626/AE XX.GP

 

der Abgeordneten Heide Schmidt, Volker Kier, Hans Peter Haselsteiner, Klara

Motter und PartnerInnen

betreffend

Neugestaltung der „Familienförderung"

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem letzten Erkenntnis zur

Familienbesteuerung die Auffassung vertreten, daß Kinder - im Gegensatz zu

ebenfalls unterhaltsberechtigten EhepartnerInnen - nicht Sache privater

Lebensgestaltung seien und daher der ausschlaggebende Vergleich im Sinne

des Gleichheitsgrundsatzes nicht zwischen Eltern mit niedrigerem und

höherem Einkommen gezogen werden dürfe sondern zwischen

unterhaltspflichtigen Eltern und nicht unterhaltspflichtigen Personen gleicher

Einkommensstufe. Abgesehen davon, daß der Verfassungsgerichtshof diese

Auffassung nicht näher begründet, kommt er trotz seiner Feststellung, daß „die

Tragung der Kinderlasten mit steigendem Einkommen leichter wird“

schlußendlich zu dem Ergebnis, daß „zumindest die Hälfte der

Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich

sind, (...)im Effekt steuerfrei bleiben“ müssen.

Das Erkenntnis hat heftige Reaktionen auf politischer und wissenschaftlicher

Ebene ausgelöst. Der Universitätsprofessor für Verfassungsrecht Heinz Mayer

etwa meinte, daß der Verfassungsgerichtshof sich soweit politisch geäußert

habe, daß er damit seine richterlichen Befugnisse überschritten habe; eine

Auffassung, der sich die unterzeichneten Abgeordneten anschließen.

Erleichtert wurde dem Verfassungsgerichtshof allerdings diese Vorgangsweise

durch den Umstand, daß die Bundesregierung von einer meritorischen

Äußerung Abstand genommen hat. Die politische Unfähigkeit der

Bundesregierung, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen, hat damit dem

Höchstgericht den Weg geebnet, über die Verfassungskontrolle hinaus seine

familienpolitischen Vorstellungen in Form eines Erkenntnisses detailliert

darzulegen. Daß es dem Gericht vor allem darum ging, wird durch die

Tatsache bestätigt, daß der von ihm als gleichheitskonform gewünschte

Zustand durch sein Erkenntnis gar nicht durchgehend hergestellt wird, da die

Auswirkungen - wie Experten festgestellt haben - weder in niedrigen noch in

hohen Einkommensgruppen eintreten werden, sondern einzig mittlere

Einkommen betreffen.

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch verpflichtet Eltern, zur Deckung der

Bedürfnisse ihrer Kinder den Lebensverhältnissen entsprechend angemessen

beizutragen. Nach Auffassung der Liberalen ist dieser Verpflichtung nicht durch

steuerliche Maßnahmen, sondern durch Transferleistungen, die sich an der

Leistungsfähigkeit der Eltern orientieren, Rechnung zu tragen.

Das Liberale Forum hat daher ein detailliertes Familientransfermodell

vorgelegt, das bislang von allen anderen im Parlament vertretenen Parteien mit

der Begründung abgelehnt wurde, daß der Grundsatz „alle Kinder sind gleich

viel wert“, es verlange, staatlicherseits jedem Kind den gleichen Betrag

zukommen zu lassen, unabhängig davon, in welcher Einkommenssituation sich

die Unterhaltspflichtigen befinden. Erst in jüngster Zeit war eine

Diskussionsbereitschaft zu erkennen, über einkommensabhängige

Transferleistungen nachzudenken.

Da durch das Verfassungsgerichtshofurteil der Gesetzgeber nunmehr zum

Handeln aufgefordert ist, scheint es den unterzeichneten Abgeordneten

notwendig, die vom Gerichtshof gesetzte Frist für eine parlamentarische

Diskussion zu nutzen, wobei die Überlegungen der Liberalen im folgenden in

Erinnerung gerufen werden.

Das liberale Modell sorgt insofern für eine Verteilungsgerechtigkeit, als es

Abschied vom Gießkannenprinzip nimmt, es ist aufkommensneutral, führt also

zu keiner Mehrbelastung des Budgets und ist darüber hinaus geeignet  -

eingebettet in die liberalen Modelle der Grundsicherung und der Steuerreform

 - die verfassungsrechtlichen Bedenken zu zerstreuen.

• Im Mittelpunkt steht das Kind

Jedem Kind steht unabhängig von seiner sozialen Lage ein monetäres

Existenzminimum zur Verfügung. Dieses ist abhängig von Alter und Anzahl

der Geschwister und bewegt sich zwischen öS 5.000, - und öS 7.500,-

monatlich. Für diese Leistung haben zuerst die Eltern Sorge zu tragen.

Wenn deren Einkommen nicht ausreicht, trägt - subsidiär - der Staat für die

Existenzsicherung der Kinder Verantwortung.

• Unterhaltspflicht der Eltern

Zur „Deckung“ dieser Kindesansprüche werden - unter Zugrundelegung des

geltenden Unterhaltsrechtes - die Unterhaltspflichten beider Elternteile

(rechnerisch) ausgeschöpft. Basis dafür ist im Sinne des Unterhaltsrechts

das monatliche Nettoeinkommen (das ist ein Zwölfte des verfügbaren

Nettojahreseinkommens) des jeweiligen Elternteiles.

Der gegenüber den Eltern bestehende (monatliche) Unterhaltsanspruch

stellt sich als Prozentanteil des Nettoeinkommens und/oder der

Bemessungsgrundlage dar. Diese prozentuellen Anteile steigen mit dem

Alter der Kinder und sinken mit steigender Kinderanzahl. Bei einem

Einzelkind über 15 Jahre wären das 22 Prozent, bei einem Kleinkind mit

vier Geschwistern 12 Prozent vom monatlichen Nettoeinkommen.

In Summe dürfen Unterhaltsansprüche gegenüber einer Person (Elternteil)

jedoch 50% des jeweiligen Einkommens nicht übersteigen. Hier soll nicht

verschwiegen werden, daß es in diesem Punkt auch einer Änderung des

bestehenden Unterhaltsrechtes bedarf.

Bemessungsgrundlage

Erwirtschaften ein oder beide Elternteile ein Einkommen, so errechnet sich

aus dem jeweils monatlich verfügbaren Nettoeinkommen (dargestellt als

Jahres-Zwölfte des Jahresnettoeinkommens) unter Zugrundelegung des

Unterhaltsrechtes die jeweilige Leistungsfähigkeit jedes oder beider

Elternteile.

Erzielt ein Elternteil kein Einkommen, so wird ihm für die „Naturalleistung

Pflege und Erziehung der Kinder“ eine fiktive Bemessungsgrundlage von

monatlich öS 8.000, - zugerechnet. Daraus ergibt sich für diesen Elternteil

der prozentuelle Anteil für die Unterhaltsleistung an das Kind.

Steht ein Elternteil in einem Teilzeitarbeitsverhältnis, wird ebenfalls eine

fiktive Bemessungsgrundlage, in diesen Fällen in halber Höhe (öS 4.000.-),

zugerechnet.

Transferleistung

Durch Vergleich der bestehenden Unterhaltsansprüche und der

Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen mit dem Existenzminimum wird

eine Über- bzw. Unterdeckung festgestellt.

kann das Existenzminimum aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit aus

dem bestehenden Unterhaltsanspruch nicht befriedigt werden, ist die

Differenz in Form des Familientransfers auszubezahlen. Im gegenteiligen

Fall gelangt keine Transferleistung zur Auszahlung.

Für im Ausland lebende Kinder wird die Familienbeihilfe nach dem Prinzip

der Kaufkraftäquivalenz ausgezahlt, sie darf jedoch den für Österreich

festgestellten Höchstbetrag nicht übersteigen.

Sind die Voraussetzungen für eine Transferleistung gegeben, so erfolgt

diese direkt aus dem Familienlastenausgleichsfonds.

Die derzeit im Einkommensteuergesetz geregelten Kinderabsetzbeträge

entfallen.

• Kosten

Dieses Transfermodells ist aufkommensneutral und folgt dem Ziel der

größtmöglichen sozialen Treffsicherheit.

Für die mehr als 10 Mrd. öS, die den Steuerzahlerlnnen durch den Entfall

an Steuerbegünstigung ‚verlorengehen“, ist ein sozial- und

wirtschaftspolitisch sinnvoller Ausgleich zu schaffen, etwa durch Senkung

der Dienstgeberlnnenbeiträge mit den damit verbundenen positiven

Beschäftigungsimpulsen.

Die administrativen Kosten sind gegenüber jenen des gegenwärtigen

Systems minimal, da die Höhe des Transfers durch das zuständige

Finanzamt beim Jahresausgleich zu berechnen ist.

Um zu verhindern, daß es vor Fristablauf zu einer unter Termindruck

unausgewogenen Kompromißlösung kommt, stellen die unterfertigten

Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich,

jedenfalls aber vor Vorlage des Budgetvoranschlages für das Jahr 1999, ihre

Reformvorschläge und entsprechende Berechnungsmodelle zuzuleiten, die

ohne Erhöhung von Steuern und Abgaben eine verfassungskonforme

Neuregelung im Bereich der familienpolitisch motivierten Maßnahmen -

Direktförderungen und Steuerbegünstigungen - bedeuten

In formeller Hinsicht wird gemäß § 74a Abs. 1 GOG iVm § 93 Abs 1 GOG die

dringlich Behandlung des gegenständlichen Antrages verlangt.