152/AE
der Abgeordneten Dr. Haider, Scheibner, Apfelbeck, Dkfm. Bauer, Mag. Haupt, Ing. Meischberger,
Dr. Ofner, DI Schöggl, Mag. Stadler und Kollegen
betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit den Vertragspartnern des Nordatlantikvertrages
über einen Beitritt Österreichs zum NATO-Vertrag
Der Zerfall der kommunistischen Herrschaft in Ost- und Ostmitteleuropa sowie das
Zusammenbrechen der Sowjetunion sind welthistorische Ereignisse, die die sicherheitspolitische
Lage der Staaten Europas - natürlich auch diejenige Östereichs - und die Bedrohungssituation in
Europa grundlegend verändert haben. Nicht nur die politische Geographie, wie sie 1918 durch die
Entscheidung der Pariser Vororte-Verträge zustande gekommen ist und wie sie nach 1945
gezeiehnet wurde. ist revidiert worden, sondern es kam auch zum Ende der früheren Bipolarität der
Weltmachtbeziehungen, zum (offiziellen) Ende des sog. Ost-West-Konfliktes (Charta von Paris,
Nov. 1990).
In Europa brachte bislang das Ende dieser Periode - vereinfacht Kalter Krieg genannt, indem die
militärstrategische Situation vor allem von der möglichen Auseinandersetzung der beiden
Militärblöcke Warschauer Pakt und NATO, aber auch der Herstellung einer Stabilität durch das
''Gleichgewicht des Schreckens" gekennzeiehnet war - nicht den erwarteten Beginn einer Ära der
Stabilität und Sicherheit. An die Stelle der gesamteuropäischen und militärischen Konfrontation der
Nuklearmächte sind regionale und lokale militärische Auseinandersetzungen getreten.
Dies führt zu dem Schluß, daß konventionelle Kriege in Europa wieder möglich geworden sind. Am
deutlichsten wird das am Beispiel des ehemaligen Jugoslawien oder auch einiger Nachfolgestaaten
der früheren Sowjetunion gezeigt. Dabei offenbaren sich Konflikte und Krisenzonen, die unter den
Konditionen der (übergreifenden) Ost-West-Konfrontation zum Teil verdrängt oder unterdrückt
wurden. Nunmehr an die Oberfläche gelangt, bilden sie einen potentiellen Zündstoff für den Frieden
dieses Kontinents.
Europas sicherheitspolitische Situation ist somit gekennzeichnet vom Übergang von einem
sogenannten " High Risk - High Stabibility" zu einem "Low Risk - Lower Stability" System. Diese
neue sicherheitspolitische Lage bedingt die Notwendigkeit, die bisherige Sicherheitsarchitektur von
Grund auf neu zu überdenken. Vor allem im Hinblick darauf. daß nicht nur die wirtschaftliehen,
politischen. kulturellen oder auch militärischen Verflechtungen und Abhängigkeiten stetig
zunehmen. sondern ebenso Bedrohungen, Gefahren und Krisen grenzübergreifend wirken, ist
Sicherheit nicht im Alleingang und gegen andere, sondern, nach Meinung vieler Experten, nur noch
kollektiv und gemeinsam erreichbar.
Was für Europa seine Gültigkeit besitzt, ist in erhöhtem Maße auch für Österreich gültig, vor allem
wenn man bedenkt. daß der technische Fortschritt der Waffensysteme insbesondere Kleinstaaten
sichtlich überfordert. So erscheint etwa der Aufbau eines eigenen Raketenabwehrsystems und
Maßnahmen zum Einsatz oder der Abwehr von elektronischen Kampfmitteln (Satellitenaufklärung,
elektronische Aufklärungssysteme, Störsender etc...) sowie die Bereitstellung von rasch verfügbaren
Krisenreaktions- und Verteidigungskräften - vor allem im Bereich des Luftraumschutzes - völlig
undenkbar. Dies wird auch im neuen Einsatzkonzept des Bundesheeres an verschiedensten Stellen
erläutert und für Österreich zugegeben. Die Annahme, man könne solche Systeme teilweise von
anderen Staaten "leihen". ist illusorisch. Sicherheitspolitische "Trittbrettfahrer" werden von keiner
Sicherheitsgemeinschaft geduldet werden. wie das Beispiel Deutschlands in der Frage seiner
Verpflichtungen (Somalia und Bosnien-Herzegowina) zeigt.
Da die Entwicklung eines europäischen Sicherheitssystems aber vorerst noch in den
"Kinderschuhen" steckt. ist die NATO - als einzige funktionierende kolIektive
Verteidigungsorganisation - der Garant für Stabilität und Frieden. Die Beispiele der jüngsten
Vergangenheit und die Vertragsinhalte der entsprechenden Organisationen zeigen, daß weder EU
und WEU noch UNO oder KSZE in der Lage oder Willens sind, die militärischen Sicherheitsfragen
eines europäischen Kleinstaates zu lösen. Die Neutralität war entgegen anderslautender
ideologischer Propaganda n iemals ein Garant für Sicherheit, sondern lediglich Mittel zum Zweck.
Dieses Ziel. die Erreichung der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs durch den Abzug
der Besatzungsmächte. wurde erreicht. Eine Notwendigkeit zur Beibehaltung der Neutralität kann
klar verneint werden. Seit dem Beitritt zur EU und den damit verbundenen Änderungen der
Bundesverfassung ist sie auch de facto nicht mehr existent.
Entgegen den Intentionen der Bundesregierung im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden"
(PfP). die als Warteraum und Vorbereitungsorgan für beitrittswillige Oststaaten der ehemaligen
WVO gedacht ist. das sicherheitspolitische Auslangen zu finden, wäre daher der Vollbeitritt
Österreichs zur NATO anzustreben. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsabkommen
aber dennoch nur auf die aktive Teilnahme an der PfP geeinigt, was nicht geeignet sein wird, die
weitere sicherheitpolitische lntegration Österreichs zu erreichen. Der NATO-Beitritt wird und
wurde nicht nur von verschiedenen österreichischen Politikern und Experten befürwortet - auch vom
Herrn Bundespäsidenten Klestil. als Oberbefehlshaber des Bundesheeres und Vertreter der Republik
Österreich nach außen. und dem Generaltruppeninspektor Majeen - sondern auch von vielen
europäischen Sicherheitspolitikern (NATO Vizegeneralsekretär Moltke, WEU-Generalsekretär Van
Eekelen u.v.a.) als jederzeit denkbare und sinnvolle Option bezeichnet. Hinzu kommt, daß auch von
unseren unmittelbaren Nachbarn Ungarn und Tschechien ein Vollbeitritt beantragt werden wird, da
sie die PfP als unzureichend erachten. Auch der derzeitige Außenminister und Vizekanzler, Dr.
Wolfgang Schüssel, hat erklärt. daß er vor einem Beitritt zur NATO nicht zurückschrecken würde.
Die NATO selbst unterläuft auch eine Entwicklung hin zu einem umfassenden Sicherheitssystem.
Neben dem reinen militärischen Verteidigungsauftrag wird sie immer mehr zum Akteur der
Krisenprävention und des Krisenmanagement, wie der Einsatz für die UNO in Ex-Jugoslawien
bestätigt. Eine Entwicklung an der sich Österreich von Beginn an solidarisch als Vollmitglied
beteiligen sollte. um nicht nur nachzuvollziehen. was die operativen NATO-Gremien beschließen,
sondern auch an den Entscheidungen mitzuwirken.
Die von der Regierung im Koalitionsübereinkommen vorgesehene Prüfung eines WEU-Beitrittes
und eines Berichtes darüber bis 1998 erscheint - sowohl im Hinblick auf die Ziele der EU-
Konferenz l 996, als auch auf die österreichischen Sicherheitsinteressen - als nicht ausreichend und
wie immer als zu spät. Eine alleinige WEU-Mitgliedschaft Österreiehs ohne gleichzeitigen Beitritt
zur NATO wird auch, wie :z.ahlreiche Experten in der parlamentarischen Enquete "Perspektiven der
europäischen Sicherheitsstruktur und die Rolle Österreichs" eindeutig dargelegt haben, nicht
möglich sein. Österreich ist daher im lnteresse seiner Sicherheit und entsprechend den Zielen seiner
europäischen Positionierung gefordert zu handeln. Da eine so weit greifende Entscheidung wie der
NATO-Beitritt eine Vielzahl von Verhandlungen und innerstaatlichen Vorbereitungen bedarf, sind
die ersten Schritte daher sofort zu setzen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden
E n t s c h l i e ß u n g s a n t r a g:
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend in Verhandlungen mit den Staaten des
Nordatlantikvertrages einzutreten. damit ein Beitritt zur NATO gemäß Artikel 10 des
Nordatlantikvertrages zum frühestmöglichen Zeitpunkt stattfinden kann."
Wien, am l4. März l 996
Informeller Hinsicht wird ersucht. diesen Antrag dem Aussenpolitischen Ausschuß zuzuweisen.