193/A
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde .
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 und das
Gesetz vom 1.8.1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerIichen
Rechtsstreitigkeiten (ZiviIprozeßordnung) geändert werden
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969 und das Gesetz vom
1.8.1895 über das gerichtIiche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
(Zivilprozeßordnung) geändert werden
Der Nationalrat hat beschIossen:
Das Rechtsanwaltstarifgesetz 1969, BGBl 189, zuletzt geändert durch BGBl 343/1989
und BGBI 428/1989 (DFB) und das Gesetz vom 1.8.1895 über das gerichtliche
Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozeßordnung), zuletzt geändert
durch BGBl 343/1989 und BGBl 428/1989 werden wie folgt geändert:
Artikel I
Änderung des Rechtsanwaltstarifgesetzes
1 . § 9 Abs 1 und 2 werden geändert wie folgt und lauten :
''§ 9. (1 ) Ansprüche auf Leistung von Unterhalts- oder Versorgungsbeträgen sind mit
dem einfachen der Jahresleistung, Ansprüche auf Zahlung von Renten im Falle von
Körperbeschädigungen oder der Tötung eines Menschen mit dem dreifachen der
Jahresleistung zu bewerten. Wird der Anspruch für eine kürzere Zeit als für drei Jahre
geltend gemacht, so dient der Gesamtbetrag der für diese Zeit beanspruchten
Leistungen als Bemessungsgrundlage.
(2) Wird eine Erhöhung oder Verminderung der in Abs 1 genannten Beträge
gefordert, so ist bei Ansprüchen auf Leistung von Unterhalts- oder
Versorgungsbeträgen die einfache Jahresleistung der geforderten Erhöhung oder
Verminderung aIs Bemessungsgrundlage anzunehmen, in den übrigen Fällen die
dreifache Jahresleistung.''
2. § 10 Z 4 lit a wird geändert wie folgt und lautet:
''a) in Ehesachen ... mit 100.000 S''
3. § 10 Z 4 lit c wird geändert wie folgt und lautet:
''c) in Verfahren zur AufteiIung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der
ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 f Ehegesetz ... mit 100.000 S''
ArtikeI lI
Änderung der Zivilprozeßordnung
1 . § 27 Abs 1 und 2 werden wie folgt geändert und lauten:
''§ 27. (1) Vor den Gerichtshöfen erster Instanz und vor allen höheren Gerichten
müssen sich die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten lassen (absolute
Anwaltspflicht).
(2) Abs 1 findet - vorbehaltlich des § 29 Abs 1 - keine Anwendung auf die erste
Tagsatzung und, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, auch nicht auf
diejenigen Prozeßhandlungen, welche vor einem ersuchten oder beauftragten Richter,
vor dem Gerichtsvorsteher oder Vorsitzenden eines Senates vorgenommen werden;
Abs 1 gilt auch nicht für die in der Gerichtskanzlei vorzunehmenden Erklärungen und
Handlungen.''
2. § 27 Abs 3 entfällt und Abs 4 wird zu Abs 3.
3. § 29 Abs 1 wird wie folgt geändert und lautet:
''§ 29. (1 ) Soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, kann jede
eigenberechtigte Person zum Bevollmächtigten bestellt werden, jedoch sind in
Ehesachen (§ 49 Abs 2 Z 2b JN) und in Sachen, die in die Zuständigkeit der
Gerichtshöfe erster Instanz fallen, an Orten, an denen wenigstens zwei Rechtsanwälte
ihren Sitz haben, nur Rechtsanwälte als Bevollmächtigte zuzulassen (relative
Anwaltspflicht).''
4. § Abs 2 entfällt, der bisherige Abs 3 wird zu Abs 2.
Artikel III
(1 ) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 1997 in Kraft.
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz
betraut.
Begründung:
Zu Artikel I
Nach der geltenden Rechtslage sind Ansprüche auf Leistung von Unterhalts- oder
Versorgungsbeträgen mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten. Dies
bedeutet, daß zum Beispiel bei einer Unterhaltsforderung von S 3.000,-- im Monat
diese mal 12 und mal 3 zu multiplizieren ist, um zur Berechnungsgrundlage für die zu
bezahlende Gebühr bzw dem Streitwert zu kommen.
Dies ergibt für die genannte relativ geringe Forderung immerhin einen Streitwert von
S 108.000,--, von dem ausgehend die RechtsanwaItskosten zu berechnen sind. An
Gebühr sind bei diesem Betrag S 6.240,-- zu bezahlen, was schon mehr als das
Doppelte des geforderten Monatsunterhalts darstellt.
Es Iiegt auf der Hand, daß sehr häufig sozial Schwächere die Unterhalts- oder
Versorgungsbeträge einklagen müssen und für diese bedeutet die gegenwärtige
Rechtslage, die auf die dreifache Jahresleistung abstellt, eine unnötige soziale Härte.
Eine Änderung dahingehend, daß auf das einfache der Jahresleistung abgestellt wird,
erscheint sozialer und sachlich gerechtfertigt.
Dringender Reformbedarf besteht auch beim Aufteilungsverfahren nach §§ 81 f
Ehegesetz. Die derzeitige Regelung, daß die Parteien im Außerstreitverfahren in der
Regel die Kosten selbst tragen müssen, wobei die Kosten sich aus dem Wert des
Streitgegenstandes ergeben, ist unhaItbar. Es ist einsichtig, daß schon bei einem
bescheidenen Einfamilienhaus der Streitwert um die 2 Mio Schilling beträgt, was
schon in solchen FäIlen dazu führen kann, daß aufgrund der hohen Kosten das
gesamte eheliche Gebrauchtsvermögen verwertet werden muß, um überhaupt die
Kosten zu bezahlen. Dadurch wird eine Aufteilung oft völlig sinnlos, da der festgelegte
Aufteilungsschlüssel und die Rechtsanwaltskosten für keinen Streitteil wirtschaftlich zu
verkraften sind. Es wäre daher zweckmäßig, aus sozialen Gründen im Interesse der
Erhaltung des ehelichen Vermögens für die Restfamilie diesen Streitwert in jedem Fall
mit S 100.000,-- zu limitieren, sodaß sowohl Ehescheidungen als auch dieses
Verfahren der Einfachheit halber denselben Streitwert aufweisen würden.
Zu Artikel I I
Die letzte umfassende Wertgrenzennovelle 1989 ist am 1. Juli 1989 in Kraft getreten.
Mit dieser Novelle wurden die Wertgrenzen um den Maßstab der Geldwertänderung
seit der WertgrenzennoveIle 1976 angehoben. Damit wurden die
Geldwertveränderungen seit 1. April 1976 berücksichtigt und zeitgemäße
Wertgrenzen nominiert.
Lediglich der RechtsanwaItszwang knüpft nach wie vor an einem Streitwert von
S 30.000,--. Es wurde hiermit die Geldwertänderung nicht berücksichtigt.
Nunmehr sind fast zwanzig Jahre nach der Wertgrenzennovelle 1976 vergangen. Eine
Anpassung des Rechtsanwaltszwanges an die gegeben Verhältnisse scheint daher
dringend notwendig.
Durch die Umstellung auf das ADV-Mahnverfahren erfolgt die Anhängigmachung
einer Rechtssache in erster Linie durch Ausfüllen eines dafür vorgesehenen
Forumlars, die unabhängig vom Streitwert ein Mindestmaß an Rechtsverständnis und
Rechtskenntnis erfordert. Das bedeutet, daß die Einbringung der Mahnklage
unabhängig vom Streitwert die gIeichen Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt. Die
Mehrheit der eingebrachten Mahnklagen werden durch Erfassung eines
rechtskräftigen Zahlungsbefehls beendet. Die Intervention eines Rechtsanwaltes ist
daher in den meisten Fällen nicht notwendig, um einen Rechtsschutz sicherzustellen.
Damit der Rechtsschutz durch die beabsichtigte Novellierung keine Einschränkungen
erfährt, muß dafür Sorge getragen werden, daß die Gerichte auch bei Verfahren ohne
Anwaltszwang die Beigebung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der VerfahrenshiIfe
bewiIligen, wo der RechtsfalI besondere Schwierigkeiten in rechtlicher oder
tatsächlicher Hinsicht erwarten Iäßt und einen Verlauf nehmen kann, der sich der
Übersicht und Einsicht der Partei entzieht. Das wird vor allem dann der Fall sein, wenn
die Partei nur über einen geringen Grad von Rechtsverständnis und Rechtskenntnis
verfügt. Die Gerichte solIen daher bei der Bewilligung von Verfahrenshilfeanträgen
großzügig vorgehen.
In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine 1. Lesung die Zuweisung an den
Justizausschuß vorgeschlagen.