438/AE XX.GP

 

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und PartnerInnen

betreffend die Einführung eines Ethikunterrichts als Wahlpflichtfach

Die derzeitige Privilegierung des konfessionellen Religionsunterrichts als Pflicht-

fach auf allen Schulstufen widerspricht dem liberalen Prinzip einer klaren Tren-

nung von Kirchen und Staat. Gleichzeitig wird durch die Monopolisierung des

Religionsunterrichtes und dessen abnehmende Attraktivität bei einem zuneh-

mend größer werdenden Teil der SchülerInnen ein wesentlicher Bildungsauftrag

- nämlich zu einer wertorientierten Erziehung beizutragen - gänzlich vernachläs-

sigt. Wer mit den konfessionellen Glaubenshaltungen nicht: einverstanden ist

und sich daher abmeldet, findet kein Ersatzangebot: vor. Aber gerade in einer

Zeit, die geprägt ist von großer gesellschaftlicher Dynamik, von einer Fülle un-

terschiedlicher Lebensentwürfe, von zunehmender individueller Freiheit und der

daraus folgenden Notwendigkeit, zu richtigen Entscheidungen zu gelangen - in

einer solchen Zeit brauchen Jugendliche mehr denn je Hilfestellung zur ethi-

schen Wertorientierung.

Ein "Ethikunterricht', hätte darin seine wesentliche Aufgabe. Nicht durch das

Präsentieren vorgefertigter Antworten - von welcher Konfession sie auch immer

stammen mögen - kann jungen Menschen die Fähigkeit zur eigenverantwortli-

chen Orientierung mitgegeben werden . Hilfestellung zur ethischen Wertorientie-

rung kann nicht ,'verordnet', werden. Vielmehr geht es darum, Jugendliche mit

unterschiedlichen Lebensordnungen, Kulturen, Wertemodellen zu konfrontieren,

darüber zu diskutieren, verschiedene Sichtweisen argumentativ zu erarbeiten

und dabei auch Kriterien moralischer Argumentation anwenden zu lernen. Zu

moralischen Schlüsselfragen unserer Zeit, wie: Umgang mit Minderheiten,

ethische Fragen der modernen Medizin, Gentechnik, etc. sollten keine vorge-

fertigten katholischen, evangelischen, islamischen (oder durch andere Konfes-

sionen geprägte) Antworten gegeben, sondern vielmehr unterschiedliche Stand-

punkte erörtert werden. Allerdings sollte in einem solchen Fach auch über die

verschiedenen Religionen informiert, ihre wesentlichen Prinzipien und Wertvor-

stellungen diskutiert werden. Darüber hinaus wären Themen der Lebensgestal-

tung sowie die Verantwortung für sich, den Nächsten und die Umwelt Gegen-

stand eines derartigen Unterrichtsfaches.

 

Ein so verstandener Ethikunterricht könnte viel dazu beitragen, Toleranz und

Verständnis für das Anderssein und gleichzeitig ein gefestigtes und doch ent-

wicklungsfähiges Wertegerüst bei jungen Menschen aufbauen zu helfen.

Insgesamt sollte die Diskussion über die Alternative Ethikunterricht - Religions-

unterricht nicht aus der Perspektive einer gegenseitigen Verdrängung geführt

werden, sondern aus dem gemeinsamen Problembewußtsein für die Notwendig-

keit, Fragen der Ethik, der Lebensgestaltung und der Religion im Rahmen des

schulischen Bildungsauftrages so zu behandeln, daß sie nicht als notwendiger

Lernstoff vergessen, sondern als spannende Erfahrung zur Entwicklung und

Reifung der jungen Menschen beitragen können.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

"Zur Verwirklichung einer klaren Trennung von Kirchen und Staat und zur Sicherung

des im Schulorganisationsgesetzes formulierten Bildungsauftrages wird die Bundes-

regierung aufgefordert, Maßnahmen zu setzen, die folgenden Forderungen

Rechnung tragen:

1) Legistische Verankerung von Religion und Ethik als alternative Pflichtgegen-

stände laut § 8 lit. d SchOG für alle öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht

ausgestatteten Schulen und Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen durch

Neuverhandlung des Konkordates und Novellierung des Religionsunterrichts-

gesetzes.

2) Erarbeitung von Lehrplänen für den neuen Unterrichtsgegenstand "Ethik".

3) Schaffung entsprechender Ausbildungszweige für einen Unterrichtsgegenstand

Ethik an den verschiedenen Institutionen der Lehrerbildung bzw. Lehrerfort-

bildung.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuß beantragt.