774/AE XX.GP
DRINGLICHER ANTRAG
gem. § 74 a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG - NR
der Abgeordneten Mag. Stadler
und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Verflechtungen zwischen Politik und Russenmafia
Seit dem Zusammenbruch der real - sozialistischen Diktaturen in Osteuropa ist in Österreich
ein verstärktes Auftreten von Personen aus dem Bereich der ehemaligen UdSSR zu
verzeichnen. Die groß - kriminelle Unterwanderung dieser Personen durch Gruppen
organisierter Kriminalität, im speziellen der Russenmafia, wurde in Österreich durch
Strukturananlysen der EDOK nachgewiesen. Die kriminellen Aktivitäten der Russenmafia
umfassen eine breite Palette wobei enorme Geldflüsse und eine überaus brutale
Vorgangsweise der Täter auffallen.
Die Russenmafia hinterließ in Österreich schon mehrmals ihre blutige Handschrift. In den
folgenden Fällen ist ihre Mitwirkung zweifelsfrei:
20. September 1994: Der Mord an dem russischen Geschäftsmann Sergej Hodscha - Achmadov
in Wien - Währug; eine Art Hinrichtung, wies alle Merkmale organisierter Kriminalität auf.
Zwei Beteiligte wurden dem Dunstkreis der berüchtigten Mafia zugeordnet.
11. Juli 1996: Der 50jährige georgianische Geschäftsmann David Sanikidse wird in der
Annagasse in der Wiener Innenstadt von zwei Profikillern getötet. Seine Begleiterin überlebt
das Schußattentat. Alle Spuren deuten auf die Russenmafia hin.
21. Dezember 1997: In Schwechat wurde ein Killer der Russemafia aufgegriffen, der 1994 in
Paris einen russischen Staatsangehörigen ermordet hatte.
9. Mai 1998: Am Graben in Wien wird der 43jährige Geschäftsführer des Innenstadt
Juweliers Haban, Siegfried Goluch, von mehreren Profikillern überfallen und in Gegenwart
mehrerer Kunden durch einen Kopfschuß
getötet. Der mußmaßliche Täter Vladimir
Alexandrovitch Gurchenkov soll der auf Wirtschaftsverbrechen spezialisierten
Russenmafiabande ,‚Solnzewskaja“ angehören.
Es ist daher seit langem evident, daß der Import von Kriminalität aus den osteuropäischen
Reformstaaten und insbesondere aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion eine
eminente Gefahr für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher darstellt, wie
insbesondere der letzte oben aufgezeigte Fall beweist. Dabei wird der Anteil der organisierten
Kriminalität, die durch den Zuzug aus dem Osten besonders begünstigt wird, an der
Gesamtkriminalität in Österreich derzeit schon auf ca. 30 bis 35 % geschätzt und wird in
Zukunft durch die absehbaren Folgen des Schengener Abkommens noch wesentlicher
unterstützt und erleichtert werden (Menschen - insbesondere Frauenhandel, Schlepperei,
Prostitution, Waffen - und Drogenhandel, Schutzgelderpressungen, Geldwäsche etc.). Nach
der Einschätzung von EU - Experten droht mit der Osterweiterung der EU ein weiteres
Sicherheitsproblem erster Ordnung, da die meisten Osteuropäischen Staaten ihren
Grenzschutz bisher vernachlässigt haben und sich deshalb die groß - kriminellen
Organisationen ungehindert und grenzüberschreitend ausweiten konnten.
In den letzten Jahren traten im Rahmen der organisierten Kriminalität im verstärktem Ausmaß
Täter und Tätergruppen, die ihren Ursprung im ehemaligen Ostblock haben, in Österreich
auf (vor allem im Bereich der Wirtschaftskriminalität, bei der Geldwäsche, im
Suchtgifthandel, der Kfz - Verschiebung und im Menschenhandel).
Der amerikanische Experte für internationale Finanzkriminalität, Jack Blum, sieht in Wien
sogar ein Zentrum der Geldwäsche aus den ehemaligen Oststaaten. Im zunehmendem Maße
länden Transaktionen mafioser Organisationen aus Rußland und insbesondere die
Weißwäsche von Geldern kriminellen Ursprungs in Wien statt (Die Presse, 10. März 1998).
Der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Dr. Michael Sika, schätzt die Bedrohung
Österreichs durch die von Kriminellen aus der ehemaligen Sowjetunion gesteuerte
organisierte Kriminalität überaus dramatisch ein, indem er feststellt, daß „man sich im klaren
sein“ müsse, „daß es keinen Handel mit Rußland gibt, ohne irgendwie in Kontakt mit
mafiosen Leuten zu kommen“ (Profil Nr. 11, 9. März 1998). Gleichzeitig wirft Sika
maßgebenden Politikern der Koalitionsparteien vor, die Augen vor der offenkundigen Realität
zu verschließen, indem sie naiv fragen:
„Gibt es die organisierte Kriminalität wirklich?“
Die Fahrlässigkeit höchster österreichischer Stellen wird auch dadurch illustriert, daß trotz der
Offenkundigkeit eines möglichen kriminellen Umfeldes bei den Osthilfeprojekten des Bundes
und der Länder, insbesondere der Stadt Wien, in die zu Lasten des Steuerzahlers
Milliardenbeträge geflossen sind, sicherheitsbehördliche Prüfungen der Auftragnehmer im
Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten nicht erfolgt sind (Anfragebeantwortung des
Bundesministers für Inneres Dr. Einem vom 16. September 1996, 1116/AB - BR/96).
Bei den Osthilfemaßnahmen Österreichs handelt es sich um Förderungsausgaben des Bundes,
die ohne gesetzliche Grundlage im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung aufgrund von
Ministerratsbeschlüssen geleistet werden. Die innerstaatliche Koordination obliegt nach dem
Bundesministeriengesetz dem Bundeskanzleramt.
Der RH hat bereits mehrfach (TB 1981 Abs. 35, TB 1986 Abs. 9 und zuletzt im Nachtrag zum
TB 1993, Reihe Band 1995/2) darauf hingewiesen, daß derartige Förderungsvorhaben in
Entsprechung des Grundsatzes der doppelten gesetzlichen Bedingtheit der Staatsausgaben
neben der bundesfinanzgesetzlichen Vorsorge auch einer materiell - rechtlichen Grundlage
bedürfen.
Eine derartige materiell - rechtliche Grundlage wurde jedoch bisher nicht geschaffen.
Das Bundeskanzleramt teilte dem Rechnungshof lediglich mit, daß es ihm zu „gegebener
Zeit“ einen entsprechenden Gesetzesentwurf zuleiten werde. Daraus ist zu erkennen, daß
offenbar gar nicht die Absicht besteht, den langjährigen Forderungen des Rechnungshofes zu
entsprechen. Dadurch wird auch die Möglichkeit geschaffen, daß die der Osthilfe
zugrundeliegenden Geschäftskontakte weiterhin verschleiert werden können und daß jegliche
Kontrolle des Umfeldes der osteuropäischen Geschäftspartner unmöglich gemacht wird.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß es zu einer Vielzahl von Kontakten - sei es bewußt
oder unbewußt - von Koalitionspolitikern mit Personen aus dem Milieu der Russenmafia
gekommen ist:
Der damalige Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky intervenierte beispielsweise für den
Unternehmer Leopold Bausbek bei seinem ehemaligen Sekretär Gerhard Praschak, der
mittleeweile Vorstand der österreichischen Kontrollbank geworden war. Gegenstand der
Intervention waren Ostgeschäfte mit dem
später ermordeten David Sanikidse, wobei es um
Hotelprojekte ging. David Sanikidse, in seiner Heimat ein prominenter Mann, war den
Behörden wohl bekannt. Er war nicht nur Präsident der georgischen Fluglinie Orbi und
Freund des georgischen Präsidenten Schewardnadse, sondern er galt auch als Statthalter der
georgischen Mafia in Moskau.
Er stand in Geschäftsbeziehungen mit den großen Verbrecherorganisationen von Usbekistan
bis Rußland und fiel in Österreich durch Waffeneinkäufe auf. Weiters fungierte er als
Geschäftsführer einer Wiener Firma, die Nutznießer verschiedenster politischer und
wirtschaftlicher Aktivitäten in der ehemaligen Sowjetunion war. Seit 1991 arbeitete er als
einer der Geschäftsführer der ABV Leasing und Hotelinvest Ges.m.b.H. Diese war über Joint
Ventures an Hotels in Rußland und Georgien beteiligt. Nach dem Mordanschlag an Sanikidse
wurde die Aufklärung nach Angaben der damit befaßten Kriminalbeamten durch das
Verhalten der EDOK (Sondereinheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität), obwohl
sie über Sanikidse einschlägige Erkenntnisse gesammelt hatte, behindert. Insbesondere ging
es um die Verhinderung der Offenlegung der politischen Verwicklungen in Österreich (Roth,
Die roten Bosse, S 262).
Ein weiteres Beispiel sind die innigen Kontakte des damaligen Bundeskanzlers Dr. Vranitzky
mit dem ehemaligen Bürgermeister von St. Petersburg Anatoh Sobtschak, dem mit großem
Medienrummel die Finanzierung eines Österreichplatzes zugesagt wurde. Mittlerweile ist die
Finanzierungshilfe der österreichischen Steuerzahler in dunklen Kanälen verschwunden und
Bürgermeister Sobtschak untergetaucht.
Die intensiven Kontakte des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Vranitzky waren auch
Gegenstand einer Erörterung in der ZIB 2 am 12. Mai 1998. Dabei wurde der Vorwurf
erhoben, daß hochrangige österreichische Politiker wissentlich oder unwissentlich mit der
Russenmafia kooperieren.
Allgemein bekannt sind die Ostkontakte des ehemaligen Innenministers Karl Becha. Karl
Blecha verfügt aus seiner Tätigkeit als Berater in Wirtschaftsfragen sowie als Markt - und
Sozialforscher über ausgezeichnete Kontakte zu Personen und Unternehmen in den
ehemaligen Ostblockstaaten. Er war aber auch seit 1992, als beispielsweise
Schutzgelderpressungen bekannt wurden, gemeinsam mit Ex - Außenminister Gratz und dem
bereits erwähnten Mafiapaten David
Sanikidse an einer Firma beteiligt. Sanikidse soll ein
Hauptverantwortlicher für Schutzgelderpressung westlicher Investoren gewesen sein (Roth,
Die roten Bosse, 5 257).
Schließlich sind auch die umfangreichen Ostkontakte des ehemaligen Landwirtschafts -
ministers Dr. Erich Schmidt allgemein bekannt. Im Rahmen seiner Insolvenz wurde evident,
daß im Zusammenhang mit seinem verschachtelten Firmenimperium hunderte Millionen im
Osten versickert sind.
Es bedarf keines Nachweises, daß es für Österreich wichtig ist, die wirtschaftlichen,
kulturellen und wissenschaftlichen Kontakte auch mit den osteuropäischen Reformstaaten und
den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zu fordern und auszubauen. Die in diesen
Ländern gegebenen Strukturen bringen es mit sich, daß die Kontakte der Unterstützung durch
staatliche Stellen und Regierungsvertreter bedürfen. Die Türöffnerfunktion von
Regierungsdelegationen ist daher durchaus gegeben. Allerdings hat sich gezeigt, daß die
österreichischen Regierungsvertreter dabei jede Sorgfalt vermissen lassen und insbesondere
auch immer wieder wissentlich oder unwissentlich mit der Russenmafia kooperiert haben und
weiter kooperieren. Diese Verquickung höchster Politiker mit mafiosen Kreisen hat bereits
vielfachen Niederschlag in der Medienberichterstattung gefunden. Es liegt auf der Hand, daß
dadurch nicht nur das Ansehen Österreichs gefährdet wird sondern auch den kriminellen
Russenmafiaorganisationen der Zugang zu neuen Märkten in Österreich erleichtert wird. Daß
der leichtfertige Umgang mit der organisierten Kriminalität letztlich auch zu einer Gefahr für
die Demokratie wird, hat der bereits zitierte Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit,
Dr. Michael Sika, überzeugend nachgewiesen (Profil Nr.11, 9. März 1998). Die Beispiele der
Vergangenheit lassen den Schluß zu, daß dieser sorglose Umgang auch derzeit anhält.
So hat insbesondere der Bundeskanzler bis jetzt jede Initiative in Richtung einer Prüfung
osteuropäischer Verhandlungs - und Geschäftspartner hinsichtlich deren Beteiligungen und
Verflechtungen mit der organisierten Kriminalität unterlassen, wofür er im Rahmen seiner
Koordinationsfunktion zuständig wäre. Dadurch wird es weiterhin ermöglicht, daß sowohl
Regierungs - als auch Wirtschaftsvertreter bei ihren Ostkontakten - wissentlich oder
unwissentlich - in Beziehungen mit derartigen Kreisen treten und dadurch implizit deren
kriminelle Geschäfte begünstigen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler gemaß § 74 a Abs. 1
iVm § 93 Abs. 1 GOG - NR folgenden
DRINGLICHEN ANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat bis 28. Mai 1998
1) einen Bericht vorzulegen, der die Vorgangsweise der österreichischen
Bundesregierung bei der Anbahnung von wirtschaftlichen, kulturellen und
wissenschaftlichen Beziehungen mit den osteuropäischen Reformstaaten sowie den
Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion offenlegt und insbesondere darlegt, in
welcher Weise ausgeschlossen wird, daß diese Kontakte zu Kooperationen mit der
organisierten Kriminalität führen und diesen ein zusätzliches Betätigungsfeld in
Österreich eröffnet wird sowie
2) endlich einen Gesetzesentwurf betreffend die vom Rechnungshof seit 1981
eingemahnte materiell - rechtliche Grundlage für Förderungsmaßnahmen im Rahmen
der Osthilfe vorzulegen, wodurch auch genaue Richtlinien für das Verhalten
österreichischer Regierungsvertreter geschaffen werden sollen.