732/A XX.GP

 

Antrag

der Abgeordneten Maria Schaffenrath und PartnerInnen betreffend

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985

(BGBl. Nr. 76/1985) idgF geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetzgesetz 1985

geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76/1985, zuletzt

geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 768/1996, wird wie

folgt geändert:

1. Dein § 5 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a angefügt

„Die allgemeine Schulpflicht wird durch den Unterricht bzw.

die Förderung außerhalb der Schule (§ 15) erfüllt, solange

Anspruch darauf besteht.

2. § 15 lautet:

„Erfüllung der Schulpflicht durch Unterricht bzw. Förderung

außerhalb der Schule

(1) Schülerinnen und Schüler, die innerhalb der Schule

keine angemessene Förderung erhalten können (Abs. 2),

haben Anspruch auf Unterricht bzw. Förderung außerhalb der

Schule.

(2) Anspruch auf Unterricht bzw. Förderung außerhalb der

Schule besteht, wenn medizinische Gründe einen Schulbesuch

ausschließen oder der Schulbesuch eine unzumutbare

Belastung für die Schülerinnen und Schüler darstellen

würde. Auf Antrag der Eltern oder sonstigen Erziehungs -

berechtigten besteht dieser Anspruch ferner, wenn nach

einem angemessenen Beobachtungszeitraum mit besonderer

Förderung in der Schule kein Entwicklungsfortschritt

feststellbar ist.

(3) Auf das Verfahren zur Feststellung des Anspruchs auf

Unterricht bzw. Förderung außerhalb der Schule ist § 8

sinngemäß anzuwenden. Besteht während des Verfahrens

Schulpflicht, ist diese nach Wunsch der Eltern oder

sonstigen Erziehungsberechtigten in der Schule oder durch

Unterricht bzw. Förderung außerhalb der Schule zu erfüllen.

(4) Die Unterrichtung bzw. Förderung außerhalb der Schule

umfaßt im Regelfall zumindest so viele Wochenstunden, wie

sie bei einem Schulbesuch der jeweils anzuwendende Lehrplan

vorsieht. Der Inhalt der Unterrichtung bzw. Förderunq ist

in Einvernehmen mit den Eltern oder den sonstigen

Erziehungsberechtigten vom zuständigen Bezirksschulrat

festzulegen, dem auch die Bereitstellung obliegt.“

Begründung

Allgemeiner Teil

Die öffentliche Schule ist jene gesellschaftliche Institution

der die Aufgabe der systematischen Förderung der Kinder in

kognitiver, emotionaler, sozialer und physischer Hinsicht

zukommt. Diese Aufgabe hat sie für alle Kinder wahrzunehmen.

Die Schule muß sich daher in vielfältiger Hinsicht den unter -

schiedlichen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler stellen

und die entsprechenden Angebote machen.

Die allgemeine Zugänglichkeit der öffentlichen Schulen gemäß

§ 4 Abs. 1 SchOG garantiert den Bürgerinnen und Bürgern bzw.

deren Kindern daher das Recht auf Bildung, wie es in Artikel 2

des ersten Zusatzprotokolls der MRK sowie in Artikel 28 des

Übereinkommens über die Rechte des Kindes formuliert wird.

Vor diesem Hintergrund erhält der § 15 des Schulpflichtgesetzes

in der derzeitigen Fassung eine irritierende Bedeutung. Wohl

wird hier unter dem Titel „Befreiung eines Kindes von der all -

gemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit“ die Möglichkeit,

unter bestimmten Umständen von der Schulpflicht abzugehen, als

eine positive Maßnahme im Sinne des betroffenen Kindes darge -

stellt. Tatsächlich impliziert diese gesetzliche Regelung un -

ausgesprochen jedoch die Möglichkeit des Staates, sich seiner

Verantwortung für die bestmögliche (schulische) Unterrichtung

bzw. Förderung eines Kindes zu entledigen. Darüber hinaus be -

deutet dieses Gesetz, daß das oben bezeichnete „Recht auf Bil -

dung“ bestimmten Kindern unter bestimmten Voraussetzungen auch

verwehrt werden kann und steht daher jedenfalls in Widerspruch

zu Artikel 2 des Zusatzprotokolls der MRK.

In seinen praktischen Auswirkungen ermöglicht die gegenständ-

liche Bestimmung des Schulpflichtgesetzes die Verweigerung der

allgemeinen Zugänglichkeit der öffentlichen Schule für be -

stimmte, schwerstbehinderte Kinder und die Abgabe der gesell -

schaftlichen Verantwortung für die optimale schulische Förde -

rung dieser Kinder von den Schulbehörden an die Eltern. Ist ein

Kind einmal als "schulunfähig“ erklärt, besteht aufgrund der

derzeitigen Gesetzeslage bezüglich der schulischen Bildung kei -

nerlei subsidiäre Verantwortung durch andere Stellen des Bundes

oder der Länder. Die betroffenen Kinder werden somit der allei -

nigen Verantwortung der Eltern oder Erziehungsberechtigten

überlassen.

Anstelle der "Schulunfähigkeit" tritt "das Recht auf

außerschulische Förderung"

Im vorliegenden Antrag wird versucht, die oben angesprochene,

möglicherweise menschenrechtswidrige Ausschlußklausel des der -

zeitigen Schulpflichtgesetzes in einen gesetzlichen Anspruch im

Sinne der Betroffenen umzuwandeln. Anstelle der "Schulun -

fähigkeit" tritt "das Recht auf Unterricht bzw. Förderung

außerhalb der Schule.

Denn es ist nicht abzustreiten, daß für manche Schülerinnen

oder Schüler die Schule in ihrer derzeitigen Form kein sinn -

volles Angebot darstellt. Dies darf jedoch nicht dazu führen,

daß sich der Staat in diesen Fällen von seiner Verantwortung

verabschieden kann. Im Gegenteil: Dies muß vielmehr bedeuten,

daß staatlicherseits angemessenere, sinnvollere und damit bes -

sere Unterstützung angeboten werden muß. Im gegenständlichen

Antrag wird daher der § 15 des Schulpflichtgesetzes völlig neu

gefaßt. Darin wird nun ein Rechtsanspruch auf Erfüllung der

Schulpflicht durch Unterricht bzw. Förderung außerhalb der

Schule (so der neue Titel des § 15) definiert.

Besonderer Teil:

ad 1

Die Erweiterung des § 5 um einen Absatz 1a verweist auf die

Möglichkeit, die allgemeine Schulpflicht durch den Unterricht

bzw. die Förderung außerhalb der Schule gemäß § 15 zu erfüllen.

ad 2

Das Recht auf außerschulische Unterrichtung bzw. Förderung ist

an dieselben Bedingungen gebunden, die bisher als zureichend

angesehen wurden, um ein Kind als "schulunfähig“ zu erklären.

Dies ist der Fall, wenn medizinische Gründe einen Schulbesuch

ausschließen oder der Schulbesuch eine unzumutbare Belastung

für die Schülerin oder den Schüler darstellen würde. Schließ -

lich besteht der Anspruch auf außerschulische Förderung auch,

wenn nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum mit besonde -

rer Förderung in der Schule kein Entwicklungsfortschritt fest -

stellbar ist. Letzteres allerdings ausschließlich auf Antrag

der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten, um diesen das

letzte Entscheidungsrecht zu belassen.

Zur Klärung des Anspruches auf außerschulische Unterrichtung

bzw. Förderung ist das Verfahren zur Feststellung von sonder -

pädagogischem Förderbedarf, wie es in § 8 SchulPflG definiert

ist, sinngemäß anzuwenden. Dem für diese Entscheidung

zuständigen Bezirksschulrat obliegt auch die Verantwortung für

die Bereitstellung aller notwendigen Maßnahmen zur Unterrich-

tung bzw. Förderung außerhalb der Schule. Die Schulverwaltung

kann und soll sich dabei der Unterstützung durch andere Behör-

den oder Institutionen versichern.

Worin die außerschulische Förderung genau besteht1 kann und

soll nicht im Gesetz festgelegt werden, sondern muß für jeden

Einzelfall entschieden werden. Im Gesetz werden lediglich

einige Grundsätze festgelegt:

Der Inhalt der Förderung muß jedenfalls im Einvernehmen mit den

Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten festgelegt werden.

Gerade bei schwerstbehinderten SchülerInnen ist eine möglichst

vollständige Abstimmung der von Seiten der Familie und von

Seiten des Staates organisierten Erziehungs- und Förde-

rungsmaßnahmen unerläßlich.

Das Ausmaß der Unterrichtung bzw. Förderung außerhalb der

Schule soll im Regelfall ebenso viele Stunden umfassen, als in

der Schule Unterricht zu erteilen wäre. Im Einzelfall ist das

zeitliche Ausmaß natürlich flexibel zu handhaben. Auch ist na-

türlich nicht nur an Unterricht zu denken, denn jede andere Art

der Förderung kann ebenso wichtig oder wichtiger sein.

Kosten: Die Antragsteller gehen davon aus, daß bei Maßnahmen

zum Abbau von menschenrechtswidrigen Diskriminierungen das

Kostenargument jedenfalls nicht im Vordergrund stehen darf,

halten aber fest, daß durch die geringe Anzahl der Betroffenen

ein allfälliger finanzieller Mehrbedarf durch Umschichtungen/

Einsparungen im Unterrichtsbudget abdeckbar ist.

In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine erste Lesung

die Zuweisung an den Unterrichtsausschuß vorgeschlagen.

 

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