891/AB

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Haidlmayr, Petrovic, Freundinnen -und Freunde haben am 28. Juni 1996 unter der Nr. 897/J an mißt eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Zusammenhang zwischen Pestiziden und Fehlbildungen gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

 

 

1.    Laut Angaben des statistischen Zentralamtes kam in Österreich 1992 und 1993 je ein Kind ohne Augen zur Welt.  Wieviele waren es 1994 und 1995?

 

2.       Wie lautet die offizielle medizinische Erklärung für das Auftreten dieser Behinderung?

 

3.       Werden Sie einen möglichen Zusammenhang zwischen dieser Behinderung und dem Pflanzenschutzmittel "Benlate untersuchen lassen? Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

 

4.         Werden Sie das Pflanzenschutzmittel "Benlate" vom Markt nehmen, bis Untersuchungsergebnisse über die etwaige Gesundheitsgefährdung durch dieses Mittel vorliegen?  Wenn nein, warum nicht?

 

5.         In Österreich ist das Pestizid "Benlate" als "mindergiftig" eingestuft, wird in großen Mengen verkauft und vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt.  Werden Sie diese Einstufung verändern? Wenn nein, warum nicht?

 

6.    Dieses Pflanzenschutzmittel wird auch in Hausgärten verwendet, wodurch sich die Gefahr, daß schwangere Frauen damit in Kontakt kommen, wesentlich vergrößert. Werden Sie die Verwendung dieses '-Pestizids in Hausgärten verbieten? Wenn nein, warum nicht?"

 

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

In den Jahren 1994 und 1995 traten keine derartigen Fälle auf.

 

 

Zu Frage 2:

 

Aufgrund der eingeholten Fachmeinung -hochrangiger Experten der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Wien - Abt. -für Pränatale Diagnostik und Therapie, des Histologisch­embryologischen Institutes der Universität Wien und der Univ.­Augenklinik Wien ist von folgendem auszugehen: In sehr seltenen Fällen kann es in der frühen Embryonalentwicklung der Augenanlage etwa ab der 4. Schwangerschaftswoche) zu Störungen kommen, wodurch nach der Geburt ein Auge oder beide Augen fehlen bzw. nur Gewebsreste mikroskopisch nachweisbar sind (Anophtalmie/extremer Mikrophthalmus).  Als Ursache dieses äußerst seltenen Bildes kommen genetische Defekte in Betracht oder werden Einflüsse mechanischer, chemischer, physikalischer oder immunologischer Natur zur Diskussion gestellt.

 

Das Erscheinungsbild der klinischen "Anophthalmie/Mikrophthalmie" kommt beim Menschen mit einer Häufigkeit von 0,22 auf 1000 Geburten vor (Quelle: Oxford Monographs on medical genetics Nr 27,3.166). Wie bereits ausgeführt, können die Ursachen dafür vielfältiger Natur sein.  Die Substanz Benomyl (Benlate) führte im Tierexperiment (an Ratten) zu Fehlbildungen an den Augen.  Es zeigte sich das Fehlen von Augen, mikroskopisch fand sich eine

Hemmung der Entwicklung der Netzhaut.  Das Auftreten der genannten Fehlbildungen läßt aber keinen zwingenden Schluß zu, daß diese auf Benomyl zurückzuführen sind.  An der Universitätsaugenklinik Wien sind den letzten 20 Jahren 4 Fälle von „Anophthalmie/Mikrophthalme" bekanntgeworden, wobei jeweils erbbedingte Faktoren ursächlich nachweisbar waren.

 

Zu den Fragen 3 bis 5:

 

Der Wirkstoff Benomyl wurde von mehreren nationalen Behörden (Großbritannien, Deutschland) bzw. internationalen Fachgremien WHO - JMPR, WHO - IPCS Hinsichtlich der toxischen/ökotoxischen--toxischen Auswirkungen --zw. nur auf einen möglichen Zusammenhang mit Augenmißbildungen bei neugeborenen Kindern bewertet.

Nachstehende Bewertungen liegen vor:

 

1.       ein Antwortschreiben des britischen"Advisory Committee on Pesticides (ACP)" vom 4.3.1993, -die auf die Ergebnisse einer Studie über Benomyl an der Universität von Kalifornien betreffend- Testung der Wirkungsmechanismen. von Benomyl bei hohen Dosen (an Versuchstieren) - unter erschwerten experimentellen Bedingungen Bezug nimmt und in der Bewertung feststellt, daß auch diese Studierergebnisse einen klaren Sicherheitsbereich für die Geburtsschäden ergeben haben und bestätigt, daß auch weiterhin keine Besorgnis hinsichtlich einer weiteren Verwendung von Benomyl in Großbritannien vorliegt;

 

2.       ein Antwortschreiben der zuständigen britischen Gesundheitsbehörden an das deutsche Bundesministerium für.  Gesundheit vom 4.10.1993 , in dem geäußert wird, daß mögliche '.'Verursacher für die Augemißbildungen ein genetischer Defekt oder eine Virusinfektion während der Schwangerschaft sein könnten, aber "even gross misuse of benomyl would not lead to the very-.- high doses introduced directly into the stomach what have been shown to cause eye defects in laboratory animals";

 

3.         eine Stellungnahme des deutschen Bundesgesundheitsamtes in Berlin vom 4.2.1993, mit der in Bezug auf einen Zeitungsartikel über die Geburt einer erhöhten Anzahl von Kindern mit schweren Augenmißbildungen in bestimmten Regionen von England und Wales auf mögliche Ursachen eingegangen wird, im Zusammenhang über mit vorliegenden Tierversuchsergebnissen zu Benomyl-- und ihrer Bewertung durch die WHO-JMPR 1983 - Festlegung eines ADI-Wertes für Benomyl von 0,02 -.g/kg Körpergewicht /Tag - festgestellt wird, daß "bei der Risikoabschätzung für Verbraucher und Anwender nach herkömmlichen Bewertungsmaßstäben eine ausreichende Sicherheit abgeleitet werden kann.

 

4.         eine vom -Fachgremium der WHO-JMPR neuerlich durchgeführte toxikologische Bewertung von Benomyl (und Carbendazim) unter Einbeziehung auch der neuen Untersuchungsergebnisse; dieser Report wurde 1995 veröffentlicht - als Ergebnis der Bewertung aller Daten - der ADI-Wert-. für Benomyl von 0,02 mg/kg Körpergewicht--/Tag (1983) auf 3,1 mg/kg Körpergewicht/Tag erhöht;

 

5.         eine vom 'MHO-IPCS (International .Programm on Chemical Safety) vorgenommene und 1993 veröffentlichte umfassende Bewertung l35 Seiten) - Ausgabe -Environmental Health Criteria iO. 148 - von Benomyl (und Carbendazim).  Als die im Gegenstand besonders relevante Schlußfolgerung sei hieraus zitiert:'given the current exposures and the low rate of dermal absorption of these two compounds, it is unlikely that they would cause systemic toxicity either in the general population or in occupationally exposed subjects“";

 

6.         zwei schriftliche Anfragen von Abgeordneten des Europäischen Parlaments an die Europäische Kommission (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, C 21-c vom 8.8.1994, und C 225 vom 12.9.'-994) betreffend Benomyl --;und einen möglichen Zusammenhang mit dem Auftreten von Anophtalmien bei Kindern.  Die Europaische Kommission wurde ersucht mitzuteilen, ob und wann sie sich mit dieser Frage beschäftigt hat, und, wenn ja, mit welchem Ergebnis.  Sie hat in ihren Beantwortungen u.a. mitgeteilt, daß sie die Mitgliedstaaten im Ständigen Pflanzengesundheitsausschuß am 18.2.1993 über mögliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Benomyl konsultiert hat; die Mitgliedstaaten hielten ihre einzel staatlichen Bewertungen für ausreichend und schlugen außer einer weiteren genauen Untersuchung keine besonderen Maßnahmen vor bzw. hielten es nicht für notwendig, mehr vorzuschlagen-.-.-- als eine weitere Beobachtung der Angelegenheit;

 

7.         ein Statement des britischen "Advisory Committee on Pesticides (ACP)" vom 4.7.1996, in dem dieses Komitee mit Bezug auf das amerikanische Gerichtsverfahren in Miami feststellt, daß es die zwei neuen in-vitro Studien, die im amerikanischen) Verfahren von den Rechtsanwälten der Klägerin vorgelegt worden waren, ebenfalls bewertet hat und keine Änderung seiner früheren Empfehlung für erforderlich erachtet und daß die Verwendung von Benomyl entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen sicher ist; es gebe keine Besorgnis hinsichtlich der weiteren Verwendung von Benomyl in Großbritannien.

 

Zusätzlich zu den unter 1.-7. angeführten-- Bewertungen sei festgestellt, daß in der Europäischen Union der Wirkstoff Benomyl in der ersten Liste der Wirkstoffe, Verordnung (EWG) Nr. 3600/92, - eine Verordnung für die EU-weite Aufarbeitung von Wirkstoffen nach der Richtlinie /414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln - aufscheint, das für seine Gesamtbewertung vorgelegte -äußerst umfangreiche Dossier von Deutschland als Rapporteur bis Oktober/November 1996 nach dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse begutachtet werden wird -und über Sitzungen des Ständigen Pflanzengesundheitsausschusses in der Folge dann eine für die gesamte Europäische Union neueste umfassendste wissenschaftliche Bewertung einschließlich der neuen Erkenntnisse in den USA vorliegen wird.  Es erscheint zielführend, diesbezügliche Ergebnisse abzuwarten.

 

Österreich -ist - wie auch alle anderen Mitgliedstaaten aufgefordert-. die Beratungen in Form eines Peer-Reviews aller Angaben, Unterlagen und Bewertungen zu Benomyl mitzutragen bzw. in eventuell vorgelagerten Expertensitzungen sein Expertenwissen einzubringen wie auch die anschließende gemeinsame Entscheidung der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten u.a. betreffend einen EU-weiten vereinheitlichten Kennzeichnungsumfang für Benomyl als Bestandteil .

Das Pflanzenschutzmittel national umzusetzen. Das Pflanzenschutzmittel "Benlate" der im Jahre 1970 in Österreich zugelassen.  Die Einstufung eines Pflanzenschutzmittels, das vor Inkrafttreten, des derzeit geltenden Pflanzenschutzmittelgesetz (PMG), BGB1.Nr. 476/1990, id. 300/1995, zugelassen, ist nach den Übergangsbestimmungen des § 35 Abs. -- PMG zu beurteilen.  Demnach hat eine Einstufung entsprechend den Bestimmungen der §§ 2 Abs. 5

in 17 Chemikaliengesetz.  BGB1.Nr. 326/1987, idF 759/1992, und den darauf beruhenden Verwaltungsakten zu erfolgen. § 7 leg. cit. sieht vor, daß der Hersteller oder Importeur einen Stoff oder die Zubereitung gemäß den Ergebnissen der aufgrund des Chemikaliengesetzes

und seiner Verordnungen vorgeschriebenen Prüfungen, nach den Wissenschaftlichen Erkenntnissen oder Praktischen Erfahrungen oder aufgrund; sonstiger Tatsachen und Umstände einzustufen hat.

 

"Benlate" wird mit den Kennbuchstaben Xn und F, den Gefahrenbezeichnungen:.-- Mindergiftig und Leichtentzündlich, den Gefahrensymolen Andreaskreuz und Flammzeichen, dem Risikosatz R 40 und den Sicherheitsratschlägen -2 2 - 13 - 20/21 - 44 und weiteren - eine Hintanhaltung von Gefahren für die Gesundheit von Menschen und für die Umwelt bei der Anwendung oder als Folge der Anwendung betreffenden ergänzenden Sicherheitsratschlägen gekennzeichnet in Verkehr gebracht.

 

Zu Frage 6:

 

Nach Information des Zulassungsinhalt wird "Benlate" nur in Form von 500 g-Packungen angeboten, eine Packungsgröße, die im Zusammenhang mit den geringen Aufwand--'konzentrationen - in der Regel unter --.05 % bis 0,1 %, je nach Indikation bzw.

Aufwandmenge, z.B. 250 g/ha Getreide bzw. 180 bis 300 g/ha im Rübenbau - eine Anwendung nur in der "professionellen" Landwirtschaft sicherstellen soll. Abpackungen speziell für die Anwendung in Hausgärten wurden bzw.werden danach nicht in Verkehr gebracht.  Dessenungeachtet nicht auszuschließen, daß Überlegungen hinsichtlich einer Entscheidung über eine EU-weite Auflage der Nicht-Anwendung Hausgärten Gegenstand der Beratungen im Ständigen Pflanzenzesundheitsausschuß sein werden.