1156/A XX.GP

 

ANTRAG

 

 

der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka

und Genossen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Bundesverfassungsgesetz

für ein atomfreies Österreich

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

                § 1. In Österreich dürfen Atomwaffen nicht hergestellt, gelagert, transportiert, getestet

oder verwendet werden.

 

                § 2. Anlagen, die dem Zweck der Energiegewinnung durch Kernspaltung dienen, dürfen

in Österreich nicht errichtet werden. Sofern derartige bereits bestehen, dürfen sie nicht in

Betrieb genommen werden.

 

                § 3. Der Transport von spaltbaren Stoffen ist untersagt, sofern dem völkerrechtliche

Verpflichtungen nicht entgegenstehen. Von diesem Verbot ausgenommen ist der Transport

für Zwecke der ausschließlich friedlichen Nutzung mit Ausnahme jener nach § 2. Darüber

hinaus sind keine Ausnahmegenehmigungen zu erteilen.

                § 4. Durch Gesetz ist sicherzustellen, daß Schäden, die in Österreich aufgrund eines

nuklearen Unfalles eintreten, angemessen ausgeglichen werden und dieser Schadenersatz

möglichst auch gegenüber ausländischen Schädigern durchgesetzt werden kann.

 

                § 5. Die Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes obliegt der Bundesregierung

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird angeregt, diesen Antrag dem Verfassungsausschuß zuzuweisen.

Erläuterungen:

 

Seit sich am 5. November 1978 das österreichische Volk gegen die Nutzung der Atomkraft

zur Energiegewinnung ausgesprochen hat, verfolgt die österreichische Bundesregierung unter

sozialdemokratischer Führung eine klare Anti - Atom - Politik. Diese besteht nicht nur in dem

eigenen Verzicht auf friedliche Nutzung der Kernkraft für Zwecke der Energiegewinnung,

sondern wirkt allgemein daraufhin, risikoreichen Umgang mit spaltbarem Material zu

verhindern und auch andere Staaten dazu zu bewegen, auf die Nutzung der Atomkraft zu

verzichten. Selbstverständlicher Bestandteil der Anti - Atom - Politik ist ein atomwaffenfreies

Österreich.

 

Diese Politik wird von breiter Unterstützung der Bevölkerung getragen. Dies soll nunmehr

durch ein Bundesverfassungsgesetz, das der 2/3 - Mehrheit bedarf, unterstrichen werden, sodaß

ein Abgehen von dieser Haltung nur durch eine ebenso breite Mehrheit möglich ist.

 

Der Zweck dieses Gesetzes kommt bereits in seinem Titel zum Ausdruck, der nicht

wissenschaftlich, sondern umgangssprachlich formuliert ist: Österreich soll frei sein von

jenen Gefahren, die die Nutzung von Atomkraft in sich birgt.

 

§ 1 betrifft die militärische Nutzung der Atomkraft und enthält ein umfassendes Verbot der

Herstellung und der Lagerung, des Transportes und des Testes sowie der Verwendung von

Atomwaffen. Zwar verbietet der Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen,

BGBl. Nr. 258/1970, Österreich selbst den Besitz und die Herstellung sowie die

Weiterverbreitung von Atomwaffen, doch gebietet dieser Vertrag nicht - wie das das

Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung

bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung

solcher Waffen, BGBl. Nr. 432/1975, in seinem Artikel IV tut - daß Österreich auch alle

erforderlichen Maßnahmen trifft, um die Entwicklung, die Herstellung, die Lagerung, den

Erwerb und das Behalten solcher Waffen in seinem Hoheitsgebiet, unter seiner Hoheitsgewalt

oder an irgendeinem Ort unter seiner Kontrolle zu verbieten und zu verhindern.

§ 1 bringt nun eine solche verfassungsrechtliche Verpflichtung Österreichs. Sie beinhaltet

kurz gesagt, daß Österreich alles zu unternehmen hat, um zu verhindern, daß sich

Atomwaffen im Bereich des österreichischen Territoriums befinden, und zwar auch nicht

vorübergehend oder in der Verfügungsgewalt einer anderen Macht.

 

Die übrigen Bestimmungen betreffen die friedliche Nutzung der Kernkraft. § 2 bringt auf

verfassungsgesetzlicher Ebene ein gleiches Verbot der Energiegewinnung durch

Kernspaltung, wie es bisher auf einfach gesetzlicher Ebene das Atomsperrgesetz,

BGBl. Nr. 676/1978, vorsieht.

 

§ 3 untersagt den Transport von spaltbaren Stoffen in und durch Österreich, soweit dem nicht

völkerrechtliche Verpflichtungen entgegenstehen. Selbstverständlich hat auch ein solcher

Transport unter Wahrung aller Sicherheitsvorkehrungen zu erfolgen, wie sie die

internationalen Verträge ebenfalls vorsehen. Zulässig ist auch der Transport für Zwecke der

ausschließlich friedlichen Nutzung von spaltbaren Stoffen mit Ausnahme jener für den Zweck

der Energiegewinnung. Zu denken ist hiebei an die Nutzung etwa im Rahmen der Medizin,

der Forschung oder der Materialprüfung.

 

§ 4 verpflichtet den Gesetzgeber Vorkehrungen dafür zu treffen, daß Schäden, die in

Österreich aufgrund eines nuklearen Unfalles eintreten, angemessen ausgeglichen werden und

dieser Schadenersatz möglichst auch gegenüber ausländischen Schädigern durchgesetzt

werden kann. Damit ist nicht gemeint, daß die Republik Österreich selbst von anderen

verursachte Schäden ersetzt, sondern daß Haftungsvorschriften geschaffen werden, die

garantieren, daß jene, die die Kernkraft nutzen oder aus ihr einen Vorteil ziehen, im Falle

eines nuklearen Unfalles in ihrem Bereich für die in Österreich eintretenden Schäden haften

und dieser Schadenersatzanspruch auch möglichst durchsetzbar ist.