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der Abgeordneten Kier, Motter und Partner/innen
betreffend Umstrukturierung der Transferleistungen im Familienbereich
In der Absichtserklärung des Regierung.sübereinkommens 1994 war bereits
nachzulesen, daß soziale Leistungen sich in Zukunft verstärkt am Einkommen orientieren
sollen - im Wahlkampf 1995 wurde diese Notwendigkeit erneut herausgestrichen.
Allerdings wurde weder im Sparpaket I - das eine lineare Kürzung der Familienbeihilfen
vorgenommen hat - noch in den Verhandlungen zum Sparpaket II diesem Grundsatz
ausreichend Rechnung getragen. Nach wie vor wird an einer einkommensunabhängigen
Auszahlung der Familienbeihilfen festgehalten; lediglich bei den Geburtenbeihilfen - die in
Summe nur einen Bruchteil der Kosten der Familienbeihilfen verursachen - wird über
eine einkommensabhängige Staffelung nachgedacht. Das immer wieder ins Spiel
gebrachte Argument, daß eine solche Staffelung verfassungswidrig wäre, läßt sich nicht
aufrecht erhalten, wenn man die Rahmenbedingungen entsprechend gestaltet.
Auch die Studie " Ob arm, ob reich für alle gleich?"; die von der Gewerkschaft
der Privatangestellten in Auftrag gegeben wurde, und sich mit der Verteilungswirkung
von Sozialleistungen befaßt, kommt zu dem Schluß, daß das Gießkannenprinzip im
Bereich der Familienbeihilfen nicht mehr beibehalten werden sollte. Einige Zitate aus dem
Resumee der Studie verdeutlichen worum es geht:
"Wie bisher aufgezeigt wurde, sind die familienpolitischen Leistungen nicht sozial
ausgewogen. ( ) Eine soziale Familienpolitik muß über eine familienbezogene
Forderungspoliti k hinausgehen und sich für die soziale Besserstellung der unteren
Einkommensbezieher/innen einsetzen. ( ) Die Zahlen sprechen wohl für sich. Es geht
um eine grundsatzliche Entscheidung: Sollen Familien an sich gefordert werden,
unabhangig von sozialer Bedurftigkeit, oder will man Kindern helfen, die unter tristen
sozialen Bedingungen heranwachsen und genauso triste Zukunftsperspektiven vor sich
haben ? ( ) Familienpolitik sollte endlich ihren ideologisehen Charakter verlieren und sich
in erster Linie um die Lebensbedingungen kümmern, unter denen Kinder in unserer
Gesellschaft heranwachsen "
Auch eine Wifo Studie uber die Umverteilungswirkung von Steuern und Sozialleistungen
gelangt zu ähnlichen Schlussen. 49.5% aller Bildungsausgaben kommen jenem Drittel der
Haushalte zug.ute. das die hochsten Einkommen hat. Das Arme Drittel erhält nur 15,3%.
Das obere Einkommensdrittel lukriert 45, 5% der Familienbeihilfen, das untere
Einkommensdrittel hingegen nur 17,0 %. Konsequenterweise folgert das Wifo : Wer das
Budget vorallem auf Kosten der besser Verdienenden sanieren will, muß in diesen
Bereichen einsparen
Die Studien belegen, daß nahezu alle Leistungen aus dem FLAF unabhängig von
der jeweiligen Einkommenssituation zur Verfügung stehen. Aus oben dargelegten
Gründen halten wir eine Strukturmaßnahme dahingehend, daß bei Transferleistungen,
wie der Familienbeihilfe und der Geburtenbeihilfe - die schließlich über das Instrument
des Familienlastenausgleichsfonds von allen Österreichern finanziert werden - sehr wohl
auf die ftnanzielle Situation der Eltern Bedacht g.enommen werden sollte, für notwendig.
Die derzeit im Einkommenssteuergesetz g.eregelten Kinderabsetzbeträge haben als solche
zu entfallen - die rd 10 Mrd. die dem Steuerzahler durch eine solche Maßnahme an
Steuerbegünstigung " verloren " gehen, müssen selbstverständlich - ebenso wie die Gelder
die derzeit uber den Familienlastenausgleichsfonds als Familienbeihilfe ausbezahlt werden
- in einem Topf konzentriert werden, so daß über diesen eine gerechte Verteilung der
Gelder erfolgen kann. Als Ausgleich könnten in einem ersten Schritt die entsprechenden
Dienstgeberbeiträge gesenkt werden, was durch die damit einhergehende
Lohnnebenkostensenkung, wiederum einen positiven beschäftigungspolitischen Effekt
verspricht. Mittel- bis langfristig sind die derzeit von Dienstgebern geleisteten Beiträge
für die Familienleistungen gänzlich durch Gelder, die über die Energiesteuer dem Staat
zufließen, zu ersetzen. Auch das Karenzurlaubszuschußgesetz (KUZuG) und die
Familienzuschläge im AlVG mussen angepaßt werden.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
der Nationalrat möge beschließen
" Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, die eine
Reform der familienpolitischen Transferleistungen unter Zugrundelegung folgender
Prinzipien vornimmt.
* Jedes Kind hat das Recht auf ein Existenzminimum.
* Jedes Kind hat aufgrund des geltenden Unterhaltsrechtes gegenüber seinen Eltern
Unterhaltsansprüche - wobei entsprechend den Bestimmungen im ABGB der Elternteil,
der kein Erwerbseinkommen erbringt und den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut,
dadurch seinen Beitrag leistet. Ein solcher in Natura erbrachter Unterhalt ist fiktiv zu
bewerten. ( Bemessungsgrundlage)
* Entsprechend den Bestimmungen des § l 40 Abs. 3 ABGB wirken eig.ene Einkünfte der
Kinder anspruchsmindernd.
* Als Einkommen der Unterhaltspflichtigen ist in diesem Zusammenhang das Zwölftel
des verfügbaren J ahresnettoeinkommens zu verstehen.
* Sowohl Unterhaltsanspruche, als auch Existenzminima sind - entsprechend dem
geltenden Unterhaltsrecht - abhängig vom Alter des Kindes (steigend) und der Anzahl
der Geschwister, bzw. sonstiger Unterhaltsverptlichtungen (degressiv) zu gestalten; in
Summe dürfen Unterhaltsansprüche gegenüber einem Elternteil jedoch 70% des
jeweiligen Einkommens nicht übersteigen.
* Reicht die Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen in Summe nicht aus, das
Existenzminimum der Kinder zu decken, dann besteht ein Anspruch auf Transferleistung
in der Höhe der Differenz. Reicht die Leistungsfähigkeit der Unterhaltsptlichtigen aus,
die Existenzminima aufzubringen, so ist eine Transferleistung zur Befriedigung der
Kinderansprüche nicht nötig.
* Das festzusetzende Existenzminimum für im Ausland lebende Kinder hat sich an der
Kaufkraftparität des entsprechenden Landes zu orientieren, wobei jedoch die in
Österreich gültigen Existenzminima Obergrenzen darstellen
* Für behinderte Kinder soll unter Bedachtnahme auf die Möglichkeiten, die das
Pflegegeldgesetz bietet, analog der erhöhten Familienbeihilfe ein erhöhtes
Existenzminimum festgesetzt werden, so daß sich die neu zu erbringenden
Transferleistungen am höheren Bedarf bemessen.
* Anspruche fur Familientransfers sind antragsbedürftig. Die Abwicklung des
Familientransfers hat uber die Finanzämter unter Zugrundelegung der Daten aus der
allgemeinen Veranlagung zu erfolgen, wobei die Einkommen der Elternteile getrennt zu
berücksichtigen sind.
* Die familienbezogenen Bestimmungen im § § 33 und 34 EStG haben zu entfallen.
dadurch entstehende Mehreinnahmen für den Staat über die Einkommenssteuer haben
einem neuen Fonds zugerechnet zu werden. Mittelfristig ist vorzusehen, daß die
derzeitigen Dienstgeberbeiträge in den FLAF schrittweise und aufkommensneutral aus
Mitteln der ökologischen Steuerreform ersetzt werden, so daß mit dieser Reform auch
eine Senkung der Lohnnebenkosten und ein positiver beschäftigungspolitischer Effekt
erreicht werden kann.
* Das FLAG hat entsprechend den hier beschriebenen Grundsätze überarbeitet und den
neuen Gegebenheiten angepaßt zu werden.
* Das KUZuG und die FamiIienzuschläge über das AlVG mussen entsprechend den hier
beschriebenen Grundsätzen novelliert werden. bzw können sie großteils entfallen."
In formeller Hinstcht wird die Zuweisung an den Sozialausschuß beantragt.