824/AE XX.GP
DRINGLICHER ANTRAG
gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR
der Abgeordneten Dr. Povysil
und Kollegen
betreffend Schutz unserer Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie
Die Zahl der bekanntgewordenen Sexualverbrechen gegen Kinder hat in den letzten
Jahren stark zugenommen. Es mußte vor allem anhand einiger entsetzlicher Fälle und
einer deutlich steigenden Zahl angezeigter Delikte zur Kenntnis genommen werden, daß
die gegen Kinder gerichtete Gewalt mit den derzeit eingesetzten Mitteln offensichtlich
nicht wirksam bekämpft werden kann. Nicht nur die körperliche Gewalt im familiären
Nahbereich tritt erschreckend häufig und mit steigender Intensität auf, sexueller Mißbrauch
ist mittlerweile sogar in gewerbsmäßigem Umfang und mit internationaler Vernetzung
anzutreffen. Es wäre daher dringend erforderlich gewesen, alle Möglichkeiten zu nutzen,
um die frühzeitige Aufdeckung der Taten zu erleichtern, adäquate Reaktionen des
Rechtsstaates auf schwere Verbrechen an Kindern sicherzustellen, das Rückfallrisiko auch
durch jahrelange Kontrolle der Täter - so der Wiener Kinder - und Jugendpsychiater Prof.
Max Friedrich - zu verringern, die Opfer bestmöglich zu schützen und zu betreuen und eine
wirksame Prävention zu ermöglichen.
Die FPÖ hat daher bereits vor längerer Zeit von der Bundesregierung folgendes
eingemahnt:
1. Einrichtung einer zentralen Meldestelle pro Bundesland, an die Ärzte alle Fälle zu
melden haben, in denen ein Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen
Kindesmißbrauchs besteht, und die entsprechende Auskünfte an
Sicherheitsbehörden, Jugendwohlfahrtseinrichtungen und Ärzte erteilt;
2. Meldepflicht an den Amtsarzt für alle Personen, die beruflich die Betreuung von
Kindern übernommen haben (z.B. Kinderbetreuer, Lehrer, Ärzte, Psychotherapeuten,
Psychologen, Schulärzte), wenn ein begründeter Verdacht physischen, sexuellen oder
psychischen Kindesmißbrauchs besteht;
3. absolute Anzeigepflicht für Behörden, die primär zum Schutz der Kinder eingerichtet
sind (Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Kinder - und Jugendanwälte etc.) für alle an
Unmündigen begangenen Straftaten;
4. Schaffung eines neuen Straftatbestandes der unterlassenen Anzeige für alle
Personen, die der Anzeigepflicht unterliegen;
5. Einrichtung von Sonderabteilungen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung der
Kinderpornographie, die auch Schein und Vertrauenskäufe durchführen dürfen;
6. Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks bei jedem Täter zur leichteren
Aufklärung künftiger Delikte;
7. Strafdrohung von lebenslanger Freiheitsstrafe für schweren Straftaten im Bereich des
Kindesmißbrauchs und der Kinderpornographie;
8. Einführung erhöhter Strafdrohungen für alle Sittlichkeitsdelikte, wenn sie aus
wirtschaftlichen Gründen wie etwa zur Herstellung von Kinderpornographie
begangen werden;
9. Einführung eines besonderen Erschwerungsgrundes für die vorsätzliche Begehung
von strafbaren Handlungen an Kindern;
10. Klarstellung, daß für Vergewaltigungen oder geschlechtliche Nötigungen an
Unmündigen dieselben höheren Strafrahmen gelten wie wenn diese Delikte an
Erwachsenen in besonders qualvoller Weise begangen werden;
11. Gleichstellung der Strafdrohung für Vergewaltigung mit Todesfolge mit der für
schweren Raub mit Todesfolge (lebenslang);
12. Erhöhung der Strafobergrenze für geschlechtliche Nötigung von drei auf fünf Jahre
(wie bei schwerer Nötigung);
13. Ausdehnung des Straftatbestandes der Schändung auch auf Opfer männlichen Ge -
schlechts;
14. Ausdehnung des Tatbestandes des Beischlafs mit Unmündigen auch auf beischlafs -
ähnliche Handlungen (wie bei Vergewaltigung);
15. Ende der Verjährungsfrist für Delikte an Minderjährigen frühestens zwei Jahre nach
der Mündigkeit des Opfers, wenn die Anzeige durch das Opfer erfolgt;
16. Verschärfung der Strafdrohungen im Bereich des Pornographiegesetzes für alle
Formen von Kinderpornographie;
17. Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Pornographiegesetz für das öffentliche
Anpreisen von Sittlichkeitsdelikten an Unmündigen (auch über das Internet);
18. gesetzliches Verbot vorzeitiger Haftentlassung und bedingter Strafen für
Sexualstraftäter an Unmündigen;
19. bei psychischer Auffälligkeit des Täters, Tatbegehung mit besonderer Grausamkeit,
bei Sittlichkeitsdelikten und im Maßnahmenvollzug (§ 21 Abs, 1 oder 2 StGB): Verbot
aller Hafterleichterungen, die mit einem unbeaufsichtigten Entfernen aus der
Haftanstalt bzw. dem unbeaufsichtigten Kontakt mit anstaltsfremden Personen
verbunden sind und Bindung der Einleitung des Entlassungsvollzuges an eine
vorhergehende gründliche Begutachtung durch anstaltsfremde Sachverständige und
an eine darauffolgende gerichtliche Entscheidung, für die auch die anstaltsinternen
Erfahrungen mit dem Häftling heranzuziehen sind; wenn das Risiko der Begehung
weiterer Straftaten gegeben zu sein scheint, oder wenn eine lebenslange
Freiheitsstrafe verhängt und die Tat mit besonderer Grausamkeit begangen wurde,
hat die Entscheidung sich am Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu orientieren;
20. lebenslange Führungsaufsicht nach der Haftentlassung für alle Personen, die wegen
sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt wurden
(regelmäßige Meldungen bei den
Sicherheitsbehörden; dauernde Überwachung und Kontrolle der Therapie; Verbot
aller Tätigkeiten, die den Täter mit Kindern in Kontakt bringen würden; nötigenfalls
elektronische Kontrolle des Aufenthalts und Bekanntgabe der Vorstrafe bei
Nachbarn);
21. erweiterte Rechte des Opfers im Strafverfahren (Einbindung des Opfers als
Prozeßpartei neben dem Staatsanwalt unabhängig von zivilrechtlichen Ansprüchen;
Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren als Regelfall;
umfangreichere und präzisierte Informationsverpflichtung des Gerichtes gegenüber
dem Opfer; Berechtigung zum Einbringen von Beweisanträgen; volle Akteneinsicht;
Beigebung eines kostenlosen Verfahrenshilfeanwalts bei schwieriger Sach - und
Rechtslage ohne Bezugnahme auf die finanziellen Verhältnisse des Opfers; volles
Berufungsrecht; Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche auch in
freisprechenden Urteilen; vorläufige Entschädigung durch eine vor den Zivilgerichten
bekämpfbare Festlegung des Strafgerichtes nach billigem Ermessen; bevorzugte
Wiedergutmachung aus der Arbeitsvergütung des Täters in Strafhaft);
22. Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson bei jedem Behördenkontakt des Opfers;
23. Klarstellung, daß minderjährige Opfer in der Regel nicht direkt im Gerichtssaal
vernommen werden sollen;
24. weitestgehende Einschränkung der Zahl der Einvernahmen minderjähriger Opfer;
Vernehmung nur durch erfahrene und psychologische geschulte Personen;
25. bevorzugte rasche Abwicklung der Strafverfahren, um das Opfer zu schonen;
26. prinzipielle Wegweisung des Täters aus dem Familienverband zum Schutz des
unmündigen Opfers;
27. Soforthilfe für das Opfer durch unmittelbar nach der Anzeige einsetzende Therapie
und Betreuung auf Kosten des Täters (staatliche Vorfinanzierung);
28. Ausweitung der Leistungen des Verbrechensopfergesetzes zur Sicherstellung einer
unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen über das
Versorgungsniveau der Krankenversicherung hinaus, zur Gewährleistung einer fairen
Berechnung des künftigen Verdienstentganges und zur Übernahme der
Schmerzengeldansprüche;
29. verstärkte Anonymisierung des Opfers und seiner Lebensumstände in der medialen
Berichterstattung;
30. verpflichtende Aufklärung und Warnung der Bevölkerung durch die Medien zu den
bestmöglichen Sendezeiten analog zur AIDS - Aufklärung und
31. verstärkte Warnung der Kinder und Jugendlichen in Schulen und Kindergärten.
Die Bundesregierung hat jedoch bisher keine einzige wirksame Maßnahme zum Schutz
der Kinder getroffen: So wurde bisher weder die versprochene Ausdehnung der
Verjährungsfrist für Kindesmißbrauch noch die Änderung der Strafdrohung für
beischlafähnliche Handlungen oder die erweiterte Anwendung der schonenden
Vernehmung verwirklicht. Die Koalitionsparteien konnten sich in zahlreichen Fragen
offenbar nicht einmal auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Erste
einschlägige Maßnahmen, die im Entwurf zum
Strafrechtsänderungsgesetz 1998
enthalten waren, wurden im Justizausschuß erst kürzlich weiter aufgeschoben. Der
Verdacht liegt nahe, daß sie die Bedrohung der Kinder nicht ernst nehmen.
Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, wieviel von den Ankündigungen des
Bundeskanzlers Mag. Klima zu halten ist, wenn er etwa in der Debatte zur Dringlichen
Anfrage vom 26. Feber 1998 zum Thema Otto MühI, in der aus gegebenem Anlaß die
Bekämpfung des Kindesmißbrauchs im Vordergrund stand, folgendes ausführte:
“Ich glaube, daß es wichtig ist, hier zu erwähnen, meine sehr geehrten Damen und
Herren, daß erfreulicherweise ein starker Anstieg der Zahl von Anzeigen in diesem
Deliktsbereich, im Deliktsbereich gegen die Sittlichkeit zu verzeichnen ist. Das bedeutet,
daß es dafür in der Gesellschaft größere Sensibilität und auch eine höhere Bereitschaft
gibt, Anzeige zu erstatten, wodurch die Dunkelziffer verringert wird. Dies versetzt uns in
die Lage, vermehrt Maßnahmen im Sinne der Opfer durchzuführen.”
Der Bundeskanzler hat in dieser Debatte aber auch folgendes versprochen:
“Das Innenministerium hat bereits vor einem Jahr konkrete Maßnahmen für ein
sauberes Internet ergriffen. Es wurde eine Meldestelle eingerichtet, die selbst nach
bedenklichen Inhalten sucht, aber bei der auch ganz bewußt die Information über
kinderpornographische Darstellungen oder extremistische Inhalte von jenen, die das
selbst finden, die draufkommen, angezeigt werden kann. Diese Inhalte werden dann
den Strafverfolgungsbehörden oder über die Interpol den örtlich zuständigen
Sicherheitsbehörden weitergemeldet. Die Anbieter, die Provider können
beziehungsweise müssen entsprechende Schritte zur Selbstkontrolle ergreifen
Nach der bereits erfolgten Erhöhung der Strafdrohung sind im Strafgesetzbuch derzeit
keine weiteren Schritte geplant, aber die Bundesregierung wird konsequent gegen jede
Form der Verherrlichung von Gewalt und Pornographie in den Medien auftreten.”
Alle diese Versprechen sind unglaubwürdig:
Nicht nur, daß die Bundesregierung, wie bereits dargestellt, keinerlei Maßnahmen
gegen Kindesmißbrauch getroffen hat, es liegt offenbar auf der Linie dieser
Bundesregierung, Pornographie sogar noch zu fördern.
• so hat diese Bundesregierung die bekannte Fäkalkunst des Cornelius Kolig finanziell
gefördert,
• sie hat pornographische und kinderfeindliche Darstellungen im Biennale-Katalog
finanziell gefördert,
• sie hat es zugelassen, daß das Burgtheater und das Museum für angewandte Kunst
dem rechtskräftig verurteilten Kinderschänder Otto Mühl als Bühne für seine
Selbstdarstellung dienen konnten,
• sie hat es zugelassen, daß in der Wiener Secession pornographische Darstellungen
des Otto Müh gezeigt wurden,
• und sie unterstützt Vereine, die im Internet harte pornographische Inhalte verbreiten.
Diese ungeheuerlichen Tatsachen können nur mit der jahrelangen staatlichen Förderung
des “Tatblattes” verglichen werden, jener Zeitschrift, in der offen zur Gewalt aufgerufen
wurde und zu deren finanzkräftigen Gönnern auch Bundesminister Dr. Einem zählte.
Vor diesem Hintergrund kann auch die im Hauptausschuß des Nationalrates getroffene
Ankündigung von Vizekanzler Dr. Schüssel, Österreich werde im Rahmen der EU -
Ratspräsidentschaft die Frage der Kinder als Spezialthema in den Vordergrund rücken, es
gelte auf internationaler Ebene den Kampf gegen die Ausbeutung von Kindern durch
Kinderarbeit und sexuellen Mißbrauch zu führen, nicht als ernsthaftes Arbeitsprogramm
gesehen werden, sondern lediglich als Abschieben lästiger Probleme auf die europäische
Ebene. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten jedoch gerade in diesem Bereich - durch
zahlreiche Fälle sensibilisiert - ein energisches Vorgehen der Verantwortlichen.
Hiebei übersieht die Bundesregierung: Wer nichts macht, wer schweigt, wer duldet,
stimmt zu! Wann reagieren Sie endlich, Herr Bundeskanzler?!
Da sich der Bundeskanzler auch in der Frage härterer Maßnahmen gegen
Kindesmißbrauch und Kinderpornographie wieder einmal mehr als bloßer
Ankündigungskanzler erweist, dessen wortreichen
Ankündigungen keine Taten folgen
(zum langen Anküdigungsreigen des Bundeskanzlers siehe Kurier vom 7.7.1998) stellen
die unterfertigten Abgeordneten gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG - NR
folgenden
DRINGLICHEN ANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich
• alle erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Kindesmißbrauch und
Kinderpornographie zu treffen,
• alle geeigneten Schritte zu ergreifen, um jede Form der Verherrlichung von Gewalt
und Pornographie in den Medien zu unterbinden und
• darüber hinaus sicherzustellen, daß Personen, Organisationen und Medien, die
Pornographie und pornographische Darstellungen aller Art herstellen1 zeigen,
anpreisen, verherrlichen oder auf andere Art und Weise zugänglich machen oder
unterstützen, von jeder Förderung aus öffentlichen Mitteln ausgeschlossen sind.