452/A XX.GP
Antrag
der Abgeordneten Thomas Barmüller, Klara Motter
und weitere Abgeordnete betreffend ein Bundesgesetz,
mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz 1994 geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Gentechnikgesetz, BGBl. Nr. 510/1994 wird wie folgt geändert:
1 . Dem § 22 wird folgender Abs. 4 angefügt:
"(4) Organe, die vom Bund oder von dem Land, in dem die Arbeiten mit GVO
durchgeführt werden sollen, besonders dafür eingerichtet wurden, um den Schutz der
Umwelt in Verwaltungsverfahren wahrzunehmen, haben in den Verfahren, in denen
gemäß Abs. 3 Z 2 eine Anhörung durchzuführen ist, Parteienstellung und können als
subjektives Recht die Einhaltung der zum Schutz der menschlichen Gesundheit und
der Umwelt nach diesem Bundesgesetz bestehenden Vorschriften geltend machen.
Sie sind berechtigt, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den
1/erfassungsgerichtshof zu erheben."
2. Dem § 39 wird folgender Abs. 6 angefügt:
"(6) Organe, die vom Bund oder von dem Land, in dem die Freisetzung durchgeführt
werden soll, besonders dafür eingerichtet wurden, um den Schutz der Umwelt in
Verwaltungsverfahren wahrzunehmen, haben im Genehmigungsverfahren für
Freisetzungen Parteienstellung und können als subjektives Recht die Einhaltung der
zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt nach diesem
Bundesgesetz bestehenden Vorschriften geltend machen. Sie sind berechtigt,
Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof zu
erheben."
3. § 40 (1) erster Satz entfällt.
4. ln § 49 (2) werden die Worte "14 Tage" ersetzt durch die Worte "einer Woche".
5. In § 55 (2) Z 7 lit d werden die Worte "die Kennzeichnung" ersetzt durch die Worte
"die klar ersichtliche und
verständliche Kennzeichnung".
6. ln § 81 Abs. 1 wird folgende Z 1 eingefügt:
"1 . je ein Vertreter der im Nationalrat bestehenden parlamentarischen Klubs,"
Die bisherigen Z 1 bis 6 enthalten die Bezeichnung 2 bis 7.
7. Vor § 99 wird folgender § 98a eingefügt:
"Gentechnikregister
§ 98a. (1 ) Die zuständigen Behörden übermitteln Zusammenfassungen der
Anmeldungen und Genehmigungsanträge jeweils zu den Jahresquartalsenden an das
Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz. Weiters
unterrichten sie das Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und
Verbraucherschutz über die im Vollzug des Gesetzes getroffenen Entscheidungen,
über gemäß § 30 Abs. 3, § 31 , § 45 Abs. 3, § 46, § 57 eingetroffene lnformationen,
über nachträgliche Auflagen (§§ 33, 48), über im Rahmen von Kontrollen (§ 101 )
bekanntgewordene sicherheitsrelevante Vorkommnisse sowie über eingetroffene
Unfallmeldungen gemäß §§ 11 Abs. 2, 49 Abs. 2.
(2) Das Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz hat
Daten gemäß Abs. 1 sowie beim Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und
Verbraucherschutz selbst im Rahmen seiner Behördenfunktion eingetroffene oder
erhobene Daten entsprechend Abs. 1 und Zusammenfassungen der Gutachten der
Gentechnikkommission und ihrer wissenschaftlichen Ausschüsse
automationsgeschützt zu verarbeiten (Gentechnikregister).
(3) Personenbezogene Daten des Gentechnikregisters dürfen nur übermittelt werden
an
1 Dienststellen des Bundes und der Länder, soweit die Daten für den Empfänger zur
Vollziehung gesetzlicher Vorschriften zum Schutz von Gesundheit und Umwelt eine
Voraussetzung bilden,
2. die Gentechnikkommission,
3. Ärzte, soweit sie diese Daten in Ausübung der Heilkunde benötigen,
4, die zuständigen Stellen ausländischer Staaten und internationaler Organisationen,
soweit ein gegenseitiger Datenaustausch zum Schutz von Gesundheit und Umwelt
vereinbart ist.
(4) Nähere Vorschriften über die Einrichtung, Führung und Nutzung des
Gentechnikregisters sind vom Bundesminister für Frauenangelegenheiten und
Verbraucherschutz mit Verordnung zu
erlassen."
8. Nach dem V. Abschnitt wird folgender neuer VI. Abschnitt eingefügt:
Vl. ABSCHNITT
Haftung
§ 99a. (1 ) Wer eine gentechnische Anlage betreibt, wer für Arbeiten mit gentechnisch
veränderten Organismen oder für die Freisetzung gentechnisch veränderter
Organismen verantwortlich ist, oder wer als Hersteller oder Importeur ein Produkt, das
aus gentechnisch veränderten Organismen besteht oder solche enthält, in Verkehr
bringt, haftet für den Schaden an Personen und Sachen, soweit dieser auf die
gentechnische Veränderung eines Organismus zurückzuführen ist.
(2) Kommt es infolge der gentechnischen Veränderung eines Organismus zu einer
nachhaltigen, wenn auch nur leichten Beeinträchtigung der Umwelt, so hat die nach
Abs. 1 haftpflichtige Person demjenigen, der angemessene Maßnahmen zur
Feststellung, Minderung oder Beseitigung dieser Beeinträchtigung getroffen hat, die
dafür aufgewendeten Kosten zu ersetzen.
(3) Für Schäden an Leben und Gesundheit von Personen infolge einer somatischen
Gentherapie am Menschen haftet der Träger des Krankenhauses, in dem diese
durchgeführt wird.
(4) Wird eine Gefahr für Leib und Leben von Personen oder die Gefahr einer
nachhaltigen, wenn auch nur leichten Umweltbeeinträchtigung durch ein unerlaubtes
Verhalten einer nach diesem Bundesgesetz haftpflichtigen Person herbeigeführt, so
können die gefährdete Person und die nach § 81 Abs. 5 und 6 zur Verbandsklage
Berechtigten die Unterlassung dieses Verhaltens und angemessene Maßnahmen zur
Minderung und Beseitigung der Gefahr begehren.
Verursachungsnachweis
§ 99b. (1) Kann der Geschädigte als wahrscheinlich dartun, daß sein Schaden auf
einen gentechnisch veränderten Organismus oder eine somatische Gentherapie
zurückzuführen ist, so wird vermutet, daß der Schaden durch die gentechnische
Veränderung des Organismus oder die somatische Gentherapie verursacht wurde.
Diese Vermutung wird durch den Nachweis der Unwahrscheinlichkeit der
Verursachung entkräftet, Wer nachweist, daß er einen Schaden oder einen Aufwand
im Sinne des § 80 erlitten hat, kann die nach diesem Bundesgesetz haftpflichtige
Person, die nach den Umständen des Einzelfalls als Verursacher in Frage kommt auf
Auskunft über jene Daten belangen, deren Kenntnis zur Durchsetzung von
Ansprüchen nach diesem Bundesgesetz erforderlich ist (Auskunftspflicht).
(3) Insofern jemandem die Erteilung der Auskunft durch eine Rechtsvorschrift oder
eine behördliche Anordnung verboten ist, ist er zur Auskunft nicht verpflichtet, hat aber
dem Auskunftssuchenden die betreffende Bestimmung oder behördliche Anordnung zu
bezeichnen.
(4) Erteilt die zur Auskunft verpflichtete haftpflichtige Person die Auskunft nicht, so wird
vermutet, daß sie den Schaden verursacht hat. Sie kann diese Vermutung durch den
Nachweis der Unwahrscheinlichkeit der Verursachung entkräften. Hat die zur Auskunft
verpflichtete haftpflichtige Person die Auskunft schuldhaft überhaupt nicht oder grob
fahrlässig unrichtig oder unvollständig gegeben, so ist ihr trotz Obsiegens im
Haftpflichlprozeß der Ersatz der Verfahrenskosten aufzuerlegen. § 43 ZPO gilt
sinngemäß. Ist in einem Verfahren über einen Anspruch nach diesem Bundesgesetz
strittig, ob und in welchem Ausmaß ein Auskunftsanspruch besteht, so hat das Gericht
vor Schluß der Verhandlung erster Instanz darüber durch Beschluß zu entscheiden.
(5) Ansprüche nach § 99a Abs. 2 und 4 können als Verbandsklage auch geltend
gemacht werden von
1 . der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte,
dem Österreichischen Landarbeiterkammertag, der Präsidentenkonferenz der
Landwirtschaftskammern Österreichs und vom Österreichischen Gewerkschaftsbund,
von
2. Umweltanwälten, Umweltfonds und ähnlichen Stellen, denen durch gesetzliche
Vorschrift die Wahrnehmung des Umweltschutzes aufgetragen ist, sowie von
3. Vereinen, die sich dem Umweltschutz widmen, soweit sie seit zumindest 5 Jahren
bestehen, die von ihnen wahrgenommenen Interessen betreiben und in diesen sowohl
räumlich als auch sachlich berührt werden.
(6) Ansprüche nach § 99a Abs. 4 können auch von Patientenanwälten und von Stellen,
denen durch gesetzliche Vorschriften die Wahrnehmung des Konsumentenschutzes
aufgetragen ist, sowie von Vereinen, die sich dem Konsumentenschutz widmen, soweit
sie seit zumindest 5 Jahren bestehen, die von ihnen wahrgenommenen Interessen
betreiben und in diesen sowohl räumlich als auch sachlich berührt werden, geltend
gemacht werden.
(7) Vereine haben dem Beklagten auf dessen Verlangen für die Prozeßkosten
Sicherheit zu leisten.
Deckungsvorsorge
§ 99c. Die nach § 99a Abs. 1 haftpflichtige Person ist verpflichtet, dafür Sorge zu
tragen, daß nach diesem Bundesgesetz entstehende Schadenersatzpflichten erfüllt
werden können. Hat die betriebsintern dafür verantwortliche Person es schuldhaft
unterlassen, dieser Verpflichtung ausreichend nachzukommen, so haftet sie dem
Geschädigten persönlich. Die Höhe der Ersatzpflicht kann in entsprechender
Anwendung der Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes, BGBl. Nr. 80/1
965, über das richterliche Mäßigungsrecht gemindert werden.
§ 99d, (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ist auf die
darin vorgesehenen Ansprüche das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch anzuwenden.
Die Haftung nach diesem Bundesgesetz ist
unabhängig von Rechtswidrigkeit und
Verschulden. Sie erfaßt auch Schäden an Personen infolge der Beeinträchtigung ihres
Erbgutes. Bei Sachschäden wird auch für den entgangenen Gewinn gehaftet. Mehrere
Personen haften zur ungeteilten Hand.
(2) Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs und andere
Rechtsvorschriften, nach denen Schäden in weiterem Umfang oder von anderen
Personen als nach diesem Bundesgesetz zu ersetzen sind, bleiben unberührt. Auf
Schäden durch Produkte, deren Fehlerhaftigkeit auf gentechnischen Arbeiten beruht,
sind die §§ 8 Z 2 und 13 PHG nicht anzuwenden".
Die bisherigen Abschnitte Vl bis XII erhalten die Bezeichnung VII bis XIII.
9. lm § 111 ist folgende neue Z 17 einzufügen:
" 17. Mit der Vollziehung der Bestimmungen des VI. Abschnittes ist der Bundesminister
für Justiz betraut."
Die bisherigen Z 17 bis 19 erhalten die Bezeichnung 18 bis 20.
ln formeller Hinsicht wird die Zuweisung an
den Gesundheitausschuß beantragt.
Erläuterungen
Zu Art. 1 und 2:
Die Umweltanwälte oder ähnliche Einrichtungen der Bundesländer sollen zum Schutz
der menschlichen Gesundheit und der Umwelt bei Gentechnik-Verfahren Parteien-
stellung und das Beschwerderecht an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts haben.
Zu Art. 3:
Die behördliche Entscheidungspflicht ist wie bei anderen Verwaltungsverfahren zu
gestalten, d. h. die Entscheidung ist so rasch als möglich, längstens aber innerhalb von
G Monaten zu fällen.
Zu Art. 4:
Die Frist um Unfälle der Behörde mitzuteilen wird von zwei auf eine Woche verkürzt.
Zu Art. 5:
Bei allen Erzeugnissen, die aus GVO bestehen oder solche enthalten wird die
Verpflichtung normiert, eine klar ersichtliche und verständliche Kennzeichnung
vorzunehmen. Diese Forderung wurde von allen Parlamentsparteien bereits im Bericht
der Enquetekommission "Technikfolgenabschätzung am Beispiel der Gentechnologie"
erhoben.
Zu Art. 6:
Der Gentechnikkommission soll zukünftig auch je ein Vertreter der im Nationalrat
bestehenden parlamentarischen Klubs angehören. Damit sollen Informations-
möglichkeiten des Nationalrats vergrößert werden.
Zu Art. 7:
Durch Schaffung eines Gentechnikregisters sollen die Informations- und Kontroll-
möglichkeiten verbessert werden. Der Gesundheitsminister muß sämtliche die
Gentechnik betreffende Anmeldungen und Genehmigungsanträge mittels eines
"Gentechnikregisters" erfassen und diese lnformationen den zuständigen Experten
und Behörden zur Verfügung stellen,
Zu Art. 8:
Der Verursacher eines durch gentechnisch veränderte Organismen hervorgerufenen
Schadens muß für diesen voll haftbar gemacht werden können. Mit Abschnitt VI
werden diese zivilrechtlichen Haftungsregelungen normiert. Darauf basierende
Schadensansprüche sollen sowohl von den großen Interessensvereinigungen wie auch
Umweltanwälten, Umweltfonds, bestimmten Vereinen im Umweltschutzbereich oder
etwa Patientenanwälten geltend gemacht werden können. Der Nachweis der
Verursachung ist für den Geschädigten insofern zu erleichtern, als dies bereits im
Forstgesetz 1975 für forstschädliche Luftverunreinigungen normiert ist. Unternehmen
und Institutionen, die Gentechnikprojekte betreiben, müssen für eventuell mögliche
Schäden soweit Vorsorge treffen, daß nach schlagend gewordenem Risiko
Schadenersatzansprüche auch tatsächlich befriedigt werden können.