919/A XX.GP
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Dr. Gottfried Feurstein, Mag. Doris Kammerlander,
M.M. Hans Helmut Moser und Genossen
betreffend die Verhandlungen über ein Multilaterales Investitionsschutzabkommen (MAI)
Basierend auf einem Beschluß des OECD - Ministerrates aus dem Jahr 1995 wurden im
Rahmen der OECD Verhandlungen zur Schaffung eines Multilateralen
Investitionsschutzabkommens (MAI) aufgenommen. Das MAI ist als “offenes” Abkommen
konzipiert, das auch Nicht - OECD Mitgliedstaaten offensteht. Die Verhandlungen dazu sollen
ab 21. Oktober auf OECD - Ebene fortgesetzt werden.
Die Bedeutung grenzüberschreitender Investitionen in der Weltwirtschaft ist in den letzten
Jahren stark gestiegen. Bislang wurde primär versucht, in bilateralen Abkommen
Rahmenbedingungen für ausländische Direktinvestitionen zu schaffen. Die Bemühungen zur
Schaffung einer multilateralen Regelung sind daher vor diesem Hintergrund zu unterstützen.
Aus Sicht der unterzeichneten Abgeordneten sollte ein ausgewogenes internationales
Abkommen für Investitionen einem für die betroffenen Bevölkerungen nachteiligem
Wettkampf zwischen Ländern um Investoren vorbeugen und im globalen Maßstab eine
ökologisch und sozial verträgliche und regional ausgewogene Wirtschaftsentwicklung
unterstützen. In Anerkennung der Bedeutung besserer und effizienterer mulilateraler
Regelungen für internationale Investitionen sollte sich Österreich daher weiterhin aktiv an den
Verhandlungen über ein MAI mit seinen Partnern in der OECD beteiligen und sich
gemeinsam mit den Mitgliedstaaten der EU für ein MAI einsetzen, das den wesentlichen
österreichischen und europäischen Anliegen wirksam Rechnung trägt, Kultur, Sozial -,
Arbeitnehmer - und Umweltbelange berücksichtigt, eine nachhaltige Entwicklung unterstützt
und der Konzipierung und gesetzlichen Umsetzung nationaler, gemeinschaftlicher und
internationaler Politiken in diesen Bereichen nicht im Wege steht. Die unterzeichneten
Abgeordneten halten es in diesem Zusammenhang für wichtig, daß hinsichtlich der im MAI
festgelegten Rechte und Pflichten der Investoren und jener der Unterzeichnerstaaten ein
sinnvoller Ausgleich gefunden wird.
Die unterzeichneten Abgeordneten befürworten eine breite, öffentliche Debatte zu diesem
Thema und unterstützen daher eine aktive Informationspolitik der Bundesregierung über die
Fortschritte bei den Verhandlungen.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschliessungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung bzw. der zuständige Bundesminister wird ersucht, sich weiterhin aktiv
an den Verhandlungen über ein MAI zu beteiligen und sich gemeinsam mit den
Mitgliedstaaten der EU mit Nachdruck für ein MAI einzusetzen, das den wesentlichen
österreichischen und europäischen Anliegen wirksam Rechnung trägt, Kultur -, Sozial -,
Arbeitnehmer - und Umweltbelange berücksichtigt, eine nachhaltige Entwicklung unterstützt
und der Konzipierung und gesetzlichen Umsetzung nationaler, gemeinschaftlicher und
internationaler Politiken in diesen Bereichen nicht im Wege steht.
Die Bundesregierung bzw. der zuständige Bundesminister wird ersucht, sich daher weiterhin
dafür einzusetzen, daß das Recht der Vertragsparteien auf eine eigenständige
nichtdiskriminierende Ordnungspolitik, z.B. in den Bereichen Jusitiz; Kultur, Arbeit, Soziales,
Gesundheits -, Umwelt -, und Konsumentenschutz gewahrt bleibt.
Die Bundesregierung bzw. der zuständige Bundesminister wird darüber hinaus ersucht, sich
in Übereinstimmung mit den Verhandlungszielen der österreichischen Bundesregierung dafür
einzusetzen, daß im Zuge der Verhandlungen folgende Punkte besondere Berücksichtigung
finden:
- die im Rahmen der ILO eingegangenen Verpflichtungen sollen bindend und als
Mindeststandards definiert in das MAI Eingang finden;
- ein Sanktionsmechanismus für die “core - labour – standards” der ILO
Koalitionsfreiheit, Recht auf Kollektivvertragsverhandlungen, Verbot der Kinder - und
Sklavenarbeit, Diskriminierungsverbot) ist zu verankern. Österreich sollte den
diesbezüglichen Vorschlag Frankreichs unterstützten;
- der im MAI zur Anwendung kommende Investitionsbegriff soll eng definiert sein, d.h.
daß eine Liberalisierung nur für nachhaltige und qualifizierte Investitionen, die eine
Bedeutung für die regionale und nationale wirtschaftliche oder für die technologische
Entwicklung und
Arbeitsmarktsituation haben, vorzusehen ist;
- die Bestimmungen des MAI zur Regelung der temporären Einreise, des Aufenthaltes
und der Beschäftigung für Investoren und ,,Schlüsselpersonal" sollen nicht über jene des
GATS (General Agreement on Trade in Services) hinausgehen; das österreichische
Arbeits - und Sozialrecht soll ohne jegliche Einschränkung für alle Arbeitnehmer gelten;
- die GATS - Regelung, der zufolge keine ausländischen Arbeitskräfte an bestreikte
Betriebe vermittelt werden dürfen, soll im MAI übernommen werden;
- der Gestaltungsspielraum des Staates, bei Privatisierungen nationale Interessen zur
Absicherung strategischer und wirtschaftspolitischer Ziele zu verfolgen, darf durch das
MAI nicht eingeschränkt werden; Eigentumsübertragungen zwischen
Gebietskörperschaften dürfen nicht unter den Begriff der Privatisierung fallen;
- Monopole, die im öffentlichen und gesellschaftspolitischen Interesse liegen, sind als
Ausnahmen anzumelden und abzusichern;
- Informationen über die jeweils geltenden nationalen Sozial- und
Umweltschutzbestimmungen sollen ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand leicht
zugänglich gemacht werden, beispielsweise im Rahmen der Notifikation an die
Vertragsparteien;
- im Vertrag selbst sollte klargestellt werden, daß eine Weiterentwicklung nationaler
Regeln und Maßnahmen im Bereich der sozialen Sicherheit, des Arbeitsrechtes und
zum Schutz der Umwelt grundsätzlich erlaubt ist, solange diese Regeln nicht
diskriminierend sind und dem Prinzip “not more burdensome than necessary"
entsprechen. Diese vertragliche Klarstellung sollte aber nicht in Form einer taxativen
Aufzählung der sensiblen Bereiche erfolgen;
- in Anlehnung an den Vorschlag Frankreichs soll für den Bereich der Kultur und im
audivisuellen Bereich eine wirksame Ausnahmeregelung, vergleichbar den
entsprechenden Regelung im GATS verankert werden, um die Entwicklung einer
europäischen Filmproduktion zu sichern und die Vielfalt der europäischen Kulturen zu
erhalten;
- Steuern und steuerähnliche Abgaben, wie z.B. Sozialversicherungsbeiträge und sonstige
Pflichtbeiträge sollen nicht unter die Bestimmungen des MAI fallen. Es ist
sicherzustellen, daß das MAI keinerlei Auswirkungen auf die Mittelaufbringung in
einem beitragsfinanzierten System öffentlicher Sozialversicherungen hat;
- durch das MAI darf dem Vertragsstaat nicht die Möglichkeit zur Umgestaltung seines
Steuersystems genommen werden;
- potentiell vom MAI betroffenen Interessensgruppen (gesetzlichen
Interessensverbänden, Gewerkschaftsverbänden, NGO‘s) soll ein Klagerecht und
Parteienstellung im Streitbeilegungsverfahren eingeräumt werden;
- darüber hinaus soll nach Möglichkeiten gesucht werden, Positionen der
Arbeitnehmervertretung und Umweltbelage nicht nur in den
Entscheidungsfindungsprozessen sondern auch im Streitbeilegungsverfahren
entsprechend zu berücksichtigen;
- die Bemühungen der EU, in den Verhandlungen zum MAI eine Absicherung zu
erzielen, daß die Regional - und Strukturförderungen der EU, insbesondere jene
Förderungen, die beschäftigungspolitische und ökologische Impulse setzen, nicht von
den Bestimmungen des MAI berührt werden, sollen von Österreich unterstützt werden;
- allen Vertragsparteien soll bei allen wichtigen Entscheidungen ein Mitspracherecht
eingeräumt werden, wichtige Befugnisse sollen nicht an eine Gruppe von
Vertragsstaaten delegiert werden;
- auch in einem künftigen Verwaltungsmanagement des MAI soll das Prinzip der
Einstimmigkeit gelten und kein Eingriff in Befugnisse wahrgenommen werden können,
die demokratisch legitimierten nationalstaatlichen - oder europäischen Institutionen
vorbehalten sind;
- Gegenstand etwaiger Rollback - Verhandlungen nach Abschluß eines MAI sollen nur
nationale Ausnahmelisten sein, soferne die Zustimmung des betroffenen Staates
vorliegt.
Vorschlag zur Zuweisung Außenpolitischer Ausschuß