977/A XX.GP
ANTRAG
gem. § 75 Abs. 1 GOG - NR
der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Graf
und Kollegen
betreffend Ministeranklage gemäß Art. 143 i.V.m. Art. 142 Abs. 2 lit b B - VG
Aufgrund des nunmehr vorliegenden Sonderberichtes des Rechnungshofes III - 155 d.B.
betreffend das Eisenbahnprojekt Semmering - Basistunnel ist es offenkundig geworden,
daß die jeweils zuständigen Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr bzw.
für Wissenschaft und Verkehr erhebliche Gesetzesverletzungen zu verantworten haben.
Mit Antrag vom 16. April 1997 wurde gemäß § 99 Abs. 2 GOG - NR an den
Rechnungshof das Verlangen gerichtet, eine "Sonderprüfung der Gebarung des
Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, der Eisenbahn -
Hochleistungsstrecken - AG und der ÖBB hinsichtlich der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit
und Zweckmäßigkeit des Projektes Semmering Basistunnel unter Berücksichtigung der
bisher gesammelten Erfahrungen sowie der geplanten Finanzierungsmodelle in allen
Varianten" vorzunehmen.
Die Prüfung selbst erfolgte zwischen Juni und September 1997, im März 1998 wurde
der Bericht an HL - AG, ÖBB und Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr
versandt, als letztes antwortete das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr im
Juli 1998. Die allzu zögerlichen Stellungnahmen der geprüften Stellen vermitteln den
Eindruck, daß eine Verschleppung des Prüfungsabschlusses beabsichtigt war.
Allerdings hatte der Bericht offensichtlich schon vorher offensichtlich Wirkungen
entfaltet, denn aufgrund der Prüfungen wurde Bundesminister Dr. Einem vom
Rechnungshof noch im Herbst 1997 darauf hingewiesen, daß die Ausschreibungen für
die Privatfinanzierungen problematisch seien, nach Vorliegen des Rohberichtes hob
Bundesminister Dr. Einem sodann die
Ausschreibung auf.
Besonders bemerkenswert war dies auch deshalb, weil der Bericht zu diesem Zeitpunkt
dem Auftraggeber Nationalrat gegenüber noch geheimgehalten wurde und
Bundesminister Dr. Einem Falschmeldungen über seinen Inhalt in die Welt setzte:
(Standard, 16.4.98 'Der Rohbericht ist harmloser als die Gegner erhoffen' erklärte
Minister Einem. Er bedeute keinesfalls das Aus für den 'Ausbau der Südbahn', wie man
im Ministerium das Tunnelprojekt umschreibt.)
Die Prüfung des Eisenbahnprojektes Semmering Basistunnel durch den Rechnungshof
erbrachte folgendes Ergebnis:
Die ÖBB verfolgten seit Jahrzehnten das Ziel, mit einem Neubautunnel durch den
Semmering die Verkehrsabwicklung in diesem Abschnitt der Südbahnstrecke zu
verbessern.
Zu Beginn der 80er Jahre planten die ÖBB, durch den Bau eines Semmering - Basistunnels
eine etwa um die Jahrtausendwende fällig werdende Generalinstandsetzung der
Bergstrecke einzusparen.
Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Ursachen hierfür waren die 12 Jahre lang dauernde
Planungsphase, die erst 1991 erlassene Trassenverordnung, der 1992 verfügte Baustopp
zur Einholung eines Gutachtens zur Projektwirtschaftlichkeit, offene
Finanzierungsfragen, weiters der seit 1996 erfolgte Wassereinbruch im Sondierstollen
sowie langwierige Genehmigungsverfahren und die Erhöhung der geplanten Bauzeit
von ursprünglich vier bzw. sechs auf 13 Jahre.
Da die Fertigstellung des Tunnels dadurch für die ÖBB zu spät käme, begannen sie mit
der Sanierung der Bergstrecke.
Für das Hochleistungsstrecken - Programm fehlen nach wie vor die Prioritätensetzung
sowie Wirtschaftlichkeitsstudien, ein verkehrsträgerübergreifender Bundesverkehrsplan
sowie die Klarstellung der Linienführung der künftigen Südbahn. Die seit langem
bekannte Rechtsfrage, ob für Eisenbahnanlagen zusätzlich ein eigenes
landesbehördliches Naturschutzverfahren erforderlich sei, wurde erst beim
gegenständlichen Tunnelprojekt einer
langwierigen Klärung zugeführt.
Die nach Ansicht der ÖBB und des Verkehrsministeriums technisch günstigste
Basistunnel - Trasse bis Langenwang wurde nicht mehr tiefgreifend untersucht.
Im Jahr 1991 kamen der Bund und das Land Niederösterreich überein, daß die
Bergstrecke für den Schüler - , Berufs - und Touristikverkehr erhalten bleiben solle, auch
wenn der Semmering - Basistunnel gebaut werde.
Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der ÖBB für den Basistunnel setzte 1988 die
Einstellung der Bergstrecke, offene Hangabschnitte und mehrere Tunnelvortriebspunkte
voraus. Die Aufrechterhaltung der Bergstrecke sowie wiederholte
Planungszugeständnisse der HL - AG an Behörden und Anrainer verteuerten das Projekt
nachhaltig. Die Trasse rückte ins Berginnere, und Zwischenpunkte für den
Tunnelvortrieb wurden aufgegeben.
Trotz dieser schwerwiegenden Änderungen der Projektumstände erstellte die HL - AG
keine neuerliche Konzeptänderung, wie beispielsweise eine etappenweise Ausführung
nach Schweizer Vorbild. Ebenso fehlten die gebotene Festlegung des Kostenrahmens
durch Verordnung und eine Darstellung des gesamtwirtschaftlichen Interesses am
Basistunnelprojekt durch den Bundesminister als Grundlage für verkehrspolitische
Entscheidungen.
Die Kostenschätzungen der HL - AG stiegen von 4,2 Mrd. S (1990) auf 7,9 Mrd. S (1997).
Eine Valorisierung bis zum angenommenen Bauende (2008) ergab 10 Mrd. S. Die
Kapitalkosten wurden nicht berücksichtigt; eine Kostenfortschreibung aufgrund des
Wassereinbruches und der verlängerten Baudauer unterblieb.
Für die Finanzierung des Semmering - Basistunnels und anderer Neubauvorhaben waren
ab 1989 außerbudgetäre Mittel vorgesehen, welche jedoch insgesamt zu niedrig waren.
Aus Budgetmitteln des Bundes wurde keine Vorsorge getroffen. Seit 1995 suchte das
Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr für den Semmering - Basistunnel einen
privaten Errichter und Betreiber als Finanzierungspartner. Eine darauf abzielende
Ausschreibung des Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr hob
Bundesminister Dr. Einem im April 1998 auf. Die Finanzierung von
Hochleistungsstreckenprojekten wurde aufgrund des
Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetzes
BGBl.Nr. 201/1996 auf eine neue Grundlage
gestellt. Dabei hat die SCHIG die Finanzierung von Schieneninfrastrukturinvestitionen
insbesondere aus vereinnahmten Benützungsentgelten und getätigten
Kreditoperationen sicherzustellen.
Die Unterlagen der ÖBB über die Anzahl der Züge waren fehlerhaft; die Angaben über
die Streckenleistungsfähigkeit berücksichtigen keine Bauarbeiten; über den
Güterverkehr bestanden zwei unterschiedliche Statistiken.
Eine Süd - Ost - Spange als zweite Südbahn würde neue Regionen erreichbar machen,
Reisezeiten verringern und eine höhere Streckenleistungsfähigkeit aufweisen. Sie hätte
allerdings ungünstigere Anlageverhältnisse als die bestehende Südbahntrasse und einen
überwiegenden Neubauanteil; die 1991 mit 61,2 Mrd. S ermittelten Investitionskosten
wurden bisher nicht fortgeschrieben. Für den teilweisen oder gesamten Bau einer Süd -
Ost - Spange sind mangels einer darauf gerichteten Bauverordnung des Ressortsministers,
für die das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen hergestellt werden
müßte, bisher keine Mittel vorgesehen.
Die Argumentationen der Bundesregierung bzw. des jeweiligen Bundesministers für die
Errichtung des Semmering - Basistunnels verliefen bei diesem Langzeitprojekt sehr
unterschiedlich:
(1) Zu Beginn der 90er Jahre wurde als Begründung des Semmering - Basistunnels nicht
so sehr seine Kapazität sondern insbesondere die dadurch mögliche Abwicklung des
kombinierten Verkehrs, der Fahrzeitgewinn von einer halben Stunde sowie die
Energieeinsparung als maßgeblich bezeichnet.
(2) Im Dezember 1983 - nach Vorliegen der Prognos - Studie - ergab sich laut den
Darlegungen des damaligen Bundesministers Mag. Viktor Klima die Baunotwendigkeit
nicht aus der Kapazitätsproblematik, sondern aus der hohen Wirtschaftlichkeit des
Projektes, wodurch auch das Finanzierungsproblem lösbar erschien.
(3) Im April 1994 wertete der damalige Bundesminister Mag. Viktor Klima auch die
Möglichkeit der Führung der Rollenden Landstraße nicht mehr als entscheidendstes
Kriterium für den Bau des Semmering -
Basistunnels.
(4) Hinsichtlich der Finanzierung stellte der frühere Bundesminister Mag. Viktor Klima
seit 1994 wiederholt die Möglichkeit und Vorteile einer völlig privaten Finanzierung
ohne jegliche Bundeshaftung dar, welche sich aus der gutachtlich errechneten
Wirtschaftlichkeit ergäbe. Nach einer realistischeren Einschätzung wurde im Nationalrat
weitgehend privatwirtschaftliche Finanzierung in Form eines Private - Public - Partnership -
Finanzierungsmodells dargelegt.
(5) Im Mai 1995 begründete der damalige Bundesminister Mag. Viktor Klima den
Ausbau der Südbahn und somit auch des Semmering - Basistunnels mit technischen und
Kapazitätsgründen.
(6) Im Jahr 1997 verwies Bundesminister Dr. Caspar Einem auf die Notwendigkeit des
Semmering - Basistunnels aus verkehrspolitischen Gründen zur Aufnahme eines künftig
wesentlich stärkeren Güterverkehrsvolumens.
Österreich ist verschiedenen internationalen Abkommen zum Ausbau einer auf
europäischer Bedürfnisse abgestimmten Eisenbahninfrastruktur beigetreten, aus denen
sich jedoch eine Verpflichtung zur Durchführung konkreter Bauprojekte (etwa des
Semmering - Basistunnels) nicht ergibt.
Der Rechnungshof stellte eine bisweilen beharrliche Haltung des Verkehrsressorts an der
einmal getroffenen Entscheidung für den Bau des Projektes fest, obwohl erhebliche
Zweifel an den Entscheidungsgrundlagen und diesen zugrundeliegenden
Mengengerüsten offenkundig wurden, wie etwa bei den Güterverkehrsdaten zur
Prognos - Studie. In dieser sensiblen Phase der Projektvorbereitung und - genehmigung
wäre eine vom Verkehrsministerium und von der HL - AG geführte offene Diskussion über
mögliche Alternativen von Vorteil gewesen. Der Rechnungshof betonte das Erfordernis
einer gut fundierten und umfassenden Vorbereitung der kostenintensiven
Eisenbahninfrastrukturprojekte sowie einer auf transparente Beurteilungskriterien
gestützten Entscheidungsfindung.
Der Rechnungshof stellte im Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeit des Projektes
Semmering - Basistunnel folgendes fest:
Der sparsame Umgang mit öffentlichen Mitteln ist nach dem Auftrag des Gesetzgebers
(BGBl.Nr. 576/1989) am gesamtwirtschaftlichen Interesse zu messen. Für die Feststellung
des gesamtwirtschaftlichen Interesses, auch beim Abschnitt Gloggnitz - Mürzzuschlag,
fehlen bis heute nachvollziehbare Kriterien.
Die Süd - Ost-Spange wird nicht in absehbarer Zeit verfügbar sein, weil die ersten Schritte
in Form vertiefender Wirtschaftlichkeitsberechnungen nicht weiter verfolgt wurden. Die
in diesem Zusammenhang stets als Begründung herangezogene Studie der Firma
"Prognos" über die Wirtschaftlichkeit und verkehrspolitische Bedeutung des Tunnels
wurde ja bereits vor Jahren vom Rechnungshof insofern kritisiert, als es 'ihr jedenfalls
nicht gelingt, die betriebs - und volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit ohne schwerwiegende
Einschränkungen nachzuweisen'. Entscheidende Punkte waren dabei aus der Sicht des
Rechnungshofes:
- Wichtige Pro - Argumente werden sogar von Prognos in Teilbereichen widerlegt.
- Das Prognos - Gutachten errechnet große Vorteile aus der Errichtung einer derzeit
nicht nachgefragten, jedoch zuschußträchtigen ('ökonomisch und ökologisch
suboptimalen') Verkehrsart (inländische Rollende Landstraße).
- Die im Bundesbahngesetz 1992 bereits vorgegebene Schwerpunktverlagerung weg
von den (inländischen) Gütersubventionen wird nicht berücksichtigt.
- Sie berücksichtigt nicht die Tatsache, daß die Vor - und Nachlaufstrecken und nicht
der Paßübergang über den Semmering den eigentlichen Leistungsengpaß darstellen."
Der Rechnungshof vermerkte, daß die Beratungsunternehmung nur die ihr
vorgegebenen Varianten zu untersuchen, jedoch keine eigenen Überlegungen für
Alternativen anzustellen hatte. Zudem hätten die absehbaren Änderungen der
Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen.
Doch auch die Durchführung der bisherigen Arbeiten, die bereits eine gewaltige
Kostenexplosion erkennen läßt - alleine der Sondierstollen kostet nach aktuellen
Schätzungen mit knapp 1 Mrd. S etwa das Doppelte der vorgesehenen Summe - weist
darauf hin, daß hier die
Vorbereitungen in rechtlicher wie technischer Hinsicht
unzulänglich gewesenen sein müssen. Eine analoge Kostenexplosion ist daher auch bei
der Errichtung des Hauptstollens zu befürchten.
Wesentliche Fehlentscheidungen, die den bisherigen Verlauf der Causa Semmering
Basistunnel wesentlich geprägt haben, fallen in die Amtszeit des damaligen
Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr Mag. Viktor Klima, die von 3.
April 1992 bis 12. März 1996 dauerte. Dies betrifft in erster Linie die Vorgangsweise im
Zusammenhang mit der bis heute fehlenden Prüfung der Wirtschaftlichkeit dieses
Projektes:
Die ÖBB gingen von Baukosten von 3,3 Mrd. S, einer Bauzeit von 4 Jahren, einer
Tunnellänge von ca. 11 km und der Einstellung der Bergstrecke aus. Unter diesen
Bedingungen hoffte man auf eine Amortisationszeit von 32 Jahren.
Dieses Projekt wurde jedoch im Laufe der Zeit immer aufwendiger: Die Tunnelstrecke
verdoppelte sich, weil mit Rücksicht auf Anrainer Einhausungen geplant wurden,
gleichzeitig wurde der bauzeitverkürzende ‚Zwischenangriff‘ samt Schuttdeponie
Hollensteingraben aus Naturschutzgründen unmöglich, was vor allem die Bauzeit auf
aktuell 13 Jahre (mehr als das Dreifache!) verlängerte. Die Bergstrecke mußte erhalten
bleiben, da sie mittlerweile unter Denkmalschutz steht.
Damit stiegen die Kosten weiter und weiter, 1992 war man bei 5,5, 1997 bei 7,9 Mrd. S
angelangt, dies bedeutet bis zum Bauende valorisiert über 10 Mrd. S, jedoch ohne
Kapitalkosten. Und auch ohne die Mehrkosten, die der Wassereinbruch inzwischen im
Sondierstollen gekostet hatte. Grund nach Ansicht des Rechnungshofes: keine
Erfahrung der HL - AG, so daß sich etwa die Nebenkosten zwischen 1992 und 1996 glatt
verdoppelten.
Die Reaktion der HL - AG auf den Vorhalt des Rechnungshofes, das gebundene Kapital zu
ignorieren: man will die Kapitalbindungsdauer durch Verringerung der Projektdauer
minimieren!
Alle diese verteuernden Entscheidungen trafen die mittlerweile anstelle der ÖBB befaßte
HL - AG und das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (bzw. für
Wissenschaft
und Verkehr)
ohne Adaptierung
der oben erwähnten
Wirtschaftlichkeitsprüfung aus dem Jahre 1988. Auf Vorhalt des Rechnungshofes
meinte die HL - AG eine Hinterfragung von Regierungsvorgaben sei nicht ihre
Angelegenheit, das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr nahm zu diesem
Vorwurf nicht Stellung. Der Rechnungshof: Der Wegfall der vorausgesetzten Auflassung
der Bergstrecke hätte auch die Untersuchung von Alternativen erwarten lassen, z.B.
einen eingleisigen Güterzugstunnel, der nach Bedarf auf einen zweigleisigen erweitert
werden könnte, wie dies beim Lötschberg in der Schweiz geschieht.
Das dem Bauvorhaben zugrundeliegende Bundesgesetz über Eisenbahn -
Hochleistungsstrecken, BGBl.Nr. 135/1989, sieht in § 8 Abs. 2 vor, daß vor Erlassung
einer Verordnung zum Bau einer Hochleistungsstrecke oder eines Teiles derselben ein
Beschluß der Bundesregierung über das gesamtwirtschaftliche Interesse an der
vorgesehen Übertragung zum Bau einzuholen ist. Eine Verordnung hat nach § 8 Abs. 3
jedenfalls den Umfang einer Planungs - bzw. Baumaßnahme, die der Gesellschaft
übertragen werden, festzulegen und überdies einen Bauzeit - und Kostenrahmen zu
enthalten.
Tatsächlich wurde ein derartiger Bauzeitrahmen festgelegt, der jedoch längst überholt
ist und nicht adaptiert wurde, während ein Kostenrahmen bis heute nicht festgelegt
wurde. Dies geschah auch deshalb nicht, weil mit BGBl.Nr. 655/1994 an § 8 Abs. 4
angefügt wurde, der diese Verpflichtung relativiert und wie folgt lautet:
"(4) Liegen vor Erlassung einer Verordnung zum Bau einer Hochleistungsstrecke oder
eines Teiles derselben die zum Bau erforderlichen behördlichen Genehmigungen noch
nicht vor, so kann der Bauzeit - und Kostenrahmen nach Vorliegen dieser
Genehmigungen in einer gesonderten Verordnung des Bundesministers für öffentliche
Wirtschaft und Verkehr nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesminister
für Finanzen festgesetzt werden. Von der Eisenbahn - Hochleistungsstrecken - AG ist ein
Bauzeit - und Kostenplan einzuholen."
Mag. Klima wurde im April 1992 zum Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und
Verkehr bestellt und ordnete einen Baustopp bis zur Vorlage einer
Wirtschaftlichkeitsstudie an, wobei auch die Grundlage der alten Arthur D. Little - Studie,
die vor der Ostöffnung das Bahnausbaukonzept ‚ Neue Bahn‘ entwickelt hatte, überprüft
werden sollte.
Doch die HL - AG befolgte diese Ministerweisung nicht, sondern ließ die bekannte
Prognos - Studie, die das Gesamtsystem Südbahn evaluieren sollte, anfertigen. Dabei
wurde auch unsinnigerweise die gesamte Südostspange mit dem Einzelprojekt
Semmeringtunnel verglichen, was ebenso unrealistische Ergebnisse brachte, wie der
völlig unsinnige Ausbau der Bergstrecke auf HL - Standard. Hätte man realistisch alte
Südbahn und Südostspange verglichen, so wäre einerseits die derzeit in Diskussion
stehende Variante Koralmbahn und Semmering untersucht worden und damit
möglicherweise die Fehlinvestition in den Galgenbergtunnel bei Leoben unterblieben.
Mag. Klima allerdings reagierte darauf nicht etwa mit Empörung, sondern mit einer
Öffentlichen Präsentation dieser Ergebnisse und der Behauptung, der Tunnel sei
wirtschaftlich und brächte 600 Mio. S Ersparnis im Jahr. Daraufhin wurde auf Klimas
Weisung (Eigentümervertreter der HL - AG) weitergebaut und die Kostenexplosion in
Kauf genommen. Dies ist insofern zusätzlich bedeutsam, als die Nachholung des
Beweises der Gesamtwirtschaftlichkeit durch das HL - Gesetz geboten gewesen wäre: der
Rechnungshof meint allerdings, der Beweis sei nie erbracht worden.
Als Eingeständnis der Schuld ist die 1994 erfolgte oben erwähnte Gesetzesänderung zu
werten, wonach der Bauzeit - und Kostenrahmen erst nach Vorliegen aller zum Bau
erforderlichen behördlichen Genehmigungen erfolgen kann. Unverständlich ist in
diesem Zusammenhang, daß ein Kostenrahmen bis jetzt nicht festgelegt wurde, obwohl
Bundesminister Dr. Einem und die HL - AG davon ausgehen, daß alle behördlichen
Genehmigungen längst vorliegen und die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung
tatsächlich seit November 1994 vorliegt. Durch das Fehlen eines Kostenrahmens wird
somit ein gesetzeswidriger Zustand bewußt beibehalten, der im Ergebnis jede
unkontrollierte Kostenexplosion ermöglicht und eine Schädigung des Bundes geradezu
provoziert.
Daraufhin warnte der Rechnungshof schon damals, vor allem, weil die Vorteile aus der
unwirtschaftlichen und nur mit Subventionen lebensfähigen rollenden Landstraße
berechnet und auch die Kapazitätsprobleme nicht am Semmering, sondern davor und
danach ausgemacht wurden. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr
widersprach, das Bundesministerium für
Finanzen reagierte nicht einmal.
In dieses Bild paßt auch, daß man von Anfang an Alternativen (z.B. einen längeren,
flacheren Tunnel nach Langenwang) nicht ernsthaft untersuchte, sondern gleich die
Strecke Mürzzuschlag - Gloggnitz verordnete. Dies ist umso bemerkenswerter, als sogar
die Eisenbahnbehörde zunächst (1994) die Variante Langenwang dem Minister
vorschlug, dann gab sie nach und bewilligte das aktuelle Tunnelprojekt.
Aber grundsätzlich fehlen Entscheidungskriterien für diese Investitionen: bereits 1993
bemängelte der Rechnungshof das Fehlen eines Bundesverkehrswegeplans und daß
keine Wirtschaftlichkeitsstudien angestellt wurden. Wie bereits erwähnt, fehlen in den
Verordnungen Bauzeit - und Kostenrahmen, obwohl sie gesetzlich vorgeschrieben
waren.
Spannend in diesem Zusammenhang - vor allem vor dem Hintergrund des kürzlich von
Bundesminister Einem vorgelegten ‚Masterplans‘ - die Stellungnahme der ÖBB: ‚Die
Kenntnisse und Überlegungen des ÖBB - Unternehmensbereiches Infrastruktur würden
dabei allerdings (vom BMV) nicht ausreichend berücksichtigt‘. Da erinnert man sich an
die Aussagen von ÖBB - Generaldirektor Dr. Draxler, daß immer die falschen Projekte
gebaut würden und man sich das alles auf die Dauer nicht leisten kann, weil ja die
Milliarden aus dem Benützungsentgelt der Bahnen (derzeit 3,5 Mrd. S/Jahr bei
Investitionen von 12 Mrd. S/Jahr) bezahlt werden müssen, was besonders auch deshalb
brisant ist, weil die EU eine Vereinheitlichung dieses Entgeltes anstrebt.
Sieht man sich vor diesem Hintergrund den ,Masterplan‘ an, stellt man bestürzt fest, daß
genau die geforderte Prioritätenreihung mit der fadenscheinigen Ausrede, man wolle
ein Gesamtnetz planen, wieder nicht erfolgte, dafür alle Phantasien der
Bahnbauindustrie im Wert von 300 Mrd. S aufgelistet wurden. Streit zwischen den
Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP gibt es deshalb, weil auf der Straßenseite nicht ähnliche
Monsterbauten vorgesehen sind und die ÖVP - nahen Straßenbauer sich noch dazu ihr
Geld mit unpopulären Mauten und LKW Road - Pricing von der eigenen Wählerschaft
holen müssen. Was aus dem geforderten 'verkehrsträgerübergreifenden' Plan wurde, ist
damit klar; die beiden Verkehrsminister Einem und Farnleitner haben offenbar im
Ministerrat zum ersten mal darüber geredet, Koordination fand jedenfalls nicht statt.
Ausbau der roten Schiene gibt‘s viel, schwarze Straße mäßig, Schiff und Flugzeug gar
nicht. Und das nach 5 Jahren Arbeit im Bundesministerium für Wissenschaft und
Verkehr. Jetzt hat man dem Parlament den
schwarzen Peter zugeschanzt: der
Masterplan liegt - natürlich unerledigt - als Bericht im Verkehrsausschuß des
Nationalrates.
Die Entscheidung, den verfügten Baustopp trotz Nichtbefolgung der an die HI - AG
gerichteten Eigentümerweisung, eine Wirtschaftlichkeitsstudie einzuholen, wieder
aufzuheben, stellt eine vorsätzliche Schädigung der Republik Österreich und damit aller
Steuerzahler dar. Es mußte nämlich dem damaligen Bundesminister klar sein, daß durch
die Weiterverfolgung des Projektes ohne Einholung dieser Studie eine Verschwendung
von Budgetmitteln bewirkt wird, die im Bereich eines Unternehmens einer vorsätzlichen
Krida gleichkommt. Ähnliches gilt für die Unterlassung der Erstellung eines Bauzeit - und
Kostenrahmens.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Vorgangsweise des vom 3. April 1992 bis
12. März 1996 als Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr tätigen
nunmehrigen Bundeskanzlers Mag. Viktor Klima geradezu exemplarisch für den
verantwortungslosen Umgang mit dem Geld des Steuerzahlers zu bezeichnen ist.
Obwohl von Beginn seiner Amtszeit an und bis heute nachvollziehbare Kriterien für das
Bestehen eines gesamtwirtschaftlichen Interesses am Bau des Semmering Basistunnels
Fehlen, hat er den Bau betrieben und auf diese Weise die Verschwendung von bisher
insgesamt hunderten Millionen Schillingen zu vertreten.
Er hat hierdurch sowohl den Bund als auch die HL - AG, die als Bauträger für die bisherigen
Bauarbeiten fungierte, durch den Mißbrauch seiner Amtsbefugnisse in Vollziehung der
Gesetze vorsätzlich an ihrem Vermögen geschädigt. Das gleiche gilt für die nach Mag.
Klima folgenden Ressortminister, nämlich Dr. Rudolf Scholten und für den
gegenwärtigen Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem, die an
diesem Zustand bis heute festgehalten haben.
Bundeskanzler Mag. Klima hat zusätzlich zu vertreten, daß er es seit seinem Amtsantritt
als Bundeskanzler unterlassen hat, den bereits seit Jahren eingeforderten
Bundesverkehrswegeplan zu koordinieren und es bis jetzt zugelassen hat, daß lediglich
ein sogenannter "Masterplan" des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr
vorgelegt wurde, der keine Prioritätenreihung enthält sondern nur eine Auflistung
möglicher Eisenbahnprojekte und darüber hinaus mit dem für den Straßenbau
zuständigen Bundesminister für
wirtschaftliche Angelegenheiten nicht koordiniert ist.
Gerade vor dem Hintergrund des Semmering - Eisenbahntunnel Debakels ist dieses
Versäumnis besonders gravierend, da durch die mangelnde wirtschaftliche Koordination
- die zu den gesetzmäßigen Kompetenzen des Bundeskanzlers zählt - in der
Vergangenheit eine erhebliche Schädigung der Republik Österreich bereits erfolgt ist
und für die Zukunft bereits absehbar ist. Ignorante Aussagen des Bundeskanzlers Mag.
Klima, wonach er trotz des Rechnungshofberichtes, der gerade ihm gehäuftes Versagen
vorgeworfen hat, am Semmering - Eisenbahntunnel festhalten wolle, vermögen die
Wahrnehmung der Kompetenz wirtschaftliche Koordinantion nicht zu ersetzen.
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß die wirtschaftliche
Koordinationskompetenz des Bundeskanzlers bereits durch den Entschließungsantrag
(1607 d.B. XVIII. GP) betreffend Erstellung eines Bundesverkehrswegeplans eingemahnt
wurde, der im Mai 1994 im Nationalrat beschlossen wurde und folgenden Wortlaut
enthält:
"1) Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr wird ersucht, dem
Nationalrat bis 1. Juli 1995 einen Entwurf für die rechtliche Verankerung des
Bundesverkehrswegeplanes vorzulegen.
2) Die Bundesregierung wird ersucht, die Arbeiten zur Fortschreibung des
Bundesverkehrswegeplanes zügig fortzusetzen und darin den Forderungen nach
Verbesserung und Sicherung gesellschaftlich erwünschter Mobilität, den Anforderungen
einer ausgewogenen regionalen Wirtschaftsentwicklung, der Forcierung des
kombinierten Verkehrs und der Erhöhung der Verkehrssicherheit möglichst Rechnung zu
tragen und auf die Harmonisierung der internationalen Verkehrsinfrastrukturpolitik
einzuwirken, wobei die Verringerung der Belastungen für Bevölkerung und Umwelt ein
wesentliches Element sein sollte.
Die Bundesregierung wird ersucht, unter Zugrundelegung des
Bundesverkehrswegeplanes eine Prioritätenreihung der wesentlichen
Verkehrsinfrastrukturvorhaben unter Berücksichtigung der verkehrspolitischen
Erfordernisse und des jeweils notwendigen Finanzbedarfs vorzulegen.
3) Die Bundesregierung wird ersucht, dabei regionalspezifische
Verkehrsinfrastrukturvorhaben zu berücksichtigen und nach Möglichkeit lokale,
regionale (z.B. im Auerfern) und Landesverkehrskonzepte zu fördern und einzubinden.
In diesem Zusammenhang geht der Verkehrsausschuß davon aus, daß dabei den aus
den Regionen vorliegenden Anträgen wie beispielsweise der Anbindung der Stadt Steyr
an die Westbahn Priorität eingeräumt werden sollte."
Eine weitere Tatsache ist, daß durch die Fortführung der Bauarbeiten im Probestollen
täglich 15 Millionen Liter Trinkwasser verloren gehen und der Grundwasserspiegel in der
Region bereits um rund 100 Meter gesunken ist. Die Probebohrungen müßten deshalb
sofort gestoppt werden. Es ist daher zu
prüfen, ob das Sinken des Grundwasserspiegels
strafrechtlich zu ahnden ist. Gerade in einer Zeit, in der der Wert von Süßwasserreserven
als höchst schützenswürdiges Rechtsgut in zunehmendem Maße erkannt wird, ist
gerade eine derartige Verfehlung als besonders gravierend und gegen die Interessen der
Republik Österreich gerichtet anzusehen. Alle diese Verfehlungen stellen strafrechtlich
zu verfolgende Handlungen dar, die mit der Amtstätigkeit der jeweiligen Bundesminister
bzw. des Bundeskanzlers in Verbindung stehen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
Gemäß Art. 143 i.V.m. Art. 142 Abs. 2 lit B - VG erhebt der Nationalrat Anklage gegen
a) Bundeskanzler Mag. Viktor Klima
wegen Amtsmißbrauch gemäß § 302 Abs. 1 StGB,
weil er es unterlassen hat, im Zusammenhang mit der Planung der Verkehrswege in
Österreich insbesondere vor dem Hintergrund der im Rechnungshofbericht III-1 55 d.B.
aufgezeigten Fakten die wirtschaftliche Koordination der Bundesregierung
wahrzunehmen und dadurch bei der Planung und dem Bau des Semmering -
Eisenbahntunnels wegen des von ihm zu vertretenden Fehlens der
Entscheidungsgrundlagen betreffend die Gesamtwirtschaftlichkeit des Projektes und die
Prioritätenreihung der wesentlichen Verkehrsinfrastrukturvorhaben die Verschwendung
von Steuergeldern verursacht hat und dadurch den Bund vorsätzlich in seinen Rechten
geschädigt und seine Amtsbefugnisse in Vollziehung der Gesetze wissentlich mißbraucht
hat.
b) Bundesminister Dr. Caspar Einem
wegen Mißbrauch der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs. 1 StGB,
weil er es unterlassen hat, im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau des
Semmering - Eisenbahntunnels die Gesamtwirtschaftlichkeit dieses Projektes zu ermitteln,
den Bauzeitrahmen zu aktualisieren und einen Kostenrahmen zu erstellen und durch die
dadurch verursachte Verschwendung von
Steuergeldern den Bund vorsätzlich in seinen
Rechten geschädigt und seine Amtsbefugnisse in Vollziehung der Gesetze wissentlich
mißbraucht hat.
Mit der Vertretung der Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof wird gemäß § 72 Abs.
2 VfGG der Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Martin Graf beauftragt."
Es wird ersucht, diesen Antrag dem Rechnungshofausschuß zuzuweisen.