderung des Gesetzes über die Arbeiterkammern (1023 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Pick [Seite 3482] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3483]).

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (989 der Beilagen), betreffend das Gesetz über Kreditoperationen (1018 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Schiegl [Seite 3483] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3485]).

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlagen der Staatsregierung (1016 und 1017 der Beilagen), womit die Ausscheidung der unter das Gesetz vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15 (Dienstpragmatik), fallenden Postbediensteten (1016 der Beilagen), und Telegraphen- und Fernsprechbediensteten (1017 der Beilagen), aus diesem Gesetze vorgenommen wird (Entpragmatisierungsgesetz) (1028 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Zelenka [Seite 3485] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3486]).

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (995 der Beilagen), womit der Artikel II des Gesetzes vom 15. Mai 1920, St. G. Bl. Nr. 227, abgeändert wird. (3. Nachtrag zum Besoldungsübergangsgesetz) (1029 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Zelenka [Seite 3486] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3487]).

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (982 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die begünstigte Versorgungsbehandlung der Hinterbliebenen nach im Dienste verunglückten Staatsangestellten (Unfallhinterbliebenennovelle) (1030 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Dr. Weiskirchner [Seite 3487] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3488]).

Mündlicher Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (998 der Beilagen), betreffend Teuerungszulagen für den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, seinen Stellvertreter und die ständigen Referenten dieses Gerichtshofes (3. Verfassungsgerichtshofnovelle) (Redner: Berichterstatter Schönsteiner [Seite 3488] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3488]).

Bericht des Justizausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (984 der Beilagen), betreffend die Rechtsanwalts- und Notarsgehilfen (1024 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Dr. Buresch [Seite 3488] —- Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3490]).

Bericht des Justizausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (993 der Beilagen), betreffend die Durchführung der Grenzregelung auf Grund des Staatsvertrages von St. Germain (1027 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Clessin [Seite 3490] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3491]).

Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (981 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Beitragsleistung des Staates zu dem Aufwande der autonomen Körperschaften für die Bezüge der aktiven und pensionierten Lehrpersonen der öffentlichen Volks- und Bürgerschulen, sowie der Witwen und Waisen nach solchen Lehrpersonen für das Jahr 1920 (1026 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Pauly [Seite 3491] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3491]).

Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten über die Vorlage der Staatsregierung (996 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Ermächtigung der Regierung zur provisorischen Regelung der Handels- und Verkehrsbeziehungen mit auswärtigen Staaten (1031 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Kollmann [Seite 3492] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3492]).

Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten über die Vorlage der Staatsregierung (907 der Beilagen), womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 4. April 1919, St. G. Bl. Nr. 220, über die Errichtung von Einigungsämtern für Streitigkeiten aus bestimmten Lieferungsverträgen, abgeändert und ergänzt werden (1025 der Beilagen — Antrag des Präsidenten auf dringliche Behandlung [Seite 3469] — Redner: Berichterstatter Brandl [Seite 3492] — Annahme des Gesetzes in zweiter und dritter Lesung [Seite 3493]).

Bericht des Ausschusses für Erziehung und Unterricht über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Burjan und Genossen (196 der Beilagen), betreffend Schaffung weiblicher Referentenstellen im Staatsamt für Inneres und Unterricht (687 der Beilagen — Redner: Berichterstatterin Dr. Burjan [Seite 3494], die Abgeordnete Schlesinger [Seite 3495] — Annahme des Antrages des Ausschusses für Erziehung und Unterricht [Seite 3495]).

Bericht des Verfassungsausschusses über das Begehren des Bezirksgerichtes Josefstadt auf Auslieferung des Abgeordneten Ferdinand Skaret (1032 der Beilagen — Redner: Berichterstatter Dr. Ramek [Seite 3496 und 3510], die Abgeordneten Dr. Adler [Seite 3496 und 3510], Dr. Mataja [Seite 3502], Dr. Otto Bauer [Seite 3504], Dr. Seipel [Seite 3507] — Ablehnung des Antrages des Verfassungsausschusses [Seite 3511]).

 

Ausschüsse.

Mitteilung des Präsidenten, betreffend den Antrag des Finanz- und Budgetausschusses auf Abtretung der Anträge 956, 957, 958, 967, 975, 976, 1004 bis 1014 und 1034 der Beilagen an die Regierung (Seite 3496).

 

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Verzeichnis

der in der Sitzung eingebrachten Anträge und Anfragen:

 

Antrag

des Abgeordneten Schoiswohl, Kocher, und Genossen in Notstandsangelegenheiten (1034 der Beilagen).

Anfragen

1. des Abgeordneten Dr. Ursin und Genossen an den Staatskanzler, betreffend die Verlautbarung des niederösterreichischen Landesgesetzes vom 29. Juli 1920 über die Beschaffung der Mittel zur Ausführung des Krankenanstaltengesetzes (Anhang I, 418/J).

2. des Abgeordneten Fink und Genossen an den Staatssekretär für Heereswesen, betreffend die Sprengung einer Wählerversammlung durch Angehörige der Wehrmacht ([Anhang I, 419/J] — Beantwortung durch den Staatssekretär für Heereswesen Dr. Deutsch [Seite 3512]).

 

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      Zur Verteilung gelangen am 1. Oktober 1920:

die Anfragebeantwortung 178.

die Berichte 1018 bis 1032 der Beilagen.

 

 

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Beginn der Sitzung: 10 Uhr 35 Minuten vormittags.

Vorsitzende: Präsident Seitz, zweiter Präsident Hauser, dritter Präsident Dr. Dinghofer.

Schriftführer: Dr. Gimpl, Forstner.

Vorsitzender im Kabinett: Staatssekretär Dr. Mayr.

Staatssekretäre: Hanusch für soziale Verwaltung, Breisky für Inneres und Unterricht, Dr. Roller für Justiz, Haueis für Land- und Forstwirtschaft, Heinl für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten, Dr. Renner für Äußeres, Dr. Deutsch für Heereswesen, Dr. Pesta für Verkehrswesen, Dr. Ellenbogen.

Unterstaatssekretäre: Glöckel und Miklas im Staatsamte für Inneres und Unterricht, Dr. Resch und Dr. Tandler im Staatsamte für soziale Verwaltung.

Leiter des Staatsamtes für Volksernährung: Sektionschef Dr. Grünberger.

Präsident: Ich eröffne die Sitzung.

Das Protokoll über die Sitzung vom 29. September ist in der Kanzlei aufgelegen, unbeanständet geblieben und gilt daher als genehmigt. Jenes über die Sitzung vom 30. September liegt in der Kanzlei zur Einsicht für die Mitglieder auf.

Zu einem formellen Antrage hat sich der Abgeordnete Dr. Seipel zum Worte gemeldet.

Abgeordneter Dr. Seipel: Hohes Haus! Ich beantrage, der heutigen Tagesordnung als Ergänzung den Bericht des Verfassungsausschusses, betreffend das Auslieferungsbegehren gegen den Abgeordneten Ferdinand Skaret (1032 der Beilagen), anzufügen. Als Berichterstatter für das Haus wurde seitens des Verfassungsausschusses der Herr Abgeordnete Doktor Ramek bestimmt.

Präsident: Der Abgeordnete Dr. Seipel stellt den formellen Antrag, die Tagesordnung durch den Punkt, den er eben angeführt hat, zu ergänzen. Gemäß § 33 der Geschäftsordnung ist zur Annahme dieses formellen Antrages eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

Ich bringe diesen Antrag zur Abstimmung und bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Antrag ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen und wird dieser Gegenstand der Tagesordnung angefügt werden.

Hohes Haus! Es stehen auf der heutigen Tagesordnung mehrere Berichte, die noch nicht 24 Stunden aufliegen. Um sie zu verhandeln, muss nach § 37 der Geschäftsordnung das Haus mit Zweidrittelmehrheit dahin entscheiden, dass von dieser Vorschrift der Geschäftsordnung Umgang genommen werde. Ich beantrage also bezüglich, aller dieser Berichte, dass wir von der 24 stündigen Frist zur Auflegung absehen. Ich werde diesen formellen Antrag zur Abstimmung bringen. Auch hiezu ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Er ist angenommen.

Wir kommen nun zur Tagesordnung. Der erste Punkt ist die dritte Lesung

a) des Bundesverfassungsgesetzes;

b) des Verfassungsgesetzes, betreffend den Übergang zur bundesstaatlichen Verfassung.

Ich konstatiere die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Hauses.

Ich erteile dem Herrn Professor Dr. Seipel als Berichterstatter das Wort.

Berichterstatter Dr. Seipel: Hohes Haus! In dem Bestreben, den Text der beiden Verfassungsgesetze, die zu erledigen sind, noch möglichst von Fehlern zu bereinigen, wurde eine nochmalige Durchsicht beider Gesetze veranstaltet. Ich möchte bitten, gelegentlich der dritten Lesung noch einige Druckfehlerberichtigungen aufzunehmen, und zwar sind es in Bezug auf das Bundesverfassungsgesetz die folgenden:

1. Infolge des Entfallens des Artikels 18 sind die Artikel 19 bis 153 bis zum Schlusse um je eine Zahl tiefer zu nummerieren, so dass Artikel 19 nunmehr 18, Artikel 20 nunmehr 19 wird usw.

2. Aus demselben Grunde sind die Zitierungen in den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes,


 

soweit sie sich nicht auf die Artikel 1 bis 17 beziehen, um je eine Zahl herabzusetzen; zum Beispiel ist im Artikel 35 statt „Artikel 109 bis Artikel 115" zu setzen: „Artikel 108 bis Artikel 114".

3. Im Artikel 39, vierte Zeile von oben, soll es statt „dann" heißen „ferner", damit das Missverständnis, als ob hiemit eine temporale Bestimmung ausgenommen wäre, behoben werde.

4. Im ersten Absatz des Artikels 103 ist statt „übt ... aus" zu setzen „üben ... aus", ein ganz einfacher Druckfehler. (Unruhe.)

Präsident: Ich muss dringend um Ruhe bitten!

Berichterstatter Dr. Seipel: 5. Im alten Artikel 152, neu 151, ist der erste Satz, wie er jetzt lautet, missverständlich. Es heißt hier (liest): „Dieses Gesetz tritt am Tage der ersten Sitzung der Nationalversammlung als Nationalrat in Kraft." Es wurde von einem Herrn Abgeordneten aufmerksam gemacht, dass man das mit einigem Mangel an gutem Willen dahin deuten könnte, als ob das Gesetz als Nationalrat in Kraft träte. Ich empfehle daher folgendes zu sagen (liest): „Dieses Gesetz tritt am Tage der ersten Sitzung des Nationalrates in Kraft." Es ist ohnehin im Übergangsgesetze bestimmt, dass die jetzige Nationalversammlung dann Nationalrat heißt.

Das wären die Veränderungen, die noch in Bezug auf das Bundesverfassungsgesetz vorzunehmen sind.

Zu dem Verfassungsgesetze, betreffend den Übergang zur bundesstaatlichen Verfassung, bitte ich, folgendes bemerken zu dürfen: Infolgedessen, dass im Bundesverfassungsgesetze der Artikel 18 entfallen ist, wäre auch im vorliegenden Gesetze überall, wo die Artikel des Bundesverfassungsgesetzes zitiert sind, soweit es sich nicht um Beziehungen auf die Artikel 1 bis 17 handelt, die Zitierung um je eine Zahl herabzusetzen. Insbesondere sind auch die Aufschriften der §§ 19 bis 41 dementsprechend zu ändern.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist das nicht der Fall. Ich werde daher die Anträge des Herrn Berichterstatters zunächst zu dem Gesetze, betreffend die Bundesverfassung, zur Abstimmung zu bringen — die Herren haben sie ja eben gehört.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche diesen Anträgen ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit genehmigt.

Ich bitte nunmehr diejenigen Abgeordneten, die auch die Anträge zu dem Verfassungsgesetze, betreffend den Übergang zur bundesstaatlichen Verfassung, genehmigen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Gleichfalls mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit genehmigt, sonach sind die beiden Gesetze in dritter Lesung bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Durch diesen Beschluss über die bundesstaatliche Verfassung hat die konstituierende Nationalversammlung eine der wichtigsten Aufgaben gelöst, die ihr gestellt waren.

Es war keine leichte Arbeit, die da geleistet wurde. Galt es doch, die berechtigten Bestrebungen der Länder, der Bezirke und der Gemeinden nach Selbstverwaltung klug und zweckmäßig mit den Gesamtinteressen des Staates und der zentralen Verwaltung in Einklang zu bringen.

Das Werk war umso schwieriger, als wir uns nicht damit begnügen konnten, eine bloß formelle Zustimmung der kompetenten Faktoren zu erlangen, etwa mit dem Trost, dass die notwendige Gewalt für die Durchführung schon sorgen werde. Denn die Republik wünscht nicht und kann vernünftigerweise nicht wünschen, dass Gewalt angewendet werde; sie muss ihre Politik vor allem darauf einstellen, die Menschen zu gewinnen und die freiwillige, freudige Mitarbeit ihrer Bürger zu sichern. Das kostet allerdings doppelte Arbeit. Aber wir können mit Genugtuung sagen, dass sie uns gelungen ist. Der einstimmige Beschluss des Hauses liefert den Beweis, dass alle Schichten der Bevölkerung und alle Parteien, in denen sie vertreten sind, dieses Werk gutheißen. Wenn wir uns auch bewusst sind, dass es nicht tadellos ist, und wenn wir uns auch vor Augen halten, dass sich vielleicht bei der Beratung der Durchführungsgesetze noch manche Änderung als notwendig erweisen wird, so wird man doch anerkennen, dass hier ein schweres und gutes Werk gelungen ist. Wenn es in harter Arbeit geleistet werden konnte, die sich insbesondere in den Sommermonaten noch gesteigert hat, so gebührt das Verdienst in erster Reihe dem Verfassungsausschusse und seinem Unterausschuss, dem Obmann des Verfassungsausschusses Dr. Bauer, seinem Berichterstatter Professor Seipel und dem von der Nationalversammlung zur Wahrung der speziellen Agenden der Verfassungsarbeit berufenen Staatssekretär Dr. Mayr.

Hohes Haus! Ganz besonders müssen wir der Männer gedenken, die dem Ausschusse, dem Hause und der Regierung als Mitarbeiter zur Seite gestanden sind. Ich gedenke zunächst des früheren Staatskanzlers Dr. Renner, der grundlegende Arbeiten zu diesem Entwurf geleistet hat, ich gedenke aber vor allem
des Staatsrechtslehrers der Wiener Universität Hans Kelsen, der sich mit
 

seinem reichen Wissen und Können und seiner unermüdlichen Arbeitskraft patriotisch in den Dienst der Sache gestellt hat. Ich gedenke seiner Kollegen von allen Hochschulen, die ihn durch ihre Gutachten unterstützt haben, und nicht zuletzt aller Beamten der Staatskanzlei und der Staatsämter, die dem Ausschuss zur Seite gestanden sind; es sind das zunächst die Herren Ministerialrat Froehlich und Sektionsrat Mannlicher, dann aber auch ihre Mitarbeiter in der Staatskanzlei. Allen ihnen, die oft Tag und Nacht geopfert haben, sei Dank und Anerkennung gezollt. Ich behalte mir vor — und weiß mich hierin der Übereinstimmung mit dem ganzen Hause sicher —, allen den Männern, insbesondere dem Herrn Professor Kelsen, dem Ministerialrat Froehlich und dem Sektionsrat Mannlicher auch schriftlich den Dank der Nationalversammlung für ihre außerordentliche Arbeit und ihre Verdienste zum Ausdruck zu bringen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Wir haben nunmehr noch über die Resolutionen abzustimmen.

Eine Resolution ist beantragt von den Abgeordneten Gröger, Angerer, Paulitsch und Genossen, betreffend eine nach der Volksabstimmung in Kärnten zu erlassende Amnestie. Sie lautet (liest)

„Die Nationalversammlung wolle folgende Entschließung fassen:

Die Regierung wird aufgefordert, nach Durchführung der Abstimmung im Kärntner Abstimmungsgebiete eine Amnestie für das Abstimmungsgebiet vorzubereiten und sie dem Nationalrate so frühzeitig vorzulegen, dass sie alsbald nach der endgültigen Eingliederung des Gebietes in die Republik Österreich kundgemacht werden kann."

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dieser Resolution zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Einstimmig angenommen.

Ich werde die Resolution an die Regierung leiten und Sorge tragen, dass ihr entsprochen werde.

Eine zweite Resolution ist beantragt von den Abgeordneten Dr. Straffner und Genossen. Sie lautet (liest):

„Die Staatsregierung wird aufgefordert, spätestens innerhalb sechs Monaten, womöglich gelegentlich der Wahlen in die Nationalversammlung am 17. Oktober 1920, eine Volksabstimmung bezüglich des Anschlusses Deutschösterreichs an das Deutsche Reich anzuordnen."

Zu einem formellen Antrag hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Dr. Adler.

Abgeordneter Dr. Adler: Ich beantrage über den Zwischensatz „womöglich gelegentlich der Wahlen in die Nationalversammlung am 17. Oktober 1920" die getrennte Abstimmung.

Präsident: Ich werde diesem Wunsche willfahren und daher die Resolution vorerst unter Hinweglassung des eben angeführten Satzes zur Abstimmung bringen, so dass sie zunächst lautet (liest):

„Die Staatsregierung wird aufgefordert, spätestens innerhalb sechs Monaten eine Volksabstimmung bezüglich des Anschlusses Deutschösterreichs an das Deutsche Reich anzuordnen."

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die der Resolution zunächst unter Hinweglassung des früher angeführten Satzes zustimmen wollen, sich von ihren Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Einstimmig angenommen. (Beifall.)

Wünscht der Herr Antragsteller auch noch über den Schaltsatz die Abstimmung?

Abgeordneter Dr. Straffner: Gewiss! Auch über die Parenthese!

Präsident: Ich werde also noch über den Schaltsatz abstimmen lassen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihm zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das ist die Minderheit, der Schaltsatz ist abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zum nächsten Gegenstand unserer Tagesordnung, das ist der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (988 der Beilagen), womit einige Bestimmungen des Invalidenentschädigungsgesetzes vom 25. April 1919, St. G. Bl. Nr. 245, abgeändert und ergänzt werden (997 der Beilagen).

Ich werde die General- und Spezialdebatte unter Einem abführen lassen.

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Kletzmayr. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Kletzmayr: Hohes Haus! Nach der dermaligen Fassung des § 29 des Invalidenentschädigungsgesetzes vom 25. April 1919, St. G. Bl. Nr. 245, sind dauernde Versorgungsgenüsse, die der Anspruchswerber aus Anlass desselben schädigenden Ereignisses bezieht, auf die Renten anzurechnen. Bisher bestand dies in folgender Form:

 

Bei Invaliden 6000 K, bei Witwen 3000 K und bei Waisen 1800 K. Infolge unserer Valutaverhältnisse und der verschiedenen Teuerungen, die eingetreten sind, seitdem das Gesetz für die Invalidenentschädigungen geschaffen wurde, musste nun daran gegangen werden, wiederum eine Reformierung durchzuführen und den Invaliden, Witwen und Waisen eine entsprechende Unterstützung zu bieten.

Die Regierung hat nun dem Hause einen Entwurf vorgelegt, in welchem eine Erhöhung dieser Beträge vorgesehen ist. Der Ausschuss für soziale Verwaltung hat sich in zwei Sitzungen mit dieser Frage beschäftigt und hat verschiedene Verbesserungen gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommen. Unter anderem hat der Ausschuss für soziale Verwaltung in seiner Sitzung vom 28. d. M. beschlossen, dass, abgesehen davon, dass die Regierung das steuerfreie Einkommen bei der Invalidenrente auf 9000 K bei Invaliden, auf 6000 K bei Witwen und auf 3000 K bei Waisen erhöht hat, noch eine bedeutende Verbesserung durchgeführt wird. Unter anderem wurde in der Sitzung vom 28. d. M. beschlossen, dass zum Beispiel im § 29, Absatz 2, in welchem festgesetzt ist, dass Abzüge bei Mehreinnahmen des Bezugsberechtigten aus ihren verschiedenen Berufszweigen gemacht werden können, gewisse Abzüge zulässig sind. Früher bestand die Form, dass bei einem Mehreinkommcn von 240 K ein Abzug von 120 K gemacht werden sollte. In der Sitzung des Ausschusses für soziale Verwaltung vom 28. September, wurde der Betrag auf 960 K und der eventuell in Abzug zu bringende Betrag von 480 K festgesetzt.

Im Artikel II, in welchem festgesetzt wurde, dass bis zum 30. Juni 1922 die nach Artikel I, Absatz 2, auf die Rente ohne Einfluss bleibenden Beträge auf das Doppelte erhöht werden sollten, hat der Ausschuss beschlossen, diese Beträge auf das vierfache Ausmaß zu erhöhen.

Im Artikel III wurde beschlossen, dass das Gesetz mit 1. Oktober 1920 in Kraft treten solle, während in der Regierungsvorlage vorgesehen war, dass das Gesetz erst mit 1. Jänner 1921 in Wirksamkeit trete.

In der Sitzung des Ausschusses für soziale Verwaltung vom 30. September wurden noch weiter bedeutende Änderungen vorgenommen. Unter anderem wurde auf Grund des Antrages des Abgeordneten Spalowsky vorgesehen, dass bezüglich der Rentenkürzung bei Mehreinkommen anstatt des Rentenabzuges von 480 K der Betrag auf 320 K festgesetzt werde, so dass hier eine bedeutende Verminderung eintritt.

Weiters wurde über Antrag desselben Abgeordneten beschlossen, dass im Artikel III der Wirksamkeitsbeginn dieses Gesetzes nicht mit 1. Oktober 1920, sondern rückwirkend vom 1. April 1920 festgesetzt werde.

Ein weiterer Antrag des Berichterstatters bezog sich auf Artikel I, Absatz 2, wo es heißt (liest): „Das Einkommen eines Bezugsberechtigten ..." usw. Hier besteht nicht die nötige Klarheit, welche Beträge in das Einkommen eines Bezugsberechtigten einzubeziehen sind. Es wurden nun auf Grund des Antrages hier die Worte „ständiges Einkommen" eingesetzt, so dass durch die Annahme dieser Anträge für die Invaliden sowie für die Witwen und Waisen eine bedeutende Verbesserung auf wirtschaftlichem Gebiete erzielt wird.

Der Ausschuss für soziale Verwaltung, respektive die Organe der Regierung konnten auf Grund dieser Vorschläge und der Anträge, die angenommen wurden, auch nicht annähernd die Summe errechnen, die diese Verbesserung der Lage der Kriegsbeschädigten erfordert. Es wurde berechnet, dass 36 Millionen nicht mehr ausreichen, sondern diese Summe wird sich auf Grund der Beschlüsse in der Sitzung vom 30. September ungefähr verdoppeln und werden etwa 70 Millionen erforderlich sein.

Im Namen des Ausschusses für soziale Verwaltung stelle ich den Antrag:

„Die Nationalversammlung wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurfe mit folgenden von den Abgeordneten Hölzl, Spalowsky und Thanner beantragten Abänderungen zustimmen:

Artikel I. Im Absatz 2 des § 29 des Invalidenentschädigungsgesetzes ist in der ersten Zeile vor dem Worte „Einkommen" das Wort „ständige" einzuschalten; in Zeile 13 ist anstatt „480 K" zu setzen „320 K". Ferner soll es in der vierten Zeile von unten statt: „doppelte Ausmaß" richtig heißen: „dreifache Ausmaß".

Im Artikel III ist als Wirksamkeitsbeginn des Gesetzes statt „1. Oktober 1920" zu setzen „rückwirkend vom 1. April 1920".

Ich stelle an das hohe Haus die Bitte, diesen Anträgen seine Zustimmung zu geben, im Interesse unserer armen bedrängten Invaliden, die ja nicht durch eigene Schuld in diese traurige wirtschaftliche Lage versetzt worden sind, sondern sich ja nur infolge ihrer Pflichterfüllung für das Vaterland in dieser unglücklichen Situation befinden. Ich stelle diese Bitte auch im Namen der Kriegerwitwen und -waisen, die ihrer Ernährer beraubt sind, damit auch sie in Zukunft in teilweiser Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Lebenshaltung ein wenig verbessern können. (Beifall.)

Präsident: Zum Worte ist der Herr Abgeordnete Hölzl gemeldet.


 

Abgeordneter Hölzl: Hohes Haus! Die Nationalversammlung hat eine Reihe von Gesetzen geschaffen, die bestimmt sind, den Kriegsbeschädigten sowie den Kriegerwitwen und -waisen zu helfen. Ich verweise auf das Invalidenentschädigungsgesetz vom 25. April 1919, hinsichtlich dessen Novellierung eben jetzt der Herr Berichterstatter des Ausschusses für soziale Verwaltung uns Anträge unterbreitet hat, ich verweise ferner auf das Gesetz, betreffend den Kriegsgeschädigtenfonds vom 18. Dezember 1919, ich verweise auf das Spielabgabengesetz vom 14. Mai 1920, auf die Vollzugsanweisung vom 18. Mai 1919, betreffend die Vergebung von Tabakverschleißen an Kriegsbeschädigte. Durch die letztere Vollzugsanweisung soll mit den alten Gebräuchen der Protektionswirtschaft auf diesem Gebiete aufgeräumt werden und die Trafiken an Kriegsbeschädigte sowie an Kriegerwitwen und -waisen zur Verleihung kommen. Gewiss befriedigen auch diese Gesetze jene, für die sie geschaffen wurden, nicht vollauf. Es liegt das einerseits daran, dass unsere arme Republik nicht imstande ist, in diesen Gesetzen in materieller Beziehung all das zu erfüllen, was das Bestreben derjenigen wäre, die wissen, welch schwere Opfer dieser fürchterliche, blutige Krieg uns beschert hat. Schuld trägt aber auch der Umstand, dass die Durchführung dieser Gesetze vielleicht doch besser gefördert werden könnte, wenn weniger fiskalische Bedenken obwalten würden. Besonders erwägenswert wäre noch, bei der Durchführung dieser Gesetze und Vollzugsanweisungen etwas weniger langsam zu arbeiten, damit die armen Kriegsopfer so rasch als möglich in den Besitz jener Begünstigungen kommen, die ihnen durch die gesetzliche Regelung gewährt werden. Ich verweise darauf, dass ja schon in einer Resolution zum Invalidenentschädigungsgesetz vom 25. April 1919 zum Ausdruck gebracht worden ist, dass nach spätestens einem Jahre vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes eine Revision des Gesetzes vorgenommen werden soll, insbesondere der Renten und anderer Zuwendungssätze. Dabei soll die möglichste Übereinstimmung zugunsten der mit diesem Gesetz zu schützenden Personen mit Gesetzen gleichen Inhalts anzustreben sein, soweit solche Gesetze bis dahin in anderen durch den Krieg getroffenen Staaten geschaffen worden sind.

Das ist leider bisher aus verschiedenen Gründen, insbesondere deshalb, weil in anderen Staaten solche Gesetze noch nicht oder nur unvollkommen vorhanden sind, nicht durchzuführen gewesen. Es war aber dennoch notwendig — und es ist ja durch die Novellierung vom 16. April 1920 geschehen — dass die materiellen Ansätze des Invalidenentschädigungsgesetzes durch die Einführung von Teuerungszuschlägen erhöht wurden. Es wird aber sicherlich auch in Zukunft notwendig sein, dass eine gründliche Novellierung dieses Invalidenentschädigungsgesetzes zu gegebener Zeit erfolgt.

Ich möchte nun auf das andere Gesetz hinweisen, das heute auch das hohe Haus beschäftigt. Es ist das Gesetz, betreffend die Einstellung von Invaliden in das Arbeitsverhältnis. Dieses Gesetz ist besonders begrüßenswert. Es wurde von den Kriegsbeschädigten sowohl als auch von den Sozialdemokraten angestrebt, und zwar schon in einer Zeit, wo noch die verheerenden Wirkungen des Krieges voll zu fühlen gewesen sind, in einer Zeit, in der wir gesehen haben, welch unermessliche Opfer dieser Krieg schaffen wird. (Unterstaatssekretär Dr. Resch: Über dieses Gesetz ist noch nicht referiert worden!)

Da die Trennung der beiden Punkte vorgenommen wurde und der Herr Referent nur über das Invalidenentschädigungsgesetz referiert hat, sehe ich mich veranlasst, meine Ausführungen nur auf die Novellierung des Invalidenentschädigungsgesetzes zu beschränken.

Ich kann mich dabei ganz kurz fassen, da ja der Ausschuss für soziale Verwaltung den Anträgen meines Parteigenossen Muchitsch Rechnung getragen und die unzulänglichen Ansätze der Regierungsvorlage entsprechend den Anträgen meiner Parteigenossen erhöht hat. Es ist dabei zu betonen nötig, dass diese Erhöhung eine Notwendigkeit gewesen ist, da angesichts der materiellen Notlage der Kriegsbeschädigten die Ansätze sowohl des alten Invalidenentschädigungsgesetzes als auch der Regierungsvorlage ungenügend gewesen sind.

Es ist erfreulich, dass der Ausschuss für soziale Verwaltung den Anträgen meines Parteigenossen beigetreten ist. Ich möchte aber nicht unterlassen, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass in der Öffentlichkeit, und zwar eingehüllt in ein Lügengewebe, versucht wird, die Dinge so darzustellen, als ob nicht meine Parteigenossen es gewesen wären, die im Ausschuss für soziale Verwaltung dahin gewirkt haben, dass die unzulänglichen Ansätze der Regierungsvorlage entsprechend den Forderungen der Kriegsbeschädigten eine Erhöhung finden. Das hat die „Reichspost" nicht unterlassen, sie kommt ja heute aus dem Lügenschwall nicht heraus. Sie ist in dem Lügenschwall, der sich dadurch ergibt, dass sie fortgesetzt bemüht sein muss, die Horthyinserate und das Horthygeld als etwas hinzustellen, das in ihre Mauern nicht eingedrungen ist, befangen, und es kommt ihr nicht darauf an, zu irgendwelchen Wahllügen zu greifen. Sie berichtigt merkwürdigerweise uns Sozialdemokraten, um eine Wahllüge zu fabrizieren, als diejenigen, die die Verhandlungen des Ausschusses für soziale Verwaltung dazu benutzt hätten, um die Dinge falsch darzustellen. Als ob es nicht auf die Initiative der Anträge der Sozialdemokraten zurückzuführen wäre, dass die unzulänglichen Ansätze der Regierungsvorlage erhöht wurden!


 

Ich begreife ja die Aufregung der „Reichspost", es ist das ganz erklärlich, da wenige Wochen vorher der Herr christlichsoziale Abgeordnete Edlinger mit seinen Parteigenossen im hohen Hause eine Anfrage an die Regierung gerichtet hat, in welcher verlangt wird, dass die Ansätze des § 29, Absatz 2, auf 18.000 beziehungsweise 9.000 K erhöht werden und dann es sich selbstverständlich als notwendig erwiesen hat, diese Ansätze entsprechend den Anträgen der Sozialdemokraten auf 36.000 K, 24.000 K und 12.000 K zu erhöhen. Dass da die „Reichspost" in Verlegenheit gerät, und es mit der Wahrheit nicht genau nimmt und die Dinge so darzustellen versucht, als ob die Sozialdemokraten es gewesen wären, die nicht für die Interessen der Kriegsbeschädigten eingetreten sind, ist erklärlich. Wenn man also erklärt, die Christlichsozialen hatten den Mut, für die Invaliden einzutreten, die von den Sozialdemokraten verraten werden sollten, so muss ich das als eine Lüge brandmarken und muss erklären, dass auf die Initiative unserer Parteigenossen der Ausschuss für soziale Verwaltung diese ungenügenden Ansätze der Regierungsvorlage entsprechend erhöht hat.

Ich stehe nun nicht an, nachdem der Herr Berichterstatter im Namen des Ausschusses diese erhöhten Ansätze zur Annahme empfiehlt, ebenfalls dem hohen Hause die Annahme derselben im Namen meiner Parteigenossen auf das wärmste zu empfehlen. (Beifall.)

Präsident: Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Spalowsky.

Abgeordneter Spalowsky: Hohes Haus! Ich hätte mich nicht zum Worte gemeldet, wenn nicht der Herr Abgeordnete Hölzl den Zeitpunkt der Verabschiedung dieser Novelle dazu benutzt hätte, gegen unsere Partei und unsere Presse Angriffe zu richten, die durchaus nicht gerechtfertigt sind. Ich sehe mich veranlasst, auf ein Vorkommnis zurückzukommen, das ich schon gestern im Ausschuss für soziale Verwaltung in seiner ganzen Verächtlichkeit gebrandmarkt habe, und sehe mich veranlasst, auch hier wieder darauf zurückzugreifen. Wir haben im Ausschuss für soziale Verwaltung, als der Bericht des Staatsamtes vorgelegen ist, die Information erhalten, dass die Sätze, wie sie in der Regierungsvorlage enthalten sind, nicht nur eine Vorlage der Regierung sind, sondern dass sie erst nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen, zwischen den Staatsämtern zustande gekommen sind. Wir waren der Meinung, dass die Regierung darüber nicht hinausgehen will, und als nun der Herr Abgeordnete Muchitsch die Anträge gestellt hat, von denen ein Teil hier vertreten worden ist, so haben wir, als die Vertreter der Christlichsozialen, sofort erklärt, dass wir für diese Anträge stimmen werden, ohne Rücksicht darauf, ob etwa später von der Regierung und vom Staatsamte für Finanzen irgendwelche Einwendungen erhoben werden.

Die „Arbeiter-Zeitung" hat entgegen der Tatsache, dass wir uns sofort für diese Anträge eingesetzt haben, und entgegen der Tatsache, dass wir für diese Anträge gestimmt haben, den Mut aufgebracht, zu schreiben, dass der Kollege Partik und meine Wenigkeit gegen diese Anträge Bedenken erhoben hätten, dass es uns zu viel gewesen wäre, was die Invaliden fordern, und dass wir gefragt hätten, was das Staatsamt für Finanzen dazu sagen wird. Es wird mir besonders zum Vorwurf gemacht, dass ich gesagt hätte, es sei doch eine zu große Belastung, die die Forderungen der Invaliden mit sich bringe.

Ich habe demgegenüber gestern vor dem versammelten Ausschusse in Anwesenheit derselben Vertreter der sozialdemokratischen Partei, die auch bei der vorletzten Sitzung des Ausschusses anwesend waren, erklärt, dass diese Mitteilungen der „Arbeiter-Zeitung" von A bis Z erlogen sind (Abgeordneter Steinegger: Es waren nur drei Sozialdemokraten anwesend, die anderen sind hinausgegangen — Lebhafte Zwischenrufe.), dass sie den Tatsachen nicht entspricht, und weil der Herr Abgeordnete Forstner sich jetzt so aufregt, so stelle ich noch überdies fest, dass, als die Anträge des Abgeordneten Muchitsch gestellt waren, in derselben Sitzung, in der vorher sieben Sozialdemokraten anwesend waren, nur mehr drei anwesend gewesen sind. Das ist eine Tatsache, die von den Anwesenden festgestellt worden ist, und es ist tief bedauerlich, dass man in einer solchen Weise die Wahlagitation betreibt. Aber es ist ganz gut zu verstehen, warum das gemacht wird. (Zwischenrufe des Abgeordneten Forstner.) Der Herr Abgeordnete Forstner kann ja schimpfen so viel er will. Er verträgt eben die Wahrheit nicht. (Zwischenrufe des Abgeordneten Forstner.)

Präsident: Herr Abgeordneter Forstner, darf ich bitten, keine Zwischenrufe zu machen.

Abgeordneter Spalowsky: Ich reagiere auf die Schimpfereien des Herrn Abgeordneten Forstner mit keinem Wort, weil sie mir viel zu niedrig stehen, als dass ich mich mit ihnen beschäftigen könnte. Aber ich stelle hier fest, dass der ganze Verlauf der Verhandlungen beweist — und der Bericht der „Arbeiter-Zeitung" zeigt, worauf es angelegt ist —, dass die Anträge vom Herrn Muchitsch nicht wegen der Invaliden gestellt worden sind, sondern sie sind gestellt worden, weil man geglaubt hat, wir Christlichsoziale werden dagegen stimmen. Man hat die
Sache auch so gemacht, dass wir die sichere Mehrheit in diesem Augenblick im Ausschusse

gehabt hätten. Allerdings sind wir auf dieses Manöver nicht eingegangen. Ich stelle aber ausdrücklich fest, dass einen von diesen Anträgen, die im Ausschusse verhandelt worden sind, der Abgeordnete Muchitsch selbst zurückgezogen hat. Die beantragte Streichung des Absatzes 1 des § 29 hat er selbst zurückgezogen, und zwar auf Grund der Bedenken, die auch der Herr Obmann zum Ausdruck gebracht hat. Und nicht wir haben diesen Antrag niedergestimmt, sondern er hat ihn zurückgezogen. Und wenn der Herr Abgeordnete Hölzl erklärt hat, dass die materiellen Ansätze nur die Anträge des Abgeordneten Muchitsch sind, so stelle ich fest, dass der Antrag auf Änderung der Ziffer „480 in 320" für die Abzüge von mir gestellt wurde und das die rückwirkende Kraft vom 1. April 1920 von unserem Parteigenossen beantragt wurde. Und das ist die weitestgehende Begünstigung für die Invaliden, dass sie die ungerechterweise eingestellten Bezüge vom 1. April an nachgezahlt bekommen. (Abgeordneter Hölzl: Sir haben nur hinauflizitiert!) Wir haben nichts zu lizitieren, sondern wir haben den Wünschen der Invaliden Rechnung getragen, haben den Mut gehabt, ihnen Ausdruck zu verleihen und haben nicht Anträge gestellt, die wir dann wieder zurückgezogen baden. (Beifall.) Das stelle ich fest. Ich bedaure sehr, dass in einer solchen Frage hier im hohen Hause eine solche Wahldemagogie betrieben wird. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen. — Zahlreiche Zwischenrufe.)

Präsident: Es ist niemand mehr zum Worte gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? (Berichterstatter Kletzmayr: Ich verzichte!) Der Herr Berichterstatter verzichtet.

Wir schreiten zur Abstimmung über das Gesetz nebst den von den Abgeordneten Hölzl, Spalowsky und Thanner gestellten, vom Berichterstatter aufgenommenen Abänderungsanträgen.

Beim Artikel I soll im zweiten Absatz nach den Anträgen dieser drei Abgeordneten zwischen die Wörter „Das" und „Einkommen" das Wort „ständige" eingefügt werden.

Ferner soll es in der sechstvorletzten Zeile statt „480" „320" heißen.

Ich bringe zunächst den Artikel I in der Fassung des Ausschusses zur Abstimmung, unter vorläufiger Hinweglassung der Ziffer „480". dann den Zusatzantrag auf Einfügung des Wortes „ständige" und dann den Antrag auf Einsetzung der Ziffer „320".

Ich bitte jene Abgeordneten, welche dem Artikel I unter vorläufiger Hinweglassung der Ziffer 480 zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nunmehr jene Abgeordneten, die dafür sind, dass Zwischen die beiden Wörter „Das" und „Einkommen" das Wort „ständige" eingefügt werde, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte jene Abgeordneten, die statt der Ziffer „480" die Ziffer „320" eingesetzt wissen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Artikel II ist unbestritten. Ich bitte jene Abgeordneten, welche ihm ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Im Artikel III haben dieselben Abgeordneten beantragt, es soll dort statt „am 1. Oktober" heißen: „rückwirkend am 1. April", so dass der Satz lauten würde (liest): „Dieses Gesetz tritt rückwirkend am 1. April 1920 in Wirksamkeit."

Ich werde zunächst über den Artikel III unter vorläufiger Hinweglassung der Worte „am 3. Oktober" abstimmen lassen und bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Artikel III ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nun diejenigen Abgeordneten, die die Worte „rückwirkend am 1. April" eingesetzt wissen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Kletzmayr: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Zu diesem formellen Antrage ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Wir treten nunmehr in die dritte Lesung ein. Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Ich bitte nunmehr diejenigen Herren, welche dem Gesetz auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Hiemit ist das Gesetz, womit einige Bestimmungen des Invalidenentschädigungsgesetzes vom 25. April 1919, St. G. Bl. Nr. 245, abgeändert und ergänzt werden, auch in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschluss erhoben.

Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (934 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Einstellung und Beschäftigung Kriegsbeschädigter (Invalidenbeschäftigungsgesetz) (1022 der Beilagen).

Berichterstatter ist ebenfalls der Herr Abgeordnete Kletzmayr.

Berichterstatter Kletzmayr: Hohes Haus! Die Regierung legte dem hohen Hause eine Gesetzesvorlage bezüglich der Einstellung und Beschäftigung Kriegsbeschädigter, das sogenannte Invalidenbeschäftigungsgesetz vor. Man hat in den Kreisen der Unternehmer in der letzten Zeit, seit diese Vorlage dem hohen Hause unterbreitet wurde, teilweise die Befürchtung gehegt, dass damit eine bedeutende Belastung der Gewerbetriebe, der Industrie usw. verbunden sei. In Wirklichkeit hat sich jedoch nach genauer Durchsicht der Vorlage ergeben, dass die einzelnen Paragraphen, soweit sie hier Klarheit und gewisse Begünstigungen für beide Teile brachten, diese Besorgnisse zerstreuten, und es ergab sich, dass auch die Industriellen gegen diese Vorlage keine Einwendung erhoben, sondern im Gegenteil ihr zustimmten. Es soll mit dieser Vorlage erreicht werden, dass die Invaliden, welche infolge ihrer Gebrechlichkeit häufig keine Beschäftigung finden können, obwohl sie gerne bereit wären, sich durch ihrer Hände Arbeit einen Verdienst zu suchen, leichter ein Unterkommen finden und dass Betriebe, welche, einen gewissen Stand von Arbeitern zu verzeichnen haben, gezwungen werden können, solche Invalide einzustellen.

Der § 1 sagt (liest);

„Gewerbliche Betriebe aller Art, Bergwerksbetriebe und Betriebe der staatlichen Monopolverwaltung, ferner land- und forstwirtschaftliche sowie alle sonst auf Gewinn berechneten Betriebe sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, auf 20 Arbeitnehmer (Angestellte und Arbeiter) mindestens einen Kriegsbeschädigten einzustellen.

Durch Vollzugsvorschriften kann die Zahl der nach Absatz 1 zu beschäftigenden Arbeitnehmer (Pflichtzahl) für bestimmte Gebiete oder Betriebsgattungen herabgesetzt werden.

Zwecks gemeinschaftlicher Erfüllung der Beschäftigungspflicht können auch Verbände von fachlich zusammengehörigen Betrieben mit der Aufteilung der auf die zugehörigen Einzelbetriebe entfallenden Pflichteinstellungen betraut werden."

Im § 2 der Vorlage ist bestimmt, welche Invaliden berechtigt sind, dieses Gesetz beanspruchen zu können. Wir finden in diesem Paragraphen, dass speziell erwähnt wird, dass solche Invalide anspruchsberechtigt sind, deren Erwerbsfähigkeit aus einer im § 1 des Invalidenentschädigungsgesetzes bezeichneten Ursache um mehr als 45 vom Hundert vermindert ist.

Kriegsbeschädigten, deren Erwerbsfähigkeit um mehr als 35 bis zu 45 vom Hundert gemindert ist, sind die Vorteile dieses Gesetzes zuzuerkennen (§ 14, Absatz 2, lit. a), wenn sie wegen ihrer Beschädigung ohne die Begünstigung keine Beschäftigung zu finden vermögen.

Damit ist gesagt, dass nur solche Invalide, welche um mehr als 45 vom Hundert erwerbsunfähig sind, in erster Linie auf dieses Gesetz Anspruch erheben können, hingegen solche Kriegsbeschädigte, welche in ihrer Arbeitskraft um mehr als 35 bis zu 45 vom Hundert gemindert sind, nur dann Anspruch darauf erheben können, wenn sie wegen ihrer Beschädigung anderweitig keine Beschäftigung finden können.

Der § 3 bespricht die Berechnung der Pflichtzahl. Das heißt hier (liest):

„Bei Feststellung der Gesamtzahl der Arbeitnehmer, von welcher die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), werden die örtlich zusammenhängenden und einer gemeinsamen Leitung unterstehenden gleichartigen oder zusammengehörigen Betriebe desselben Arbeitsgebers, zusammengefasst. Die nach § 2 begünstigten sowie nach § 4, Absatz 2, gleichgehaltenen Personen werden nicht eingerechnet. Nicht eingerechnet werden ferner Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahre, dann Lehrlinge, Volontäre, Praktikanten und dergleichen, soweit deren Zahl nicht 5 vom Hundert aller übrigen anrechenbaren Arbeitnehmer überschreitet.

Für Betriebe, in denen der Personalstand wechselt, insbesondere für Saisonbetriebe, ferner für Betriebe, welche Heimarbeiter beschäftigen, wird die Berechnung der Pflichtzahl durch Vollzugs-anweisung besonders geregelt.

Im Falle eines Zweifels hinsichtlich der Berechnung der Pflichtzahl entscheidet auf Ansuchen oder von Amts wegen die nach dem Gesetze vom 24. März 1920, St. G. Bl. Nr. 153, berufene industrielle Bezirkskommission, bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben die landwirtschaftliche Abteilung für Arbeitsvermittlung bei der Landesregierung nach Anhörung des Landesarbeitsbeirates."

Der § 4 spricht von der Erfüllung der Beschäftigungspflicht. Hier hat der Ausschuss für soziale Verwaltung im Absatz 2 beschlossen, nach den Worten „um mehr als 45 vom Hundert vermindert ist" die Worte einzufügen „ferner Blinde", so dass es dann weiter heißt „anrechenbar, falls diese Personen" usw.

Es wurde sodann über Beschluss des Ausschusses für soziale Verwaltung in der letzten Zeile dieses Absatzes das Wort „wieder" gestrichen, so dass die letzten Worte dieses Absatzes heißen: „am Tage der Kundmachung dieses Gesetzes im Betriebe beschäftigt sind."

§ 5 handelt von den Gesundheitsrücksichten. Hier wird gesagt, dass nur solche Personen Beschäftigung finden können, auf deren Gesundheitszustand entsprechende Rücksicht zu nehmen ist.

Im § 6 wird die Entlohnung festgelegt. Es heißt dort (liest):

„Die Entlohnung eines im Sinne dieses Gesetzes beschäftigten Arbeitnehmers darf nur bei nachweisbarer Unterwertigkeit der betreffenden Arbeitsleistung hinter dem Ausmaße des für Arbeits- oder Dienstleistungen gleicher Art üblichen oder durch Kollektivvertrag festgelegten Entgeltes zurückbleiben, muss aber jedenfalls der Arbeitsleistung entsprechen und hat zur Zeit voller Beschäftigung den Lebensunterhalt zu ermöglichen."

§ 7 spricht von der Kündigung. Es wird eine vierwöchige Kündigungsfrist festgelegt; es können aber auch, wenn ein Arbeitsgeber sich zuerst von der Leistungsfähigkeit eines Invaliden überzeugen will, Probeverhältnisse eingegangen werden, und im § 7 heißt es, dass ein solcher Invalide, der bereits vier Wochen in einem Betriebe beschäftigt ist, dann auch auf eine vierwöchige Kündigungsfrist Anspruch erheben kann.

Wenn nun manche Betriebe nicht in der Lage sind, Invalide anzustellen, sei es infolge Mangels an Beschäftigung oder aus anderen Gründen, so kann eine Ausgleichstaxe bestimmt werden, deren Höhe im § 9 geregelt wird. Die Ausgleichstaxe wird für jede einzelne Person, die zu beschäftigen wäre, entrichtet und beträgt jährlich ein Viertel des durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienstes eines Arbeitnehmers des Betriebes, wobei jedoch die einzelnen Jahresverdienste nur bis zum Betrage von 10.000 K zu berücksichtigen sind.

Im § 10 wird bestimmt, zu welchen Zwecken die Ausgleichstaxe verwendet werden soll. Aus den Erträgnissen der Ausgleichstaxen wird beim Staatsamte für soziale Verwaltung ein besonderer Fonds gebildet, der ausschließlich für Zwecke der Fürsorge für kriegsbeschädigte Personen zu verwenden ist. Die Mittel dieses Fonds werden vorzugsweise verwendet zur Fürsorge für solche Personen, die nach ihrem Gesundheitszustande für eine Einstellung im Sinne dieses Gesetzes nicht mehr geeignet sind, und für Zuwendungen an andere unverschuldet arbeitslose Kriegsbeschädigte, und zwar in beiden Fällen in erster Linie auch zur allfälligen Unterbringung solcher Personen in Unterkunftsstätten.

§ 11 spricht von der Regelung der Beschäftigungspflicht in besonderen Fällen, § 12 von der Obsorge für die begünstigten Personen. Zum Zwecke einer wirksamen Wahrnehmung der mit der Durchführung des Gesetzes verbundenen Aufgaben wird bei jeder Invalidenentschädigungskommission ein besonderer Ausschuss (Einstellungsausschuss) gebildet. Diesem Ausschusse gehören außer dem Vorsitzenden als Mitglieder an: Vertreter der organisierten Invaliden; Vertreter der in Betracht kommenden Berufsvereinigungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Zahl; ein Arzt des öffentlichen Gesundheitsdienstes; ein Vertrauensarzt der organisierten Invaliden; ein Vertreter der Gewerbeinspektion oder, wenn Angelegenheiten eines der Gewerbeinspektion nicht unterstehenden Betriebes verhandelt werden, ein anderes Überwachungsorgan sowie sonstige Fachleute.

Es kann auch ein Invalide die Ausstellung eines sogenannten Einstellungsscheines verlangen. Von der Ausfertigung des Einstellungsscheines spricht § 14. Im § 15 wird eine Arbeits- und Stellenvermittlung eingeführt, die durch die gemeinnützigen Arbeitsnachweisstellen erfolgt. § 16 behandelt die Auskunfts- und Anzeigepflicht. § 17 die Überwachung der Beschäftigung. § 18 betrifft die Vorschreibung und Eintreibung der Ausgleichstaxe.

§ 19 enthält Bestimmungen über Behörden und Verfahren. Die Entscheidung, ob ein Betrieb zu den im § 1, Absatz 1, angeführten gehört, obliegt je nach Art des Betriebes der industriellen Bezirkskommission oder der landwirtschaftlichen Abteilung für Arbeitsvermittlung bei der Landesregierung, letzterer nach Anhörung des Landesarbeitsbeirates.

Gegen solche Beschlüsse kann auch Berufung ergriffen werden, und zwar an das Staatsamt für soziale Verwaltung oder, wenn es sich um Verfügungen der landwirtschaftlichen Abteilung für Arbeitsvermittlung handelt, an das Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft, das im Einvernehmen mit dem Staatsamte für soziale Verwaltung entscheidet.

Der § 22 enthält Strafbestimmungen. Übertretungen oder Umgehungen der Bestimmungen dieses Gesetzes und der auf Grund desselben erlassenen Vollzugsanweisungen werden an den Schuldtragenden, sofern die Handlung nicht einer strengeren Strafbestimmung unterliegt, von der politischen Bezirksbehörde, am Sitze einer staatlichen Sicherheitsbehörde von dieser, mit Geldstrafe bis zu 20.000 K geahndet.

§ 23 spricht von der unterstützenden Mitwirkung der Ämter und öffentlichen Anstalten bei der Durchführung des Gesetzes.


 

§ 24 erklärt sämtliche Eingaben und Protokolle, die zur Durchführung und Handhabung des Gesetzes dienen, für stempel- und gebührenfrei.

§ 25 regelt den Vorgang beim Zusammentreffen mit anderen Einstellungspflichten.

§ 26 endlich enthält die Vollzugsbestimmung: Das Gesetz tritt mit dem durch Vollzugsanweisung zu bestimmenden Tag, spätestens am 15. Oktober 1920 in Wirksamkeit und verliert seine Wirkung mit 31. Dezember 1924.

Ich bitte nun das hohe Haus um die Annahme der Gesetzesvorlage, damit auch dieses bedeutungsvolle Gesetz für unsere Kriegsbeschädigten endlich erledigt wird, und wir nun auch neben dem heute bereits beschlossenen Gesetz zur Entschädigung dieser Kriegsinvaliden auch ihre Einstellung in die verschiedenen Betriebe zur Durchführung bringen, um so das Leben unserer bedauernswerten Kriegsbeschädigten auf eine bessere Stufe zu bringen. (Beifall.)

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Abgeordneter Hölzl: Ich bitte!) Der Herr Abgeordnete Hölzl hat das Wort.

Abgeordneter Hölzl: Ich begrüße es, dass wir Gelegenheit haben, heute dieses Gesetz zu beschließen, das als eines der notwendigsten der Gesetze zur Fürsorge für die Kriegsbeschädigten zu bezeichnen ist. Ich möchte mich ganz kurz fassen und nur darauf verweisen, dass schon in der Kriegszeit die gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiterschaft bemüht gewesen sind, Bestimmungen durchzusetzen, nach denen es möglich gemacht wird, dass Kriegsbeschädigte in den Betrieben wieder beschäftigt werden. Die Buchdruckerorganisation hat schon im Jahre 1915 mit der Unternehmerorganisation eine Vereinbarung getroffen, mit der Bestimmungen in dieser Richtung geschaffen wurden. Im Jahre 1916 hat die Gewerkschaftskommission als Vertreterin der gesamten gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft Österreichs sich bemüht, Grundsätze über die Wiedereinstellung von Kriegsverletzten zur Durchführung zu bringen. Leider ist es infolge des Widerstandes der Arbeitgeber nicht möglich gewesen, dass diese Grundsätze in der von der Gewerkschaftskommission angestrebten Form zur Durchführung gebracht werden konnten. Aus den Grundsätzen wurden bloß Richtlinien, und zwar auch nur für das Gebiet von Niederösterreich. Diese Richtlinien über die Wiedereinstellung von Kriegsverletzten in die Betriebe wurden dann von der Landesstelle zur Unterbringung von Kriegsbeschädigten zur Kenntnis genommen. Das war das Um und Auf dessen, was als Fürsorge für die Wiederausrichtung der Kriegsbeschädigten damals in der Kriegszeit, wo man noch die Opfer vor sich gesehen hat, wo immer noch neue Opfer zu den alten gekommen sind, übrig blieb.

Nachdem der Krieg zu Ende gewesen ist, nachdem der Spiritus des hochprozentuell zu verwertenden Kriegspatriotismus verflogen und das Phlegma übriggeblieben ist, das vom Motto geleitet wird: Von den Kriegsbeschädigten wollen wir Ruhe haben, hat es diese Stimmung dahin gebracht, dass es ganz unmöglich gewesen ist, eine größere Zahl von Kriegsbeschädigten wieder in die Betriebe zu bringen, geschweige denn schwerverletzte Kriegsbeschädigte wieder in das Erwerbsleben einzuführen.

Es ist deshalb zu begrüßen, dass diese Vorlage zum Ausdruck bringt, dass Schwerverletzte, die eine 45prozentige Verminderung ihrer Erwerbsfähigkeit aufweisen, oder unter gewissen Einschränkungen auch von solchen, die mit 35 Prozent eingeschätzt sind, nun nach dieser Vorlage ihre Einstellung finden müssen. Der Industriellenbund hat seinerzeit in dem Invalidenamt der Stadt Wien, als es im Jahre 1918 seine Tätigkeit begonnen hat, durch seinen Vertreter, durch den Generalsekretär, und zwar damals, als davon die Rede war, dass es notwendig sei, ein Gesetz zu schaffen, das die Wiedereingliederung der Kriegsverletzten in das Erwerbsleben ermöglicht, abgewehrt und erklären lassen: Wir tun dies ohnehin aus Dankbarkeit für die armen Kriegsopfer! Wir haben aber die praktische Durchführung des Grundsatzes von der Dankbarkeit für die Kriegsopfer gesehen. Es hat sich als unbedingte Notwendigkeit herausgestellt, dass ein Gesetz in diesem Sinne wirke. Denn die Arbeitgeber und ihre Organisationen haben ganz darauf vergessen, dass sie es zwar in der Kriegszeit sehr gerne gesehen haben, dass die Zwangseinstellung der Arbeiter in die Betriebe erfolgte, als es sich aber darum gehandelt hat, die armen Kriegsopfer in die Betriebe zu bringen, sie nicht auf die Rente angewiesen sein zu lassen, hat man abgewehrt und erklärt, es sei dies Sache des freien Willens. Deshalb ist es notwendig, dass durch ein Gesetz vorgekehrt werde. Es häufen sich seitens der Kriegsbeschädigten immer mehr und mehr die Wünsche nach Arbeit, sie wollen lieber Arbeit, als dem Staate zur Last fallen. Die Organisation der Kriegsbeschädigten hier in Wien erklärt, dass täglich 40 bis 50 Leute vorsprechen, die Arbeit suchen und gerne auf die Rente verzichten würden, wenn sie nur Arbeit erhielten. Deshalb ist es notwendig, dass dieses Gesetz geschaffen werde, damit es zur Durchführung bringe, was zum Schutze der Kriegsbeschädigten zu schaffen notwendig ist. Ich bitte, diese Vorlage anzunehmen.

Präsident: Wünscht noch jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Wir schreiten zur Abstimmung.

Ein Gegenantrag ist nicht gestellt. Ich kann daher sämtliche 26 Paragraphen unter Einem zur Abstimmung bringen.

Ich bitte jene Abgeordneten, die diesen Paragraphen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte jene Abgeordneten, die Titel und Eingang des Gesetzes annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Angenommen.

Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Kletzmayr: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formalen Antrag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Dieser Antrag ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich bitte nun jene Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Das Gesetz über die Einstellung und Beschäftigung Kriegsbeschädigter (Invalidenbeschäftigungsgesetz) (gleichlautend mit 1022 der Beilagen) ist auch in dritter Lesung angenommen.

Damit ist das Gesetz endgültig zum Beschluss erhoben.

Der nächste Punkt der Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Vorlage der Staatsregierung (987 der Beilagen), betreffend die Abänderung und Ergänzung des Gesetzes vom 24. März 1920, St. G. Bl. Nr. 153, über die Arbeitslosenversicherung (1000 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Mühlberger. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Mühlberger: Hohes Haus! Die Staatsregierung hat eine Vorlage in Bezug auf Abänderung und Ergänzung des Gesetzes vom 24. März 1920, St. G. Bl. Nr. 153, über die Arbeitslosenversicherung eingebracht. Das Gesetz hat den Ausschuss für soziale Verwaltung beschäftigt und ich kann hier feststellen, dass von keiner Partei gegenüber dem Gesetze eine Einwendung erhoben worden ist. Das Gesetz bezweckt eine Ausgleichung in der Unterstützung entsprechend dem Krankenversicherungsgesetze vom 9. Juli 1920, wonach das tägliche Krankengeld erhöht worden ist. Das Gesetz bezweckt die Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung, und zwar für Familienerhalter auf das Höchstausmaß von 18 K täglich, für alle übrigen Mitglieder, die keine Familie zu erhalten haben, auf 15 K täglich. Das Gesetz bestimmt weiter, dass die höchste Dauer der Unterstützung von 20 auf 30 Wochen ausgedehnt werde.

Alles übrige finden Sie in dem schriftlichen Berichte des Ausschusses. Namens des Ausschusses stelle ich den Antrag:

„Die Nationalversammlung wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen."

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich) Es ist nicht der Fall, wir schreiten zur Abstimmung.

Das Gesetz hat vier Artikel. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche den vier Artikeln des Gesetzes ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Angenommen.

Ich bitte jene Abgeordneten, welche auch für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Angenommen.

Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Mühlberger: Ich beantrage, die dritte Lesung sofort vorzunehmen.

Präsident: Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur dritten Lesung. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht)

Das Gesetz zur Abänderung und Ergänzung des Gesetzes vom 24. März 1920, St. G. Bl. Nr. 153, über die Arbeitslosenversicherung (gleichlautend mit 1000 der Beilagen) ist auch in dritter Lesung angenommen.

Damit ist das Gesetz endgültig zum Beschlusse erhoben.

Der nächste Punkt der Tagesordnung ist der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über
die Vorlage der Staatsregierung (999 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Regelung von
Ruhegenüssen der in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920

in den Ruhestand versetzten Zivilstaatsbeamten, Staatslehrpersonen, Unterbeamten und Diener und von Versorgungsgenüssen der Hinterbliebenen jener Zivilstaatsbeamten, Staatslehrpersonen, Unterbeamten und Diener, welche in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920 in der Aktivität gestorben oder in den Ruhestand versetzt worden sind (1019 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Steinegger. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Steinegger: Hohes Haus! Es ist eine altbekannte Tatsache, dass die Lage der Pensionisten sowie der Witwen und Waisen nach Pensionisten eine äußerst betrübende ist. Es liegt von mir ein Antrag vor, der eine Neuregelung der ganzen Pensionistenfrage bezweckt, und alle Mitglieder des Ausschusses haben sich für eine solche Neuregelung ausgesprochen. Leider reichte jedoch die Zeit nicht mehr aus, um diese Gesamtregelung in wirklich ordnungsmäßiger und wirkungsvoller Weise vornehmen zu können. Nun gibt es aber noch besondere Härten, die gewisse Kreise außerordentlich schwer treffen. Hieher gehört die Lage jener Personen, die bis zum 29. Februar 1920, also unmittelbar vor der Zeit, wo der erste Nachtrag des Besoldungsübergangsgesetzes in Wirksamkeit getreten ist, pensioniert wurden. Der vorliegende Gesetzentwurf will hier einen Ausgleich schaffen, er bezweckt, dass dieser erste Nachtrag des Besoldungsübergangsgesetzes auch auf diese vor dem 29. Februar 1920 Pensionierten Anwendung finde. Er soll natürlich auch auf die Hinterbliebenen nach Staatsbediensteten Anwendung finden, welche in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920 verstorben sind.

Das Gesetz tritt mit 1. Jänner 1920 in Kraft. Es hat sich auch „in einem Resolutionsantrage, der im Anhang zu dem Gesetze an die Regierung gerichtet ist, der Wille kundgetan, sobald die notwendige Zeit vorhanden ist, tatsächlich eine vollständige Neuregelung der ganzen Pensionistenfrage durchzuführen und insbesondere auch jene Pensionisten, welche mit Gnadengaben, Provisions- und Bruderladenversorgung beteilt sind, finanziell besserzustellen. Nachdem eine vollständige Einstimmigkeit hinsichtlich des vorliegenden Gesetzentwurfes besteht und er die allgemeine Zustimmung der Abgeordneten gefunden hat, bitte ich, dem Bericht des Ausschusses Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall.)

Präsident: Zum Worte hat sich gemeldet der Herr Abgeordnete Zelenka.

Abgeordneter Zelenka: Hohes Haus! Die Regierung hat in dieser Vorlage den Versuch unternommen, die Ungerechtigkeit auszumerzen, die jenen Pensionisten zugefügt wurde, die vor dem 29. Februar d. J. pensioniert wurden. Durch diese verfrühte Pensionierung ist eine große Anzahl von Pensionisten zu Schaden gekommen, der 6000 bis 10.000 K beträgt. Das hat natürlich riesigen Unwillen bei den aktiven Angestellten Hervorgerufen und die paritätische Lohnkommission hat schon wiederholt verlangt, die Regierung möge endlich eine gleichmäßige Behandlung der Pensionisten in die Wege leiten.

Das Elend der Pensionisten ist allbekannt, der Zustand ist unhaltbar. Ich möchte nochmals im Sinne meines Resolutionsantrages, der von allen Parteien unterstützt und einstimmig angenommen worden ist, an die Regierung appellieren, dass sie endlich in der Regelung der Pensionistenfrage eine einheitliche Behandlung durchführe. Es geht nicht an, dass uns, wie es seinerzeit bei Beratung des Pensionistengesetzes geschehen ist, vom Staatsamte für Finanzen unsere traurige Finanzlage vorgehalten wird, die es verhindere, dass eine Gleichstellung der Pensionisten durchgeführt werde, und dass 14 Tage später auf dem Wege kontradiktorischer Verhandlungen den aktiven Staatsbediensteten zwei Milliarden bewilligt werden, während den Ärmsten der Armen, den Pensionisten, weisgemacht wird, dass der Staat eine einheitliche Regelung der Pensionistenfrage nicht durchführen könne.

In dem von mir eingebrachten Resolutionsantrage wird die Regierung aufgefordert, den Altpensionisten die gleiche Behandlung zuteilwerden zu lassen, wie jenen Bediensteten, die nach dem 29. Februar 1920 in den dauernden Ruhestand versetzt wurden. Es wird ferner eine gleiche Behandlung aller Pensionisten und vorläufig ein Ausgleich in den Bezügen gefordert.

Das im ersten Nachtrag zum Besoldungsübergangsgesetze Gewährte hätten bei Durchführung der Besoldungsreform ohnedies alle bekommen. Die Pensionisten werden jetzt aufstehen und werden sagen, dass diejenigen, die jetzt gleichgestellt werden, diese Gleichstellung ohnedies bei der Durchführung der Besoldungsreform bekommen hätten, weil die Besoldungsreform vom Staatsamte für Finanzen immer als rückwirkend vom 1. Jänner 1920 angegeben wird. Sie geben jetzt schon Vorschüsse darauf, rückwirkend vom 1. Jänner. Es wird also die Unruhe der Pensionisten mit dieser Vorlage nicht beseitigt. Sie werden neuerdings sagen, einem Teil ist endlich geholfen worden, für den größeren Teil aber bleibt das alte Unrecht noch bestehen. Trotz der größten Bemühung, die wir uns bei Beratung des Pensionistengesetzes gegeben haben, ist es bis heute nicht möglich gewesen, diese Härte auszugleichen.

Es wurde von den Pensionisten auch versucht, die ganze Schuld, weil ich Berichterstatter war, unserer Partei aufzuhalsen. Ich möchte von diesem Tische aus erklären, dass wir seinerzeit das Pensionistengesetz mit Zustimmung aller Parteien beschlossen haben (Abgeordneter Dr. Waber: Nein!), weil wir uns damals davon leiten ließen, dass die Finanzen des Staates derartig sind, dass nicht mehr geleistet werden kann, und wenn Herr Dr. Waber „Nein" sagt, so erinnere ich ihn daran, dass er bei den ersten Sitzungen des Unterausschusses nicht anwesend war, sondern sich nur in den Bogen eingeschrieben und dann später bei der Annahme im Finanz- und Budgetausschuss einen anderen Vertreter geschickt hat, der nicht orientiert war. (Zwischenrufe des Abgeordneten Dr. Waber.) Das ist Ihre Vertretung der öffentlichen Angestellten. (Abgeordneter Dr. Waber: Das ist unwahr!) Dann ist es ein Leichtes gewesen, hier im Hause bei der Verabschiedung des Gesetzes einen Gegenantrag zu stellen, wo Sie eine Woche vorher zugestimmt haben, dass die Regelung der Bezüge der Angestellten nur unter Mitwirkung der Nationalversammlung durchgeführt werden soll, wenn eine Bedeckung vorhanden ist. (Fortgesetzte Zwischenrufe des Abgeordneten Dr. Waber.) Die Bedeckung haben Sie nicht gefunden. Sie haben damals einen demagogischen Antrag gestellt, um für die Wahl vorzubereiten.

Wir haben in dem Resolutionsantrag, der einstimmig angenommen worden ist, die Regierung aufgefordert, endlich dieser traurigen Pensionistenfrage ein Ende zu bereiten und eine gleichmäßige Durchführung dieser Angelegenheit eintreten zu lassen. (Beifall.)

Präsident: Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Dr. Gürtler.

Abgeordneter Dr. Alfred Gürtler: Hohes Haus! Ich habe den Ausführungen des Herrn Kollegen Zelenka nicht mit voller Deutlichkeit entnehmen können, dass dieser Resolutionsantrag von allen drei Parteien eingebracht, von Vertretern aller drei Parteien unterfertigt wurde und sich infolgedessen als eine gemeinsame Aktion aller drei Parteien darstellt. Ich habe es nicht ganz deutlich verstanden und stelle daher von dieser Stelle aus die Anfrage.

Ich meine, es soll auch einmal hier in diesem Hause ausgesprochen werden, dass an dem Pensionistenelend vielfach nicht die Nationalversammlung Schuld trägt, sondern die Behörden, die mit der Durchführung der in der Nationalversammlung beschlossenen Gesetze im Rückstand sind. (Zustimmung.) Es wenden sich daher die Vorwürfe der Pensionisten vielfach an die falsche Adresse, wenn sie sich an die Nationalversammlung wenden. Wir haben natürlich auf die Exekutive nicht jenen Einfluss, der es uns ermöglichen würde, fortwährend dahinterzustehen und darauf hinzuwirken, dass das, worauf die Leute nach den beschlossenen Gesetzen bereits einen Anspruch haben, ihnen endlich einmal ausbezahlt wird. Es ist geradezu grotesk, wenn man die Pensionistenorganisationen hört und erfährt, dass es unter ihnen noch ganze Gruppen gibt, die noch ihre Friedenspensionen, also Pensionen von 140 oder 80 K oder noch kleinere Beträge im Monat beziehen, trotzdem die betreffenden Gruppen schon seit Monaten, auf die neu beschlossenen Pensionen, die ganz wesentlich erhöhte Beträge aufweisen, vollen Anspruch haben. Ich möchte deswegen hier von dieser Stelle aus auf die Regierung einwirken — es trifft diese Sache insofern besonders hart, weil sie bei den verschiedenen Departements, bei den verschiedenen Zweigen ganz verschieden gehandhabt wird; es hat Behörden und Ämter gegeben, die damit verhältnismäßig rasch vorwärts gekommen sind, während bei anderen Departements in dieser Beziehung noch arge Rückstände herrschen —, dass man den Leuten doch endlich wenigstens das gibt, worauf sie gesetzlich Anspruch haben.

Die Sache hat auch eine sehr ernste prinzipielle Bedeutung. Man erweckt nämlich auf diese Art und Weise falsche Vorstellungen darüber, was man bereits hat, und provoziert Forderungen. Ich bin überzeugt, dass gewisse Erscheinungen auf dem Gebiete des Beamtenbesoldungsrechtes vielfach dadurch hervorgerufen wurden, dass man immer rückständig blieb, dass die beschlossenen Gesetze nicht zur Durchführung gelangt sind und dass die Leute gar nicht das Gefühl gehabt haben, dass sie jetzt tatsächlich etwas mehr kriegen sollen, sondern dass sie durch eine Reihe von Abschlagszahlungen in einen Zustand der Unsicherheit versetzt werden und dass auf diese Art und Weise gerade die Beamten, die gewohnt waren, mit bestimmten Beträgen zu rechnen, einer finanziellen Situation gegenüberstehen, die sie direkt besorgt und nervös machen musste. Ich würde mindestens verlangen — abgesehen von einer definitiven Regelung der ganzen Pensionistenfrage, die eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Hauses sein wird —, dass die Regierung nach den jetzt beschlossenen Gesetzen den Pensionisten endlich einmal das gibt, worauf sie heute bereits gesetzlich Anspruch haben. (Lebhafter Beifall.)

Präsident: Die Debatte ist geschlossen. Das Gesetz hat drei Paragraphen. Ich bringe sie unter Einem zur Abstimmung.

Ich bitte jene Abgeordneten, welche diesen drei Paragraphen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte jene Abgeordneten, welche für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Steinegger: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Dazu ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ich bitte jene Abgeordneten, welche diesem formellen Antrage ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das hohe Haus hat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Sinne des Antrages des Berichterstatters die sofortige Vornahme der dritten Lesung beschlossen.

Ich bitte jene Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Damit ist das Gesetz über die Regelung von Ruhegenüssen der in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920 in den Ruhestand versetzten Zivilstaatsbeamten, Staatslehrpersonen, Unterbeamten und Diener und von Versorgungsgenüssen der Hinterbliebenen jener Zivilstaatsbeamten, Staatslehrpersonen, Unterbeamten und Diener, welche in der Zeit vom 1. Jänner bis 29. Februar 1920 in der Aktivität gestorben oder in den Ruhestand versetzt worden sind (gleichlautend mit 1019 der Beilagen), auch in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschlusse erhoben.

Es liegt auch ein Resolutionsantrag, der Abgeordneten Zelenka, Pauly, Dr. Gürtler und Genossen vor.

Ich bitte jene Abgeordneten, die diesem Resolutionsantrag ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über den Antrag der Abgeordneten Forstner, Partik und Genossen, betreffend die Abänderung der Bestimmungen des § 4, Absatz 4, des Gesetzes vom 13. Juli 1920, St. G. Bl. Nr. 326, betreffend die Regelung der Zahntechnik (Zahntechnikergesetz) (1020 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Forstner. Ich bitte ihn, die Verhandlung einzuleiten.

Berichterstatter Forstner: Ich kann in Hinsicht auf die Begründung, die dem Gesetze beigegeben ist, es mir wohl ersparen, in längeren Ausführungen die Wichtigkeit des Gegenstandes darzulegen. Ich beschränke mich sonach auf den Bericht und bitte das hohe Haus, das Gesetz annehmen zu wollen.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Wir schreiten zur Abstimmung. Das Gesetz hat drei Artikel. Ich bitte jene Abgeordneten, welche diesen drei Artikeln ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte jene Abgeordneten, die für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen,

Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Forstner: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Dazu ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ich bitte jene Abgeordneten, die diesem formellen Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das hohe Haus hat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen, die dritte Lesung sofort vorzunehmen.

Ich bitte jene Abgeordneten, welche dem Gesetz auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Damit ist das Gesetz, betreffend die Abänderung des § 4, Absatz 4, des Gesetzes vom 13. Juli 1920, St. G. Bl. Nr. 326, über die Regelung der Zahntechnik (Zahntechnikergesetz) (gleichlautend mit 1020 der Beilagen) auch in dritter Lesung angenommen und endgültig zum Beschluss erhoben.

Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über den Antrag der Abgeordneten Tomschik, Pick und Genossen (1001 der Beilagen), betreffend die Abänderung des Arbeiterkammergesetzes (1023 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Pick. Ich ersuche ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Pick: Hohes Haus! Das Gesetz, das ich zu vertreten die Ehre habe,
bezweckt eine Ausgestaltung der Arbeiterkammern entsprechend

einem Wunsche der Angestellten und Arbeiter bei Unternehmungen, die dem öffentlichen Verkehre dienen. Angestellte und Arbeiter bei Eisenbahnen, Dampfschifffahrt, Post und Telegraph waren es, die aus dem allgemeinen Wortlaute des Gesetzes mit Recht ableiteten, in die Arbeiterkammern zu gehören. Da man diesen Wunsch als gerechtfertigt und gesetzlich begründet fand, ergab sich die Schwierigkeit, dass die nach dem Gesetze vorgesehene Sektion für Angestellte und Arbeiter unzulänglich war. Es kommt damit, wenn diesem Wunsche Rechnung getragen werden soll, eine Art Kategorie von Arbeitern und Angestellten in die Kammer mit eng umrissenen Interessen. Weil die Arbeiterkammer in der Hauptsache ein vorberatender Körper für die wirtschaftliche Gesetzgebung ist, ergibt sich, dass sich die Schaffung der vorgeschlagenen Sektionen empfiehlt, damit das Gutachten fachmännisch erstellt und klar zum Ausdruck gelange. Diesen Erwägungen hat sich der Ausschuss für soziale Verwaltung nicht verschließen können und empfiehlt nunmehr, dass neben der allgemeinen Sektion für Arbeiter, neben der allgemeinen Sektion für Angestellte noch zwei Sektionen geschaffen werden, die aus den Arbeitern und Angestellten der dem öffentlichen Verkehr dienenden Unternehmungen gebildet werden. In der Eile, die da geboten war, ist ein Wortlaut des neuen Gesetzes entstanden, der vielleicht eine Undeutlichkeit aufkommen lassen könnte. Im Einvernehmen mit den Vertretern der in Betracht kommenden Arbeiter und Angestellten sowie im Einvernehmen mit den Vertretern der christlichsozialen Partei bitte ich das hohe Haus, einer klarstellenden Bestimmung hier zuzustimmen, die dahin lautet, dass im Artikel I in der vorletzten Zeile zwischen die Worte „in" und „beschäftigten Arbeiter und Angestellten" folgende Worte eingeschoben werden: „den dem öffentlichen Verkehr dienenden Unternehmungen, Eisenbahn, Dampfschifffahrt, Post, Telegraph."

Damit ist, glaube ich, die Sache klargestellt, und mehr bezweckt die jetzt von mir beantragte Änderung nicht. Der Zweck der sonstigen Bestimmungen des neuen Gesetzes ergibt sich aus dem Wortlaut selbst. Es ist selbstverständlich, dass, wenn zwei neue Sektionen geschaffen werden, auch die Höchstzahl der Mitglieder, die das alte Gesetz vorsieht, erhöht werden muss und deshalb wird beantragt, dass nicht höchstens 100, sondern höchstens 130 Mitglieder die Kammer für Arbeiter und Angestellte bilden sollen.

In der restlichen Bestimmung wird gesagt, dass für die Durchführung der Wahlen nicht das alte Gesetz, sondern das neu beschlossene Gesetz über die Wahlordnung zur Nationalversammlung maßgebend sein soll. Daraus beschränkt sich alles, was das neue Gesetz bringt, und ich bitte das hohe Haus, dem Beschlusse des Ausschusses beizutreten.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Ich schreite zur Abstimmung. Das Gesetz hat vier Artikel. Ein Gegenantrag ist nicht gestellt. Ich werde daher alle vier Artikel unter einem zur Abstimmung bringen und bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Pick: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage zustimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Antrag ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Damit ist das Gesetz, betreffend die Abänderung des Arbeiterkammergesetzes mit den vom Herrn Berichterstatter beantragten Abänderungen und Ergänzungen auch in dritter Lesung angenommen und endgültig zum Beschluss erhoben.

Es liegt auch eine Resolution vor.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dieser Resolution ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (989 der Beilagen), betreffend das Gesetz über Kreditoperationen (1018 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Abgeordnete Schiegl. Ich ersuche ihn, die Verhandlung einzuleiten.

Berichterstatter Schiegl: Hohes Haus! Mit dem Gesetze vom 25. Juni 1920, St. G. Bl. Nr. 275, wurde dem Staatssekretär für Finanzen für die Zeit vom 1 bis 31. Juli 1920 eine Kreditermächtigung bis zum Betrage von 2000 Millionen Kronen und mit dem Gesetze vom 22. Juli 1920, St. G. Bl. Nr. 330, für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1920 eine weitere Kreditermächtigung bis zum Betrage von 4000 Millionen Kronen

eingeräumt. Dieser Kredit im Gesamtbetrage von 6000 Millionen Kronen ist nun nahezu erschöpft. Der Grund liegt darin, dass Ausgaben für die Getreidebeschaffung gemacht werden mussten, nachdem die amerikanische Getreidelieferung bereits erschöpft ist. Es wurden Verträge mit dem S.-H.-S.-Staate abgeschlossen und dann wurde noch ein größerer Betrag dazu verwendet, Vorschüsse für die Aufbringung des inländischen Getreides zu geben. Außerdem musste die Regierung der landwirtschaftlichen Warenverkehrsstelle einen Vorschuss von 300 Millionen Kronen und weiters auch der Zuckerstelle einen solchen von 300 Millionen Kronen zur Verfügung stellen. Infolgedessen sind die Kreditermächtigungen zum allergrößten Teile bereits aufgebraucht und es steht nur mehr ein Betrag von 1100 Millionen Kronen der Regierung zur Verfügung.

Die Regierung sieht sich infolgedessen veranlasst, eine neuerliche Kreditermächtigung bis zum Betrage von 3000 Millionen Kronen zu beanspruchen. Die Regierung begründet das damit, dass sich die Auslagen gegenwärtig zusammendrängen, weil es sich darum handelt, für die Lebensmittelbeschaffung in genügender Weise und für entsprechende Zeit Vorsorge zu treffen. Die Vorsorgen, die hier getroffen werden sollen und die diese Kredite zum größten Teile aufbrauchen, bestehen darin, dass die Lebensmittelversorgung bis in das Frühjahr des Jahres 1921 gesichert werden soll. Wir haben im Finanz- und Budgetausschuss auch darüber gesprochen, wie es mit den neuen Eingängen steht, da ja neue Steuern beschlossen wurden. Es wurde nun erklärt, dass die Einnahmen aus den neuen Steuern erst im nächsten Jahre einfließen werden, weil die Veranlagung noch nicht durchgeführt ist und insbesondere hinsichtlich der Vermögensabgabe die Durchführungsverordnung nicht, wie man gemeint hat, bereits im November dieses Jahres, sondern wahrscheinlich im Dezember erscheinen wird, so dass damit gerechnet werden muss, dass die Eingänge aus der großen Vermögensabgabe erst in einem viel späteren Zeitraum erfolgen werden.

Die Regierung hat auch darauf hingewiesen, dass unvorhergesehene Auslagen zu bestreiten waren und dass infolgedessen diese Mehraufwendungen selbstverständlich diese Kredite mit erschöpfen. Es wurden Vorauszahlungen auf die Besoldungsreform geleistet und auch eine Erhöhung der gleitenden Zulage wurde vorgenommen. Diese Vorauszahlungen auf die Besoldungsreform sollen nun fortgesetzt werden bis die Besoldungsreform durchgeführt sein wird und es wird infolgedessen auf das Jahr umgerechnet sich ein Aufwand von 2880 Millionen Kronen ergeben und sich daher das Budget wahrscheinlich noch verschlechtern.

Es wurde von der Regierung auch ein Bild des zukünftigen Budgets entworfen. Es ist gewiss ein Novum, dass wir bereits zwei Budgetprovisorien bewilligt haben, ohne dass das Finanzgesetz vorliegt. Die Regierung hat nun in rohen Ziffern uns auseinandergesetzt, wie sich das zukünftige Budget beiläufig gestalten wird. Die gesamten Ausgaben werden rund 33 Milliarden betragen und es ist hier eine Steigerung von 97 Prozent gegenüber dem Budget von 1919/20 zu verzeichnen. Die Einnahmen werden beiläufig 20 Milliarden betragen und es ist hier eine Steigerung der Einnahmen um 228 Prozent zu konstatieren. Es wäre infolgedessen eine Besserung des zukünftigen Budgets zu erwarten, nachdem sich die Ausgaben im Verhältnis zu den erhöhten Einnahmen günstiger gestaltet haben, obwohl der Betrag, welcher als Defizit erscheint, ein bedeutend größerer sein dürfte als im vorigen Budget, da ja jetzt schon mit einem Defizit von 13 Milliarden gerechnet wird, während wir für das Jahr 1919/20 ein Defizit von 101/2 Milliarden hatten.

Wie ich bereits früher erwähnt habe, stehen der Regierung gegenwärtig 1100 Millionen Kronen zur Verfügung und es muss eben, bis das Budget vorliegt und bis die neue Nationalversammlung zusammentritt, um das Budget zu verabschieden, die nötige Vorsorge getroffen werden. Der Finanz- und Budgetausschuß hat der Vorlage der Staatsregierung zugestimmt und ich bitte nun das hohe Hans, dem vorliegenden Gesetzentwurfe die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist dies nicht der Fall. Wir kommen daher zur Abstimmung. Das Gesetz hat zwei Paragraphen und ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Schiegl: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage zustimmen, sich zu erheben. (Geschieht.) Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich bitte nunmehr diejenigen Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Das Gesetz über Kreditoperationen (gleichlautend mit 1018 der Beilagen) ist auch in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschluss erhoben.

Der nächste Gegenstand unserer Tagesordnung ist der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlagen der Staatsregierung (1016 und 1017 der Beilagen), womit die Ausscheidung der unter das Gesetz vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15 (Dienstpragmatik), fallenden Postbediensteten (Beilage 1016) und Telegraphen- und Fernsprechbediensteten (Beilage 1017) aus diesem Gesetze vorgenommen wird (Entpragmatisierungsgesetz) (1028 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Zelenka. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Zelenka: Hohes Haus! Durch die Vorlagen der Staatsregierung Nr. 1016 und 1017 der Beilagen sollen die Post- und Telegraphenangestellten aus dem Staatsangestelltenverhältnis herausgenommen werden. Bereits im Jahre 1919 wurde der Dienstzweig des Post- und Telegraphenwesens aus der Verwaltung des Staatsamtes für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten herausgenommen und dem Staatsamte für Verkehrswesen unterstellt. Von jenem Momente an haben die Post- und Telegraphenbediensteten, was sie übrigens auch schon vor Aktivierung der Dienstpragmatik getan haben, den Wunsch geäußert, zusammen mit den Eisenbahnangestellten eine gemeinsame Gruppe der Verkehrsangestellten bilden zu können. Die Staatskanzlei hat im April des vorigen Jahres dieser Forderung Rechnung getragen und durch ein Rundtelegramm alle Dienststellen des Post- und Telegraphenwesens verständigt, dass bei Durchführung der kommenden Besoldungsreform diese Angestellten, was sie schon seit langer Zeit erwartet haben, aus dem Kreise der Staatsangestellten werden herausgenommen und mit den Eisenbahnern zusammen als Verkehrsangestellte sich eine eigene Besoldungsreform schaffen können, welche auch in den neugeschaffenen Zentralausschüssen der Post- und Telegraphenangestellten im ersten Falle bereits durchgeführt wurde. Im Jänner des heurigen Jahres wurden nämlich die Zentralausschüsse auf Grund einer Dienstanweisung des Staatsamtes für Verkehrswesen geschaffen und seit jener Zeit haben sich diese beiden Ausschüsse damit befasst, die Besoldungsreform für die Post- und Telegraphenbediensteten fertigzustellen. Seit der Einbeziehung in die Gruppe der Verkehrsangestellten wurden die Post- und Telegraphenbediensteten auch in die Hauptwirtschaftsstelle der Eisenbahner einbezogen und es wurden ihnen auch alle rechtlichen und wirtschaftlichen Zugeständnisse der Eisenbahner, wo es nur möglich war, durch Unterstützung des Staatsamtes für Verkehrswesen vermittelt. Die Besoldungsreform der Postangestellten, auch teilweise jener der Telegraphenangestellten wurde in vielen Verhandlungen mit dem Staatsamte für Verkehrswesen durchberaten, ist auch bereits dem Kabinettsrat unterbreitet worden und soll nachträglich durch eine Dienstanweisung des Staatssekretärs für Verkehrswesen verlautbart werden. Da aber die Post- und Telegraphenangestellten der Dienstpragmatik von 1914 als Staatsangestellte unterstehen, muss der Staatsregierung durch das Ermächtigungsgesetz das Recht eingeräumt werden, bei der Durchführung der neuen Besoldungsreform und Aufstellung dieses neuen Beamtenkörpers die Leute aus der Dienstpragmatik herauszunehmen, sie zu entpragmatisieren, um sie in die neue Besoldungsreform einzuführen. Eine verschwindend kleine Minorität der Bediensteten ist es nun, die im Zentralausschuss der Postangestellten verlangt hat, dass man ihnen das Recht wahren soll, sich selbst entscheiden zu können, ob sie Staatsangestellte bleiben wollen oder ob sie später verlangen können, in die Besoldungsreform eingeführt zu werden.

Auch dem wurde Rechnung getragen. Durch den Zentralausschuss der Postangestellten und den Zentralausschuss der Telegraphenangestellten wird jedem Bediensteten die Gelegenheit gegeben, sich zu entscheiden, ob er in diese Besoldungsreform eingefügt werden soll oder die Besoldungsreform abwarten will, die für die Staatsangestellten in späterer Zeit zu erwarten ist. Die Befürchtungen, dass durch die Entpragmatisierung die Bediensteten des Pensionsrechtes oder des unwiderruflichen Dienstverhältnisses zum Staate verlustig gehen könnten, sind ganz unberechtigt. Es bleiben ja auch weiter in der neuen Besoldungsreform diese Rechte gewahrt, und wenn jetzt unter den Bediensteten in agitatorischer Weise solche Befürchtungen verbreitet werden, um sie einzuschüchtern, so ist das ganz unbegründet. Diese neue Besoldungsreform ist die erste, welche die Bezahlung wirklich auf Grund der Dienstleistung regelt. In beiden Ermächtigungsgesetzen wird daher dem Staatssekretär für Verkehrswesen und dem Zentralausschuss der beiden Dienstzweige Gelegenheit geboten, nach Durchführung der Besoldungsreform und deren Verlautbarung durch eine Dienstanweisung den Bediensteten die Möglichkeit zu bieten, sich noch durch sechs Wochen entscheiden zu können, ob sie sich in die neue Besoldungsreform einführen
lassen oder weiter Staatsangestellte bleiben wollen. Ein ähnliches Verhältnis haben wir bereits
gehabt, als die Nordbahn übernommen wurde. Damals wurde es der Beamtenschaft

ebenfalls freigestellt, Staatsbeamte zu werden oder in jenem Dienstvertrage zu bleiben, den die private Nordbahngesellschaft mit ihnen abgeschlossen hatte. Mit diesem Ermächtigungsgesetz sind daher nur Vorbereitungen zur Entpragmatisierung geplant und es wird jedem Gelegenheit gegeben, sich zu entscheiden. Der Finanz- und Budgetausschuss hat diese Gesetze in Verhandlung gezogen, ihnen einstimmig zugestimmt und ich bitte daher das hohe Haus, die Zustimmung zur Durchführung dieser Gesetze zu geben.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall, ich kann daher sofort zur Abstimmung schreiten.

Zuerst kommt das Gesetz über die Postbediensteten, Seite 3 des Berichtes. Das Gesetz hat vier Paragraphen. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.). Angenommen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die Titel und Eingang des Gesetzes annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Das Gesetz ist in zweiter Lesung beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz, betreffend die Telegraphen- und Fernsprechbediensteten. Das Gesetz hat vier Paragraphen. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die Titel und Eingang des Gesetzes annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Das Gesetz ist hiemit in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Zelenka: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung beider Gesetze.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung der beiden Gesetze unter Einem sofort vorzunehmen. Zur Annahme dieses Antrages ist Zweidrittelmehrheit notwendig. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche diesem formellen Antrage ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben, (Geschieht.) Angenommen.

Wir schreiten zur dritten Lesung. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche dem Gesetze 1 ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das Gesetz über die Ausscheidung der unter das Gesetz vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15 (Dienstpragmatik), fallenden Postbediensteten aus diesem Gesetze (Entpragmatisierungsgesetz) (gleichlautend mit: 1028 der Beilagen) ist in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschlusse erhoben.

Ich bitte nun diejenigen Abgeordneten, welche dem Gesetze 2 ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das Gesetz über die Ausscheidung, der unter das Gesetz vom 25. Jänner 1914, R. G. Bl. Nr. 15 (Dienstpragmatik), fallenden Telegraphen- und Fernsprechbediensteten aus diesem Gesetze (Entpragmatisierungsgesetz) (gleichlautend mit 1028 der Beilagen) ist in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschlusse erhoben.

Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (995 der Beilagen), womit der Artikel II des Gesetzes vom 15. Mai 1920, St. G. Bl. Nr. 227, abgeändert wird (dritter Nachtrag zum Besoldungsübergangsgesetz (1029 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Abgeordnete Zelenka. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Zelenka: Hohes Haus! Die Vertreter der öffentlichen Angestellten haben in der paritätischen Lohnkommission die Forderung gestellt, dass die gleitende Zulage erhöht werden soll. Wenn, auch die Regierung in ihrem Berichte bemerkt hat, dass die Erhöhung in der angeblichen Verteuerung der Lebensmittel nicht begründet ist, muss man doch zugeben, dass die Löhne und Gehälter der Staatsbeamten und Staatsdiener in einer Höhe gehalten sind, dass sie der zunehmenden Teuerung der täglichen Lebensbedürfnisse des einzelnen nicht angepasst sind und daher die Erhöhung der gleitenden Zulage begründet ist. Der Finanz- und Budgetausschuss hat sich eingehend mit der Vorlage beschäftigt und ihr die Zustimmung erteilt.

Ich bitte das hohe Haus, die Gesetzesvorlage anzunehmen.

Präsident: Es ist niemand zum Worte gemeldet, ich kann daher sofort zur Abstimmung schreiten.

Das Gesetz hat zwei Artikel und ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nunmehr diejenigen Abgeordneten, welche für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Hiemit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Zelenka: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche diesem formellen Antrage ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das hohe Haus hat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Sinne des Berichterstatters beschlossen.

Wir schreiten nunmehr zur dritten Lesung. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Damit ist das Gesetz, womit der Artikel II des Gesetzes vom 15. Mai 1920, St. G. Bl. Nr. 227, abgeändert wird (dritter Nachtrag zum Besoldungsübergangsgesetz) (1029 der Beilagen), endgültig zum Beschluss erhoben.

Hohes Haus! Ich gedenke nun die Sitzung zu unterbrechen und sie um halb 2 Uhr nachmittags wieder aufzunehmen.

Wird eine Einwendung dagegen erhoben. (Nach einer Pause:) Es ist nicht der Fall. Die Sitzung ist unterbrochen und wird um halb 2 Uhr wieder fortgesetzt.

 

(Die Sitzung wird um 12 Uhr 20 Minuten nachmittags unterbrochen. Nach Wiederaufnahme der Sitzung um 2 Uhr 5 Minuten nachmittags:)

Präsident Dr. Dinghofer (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die Sitzung wieder auf. Es kommt zur Behandlung Punkt 10 der Tagesordnung, das ist der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (982 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die begünstigte Versorgungsbehandlung der Hinterbliebenen nach im Dienste verunglückten Staatsangestellten (Unfallhinterbliebenennovelle) (1030 der Beilagen.).

Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Weiskirchner, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Dr. Weiskirchner: In Vertretung des verhinderten Berichterstatters, des Herrn Abgeordneten Zelenka, erlaube ich mir als Obmann des Finanz- und Budgetausschusses, dem hohen Hause zu empfehlen, den Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (982 der Beilagen), betreffend die begünstigte Versorgungsbehandlung der Hinterbliebenen nach im Dienste verunglückten. Staatsangestellten (Unfallhinterbliebenennovelle), einer Beratung und Beschlussfassung zu unterziehen. Es sind nicht allzu viel aber ungemein berücksichtigungswerte Fälle, welche unter dieses Gesetz fallen werden. Insbesondere bei allen jenen, welche Außendienst haben, welche mit Installationen zu tun haben, kommen Unglücksfälle vor und es erscheint als ein Gebot der Gerechtigkeit, dass in Berücksichtigung aller Umstände, die in solchen Fällen geltend gemacht werden, die Versorgungsgenüsse auf 100 Prozent, des zuletzt bezogenen Gehaltes und Ortszuschlages erhöht werden.

Die Abgeordneten Zelenka, Schiegl, Proft und Genossen haben auch noch einen Resolutionsantrag gestellt, „in welchen die Regierung aufgefordert wird, für die nicht unter dieses Gesetz fallenden Bediensteten die entsprechenden Bestimmungen im Verwaltungswege zu treffen".

Ich empfehle Gesetz und Resolution der Annahme des hohen Hauses.

Präsident Dr. Dinghofer: Mit Zustimmung des hohen Hauses werde ich die General- und Spezialdebatte unter einem durch-führen. Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Ein Zusatz-, Abänderungs- oder Gegenantrag liegt nicht vor. Ich werde daher das Gesetz in seiner Gänze zur Abstimmung bringen. Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche dem Gesetz, also den §§ 1 bis einschließlich 5 samt Titel und Eingang, in der Fassung des Ausschusses ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Das Gesetz ist in zweiter Lesung zum Beschluss erhoben.

Berichterstatter Dr. Weiskirchner: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident Dr. Dinghofer: Der Herr Berichterstatter beantragt die sofortige Vornahme der dritten Lesung. Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche der sofortigen Vornahme der dritten Lesung zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit genehmigt. Wünscht jemand dazu das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Ich bitte nunmehr diejenigen Frauen und Herren, welche dem Gesetz auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das Gesetz, betreffend

die begünstigte Versorgungsbehandluug der Hinterbliebenen nach im Dienste verunglückten Staatsangestellten (Unfallhinterbliebenennovelle) (gleichlautend mit 1030 der Beilagen), ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir haben noch über eine Resolution abzustimmen, deren Inhalt bereits durch den Herrn Berichterstatter bekanntgegeben wurde. Ich nehme daher an, dass das hohe Hans sie bereits zur Kenntnis genommen hat.

Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche dieser Resolution ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Die Resolution ist angenommen. Damit ist dieser Gegenstand der Tagesordnung erledigt.

Nächster Punkt der Tagesordnung ist der mündliche Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (998 der Beilagen), betreffend Teuerungszulagen für den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, seinen Stellvertreter und die ständigen Referenten dieses Gerichtshofes (3. Verfassungsgerichtshofnovelle).

Berichterstatter ist der Herr. Abgeordnete Schönsteiner. Ich bitte ihn, die Verhandlung einzuleiten.

Berichterstatter Schönsteiner: Hohes Haus! Namens des Finanz- und Budgetausschusses erbitte ich die Zustimmung des hohen Hauses zu 998 der Beilagen. Diese Vorlage betrifft die Gewährung von Teuerungszulagen für den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, seinen Stellvertreter und die ständigen Referenten dieses Gerichtshofes (3. Verfassungsgerichtshofnovelle).

Nachdem die Teuerung eine allgemeine ist, brauche ich wohl diesem Antrag kein Wort der Begründung anzufügen, sondern kann mich füglich darauf beschränken, das hohe Hans zu bitten, der Regierungsvorlage seine Zustimmung zu erteilen.

Präsident Dr. Dinghofer: Mit Zustimmung der hohen Versammlung werde ich die General- und Spezialdebatte unter einem durchführen. Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich mache aufmerksam, dass das vorliegende Gesetz eine Änderung eines Verfassungsgesetzes darstellt, demnach zur Annahme desselben die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder und eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder notwendig ist. Ich konstatiere die Anwesenheit von mindestens, der Hälfte der Mitglieder und bitte diejenigen Frauen und Herren, welche mit dem Gesetz einverstanden sind, also die §§ 1 und 2 sowie Titel und Eingang, des Gesetzes in der Fassung des Ausschusses annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit angenommen und somit in zweiter Lesung zum Beschluss erhoben.

Berichterstatter Schönsteiner: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident Dr. Dinghofer: Der Herr Berichterstatter beantragt die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche mit der sofortigen Vornahme der dritten Lesung einverstanden sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit genehmigt.

Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche das Gesetz auch in dritter Lesung annehmen wollen, sich von ihren Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist ebenfalls mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Damit ist das Gesetz, betreffend Teuerungszulagen für den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, seinen Stellvertreter und die ständigen Referenten dieses Gerichtshofes (3. Verfassungsgerichtshofnovelle) endgültig zum Beschlusse erhoben.

Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung, das ist der Bericht des Justizausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (984 der Beilagen), betreffend die Rechtsanwalts- und Notarsgehilfen (1024 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Buresch; ich ersuche ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Dr. Buresch: Hohes Haus! Der vorliegende Entwurf bezweckt die Schaffung einer Zwangsorganisation der Rechtsanwalts- und Notarsgehilfen. Diese Organisation ist ein Wunsch dieser Dienstnehmergruppe und es hat infolgedessen der Justizausschuss in Anlehnung an die Regierungsvorlage beschlossen, dem Entwurf mit einigen Abänderungen seine Zustimmung zu erteilen. Die Abänderungen beziehen sich insbesondere auf den § 1, in welchen, abgesehen von den Gehilfen der Rechtsanwälte
und Notare auch die Beamten bei den Berufsvereinigungen und den von
diesen geschaffenen wirtschaftlichen und Wohlfahrtsvereinigungen

einbezogen wurden, da dieselben für eine andere Kategorie von Vereinigungen sonst überhaupt nicht einbezogen werden können. Wir haben im Justizausschuss die Vereinigung auch als Kammer bezeichnet, um dadurch in besonders prägnanter Form das Wesen einer Interessenvertretung zum Ausdruck zu bringen. Dem Wunsche der Gehilfen entsprechend, wurde auch die Altersgrenze der Mitglieder von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt.

Die Berichterstattung beantragt, die Nationalversammlung wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurfe die Zustimmung erteilen und weiters Korrekturen von einigen Druckfehlern, welche sich in die Vorlage eingeschlichen haben. Im § 1, Absatz 2, soll es in der dritten Zeile statt „Kanzleiarbeite" heißen „Kanzleiarbeiten"; und darunter statt „Notariatskandidaten" „Notarskandidaten". Im vierten Punkte des dritten Absatzes desselben Paragraphen soll es statt „Wirtschaft- oder Wohlfahrtseinrichtungen" heißen „Wirtschafts- und Wohlfahrtseinrichtungen". Im § 3, Absatz 1, in der vierten Zeile ist irrtümlich das Wort „Bereinigung" stehen geblieben, es ist dafür das Wort „Kammer" zu setzen; ferner im § 4, Absatz 2, in der dritten Zeile von unten sind die Worte „in einer Rechtsanwalts(Notariats)kanzlei" zu streichen. Der betreffende Beamte kann eben auch in einer anderen Kanzlei, zum Beispiel in der Kammerkanzlei angestellt sein. Im § 9 ist wieder das Wort „Vereinigung" in der dritten Zeile durch das Wort „Kammer" zu ersetzen. Im § 10, Absatz 1, dritte Zeile ist nach dem Worte „Umlagen" einzuschalten: „von den Mitgliedern". Im Absatz 2 des § 10 sind die letzten drei Zeilen: „Auf die Leistung........Anwendung" zu streichen und dafür zu setzen: „Die Vorschriften über die Einbringung der Beiträge zur Krankenversicherung finden entsprechend Anwendung". Im selben Paragraphen, Absatz 2, soll es statt „Rechtsanwalts(Notariats)-Gehilfen" heißen „Notarsgehilfen". Im § 11 ist ebenfalls ein Druckfehler und zwar fehlt im Absatz 2 nach „§ 25" der Beistrich. Im Absatz 3 heißt es „Die Vollversammlungen"; es soll richtig heißen „Vollversammlung". Endlich im § 15, Absatz 2, soll es statt „so hat der Gehilfenausschuss den Ausschuss der Rechtsanwalts(Notariats)kammer" richtig heißen „den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer (Notariatskammer)". Diese Änderungen beantrage ich im Berichte vorzunehmen.

Präsident Dr. Dinghofer: Mit Zustimmung der hohen Versammlung werde ich die General- und Spezialdebatte unter Einem durchführen. Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. So ist die Debatte geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte folgendes zu beachten:

In § 1, Absatz 2, handelt es sich lediglich um Korrekturfehler. Es soll statt „Kanzleiarbeite" heißen „Kanzleiarbeiten" und es ist beim Worte „Ntariatskandidaten" der Buchstabe „o" einzufügen.

Etwas anderes ist es im Punkt 4 desselben Paragraphen. Hier soll an Stelle des Wortes „oder" am Schlusse der dritten Zeile das Wort „und" eingeschoben werden, so dass es dann heißt „für sich oder gemeinsam geschaffenen oder geführten Wirtschafts- und Wohlfahrtseinrichtungen". Wenn von niemandem irgendeine Einwendung erhoben wird, so bringe ich den Paragraphen sofort in der Fassung, die jetzt der Herr Berichterstatter vorgeschlagen hat, zur Abstimmung.

Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche § 1 in dieser richtiggestellten Form annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) § 1 ist angenommen.

In § 2 ist keine Änderung. Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche § 2 annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist angenommen.

In § 3 soll nach dem Antrag des Herrn Berichterstatters an Stelle des Wortes „Vereinigung" das Wort „Kammer" treten. Sonst haben wir keine Änderung.

In § 4, sollen die Worte „in einer Rechtsanwalts(Notariats)kanzlei" gestrichen werden. In den §§ 5, 6, 7, 8 ist keine Änderung.

Im § 9 soll es an Stelle des Wortes „Vereinigung" in der dritten Zeile heißen „Kammer".

Ich nehme an, dass keine Einwendung erhoben wird, deshalb lasse ich über die §§ 2 bis 9 unter einem abstimmen. Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche diesen Paragraphen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Sind in der vom Herrn Berichterstatter richtiggestellten Fassung angenommen.

In § 10, zweiter Absatz, kommt nach dem Antrag des Herrn Berichterstatters eine Einschaltung, und zwar kommen nach dem Worte „Umlagen" die Worte „von den Mitgliedern". Weiters soll es im Absatz 2, Zeile 2, statt „(Notariats)gehilfen" heißen „(Notars)gehilfen" und weiter soll der Schlusssatz „Auf die Leistung und Einbringung der Beiträge finden die Vorschriften über die Beiträge zur Krankenversicherung Anwendung" gestrichen werden und dafür nach dem Antrag des Berichterstatters die Worte gesetzt werden: „Die Vorschriften über die Einbringung der Beiträge zur Krankenversicherung finden entsprechende Anwendung".

Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche § 10 in der vom Herrn Berichterstatter
vorgeschlagenen Fassung annehmen wollen, sich von den

Sitzen zu erheben. (Geschieht.) § 10 ist angenommen.

In § 11 sind kleine Korrekturen.

In Absatz 2, Zeile 5, hat nach der Ziffer 25 der Beistrich wegzufallen und im Absatz 3 hat es zu heißen, die „Vollversammlung" anstatt die „Vollversammlungen".

Zu den §§ 12, 13, 14 liegen keine Abänderungsanträge vor.

Im § 15 soll es im Absatz 2 anstatt „Rcchtsanwalts(Notariats)kammer" heißen „Rechtsanwaltskammer (die Notariatskammer)".

Zum § 16 liegt kein Abänderungsantrag vor.

Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche den Paragraphen 11 bis einschließlich 16 samt Titel und Eingang zustimmen wollen, und zwar in der jetzt richtig gestellten Fassung wie sie vom Berichterstatter vorgeschlagen worden ist, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Auch diese Paragraphen sind angenommen und infolgedessen das Gesetz in zweiter Lesung erledigt.

Berichterstatter Dr. Buresch: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident Dr. Dinghofer: Der Herr Berichterstatter beantragt die sofortige Vornahme der dritten Lesung. Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche mit der sofortigen Vornahme der dritten Lesung einverstanden sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht) Ist mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit genehmigt.

Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, welche das Gesetz auch in dritter Lesung annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das Gesetz, betreffend die Rechtsanwalts- und Notarsgehilfen, ist auch in dritter Lesung angenommen.

Der nächste Punkt der Tagesordnung ist der Bericht des Justizausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (993 der Beilagen), betreffend die Durchführung der Grenzregelung auf Grund des Staatsvertrages von St. Germain. (1027 der Beilagen)

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Clessin. Ich ersuche ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Clessin: Hohes Haus! Die Artikel 29 und folgende des Staatsvertrages von St. Germain treffen die Bestimmungen über die Grenzregelung und die Vorschriften über die Durchführung der Vermarkung. Die Durchführung dieser Maßnahmen obliegt Grenzregulierungsausschüssen, deren Zusammensetzung ebenfalls im Staatsvertrag von St. Germain geregelt ist. Die Entscheidungen, dieser Grenzregulierungskommissionen sind sowohl für den Staat wie auch für die Beteiligten bindend. Es ist nun notwendig, auf dem Gebiet des Zivilrechtes die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit diese Grenzregulierungskommissionen ihre Wirksamkeit beginnen und durchführen können. Zu diesem Zweck hat die Regierung dem hohen Hause eine Vorlage unterbreitet, der zufolge einerseits die Dienstbarkeiten zum Betreten des Grundes sowie zur Vornahme der Verpflockung etc. geschaffen werden sollen. Ferner ist die Bestellung einer Reallast zur Schaffung und Erhaltung eines Grenzstreifens vorgesehen. Die Grenzregulierungskommissionen stehen auf dem Standpunkt, dass beiderseits unserer Staatsgrenze ein Streifen im Ausmaß von einem Meterherzustellen sei. Es handelt sich nun darum, durch dieses Gesetz die beteiligten Grundbesitzer zu verpflichten, dass sie diesen Grundstreifen, allerdings ohne Entgelt, zur Verfügung stellen, damit der Grundstreifen, der von dieser Kommission verlangt wird, auch wirklich gemacht und dauernd erhalten werden könne.

Im § 2 dieses Gesetzes wird die Verwaltungsbehörde ermächtigt, wenn der Betreffende seiner Verpflichtung nicht nachkommt, dies auf seine Kosten zu tun, und im § 3 des Gesetzes werden gewisse Strafbestimmungen getroffen, welche notwendig sind, um den behördlichen Anordnungen den entsprechenden Nachdruck zu sichern.

Der Ausschuss hat lediglich eine mehr weniger stilistische Verbesserung im § 1 vorgenommen, indem dort deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass kein Grundbesitzer verpflichtet werden könne, einen Grundstreifen abzutreten, der mehr als einen Meter breit ist.

Es handelt sich hier um eines jener Gesetze, welche unter dem Zwange des Staatsvertrages von St. Germain beschlossen werden müssen und es bleibt nichts anderes übrig, als dem hohen Hause die Annahme des Antrages des Justizausschusses zu empfehlen, diese Regierungsvorlage mit den vom Ausschusse selbst beschlossenen geringfügigen Änderungen zum Beschlusse zu erheben.

Präsident (welcher während vorstehender Rede den Vorsitz wieder übernommen hat): Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall.

Wir können somit zur Abstimmung schreiten. Das Gesetz hat vier Paragraphen. Ein Gegenantrag ist nicht gestellt. Ich kann wohl alle vier Paragraphen unter Einem zur Abstimmung bringen. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen zustimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte nunmehr diejenigen Abgeordneten, die für den Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Titel und Eingang sind angenommen. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Clessin: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Zu diesem formellen Antrag ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihm zustimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Er ist angenommen.

Wir kommen somit zur dritten Lesung und ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das Gesetz, betreffend die Durchführung der Grenzregelung auf Grund des Staatsvertrages von St. Germain (gleichlautend mit 1027 der Beilagen), ist auch in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschluss erhoben.

Der nächste Gegenstand unserer Tagesordnung ist der Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Vorlage der Staatsregierung (981 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Beitragsleistung des Staates zu dem Aufwande der autonomen Körperschaften für die Bezüge der aktiven und pensionierten Lehrpersonen der öffentlichen Volks- und Bürgerschulen sowie der Witwen und Waisen nach solchen Lehrpersonen für das Jahr 1920 (1026 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Abgeordnete Pauly. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Abgeordneter Pauly: Hohes Haus! Durch die Gesetze vom 25. Jänner, 26. August, 30. Oktober und 29. Juli 1919 wurden den autonomen Körperschaften Beitragsleistungen des Staates zu den Ausgaben für die Besoldung der Lehrpersonen an Volks- und Bürgerschulen bewilligt. Die Gleichstellung der Bezüge der Lehrpersonen mit jenen der Staatsbeamten hat ungeheure Ansprüche an die finanzielle Leistungskraft der einzelnen Länder gestellt und daher war der Staat schon im vorigen Jahre genötigt, hier Beitragsleistungen zuzusprechen. Diese Beitragsleistungen, die sich im vorigen Jahre in der Höhe von 24 Prozent bewegten, sind nun angesichts der ungeheuren Steigerung der Schulausgaben in puncto der Besoldung der Lehrpersonen im heurigen Jahre auf 30 Prozent erhöht worden. Während im vorigen Jahre die Beitragsleistung des Staates zu den Ausgaben für die Besoldung, welche rund 274 Millionen Kronen betrug, von Seiten des Staates mit 66 Millionen angenommen wurde, haben wir heuer im Jahre 1920 mit einer Besoldungshöhe von 840 Millionen Kronen zu rechnen, auf welche ein Zuschuss des Staates von 250 Millionen Kronen erfolgt. Es handelt sich, nachdem diese Bezüge von den einzelnen Ländern und Landesausschüssen an die Lehrpersonen bereits angewiesen sind, hier nur um eine Rückzahlung, durch welche die Länder gewissermaßen wieder saniert werden. In Berücksichtigung aller dieser Umstände stellt der Finanz- und Budgetausschuss den Antrag (liest):

„Die Nationalversammlung wolle den angeschlossenen Gesetzentwurf zum Beschluss erheben."

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Wir schreiten zur Abstimmung.

Ein Gegenantrag liegt nicht vor. Das Gesetz enthält sieben Paragraphen, die ich unter Einem zur Abstimmung bringe. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die ihnen zustimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte diejenigen Frauen und Herren, die für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Pauly: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche diesem formellen Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Er ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir schreiten zur dritten Lesung. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Das Gesetz über die Beitragsleistung des Staates zu dem Aufwand der autonomen Körperschaften für die Bezüge der aktiven und pensionierten Lehrpersonen der öffentlichen Volks- und Bürgerschulen sowie der Witwen und Waisen nach solchen Lehrpersonen für das Jahr 1920 (gleichlautend mit 1026 der Beilagen) ist auch in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschluss erhoben.

Der nächste Gegenstand unserer Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten über die Vorlage der Staatsregierung (996 der Beilagen), betreffend das Gesetz über die Ermächtigung der Regierung zur provisorischen Regelung der Handels- und Verkehrsbeziehungen mit auswärtigen Staaten (1031 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Gimpl. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten (Nach einer Pause:) Da der Herr Abgeordnete Dr. Gimpl, der als Berichterstatter fungieren sollte, verhindert ist, so wird der Obmann des Ausschusses, der Herr Abgeordnete Kollmann, an seiner Stelle die Verhandlungen einleiten.

Berichterstatter Kollmann: Hohes Haus! Im Namen des Ausschusses, für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten habe ich die Ehre, über das Gesetz, betreffend die Ermächtigung der Regierung zur provisorischen Regelung der Handels- und Verkehrsbeziehungen mit auswärtigen Staaten, zu berichten. Die Regierung wünscht eine Ermächtigung, damit sie in der Lage sei, die Handels- und Verkehrsbeziehungen mit auswärtigen Staaten gegen nachträgliche Genehmigung durch das Haus provisorisch abzuschließen. Bei diesem Anlasse hat sich auch herausgestellt, dass die Ordnung der Privatschuldverhältnisse auch auf Grund der Ermächtigung durchgeführt werden könnte, und ich bitte das hohe Haus, um die unveränderte Annahme des vorliegenden Gesetzes.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Wir schreiten daher zur Abstimmung. Das Gesetz hat vier Paragraphen, die ich, da weder Gegenanträge noch Abänderungsanträge gestellt sind, unter Einem zur Abstimmung bringe.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesen vier Paragraphen ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Kollmann: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die diesem formellen Antrage ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Angenommen. Mit der erforderlichen Zweidrittelmajorität angenommen.

Ich schreite zur dritten Lesung und bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Gesetze auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das Gesetz, betreffend die Regelung der Handels- und Verkehrsbeziehungen mit auswärtigen Staaten (gleichlautend mit 1031 der Beilagen), ist auch in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschlusse erhoben.

Es liegt noch eine Resolution vor, welche lautet (liest):

„Die Regierung wird aufgefordert, im Interesse sowohl der Unternehmungen als auch der Arbeiterschaft einen Ausgleich zu schaffen, wodurch die Schuldner so weit entlastet werden, dass sie nur den Friedenskurs ihrer Schulden zu zahlen haben und die Differenz vom Staate aus dem Erträgnis der Besteuerung der Gewinne von Valutagläubigern gedeckt wird, oder dass, wenn das nicht erreichbar wäre, die Schuldner nur einen wirtschaftlich erträglichen Aufschlag auf den Friedenskurs ihrer Schuld zu leisten haben, da sonst jede Konkurrenzfähigkeit gegenüber den hiesigen Firmen, welche keine Vorkriegsschulden haben, unmöglich wäre."

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dieser Resolution zustimmen, sich zu erheben. (Geschieht.) Ist angenommen.

Der nächste Gegenstand unserer Tagesordnung ist der Punkt 16:

Bericht des Ausschusses für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten über die Vorlage der Staatsregierung (907 der Beilagen), betreffend das Gesetz, womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 4. April 1919, St. G. Bl. Nr. 220, über die Errichtung von Einigungsämtern für Streitigkeiten aus bestimmten Lieferungsverträgen abgeändert und ergänzt werden. (1025 der Beilagen)

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Brandl; ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Brandl: Hohes Haus! Der Ausschuss für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten, der sich mit der Regierungsvorlage, womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 4. April 1919,
St. G. Bl. Nr. 220, abgeändert und ergänzt werden sollen, beschäftigt hat, ist grundsätzlich

mit derselben einverstanden und schlägt folgende Änderungen, beziehungsweise Ergänzungen vor:

Im Artikel I sind nach dem Worte „Warenlieferungsverträgen" einzuschalten die Worte: „einschließlich Holzabstockungsverträgen", ebenso im Artikel IV.

Im Artikel IV hat die erste Zeile zu beginnen: „Die bei den Gerichten und Börsenschiedsgerichten ....“

Dem Artikel V wird noch beigefügt (liest): „Die Wirksamkeit des Gesetzes vom 4. April 1919, St. G. Bl. Nr. 220, und der auf Grund des genannten Gesetzes erlassenen Vollzugsanweisung vom 26. Mai 1920, St. G. Bl. Nr. 242, wird bis zum 30. Juni 1921 verlängert."

Im Artikel IV ist ein Druckfehler. Nach dem Worte „Gerichten" hat das Wort „und" zu entfallen. Ferner ist im zweiten Absatz des Artikels V in der ersten Zeile ein Druckfehler unterlaufen, indem das Wort „Gesetzes" verdruckt ist.

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist dies nicht der Fall. Ich schreite daher zur Abstimmung. Ich bemerke, dass im Artikel IV nach dem Worte „Gerichten" ein „und" steht, das weggehört. Es soll also heißen: „Die bei den Gerichten (Börsenschiedsgerichten) bereits anhängig gewordenen Rechtsstreitigkeiten ..." Im Artikel V ist ebenfalls ein Druckfehler. Im Worte „Gesetzes" in der ersten Zeile ist statt des scharfen ß ein tz zu setzen.

Das Gesetz hat sechs Artikel. Ein Gegenantrag ist nicht gestellt, ich kann daher sofort zur Abstimmung schreiten. Ich bitte jene Abgeordneten, welche diesen sechs Artikeln ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Sind angenommen.

Ich bitte jene Abgeordneten, die für Titel und Eingang des Gesetzes sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist angenommen. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen.

Berichterstatter Brandl: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung.

Präsident: Der Herr Berichterstatter beantragt, die dritte Lesung sofort vorzunehmen. Ich bitte jene Abgeordneten, die diesem formellen Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur dritten Lesung. Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist nicht der Fall. Ich bitte jene Mitglieder, die dem Gesetz auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Das Gesetz, womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 4. April 1919, St. G. Bl. Nr. 220, über die Errichtung von Einigungsämtern für Streitigkeiten aus bestimmten Lieferungsverträgen abgeändert und ergänzt werden, ist auch in dritter Lesung angenommen und damit endgültig zum Beschlusse erhoben.

Wir kommen nun zum nächsten Punkt unserer Tagesordnung, das ist der Punkt 17: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Anträge der Abgeordneten Schneidmadl und Genossen, betreffend die Ablösung landwirtschaftlicher Pachtgründe (358 der Beilagen), Stocker und Genossen, betreffend Ablösung langjährig verpachteter Grundstücke (435 der Beilagen), und Haueis und Genossen, betreffend die Enteignung von Pachtgründen (447 der Beilagen) (1021 der Beilagen).

Zur formellen Behandlung hat sich zum Worte gemeldet der Herr Abgeordnete Fink.

Abgeordneter Fink: Ich beantrage, diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen.

Präsident: Der Herr Abgeordnete Fink beantragt, diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen. Gemäß § 33 ist zur Annahme dieses Antrages eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ich schreite zur Abstimmung und bitte jene Abgeordneten, die gemäß dem Antrage Fink diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen wünschen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Antrag Fink ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung, das ist Punkt 18: Bericht des Ausschusses für Erziehung und Unterricht über die Anträge Th. Schlesinger, betreffend die Zulassung weiblicher Schüler zu den Unterrichtsanstalten aller Kategorien (211 der Beilagen) und Dr. Angerer, Pauly, betreffend die Errichtung und Ausgestaltung der Mädchenmittelschulen (309 der Beilagen) (699 der Beilagen).

Zu einem formellen Antrag hat sich gemeldet der Herr Abgeordnete Kunschak. Ich erteile ihm das Wort. (Nach einer Pause:) Der Abgeordnete Kunschak ist im Saale nicht anwesend. Er verliert das Wort.

Abgeordneter Pauly: Ich bitte um das Wort zu einem formellen Antrag.

Präsident: Zu einem formellen Antrag hat sich noch der Herr Abgeordnete Pauly gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Abgeordneter Pauly: In formeller Hinsicht beantrage ich die Absetzung dieses Gegenstandes von der Tagesordnung auf Grund einer Besprechung und eines Übereinkommens der drei Parteien des Unterrichtsausschusses.

Präsident: Bezieht sich dies nur auf Punkt 18?

Abgeordneter Pauly: Das bezieht sich nur auf Punkt 18.

Präsident: Es ist der Antrag gestellt, diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen. Nach § 33 der Geschäftsordnung bedarf es hiezu einer Zweidrittelmehrheit.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die diesem Antrage zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Der Antrag ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen und damit der Gegenstand von der Tagesordnung abgesetzt.

Der nächste Punkt der Tagesordnung ist Punkt 19: Bericht des Ausschusses für Erziehung und Unterricht über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Burjan und Genossen (196 der Beilagen), betreffend Schaffung weiblicher Referentenstellen im Staatsamt für Inneres und Unterricht (687 der Beilagen). Berichterstatterin ist die Frau Abgeordnete Dr. Burjan. Ich erteile ihr das Wort. (Nach einer Pause:) Frau Dr. Burjan ist gleichfalls im Saale nicht anwesend. Ist vielleicht der Herr Obmann des Unterrichtsausschusses da? (Abgeordnete Dr. Burjan erscheint im Saale.) Die Berichterstatterin ist indessen erschienen. Ich erteile ihr das Wort und bitte sie, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatterin Dr. Burjan: Hohes Haus! Ich bedaure außerordentlich, dass eine so wichtige Frage, wie die der Mädchenschulbildung in unserer Legislaturperiode zu gar keinem Abschluss gelangt ist. Es wird ihnen erinnerlich sein, dass wir in einer der letzten Sitzungen, ehe die Ferien begonnen haben, über die Frage der Mädchenschulbildung ausführlich gesprochen haben. Es wurde damals darauf hingewiesen, dass in ganz Österreich keine einzige staatliche Mädchenmittelschule besteht, dass der alte Staat für die Mädchenschulbildung jährlich nur 500.000 K verausgabte, während er für die gleichen Zwecke der Knabenschulbildung mehr als 41 Millionen bereitstellte. Das Verhältnis der staatlichen Fürsorge für die Mädchenschulbildung zur Knabenschulbildung verhielt sich also wie 1 : 83.

Hohes Haus! Über den alten Staat haben wir uns sehr entrüstet. Wir haben aber angenommen, dass der neue Staat und der jetzige Leiter des Unterrichtsamtes der Frage der Mädchenschulbildung viel mehr seine Aufmerksamkeit zuwenden werde als es bisher geschehen ist. Wenn man allerdings auch immer betont, dass dafür keine finanziellen Mittel vorhanden sind, müssen wir doch sagen, dass in allen anderen Fragen, auf allen anderen Gebieten bei energischem Vorgehen es doch immer möglich gewesen ist, die entsprechenden Mittel von Seiten des Finanzamtes zu erreichen. Ich habe mich in den letzten Wochen bei meinen vielfachen Vorsprachen im Unterrichtsamt auch wirklich überzeugt, dass dort an gewissen Stellen das richtige Interesse und das volle Verständnis für die Notwendigkeit der Mädchenbildung und ganz besonders der Reform der Mädchenmittelschule nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Ich zweifle gar nicht an dem guten Willen des Herrn Unterstaatssekretärs Glöckel. Aber es ist nun einmal ganz begreiflich, dass ein Staatsamt, in dem nur Herren beschäftigt sind, für die Frage der Mädchenschulbildung doch nicht das volle Verständnis aufbringt. Ich möchte deshalb heute den Antrag, den ich vor mehr als einem Jahre gestellt habe, dass nämlich auch im Staatsamt für Erziehung und Unterricht Referentinnenstellen geschaffen werden, mehr denn je vertreten. Dieser Antrag ist im Unterrichtsausschusse behandelt worden und man hat damals darauf aufmerksam gemacht, dass es doch nicht angehe, in einer Zeit, wo man alles daran setzt, den Beamtenstand zu vermindern, eine neue Kategorie von Beamtinnen zu schaffen. Ich möchte demgegenüber noch sagen, dass es gar nicht nötig wäre, Neusystemisierungen zu schaffen. Es besteht die Möglichkeit, zwei Stellen, die für höhere Rangklassen systemisiert und augenblicklich frei sind, mit einem bedeutenden Ersparnis in solche einer niederen Rangklasse umzuwandeln.

Man hat noch darauf aufmerksam gemacht, dass man in unserer Zeit möglichst sparen muss und dass es aus diesem Grunde nicht möglich ist, Geld dafür auszugeben.

Hohes Haus! Ich glaube, dass das doch in gar keiner Weise als Grund gelten kann. Wir wissen, es werden Millionen und Millionen für alles Mögliche ausgegeben. Da wird es doch ganz gewiss nicht auf die paar tausend Kronen ankommen, die die Schaffung der zwei Referentinnenstellen benötigen würde.

Es ist auch auf die Schulreformabteilung aufmerksam gemacht worden. Man hat gesagt, dass die Frauen dort ohnehin die Möglichkeit haben, mitzuarbeiten. Gewiss, das ist wahr. Aber die Schulreformabteilung ist etwas Vorübergehendes, sie ist ja mehr etwas, wo Anregungen gegeben werden sollen, während festangestellte Beamtinnen im Staatsamt die Interessen der gesamten Mädchenbildung ständig zu vertreten hätten.

Wir haben uns gegenüber dem ersten Antrage zu einer kleinen Änderung entschlossen. Im ersten Antrage hat es geheißen, dass wir zwei Referentinnenstellen in der VIII. Rangklasse fordern. Im heutigen Antrage, den der Ausschuss für Erziehung und Unterricht stellt, haben wir die VIII. Rangklasse fallen lassen, weil wir dem Staatsamt in dieser Beziehung nicht vorgreifen wollen.

Hohes Haus! Wir wissen, dass in Deutschland bereits in mehreren Ministerien Frauen als vortragende Räte angestellt sind. Ich möchte Sie alle vom Herzen bitten, den österreichischen Frauen das ganz gleiche Verständnis und die gleichen Kenntnisse zuzutrauen, wie den deutschen Frauen, und ich bitte Sie daher, dem Antrage des Erziehungs- und Unterrichtsausschusses zuzustimmen, der folgenden Wortlaut hat (liest):

„Die Regierung wird aufgefordert, ehestens zwei Referentinnenstellen im Staatsamte für Inneres und Unterricht für das weibliche Bildungswesen zu schaffen und die Mittel hiefür verfassungsmäßig sicherzustellen." (Großer Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte hat sich die Abgeordnete Frau Schlesinger gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Abgeordnete Schlesinger: Hohes Haus! Ich möchte anschließend an die Ausführungen der Frau Berichterstatterin darauf hinweisen, dass wir eine Verfassung beschlossen haben, in der es heißt: „Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetze gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechts, des Standes, der Klasse, des Bekenntnisses sind ausgeschlossen." Das beinhaltet, dass, wenn diese Verfassung in Kraft getreten ist, es schlechterdings nicht mehr möglich sein wird, einer Frau, weil sie Frau ist, irgendeinen Beruf, irgendein Amt, irgendeine Stellung in unserem Lande zu verweigern. Diese Gesetzesbestimmung bleibt aber ganz auf dem Papier, solange den Frauen nicht die Möglichkeit gegeben ist, sich auch die Qualifikation für die verschiedenen Berufe und Ämter zu erwerben. Heute steht es — zwar nicht gesetzlich, aber in der Praxis — so, dass die Frauen sich für alle höheren Berufe die erforderlichen Kenntnisse nicht erwerben können, wenn es ihnen nicht irgendwie auf privatem Wege möglich gemacht wird.

Der Staat schließt die Frau einfach von der Mittelschulbildung aus. Er erhält nicht eine einzige Mittelschule für Mädchen und wir sehen nebenbei noch, dass unter dem Drucke der furchtbaren Teuerungsverhältnisse die privaten Mittelschulen eine nach der anderen schließen müssen. Es wird also, statt dass es besser wird als im alten Regime, statt dass endlich der Staat seine Pflicht gegen seine Bürgerinnen erfüllt, künftighin noch schlechter sein, weil wir nicht einmal die Aushilfe für die privaten Mittelschulen haben.

Ich bitte Sie darum, den sozialdemokratischen Antrag anzunehmen, der dahin geht, dass sämtliche Lehranstalten den Frauen unter den gleichen Bedingungen, wie den männlichen Schülern eröffnet werden. Ich bitte auch den weiteren Antrag anzunehmen, dass an allen Anstalten, an denen Schülerinnen sind, auch weibliche Lehrkräfte beschäftigt werden. (Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Wünscht jemand das Wort? (Niemand meldet sich.) Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen. Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? (Berichterstatterin Dr. Burjan: Nein!) Die Frau Berichterstatterin verzichtet auf das Schlusswort.

Die Resolution lautet (liest):

„Die Regierung wird aufgefordert, ehestens zwei Referentinnenstellen im Staatsamt für Inneres und Unterricht für das weibliche Bildungswesen zu schaffen und die Mittel hiefür verfassungsmäßig sicherzustellen."

Ich bitte jene Abgeordneten, die dieser Resolution ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.) Die Resolution ist angenommen und wird der Regierung zur Würdigung abgetreten.

Hohes Haus! Der Finanz- und Budgetausschuss hat sich in seinen letzten Sitzungen wiederholt mit Anträgen, betreffend Notstandsangelegenheiten, befasst. Es sind auch noch in der gestrigen Sitzung solche Anträge überreicht worden, die, da sie nicht in Druck gelegt worden sind, auch noch nicht zugewiesen wurden. Bezüglich der Notstandsanträge ist seinerzeit, gemäß einer Vereinbarung im Hauptausschusse vom Hause zur Kenntnis genommen worden, dass sie, ohne eine spezielle Behandlung im Hause zu finden, der Regierung zur Würdigung abgetreten werden. Da sich nun der Finanzausschuss mit diesen letzteingebrachten
Anträgen nicht mehr beschäftigen könnte, würde ihre Behandlung auf die
nächste Nationalversammlung verschoben werden. Das würde sich nicht zweck-

mäßig erweisen und ich rege daher an, dass wir auch diese letzteingebrachten Anträge — es handelt sich um die Anträge 956, 957, 958, 967, 975, 976, 1004 bis 1014 und 1034 der Beilagen — gemäß dem üblichen Verfahren der Regierung zur Würdigung abtreten.

Wird gegen diesen Vorgang eine Einwendung erhoben? (Niemand meldet sich.) Es ist dies nicht der Fall. Ich werde daher in diesem Sinne vorgehen.

Der nächste Gegenstand unserer Tagesordnung ist der Bericht des Verfassungsausschusses über das Begehren des Bezirksgerichtes Josefstadt auf Auslieferung des Abgeordneten Ferdinand Skaret (1032 der Beilagen).

Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Ramek. Ich bitte ihn, die Verhandlungen einzuleiten.

Berichterstatter Dr. Ramek: Der Abgeordnete Dr. Mataja hat gegen den Abgeordneten Ferdinand Skaret beim Bezirksgericht Josefstadt eine Privatanklage wegen Übertretung der Ehrenbeleidigung eingebracht. Gegenstand dieser Anklage ist eine Äußerung des Herrn Abgeordneten Ferdinand Skaret, die derselbe in der öffentlichen Sitzung des Wiener Gemeinderates vom 24. September d. J. getan hat. Sie lautet nach Inhalt dieser Anklage folgendermaßen (liest):

„Nicht Sie sind es, aber Seipel, Funder, Mataja, Weiskirchner. Kunschak, die diesen Verrat an Österreich begehen. Sie wissen davon, sie kennen den Inhalt dieser Dokumente und darum steht es ihnen schlecht an, sie ableugnen zu wollen."

Das Bezirksgericht Josefstadt hat mit Beschluss vom 28. September an die Nationalversammlung das Ansuchen um Auslieferung des Herrn Abgeordneten Ferdinand Skaret gestellt. Die Mehrheit des Verfassungsausschusses hat dieses Ansuchen für begründet gehalten und beschlossen, der Nationalversammlung den Antrag auf Auslieferung vorzulegen und ich erlaube mir, namens der Mehrheit des Verfassungsausschusses den Antrag zu stellen (liest):

„Die Nationalversammlung wolle über Begehren des Bezirksgerichtes Josefstadt in Strafsachen vom 28. September 1920, G. Z. U. 1449/20/I, die Auslieferung des Abgeordneten Ferdinand Skaret beschließen."

Präsident: Zum Worte gemeldet ist der Abgeordnete Dr. Adler; ich erteile ihm das Wort.

Abgeordneter Dr. Adler: Hohes Haus! Die Angelegenheit, die wir gegenwärtig zu behandeln haben, ist in mannigfacher Art sonderbar und auch bedeutsam. Sie ist sonderbar deshalb, weil es den Traditionen dieses Hauses widerspricht, dass Worte, die in politischer Erregung gefallen sind, Worte, die aus rein politischen Motiven hervorgehen, zum Gegenstand einer Strafuntersuchung zwischen den Mitgliedern dieses Hauses gemacht werden. Beide, der Kläger und der Geklagte, sind Mitglieder dieses Hauses und es wird niemand leugnen können, dass es sich um eine rein politische Angelegenheit handle. Trotzdem hat es der Abgeordnete Dr. Mataja für zweckmäßig gehalten, gegen den Abgeordneten Skaret wegen der Äußerung im Gemeinderate diese Strafanzeige zu erstatten. Wir sind nun in der Lage, meine Herren, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Der Herr Abgeordnete Mataja hat diese Klage erhoben, und zwar, was wesentlich ist, allein erhoben. Der Herr Abgeordnete Skaret hat außerdem Herrn Abgeordneten Mataja noch vier andere Herren der christlichsozialen Partei, auch Herren, die diesem Hause angehören, wie den Abgeordneten Seipel, ausdrücklich genannt und diese Herren, haben nicht geklagt. Es ist also dieser Prozess, der da geführt wird, schon dadurch charakterisiert, dass er von den anderen Herren nicht und nur vom Abgeordneten Mataja allein geführt wird.

Ich habe die Absicht, da es sich im Zusammenhang mit dieser Frage um sehr schwerwiegende Dinge handelt, sie aus einem rein sachlichen Boden hier zu behandeln. Die Herren werden aber verstehen, dass, da es sich um eine politische Frage handelt, wir Sozialdemokraten — und das schicke ich voraus, bevor ich auf die eigentliche Sache eingehe — prinzipiell auf dem Standpunkt stehen, dass in derartigen politischen Prozessen keine Auslieferung erfolgen kann. Aber, meine Herren — und wir haben das gestern im Verfassungsausschuss auch gesagt —, die Herren mögen beschließen, was sie wollen, wir haben uns daran nicht beteiligt, um nicht in den Erregungen dieses Wahlkampfes Gelegenheit für gewisse Entstellungen zu geben, die aus einem anderen Votum hätten entspringen können. Ich möchte die Herren aber daran erinnern, dass von demselben Herrn Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Dr. Ramek, unter Beilage 227 ein Antrag auf Auslieferung des Herrn Abgeordneten Stöckler mit genau einer gleichen Beleidigung, die der Herr Abgeordnete Stöckler in einer Versammlung getan hat, deshalb abgewiesen worden ist, weil auch der Verdacht einer Verfolgung aus politischen Motiven bestand. Obwohl es sich damals nur um eine ganz gewöhnliche Ehrenbeleidigung gehandelt hat, indem der Herr Abgeordnete Stöckler in einer Wählerversammlung jemand einen gemeinen Lügner genannt hat, die also mit der Politik nicht in so enger Fühlung stand, hat damals derselbe Herr Referent den Antrag begründet, dass die Verfolgung des Herrn

Abgeordneten Stöckler nicht zu erteilen sei. Ich brauche auf die ganze Praxis, auf die ganzen Traditionen in dieser Frage ja in keiner Weise im Einzelnen einzugehen, sie sind allen Herren bekannt, es ist aus politischen Motiven nie ausgeliefert worden.

Nun, meine Herren, haben wir uns gestern im Verfassungsausschusse auf den Standpunkt gestellt, dass selbstverständlich von Seiten der Sozialdemokraten in der fraglichen Angelegenheit ein gerichtliches Verfahren in keiner Weise gescheut wird und ich kann Ihnen mitteilen, dass der Herr Abgeordnete Skaret in unserem Klub, bevor die Sache in den Verfassungsausschuss kam, und heute wiederum für seine Person immer dafür war, dass diese Auslieferung erfolge, weil er für seine Person seiner Sache auch ganz sicher ist, wie die Dinge stehen, worauf ich noch zu sprechen kommen werde. Ich möchte aber die Herren aufmerksam machen, und das ist für die Beurteilung.... (Abgeordneter Dr. Mataja: Sie wiederholen das, das ist stark, das ist bequem, Herr Dr. Adler!) Ich möchte den Herrn Abgeordneten Dr. Mataja bitten, sich jetzt noch nicht aufzuregen, es wird Gelegenheit kommen, wo man aufgeregt sein kann. (Abgeordneter Dr. Mataja: Ich werde Ihnen nichts schuldig bleiben, Verehrtester! Auf mich können Sie sich verlassen! - Zwischenrufe.)

Präsident: Ich bitte, die Verhandlungen nicht zu stören. Der Gegenstand bietet leider genug Anlass zu Aufregungen. Umso notwendiger ist es, dass wir die Ruhe bewahren. Ich bitte, jeden Redner seine Rede ausführen zu lassen und sich eventuell zum Worte zu melden.

Abgeordneter Dr. Adler: Meine Herren! Ich habe gesagt, dass der Herr Abgeordnete Skaret seine Auslieferung wünscht. Ich möchte aber konstatieren, dass überhaupt diese Frage, die vom Abgeordneten Dr. Mataja da angeschnitten worden ist, gelegentlich einer ganz gelegentlichen Äußerung des Abgeordneten Skaret im Gemeinderate, dass die Form, in der der Abgeordnete Dr. Mataja die Klage erhoben hat, geeignet sein soll und die Ansicht deutlich erkennen lässt, das eigentliche Hauptproblem, um das es sich da gehandelt hat, auf ein Nebengeleise zu verschieben. Wir Sozialdemokraten haben in dieser Sache, um die es sich da handelt, so offen gehandelt, wie es vielleicht in der politischen Geschichte überhaupt noch niemals vorgekommen ist. Es hat der Herr Abgeordnete Austerlitz eine Erklärung abgegeben, in der er den Mann, der wirklich in erster Linie beschuldigt ist, den Presseleiter Reich der ungarischen Gesandtschaft auffordert, zu klagen, und der Herr Abgeordnete Austerlitz hat dabei aufmerksam gemacht, dass, da das Haus jetzt auseinandergehen wird und vielleicht keine Gelegenheit mehr sein würde, dass seine Auslieferung beschlossen wird, er in dem Momente, wo die Klage durch den Presseleiter Reich eingebracht wird, bereit ist, sein Mandat sofort niederzulegen. (Hört! Hört!) Mehr kann man nicht tun, um die Klage zu ermöglichen. Herr Austerlitz ist aber noch weiter gegangen, indem er gesagt hat, er könne es verstehen, dass es dem Herrn Presseleiter Reich als einem Ungarn vielleicht unbequem sein könnte, vor Wiener Geschwornen zu erscheinen und dass ihm das eine Komplikation bei der Klage bedeuten könnte. Es hat sich der Herr Abgeordnete Austerlitz deshalb in seiner öffentlichen Erklärung bereit erklärt, die sämtlichen Artikel — ob sie nun von ihm oder von anderen sind —, die die „Arbeiter-Zeitung" gebracht hat, vor jedem Forum, welches der Herr Presseleiter Reich wünscht, neuerlich zu verlesen, so dass dem Herrn Presseleiter Reich die Gelegenheit geboten ist, vor dem Einzelrichter zu klagen.

Ich glaube, meine Herren, größeres Entgegenkommen gegenüber Klagen kann man überhaupt nicht zeigen, als es der Chefredakteur der „Arbeiter-Zeitung" in diesem Falle bewiesen hat. Wir brauchten uns deshalb, meine Herren, getrost mit der ganzen Reklameklage des Herrn Mataja nicht abzugeben und könnten uns ganz getrost darauf stützen, was der Herr Austerlitz hier ausgeführt hat und brauchten uns gar nicht auf die Sache einzulassen, wenn nicht, meine Herren — und das ist das Entscheidende — die Äußerung des Herrn Abgeordneten Skaret eben aus einer tieferen Kenntnis der Tatsachen hervorgegangen wäre, als sie den Herren bisher bekannt ist.

Und da, meine Herren, muss ich nun, um unser Verhalten zu rechtfertigen, in der Sache schon sagen: Wir haben mit größter Selbstüberwindung bisher über die Dinge geschwiegen, weil wir wussten, dass, wenn wir das Ganze einmal sagen, an ein gedeihliches Arbeiten in diesem Hause nicht mehr zu denken ist. Wir haben geschwiegen und ich sage: wir hätten auch diese Schlusssitzung — denn es wird wahrscheinlich die Schlusssitzung der Konstituierenden Nationalversammlung sein — vorübergehen lassen und hätten nicht dieses Schauspiel geboten, dass nun am Ende diese Debatte stattfinden muss, wenn nicht der Herr Abgeordnete Mataja das Bedürfnis gehabt hätte, uns in der Art zu provozieren, dass wir nicht mehr anders können, als hier im Hause nun von diesen Dingen zu reden. Und da stehen nun, meine Herren, die Dinge so — ich will Ihnen einfach, nüchtern, ruhig, an der Hand der Akten die Dinge darlegen —, da stehen die Dinge so, dass es sich nicht mehr darum handelt, dass es
Zeitungen betrifft, die Sie abschütteln können, von denen Sie sagen können: Dafür ist die Partei

nicht verantwortlich, die wisse nichts davon usw., sondern da handelt es sich in allen Akten, die diese ungarische Gesandtschaft hatte, um Mitglieder dieses Hauses, meine Herren, und es handelt sich, wie Sie sehen werden, um Mitteilungen aus vertraulichen Sitzungen des Hauptausschusses und des Ausschusses für Äußeres an die ungarische Gesandtschaft. (Hört! Hört!)

Die Herren werden nun begreifen, dass der Abgeordnete Skaret, dem die Akten bekannt gewesen sind, im Gemeinderat schon in eine gewisse Erregung kommen konnte und vorzeitig, weil eben der Öffentlichkeit diese Details nicht bekannt waren, dazu gebracht werden konnte, Namen zu nennen, unter denen auch der Name des Abgeordneten Mataja ist.

Und nun, meine Herren, will ich Ihnen von diesen Akten — Sie sehen, es ist ein ziemliches Bündel —, die ich ja nicht alle momentan vorlesen kann, die aber publiziert und den Herren zur Verfügung gestellt werden sollen, doch mitteilen, wie die Dinge sich für den Abgeordneten Skaret dargestellt haben. Das sind lauter Akten, die abwechselnd die Aufschrift tragen: „Vertrauliche Information", „Vertraulicher Bericht" und die immer wieder etwa in folgender Weise beginnen — ich nehme ein beliebiges Stück, das vom 9. März heraus — (liest): „Mein christlichsozialer Vertrauensmann informierte mich heute über die Fragen der innern und äußern Politik in folgendem." Am 12. April (liest): „Aus eingeweihten christlichsozialen Kreisen erhielt ich in Bezug auf die aktuellen Fragen der Politik verlässliche Informationen". — „Unser christlichsozialer Vertrauensmann berichtete uns gestern ausführlich über die Lage. Die wichtigeren Punkte sind die folgenden." Das Ganze wird immer vom Herrn Presseleiter Reich nach Ungarn als Bericht entsendet. (Liest:) „Soeben wird mir aus dem Parteiklub der Christlichsozialen berichtet" — und damit Sie sehen in welcher Form das dann gleich weitergeht, will ich auch das folgende gleich verlesen —, „dass nach einer vertraulichen Äußerung des Staatssekretärs für Justiz, Dr. Ramek, das Material des Auslieferungsverlangens keineswegs ausreicht, um Béla Kun an Ungarn auszuliefern. Jedoch ist es nicht ausgeschlossen, dass es zur Auslieferung des einen oder des anderen seiner Kollegen kommt. Demzufolge ist es wahrscheinlich, dass Béla Kun in zwei bis drei Wochen auf freien Fuß gesetzt wird. Zweitens: Zerdik teilte den Christlichsozialen mit, dass Nitti den Staatskanzler aufgefordert hat ..." usw. und nun kommt ein ganzer Bericht, den der Zerdik über die Romreise erstattet hat.

In dieser Form sind diese Akten verfasst, die alle von einem christlichsozialen Vertrauensmann herstammen. (Abgeordneter Kunschak: Wer ist der?) Wir werden noch Näheres von ihm aus den Akten hören.

Und nun, meine Herren, habe ich Ihnen vor allem einmal zu zeigen, dass die Namen, die der Herr Abgeordnete Skaret genannt hat, nicht mutwillig genannt worden sind, sondern in den Berichten vorkommen. Da ist ein Bericht der ungarischen Gesandtschaft, wieder des Herrn Reich, nach Budapest, der folgenden Inhalt hat — ich will, damit die Herren nicht sagen, ich reiße hier aus dem Zusammenhange heraus, diesen Bericht im Wortlaute vorlesen — (liest):

„Exzellenz! In diesem Momente besuchte mich mein christlichsozialer vertraulicher Informator, Regierungsrat Karl Seelig und teilte mir folgendes mit."

Sie sehen, meine Herren, es handelt sich nicht um eine beliebige Person, sondern es handelt sich um einen Herrn, der die Parteikorrespondenz der Christlichsozialen leitet, die „Korrespondenz Austria", und der, wie Sie sehen werden, mit den Herren recht innige Fühlung hat (liest):

„Sämtliche christlichsozialen Mitglieder der österreichischen Regierung, sämtliche leitenden Mitglieder der christlichsozialen Vereinigung, alle christlichsozialen Abgeordneten, mit denen mein vertraulicher Informator seit gestern abends gesprochen hat, hegen einstimmig die Meinung, dass sich die ungarische Regierung unbedingt für die Unterschrift des Friedensvertrages entscheiden soll; denn im entgegengesetzten Falle warten die Tschecho-Slowaken, Jugoslawen und Rumänen nur auf das Zeichen, um gegen Ungarn eine militärische Aktion einzuleiten. Besonders eindringlich sprachen darüber Seine Exzellenz Seipel, die Staatssekretäre Dr. Mayr und Miklas, wie auch die Abgeordneten Dr. Mataja und Dr. Gimpl, die Eure Exzellenz die Vollmacht erteilen, bei einem eventuell zu erstattenden Bericht sich auf sie namentlich zu berufen. (Gelächter.) Reich, Ministerialrat."

Meine Herren! Es wird Ihnen vielleicht noch das Lachen vergehen. Es muss schon ein etwas intimerer Verkehr zwischen den Mitgliedern der christlichsozialen Vereinigung stattgefunden haben, auf dem Wege durch den Herrn Regierungsrat Seelig, Ihren Parteigenossen, wenn es in einem der Berichte zum Schlusse heißt: „Dr. Mayr wollte Exzellenz Gratz nur einen Höflichkeitsbesuch abstatten, es sollte ein Akt der gesellschaftlichen Courtoisie ohne politische Bedeutung sein, wenn natürlich auch eine unverbindliche politische Aussprache zwischen
beiden Herren erfolgt wäre. Er bittet um gelegentliche Verständigung durch mich, wenn Exzellenz
Gratz wieder in Wien sein wird. Übrigens nächster Tage mündlich." Ich bitte, meine

Herren — wir kommen schon auf die entscheidenden Punkte —, es ist der Verkehr zwischen der ungarischen Gesandtschaft und Mitgliedern, und zwar sehr führenden Mitgliedern Ihrer Partei, wie es der Herr Leiter der derzeitigen Regierung ist, durch diese Tatsache festgestellt. Es liegen auch die Photographien für diese Akten natürlich da, falls die Herren es für nötig finden.

Und nun komme ich zu den Mitteilungen, die allerdings das Bewusstsein in uns erregen mussten und die Erregung des Herrn Abgeordneten Skaret erklären, wenn vertrauliche Informationen aus Ausschüssen hinausgehen, von denen niemand etwas wissen konnte, als die Herren, die in den Ausschüssen tätig sind. Es sind hier, meine Herren, Dokumente, in denen über Dinge gesprochen wird, von denen mit Ausnahme der sieben Mitglieder des Ausschusses für Auswärtiges in diesem Hause überhaupt niemand etwas weiß, die gar niemandem sonst bekannt sind, außer diesen wenigen Mitgliedern, und da ich Mitglied dieses Ausschusses bin, bin ich in der Lage, zu konstatieren, dass allerdings alles, was in den Berichten wiedergegeben ist, auch wirklich den Verhandlungen dieses Ausschusses entspricht. Da ist, meine Herren, ein Bericht über den Hauptausschuss, in dem heißt es: Vertrauliche Information — es sind da die ganzen Eignen der ungarischen Gesandtschaft wieder darauf, die ich nicht im Einzelnen mitzuteilen brauche — vom 29. Juli (liest): „Wie ich letzthin berichtete, wollten wir im Hauptausschusse eine Missbilligungskundgebung der Regierung und der Nationalversammlung gegen den Boykott durchdrücken. Nach mehrstündiger Debatte Misslang der Versuch, da die sozialdemokratischen Mitglieder drohten, aus dem Kabinett auszutreten, was wir zur gegebenen Zeit nicht riskieren konnten.

„Wir beschlossen daraufhin, den Kampf innerhalb der Regierung und außerhalb derselben auf eigene Faust und mit eigenen Mitteln zu führen. Staatssekretär für Handel Heinl unternahm einen maskierten Schritt, indem er unter Hinweis auf die Einstellung der Kohlenlieferungen in Neufeld die Industrie zu schärferer Sparsamkeit mit Kohlen aufforderte" — die Herren, die im Hauptausschusse sind, erinnern sich an diesen maskierten Schritt — „die gewollte Wirkung stellte sich alsbald ein. Der Konflikt ist nach dieser Richtung hin ebenso aufgerollt, wie punkto der 600 Waggons Deutschland-Kohle, die in Straßhof wegen des Boykotts aufgehalten sind. Bei seiner Abreise nach Amsterdam hat übrigens der Boykottleiter, Abgeordneter Forstner, erklärt, dass er in Amsterdam, wo er gestern eingetroffen ist, gewisse Vorstellungen erhob, um Erleichterungen, natürlich für die Beschickung des Wiener Marktes, zu erreichen. Die Beschlagnahme für Deutschland bestimmten Obstes wurde, wie wir von der hiesigen deutschen Botschaft erfuhren, in Berlin nicht weniger übel vermerkt, wie die Mogelei des Dr. Renner bei dem Versuche, den Béla Kun durchzuschmuggeln. Einen noch ärgeren Stoß erlitt jedoch Dr. Renner durch die allerdings noch nicht offiziell, sondern vorläufig nur vertraulich erhobenen Vorstellungen der Entente, insbesondere seitens der hiesigen französischen Gesandtschaft wegen des Vertragsabschlusses Dr. Renners mit der Moskauer Sowjetregierung. Wir erhielten zuverlässige Mitteilungen, dass die Entente einen Krankenurlaub Dr. Renners herbeizuführen suchte vor etwa vier oder fünf Tagen, von dem er nicht mehr auf seinen Posten zurückkehren würde.

Zweitens: Heute steht die Situation so, dass sich Renner weigert, einen Urlaub anzutreten, ein Zwang jedoch anderseits nur durch die Nationalversammlung oder wenigstens durch den Hauptausschuss ausgeübt werden könnte. Nun verweigert auch Präsident Seitz die Einberufung des Hauptausschusses und die Ausübung irgendwelchen Druckes auf Dr. Renner. Anderseits flaut der Druck der Entente ab, was erklärlich ist, nachdem sie in London selbst Verträge mit Moskau abschließen dürfte. Frankreich wird anscheinend erreichen, dass eventuell Truppen-, Waffen- und dergleichen Durchgänge entsprechend dem St. Germainer Vertrag durch Österreich stattfinden können, obwohl Dr. Renner den Moskauern die strengste Neutralität und Verhinderung solcher Durchzüge zugesagt hat. Sie verzichtet also vorläufig auf den persönlichen Erfolg, wenn sie nur sachlich den Vertrag mit Sowjetrussland unschädlich machen kann. Wir versichern, dass wir nach den Neuwahlen auf die Neubesetzung des Portefeuilles durch einen Beamten dringen werden. Es ist also noch bis Ende Oktober mit Renner als Außenminister zu rechnen. Die gegenteiligen Bemühungen der letzten Tage sind nicht durchgedrungen. Immerhin haben sie seine Position sehr erschüttert und bis zur Einflusslosigkeit geschwächt. Letzteres gewinnt dadurch an Bedeutung, dass das Proporzkabinett fast ausschließlich durch Glöckel, Deutsch und Renner beherrscht wurde."

Und jetzt kommt die Stelle, die ich Ihnen schon mitgeteilt habe, wegen des Besuches Dr. Mayrs bei Herrn Gratz. Sie sehen, meine Herren, das ist einer der ausführlichen Berichte — die anderen sind noch viel umfangreicher —, die die äußeren Dinge betreffen, die doch klar erkennen lassen, dass der christlichsoziale Vertrauensmann, der Regierungsrat, sich die Informationen, um die es. sich da gehandelt hat, nicht aus den Fingern gesogen hat, sondern dass der Herr mit Parteimännern der christlichsozialen Partei in Fühlung sein muss,
von ihnen Informationen über das, was in vertraulichen Sitzungen gesagt worden ist,
erhalten und diese an die ungarische Gesandtschaft weitergegeben

hat. Aber, meine Herren, damit ist die spezielle Frage des Herrn Abgeordneten Mataja noch nicht erschöpft, sondern wir erhalten mit einer Mitteilung vom 16. Jänner einen vertraulichen Bericht, von dem ich nun den Abschnitt mitteilen will, der vom Abgeordneten Mataja persönlich handelt (liest):

„Vertraulicher Bericht 34/920, ungarische Gesandtschaft Wien, Presseabteilung.

Unser christlichsozialer Vertrauensmann berichtete uns gestern ausführlich über die Lage. Die wichtigeren Punkte sind die folgenden:

1. Über die westungarischen Pläne Renners wisse er nichts Neues zu sagen. Unsere Voraussetzung bezüglich des westungarischen Korridors wird in christlichsozialen Kreisen für übertrieben gehalten."

Nun hören Sie zu, meine Herren (liest):

„Dr Mataja hörte diesem Teile der Ausführungen Dr. Renners im auswärtigen Ausschusse ganz besonders aufmerksam zu und erklärt, dass gar kein Anzeichen dafür spreche, dass Renner sich ..." usw. Meine Herren! Sie sehen: Er hörte mit Aufmerksamkeit zu und hat über das, was er dort gehört hat, berichtet. (Abgeordneter Dr. Mataja: Was berichtet?) Ich bitte, ich werde die Sache bis zum Ende vorlesen (liest): „ ... und erklärte, dass gar kein Anzeichen dafür spreche, dass Renner sich bezüglich Westungarns den Tschechen gegenüber in Verpflichtungen eingelassen hätte. Obzwar er schon gewohnt daran ist, dass Renner alles hinter ihrem Rücken und über ihre Köpfe hinweg macht, ist er dennoch davon überzeugt, dass die Verdächtigung in diesem Falle unbegründet ist." (Abgeordneter Dr. Mataja: Da hört sich doch alles auf!) In Klammern kommt nun dazu vom Referenten Reich die Bemerkung: „Aber gerade diese meisterhafte Verschwiegenheit ist vielleicht der entscheidende Beweis dessen, dass das Spiel ernst ist." Das ist die Anmerkung des Herrn Referenten Reich.

Es handelt sich für uns hier im Parlament nicht darum, ob das, was in jedem einzelnen Fall an die ungarische Gesandtschaft gegangen ist, wahr ist — und ich könnte aus den ganzen Akten den Beweis führen —, sondern dass es ein konsequenter Kampf gegen die auswärtige Politik des derzeitigen Staatssekretärs des Äußern Dr. Renner gewesen ist, der von den Herren geführt worden ist, und die Herren können das nach all dem, was vorgefallen ist, auch in gar keiner Weise leugnen. Ich könnte dies bezüglich der Romreise und dergleichen beweisen. Es kommt aber nicht darauf an, sondern darauf, in diesem Momente den Beweis zu führen, dass diese Verbindung bestanden hat, dass diejenigen, die in der westungarischen Frage natur-. gemäß unsere Feinde sind und deren Gesandtschaft es ist, die in der westungarischen Frage die Interessen Österreichs bedroht, durch eine christlichsoziale Verbindung mit einem christlichsozialen Mitgliede des Ausschusses verbunden sind. (So ist es!) Das ist das Entscheidende und das ist bewiesen. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Damit, glaube ich, ist aber weit über den Bedarf bewiesen, dass der Abgeordnete Skaret im vollständig guten Glauben seine Beschuldigung erhoben hat und dass der Abgeordnete Skaret in eine begreifliche Erregung kommen konnte, wenn er das, was ich Ihnen hier vorgelegt habe, gekannt hat und er schon wusste, wie diese Beziehungen sind. Aber da der Herr Abgeordnete Mataja persönlich diesen Feldzug unternommen hat und sich in dieser Sache gegenüber anderen seiner Klubkollegen, die auch von Skaret genannt waren und nicht geklagt haben, geflissentlich wie immer in den Vordergrund gedrängt hat, müssen wir schon diese Gelegenheit benutzen, um in aller Ruhe hier zu sagen, dass diese Dinge sicher nicht die ersten sind, die uns, seit wir die Strafverschärfung in dieser Nationalversammlung haben, mit dem Abgeordneten Mataja zusammen sitzen zu müssen (Sehr gut!), da begegnen, dass wir - von jeher gegen den Abgeordneten Mataja das stärkste Misstrauen gehabt haben, ein größeres Misstrauen als gegenüber vielen anderen Herren der christlichsozialen Vereinigung .... (Abgeordneter Dr. Mataja: Und wenn schon!) der Herr Abgeordnete Mataja wird dann das Wort bekommen ...., dass wir, wie bekannt ist, uns dagegen gewehrt und immer erklärt haben: wenn eine Regierung zustande kommt, darf Mataja nicht in dieser Regierung sitzen, aus Gründen, die wir ganz gut wussten, und dass wir allerdings gegenüber dem, was Mataja tut, ein Misstrauen haben, welches nicht auf uns beschränkt ist, sondern auch in den Reihen Ihrer eigenen Partei .... (Abgeordneter Dr: Mataja: Namen nennen!) Ja, bitte schön! .... zum Ausdruck kommt. Wenn wir in Reden gelesen haben, dass von Strauchrittern die Rede ist, haben wir allerdings dabei gedacht, dass gemeint ist .... (Abgeordneter Dr. Mataja: Wer hat das gesagt?) Diese Rede ist, wie die Herren genau wissen .... (Zwischenrufe.) Das mögen die Herren von der christlichsozialen Seite unter sich ausmachen. (Abgeordneter Dr. Mataja: Hat man Ihnen das gesagt?) Gelesen habe ich das! In ihrer Presse habe ich es gelesen! (Abgeordneter Dr. Mataja: Wodurch kommen Sie auf meinen Namen?) Ich sage nur, das haben wir sofort in dieser Weise aufgefasst, dass Sie gemeint sind und, meine Herren, wir haben Gründe zu diesen Vermutungen, wenn wir die ganze merkwürdige Tätigkeit des Herrn Abgeordneten Mataja verfolgen, die ja in der letzten Zeit eine gewisse Verschiebung erfahren hat, indem er, während seine auswärtige Politik früher mit mehr Sympathien nach dem Osten gerichtet war, sie jetzt mehr nach
 

dem Westen hin gelenkt hat. Schon bei diesen merkwürdigen Konferenzen, von denen man uns berichtet hat, die der Herr Abgeordnete Mataja in Salzburg abgehalten hat, wo er sich in einem Hotel drei Zimmer gemietet und im mittleren Zimmer verhandelt hat, wo in der Hotelrechnung für eine ganz kurze Zeit 16.000 K verbraucht worden sind und wo jene Herren eingeladen waren, die über die bewaffnete Macht in Salzburg zu verfügen hatten, hatten wir starke Verdachtsgründe, dass es sich bei diesen Dingen allerdings um konterrevolutionäre Konspirationen gehandelt hat.

Meine Herren! Alle diese Dinge, die sich noch weitaus häufen ließen, müssen Sie in Rechnung ziehen, wenn Sie dieses Faktum, welches uns hier vorliegt, richtig beurteilen wollen. Und wenn der Herr Abgeordnete Skaret im Laufe einer höchst erregten Debatte diese Worte gerufen hat, so war das ein Ausdruck der politischen Überzeugung, die der Herr Abgeordnete Skaret über den Herrn Abgeordneten Mataja gehabt hat. Und wenn Sie die Auslieferung beschließen würden, wie es nicht die Mehrheit des Ausschusses, sondern nur die Mehrheit der damals Anwesenden beschlossen hat, so wäre es eine direkte politische Auslieferung, die da stattfinden würde.

Wir, meine Herren, stehen auf dem Standpunkte: wir haben in dieser Frage nichts zu scheuen. Wenn Sie wollen, setzen Sie eine parlamentarische Untersuchungskommission über das ein, was ich hier an Akten vorgelegt habe, und untersuchen Sie, was hier gegen den Abgeordneten Mataja, seine Klubkollegen und die übrigen Christlichsozialen vorliegt. Setzen Sie die Untersuchungskommission ein, das ist eine wichtige Frage. Möge der Herr Abgeordnete Austerlitz von dem Herrn Reich von der ungarischen Gesandtschaft über jenen Teil der Akten geklagt werden, der den Herrn Reich betrifft! Möge das geschehen! Aber, meine Herren, wir sind keineswegs gesonnen, uns dazu herzugeben, dass mit uns in der Weise ein Spiel getrieben wird, wie es der Herr Abgeordnete Mataja für seine Wahlpropaganda braucht, um Reklame für sich zu machen. Diese Fragen, die ich hier vorgelegt habe, sind denn doch zu ernst, als dass wir uns dazu hergeben könnten, an dieser Komödie mitzuwirken und deshalb, meine Herren, sage ich Ihnen: Die Sozialdemokraten stehen auf dem Standpunkte, den sie gestern eingenommen haben. Sie haben sich bis jetzt Selbstbeherrschung auferlegt und sind nur der konstanten Provokation des Herrn Abgeordneten Mataja gefolgt. Wenn Sie die Sache weiterführen wollen, wir haben als Sozialdemokraten von keiner dieser Gerichtsverhandlungen irgendetwas für uns zu fürchten. Für uns, die wir die Dinge geprüft haben, steht fest, dass diese Akten absolut echt sind. Und wer weiß, wie schwer es ist, mit der christlichsozialen Partei in einen Kampf einzutreten, wer weiß, was in früheren Zeiten geschehen ist, in dem Falle Silberer, den ich selber zum großen Teil mitgemacht habe. Wie da die christlichsoziale Partei auch ein Mitglied des österreichischen Abgeordnetenhauses verdächtigt hat, es sei ein Defraudant, während er ein Unglück in den Bergen erlitten hat, wie da ein Herr, den Sie jetzt wiederum kandidieren, der Herr Dr. Jerzabek, der natürlich dafür besonders geeignet ist, davon gesprochen hat, man werde schon irgendeinen Kadaver im Gebirge finden und werde behaupten, das sei der Silberer — wer diese ganzen Kampfmethoden der Christlichsozialen gekannt hatte, der musste wissen, dass zunächst gesagt werden wird, die Akten sind gefälscht. Das hat dann nicht gezogen und die Herren mussten, da die Veröffentlichung sehr vorsichtig angelegt war, mit der Zeit immer mehr und mehr bekennen und sie bekennen heute bereits von neun Zehnteln dieser Akten, dass sie echt sind. Sie werden auch die heute vorgelegten Akten, wenn sie sie prüfen, nicht als unecht ausgeben können. Wer diese Kampfesweise kennt, weiß, dass sie mit allen Mitteln der Verleumdung versuchen werden, die Sache zu entstellen. Für uns Sozialdemokraten, meine Herren, sind die Dinge ganz klar. Wir haben das an die Öffentlichkeit bringen müssen, weil sie ein Interesse hat, klar zu sehen, wie die Dinge sind, die von der ungarischen Gesandtschaft hier getrieben werden, und es ist ein Verdienst der „Arbeiter-Zeitung" und der Sozialdemokratie, dass sie diese Dinge der Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. (Zustimmung.)

Deshalb, meine Herren, werden wir uns auf den Weg, den der Herr Abgeordnete Mataja hier gehen will, nicht verleiten lassen, sondern wir sind der Meinung, dass alles, was sachlich klar gestellt werden kann, ohne die gütige Mithilfe des Herrn Abgeordneten Mataja klargestellt werden kann. Es kann klargestellt werden durch eine Klage des Reich, es kann klargestellt werden durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Auf eine Ehrenbeleidigungsklage, wo der Herr Abgeordnete Mataja alle möglichen juristischen Kniffe anwenden wird, wo es sich gar nicht um diese Dokumente im Klagebelange handeln wird, lassen wir uns nicht ein. Und deshalb, meine Herren, glaube ich, dass dieser Feldzug, der davon dem Herrn Dr. Mataja unternommen worden ist, um für die Wahlen etwas für sich herauszuschlagen — und um nichts anderes handelt es sich bei dieser Angelegenheit —, kläglich enden wird und nicht nur er selbst, sondern auch die christlichsoziale Partei wird unter diesen Dingen, die da ans Tageslicht kommen, in der Folge zu leiden haben. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Dr. Mataja.

Abgeordneter Dr. Mataja: Hohes Haus! mit wachsender Erregung und Erbitterung, aber auch mit wachsendem Ekel habe ich seit zwei Wochen die Campagne verfolgt, die in der „Arbeiter-Zeitung" auf Grund eines angeblich in der ungarischen Gesandtschaft gestohlenen Aktenmaterials gegen die christlichsoziale Partei geführt wird. Ich habe die Verwechslung dieser beiden Begriffe, die Verwechslung zwischen ungarischer Gesandtschaft und Presseabteilung einerseits und der christlichsozialen Partei anderseits, die Verwechslung zwischen Reich und der christlichsozialen Partei auch in der Rede Dr. Adlers wiedergefunden .und es ist die geflissentliche Unterschiebung der beiden Begriffe dasjenige, was mich am meisten mit Erbitterung und, wie ich bereits gesagt habe, mit Ekel über ihre ganze Taktik in dieser Frage erfüllt hat. Hätten Sie, meine Herren Sozialdemokraten, in Ihrer Zeitung und in Ihren Reden sich darauf beschränkt, das von Ihnen behauptete Vorgehen der ungarischen Gesandtschaft nachzuweisen, so hätte mich das natürlich vollständig kühl gelassen, und ob Sie einen Schwindler engagieren, damit er stiehlt, oder ob Sie einem Schwindler aufsitzen, der Sie betrügt, das ist für mich genau ein und dasselbe. Im Gegenteil, wenn hier Treibereien der ungarischen Gesandtschaft behauptet werden, hätten Sie mich natürlich auch vom staatspolitischen Gesichtspunkte aus interessieren können. Ich hätte sie natürlich ernster genommen, wenn nicht bei Ihnen ein Gegensatz zu dem, was ich getan habe, die Verknüpfung mit den Wahlen eine zu offenkundige gewesen wäre. Denn Sie haben den Ihnen entscheidend scheinenden Zeitpunkt abgewartet, in dem Sie geglaubt haben, dass die christlichsoziale Partei nicht mehr dazu kommen wird, die Flut von Verleumdungen abzuwehren, und dass am Wahltag die Wählerschaft unter diesem Eindruck handeln werde. So hat sich die Situation abgespielt. Nun haben Sie in allen Ihren Angriffen nach Ihrer bewährten Taktik die Partei angegriffen oder Sie haben von Führern gesprochen. Denn Sie wissen sehr wohl oder Sie sind von Ihren Juristen genügend beraten, dass eine politische Partei nicht als Kläger vor Gericht auftreten kann. Und auch der allgemeine Begriff „Führer" kann dazu nicht genügen.

Da las ich am Samstag früh die Rede des Herrn Abgeordneten Skaret im Gemeinderat und nun habe ich mit großer Befriedigung entdeckt, dass der Herr Skaret, der, wie Sie sich sehr gut erinnern können, mir durch seine Manöver bereits einmal ausgerutscht ist, indem er seine Immunität vorgeschützt hat, wobei er sich damals natürlich nicht hat ausliefern lassen, was nach dem Ausdruck des Herrn Dr. Adler die sozialdemokratische Taktik zu sein scheint, sich hat hinreißen lassen, meinen Namen unter dem Vorwurfe des Vaterlandsverrates zu nennen. Nunmehr war jener Punkt erreicht, an dem die gerichtliche Klage möglich gewesen ist. Es hat sich darum gehandelt, das größtmögliche Ausmaß von Chancen zu schaffen, um einen Urteilsspruch noch vor dem 17. Oktober zu erwirken oder aber die sozialdemokratische Partei des Hauses hier in die Zwangslage zu versetzen, damit ihr Skaret nicht verurteilt wird, hier im Hause gegen die Auslieferung zu stimmen. Das war der Zweck, darum hat es sich gehandelt und deshalb habe ich ohne einen meiner Parteigenossen zu verständigen, ohne ihnen etwas zu sagen, allein die Klage eingebracht. Denn nur auf diese Art und Weise, bei einem Kläger, habe ich die Möglichkeit und die Chance, das Urteil vor dem 17. Oktober zu erzielen. Ich habe den heutigen Zustand hier herbeigeführt und es wird sich weisen, ob Ihre ganze Fraktion die eherne Stirne haben wird, nach dieser Rede des Herrn Dr. Adler gegen die Auslieferung zu stimmen. (Lachen. — Beifall.)

Der Herr Abgeordnete Dr. Adler hat hier ein neues Aktenmaterial vorgelegt. In diesem Aktenmaterial wird von einer Reihe christlichsozialer Persönlichkeiten behauptet, dass sie im Wege des Herrn Karl Seelig eine Verbindung mit der ungarischen Gesandtschaft aufrecht erhalten hätten. Es ist selbstverständlich, dass der psychologische Prozess nicht derjenige gewesen ist, dass die sozialdemokratische Partei nur mit der äußersten Selbstüberwindung dieses Material hier abgegeben hat. Sie hat vielmehr den letzten Moment der Sitzung dieses Hauses benutzt, um dieses Material hier auf den Tisch zu legen, und damit einen plumpen Überrumpelungsversuch an uns gemacht. Das ist vollständig auf der Hand liegend. Ihre Taktik in der ganzen Frage ist so hinterhältig, dass dieser Schritt die Krönung dieses Werkes bedeutet, das Sie hier zu schaffen geglaubt haben.

Mein Name kommt in diesem Zusammenhang zweimal vor. Es wird gesagt, ich habe dem Herrn Seelig meine Ansicht über die Zweckmäßigkeit der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Trianon durch die ungarische Regierung mitgeteilt. Zufällig erinnere ich mich dunkel — es passiert mir häufig, wenn ich in den Klub komme, dass Herr Seelig mich über meine außenpolitischen Ansichten interpelliert, weil er weiß, dass ich mich mit derartigen Sachen häufig befasse — ich erinnere mich dunkel, dass ich ihm einmal meine Ansicht mit zwei Worten mitgeteilt habe, dass das meiner Ansicht nach seitens der ungarischen Regierung ein Wahnsinn ist, gerade so wie ich meine Ansicht mitgeteilt hätte, wenn er mich gefragt hätte, was die englische, französische

oder tschechische Regierung zu machen hat, einfach unter dem Gesichtspunkte des allgemeinen Interesses. Ich bin erstaunt, hier zu hören, dass irgendjemand von Ihnen glaubt, dass die ungarische Regierung auf diese meine Ansicht irgend einen Wert legt. Wenn das wirklich der Fall ist, finde ich das sehr charmant. Das wird vielleicht beim Obersten Reich zutreffen. der nur eine untergeordnete Rolle einnimmt. Aber ich glaube nicht, dass andere Faktoren der ungarischen Regierung einen besonderen Wert darauf legen würden, es wäre sehr schmeichelhaft, wenn die Herren meinen, dass ich die außenpolitische Fragen zu überblicken imstande bin, an den Ausdruck, dass ich ihm die Ermächtigung erteilt hätte, kann ich mich nicht genau erinnern. Das ist ganz und gar unwahrscheinlich, ich wüsste auch nicht, wozu ich ihm eine solche Ermächtigung zu erteilen hätte von dieser meiner Ansicht, die ich natürlich, ganz ruhig, wenn ich dazu gekommen wäre öffentlich ausgesprochen hätte oder in irgend einer Gesellschaft ausgesprochen hätte, von dieser Ansicht könnte jeder Mensch informiert werden, dass ich es für zweckmäßig halte dass die ungarische Regierung den Frieden von Trianon unterschreibt. Ich sage das nicht deshalb, weil ich der Ansicht bin, dass es nicht darauf ankommt, ob ich meine, dass die ungarische Regierung unterschreiben soll oder nicht.

Wenn nun mir vorgehalten wird, ich hätte in der Korridorfrage — es handelt sich da offenbar um das Gespenst von einem slawischen Korridor, der zwischen Westungarn und Ungarn durchgezogen werden sollte — wenn man mir da gesagt hat, wie es der Fall zu sein scheint, an dieser Unterredung kann ich mich nicht erinnern, wenn man wirklich sagt, dass ein solcher Korridor befürchtet wird von Ungarn und wenn man meint, dass damals der österreichische Staatssekretär für Äußeres mit den Tschechen unter einer Decke steckt, um diesen _ Korridor herbeizuführen, ich aber der festen Überzeugung, dass von diesem Korridor gar keine Rede ist und ich sage irgendjemandem, ich bitte Sie, das ist doch ein Unsinn wie ja Dr. Adler das selbst hervorgehoben hat, dass ich Dr. Renner gegen diese Verdächtigung in Schutz genommen habe, lassen Sie sich einen solchen Unsinn nicht einreden und ich noch hinzufüge, ich glaube zu wissen, was Dr. Renner in dieser Beziehung meinte, und dass davon keine Rede ist, so habe ich doch eigentlich der guten Sache einen Dienst geleistet und wenn ich mir erlaube, den Dr. Renner dabei in Schutz zu nehmen, so werde ich doch, weil es sich um Staatsinteressen handelt, die Herren selbstverständlich nicht um ihre Erlaubnis fragen. Auch aus den Gebärden, mit denen Sie meine Mitteilungen begleiten, müssen Sie mir schon gestatten, die Konsequenz zu ziehen, die ich zu ziehen für einzig richtig halte.

Nun, meine Herren, Herr Dr. Adler hat heute in der Absicht der Überrumpelung diese Daten hier vorgebracht. Er hat die Beschuldigung, welche der Herr Abgeordnete Skaret vorgebracht hat, wiederholt und unterstrichen, natürlich im Hause hier, so dass er persönlich gar nicht in Frage kommt. Er hat sie wiederholt und unterstrichen. Zugleich hat er mitgeteilt, dass Abgeordneter Skaret selbst sich nicht ausliefern lässt oder richtiger gesagt, dass seine Partei gegen die Auslieferung .des Abgeordneten Skaret stimmen werde. Meine Herren, es gibt nur eine objektive Möglichkeit der Feststellung ob einer Beleidigung ein Tatbestand zugrunde liegt oder nicht, und das ist das Gericht und wenn ein Mensch hergeht und einen anderen in seiner Ehre verletzt und ihm etwas unterschiebt, so ist er, wenn er Ehre im Leibe hat, verpflichtet sich vor die Schranken des Gerichtes zu stellen. (Lebhafter Beifall. — Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Wie war das mit Stöckler?)

Erlauben Sie mir, dass ich mich auf diese wichtige und weittragende Angelegenheit beschränke. Sie können nicht verlangen, dass, während ich den Ausführungen des Herrn Dr. Adler zuhöre, ich auch noch einen anderen Vorakt, bezüglich des Abgeordneten Stöckler studiere. Oder glauben Sie, dass ich das alles im Kopfe habe? Ich habe mich vor allem mit dem Gegenstande befasst, wo es sich um meine persönliche Ehre handelt. Es gibt gar keinen anderen Weg und wenn Sie mit Ihrem politischen Delikt kommen, so muss ich sagen, das ist ein Standpunkt, mit dem Sie die ganze politische Moral endgültig zugrunde richten. Wenn es erlaubt ist, dass ein Politiker einem anderen ehrenrührige Handlungen zum Vorwurfe macht und dann nicht verpflichtet ist, für die Wahrheit seiner Ausführungen einzutreten, so geben Sie ja jedem Schubiak einen Freibrief gegenüber seinen politischen Konkurrenten. Dahin werden Sie es bringen. Meine Herren! Das ist mir gegenüber besonders gravierend, weil ich auf die persönliche Ehre meiner politischen Gegner so bedacht bin (Gelächter), dass ich in den zehn Jahren meines politischen Lebens nicht einmal auch nur wegen Ehrenbeleidigung geklagt worden bin. So sehr bin ich darauf bedacht, so sehr gehe ich schonend nicht auf das persönliche Gebiet des Gegners ein, geschweige denn, dass ich deshalb verurteilt worden wäre.

Nun die Sache wird aber ärger. Wenn nicht mir der Herr Abgeordnete Skaret das gesagt hat, wenn Sie hier einen Redner ins Treffen führen, der das wiederholt, wenn Sie mit Anschuldigungen kommen, die gewiss kindlich sind, die lächerlich sind; denn was hier meine Person betrifft, die zwei Daten, wenn Sie damit Vaterlandsverrat erweisen wollen, machen Sie sich nur zu einer komischen Figur. In diesen beiden Sachen soll der Vorwurf

des Vaterlandsverrates begründet sein? Sind Sie sich denn über die Tragweite solcher Ausdrücke im Klaren, wenn Sie mit solchen Beweisen kommen? Aber immerhin, Sie haben es zu dem Zwecke hier gesagt, und wenn nicht nur Ihr einzelnes Mitglied, sondern Sie als Sprecher Ihrer Partei hier her treten und das jetzt unterstreichen, so sind Sie doppelt zur Auslieferung verpflichtet, denn damit machen Sie einen wirklich vogelfrei und Sie erzwingen im politischen Leben die Manieren, die unserem politischen Leben leider Gottes anhaften und die es einem zum Ekel machen. — wenn auch das Staatsinteresse dafür spricht — in die politische Arena hinabzusteigen. Das habe ich Ihnen zu sagen.

Wenn Sie dann außerdem noch mit allgemeinen Dingen kommen, wenn Sie sagen, Sie bringen mir Misstrauen entgegen, wenn Sie sagen, dass ich die Persönlichkeit bin, der Sie am meisten misstrauen, dass ich die Persönlichkeit bin, die Sie aus der Regierung ausschließen wollen — ich bitte, meine Herren, an und für sich ist das rein Ihre Privatsache. Ob Sie mir in einem geringeren oder höheren Grade misstrauen, das ist ganz gleichgültig. Aber in diesem Zusammenhang hat es auch wieder als eine Unterstreichung des Vorwurfes des Herrn Skaret geklungen.

Und wie ist nun das Gesamtbild, Herr Dr. Adler? Sie sind doch schließlich auch nicht nur Abgeordneter und Politiker. Sie sind auch ein Mann! Wie ist das Gesamtbild? Sie stellen sich hieher, Sie wiederholen eine Beleidigung, die mir widerfahren ist, und zu gleicher Zeit sind Sie der Mann, der hier verkündet: Aber gerichtlich ausgeliefert darf der Urheber dieser Beleidigung nicht werden. Sie stellen sich ... (Zwischenruf des Abgeordneten Dr. Adler.) Ich habe keine Lust, Ihnen zuzuhören. Sie können sich zum Worte melden. ... Sie meine Herren, stellen sich selbst und stellen Ihre Partei auf das Niveau der Verleumdung, und wenn Sie dann noch die Stirne haben, Verleumdung vorzuwerfen, so muss ich sagen: das ist eine eherne Stirne. Sie haben einen Schmutzkampf gegen die christlichsoziale Partei geführt und diesen Schmutzkampf krönen Sie hier, indem Sie einen Verleumder, den ich endlich bekommen habe, dem Gerichte nicht ausliefern und ihn in Schutz nehmen, damit er dem Gericht ausweichen kann. (Stürmischer, langanhaltender Beifall und Händeklatschen. — Zahlreiche Zwischenrufe.)

Präsident: Ich bitte um Ruhe! Zum Worte gelangt der Herr Abgeordnete Dr. Bauer.

Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Hohes Haus! Der Herr Abgeordnete Dr. Mataja ist hier soeben als Verteidiger des Grundsatzes aufgetreten, dass man der persönlichen Ehre politischer Gegner nicht nahetreten dürfe, und hat versichert, er hätte so etwas noch nie getan. Der Herr Dr. Mataja mutet uns ein sehr kurzes Gedächtnis zu. Darf ich vielleicht das hohe Haus — nur um aus den vielen Fällen, die mir einfallen, einen einzigen anzuführen —, darf ich das hohe Haus nur an jene Verhandlung über den Streik in der Ankerbrotfabrik erinnern, wo der Herr Abgeordnete Dr. Mataja die schwersten Beschuldigungen gegen seine politischen Gegner, die ehrenrührigsten Beschuldigungen, nämlich gegen hunderte Arbeiter dieser Fabrik erhoben hat und wo dann die Entscheidung des Einigungsamtes, das über diese Sache sein Urteil gesprochen hat, ein Schlag ins Gesicht des Herrn Abgeordneten Dr. Mataja gewesen ist? Ich muss gestehen, derjenige, der damals gewagt hat, hier über den Fall so zu reden, die Arbeiter so zu beleidigen und dann gesehen hat, wie das Einigungsamt ... (Zwischenruf des Abgeordneten Dr. Mataja.) Herr Abgeordneter Dr. Mataja, wir haben Sie ruhig reden lassen. Sie werden mich nicht stören, auch wenn es Ihnen noch so unangenehm ist, was ich sage. ... Wenn derjenige, der die Arbeiter damals so beleidigt hat, wenn der Herr Abgeordnete Dr. Mataja, der damals den Arbeitern so schweres Unrecht getan hat, der es erlebt hat, dass das Einigungsamt seine Behauptungen damals Lügen gestraft hat, wenn der nun herkommt und versichert, er habe noch nie einen politischen Gegner beleidigt — meine Herren, es ist viel verlangt, wenn wir das so einfach anhören sollen.

Aber ich will nicht über den Herrn Abgeordneten Dr. Mataja, über seine Person, sondern über das Sachliche an den Dingen sprechen. Der Herr Abgeordnete Dr. Mataja meint, derjenige, der der Ansicht ist, dass man wegen Ehrenbeleidigungen politischen Charakters eine Auslieferung nicht bewilligen dürfe, begehe dadurch eine schwere Schädigung der öffentlichen Moral, weil er, wie sich der Herr Abgeordnete Dr. Mataja ausdrückt, die Ehre jedes Politikers, jedem „Schubiak" ausliefere. Wenn es ein solcher Fehler wäre, auf dem Standpunkt zu stehen, dass man wegen Ehrenbeleidigungen politischen Charakters nicht ausliefert, dann hat sich, meine Herren, dieses Fehlers das ganze Hans bisher schuldig gemacht. Es ist eine feste Tradition dieses Hauses und seines Verfassungsausschusses, dass es wegen Ehrenbeleidigungen politischen Charakters die Auslieferung nicht bewilligt, am wenigsten — der Fall ist schon geradezu der Grenzfall — am wenigsten bei
Ehrenbeleidigungen zwischen Politikern. Ich kann konstatieren, dass auch, wenn ich recht
unterrichtet bin, in der Sitzung des Verfassungsausschusses, die gestern stattgefunden hat

und an der unsere Partei gar nicht teilgenommen hat, weil sie den Herren gar nicht vorgreifen wollte, die Herren von der Großdeutschen Partei, die doch sicherlich in dieser Sache unbefangen sind und ihr ganz uninteressiert gegenüber stehen, gestern noch gegen diese Auslieferung mit der Begründung gestimmt haben, dass sie auf dem Standpunkte bleiben, auf dem das ganze hohe Haus bisher immer gestanden ist, nämlich, dass man wegen Ehrenbeleidigungen politischen Charakters nicht ausliefert. Das ist der ganz einfache Tatbestand. Was die Herren verlangen, ist also zumindest ein Bruch mit den Traditionen dieses Hauses, mehr noch, mit einem, man darf wohl sagen, Rechtsgrundsatze, den sich das Haus selbst autonom gegeben und an dem es bisher festgehalten hat.

Warum haben wir denn, hohes Haus, daran festgehalten? Ich glaube, dass dieser Fall geradezu ein Schulbeispiel ist, an dem das Motiv zu zeigen ist, das bisher alle Parteien dieses Hauses bewogen hat, bei Ehrenbeleidigungen politischen Charakters nicht auszuliefern. Warum? Was hat der Abgeordnete Skaret dem Herren Dr. Mataja vorgeworfen? 'Er hat von „Verrat" gesprochen. „Verrat" ist ein Ausdruck, der, in einer politischen Debatte von einem Politiker einem anderen Politiker gegenüber gebraucht, eine politische Beschuldigung ist, die zu erweisen ist — vielleicht, das weiß ich nicht — nicht durch die Berufung auf irgendwelche strafbare Handlungen, die der betreffende Politiker begangen hätte, sondern darauf, dass er politische Handlungen begangen hat, die man politisch als Verrat qualifiziert.

Und nun hat der Herr Abgeordnete Skaret aus den Dokumenten die er gekannt hat, den Eindruck gehabt, dass der Herr Abgeordnete Dr. Mataja eine Verbindung mit der ungarischen Gesandtschaft unterhalten hat, dass Herr Abgeordneter Dr. Mataja aus vertraulichen Sitzungen der ungarischen Gesandtschaft habe Berichte zugehen lassen, dass der Herr Abgeordnete Mataja den Kampf gegen den deutschösterreichischen Staatssekretär des Äußern Dr. Renner gemeinsam mit der Gesandtschaft einer fremden Macht geführt hat, und das hält Abgeordneter Skaret für einen Verrat. Das ist eine politische Beurteilung. Ob der Herr Abgeordnete Skaret mit dieser politischen Beurteilung recht hat oder nicht, darüber zu entscheiden, sind wir durchaus in der Lage. Wir sind in der Lage und berufen, darüber zu entscheiden, ist in erster Linie das Parlament selbst; denn ob jemand aus geheimen Sitzungen des Ausschusses an dritte Personen Nachrichten gibt, darüber zu richten ist vor allem Sache des Parlaments selbst, aber das ist ein politisches Faktum und das hohe Haus ist bisher auf den Standpunkt gestanden, dass solche politische Beschuldigungen im politischen Leben politisch erwiesen oder zurückgewiesen werden müssen, dass aber ihretwegen eine gerichtliche Verfolgung nicht stattfindet. Ich konstatiere — und es wird niemand, der die Praxis des Verfassungsausschusses und die Praxis dieses hohen Hauses kennt, dies leugnen wollen —, dass das der bisherige einmütige Standpunkt war. Und, wenn Sie sich heute auf einen anderen Standpunkt stellen, so tun Sie das einfach deshalb, weil politische Opportunität Ihnen ratsam erscheinen lasst, mit einem Prinzip zu brechen; dass aber andere Parteien dabei mittun müssen, sehen wir wirklich nicht ein.

Wie steht es nun mit der Frage der politischen Opportunität? Diese Frage ist auch für uns wichtig. Auch wir haben uns die Frage vorgelegt, ob in diesem konkreten Falle die Auslieferung nicht dennoch trotz dem Prinzipe stattfinden solle, weil auch wir wünschen, dass es zu einer gerichtlichen Überprüfung der Echtheit der Akten kommt, nämlich jener wenigen Akten, deren Echtheit noch bestritten wird, denn, von den meisten ist sie bereits zugegeben. Nun haben wir uns gefragt, ob das das richtige Mittel ist und wir haben uns gesagt, das richtige Mittel ist das nicht, weil Herr Dr. Mataja nur durch einen sehr kleinen Teil dieser Akten berührt ist, daher das ganze Material bei dieser Gelegenheit vor Gericht nicht ausgebreitet werden könnte und der Richter den vollen Wahrheitsbeweis nicht zulassen würde. Deshalb haben wir einen anderen Weg erschlossen, es hat der Herr Abgeordnete Austerlitz durch seine Erklärung den Weg erschlossen, wie die Frage vor Gericht zu bringen ist und das ist jeden Tag möglich: Der Herr Reich soll nur den Herrn Kollegen Austerlitz klagen. (Abgeordneter Dr. Mataja: Was geht denn mich der Reich an? Ich kenne ihn ja gar nicht!) Das weiß ich nicht. Darüber, was Sie der Herr Reich angeht, werde ich mir noch zu sprechen erlauben. Ich meine, der Herr Reich soll den Herrn Abgeordneten Austerlitz klagen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, die ganze Sache vor Gericht vollständig klarzustellen. Das Mittel, das Herr Dr. Mataja angibt, scheint uns nicht das richtige dazu zu sein und wir glauben daher nicht, dass die Opportunitätsgründe hinreichend stark sind, um ein bisher festgehaltenes Prinzip aus diesem Anlasse zu durchbrechen.

Aber das ist mir nicht das wichtigste, das wichtigste ist mir die politische Beurteilung der Frage. Der Herr Dr. Mataja hat die Dinge so dargestellt, als ob wir hier vorbereitet und planmäßig bis auf den letzten Tag gelauert hätten, um dann dieses Material hieher zu tragen. Meine Herren, Sie hätten unseren tückischen
Plan durchkreuzen können. Wir haben, wie Sie gesehen haben, gar keine Gelegenheit gesucht,
die Sache irgendwie hieher zu bringen und wenn Herr Dr. Mataja

diesen Gegenstand nicht auf die Tagesordnung gebracht hätte, hätten wir gar keine Gelegenheit gehabt, die Sache hieher zu bringen. In Wirklichkeit verhält es sich so: wir haben sicherlich erwogen — das will ich Ihnen gar nicht verhehlen — ob wir die Sache im Parlamente zur Sprache bringen sollen oder nicht. Wir haben es nicht getan, weil wir uns gesagt haben, die Verfassung soll fertig werden, eine ganze Reihe von wichtigen sozialpolitischen Gesetzen steht auf der Tagesordnung, sie sollen noch erledigt werden, wir werden diese Sache nicht stören, wir können sie in der Presse genau so behandeln, wie im Parlamente und wir haben daher hier von der ganzen Sache kein Wort gesprochen. Dass wir im letzten Momente nach Erledigung der Tagesordnung darüber sprechen werden, daran hat keiner von uns gedacht. Ja, ich muss gestehen, dass ich diese Verhandlung nicht für zweckmäßig halte, denn ein besonders würdiger Ausklang der Konstituierenden Nationalversammlung ist es nicht. Aber die Wahrheit ist, dass unser Plan, von der Sache nicht zu reden, einfach von Herrn Dr. Mataja durchkreuzt wurde, der das Bedürfnis gehabt hat, dass die Konstituierende Nationalversammlung mit gar keinem anderen Gegenstande ihre Arbeit beschließen könne, als wieder einmal mit der Beschäftigung mit seiner Person. Das hat uns eben gezwungen, die Sache hieher zu bringen, sonst hätten Sie, meine Herren, die Dokumente wahrscheinlich demnächst auf einem anderen Wege zu Gesicht bekommen — verschwiegen hätten wir Sie doch nicht — aber wir hatten kein Bedürfnis, sie im Parlamente zu erledigen. Es ist also ein falscher und törichter Vorwurf. Aber allerdings, so wenig wir ein Interesse und die Absicht hatten, die Dinge hier zur Sprache zu bringen, so sehr haben wir es für unsere Pflicht gehalten, sie zur Kenntnis der Öffentlichkeit zu bringen. (Sehr richtig!)

Und nun erlauben Sie mir, dass ich das politisch Wesentliche an der Sache doch etwas deutlicher noch sage, als es mein Freund Dr. Adler getan hat. Dr. Adler hat nur einen Teil unserer Dokumente vorgelesen. Diese Dokumente, die er vorgelesen hat, beweisen nichts anderes, als dass aus geheimen Sitzungen des Hauptausschusses und des Ausschusses für Äußeres Berichte an die ungarische Gesandtschaft gehen. Wenn Sie, meine Herren, das volle Material kennen lernen, wird dieser Eindruck noch wesentlich stärker sein und ich kann nur sagen, dass ich wirklich erschrocken bin, wie ich das erste Mal das Material in der Hand hatte und gesehen habe, wie zum Beispiel über eine wichtige Sitzung des Ausschusses für Äußeres, in der über das ganze Verhältnis zu Ungarn eine Debatte gewesen ist, ein Bericht erstattet worden ist, in dem geradezu Redewendungen des Staatssekretärs für Äußeres wörtlich wiedergegeben waren. Meine Herren, es war für jeden klar, dass es leider irgend einen Abgeordneten in diesem hohen Hause geben muss, der verräterisch genug ist, über geheime Verhandlungen über auswärtige Politik der Regierung desjenigen Staates Berichte zugehen zu lassen, dessen Verhältnis zu Deutschösterreich in solchen geheimen Verhandlungen besprochen wird. (Abgeordneter Pischitz: Der Béla Kun hat auch genug erfahren!) Ich weiß nicht, was Béla Kun erfahren hat, aber ich weiß, was der Herr Reich erfahren hat und es ist unbestreitbar für jeden, der dieses Material gekannt hat, dass es einen solchen Abgeordneten gibt. Es ist zweitens unbestreitbar, dass die Verbindung hergestellt ist durch einen Vertreter der christlichsozialen Partei, durch jenen Regierungsrat Seelig. (Abgeordneter Spalowsky: Das ist kein Vertreter der christlichsozialen Partei!) Nun, er ist der Leiter Ihrer offiziellen Parteikorrespondenz. (Abgeordneter Spalowsky: Er ist aber kein Vertreter!) Es ist weiter, meine Herren, eine unbestreitbare Tatsache, die Sie auch nicht leugnen werden, dass die ungarische Regierung und die christlichsoziale Partei in gewissen politischen Fragen in auffallender Übereinstimmung sind. Ich erinnere nur an die sehr merkwürdige Stellung, meine Herren, die Sie dem Staatssekretär Dr. Renner gegenüber eingenommen haben. Von allen Sozialdemokraten war der Dr. Renner lange Zeit derjenige, dem Sie es am ehesten noch verziehen hatten, dass er Sozialdemokrat ist. Ich erinnere daran, wie Sie zur Zeit der Friedensverhandlungen den Dr. Renner gelobt haben. Ich könnte, wenn ich wollte, eine Rede des sehr verehrten Herrn Präsidenten Hauser ... (Abgeordneter Dr. Mataja: Ich habe ihn nicht gelobt!) ... eine Rede des Herrn Professor Gürtler zitieren, worin sehr anschaulich gezeigt wurde, wie sehr Sie davon überzeugt gewesen sind, wie außerordentlich gut der Herr Staatssekretär Doktor Renner damals die Interessen Deutschösterreichs vertreten habe. Meine Herren, es trat nun da eine plötzliche Wendung ein, eine Wendung, die sich zuerst andeutete nach der Romreise und dann eine ungeheuerliche Verschärfung erfuhr, als das Verhältnis zwischen Deutschösterreich und Ungarn sich etwas zuspitzte. Seit der Zeit haben Sie, hat Ihre Partei eine erstaunliche Hetze gegen den Herrn Staatssekretär Dr. Renner begonnen, und zwar in demselben Augenblick, in dem die ungarische Regierung in ihrer Presse diese Hetze begonnen hat. Diese politische Übereinstimmung ist eine Tatsache, die Sie nicht leugnen können, meine Herren. Es ist eine Tatsache, dass Sie auf einer Linie sind, und, meine Herren, wenn Sie nun mit dieser einen politischen Linie Zusammenhalten die Tatsachen, von denen ich
früher gesprochen habe, die Tatsache, dass unzweifelhaft aus christlichsozialer Quelle
die ungarische Regierung unterrichtet worden ist über Dinge, die

in geheimen Sitzungen des Hauptausschusses und Ausschusses für Äußeres vor sich gegangen sind, wenn Sie damit auch zusammennehmen die gewisse Intimität ... (Abgeordneter Dr. Mataja: So bringt man das vor's Gericht!) Bitte, ich werde Ihnen schon antworten ... wenn Sie da zusammennehmen das auffallende Interesse — sagen wir, um höflich zu sein — welches die ungarische Regierung und ihre Agenten für die finanzielle Lage Ihrer Presse haben, wenn Sie zusammennehmen die ganze sehr merkwürdige Geschichte mit den berühmten Tausenderinseraten, so werden Sie, meine Herren, begreifen, dass, was immer Sie da im Einzelnen sagen, in der ganzen Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass Sie Alliierte Ungarns sind, wie sonst, auch gegenüber der deutschösterreichischen Regierung selbst. Das, meine Herren, nennt man politisch einen Verrat. Ob der Tatbestand ausreicht zu dem Prozesse, den der Herr Abgeordnete Dr. Mataja genannt hat, also etwa zu einer Anklage nach § … (Abgeordneter Dr. Mataja: Zum Verleumden reicht er aus und zu sonst gar nichts!)

Präsident: Ich muss den Abgeordneten Dr. Mataja zum wiederholten Male ersuchen, seine Zwischenrufe zu unterlassen. Er hat ja Gelegenheit, sich noch einmal das Wort zu erbitten.

Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Ich werde Ihnen sagen: ich kann politisch sehr wohl einen Verrat nennen, was nicht Zureichen würde zu einer Klage auf Grund des § 58 St. G. Bl. Dr. Mataja ist Jurist genug, um diesen Unterschied sehr genau zu wissen. Wenn Dr. Mataja weint „Verleumdung", so möchte ich folgendes sagen: Ich kann das ganze Haus als Zeuge anrufen, dass in meiner ganzen politischen Tätigkeit, die auch schon immerhin einige Jahre dauert, noch nie einer meiner Gegner mir den Vorwurf gemacht hat, dass ich gegen den Gegner unsachlich oder persönlich zu argumentieren gewohnt war. Ich muss aber sagen: als ich jene ungeheuren Beweismittel zum ersten Male in der Hand hatte, wie Sie sie teilweise aus der „Arbeiter-Zeitung" und aus der Verlesung meines Freundes Adler kennen, hatte ich den erschreckenden Eindruck, dass das Nebeneinandergehen Ihrer Partei mit der ungarischen Regierung in den außenpolitischen Fragen, dass Ihre Alliance mit Ungarn nicht nur aus Übereinstimmung von Ansichten zu erklären ist — obwohl das schon genug schlimm wäre — sondern dass sie gefestigt ist durch intime persönliche Beziehungen, die einzelne Herren aus Ihrer Partei und aus Ihrer Presse mit der ungarischen Regierung aufrechterhalten, in einem Maße, welches uns vollständig unmöglich und unerträglich zu sein scheint. Wir sind tatsächlich in Deutschösterreich in der Lage, dass unsere Politik dort hinzukommen droht, wo etwa die rumänische Politik vor dem Kriege gewesen ist, dass nämlich dort eine Partei im Dienste Deutschlands und die andere im Dienste Frankreichs gestanden ist und dass sich dort jeder fremde Staat seine Presse gekauft und jeder fremde Staat seine Politiker gehalten hat. Wir sind auf dem besten Weg — Versuche sind von verschiedenen Staaten gemacht worden, wir wissen, dass auch von Großstaaten, nicht nur von kleinen Nachbarstaaten, Versuche gemacht wurden, hier politische Kräfte in ihren Dienst zu stellen, und darüber wird auch einmal gesprochen werden müssen. Hier konnte man die Sache einmal greifen, hier waren Beziehungen fassbar geworden und deswegen war es unsere Pflicht, diese Sache an die Öffentlichkeit zu bringen und klarzustellen. Das ist das Wesentliche.

Dr. Mataja wird nicht imstande sein, diese Sache auf das Niveau seiner persönlichen Auseinandersetzungen mit dem Abgeordneten Skaret zu bringen. In Wirklichkeit handelt es sich hier um eine große entscheidende Frage.

Es handelt sich um die Frage, oh hier ganze politische Parteien eine Politik machen wollen, die nicht fließt aus dem Interesse des Landes selbst, sondern aus ihrer Alliance mit ausländischen Mächten, aus ihrer Sehnsucht nach Wiederherstellung von engen Verbindungen mit diesen ausländischen Mächten, aus einer politischen Überzeugung, die uns heute schon von ausländischen Mächten abhängig macht und droht uns, in eine förmliche Fremdherrschaft fremder Mächte zu bringen. Das ist das politische Problem, weswegen wir die Sache auf die Tagesordnung gebracht haben. Darüber ist das politische Urteil zu fällen. Ob das Verrat ist oder nicht ist politisch zu entscheiden. Das zu entscheiden, wird kein Bezirksrichter imstande sein, aber dessen wird, das bin ich überzeugt, das österreichische Volk fähig sein. (Stürmischer Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Zum Worte gemeldet ist der Abgeordnete Dr. Seipel. Ich erteile ihm das Wort.

Abgeordneter Dr. Seipel: Hohes Haus! Es trieb mich nicht der Ehrgeiz, in dieser Debatte auch noch mitgesprochen zu haben, dass ich den Herrn Präsidenten um das Wort gebeten habe. Aber die Ausführungen, die wir gehört haben, veranlassen mich, doch zu einigen Feststellungen.

Von Seiten der Herren der sozialdemokratischen Partei wird jetzt offensichtlich das Verhalten
des Herrn Abgeordneten Skaret im Gemeinderate entschuldigt, und zwar schon
 so weit, dass es wie ein indirektes Um-Entschuldigung-bitten

aussieht. (Lebhafte Rufe: Im Gegenteil!) Diesen Eindruck werden alle gehabt haben, welche Gelegenheit hatten, gleich mir meine Vorredner von der sozialdemokratischen Partei zu hören.

Es wird darauf hingewiesen, und zwar immer wieder, dass es die Traditionen dieses Hauses seien, in einem solchen Falle nicht auszuliefern. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von der christlichsozialen Partei haben den Eindruck, dass der Fall ein ganz außerordentlicher und ungewöhnlicher ist. Die Art, wie der Herr Abgeordnete Skaret im Gemeinderat vorgegangen ist, ist eben eine solche, dass hier Traditionen nicht vorhanden sind.

Ferner wurde zur Entschuldigung des Abgeordneten Skaret vom Herrn Dr. Bauer angeführt, es sei eben begreiflich, dass er nach der Kenntnisnahme von diesen Dokumenten leidenschaftlich erregt war und dann in der leidenschaftlichen Erregung die Vorwürfe gemacht habe, die jetzt inkriminiert werden. Mir wird von Seiten solcher, die Zeugen dieses Vorkommnisses waren, etwas ganz anderes erzählt. Diese haben aus der Sitzung den Eindruck mit nach Hause gebracht, dass das eine — wie wir überzeugt sind, aus demagogischen Absichten in der Wahlzeit — wohl vorbereitete und mit aller Kühle vorgebrachte Äußerung gewesen ist.

Es wird weiter darauf hingewiesen, dass das Beweismaterial, das uns Herr Abgeordneter Dr. Adler mit großen Einleitungsworten angekündigt hat, als ob jetzt die größten Enthüllungen kommen würden, auf welche die ganze Welt horchen müsste, natürlich einen Abgeordneten wie den Herrn Skaret in eine solche leidenschaftliche Erregung versetzen musste. Niemand — das kann ich Ihnen verraten — war nach dieser großartigen Einleitung des Herrn Dr. Adler mehr gespannt, was da herauskommen könnte, als wir Christlichsoziale, weil wir ja am wenigsten eine Ahnung hatten, dass irgendetwas vorhanden sein könnte, was uns wirklich politisch kompromittieren könnte.

Und was hat nun Herr Dr. Adler vorgebracht? Er hat vorgebracht, dass durch einen christlichsozialen Journalisten, der gewiss, das leugne ich nicht, eine gewisse Vertrauensstellung in unserer Partei genießt (Hört! Hört!), Nachrichten .... (Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Aus vertraulichen Sitzungen des Hauptausschusses und des Ausschusses für Äußeres!) Ich bitte, lassen Sie mich reden, Herr Dr. Bauer! Sie waren so gereizt, wenn Ihnen Zwischenrufe gemacht wurden, dass ich bitten muss, nun auch mich sprechen zu lassen. Es wurde vorgebracht, dass dieser christlichsoziale Journalist Nachrichten hin- und hergetragen habe. In keinem einzigen dieser Punkte wurde irgendein Beweis dafür vorgebracht oder auch nur versucht, dass er den Auftrag gehabt hätte, von uns aus etwas Besonderes drüben auszurichten, bis vielleicht auf einen einzigen Fall, wo es sich um einen Rat in der Frage handelte, ob nach unserer Meinung die ungarischen Politiker klug daran täten, den Friedensvertrag zu unterschreiben oder nicht.

Was das übrige Material anlangt, so ist nicht das Material interessant, sondern interessant ist für uns die Art, wie es hier verwertet wurde. Während in der Vorlesung der Akten zum Beispiel nur davon die Rede war, dass der betreffende Journalist von gewissen Dingen Kenntnis erhalten haben soll — auf welchen Wege ist ja dort nicht einmal angedeutet —, die auch mit gewissen Äußerungen im Hauptausschusse oder im Ausschusse für Äußeres im Zusammenhange stehen, hat Herr Dr. Bauer zu meiner großen Verwunderung — denn gerade von ihm hätte ich es nicht erwartet — in seiner Rede die Sache so dargestellt, als ob der ungarischen Gesandtschaft direkt von einem christlichsozialen Abgeordneten Mitteilungen zugeschickt worden wären, während es sich doch im äußersten Fall höchstens um eine Zwischenträgerei eines Journalisten handelt (Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Erlauben Sie die Frage, Herr Professor, woher weiß dieser christlichsoziale Journalist geradezu wörtlich ganze Sätze aus den Berichten über geheime Verhandlungen?) Das ist eine andere Frage. (Zwischenrufe.)

Bitte, lassen Sie mich reden, meine Herren! Es steht wirklich, scheint es, in dieser Sache sehr schlecht mit Ihnen, dass Sie nicht einmal ein Wort von uns vertragen können. (Erneute Zwischenrufe.) Auf diese Frage habe ich vorhin Antwort gegeben.

Wenn man das Material der strengsten Deutung unterziehen wollte, könnte diese Deutung nur dahin gehen, dass der betreffende Journalist auf irgendeinem Wege von einem Bericht über eine solche Sitzung, der von irgendjemandem erstattet worden ist, eine Auskunft erlangt hat. Es mag korrekt oder nicht korrekt gewesen sein, dass solche Berichte erstattet wurden. Aber das, was Dr. Bauer daraus gemacht hat, das steht in diesen Aktenstücken nicht darin.

Ein weiteres Beispiel, wie leichtfertig Namen hier in die Debatte gezogen worden sind, ist, dass in diesem „gravierenden" Tatsachenmaterial vorkommt, es habe ein hervorragendes Mitglied unserer Partei, das zugleich Mitglied des Kabinetts ist, sich des mehrfach erwähnten Journalisten bedient, um einen Tag auszumachen, an dem dieses Mitglied unserer Partei einen Gegenbesuch für einen Besuch machen könne, den der ungarische Gesandte selbstverständlich gemacht hat. Dass solche Beziehungen zwischen der ungarischen Gesandtschaft und
uns bestehen, dass man sich, wenn ein Besuch gemacht wird, dazu veranlasst sieht, einen

Gegenbesuch zu machen, wundert vielleicht die Herren, die erst gestern zu maßgebenderen Stellen im Staate emporgestiegen sind, nicht aber uns. (Stürmischer Beifall. — Zwischenrufe des Abgeordneten Dr. Adler. — Gegenrufe. — Lärm.) Aber, Herr Dr. Adler, Sie vertragen wirklich nicht, dass ich Ihnen antworte? Merkwürdig!

Zwei nicht uninteressante kleine Bemerkungen will ich noch hinzufügen. Soeben meldet mir Staatssekretär Mayr, dass er faktisch bis heute nicht dazugekommen sei, diesen Besuch des ungarischen Gesandten persönlich zu erwidern, er habe sich begnügen müssen, seine Karte zu schicken. Er kennt den Gesandten gar nicht persönlich. (Zwischenruf des Abgeordneten Eldersch.) Herr Abgeordneter Eldersch, vertragen Sie meine Antwort nicht? Vielleicht wende ich mich besser zur anderen Seite des Hauses, wenn man sich drüben so unsicher fühlt.

Ein zweiter Umstand, den ich in Erinnerung bringen möchte, ist folgender: Bedenken Sie doch, meine Herren, was es für Leute sind, die jetzt in der ungarischen Gesandtschaft sitzen, vor allem der Gesandte Dr. Gratz selbst, ein früherer ungarischer Minister, früherer Sektionschef im noch gemeinsamen österreichisch-ungarischen Ministerium des Äußeren. Ja, das sind Leute, die wir von früher her kennen, mit denen wir vielleicht in amtlichen Beziehungen standen und mit denen sollen wir nicht reden? Glauben Sie, dass es irgend einen Staat in der Welt gibt, in welchem die Gesandten auswärtiger Mächte nicht gelegentlich mit den Führern der politischen Parteien Zusammenkommen? Aber wissen Sie, meine Herren, was die Herren von der sozialdemokratischen Seite an dieser Sache so sehr kränkt? Sie wollten das Monopol des Verkehrs mit den Vertretern der auswärtigen Mächte allein haben! (Lebhafter Beifall. — Zwischenrufe.) Übrigens finde ich es sehr merkwürdig, wenn die Herren von der sozialdemokratischen Partei jetzt so empfindlich sind und aus einem gelegentlichen gesellschaftlichen Verkehr oder einem Gespräch über politische Angelegenheiten mit Ungarn eine Affäre zu machen versuchen. Es liegt doch die Zeit noch gar nicht so weit zurück, wo es umgekehrt gewesen ist, wo in Ungarn ein Béla Kun regiert hat und Sie mit ihm in der allerengsten Fühlung gestanden sind! (Stürmischer Beifall. — Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Dinghofer (welcher während vorstehender Ausführungen den Vorsitz übernommen hat, wiederholt das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um Ruhe.

Abgeordneter Dr. Seipel (fortfahrend): Der Herr Abgeordnete Austerlitz regt sich begreiflicherweise persönlich besonders auf, weil er in diese Affäre besonders tief verwickelt ist (Heiterkeit).

Deswegen macht er trotz aller Mahnungen immer wieder Zwischenrufe.

Etwas anderes war auch sehr merkwürdig in diesen Ausführungen. Zur Verhandlung stand eigentlich nur die Frage, ob der Abgeordnete Skaret ausgeliefert werden soll oder nicht. Da muss ich mit einer gewissen Bewunderung vom Abgeordneten Dr. Adler sprechen, mit welcher Geschicklichkeit er angefangen hat, von anderen Dingen zu reden. Besonders imponiert mir in dieser Beziehung auch die Geschicklichkeit des Abgeordneten Austerlitz. Während hier die Rede ist von der Klage des Abgeordneten Dr. Mataja gegen Skaret, wird jetzt dieser Klage durch die Verweigerung der Auslieferung ausgewichen, aber gesagt, man bitte, es möge doch ein anderer Herr einen anderen Herrn klagen. (Heiterkeit und Beifall. — Zwischenrufe des Abgeordneten Austerlitz.).

Präsident Seitz (der während vorstehender Ausführungen den Vorsitz wieder übernommen hat, das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen!

Abgeordneter Dr. Seipel (fortfahrend): So steht es, meine sehr geehrten Herren, um den Fall. Nach unserer Überzeugung müssten Sie, wenn Sie eine Aufklärung nicht zu scheuen hätten, selber die Auslieferung des Abgeordneten Skaret beantragt haben. Wenn ich mich frage, warum Sie das nicht taten, so haben wir ja Antworten auf diese Frage gehört. Aber mir kommt vor, es gibt vielleicht doch noch eine andere. Es könnte bei der Erörterung vor dem ordentlichen Gerichte vielleicht dann auch ein wenig der Weg beleuchtet werden, aus dem Sie, meine Herren, in den Besitz dieser Dokumente gekommen sind — soweit sie echt sind, ich weiß es nicht. Oder es könnte auch gerichtsordnungsmäßig festgestellt werden, wieviel von diesen Akten gefälscht ist, und dem suchen Sie, kommt mir vor, auszuweichen.

Zum Schlusse muss ich in dieser Sache, die uns sonst nicht erbittert, doch etwas sagen, und zwar im Namen der ganzen Partei, was wir wirklich schmerzlich empfinden. In den Äußerungen des Herrn Abgeordneten Dr. Adler ist zweimal der Ausdruck gefallen, dass die christlichsoziale Partei mit allen Mitteln der Lüge arbeiten wolle. Ihm billige ich ja in diesem Moment der großen Verlegenheit, in der er und seine Parteigenossen sind, die leiden­schaftliche Erregung zu, die entschuldigt, dass er solche Ausdrücke gebraucht hat. Aber ich begreife es nicht, dass der Präsident des Hauses, der heute vielleicht zum letzten Male auf diesem Ehrenstuhle sitzt, einer solchen unge­hörigen Äußerung gegen eine ganze Partei, nicht nur gegen einzelne Mitglieder, dem Vorwurf eines Arbeitens

mit allen Mitteln der Lüge, nicht entgegengetreten ist. (Stürmischer anhaltender Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Über diese Beschwerde habe ich, da ich mich eines solchen Ausdruckes nicht erinnern kann, die stenographischen Aufzeichnungen abverlangt. (Abgeordneter Dr. Otto Bauer: Aber dann auch die von Herrn Dr. Mataja!) Ich werde sie daraufhin prüfen, ob der Vorwurf gerechtfertigt ist. Es steht übrigens jedem Mitglied selbstverständlich frei, gemäß § 71 der Geschäftsordnung einen Ordnungsruf zu verlangen. Ich muss nur bitten, mir diese Ausdrücke zu bezeichnen. Natürlich kann ich es auch der Gegenseite nicht verweigern, wenn sie etwa eine Rüge gegenüber einem Ausdruck, der von der anderen Seite gefallen ist, verlangt.

Zum Worte gelangt der Abgeordnete Dr. Adler.

Abgeordneter Dr. Adler: Meine Herren! Es fällt mir natürlich nicht ein, auf das, was Professor Dr. Seipel zuletzt gesagt hat, irgendwie zu reagieren. Ich glaube, es ist ein Zeichen der Kraft dieses Hauses, dass es dieses sehr heikle Thema, das wir heute hier behandelt haben, in solcher Ruhe zu Ende führen kann, und ich glaube schon für mich in Anspruch nehmen zu dürfen, dass meine Ausführungen ohne persönlich zu bemängelnde Spitzen gewesen sind, sonst wäre diese Debatte nicht möglich gewesen. Es fällt mir auch nicht ein, auf die etwas kindliche Anschuldigung des Herrn Professors Dr. Seipel zu reagieren, dass er uns Sozialdemokraten zumutet, dass wir das Monopol des Verkehrs mit den Gesandtschaften suchen, dass wir Sozialdemokraten ausgesucht das Monopol des Verkehrs mit Horthy-Ungarn in Anspruch nehmen würden. (Heiterkeit) Es ist also für jeden ohne weiteres klar, dass diese ganzen Betrachtungen des Herrn Dr. Seipel aus jener Verlegenheit entsprungen sind, von der er so viel geredet hat. (Lachen.)

Was nun, meine Herren, den einen Schlager des Professors Dr. Seipel betrifft über die innigen Beziehungen, die früher zwischen Räteungarn und den Sozialdemokraten bestanden haben, so muss ich schon sagen, dass mich die tiefe Unkenntnis der gesamten Zeitungs- und Broschürenliteratur über den Kommunismus doch etwas Wunder nimmt beim Herrn Professor Seipel und er nicht weiß, was in jener Zeit vorgegangen ist. Es genügt mir bezüglich dieser innigen Beziehungen auf die eine Tatsache hinzuweisen, dass in jener Zeit der innigen Beziehungen der damalige ungarische Gesandte Czobel vom Abgeordneten Bauer, der damals Staatssekretär war, aufgefordert worden ist, Österreich zu verlassen (Zustimmung) und wenn wir etwas aus diesen ganzen Begebenheiten lernen können, so könnte es nur der Wunsch sein, dass es dem derzeitigen ungarischen Gesandten ebenso ergehen Möge. (Stürmischer Beifall und Händeklatschen.) Und nun, meine Herren, glaube ich, die Zeit des Hauses nicht weiter in Anspruch nehmen zu müssen. Wir können diese Debatte ausklingen lassen mit der Rede des Herrn Professor Seipel, in der zugegeben ist — und das ist für uns das Wesentliche —, dass das, was hier von uns vorgebracht worden ist, mit keinem Worte von den Rednern der christlichsozialen Partei bestritten worden ist. (Lebhafter anhaltender Beifall und Händeklatschen.)

Präsident: Es ist niemand mehr zum Worte gemeldet, die Debatte ist geschlossen. Das Wort hat der Berichterstatter.

Berichterstatter Dr. Ramek: Hohes Hans! Als Referent muss ich mir natürlich versagen, auf die politischen Ausführungen der Redner, die in der Debatte gesprochen haben, zurückzukommen. Doch werden Sie es begreiflich finden, dass ich, wenn ich schon spreche, in einer persönlichen Angelegenheit eine Bemerkung mache. In einem der Protokolle, die hier der Herr Abgeordnete Adler vorgelesen hat, wird auch mein Name genannt. Es wird darin die Mitteilung gemacht, ich hätte vertrauliche Mitteilungen über Béla Kun erstattet. Damit kein Missverständnis entsteht, erkläre ich, dass ich als Staatssekretär für Justiz weder dem Herrn Reich noch sonst jemandem in der ungarischen Gesandtschaft derartige vertrauliche Mitteilungen habe zukommen lassen, weder direkt noch durch einen Mittelsmann (Abgeordneter Eldersch: Dem Selig vielleicht!) Nicht einmal dem Selig.

Was nun die formelle Behandlung dieser Frage anlangt, so wurde sowohl vom Herrn Abgeordneten Dr. Adler als auch vom Herrn Abgeordneten Dr. Bauer auf die Traditionen dieses Hauses und des Verfassungsausschusses in der Behandlung von Immunitätsangelegenheiten hingewiesen, wenn es sich um Ehrenbeleidigungsklagen politischen Inhaltes handelte. Ich habe die Protokolle des Verfassungsausschusses ausgehoben, weil ja meine Erinnerung mich über das, was ich im Verfassungsausschuss mitgemacht habe, doch in einer Angelegenheit, die ja nicht von besonders großer Tragweite ist, im Stiche gelassen hat. Ich erinnere mich dunkel an den Fall des Abgeordneten Stöckler. Es ist eine kleine Sache gewesen. Er hat in einer politischen Versammlung einen Gegner Lügner genannt. Anlässlich dieses Falles wollte der Verfassungsausschuss zu einer prinzipiellen Regelung der ganzen Angelegenheit kommen.

Ich gebe zu, dass ich damals die Auffassung vertreten habe, es ginge nicht recht an, Abgeordnete, die im politischen Kampfe in einer politischen Versammlung eine Äußerung beleidigenden Inhaltes tun, auszuliefern. Aber ich erinnere Sie, meine Herren, und insbesondere die Herren von der sozialdemokratischen Partei, dass diese meine Auffassung damals vom Ausschusse nicht akzeptiert wurde, dass ihr widersprochen worden ist, dass gerade die sozialdemokratische Partei damals erklärt hat, es gehe nicht an, ohne weiteres alle Ehrenbeleidigungen von Abgeordneten .... (Zwischenruf: Aber der Beschluss des Ausschusses!) Ich habe die Protokolle hier, ich werde darauf zu sprechen kommen .... es gehe nicht an, dass man jedermann gegen Beleidigungen von Abgeordneten einfach vogelfrei erkläre. Es ist also zu einer Einigung nicht gekommen. Der Ausschuss hat damals die Behandlung der Frage vertagt. Man hat versucht, eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen. Der Abgeordnete Dr. Schacherl und ich sind damals vom Ausschuss damit betraut worden, aber wir sind auch zu keiner prinzipiellen Einigung gekommen und schließlich berichtet das Protokoll vom 24. April 1919 (liest): „Dr. Schacherl berichtet über den Versuch, die grundsätzliche Haltung der Partei in Immunitätsangelegenheiten herbeizuführen. Der Versuch hat zu keiner Einigung geführt, weshalb von Fall zu Fall entschieden werden muss."

Ich habe dann noch in einem zweiten Protokoll vom 19. November 1919 auch wiederum einen Passus gefunden, aus dem hervorgeht, dass der Verfassungsausschuss ein zweites Mal versucht hat, eine prinzipielle Einigung herbeizuführen. Ich mache darauf aufmerksam, dass in diesem Protokoll mehrere Immunitätsangelegenheiten, auch Ehrenbeleidigungen, behandelt werden. Der Ausschuss hat beschlossen, die Auslieferung zu beantragen beim Abgeordneten Witternigg, beim Abgeordneten Austerlitz, Austerlitz kontra Graf Sternberg. Austerlitz kontra Sedlak .... (Abgeordneter Dr. Adler: Als verantwortlicher Redakteur! Das ist ein ganz anderes Problem!) Ich bitte sehr! Schließlich und endlich kann sich doch der Abgeordnete Austerlitz und der Redakteur Austerlitz nicht in zwei Teile teilen; es ist dieselbe Person und es hat sich auch um politische Angelegenheiten gehandelt.

Dann hat der Herr Abgeordnete Geißler in zwei Fällen den Antrag gestellt, dem Auslieferungsbegehren keine Folge zu geben und zum Schlusse hat dann der Ausschuss beschlossen: Abgeordneter Rieger wird ersucht, dem Ausschusse ein Referat über das prinzipielle Verhalten des Verfassungsausschusses in Immunitätsangelegenheiten zu erstatten. Ich habe aber — ich war dann mehrere Monate nicht im Verfassungsausschusse — aus den Protokollen nicht entnommen, dass der Herr Abgeordnete Rieger diesen Bericht gehalten hat.

Ich stelle also fest, dass Traditionen nicht bestehen, zumindest besteht kein prinzipieller Beschluss des Verfassungsausschusses, dass bei Ehrenbeleidigungsklagen mit politischem Charakter eine Auslieferung nicht stattzufinden habe, sondern der Ausschuss hat bisher immer die Praxis geübt, von Fall zu Fall zu entscheiden. Daher hat sich die Mehrheit des Verfassungsausschusses auch diesmal auf den Standpunkt gestellt, ganz besonders, losgelöst von allen Traditionen oder vielleicht im Einklang mit der bisherigen Übung, diesen Fall Dr. Mataja-Skaret zu behandeln. Ich glaube, wenn die Mehrheit des Verfassungsausschusses dem hohen Hause den Antrag stellt, den Abgeordneten Skaret auszuliefern, so hat die Mehrheit des Verfassungsausschusses das wohl begründet getan.

Ich glaube, dieses Verlangen ist umso berechtigter, als uns die heutige Debatte und das Material, das hier vorgetragen worden ist, geradezu die Pflicht aufdrängt, die Angelegenheit vor dem objektiven Richter zu behandeln und dort zur endgültigen Entscheidung zu bringen. Ich wiederhole daher den von mir früher gestellten Antrag auf Auslieferung des Abgeordneten Skaret.

Präsident: Hohes Haus! Wir schreiten zur Abstimmung. Der Antrag, den der Herr Referent namens des Verfassungsausschusses stellt, lautet auf Zustimmung zur strafgerichtlichen Verfolgung des Herrn Abgeordneten Skaret über Begehren des Bezirksgerichtes Josefstadt.

Ich bitte diejenigen Abgeordneten, welche dem Antrage des Ausschusses zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)

Ich bitte die Herren Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen, und ersuche die Abgeordneten, während der Auszählung stehen, beziehungsweise sitzen zu bleiben. (Rufe: Es ist die Minderheit!) Ich glaube, es dürfte sich tatsächlich eine Auszählung erübrigen; es wird auch hier gesagt, dass es die Minderheit ist. (Abgeordneter Schönsteiner: Ich bitte um Konstatierung des Stimmenverhältnisses! — Nach Auszählung des Hauses:)

Für den Antrag des Herrn Berichterstatters haben sich 48 Abgeordnete ausgesprochen, gegen ihn 62, der Antrag ist daher abgelehnt.

Es wurde vorhin vom Abgeordneten Dr. Seipel Beschwerde geführt, dass ein vom Abgeordneten Dr. Adler gebrauchter Ausdruck nicht gerügt wurde. Ich habe den Abgeordneten Dr. Seipel unter Vorlage der stenographischen Aufzeichnungen ersucht, mir die Stelle oder die Ausdrücke bekanntzugeben, die er gerügt wissen will. Er hat aber auf eine weitere Verfolgung der Sache verzichtet. Damit ist dieser Gegenstand erledigt.

Zur Beantwortung einer heute gestellten Interpellation erteile ich dem Herrn Staatssekretär für Heereswesen das Wort.

Staatssekretär für Heereswesen Dr. Deutsch: Hohes Haus! Die Herren Abgeordneten Fink und Genossen haben an den Staatssekretär für Heereswesen folgende Anfrage gerichtet (liest):

„Gelegentlich einer Wählerversammlung, die am 30. September in Breitensee stattgefunden hat, haben sich infolge gewaltsamer Dazwischenkunft einer großen Zahl von bewaffneten Angehörigen der Wehrmacht Vorfälle ereignet, die über den Rahmen gewöhnlicher Versammlungssprengungen weit hinausgehen.

Abgeordneter Kunschak, der in dieser Versammlung das Wort ergriff, wurde durch wiederholte Zwischenrufe unterbrochen. Als diese Störungen schließlich zu einem Tumult ausarteten, gelang es den Ordnern, die Störenfriede aus dem Saale zu drängen und die Ruhe wieder herzustellen. Daraufhin erschienen ungefähr 50 Volkswehrmänner aus der nahen Breitenseerkaserne, teils mit Seitengewehren, teils mit Stöcken, einige angeblich sogar mit Gewehren bewaffnet, drangen gewaltsam in den Saal, wo sie auf die Zunächststehenden mit Sesseln und Stöcken einhieben. Einer der, eindringenden Wehrmänner gab einen Schuss ab, wodurch die im Saale herrschende Panik auf das äußerste gesteigert wurde. Viele Teilnehmer flüchteten, Tische und Stühle wurden umgeworfen, einzelne Versammlungsteilnehmer, namentlich Frauen, stürzten zu Boden. Schließlich wurden von den Wehrmännern die verschiedenen Ausgänge blockiert und nur den Frauen unbehindert der Austritt aus dem Saale gestattet. Die Männer, unter welchen man den Abgeordneten Kunschak vermutete, wurden kontrolliert und mehrere in schwerster Weise misshandelt. Mit schwerer Mühe gelang es dem Polizeiaufgebot, notdürftigst die Ordnung herzustellen.

Dieser Vorfall rief im Bezirke und in der Folge in ganz Wien ungeheure Erregung und Erbitterung hervor.

Es ist selbstverständlich, dass gegen die Schuldtragenden mit rücksichtsloser Strenge vorgegangen werden muss.

Die Gefertigten stellen daher an den Herrn Staatssekretär für Heereswesen die Anfrage:

„1. Gedenkt der Herr Staatssekretär den geschilderten Vorfall auf das genaueste zu untersuchen und die Schuldtragenden der verdienten Strafe zuzuführen?

2. Wie gedenkt der Herr Staatssekretär derartige Vorfälle in der Zukunft unmöglich zu machen?"

Hohes Haus! Ich habe zu erwidern, dass ich jede Versammlungssprengung und auch diese auf das entschiedenste verurteile, dass ich sowohl in meiner Eigenschaft als Staatssekretär für Heereswesen als übrigens auch in meiner Eigenschaft als Politiker erkläre, dass ich alles tun werde, dass solche Vorfälle vermieden werden. Ich habe noch heute Morgens, bevor ich Näheres wusste, folgenden Befehl hinausgegeben (liest):

„Nach einer Zeitungsmeldung sollen gestern abends Angehörige der Wehrmacht eine Versammlung im XIII. Wiener Gemeindebezirk gesprengt haben. Ich ordne an, dass sich sofort eine Untersuchungskommission in die dem Versammlungslokale zunächst gelegene Breitenseer Kaserne zu begeben und eine strenge Untersuchung einzuleiten hat. Sollte es sich herausstellen, dass tatsächlich Wehrmänner versucht hätten, mit Gewalt in die erwähnte Versammlung einzudringen, dann ist ihre Bestrafung zu beantragen.

Ich benutze diese Gelegenheit, um nachdrücklichst zu erklären, dass ich jede im Wahlkampf erfolgte gesetzwidrige Handlung von Angehörigen der Wehrmacht auf das strengste ahnden werde. Wer die Meinung Andersgesinnter nicht zu hören verträgt, soll keine gegnerische Versammlung besuchen. (Zustimmung.) Wer versucht, Andersgesinnten seinen politischen Willen mit Gewalt aufzuzwingen, ist nicht würdig, den Rock des Wehrmannes zu tragen. (Beifall.) Er wird schonungslos aus den Reihen der Wehrmacht entfernt werden.

Dies ist allgemein zu verlautbaren.

Der Staatssekretär."

Dieser Befehl ist heute in sämtlichen Wiener Kasernen verlautbart und sofort telegraphisch an alle Garnisonsorte Deutschösterreichs gerichtet worden. Die Untersuchung selbst ist bereits eingeleitet. Sie ist vorläufig noch zu keinem Ergebnis gekommen, was ja auch in Anbetracht der Kürze der Zeit noch nicht möglich war. Mir wurde nur gemeldet, dass jedenfalls feststeht, dass, nicht wie in einigen Blättern behauptet worden ist, die Bereitschaft ausgerückt sei, um in die Versammlung einzugreifen. Die Bereitschaft ist nicht ausgerückt, sie wurde gerade während dieser Zeit mehrere Male inspiziert und war vollzählig am Platze, sowohl die Bereitschaft selbst, als auch die Kasernenwachen. Es hat niemand in der fraglichen Zeit gefehlt, es kann also nur sein, dass dienstfreie Wehrmänner an der Versammlung teilgenommen haben und, wie aus der Interpellation hervorgeht und wie auch sonst Nachrichten besagen, durch ihr Verhalten dazu beitrugen, dass die Versammlung nicht hat stattfinden können.

Wenn ich nun gefragt werde, was ich zu tun gedenke, so antworte ich darauf: Ich werde

selbstverständlich die Untersuchung auf das genaueste zu Ende führen lassen und ich hoffe, dass die Untersuchung die Schuldtragenden wirklich feststellt. Wenn Schuldtragende festgestellt werden, so werden sie bestraft werden.

Wenn ich dann weiter gefragt werde, was ich für die Zukunft zu tun gedenke, so habe ich darauf zu erwidern, dass ja der Befehl, den ich die Ehre gehabt habe, hier zu verlesen, klar und deutlich genug ist. Ich werde nicht ermangeln, diesen Befehl auch in die Praxis umzusetzen. (Bravo! Bravo!) Denn, meine Herren, meine persönliche Überzeugung ist, dass jeder politische Kampf und auch der Wahlkampf mit geistigen Waffen geführt werden soll. Es ist jede Gewalttätigkeit zu vermeiden. Das geziemt einem gesitteten Volke, das geziemt aber insbesondere freien Bürgern einer demokratischen Republik. (Zustimmung.) Wenn ich dies sage, so ist es selbstverständlich, dass ich hier alle meine, dass ich einen Appell richte nach allen Seiten dieses Hauses. Da ich die Ehre habe, als einer der letzten Redner in diesem Hause zu sprechen, so möchte ich — und ich glaube, hier wohl im Sinne aller Abgeordneten des Hauses zu sprechen — dem Wunsche Ausdruck geben, dass der Wahlkampf, der vor uns steht, in einer solchen Weise geführt werde, dass wir alle mit gutem Gewissen sagen können: Wir haben alles getan, um ähnliche Vorkommnisse zu vermeiden, wir haben alles getan, dass der Wahlkampf so geführt werde, dass die Willensfreiheit jedes Bürgers und jeder Bürgerin gewahrt werde. (Beifall und Händeklatschen. — Zwischenrufe.)

Präsident: Hohes Hans! Formell und nach der Verfassung tagt die Konstituierende Nationalversammlung bis zum Zusammentritt des neu zu wählenden Nationalrates. Aber wenn nicht ganz außerordentliche Ereignisse eintreten, so ist die heutige Sitzung doch die letzte der Konstituierenden Nationalversammlung.

Wenn wir einen Rückblick auf unsere Arbeiten werfen, so sehen wir erst, wie sehr wir in der Fülle der Arbeit und in der Hast, in der wir die Geschäfte erledigen müssen, in der Sorge um die Existenz des Staates kaum Muße und Ruhe gefunden haben, diese Arbeit ganz zu ermessen. Und doch ist sie eine ungeheure.

Ich gedenke zunächst der Verfassungsgesetzgebung, die ich bereits gewürdigt habe. Ich glaube, dass die Nationalversammlung, indem sie diese Gesetze beschlossen hat, ihrem Namen Ehre gemacht und sich das Recht auf den Namen einer konstituierenden, einer verfassunggebenden Versammlung erworben hat.

Wir haben aber auch auf staatsfinanziellem Gebiete sehr viel geleistet. Wir haben ein Land übernommen, das durch den Friedensvertrag in die größten finanziellen Schwierigkeiten versetzt worden war. Zur Aufrechterhaltung der finanziellen Staatswirtschaft hat das Haus zunächst durch die Gesetze über die Führung des Staatshaushaltes und das Finanzgesetz 1919/20 und durch die Gesetze, betreffend Kreditoperationen, vorgesorgt. Zur Erlangung ausländischer Kredite und Gelder wurden die Gesetze über die Sicherstellung ausländischer Lebensmittel- und Rohstoffkredite durch Inanspruchnahme von im privaten Besitz befindlichen Goldmünzen und ausländischen Wertpapieren und durch Holzausfuhr und Verpfändung von Forstbesitz beschlossen. Außerdem wurde das Gesetz, womit die Staatsregierung zur Verpfändung, Veräußerung und Ausfuhr einzelner Gegenstände aus staatlichem Besitz ermächtigt wird, erledigt, ebenso das Gesetz über die Verwertung des Tabakmonopols als Sicherstellung zur Beschaffung ausländischer Zahlungsmittel. Die Regierung wurde ferner zu vorläufigen Verfügungen im Notenbankwesen und zur Erlassung eines Zahlungs- und Annahmeverbots ermächtigt. Für die Übernahme österreichischer Kriegsanleihe, als Schuld der Republik Österreich wurden die Voraussetzungen festgelegt. Ein neues Monopol, das für Mineralwässer, wurde eingeführt. Zu den neuen Steuer- und Gebührengesetzen, die bei der kritischen Lage der Staatsfinanzen notwendig wurden, gehören die Brotauflage von 1919, die Gesetze über die Eisenbahnverkehrssteuern, wegen Erhöhung einiger Verbrauchsabgaben, über die allgemeine Erwerbsteuer und die Grundsteuer, über die Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten, das Spielabgabengesetz und das Staatszuschlagsgesetz vom Jahre 1920. Schließlich sind nach mühevollen Verhandlungen auch die zwei schwerstwiegenden Gesetze auf diesem Gebiete zustande gekommen, das Gesetz über die einmalige große Vermögensabgabe und die Personalsteuernovelle vom Jahre 1920.

Eine Erleichterung für die Gemeinden bedeutet das Gemeindeüberweisungsgesetz. Für volkswirtschaftlich wichtige Investitionen sind Steuerbegünstigungen zugestanden worden.

Im Unterrichtswesen hat das Haus eine bedeutsame Neuerung mit dem Gesetz über die Errichtung von Staatserziehungsanstalten eingeleitet, es hat aber auch durch die Mitarbeit des Unterrichtsausschusses bei dem großen und vielgestaltigen Werk der Schulreform Anteil genommen.

Von den erledigten Justizgesetzen sind die die Gesetze über die Abschaffung der Todesstrafe und
über die Friedensamnestie politisch wichtig; das Haus hat die Streitwertnovelle, die
zweite Gerichtsentlastungsnovelle, das Gesetz über die

Parteienvertretung durch Frauen, die beiden Strafprozessnovellen von 1920, von denen die erstere die Schöffengerichte einführt, und die Strafgesetznovelle von 1920, das neue Urheberrechtsgesetz, die Genossenschaftsgesetznovelle 1920 und das Gesetz über die bedingte Verurteilung genehmigt.

Zu Angelegenheiten der Industrie, des Gewerbes und des Handels sind hervorzuheben die Gesetze über die Bestrafung von Übertretungen der Einfuhr-, Durchfuhr- und Ausfuhrverbote, über die Errichtung von Einigungsämtern für Streitigkeiten aus bestimmten Lieferungsverträgen, über Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie, über die Ermächtigung der Regierung zu zoll- und handelspolitischen Verfügungen, dann das Zollgesetz, das Sachabrüstungsenteignungsgesetz, das Gesetz über die Umwandlung der Exportakademie zu einer Hochschule für Welthandel und die drei Gesetze über die Regelung des Verkehrs mit Getreide und Mahlprodukten.

Für die Land- und Forstwirtschaft von Bedeutung sind das Abtorfungsgesetz, das Wiederbesiedlungsgesetz, das Grundverkehrsgesetz und das Gesetz, betreffend die Neuordnung der Agrarbehörden und das Zusammenlegungsverfahren.

Einem verkehrstechnischen Projekt von größter Tragweite hat das Haus seine Zustimmung erteilt, indem es die Einführung dcr elektrischen Zugförderung auf den Staatsbahnen beschlossen hat; ein besonderes Gesetz trifft eine vorläufige Regelung der Luftfahrt.

Eine außerordentlich fruchtbringende Tätigkeit hat die Nationalversammlung in allen Zweigen der Sozialpolitik, zumal des Arbeiterrechtes und Arbeiterschutzes und der Arbeiterversicherung entfaltet. Es sind ergangen in chronologischer Reihenfolge das Bäckereiarbeitergesetz, die Gesetze über das Verbot der Nachtarbeit der Frauen und Jugendlichen in gewerblichen Betrieben, über die Mindestruhezeit, den Ladenschluss und die Sonntagsruhe in Handelsgewerben, über die Errichtung von Betriebsräten, das Bergarbeitergesetz, die vierte Novelle zum Krankenversicherungsgesetz, das Arbeiterurlaubsgesetz, die vierte Novelle zum Unfallversicherungsgesetz, das Gesetz, betreffend Änderungen in der Unfallversicherung der Bergarbeiter. Sodann wurden beschlossen die Gesetze über den achtstündigen Arbeitstag, die Gesetze über die Errichtung von Einigungsämtern und über kollektive Arbeitsverträge, über die Pensionsanstalt für Angestellte und die Liquidierung ehemals gemeinsamer Sozialversicherungseinrichtungen, über die Errichtung von Arbeiterkammern, ferner das Hausgehilfengesetz, die Gesetze über die Arbeitslosenversicherung, über Teuerungszulagen zu Unfallsrenten, über Zuschüsse zu den Provisionen der Bergwerksbruderladen, über Änderung der Lohnklasseneinteilung in der Krankenversicherung der Arbeiter, über die Erhöhung des zur Unfallversicherung anrechenbaren Arbeitsverdienstes (V. Novelle zum Unfallversicherungsgesetz), über die Pensionsversicherung von Angestellten. Vornehmlich sozialpolitischer Natur ist auch ein zum Schutze geistiger Arbeiter erflossenes Gesetz, das Journalistengesetz.

Zahlreich sind auch die gesetzlichen Maßnahmen, die das Haus in Bezug auf die Dienstverhältnisse, die Besoldung und die Ruhegenüsse der Staatsangestellten, der Professoren, Assistenten, und Lehrer, der Seelsorger, der Pharmazeuten, der Militärpersonen, der Gendarmerie und Polizei getroffen hat. Was die Staatsangestellten betrifft, sei namentlich auf das Besoldungsübergangsgesetz und das Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Staatsbediensteten hingewiesen.

Grundsteine zur Sozialisierung sind gelegt in den Gesetzen über die Vorbereitung der Sozialisierung, über das Verfahren bei der Enteignung von Wirtschaftsbetrieben und über gemein wirtschaftliche Unternehmungen.

Ein zukunftsreicher, in früherer Zeit allzu sehr vernachlässigter Teil der Gesetzgebung — die Pflege der Volksgesundheit — hat einige beispielgebende Neuerungen aufzuweisen. Es sind dies das Gesetz über die Errichtung von Volkspflegestätten, auch Schlössergesetz genannt, das Spielplatzschutz- und das Spielplatzanforderungsgesetz. Zur Bekämpfung von Krankheiten sind die Epidemiegesetznovelle und das Krankenanstaltengesetz beschlossen worden. Eine längst angestrebte Regelung haben die Rechtsverhältnisse der Zahntechniker erfahren.

Die Wehrmacht hat neue Einrichtungen erhalten, die zum Teil durch den Friedensvertrag vorgeschrieben waren. Es wurde das Militärabbaugesetz nebst einem Nachtrag angenommen, das Wehrgesetz, das Heeresgebührengesetz, das Heeresdisziplinargesetz. Hiezu kommen die Gesetze über die Folgen militärgerichtlicher Verurteilungen, die zweite Militärstrafgesetznovelle und das Gesetz über die Unterstellung der aktiven Heeresangehörigen unter die allgemeinen Strafgesetze, sodann das Gesetz, betreffend den Gewerbeantritt durch berufswechselnde Militärpersonen. Es sei auch noch das Gesetz, betreffend. das Schieß- und Sprengmittelmonopol, erwähnt.

Für die Kriegsinvaliden, deren Witwen und Waisen hat das Invalidenentschädigungsgesetz Vergütungen festgesetzt. In Angelegenheiten der Kriegsgefangenen und Internierten sind das Gesetz über die Kriegsgefangenen- und Zivilinterniertenfürsorge, die Unterhaltsbeitragsnovelle für Angehörige von

Kriegsgefangenen sowie das Gesetz über die Begnadigung von russischen und finnischen Kriegsgefangenen und Internierten beschlossen worden.

Die ersten Schatten, die der Friede von St. Germain auf unser Land geworfen hat, zeigen sich im Gesetz vom 21. Oktober 1919, durch das die Republik Deutschösterreich den Namen „Republik Österreich" annimmt. Ein Durchführungsgesetz zu diesem Friedensvertrag, das sich auf die Artikel 191 und 192 des Friedensvertrages bezieht, enthält die Verpflichtung zur Anzeige von Urkunden, Kunstgegenständen usw. aus den besetzten oder abgetretenen Gebieten. Wir haben den Staatsvertrag von St. Germain, der am 10. September 1919 unterzeichnet wurde, am 17. Oktober 1919 hier genehmigt, wie es unter dem außerordentlichen Zwange, unter dem wir standen, unsere Pflicht war. Der Präsident der Nationalversammlung — es war dies wohl einer der traurigsten seiner Akte — hat den Friedensvertrag am 25. Oktober 1919 ratifiziert. In Kraft getreten ist er am 16. Juli 1920. Einige Durchführungsgesetze hiezu sind noch angenommen worden.

Um den Stand der Bevölkerung festzustellen, der der Republik den Friedensbestimmungen gemäß verblieben ist, ordnete die Nationalversammlung eine außerordentliche Volkszählung an.

Inzwischen musste die Nationalversammlung bedacht sein, den Grund zur kommenden Volksvertretung zu legen. Zu diesem Behufe wurde die Gesetzgebungsperiode der konstituierenden Nationalversammlung abgekürzt und einstweilen Bestimmungen für die Wahl der Staatsregierung getroffen. Die neue Wahlordnung für die Nationalversammlung wurde angenommen und deren Wahl und Einberufung vorgeschrieben.

Auf staats- und verfassungsrechtlichem Gebiet hat die Nationalversammlung, nachdem sie sich ein neues Geschäftsordnungsgesetz und eine neue Geschäftsordnung gegeben, vor allem die Gesetze über die Staatsform, über das besetzte Gebiet, über die Volksvertretung und über die Staatsregierung beschlossen. Später wurde geschaffen das Gesetz, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, das hernach noch ergänzt wurde und auf das sich die Stiftung des Kriegsgeschädigtenfonds stützt. Weiterhin sind die republikanischen Einrichtungen durch die Abschaffung der nicht im Völkerrecht begründeten Exterritorialität und durch die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden ausgebaut worden. Ein neues Staatswappen und das Staatssiegel tragen die Embleme der Republik. Hier sei auch der gesetzlichen Erklärung des 12. November und des 1. Mai zu Ruhe- und Festtagen gedacht.

Einige andere hiehergehörige Gesetze sind die über die Übertragung der Aufgabe des ehemaligen Staatsgerichtshofes auf den Verfassungsgerichtshof, über die Abänderung des Gesetzes über das Staatsbürgerrecht und über die Mitwirkung der Nationalversammlung an der Regelung von Eisenbahntarifen, Postgebühren, Preisen der Monopolgegenstände und von Bezügen der in staatlichen Betrieben Angestellten.

Die Republik Deutschösterreich, wie sie durch unsere Verfassungsgesetze geschaffen ist, wird hoffentlich für alle Zeiten gesichert sein. Die einstimmige Annahme des Verfassungsgesetzes bietet uns die Garantie dafür.

Wir werden in diesen Wahlen heftige Kämpfe haben. Aber hoffen wir, dass in diesen Kämpfen die Überzeugung siegreich hervorgeht, dass die Republik feststeht und dass sie sich aus dem Elend, in das uns der Friede von St. Germain gestürzt hat, wieder erheben wird.

In diesen Wahlen wird der weitere Ausbau der Verfassungsgesetzgebung bestimmt werden. Nicht weniges ist zur Entscheidung zurückgeblieben. Wir werden in der künftigen Nationalversammlung über die ganze Verwaltungsorganisation, über die Schulgesetzgebung, über die Finanzverfassung und über die Austeilung der öffentlichen Mittel auf den Staat, die Länder und Gemeinden zu entscheiden haben. Der Ausgang der Wahlen wird für diese Arbeiten der künftigen Nationalversammlung bestimmend sein. Hoffen wir, dass in dieser Wahlbewegung bloß die Ideen und nicht physische Kräfte gegeneinander ringen und dass wir in der Erkenntnis unserer gemeinsamen Not nicht zu hart aneinander geraten. Wollen wir, wie das eben jetzt gesagt worden ist, diesen Kampf mit den Waffen des Geistes führen und wollen wir alle Versuche unterlassen, sie mit Gewalt oder mit Terror auszutragen.

Wenn dies geschieht, dann können wir auch hoffen, dass aus diesen Wahlen eine Nationalversammlung hervorgeht, die ihrer schweren Aufgabe gerecht werden kann und das schwere Werk der Verfassung vollendet.

Ich hoffe, viele von den Frauen und Männern, die diese Nationalversammlung gebildet haben, beim Zusammentritt des neuen Nationalrates wiederzusehen. Diejenigen, die nicht mehr als unsere
Kollegen wiederkehren, mögen versichert sein, dass wir ihrer und der gemeinsamen Arbeit, in der wir
 

uns in so harter und schwerer Zeit zusammengefunden haben, immer gedenken werden.

Wir werden uns emporarbeiten, wenn jeder von uns seine Pflicht erfüllt, wir werden das unglückliche Volk Deutschösterreichs emporbringen, seinen Mut und seine Kraft stählen und wir werden die Republik sichern für alle Zeiten, auf dass sie eine wirkliche Heimstätte sei für dieses Volk, das so viel gelitten hat.

Ich will die, wie ich glaube, letzte Sitzung der Nationalversammlung schließen, indem ich Sie einlade, einzustimmen in den Ruf: Es lebe die Republik! (Lebhafte, allseitige dreimalige Hochrufe.)

 

 

Schluss der Sitzung: 5 Uhr 10 Minuten nachmittags.

 

 

 

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