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der Abgeordneten Dr. Haider, Scheibner, Apfelbeck, Dkfm. Bauer, Mag. Haupt, Ing. Meischberger,

Dr. Ofner, DI Schöggl, Mag. Stadler und Kollegen

 

betreffend die Aufnahme von Verhandlungen mit den Vertragspartnern des Nordatlantikvertrages

über einen Beitritt Österreichs zum NATO-Vertrag

 

 

 

Der Zerfall der kommunistischen Herrschaft in Ost- und Ostmitteleuropa sowie das

Zusammenbrechen der Sowjetunion sind welthistorische Ereignisse, die die sicherheitspolitische

Lage der Staaten Europas - natürlich auch diejenige Östereichs - und die Bedrohungssituation in

Europa grundlegend verändert haben. Nicht nur die politische Geographie, wie sie 1918 durch die

Entscheidung der Pariser Vororte-Verträge zustande gekommen ist und wie sie nach 1945

gezeiehnet wurde. ist revidiert worden, sondern es kam auch zum Ende der früheren Bipolarität der

Weltmachtbeziehungen, zum (offiziellen) Ende des sog. Ost-West-Konfliktes (Charta von Paris,

Nov. 1990).

 

In Europa brachte bislang das Ende dieser Periode - vereinfacht Kalter Krieg genannt, indem die

militärstrategische Situation vor allem von der möglichen Auseinandersetzung der beiden

Militärblöcke Warschauer Pakt und NATO, aber auch der Herstellung einer Stabilität durch das

''Gleichgewicht des Schreckens" gekennzeiehnet war - nicht den erwarteten Beginn einer Ära der

Stabilität und Sicherheit. An die Stelle der gesamteuropäischen und militärischen Konfrontation der

Nuklearmächte sind regionale und lokale militärische Auseinandersetzungen getreten.

 

Dies führt zu dem Schluß, daß konventionelle Kriege in Europa wieder möglich geworden sind. Am

deutlichsten wird das am Beispiel des ehemaligen Jugoslawien oder auch einiger Nachfolgestaaten

der früheren Sowjetunion gezeigt. Dabei offenbaren sich Konflikte und Krisenzonen, die unter den

Konditionen der (übergreifenden) Ost-West-Konfrontation zum Teil verdrängt oder unterdrückt

wurden. Nunmehr an die Oberfläche gelangt, bilden sie einen potentiellen Zündstoff für den Frieden

dieses Kontinents.

 

Europas sicherheitspolitische Situation ist somit gekennzeichnet vom Übergang von einem

sogenannten " High Risk - High Stabibility" zu einem "Low Risk - Lower Stability" System. Diese

neue sicherheitspolitische Lage bedingt die Notwendigkeit, die bisherige Sicherheitsarchitektur von

Grund auf neu zu überdenken. Vor allem im Hinblick darauf. daß nicht nur die wirtschaftliehen,

politischen. kulturellen oder auch militärischen Verflechtungen und Abhängigkeiten stetig

zunehmen. sondern ebenso Bedrohungen, Gefahren und Krisen grenzübergreifend wirken, ist

Sicherheit nicht im Alleingang und gegen andere, sondern, nach Meinung vieler Experten, nur noch

kollektiv und gemeinsam erreichbar.

 

Was für Europa seine Gültigkeit besitzt, ist in erhöhtem Maße auch für Österreich gültig, vor allem

wenn man bedenkt. daß der technische Fortschritt der Waffensysteme insbesondere Kleinstaaten

sichtlich überfordert. So erscheint etwa der Aufbau eines eigenen Raketenabwehrsystems und

Maßnahmen zum Einsatz oder der Abwehr von elektronischen Kampfmitteln (Satellitenaufklärung,

elektronische Aufklärungssysteme, Störsender etc...) sowie die Bereitstellung von rasch verfügbaren

Krisenreaktions- und Verteidigungskräften - vor allem im Bereich des Luftraumschutzes - völlig

undenkbar. Dies wird auch im neuen Einsatzkonzept des Bundesheeres an verschiedensten Stellen

erläutert und für Österreich zugegeben. Die Annahme, man könne solche Systeme teilweise von

anderen Staaten "leihen". ist illusorisch. Sicherheitspolitische "Trittbrettfahrer" werden von keiner

Sicherheitsgemeinschaft geduldet werden. wie das Beispiel Deutschlands in der Frage seiner

Verpflichtungen (Somalia und Bosnien-Herzegowina) zeigt.

 

Da die Entwicklung eines europäischen Sicherheitssystems aber vorerst noch in den

"Kinderschuhen" steckt. ist die NATO - als einzige funktionierende kolIektive

Verteidigungsorganisation - der Garant für Stabilität und Frieden. Die Beispiele der jüngsten

Vergangenheit und die Vertragsinhalte der entsprechenden Organisationen zeigen, daß weder EU

und WEU noch UNO oder KSZE in der Lage oder Willens sind, die militärischen Sicherheitsfragen

eines europäischen Kleinstaates zu lösen. Die Neutralität war entgegen anderslautender

ideologischer Propaganda n iemals ein Garant für Sicherheit, sondern lediglich Mittel zum Zweck.

Dieses Ziel. die Erreichung der Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs durch den Abzug

der Besatzungsmächte. wurde erreicht. Eine Notwendigkeit zur Beibehaltung der Neutralität kann

klar verneint werden. Seit dem Beitritt zur EU und den damit verbundenen Änderungen der

Bundesverfassung ist sie auch de facto nicht mehr existent.

 

Entgegen den Intentionen der Bundesregierung im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden"

(PfP). die als Warteraum und Vorbereitungsorgan für beitrittswillige Oststaaten der ehemaligen

WVO gedacht ist. das sicherheitspolitische Auslangen zu finden, wäre daher der Vollbeitritt

Österreichs zur NATO anzustreben. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsabkommen

aber dennoch nur auf die aktive Teilnahme an der PfP geeinigt, was nicht geeignet sein wird, die

weitere sicherheitpolitische lntegration Österreichs zu erreichen. Der NATO-Beitritt wird und

wurde nicht nur von verschiedenen österreichischen Politikern und Experten befürwortet - auch vom

Herrn Bundespäsidenten Klestil. als Oberbefehlshaber des Bundesheeres und Vertreter der Republik

Österreich nach außen. und dem Generaltruppeninspektor Majeen - sondern auch von vielen

europäischen Sicherheitspolitikern (NATO Vizegeneralsekretär Moltke, WEU-Generalsekretär Van

Eekelen u.v.a.) als jederzeit denkbare und sinnvolle Option bezeichnet. Hinzu kommt, daß auch von

unseren unmittelbaren Nachbarn Ungarn und Tschechien ein Vollbeitritt beantragt werden wird, da

sie die PfP als unzureichend erachten. Auch der derzeitige Außenminister und Vizekanzler, Dr.

Wolfgang Schüssel, hat erklärt. daß er vor einem Beitritt zur NATO nicht zurückschrecken würde.

 

Die NATO selbst unterläuft auch eine Entwicklung hin zu einem umfassenden Sicherheitssystem.

Neben dem reinen militärischen Verteidigungsauftrag wird sie immer mehr zum Akteur der

Krisenprävention und des Krisenmanagement, wie der Einsatz für die UNO in Ex-Jugoslawien

bestätigt. Eine Entwicklung an der sich Österreich von Beginn an solidarisch als Vollmitglied

beteiligen sollte. um nicht nur nachzuvollziehen. was die operativen NATO-Gremien beschließen,

sondern auch an den Entscheidungen mitzuwirken.

 

Die von der Regierung im Koalitionsübereinkommen vorgesehene Prüfung eines WEU-Beitrittes

und eines Berichtes darüber bis 1998 erscheint - sowohl im Hinblick auf die Ziele der EU-

Konferenz l 996, als auch auf die österreichischen Sicherheitsinteressen - als nicht ausreichend und

wie immer als zu spät. Eine alleinige WEU-Mitgliedschaft Österreiehs ohne gleichzeitigen Beitritt

zur NATO wird auch, wie :z.ahlreiche Experten in der parlamentarischen Enquete "Perspektiven der

europäischen Sicherheitsstruktur und die Rolle Österreichs" eindeutig dargelegt haben, nicht

möglich sein. Österreich ist daher im lnteresse seiner Sicherheit und entsprechend den Zielen seiner

europäischen Positionierung gefordert zu handeln. Da eine so weit greifende Entscheidung wie der

NATO-Beitritt eine Vielzahl von Verhandlungen und innerstaatlichen Vorbereitungen bedarf, sind

die ersten Schritte daher sofort zu setzen.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

 

 

 

 

E n t s c h l i e ß u n g s a n t r a g:

 

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

 

"Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend in Verhandlungen mit den Staaten des

 

Nordatlantikvertrages einzutreten. damit ein Beitritt zur NATO gemäß Artikel 10 des

 

Nordatlantikvertrages zum frühestmöglichen Zeitpunkt stattfinden kann."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, am l4. März l 996

 

 

 

 

Informeller Hinsicht wird ersucht. diesen Antrag dem Aussenpolitischen Ausschuß zuzuweisen.