593/AE XX.GP
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Scheibner, Jung, Mag. Haupt, Dr. Ofner und DI Schöggl
betreffend die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft des österreichischen Bundesheeres in
seiner milizartigen Struktur
Der Landesverteidigungsrat hat 1992 der Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministers
für Landesverteitigung die Einnahme einer neuen Heeresgliederung im Frieden und im Ein-
satz empfohlen, mit der auf die Lage nach Ende des Kalten Krieges reagiert werden sollte.
Diese HG-NEU war auch Ansatz für das neue Einsatzkonzept des Bundesheeres das die so-
genannte Raumverteidigung, die auf dem LVP 1975 fußte, ersetzt hat. Mit diesen beiden Wei-
chenstellungen sollte der rasche, flexible und grenznahe Einsatz des Bundesheeres möglich
werden.
Bei der Beschlußfassung der HG-NEU wurde, wie auch aus dem Situationsbericht 1 996 zu
entnehmen ist, davon ausgegangen, daß zur Erfüllung dieser Vorgaben ein Budgetrahmen von
rund 1 Prozent BIP für das LV-Budget und etwa 34.000 Grundwehrdienern pro Jahr eingehal-
ten werden muß. Beides wurde nicht erreicht, weshalb die HG-NEU als gescheitert betrachtet
werden kann. So fehlt es heute vor allem an modernem Gerät zur Erfüllung der Aufgaben für
alle Waffengattungen in den jeweiligen Kampfverfahren und selbst das sog. ,,MechPaket" ist
nur ein scheinbarer Erfolg. So sind für Teile des vorgesehenen Gerätes (Rad- und Schützen-
panzer) noch nicht einmal Kaufverträge abgeschlossen und insgesamt bedeutet die Umsetzung
dieses Paketes eine Reduzierung der gepanzerten Verbände um ein Drittel.
Hinzu kommen vermehrt neue Aufgaben für das Bundesheer, wie verstärkter Einsatz an den
Grenzen zur Verhinderung der illegalen Einreise und zusätzliche Einsätze im Ausland, die das
ÖBH vor hohe materielle und personelle Anforderungen stellt. Diese haben mittlerweile ein
Ausmaß erreicht, das den Einsatz des Bundesheeres bei seinen ursprünglichen Aufgaben
massiv gefährdet, insbesondere durch die Inanspruchnahme und den starken Verschleiß von
Gerät der Mob- und
Bereitschaftsverbände.
Deshalb ist eine Reihe von Investitionen am Rüstungssektor dringend notwendig, so etwa
folgende auszugsweise Darstellung:
Panzerabwehr:
• Aufstockung der Kampfpanzeranzahl (LEOPARD) um mindestens das Doppelte
• Ersatz der JaPz Kürassier in den AufklBaon durch Radpanzer bzw. Kampfwertsteigerung
(Nachtkampffähigkeit) beim Einsatz im Rahmen der Infanterieverbände
• Beschaffung von weiteren PAL 2000 sowie Nachtkampffähigkeit der PAL 4000
• Ersatz der IPAR 70 und der PAR 66 bzw. deren Kampfwertsteigerung
Fliegerabwehr und Luftraumschutz:
• Beschaffung mittlerer Fliegerabwehrlenkwaffen
• Nachfolge für Luftraumüberwachungsflugzeuge DRAKEN
Splitterschutz und Beweglichkeit:
• Mannesausrüstung für jeden Mann der Splitterschutzhelm (Splitterschutzhelm und Weste)
• 500 Radpanzer als erste Tranche für die Aufklärungsverbände und vier Jägerbataillone
• Ersatz der 30 Jahre alten Schützenpanzer SAURER für die Gruppenfahrzeuge der Panzer-
grenadierbataillone durch über 200 neue Schützenpanzer, sowie eine Stärkung der Panzer-
grenadierbrigaden durch mindestens ein weiteres Bataillon
• Ersatz für das ,ALU-Brückengerät“ und Einführung von Brückenleg- und Minenräumpan-
zer sowie Bergepanzern (für die ,,LEOPARD-Baon“)
Lufttransportkapazität und Kampfhubschrauber:
• Ersatz der veralteten SKYVAN und der Transporthubschrauber AUGUSTA BELL 204
• Entscheidung über einen bewaffneten Hubschrauber mit Panzer- und Luftabwehrfähigkeit,
sowie den Ersatz der auslaufenden Abuette III und eine Steigerung der Transportfähigkeit
Elektronische Verbindungs,-Aufklärungs-und Beobachtungsmittel:
• Ausstattung mit neuen Funkgeräten bis auf die Zugsebene
• Beschaffung von zusätzlichen Aufklärungs- und Beobaehtungsgeräten, die auch im
Grenzeinsatz verwendbar sind, etwa Gefechtsfeldradars, Artillerie- und Luftaufklärungs-
systeme
Hinzu kommen zahlreiche Verbesserungen im Bereich der Kasernenrenovierungen und für
Ersatzneubauten, die aufgrund der Dislozierungen der HG-Neu notwendig geworden sind.
Dies alleine würde einen Aufwand von
über 10 Mrd. ÖS bedeuten.
Der gesamte Finanzbedarf für das Investitionsprogramm des Bundesheeres liegt daher nach
Schätzungen von Dienststellen des BMLV bei 100 bis 140 Milliarden Schilling - verteilt auf
die nächsten zehn Jahre. Langfristig muß das Landesverteidigungsbudget auf internationalen
Standard gebracht werden, wenn Österreich seinen Verpflichtungen im Rahmen der interna-
tionalen und europäischen Sicherheitskooperationen nachkommen bzw. zu keinem sicher-
heitspolitischen Trittbrettfahrer werden will. Letztendlich ist der Schutz der Bevölkerung, der
Grenzen und der verfassungsmäßigen Organe auch ein primär durch Österreich selbst zu lei-
stendes Gebot, das derzeit nur völlig unzureichend erfüllt werden kann.
Ergänzend zu dieser Problematik hat es das ÖBH nicht geschafft, einschneidende Einsparun-
gen durch Zusammenlegung von Verwaltungsebenen, die nach dem Wegfall operativer Auf-
gaben möglich wären, durchzuführen bzw. durch die Aufgabe von unrentablen Standorten
Personal und Kosten zu den Einsatzverbänden umzuschichten und mit den freiwerdenden
Mitteln neues Gerät zu beschaffen. Vielfach stecken dahinter regionale Interessen lokaler
Koalitionspolitiker, die Budgetoberhoheit durch das BMF (Geräteankauf und Kasernenver-
kauf) verbunden mit der einjährigen Budgeterstellung und die Unfähigkeit, ein dem Militär-
dienst entsprechendes Dienstrecht zu schaffen. Im Gegenteil sind durch das neue Besoldungs-
recht die Kosten für den Personalaufwand 1996 um 900 und 1997 um weitere 300 Mio ÖS
höher zu veranschlagen gewesen. Eine neuerliche Steigerung bei sinkenden Bedienstetenzah-
len für 1998 wird weitere 230 Mio öS ausmachen.
Dies bedeutet mittlerweile einen Anteil von über 60 Prozent Personalkosten im ÖBH gegen-
über 31 Prozent in Schwedens Armee (KURIER 16.11.1996). Dies trägt dazu bei, daß bei der
Ausbildung und der Nachbeschaffung von Gerät gespart werden muß bzw. unverantwortbar
große Lücken entstehen.
Auch die neuartigen Einsätze im Ausland und der verstärkte Grenzeinsatz haben gezeigt, daß
mit den bestehenden Rahmenbedingungen und Ressourcen nahezu nur unter Heranziehung
der letzten Reserven das Auslangen gefunden werden kann. Viele Friktionen (Materialmangel
bzw. -verschleiß und Personalknappheit) sind bereits jetzt evident und werden bei einer weite-
ren Belastung zum völligen Kollaps führen. Das Konzept VOREIN auf der einen Seite und
die HG-NEU können als gescheitert betrachtet werden, da es sowohl zu den versprochenen
Nachbeschaffungen auf absehbare Zeit nicht kommen wird und die angepeilten präsenten
Verbände (Aktive wie Miliz) nicht
aufbietbar sind.
Hierfür sind vor allem das Verabsäumnis der Bildung von geschlossenen
,,Freiwilligenverbänden“ verantwortlich sowie die fehlenden Entscheidungen im Bereich dcr
internationalen Sicherheitspolitik. Durch das zögerliche Verhalten in der Frage eines NATO-
und WEU-Beitritts durch die Bundesregierung können entscheidende Planungen, die von ei-
nem solchen Schritt abhängig sind, nicht durchgeführt werden.
Auch das Ausbildungsniveau droht zu sinken. Durch den neuen Erlaß über die Einschränkun-
gen von fWÜ-Teilnahmen, mit dem eigentlich nur Mißstände beseitigt werden sollten, wurde
weit über das gewünschte Ziel hinausgeschossen. Selbst reguläre Aus- und Weiterbildung für
fachspezifische Kurse (z.B. Fallschirmsprungkurse von Luftlandeinheiten) werden von den
Milizsoldaten nur mehr unbezahlt in ihrem Urlaub möglich sein. Die ziffernmäßige Reduktion
bedeutet gemäß dem Bundesvoranschlag für 1998 nur 25 Mio öS. In Zeit ausgedrückt sind
dies, bei den geringen Kosten die ein Milizsoldat erzeugt, weit über 50.000 Ausbildungstage,
die 1998 nicht geleistet werden. Damit wird die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres gröblich
in Gefahr gebracht, da nicht nur die für die MobFunktion wichtige Aus- und Weiterbildung
darunter leidet, sondern es auch die Milizsoldaten sind, die durch ihre fWÜ-Tage zum hohen
Ausbildungsstand des österreichischen Bundesheeres bei Auslandseinsätzen und in der GWD-
Ausbildung beitragen. Neben diesem Effekt wird vor allem aber die Motivation der engagier-
ten Milizsoldaten, die über viele Jahrzehnte lang einen Großteil ihrer Freizeit der militäri-
schen Verteidigung Österreichs gewidmet haben, auf ein Minimum reduziert werden.
Es entsteht der Verdacht, daß hier nur deshalb gespart werden soll, weil der laufende Betrieb
1998 nicht mehr finanziert werden kann. Unter anderem auch wegen der Inanspruchnahme
des Bundesheeres für Transport- und Verbindungsaufgaben im Rahmen des österreichischen
EU-Vorsitzes. Dies ist zwar durch das Wehrgesetz (§2 Zweck des Bundesheeres) nicht ge-
deckt, dennoch soll aber die Infrastruktur und das Gerät des ÖBH so in Anspruch genommen
werden, daß den mobverantwortlichen Verbänden mit Erlaß in Aussicht gestellt wurde, daß
für die meisten von ihnen die planmäßigen Beordertenwaffenübungen für 1998 vermutlich
nicht stattfinden werden können.
Die zu diesen Themen gestellten Anfragen der freiheitlichen Nationalratsfraktion (2096/J und
2894/J) wurden, wie sich erst jetzt wieder durch den Bundesvoranschlag bestätigte, vom Bun-
desminister für Landesverteidigung, Werner Fasslabend, trotz besseren Wissens ebenso falsch
beantwortet, wie jene über die persönliche Ausrüstung der österreichischen Soldaten (28961J).
So verfügt bis heute, fast fünfzehn Jahre nach Einleitung des Beschaffungsvorganges unter
BM Frischenschlager, noch immer nicht jeder Soldat der Einsatzorganisation über einen
Splitterschutzhelm und eine ebensolche Weste. Auch die von BM Fasslabend angegebene
Zeitleiste dafür wird nicht einzuhalten sein. Gleiches gilt für die sog. ‚Allwetterkleidung“, die
zwar in Form von Gore-Tex Jacken an die GWD von Stabskompanien ausgegeben wird, nicht
aber die Einsatzverbände der Hochgebirgsbaon oder die Jagdkommandokompanien, die dieser
wohl mehr bedürften. Grund dafür sind ebenfalls die fehlenden Budgetmittel, die dazu führen,
daß bei einem MobRahmen von 120.000 Mann (plus 20.000 Mann Personal reserve) nur
60.000 Stück der oben beschriebenen Ausrüstungsgegenstände beschafft werden sollen. Dies
bedeutet ebenso wie die Reduktion der Miliztruppenübungen den schleichenden Übergang auf
eine Zwei-Klassen-Armee und in späterer Folge die de facto Abschaffung der Miliz ohne ent-
sprechende Entscheidung der dafür zuständigen Gremien.
Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der GTI Gen. Majcen in den Medien bestätigt hat, daß
es konkrete Planungen gibt, im Bereich des ÖBK „Verdichtungen“ bei Kommanden, Ämtern
und Truppenkörpern der Friedensgliederung‘ aber vermutlich auch bei der Einsatzgliederung
vorzunehmen, die über die Empfehlungen des LV-Rates von 1992 zur sog. HG-NEU hinaus-
gehen und weitreichende Konsequenzen für das Verteidigungskonzept, die Organisation und
nicht zuletzt auch die Bediensteten des ÖBH haben werden. Diese HG-NEU-NEU wird
scheitern, sollte sie nicht entscheidende Verbesserungen bringen und von allen relevanten
politischen Kräften getragen werden, auf völlige Inakzeptanz bei den betroffenen Heeresange-
hörigen treffen, die heute noch an den letzten Umgliederungsmaßnahmen zu tragen haben.
Dies wird zu einer Unzufriedenheit führen, die in der Öffentlichkeit den Eindruck des Refor-
munwillens des Bundesheeres entstehen lassen wird, und damit dazu beiträgt, das Vertrauen
der Bevölkerung in die Landesverteidigung endgültig zu untergraben. Nicht zuletzt ist sie
schon daher zum Scheitern verurteilt, wenn sie Fragen eines spezifischen Militärdienstrechtes,
einer modernen Budgetgestaltung, der ausreichenden und modernen Ausrüstung, eines gewis-
sen Freiwilligkeitsprinzips und der Abstützung auf die Erfordernisse eines Bündnisses aus-
klammert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher in diesem Zusammenhang nachstehenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Landesverteidigung wird aufgefordert:
1. keine neuerlichen Umgliederungen in der Friedens- und Mobgliederung des österreichi-
schen Bundesheeres vorzunehmen, die über die Ebene der militärischen Einheit hinausgehen,
bevor nicht die grundsätzliche Entscheidung über den sicherheitspolitischen Weg Österreichs
in Europa gefallen ist,
2. die längst notwendige budgetäre, materielle und personelle Ausstattung des Bundeshceres
insbesondere der Miliz sicherzustellen,
3. für die Durchführung aller 1998 turnusmäßig heranstehenden Truppenübungen Sorge zu
tragen und
4. den Erlaß über die Beschränkung der freiwilligen Waffenübungen (GZ 21.520/29-2.8/97)
aufzuheben.“
In formeller Hinsicht wird ersucht, gegenständlichen Antrag zur weiteren Behandlung dem
Landesverteitigungsausschuß zuzuweisen.