385/AE

 

 

 

des Abgeordneten Wabl, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Öko1ogisierung der Landwirtschaft

 

 

Die in den letzten Jahrzehnten betriebene Agrarpolitik gefährdet in zunehmendem Maße die

Umwelt und führt immer mehr bäuerliche Betriebe in den Ruin. Hand in Hand mit der

Zerstörung bäuerlicher Strukturen wird die Massenproduktion landwirtschaftlicher

Erzeugnisse für die industrielle Verarbeitung unter Einsatz der Bio- und Gentechnik

gefördert. Für die Durchsetzung dieser Politik müssen Bäuerinnen und Bauern,

KonsumentInnen und die gesamte Ökologie teuer bezahlen in Form von Arbeitsplatzverlust,

schleichender Qualitätsminderung der Nahrungsmittel, Umwelt- und Landschaftszerstörung,

Vergeudung der Ressourcen. Letztlich werden die SteuerzahlerInnen zweimal zur Kassa

gebeten, einmal, um dieses teure, widersinnige Agrarsystem zu finanzieren und ein zweites

Mal, um die Folgekosten einer industrialisierten Landwirtschaft (Sanierung der

Umweltschäden) zu tragen.

 

Die EU-Agrarpolitik bewirkt eine hochproduktive Landwirtschaft und eine

Auseinanderentwicklung von Produktion und Verbrauch. Die Überschüsse werden mit Hilfe

von Exportsubventionen am Weltmarkt zu niedrigen Preisen abgesetzt. Die

Agrarexportsubventionen verhindern oder zerstören in vielen Entwick1ungsländern eine auf

die eigene Ernährungssicherheit bedachte landwirtschaftliche Entwick1ung. Anderseits

importiert die EU 50 Mio. Tonnen Futtermittel aus Ländern der "Dritten Welt" und entzieht

so den Menschen in ärmeren Ländern ihre Lebensgrundlagen.

 

Für die verfehlte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) werden enorme Summen aufgewendet.

Der Großteil der Kosten, welche von EU-Mitteln getragen werden, entfällt auf den Bereich

des EAGFL-Garantie, das ist der Marktordnungsbereich, welcher alleine rund 50,4 % des

EU-Budgets bzw. 41 Mrd. ECU beansprucht. Davon gelangen nur ca. 40 % als

Direktzahlungen an die Bauern , während ca. 30 % für Exporterstattungen, Lagerhaltung,

Intervention und 30 % für die Förderung der verarbeitenden Industrie aufgewendet werden.

 

Die Gemeinsame Agrarpolitik hat sich gegen diejenigen gewandt, für die mit ihrer Hilfe ein

größeres Maß an wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit ereicht werden sollte - gegen die

kleineren und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe. Von 1970 bis 1993 betrug in der

EU15 der Rückgang der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten rd. 57 % . Auch in

Östereich verIor die Land- und Forstwirtschaft während der letzten Jahre rund 10.000

Arbeitskräfte jährlich.

 

Mit dem Betritt Östereichs zur Europäischen Union hat sich die Situation noch verschärft.

Während die in der Landwirtschaft Beschäftigten immer weniger werden und sich - u.a.

bedingt durch das EU-Förderungssystem - die Einkommensunterschiede innerhalb der

Landwirtschaft vergrößern , steigen die öffent1ichen Mittel für die Agrarpolitik ständig an.

Die von der Landwirtschaft abwandernden Arbeitskräfte treffen auf einen immer

angespannteren Arbeitsmarkt.

 

Im Zusammenhang mit der Osterweiterung der EU und der WTO-Runde 1999 (GATT)

wird es zu einer Neugestaltung der Gemeinsamen Argrapolitik (GAP) und einer globalen

Neuregulierung des Agrar- und Lebensmittelsektors kommen. Die bisherigen Vorschläge

der EU-Kommission orientieren sich am Modell einer weltmarktabhängigen , kapital- und

energieintensiven Landwirtschaft. Diese Strategie der Weltmarktorientierung und des

globalen Supermarktes bietet keine Lösungsansätze für die anstehenden sozialen und

ökologischen Probleme der Agrar- und Regionalentwicklung. Die ihr zugrunde liegende

Rationalisierungslogik und Wachstumsorientierung hat bereits in der Vergangenheit die

Landwirtschaft in die soziale, ökologische und volkswirtschaftliche Sackgasse getrieben.

 

Ziel einer zukunftsorientierten Agrarpolitik ist die Sicherung aller natürIichen

Produktionsgrund1agen und die flächendeckende Durchsetzung einer umwelt- und

sozialverträglichen Landwirtschaft. Die besonderen Gegebenheiten der im EU-Vergleich

k1einstrukturierten östereichischen Landwirtschaft mit dem hohen Anteil an Betrieben in

Berggebieten und benachteiligten Regionen lassen eine Anpassung an die großbetrieblichen,

industriellen Betriebe in der EU aussichtslos erscheinen. Daher ist für Östereich eine

flächendeckend biologische Landwirtschaft auch innerhalb der EU der einzig sinnvolle

Weg. Östereich hat gute Voraussetzungen , sich als "Bio-Pionier-Land" und "Ökoland" zu

profilieren und auf dem Markt zu behaupten. Nicht zuletzt ist eine ökologisch intakte

Kulturlandschaft auch für das Tourismusland Österreich von großer volkswirtschaftlicher

Bedeutung.

 

Die negativen Auswirkungen der Massentierha1tung auf Mensch, Tier, Umwelt und

Lebensmittel sind weithin bekannt und der Wunsch nach Sicherheit bei den

KonsumentInnen ist größer geworden. An der Rinderseuch BSE wird sichtbar, daß eine

ungebremste Fortentwicklung des bestehenden Systems dieses immer unberechenbarer und

unbeherschbarer macht. An die Stelle einer tiergerechten und umweltschonenden,

sozialverträglichen und bäuerlichen Landbewirtschaftung und Lebensmittelerzeugung treten

Hygieneauflagen für die Lebensmittelverarbeitung und sogenannte Qualitätsprogramme, die

aber keine klaren Vorgaben für die Haltung , die Fütterung , den Transport und die

Schlachtung der Tiere beinha1ten. Bei den KonsumentInnen ist die Ausrichtung auf den

Tier- und Umweltschutz, sowie die Vertretung bäuerlicher- und entwicklungspolitischer

Interessen stärker geworden. Oft ist eine artgerechte TierhaItung, der Verzicht auf

Antibiotika, der schonende Transport bzw. die schonende SchIachtung der Tiere

entscheidendes Kriterium für den Kauf. Diesem Bedürfnis ist durch eine klare, durchschau-

und kontrollierte Kennzeichnung Rechnung zu tragen über ein konsequentes

Qualitätssicherungssystem, das von der Produktion über den Transport und die Schlachtung

bis zum Handel reicht. Ziel muß es sein , diese qualitätssichernde, kundenorientierte und

gleichzeitig rentable Alternative flächendeckend in Österreich zu etablieren.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Die östereichische Bundesregierung wird aufgefordert, zur Ökologisierung der

Landwirtschaft folgende Maßnahmen zu treffen :

 

 

1. Die Zielbestimmungen des Landwirtschaftsgesetzes und alIe die Landwirtschaft

betreffenden Gesetzesmaterien sind darauf abzustimmen, daß im Rahmen des

nationalen Handlungsspielraumes und der Gemeinsamen Agrarpolitik der

Europäischen Union (GAP) innerhalb von 10 Jahren eine flächendeckend biologische

Landwirtschaft in Österreich eingeführt wird.

 

2. Ziel des Östereichischen Programmes für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) ist

eine flächendeckend biologische Landwirtschaft. Die Evaluierung dieses Programmes

ist hinsichtlich seiner ökologischen Bedeutung und der sozialen Auswirkungen

Ausgangspunkt für eine laufende Verbesserung und Adaptierung in diese Richtung.

 

3. Die neuen ökologischen Anforderungen an die Landwirtschaft bedingen eine

entsprechende Forschungs- , Bi1dungs- Beratungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Zur

Stärkung der ökologischen Verantwortlichkeit müssen auf der Ebene der

landwirtschaftlichen Ausbildung , im universitären Bereich und in der Weiterbildung

Förderungsakzente gesetzt werden. Schwerpunkte sind auch in den Bereichen

Vermarktung und Veredelung von landwirtschaftlichen Produkten zu setzen.

 

 

4. Der Sensibilisierung der KonsumentInnen für umwelt- tierfreundliche und qualitativ

hochwertige Produkte ist entgegenzukommen durch Einführung einer klaren,

transparenten Produktkennzeichnung nach einem ganzheitlichen Konzept, das die

wichtigsten Einflußbereiche wie Bodenbewirtschaftung, Tierhaltung

(Tiergerechtigkeitsindex) , Zucht und Tierfütterung bewertet.

 

Die durch die artgerechte Tierhaltung entstehenden Mehrkosten werden abgegolten -

teils über den Preis für ein Qualitätsprodukt, teils über Förderungen als Anreiz für

eine Umstellung.

 

Die östereichische Bundesregierung wird beauftragt, für folgende Reformen der EU-

Agrarpolitik einzutreten :

 

Die EU-Agararpolitik verfolgt das Ziel, eine artgerechte Tierhaltung und eine

umweltgerechte, das heißt eine nach ökologischen Kriterien nachhaltige Produktion

flächendeckend durchzusetzen und dort, wo der Weltmarkt das Wirtschaften nach

solchen Kriterien benachteiligt, massiv entgegenzusteuern. Ökologisch

ordnungsgemäße Landwirtschaft setzt der Rationalisierung mittels der herkömmlichen

Agrartechnologien Grenzen. Dies bedingt einen höheren Einsatz von menschlicher

Arbeit. Vorangige Bezugsgröße für Direktzahlungen ist die eingesetzte Arbeitskraft

und nicht, wie derzeit, die Betriebsgröße. Das gesamte Förderungsinstrumen tarium

der EU-Agrarpolitik orientiert sich am Erhalt und der Neuschaffung von

Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und an umweltgerechten Produktions- und

Tierhaltungsformen , unter Berücksichtigung von

 

- Bewirtschaftungserschwernissen , besonders in den Berggebieten und sonstigen

benachteiligten Gebieten

- erhöhtem Arbeits- und Kostenaufwand bei ökologisch ordnungsgemäßer

Bewirtschaftung

- allfälligen Wettbewerbsnachteilen von Betrieben mit geringer Flächenausstattung.

 

Eine ökologisch intakte Landschaft ist immer ein Neben- und Begleitprodukt

bäuerlicher Produktion , nicht Selbstzweck. Die Bäuerinnen und Bauern müssen für

ein hochwertiges , ökologisches Produkt einen fairen Preis bekommen und das

bäuerliche Einkommen muß wieder . zunehmend vom Erlös des Produktes

erwirtschaftet werden können. Dazu müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden ,

damit sich die Preise wieder der Kostenwahrheit annähern durch die generelle

Einführung einer wirksamen Abgabe auf fossile Energieträger, die einer bäuerlichen,

öko1ogischen Landwirtschaft größere Chancen einräumt.

 

Umweltverträgliche, biogene Rohstoffe und Energieträger sind zu fördern und das

Biomassepotential als zusätzliche Einkommensalternative für die Landwirtschaft

verstärkt zu nutzen.

 

Die Qualitätsstandards sind an die Erfordernisse der KonsumentInnen anzupassen und

auch nach den Bedürfnissen und Bedingungen regionaler Märkte auszurichten.

 

Kernpunkt einer sozialen und ökologischen Zielsetzung der Gemeinsamen

Agrarpolitik (GAP) ist der Ausstieg der EU aus der subventionierten

Exportorientierung. Auf importierte Futtermittel ist zu verzichten , weil sie nicht nur

zu einer bodenunabhängigen Tierhaltung , zu Umweltproblemen und zur

Überschußproduktion führen , sondern auch den Menschen in den Ländern der Dritten

Welt die Ernährungsgrundlagen entziehen .

 

Im Zusammenhang mit der Reform der EU-Strukturpolitik ist im Sinne einer positiven

Entwicklung des ländlichen Raumes die verstärkte Integration der Landwirtschaft in

die regionalen Wirtschaftsstrukturen zu forcieren. Die überbetriebliche

Zusammenarbeit in der Produktion , Verarbeitung und Vermarktung ist durch

Investitionsförderungen zu stützen .

Die Gemeinsame Agrarpolitik ist auf ihre Kohärenz mit den entwicklungspolitischen

Zielsetzungen der Union lt. Maastricht-Vertrag zu überprüfen und entsprechend zu

adaptieren.

 

Die Mittelausstattung des EU-Agrarbudgets ist nach volkswirtschaftlichen,

ökologischen und sozialen Kriterien umzuschichten und neu auszurichten. Die

Instrumente der Export-Erstattung, Lagerhaltung , Intervention (dzt. rd. 30 % der

Mittel des EAGFL-Garantie) und die Instrumente der Markterweiterung über

Förderungen der verarbeitenden Industrie (dzt. 31 % der Mittel) können wesentlich

zurückgenommen werden, da eine ökologische Bewirtschaftung eine Reduzierung der

Überschußproduktion zur Folge hat. Stattdessen wird eine flächendeckende

öko1ogische Erzeugung auch in sogenannten benachteiligten Gebieten verstärkt

gefördert.

 

Die Annäherung Mittel- und Osteuropäischen Länder (MOEL) - EU ist nicht

vergleichbar mit den Beitritten nord-, west-, und südeuropäischer Staaten, da hier

zwei gänzlich verschiedene Systeme aufeinander treffen. Die UnterschiedIichkeit der

mittel- und osteuropäischen Länder erfordert differenzierte Annäherungsschritte und

Übergangsbedingungen. Ausgangspunkt und wesentlicher Bestandteil einer

Annäherungsstrategie von Ost und West muß eine soziale und ökologische

Neuorientierung der GAP sein.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft

vorgeschlagen.