1671/AB XX.GP
Bundeskanzler Dr. Franz VRANITZKY hat anläßlich der parlamentarischen Behandlung der
am 11. Dezember 1996 unter der Nr. 1603/J an ihn gerichteten dringlichen parlamentarischen
Anfrage der Abgeordneten zum Nationalrat Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Ar-
mut in Österreich (Wortlaut siehe Beilage) eine schriftliche Beantwortung der einzelnen Fragen
in Aussicht gestellt, die ich wie folgt nachreiche:
Einleitend bemerke ich folgendes:
Wie in der Einleitung der dringlichen Anfrage an mehreren Stellen zutreffend ausgeführt wird,
stößt die Erfassung von Zahlen über Armut auf spezifische Schwierigkeiten. Diese werden vor
allem in unterschiedlichen methodischen Ansätzen und beim Versuch der Erfassung ver-
schiedener Aspekte der Armut (Einkommensarmut, Altersarmut, regionale, ethnische, vererbte
Armut usw.) sichtbar. Armut ist somit ein multidimensionales Problem, bei dem sich subjektive
und objektive, normative und faktische Aspekte in einer besonderen Weise vermengen.
Ein derart komplexes Phänomen ist nicht in Form ähnlich handfester Variablen erfaßbar wie bei
vielen anderen Standarderhebungen der
Statistik. Vielmehr kann man von dem
bestehenden Erhebungsinstrumentarium zunächst nur ein breiteres Spektrum von primären
Informationen erwarten, die per se noch nicht die Antworten, sehr wohl aber wichtige Hinwei-
se liefern. Daten dieser Art in einem nachfolgenden Bearbeitungsschritt zu Aussagen über Ar-
mut zu selektieren und zu "synthetisieren" ist ein Weg zu statistischen Angaben über das The-
ma, insbesondere in Form von Größenordnungen, Gefährdungsbereichen und ähnlichem. Sol-
che Verfahren bauen allerdings auf schon vorhandenen, für andere oder allgemeinere Zwecke
erarbeiteten statistischen Daten auf
Ein Ansatz zur Lösung dieser Problematik wäre der Einsatz von Erhebungsinstrumenten, die
auf die Besonderheiten des Themas hinweisen. Diese sollten beim Einzelfall (Mikrobasis) an-
setzen und könnten auf die konkreten Umstände, die Vorgeschichte, Entwicklungs-Potentiale
etc. eingehen.
Als weitere, die Vorzüge der vorangestellten Vorgangsweisen gewissermaßen kombinierende
Möglichkeit wäre auch an die Führung von integrierten Datenbeständen zu denken, wo die
Informationen aus verschiedenen Quellen schon auf der Mikro-Ebene zusammenfließen und so
gegenseitig "angereichert" werden. Neben nicht unerheblichen Problemen der Selek-
tion/Identifikation der betreffenden Einheiten und der a-jour Haltung solcher Datenbasen über-
haupt besteht hier (zumindest in Österreich) nach wie vor eine erhebliche Datenschutzproble-
matik, welche sowohl de jure als auch de facto Zusammenführungen dieser Art im großen Stil
illusorisch erscheinen läßt.
Die schon eingangs angeführte kategorische Mehrdimensionalität des Themas schafft für die
Etablierung von klaren Klassifikations- und Auswertungsstandards (insbesondere auch die Auf-
stellung von Armutsgrenzen und Schwellenwerten) besondere Probleme, die bislang weder auf
internationaler noch auf nationaler Ebene
befriedigend gelöst werden konnten.
Angesichts dieser methodologisch-konzeptiven Problemlage ist es klar, daß die Beschäftigung
mit dem Thema weitgehend einen spezifischen Einschlag wissenschaftlicher Forschung aufwei-
sen wird, nicht nur was das soziale Problem, sondern auch was die Gewinnung statistischer
Einsicht anbelangt. Ob bzw. inwieweit eine solche Befassung mit dem Thema in den Bereich
der amtlichen Statistik fallen soll, ist ein grundsätzliches, über den Anlaßfall hinausgehendes
Problem, das losgelöst von der aktuellen Verfügbarkeit einer qualifizierten Fachkraft zu beur-
teilen wäre.
Für die weitere Entwicklung der einschlägigen Arbeiten auf nationaler Ebene sind die auf eu-
ropäischer Ebene (EU-Kommission, insbesondere EUROSTAT) erstellten Vorgaben aus-
schlaggebend. Das statistische Arbeitsprogramm der EU sieht dazu mehrere Projekte vor-
Modul 74100 Armuts-Indikatoren
Modul 74200 Haushalts-Panels
Modul 74300 Konsumerhebungen
Modul 74400 Haushalts-Einkommen
Modul 76200 Sozialstatistisches Observatorium
Modul 76400 Soziale Lage spezifischer Bevölkerungsgruppen
Das Europäische Haushaltspanel (ECHP) ist in Österreich ab 1994 implementiert worden
(zunächst als Pilotversuch, dann in einer ersten regulären Welle 1 995 und derzeit mit seiner
zweiten Welle. Dieses Instrument läßt vor allem kausale und zeitdynamische Einsichten in das
Armutsproblem erwarten, wie sie bis dato mangels zeitlicher Kohärenz der Mikro-Daten nicht
erzielt werden konnten. Die Erhebung wird als gemeinschaftliches Projekt von der Kommission
und von der Republik Österreich (EUROSTAT/ÖSTAT/Bundesministerium für Arbeit und
Soziales) kofinanziert (BVA Kapitel 15, für 1996 mit 3,5 Millionen Schilling dotiert). Die
Durchführung der Erhebung ist an eine einschlägig qualifizierte wissenschaftliche Institution
ausgelagert.
Zu den einzelnen Fragen nehme ich wie folgt
Stellung-
Zu Frage 1:'
Derzeit ist nicht daran gedacht, eine staatliche Beobachtungsstelle "Armutsbekämpfung" einzu-
richten. In den einschlägigen Ressorts der Gebietskörperschaften und im Österreichischen Sta-
tistischen Zentralamt (ÖSTAT) gibt es eine Reihe von Stellen, die diese Thematik umfassend
behandeln. So findet sich im Organisationsplan des ÖSTAT in der Abteilung Sozialstatistik
unter anderem auch die "Armutsforschung". Sie beinhaltet statistische Beiträge des ÖSTAT,
nicht jedoch Armutsforschung per se. Es ist daher auch nicht daran gedacht, diese Organisati-
onseinheit wegen des Abgangs des bisher federführenden Beamten aufzulassen.
Ob es sich dabei um eine "Beobachtungsstelle" (Observatorium) der angesprochenen Art han-
delt, wäre gegebenenfalls unter europäischen Gesichtspunkten zu klären. Den bisherigen An-
satz, die Gefahr der sozialen Ausschließung nicht eindimensional, sondern als ein Problem in
vielen Politikbereichen zu sehen und deshalb auch im Rahmen dieser Politikbereiche zu be-
handeln, erachte ich als zielführender.
Zu Frage 2:'
Es ist unrichtig, daß die genannten Organisationen nicht in die relevanten Dialoge eingebunden
werden. Von Bundes-, Länder- bis zur Kommunalebene werden die wesentlichsten Organisa-
tionen formell oder informell in die Diskussion um die politische Entscheidungsvorbereitung
einbezogen. So wird zum Beispiel das Österreichische Komitee für Soziale Arbeit (ÖKSA), das
sich unter anderem auch mit dem Thema Armut beschäftigt, seit Jahren regelmäßig durch das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales finanziell unterstützt. Die vom ÖKSA erarbeiteten
Untersuchungen und gewonnenen Erfahrungen fließen insbesondere in die Behinderten- und
Sozialpolitik ein. Auch bei internationalen Konferenzen (z.B. UNO-Tagung zur Sozialpolitik,
Frauenpolitik) sind österreichische Nongovernment-Organisationen vertreten und bringen ihre
Standpunkte ein.
Die Verbesserung und die Verdichtung des Inforrnationsaustauschs sind permanente Anliegen.
Die volle Information und Einbindung der genannten Organisationen in alle relevanten EU-
Programme ist ebenfalls erfolgt.
Zu Frage 3:
Die erwähnte gestiegene Nachfrage hängt einerseits mit den Verschärfungen am Arbeitsmarkt
und andererseits mit der verbesserten Angebotspalette an sozialen Dienstleistungen und mit der
Schaffung von Finanzierungsmöglichkeiten dieser Dienste durch das Bundespflegegeldgesetz
samt Parallelgesetzen zusammen.
Vom ÖSTAT werden jährlich auch die relevanten Daten über Sozialhilfeempfänger im ge-
samten Bundesgebiet erfaßt. Nach den bisher vorliegenden Statistiken des ÖSTAT weist die
Inanspruchnahme von Sozialhilfe keine fallende Tendenz auf. Für 1996 liegen noch keine Da-
ten vor.
Zu Frage 4:
In Art. 12 Bundes-Verfassungsgesetz ist die Zuständigkeit des Bundes zur Grundsatzgesetzge-
bung sowie jene der Länder zur Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung geregelt, die sich
unter anderem auf die Tatbestände des sogenannten Armenwesens und der Jugendfürsorge be-
zieht. Fragen dieser Art müßten daher an das jeweilige Bundesland gerichtet werden, das über
die notwendigen Daten verfügt. Weiters ist zu berücksichtigen, daß eine Grundsatzgesetzge-
bung - wie dies bereits die Bezeichnung zum Ausdruck bringt - nur die Grundsätze einer ge-
setzlichen Regelung determinieren kann, da sie sonst wegen Überbestimmtheit gegenüber der
Ausführungsgesetzgebung verfassungswidrig wäre.
Zu Frage 5:
Zum Thema Sozialhilfe gibt es schon seit 1 958 eine regelmäßige sekundärstatistische Bericht-
erstattung, die auch die Verwendung der Mittel
abdeckt. Individuelle Information über
den Bezug (die Verwendung) von Sozialhilfe gibt es beim Europäischen Haushaltspanel, das
als EU-Projekt seit 1995 auch in Österreich durchgeführt wird.
Hinsichtlich des "Bedarfs" an Sozialhilfe erscheint zunächst eine klare kategoriale Trennung
von der "Verwendung" wichtig (normative vs. faktische Natur)' Als Erhebungs-Adressat des
"Bedarfs" käme primär wohl die zuständige Stelle auf Landesebene in Betracht. Die subsidiäre
Natur der Sozialhilfe würde bei direkter Befragung der Bezieher eine unzumutbare Erfassung
aller Einkommens- und Lebensumstände bedeuten. Es ist daher zweifelhaft, ob hier überhaupt
eine adäquate statistische Erhebung des Bedarfs möglich ist.
Zu Frage 6:
Es ist richtig, daß in der Studie "Von Ausgrenzung bedroht" der sogenannte "harte Kern" der
Personengruppen, die von Armut betroffen sind, nicht enthalten ist, weil diese in der Daten-
grundlage der Studie (dem Mikrozensus) nicht erfaßt werden. Für ein lnstrument wie den Mi-
krozensus ist die Bezugnahme auf die Wohnadressen eine Grundvoraussetzung der Erhebungs-
logistik (Interviewapparat).
Für Anstaltsinsassen gibt es im Rahmen des Mikrozensus einmal jährlich eine gezielte Er-
hebung (ohne Einkommensfrage).
Was die Obdachlosen anbelangt, besteht weder im Mikrozensus noch sonst ein Erhebungs-
vorgang. Die besonderen Lebensumstände dieser Gesellschaftsschicht bedingen offenkundig
eine Zusammenarbeit mit den Sozialämtern und ähnlichen Stellen (einschließlich Sozial-
forschung) außerhalb der amtlichen Statistik und könnten nach Maßgabe eines besonderen
Auftrags (mit zusätzlichen Ressourcen) in Angriff genommen werden.
Was den Sozialhilfebezug betrifft, so verweise ich auf die Beantwortung der Frage 5 .
Aufgrund der im Einzeifall zusammenlaufenden Informationen über Sozialhilfe, Beihilfen,
Tarifermäßigungen usw. verweise ich auf das Europäische Haushaltspanel, wo derartige In-
formationen im vollen Umfang erhoben werden. Andere Erhebungszugänge (etwa im Wege
der Zusammenführung diesbezüglich bestehender administrativer Quellen und Register) wä-
ren angesichts derzeit noch fehlender Rechtsgrundlagen nur langfristig denkbar.
Zu Frage 7:
Die Erfassung der "anderen armutsbildenden Faktoren" (wie etwa im Wohnungs- und Bil-
dungsbereich) ist im Rahmen der vorgestellten Instrumente (Mikrozensus, Europäisches
Haushaltspanel) sichergestellt.
Zu frage 8:
Es ist beabsichtigt, eine Studie über die wesentlichen Aspekte der Situation von Obdachlosen
unter Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten durchzufüh-
ren. Die Auftragsvergabe für diese Studie steht meinen Informationen nach unmittelbar bevor.
Zu Frage 9:
Überproportionale Wohnkostensteigerungen gibt es vor allem im privat vermieteten Althaus-
bereich. Dies auch deshalb, weil sich Liegenschaftseigentürner bzw. Hausverwaltungen bis-
weilen nicht an gesetzliche Bestimmungen (hinsichtlich Mietzins, Ablösen, Betriebskosten)
halten, was eine Flut von Verfahren bei den Schlichtungsstellen zur Folge hat. Untersuchun-
gen der Arbeiterkammer haben gezeigt, daß rund drei Viertel der jährlich von den Hausver-
waltungen zu legenden Betriebskostenabrechnungen zu hoch ausgefallen sind.
Das 1994 eingeführte Richtwertzinsmodell wird reformiert. Für die Zukunft muß ein klar
nachvollziehbares Modell mit Mietzinsobergrenzen und maximalem Schutz der Mieter eta-
bliert werden. Zusätzlich müssen Länder und Gemeinden ihre Neubauleistung noch stärker
erhöhen sowie die Genossenschaften ihre
Rücklagen in Neubauten fließen lassen.
Zu Frage 10:
Armutsrelevante Themen haben in den letzten Jahren in der Forschung des Bundesministe-
riums für Arbeit und Soziales eine große Rolle gespielt. Ich veweise in diesem Zusammenhang
auf die beiden Publikationen "Mindestlebensstandard in Österreich" und "Von Ausgrenzung
bedroht" hin. Außerdem behandelten eine Reihe von weiteren veröffentlichten Studien des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Aspekte dieser Problematik: Arbeitslosigkeit,
AlleinerzieherInnen, Behinderte, Pflegebedürftige, etc. Auch in den derzeit laufenden Pro-
jekten über "Einkommensverteilung in Österreich", "European Community Household Panel"
und "Verteilungswirkungen der österreichischen Sozialsysteme" wird diese Fragestellung von
verschiedenen Gesichtspunkten her mitbehandelt.
Aus Umfanggründen können nicht alle Untersuchungsergebnisse im Sozialbericht veröffent-
licht werden, sodaß die meisten in der Schriftenreihe "Forschungsberichte aus Sozial- und
Arbeitsmarktpolitik des BMAS" publiziert werden. Sollten neue Ergebnisse von Studien zum
Thema Armut vorliegen, ist eher an eine Publikation im Rahmen der genannten Schriftenreihe
gedacht.
Zu Frage 11:
Die gegenständliche Frage bezieht sich offensichtlich auf die Studie "Veränderung der ökono-
mischen und familiären Situation von Arbeitslosenhaushalten im Verlauf der Arbeitslosig-
keit". Da die Daten aus den Jahren 1990",1991 stammen, ist die Studie für die heutige Lage der
Haushalte nicht mehr relevant. Im Jahr 1992 wurden die Ausschüsse 1 und 2 des Beirats für
Arbeitsmarktpolitik mit der Studie befaßt. Aufgrund der großen Komplexität der Fragen der
Arbeitsmarktpolitik kann rückblickend nicht mehr festgestellt werden, bei welchen Maßnah-
men diese Studie auf den Entscheidungsprozeß Einfluß genommen hat.
Zu frage 12:
Das zentrale Ergebnis der Studie ist, daß unzureichende oder fehlende Erwerbschancen und
keinesfalls die Ausgestaltung der
Sozialleistungen die wichtigste Ursache für Armutsgefähr-
dung darstellen. Es gibt zahlreiche Initiativen der Bundesregierung und des Arbeitsmarktser-
vice. die Beschäftigungschancen trotz immer schwierigerer ökonomischer Rahmenbedingun-
gen zu verbessern.
Der Beschäftigungsstand hat sich in den letzten zehn Jahren in Österreich um mehr als
270.000 Arbeitsplätze erhöht und die Arbeitslosenrate beträgt weniger als die Hälfte des EU-
Durchschnitts. Beschäftigungsfördernde und -sichernde Maßnahmen werden weiter ein
Schwerpunkt der Regierungspolitik bleiben. Es werden verstärkt Initiativen gesetzt, die Be-
schäftigungsförderung zu einem zentralen Anliegen der Politik der Europäischen Union zu
machen.
Trotz der Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung als zentrales wirtschaftliches Ziel und
trotz des immer größeren internationalen Konkurrenzdrucks, dem die österreichische Wirt-
schaft ausgesetzt ist, weisen die wichtigsten Indikatoren (z.B. Ausgleichszulagenrichtsätze)
darauf hin, daß das Risiko der Armutsgefährdung in Österreich in den letzten Jahren gesunken
ist. So gravierend heute noch die Entbehrungen für armutsgefährdete Haushalte sind, so haben
die gesellschaftliche Wohlstandsentwicklung und die Sozialpolitik die Lebensbedingungen für
diese Personengruppe verbessert und werden dies in Zukunft auch weiter tun.
Zu frage 13:
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist die Verhinderung von gesellschaftlicher Ausgren-
zung ein wesentlicher Aspekt der Aktivitäten der Bundesregierung. Daher wurden zahlreiche
Forschungsprojekte und Studien initiiert und abgeschlossen, deren Ergebnisse Eingang in die
politische Entscheidungsvorbereitung gefunden haben. Insbesondere sind hier die Maßnah-
men im Bereich der Arbeitsmarkt-, Frauen-, Familien-, Behinderten-, Bildungs- und Steuer-
politik sowie die oftrnaligen außerordentlichen Erhöhungen der Ausgleichszulagen in der
Pensionsversicherung anzuführen.
Da tfst alle Studien im Bereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auch einen
inhaltlichen Bezug zum Themenbereich Armut haben, ist eine Auflistung dieser Studien nicht
möglich. Die beiden zentralen Publikationen zu diesem Thema sind der Beantwortung zur
Frage 1O zu entnehmen.
Seitens des Bundesrninisteriums für Umwelt, Jugend und Familie wurden jüngst mehrere Stu-
dien vergeben, die spezifische Aspekte familienbezogener Armut mituntersuchen, welche alle
noch im Laufen sind:
Der Family Fertility Survey (FFS), ein Verbundprojekt von 20 Staaten (alle EU-Länder sowie
unter anderem Kanada und die USA), Studienleitung für Österreich, Österreichisches Institut
für Familienforschung, Universitätsdozent Dr. LUTZ (ÖIF), erhob Anfang 1996 repräsentativ
auf Bundesländerebene unter 65.000 Frauen und Männern wesentliche Basisdaten. Diese um-
fassen nicht nur Einkommenssituation und Einkommensstruktur der repräsentativ befragten
Frauen und Männer individuell wie auf Haushaltsebene, sondern auch differenziert unter an-
derem die Ausbildungs-, Erwerbs- und Wohnbiographien. Über eine neuartige Auswertung
nach dem Prinzip der Life-table-Analyse werden derart in etwa einem Jahr differenzierte Aus-
wertungen über familienbezogene Armut und die wesentlichen determinierenden Faktoren
vorliegen. Darüber hinaus lassen sich aufgrund der erhobenen Daten auch das Netzwerk und
die staatlichen Dienstleistungen im Falle von Armut beschreiben sowie das Ausmaß an Hilfe-
stellung, das sie darstellen. Die Querschnittuntersuchungen sind abgeschlossen und die ein-
zelnen Bundesländerberichte stehen unmittelbar vor Fertigstellung.
Das "Familiensimulationsmodell", ein Projekt, welches von der EU mitfinanziert wird (Stu-
dienleitung Universitätsdozent Dr. LUTZ, Österreichisches Institut für Familienforschung),
wird die Simulation verschiedener "Sozialszenarien" ermöglichen. Mit Abschluß des Simu-
lationsmodells wird es erstmals möglich sein, an einer virtuellen repräsentativen österreichi-
schen Bevölkerung die Auswirkungen (sozial- und familien-) politischer Maßnahmen vor
deren praktischem Einsatz zu simulieren und
damit auf ihre Effizienz hin zu überprüfen.
Das Projekt "Familienbarometer", Leitung Universitätsdozent Dr. BADELT (ÖIF), nimmt am
EU-Barorneterprojekt des EU-Observatory on the Family teil, geht aber über dieses hinaus.
Hier geht es darum, Indizes zu entwickeln, welche die Situation der Familien auf gesamtge-
sellschaftlicher Ebene beschreiben. Dazu gehören auchjene Parameter, die materiell wie im-
materiell Armut erfassen und beschreiben. Referenzjahr ist 1993, verglichen wird mit 1996.
Von da an sollen diese Parameter in ein- bis zweijährigen Abständen erhoben bzw. errechnet
werden. Damit ist analog der Wirtschaft wissenschaftliche Politikberatung und politisches
Handeln verstärkt möglich.
Aufgrund dieser Projekte werden sich die Handlungsnotwendigkeiten im Bereich der Familien-
und Sozialpolitik in Zukunft zielgenauer bestimmen lassen.
Weiters wurde im Zusammenhang mit der parlamentarischen Behandlung des "UN-Überein-
kommens über die Rechte des Kindes" eine Überprüfung der österreichischen Rechtsordnung
hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit den Anforderungen der genannten Konvention durch-
geführt.
Ein Beitrag dieses "Expertenberichts zum UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes"
war betitelt mit "Unterhalt für das Kind bestmöglich verwirklicht?" und befaßte sich im we-
sentlichen mit der Problematik des Unterhalts und des Unterhaltsvorschußrechts und damit im
Zusammenhang mit der bisweilen problematischen ökonomischen Absicherung von Familien
mit Kindern, wenn vom Unterhaltsschuldner die Unterhaltsleistungen nicht oder nicht ausrei-
chend erbracht werden.
Eine detaillierte Liste der Forschungsprojekte des Bundes wird seit Jahren vom Bundesministe-
rium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst erstellt und dem Parlament übermittelt.
Zu Frage 14:
Es ist richtig, daß es weder auf wissenschaftlichem Gebiet noch auf staatlicher Ebene einen ein-
heitlichen Armutsstandard gibt. Es ist sozialpolitisch nicht zielführend, sehr divergierende Pro-
blemlagen mit einer einzigen rnonetären Größe zu beurteilen. Zu unterschiedlich sind die not-
wendigen Aufwendungen für Wohnung, für gesundheitliche Beeinträchtigungen, für die Behe-
bung von Schicksalsschlägen etc", um mit einer in Geldwerten ausgedrückten Maßzahl beurtei-
len zu können, ob es sich in der
konkreten Situation um Armut handelt. Das ist auch der
Grund, warum die Sozialhilfe sehr flexibel gestaltet ist. Gerade dadurch kann besser auf den
Einzelfall eingegangen werden.
Zu Frage 15:
Da die Fortentwicklung der sozialen Dimension der Unionspolitik eines horizontalen Ansatzes
bedarf, tritt Österreich insbesondere dafür ein, daß künftig sämtliche Vorschläge von der Eu-
ropäischen Union obligatorisch einer Überprüfung ihrer Auswirkungen auf den Sozialbereich
und auf die Beschäftigung unterzogen werden.
Zu Frage 16:
Die Europäische Union muß in jenen Politikbereichen wirksam agieren können, für die auf eu-
ropäischer Ebene bessere, umfassendere und breiter legitimierte Lösungen zu erzielen sind als
auf mitgliedstaatlicher Ebene. Da sich das Projekt der Europäischen Union an diesem Subsidi-
aritätsgedanken orientiert, hat Österreich bereits bei seinem Beitritt sein starkes Interesse an
einer weiteren Verstärkung der gemeinschaftlichen Handlungsfähigkeit bekundet und wird
auch weiterhin dafür eintreten.
Zu Frage 17a:
Österreich hat die von Großbritannien eingebrachte Klage beim Europäischen Gerichtshof
nicht unterstützt.
Zu frage 17b:
Die Antragstellung auf Förderung von Projekten im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung
der sozialen Ausgrenzung und der Armut erfolgt direkt bei der Europäischen Kommission,
gleiches gilt für Maßnahmen
zugunsten älterer Menschen. Eine Förderung
österreichischer Projekte durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist nach Maß-
gabe der budgetären Mittel möglich, sofern eine Antragstellung gemäß den Förderrichtlinien
des Bundes erfolgt und die Maßnahmen, für die die Förderung beantragt wird, in den Kompe-
tenzbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales fallen.
Zu Frage 17c:
Da die Antragstellung direkt bei der Europäischen Kommission erfolgt, ist eine Berichtspflicht
an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht obligatorisch. Es ist mir daher nicht
möglich, darüber Auskunft zu geben, welche Projekte betroffen sind.
Zu Frage 18:
Im Rahmen der Regierungskonferenz wird von Österreich grundsätzlich die Stärkung des
Mehrstimmigkeitsprinzips unterstützt.
Zu Frage 19:
Österreich wird wie bisher das Programne zur Bekämpfung der Armut und der sozialen Aus-
grenzung, soweit dies im Rahmen der Budgetkonsolidierung möglich ist, im Rat unterstützen.
Zu den Fragen 20 bis 23:
Das Budgetkonsolidierungsprogramm der Bundesregierung, das für eine längerfristige Siche-
rung des österreichischen Sozialsystems unvermeidbar ist und dessen Hauptanliegen es war,
den Nettofinanzierungssaldo der Öffentlichen Haushalte in zwei Jahren um rund 100 Millliar-
den Schilling zu senken, ist sozial ausgewogen.
Die umgesetzten Maßnahmen wurden auf ihre Angemessenheit und Effizienz überprüft, wobei
auf eine mögllchst gerechte Verteilung von Leistungen und Lasten zwischen allen sozialen
Gruppen Bedacht genommen wurde. Aufgrund des Volumens des Programms sind daher trotz
ausdrücklicher Rücksichtnahme auf die soziale Ausgewogenheit der Maßnahmen alle Bevölke-
rungsgruppen vom Konsolidierungsprogramm betroffen.
Mir sind keine Maßnahmen der Strukturanpassungsgesetze bekannt, die dazu fuhren sollen,
daß vermehrt Personen aus dem Versicherungsystem herausfallen und daher auf Sozialhilfe
angewiesen sind. Es wurden im Gegenteil durch die Einbeziehung der "Werkverträge" nach § 4
Abs. 4 und 5 ASVG in die Pflichtversicherung zusätzliche Personen mit teilweise prekären
Arbeitsverhältnissen neu in den sozialen Schutz aufgenommen.
Aus der Sicht des Finanzausgleichs ist jedenfalls daraufhinzuweisen, daß aufgrund der Maß-
nahmen im Zusammenhang mit dem Strukturanpassungsgesetz für die Länder ein Mehrertrag
an Finanzmitteln in Höhe von rund 3,5 Milliarden Schilling für das Jahr 1996 und in Höhe von
rund 8 Millliarden Schilling für das Jahr 1997 und die Folgejahre zugrundegelegt wurde. Soll-
ten daher für die Länder tatsächlich Mehraufwendungen entstehen, könnten sie aus diesen
Mitteln gedeckt werden.
Es ist im Rahmen der beiden Strukturanpassungen zu keiner Änderung der gesetzlichen Rege-
lung über die Zumutbarkeit gekommen. Es blieben daher auch die diesbezüglichen Weisungen
an das Arbeitsmarktservice aufrecht.
Nach Untersuchungen des Bundesministeriums für Finanzen fällt das Urteil über die Vertei-
lungswirkungen des Konsolidierungsprogramms der Bundesregierung für die Jahre 1996 und
1997 insgesamt positiv aus. Vor allem bei den einnahmenseitigen Maßnahmen ist die Vertei-
lungswirkung - mit Ausnahme der Energiesteuern - überwiegend positiv. Durch die Abschaf-
fung steuerlicher Begünstigungen und die Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten wurde
das Steuersystem progressiver. Bei den ausgabenseitigen Maßnahmen haben die Maßnahmen
im familienpolitischen Bereich und bei den Beamten eindeutig positive Verteilungswirkungen.
Mit Einschleifrerelungen werden die Belastungen abgestuft wirksam. Härtefälle wurden durch
begleitende Maßnahmen abgefangen. Insgesamt konnten die Maßnahmen so gestaltet werden,
daß das untere Einkommensdrittel weniger und das mittlere bis obere Einkommensdrittel an-
wachsend stärker belastet sind.
Zu den Untersuchungen über die Auswirkungen der Sparpakete auf Frauen verweise ich auf
den Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen
sowie den Gleichbehandlungsbericht. In diesen beiden Berichten werden die Auswirkungen der
Sparpakete auf Frauen aufgezeigt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist eine seriöse Beur-
teilung der Auswirkungen noch nicht möglich.
Von der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten ist eine Studie in Auftrag gegeben wor-
den, deren Aufgabe es ist, die aus der Sicht der Frauen relevanten Versorgungsproblematiken
systematisch zu analysieren und darauf aufbauend Vorschläge für Änderungen im Bereich der
sozialen Sicherheit auszuarbeiten.
Es ist generell festzustellen, daß die Angleichung der Beschäftigungschancen von Frauen und
Männern und die Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen für Frauen zentrale Anliegen und
Ziele der österreichischen Beschäftigungspolitik sind: Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet
das Arbeitsmarktservice mit seinen vielfältigen Betreuungs- und Qualifizierungsangeboten.
Aufgrund der Zielvorgaben des Sozialministers werden die Ressourcen für aktive Arbeits-
marktpolitik schwerpunktmäßig für die Zielgruppe der Frauen verwendet. Gezielte Maßnah-
men zur Verbesserung der Chancen von Frauen am Arbeitsmarkt sind etwa die Erleichterung
des Zugangs zu nicht-traditionellen Berufsfeldern, die Lehrstellenförderung für Mädchen in
Berufen mit geringem Frauenanteil, die Unterstützung von Wiedereinsteigerinnen und Berufs-
rückkehrerinnen, die Förderung der Kinderbetreuung sowie der Beratungs- und Betreuungs-
einrichtungen, die weiter ausgebaut werden soll.
Zu Frage 24:
Es ist nicht richtig, daß die Bezieher niedriger Pensionen durch die Nichtanpassung der Lei-
stungen bzw. die Nichterhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze im Jahr 1997 Realein-
kommensverluste hinnehmen müssen. Gerade durch die Gewährung der zusätzlichen Aus-
gleichszulage in den Monaten Jänner und Juli 1997 erhalten die Bezieher von Niedrigpensionen
eine höhere Abgeltung als dies bei einer
regulären Pensionsanpassung bzw.
Ausgleichszulagenrichtsatzerhöhung der Fall gewesen wäre. Darüber hinaus garantiert diese
zusätzliche Ausgleichszulage, daß bei den Beziehern niedriger Pensionen keine Realein-
kommensverluste entstehen.
Im übrigen wurden gerade die niedrigen Pensionen durch die überproportionale Erhöhung der
Ausgleichszulagenrichtsätze in den vergangenen Jahren stark angehoben: In den letzten zehn
Jahren stiegen die Richtsätze für Alleinstehende um rund 69%(Verheiratete rund 68 %),
während die Pensionen um rund 38 % erhöht wurden. Die Verbraucherpreise (Pensionsindex)
stiegen im gleichen Zeitraum nur um rund 25 % , sodaß sich für die Ausgleichszulagenbe-
zieherInnen ein Kaufkraftgewinn von rund 35 % ergab. Die in dieser Frage enthaltenen Be-
hauptungen sind daher gerade für den Bereich der niedrigen Pensionen völlig unverständlich.
Weiters verweise ich darauf, daß, wie mir vom Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr
und Kunst mitgeteilt wird, daß schwerbehinderten Menschen ab einem Grad der Behinderung
von mindestens 70 v.H. (Schwerkriegsgeschädigte, Versorgungsberechtigte nach dem Opfer-
fürsorgegesetz) die Berechtigungsmarke zur Inanspruchnahme der Fahrpreisermäßigung bei
den Österreichischen Bundesbahnen zur Verfügung gestellt wird. Auch Senioren, die zu ihrer
Pension eine Ergänzungszulage, eine Ausgleichszulage, eine Zusatzrente nach dem Kriegs-
opferfürsorgegesetz 1957 bzw. eine Unterhaltsrente nach dem Opferfürsorgegesetz 1947 oder
eine Dauersozialhilfeleistung beziehen, erhalten die Berechtigungsmarke weiterhin gratis. Der
Preis der Jahresberechtigungsmarke für Senioren wurde nur im unbedingt notwendigen Aus-
maß (um S 90,- gegenüber S 11O,- bei vielen anderen Berechtigungsmarken) angehoben. Die-
ser Preis kann - im Vergleich mit ausländischen Bahnverwaltungen - aufgrund der Inan-
spruchnahmemöglichkeit von Bahnleistungen zum um 50 % ermäßigten Tarif während eines
Kalenderjahrs als durchaus angemessen bezeichnet werden.
Zu Frage 25:
Grundsätzlich ist auf folgendes hinzuweisen: Das System der gesetzlichen Pensionsversiche-
rung ist bekanntlich auch vom Versicherungsprinzip geprägt. Daher kann nur derjenige Lei-
stungen in Anspruch nehmen, der eine gewisse
Zeit hindurch der Solidargemeinschaft der
Versicherten angehört und - sei es durch den Erwerb von Beitragszeiten, sei es durch den Er-
werb von Ersatzzeiten - eine gewisse Mindestanzahl an Versicherungsmonaten erworben hat.
Auch die Höhe der Leistungen hängt daher grundsätzlich von Anzahl und Höhe der Beiträge
ab, die der Anspruchsberechtigte im Laufe seiner Versicherungszugehörigkeit erbracht hat.
Dieses Versicherungsprinzip wird jedoch aus sozialen Gründen in vielfacher Weise gemildert
und durch den Gedanken der Fürsorge, wonach die Gewährung einer Leistung von der Be-
dürftigkeit des Versicherten und nicht nur von zuvor erbrachten Leistungen abhängt, durch-
brochen. So gebührt dem Anspruchsberechtigten, dessen Pension aufgrund der geringen An-
zahl von erworbenen Versicherungsmonaten nicht die Höhe des im Gesetz vorgesehenen
Richtsatzes erreicht, der Differenzbetrag zwischen der Höhe seines Pensionsanspruchs und
dem Richtsatz als Ausgleichszulage. Dem Versicherten wird dadurch ein gewisses Min-
desteinkommen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts garantiert. Der Aufwand für die Lei-
stung wird nicht aus Beiträgen der Versicherten und ihrer Dienstgeber, sondern aus Steuern
gedeckt.
Was konkret die Einführung einer Mindestpension (Grundsicherung) betrifft, so ist diese
schon des öfteren diskutiert worden.
Im Laufe der Gespräche der betreffenden Stellen über gesetzliche Maßnahmen zur Durch-
setzung dieser in Erwägung gezogenen Einführung einer echten Mindestpension trat zu Tage,
daß mit dieser Realisierung auch andere Bestimmungen im Sozialbereich (z.B. jene über die
Anrechnung von Unterhaltsleistungen im Ausgleichszulagenrecht sowie das bewährte Institut
des Familienrichtsatzes) geändert werden müßten und auch eine generelle Mindestsicherung
in allen Lebenslagen (Einführung eines Mindesteinkommens) Voraussetzung wären. Da im
Zuge der geplanten Harmonisierung der Pensionssysteme auch diese Bereiche noch eingehend
erörtert werden müssen, ging man von
der Einführung einer echten Mindestpension ab.
Ergebnis der Diskussion war folgendes.
- Der bedarfsgerechten Mindestsicherung wird gegenüber der individuellen Mindestsicherung
der Vorzug gegeben.
- Die bedarfsgerechte Mindestsicherung wurde weiter ausgebaut (außerordentliche Er-
höhung der Ausgleichszulagenrichtsätze).
- Die bedarfsgerechte Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung ist mit 1. Jänner 1995
verwirklicht worden.
- Mit der 16. Bauern-Sozialversicherungsgesetz-Novelle wurde eine Bäuerinnenpensions-
versicherung geschaffen
Im übrigen wird derzeit in zwei Arbeitsgruppen (eine ist im Bundesministerium für Finanzen,
die andere bei der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten angesiedelt) der "Ver-
sorgungsausgleich" (das Ehegattensplitting) erörtert. Diese Arbeiten sind auch im Zusammen-
hang mit einer geplanten Reform des Scheidungsrechts zu sehen. Ergebnisse liegen noch nicht
vor.
Zu Frage 26:
Die Sozialhilferichtsätze für Alleinunterstützte differieren für das Jahr 1996 zwischen S 4.785,-
in Salzburg und S 6.180,- in Oberösterreich. Dabei wird von den Bundesländern auf die Unter-
schiede bei sonstigen Förderungs-, Beihilfen- und Kostenstrukturen hingewiesen. Für dieses
Jahr läßt sich eine geringfügige Verringerung der regionalen Unterschiede bei den Sozialhilfe-
richtsätzen feststellen. Von der Möglichkeit, ein Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes zu
erlassen, kann - auch im Hinblick auf den Konsulationsmechanismus - nur im Einvernehmen
mit den Bundesländern Gebrauch gemacht werden.
Zu Frage 27:
Generell ist festzuhalten, daß die Sozialhilfe eine subsidiäre Leistung darstellt und der Hilfs-
bedürftige im Rahmen seiner
Möglichkeit zur eigenen Existenzsicherung beitragen muß.
Auch ist der Sozialhilferichtsatz ein wesentlicher, aber nicht alleiniger Faktor für das Unter-
stützungs- bzw. Einkommensniveau aus der Sozialhilfe. Bekanntlich ist über den Sozialhilfe-
richtsatz hinaus nach konkreter Bedarfsprüfung ein weiteres Leistungsspektrum zur Unter-
stützung vorhanden. Darüber hinaus ist noch auf Förderungen und Beihilfen aus anderen
Rechtstiteln hinzuweisen.
Im übrigen verweise ich auf die Beantwortung der Frage 4.
Zu Frage 28:
Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Vollziehung der Sozialhilfe nach dem Bundes-Verfas-
sungsgesetz in die Kompetenz der Länder fällt. Bundesländerspezifische Daten sind daher
nicht verfügbar.
Zu Frage 29:
Ausgehend von den vorliegenden Statistiken ist der in der Anfrage vermutete Trend nicht er-
kennbar. Aufgrund von Kumulationen von Sonderfaktoren bzw. spezifischen Lebensrisiken
nehmen auch Personen aus dem genannten Personenkreis Sozialhilfe in Anspruch. Es sind
dies Ausnahmefälle und für diese ist das subsidiäre, bedarfsorientierte soziale Netz der Sozial-
hilfe auch geschaffen worden.
Zu Frage 30:
Die Einführung eines einheitlichen Mindestbetrags bei den Leistungen der Arbeitslosenver-
sicherung würde den Grundprinzip einer Versicherung entgegenstehen. Der zugesagte Min-
deststandard wurde jedoch unter Beachtung des Versicherungsprinzips realisiert, weil das
Arbeitslosengeld und auch der Grundbetrag der Notstandshilfe nach einer einheitlichen Netto-
ersatzrate bemessen werden.
Zu Frage 31:
Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß gesellschaftliche Veränderungen unter anderem
auch Änderungen im
Arbeitslosenversicherungsrecht bedingen. Bei derartigen Anpassungen
wird aber mit größtmöglicher sozialer Rücksichtnahme, gerade gegenüber Problemgruppen.
vorzugehen sein.
Zu Frage 32:
Derzeit liegen folgende Ergebnisse der Fragebogenerhebung des Arbeitsmarktservice vor: Mit
Ausnahme von Wien sind frauenspezifische Probleme - wie die Betreuungspflichten oder die
typisch weiblichen Berufsentscheidungen und Erwerbskarrieren - und die mangelnde regio-
nale Mobilität die wichtigsten Integrationsbarrieren für Langzeitarbeitslose. In der Bundes-
hauptstadt, die von dem Problem der Langzeitsarbeitslosigkeit in besonderem Maß betroffen
ist, sind es in erster Linie die Faktoren Alter, Qualifikation und Körperbehinderung sowie
auch geschlechtsspezifische Benachteiligungen, die einer beruflichen Wiedereingliederung
entgegenstehen. Bei einer großen Anzahl der Betroffenen treten mehrere Problernbereiche in
Kombination auf, was eine zielführende Maßnahmenplanung und -auswahl erschwert.
Auf der Grundlage der Befragungsergebnisse und abgestimmt auf die unterschiedlichen Pro-
blemlagen plant das Arbeitsmarktservice, zusätzlich zu den bereits vorhandenen Unter-
stützungsangeboten für Langzeitarbeitslose weitere Maßnahmen zu setzen. Als Beispiel dafür
können angeführt werden:
Für Frauen: Aktivgruppen. Berufsorientierungsmaßnahmen, spezifische Beschäf-
tigungsprojekte, Kinderbetreuungseinrichtungen
Für Behinderte: Arbeits-Assistenzprojekte
- Spezielle Aktivierungsprojekte für Langzeitarbeitslose
Gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung (z.B. "Flexwork")
Erweiterung der bestehenden Aktivgruppen
Ausbau von job-finding-Programmen
- Forcierung bestehender sozialökonomischer Projekte
- Forcierung der Zusammenarbeit mit dem psychosozialen Dienst und mit der
Schuldnerberatung
- Zukauf von Beratungsleistungen bei
psychischen Problemen
Im Jahr 1996 wurden auf diese Weise (6.224 Personen betreut, für das Jahr 1997 ist zu erwar-
ten, daß weitere 5.000 Personen einbezogen werden können.
Wie das Arbeitsmarktservice berichtet, konnte ca. die Hälfte jener 7.000 Personen, um die sich
die Zahl der in die .Aktivierungsinitiative einbezogenenen NotstandshilfebezieherInnen bis Ende
Oktober 1996 verringerte, in den Abeitsmarkt integriert werden.
Zu Frage 33:
Untersuchungen haben ergeben, daß das Verhältnis zwischen Arbeitsplatzangebot und
nachfrage wesentlich kleiner ist als in der Frage behauptet wird. So wurden 1995 rund
850.000 neue Beschäftigungsverhälnisse begründet, wogegen dem Arbeitsmarktservice ledig-
lich 230.000 offene Stellen gemeldet wurden. Das heißt, daß Arbeitsuchenden neben dem Ar-
beitsmarktservice offene Stellen zugänglich sind.
Das Prinzip der Freiwilligkeit bei der Vermittlung wird uneingeschränkt aufrecht erhalten. Al-
lerdings muß eingeräumt werden, daß der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenver-
sicherung an Bedingungen geknüpft ist, die den individuellen Wünschen zuwider laufen kön-
nen. Dies ist auch deshalb zu rechttfrtigen, weil jene, die Beiträge in die Arbeitslosenversiche-
rung einbezahlen, ebenso Einschränkungen in ihren individuellen Wünschen hinsichtlich ihrer
Lebensgestaltung hinnehmen müssen.
Das vom Bundesminister für Arbeit und Soziales initiierte Programm zur Intensivierung der
Integrationsbemühungen für Langzeitarbeitslose zielt darauf ab, einen Umdenkprozeß in
Richtung Um- und Neubewertung der Erwebsarbeit einzuleiten. Durch die geforderte Be-
schäftigung von Langzeitarbeitslosen im gemeinützigen Bereich sollen neue Beschäfli-
gungspotentiale erschlossen und gleichzeitig für. die Gesellschaft nützliche und wertvolle Tä-
tigkeiten verrichtet werden.
Zu Frage 34:
Das Beispiel anderer europäischer Länder führt uns vor Augen, mit welch hohen Folgekosten
und schwerwiegenden gesellschaftlichen Auswirkungen eine hohe Jugendarbeitslosigkeit ver-
bunden ist. Dem Ziel der Jugendvollbeschäftigung wird daher in Österreich oberste Priorität
eingeräumt. Auf der Grundlage der Zielvorgaben des Bundesministers für Arbeit und Soziales
gehören Jugendliche zu den vorrangigen Zielgruppen der österreichischen Arbeitsmarktpoli-
tik.
Im Dezember 1996 waren beim Arbeitsmarktservice (AMS) um 1.560 mehr Lehrstellen-
suchende und um 1.086 weniger offene Lehrstellen als im Vorjahr gemeldet. Ursache für den
daraus resultierenden Überhang an Lehrstellsuchenden ist neben demographischen Faktoren
vor allem der Rückgang der Teilnahme der österreichischen Betriebe an der Lehrlingsaus-
bildung im Rahmen des dualen Systems. Diese hat im letzten Jahrzehnt um ein Viertel abge-
nommen. Im Jahre 1984 bildeten rund 55.000 Lehrbetriebe aus, im Jahre 1995 waren es nur
mehr rund 41.000, bei Nichtbeachtung von Mitgliedschaften in mehreren Kammerorganisa-
tionen rund 37.000.
Der Rückzug der österreichischen Betriebe aus der Lehrlingsausbildung muß gestoppt wer-
den. Die Ausbildungsleistungen der österreichischen Betriebe sind anzuerkennen, es bedarf
vielmehr einer systematischen Stärkung und nachhaltigen Förderung dieser entscheidenden
Ausbildungssäule der österreichischen Wirtschaft. Durch ein umfassendes Maßnahmenpaket
auf gesetzlicher Ebene müssen daher die Rahmenbedingungen für die Lehrlingsausbildung
entscheidend verbessert und dynamisch weiterentwickelt werden.
Das Bundesministerium für wirtschatfliche Angelegenheiten beabsichtigt daher, grundlegende
Änderungen des Berufsausbildungsgesetzes und der Gewerbeordnung, von denen positive
Effekte für eine systematische Stärkung der Ausbildungsbereitschaft der österreichischen Be-
triebe erwartet werden.
Auch das Arbeitsmarktservice hat auf den Überhang an Lehrstellensuchenden bereits mit um-
fangreichen Maßnahmen reagiert:
Das Arbeitsmarktservice hat eine offensive Werbung um Lehrstellenangebote der Wirtschaft
mit großem Erfolg durchgeführt.
Darüber hinaus wurden die Möglichkeiten der Förderung der
Lehrausbildung erheblich ausgeweitet. Neben der im Juli 1 996 neu beschlossenen allgemei-
nen Lehrstellentförderung wurde ein Sonderprogramm zur Förderung von zusätzlichen Lehr-
stellen in Lehrwerkstätten ins Leben gerufen, mit dem im Herbst 1996 400 neue Lehrstellen
geschaffen werden konnten.
Ziele der Lehrstellenförderung sind die Nutzung vorhandener Lehrstellenkapazitäten, die be-
rufliche Integration von Problemgruppen, die Verringerung frauenspezifischer Benach-
teiligungen am Arbeitsmarkt und eine qualitative Verbesserung der Lehrausbildung.
Für jene Jugendlichen, die trotz intensivster Bemühungen noch nicht auf eine offene Lehr-
stelle vermittelt werden konnten, werden bundesweit Berufsorientierungs- und Berufsvor-
bereitungsmaßnahmen für insgesamt 4.280 Personen zur Verfügung gestellt. Die dafür ge-
planten Kosten betragen 311 Millionen Schilling.
Um die Betreuung und die lntegrationsbemühungen für Jugendliche zu unterstützen, hat der
Sozialminister mit dem Arbeitsmarktservice vereinbart, daß jedem 15-jährigen Schulabgänger
innerhalb von sechs Monaten eine Lehrstelle oder sonstige Beschäftigung oder zumindest eine
Berufsvorbereitungsmaßnahme angeboten werden soll.
Darüber hinaus wird auf die auch in beschäftigungspolitischer Hinsicht beachtenswerten Re-
formvorhaben im Bereich der Lehrlingsausbildung hingewiesen, die unter anderem auf die
Schaffung einer großflächigeren Grundausbildung als Basis für lebensbegleitende Wei-
terbildung oder die Verbesserung der Durchlässigkeit der Bildungssysteme für Lehrlinge ab-
zielen, und die Arbeitsmarktchancen für junge Menschen in ihrem gesamten Erwerbsleben zu
erhöhen.
Zu Frage 35:
Ende September 1996 waren beim Arbeitsmarktservice 6.149 Akademiker vorgemerkt. Die
Arbeitslosenrate bei Akademikern liegt derzeit mit 3,6 % deutlich unter der aller Be-
schäftigten, Die Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr ist jedoch überdurchschnittlich hoch.
Der größte Teil der arbeitslosen Akademiker kommt aus dem Dienstleistungsbereich, mit ein-
deutigem Schwerpunkt in Lehr- und Kulturberutfen. Rund die Hälfte der Vorgemerkten sind
diesen Berufbereichen zuzuordnen.
Universitätsabgängern werden vom Arbeitsmarktservice verschiedenste Maßnahmen - wie
Aktivgruppen, Berufsorientierungs-. Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen - zur Verfü-
gung gestellt, um ihren Einstieg in die Arbeitswelt zu fördern. Die Maßnahmen für Akademi-
ker wurden vor allem im Bereich der Arbeitsmarktausbildung ausgebaut, wie zum Beispiel
durch Medienlehrgänge, Trainerausbildungen, Controlling oder EDV.
Aufgrund der besonders problematischen Entwicklung der Arbeitsmarktsituation von Lehre-
rinnen und Lehrern - Absolventen von Lehramtsstudien gehören zu den am stärksten von Ar-
beitslosigkeit betroffenen Akademikern - wurden vom Arbeitsmarktservice speziell auf diese
Zielgruppe zugeschnittene Beschäftigungsprogramme entwickelt, wobei es grundsätzlich dar-
um geht, Lehrer unter Ausnützung ihrer bisherigen Ausbildung zu motivieren, sich anderen
Berufsbereichen zu nähern und dafür auch gesondert zu qualifizieren.
Durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit konnte auch das Stellenangebot verbessert und die Be-
reitschaft der Unternehmen zur Einstellung von Akademikern erhöht werden. Die Dienst-
leistungen des Arbeitsmarktservice für Personen mit einem hohen Selbsthilfepotential, zu
denen Universitätsabgänger größtenteils gehören, werden laufend weiterentwickelt und aus-
gebaut. Es reicht von mit modernster Technologie ausgestatteten Selbstbedienungs-
möglichkeiten bis hin zu Unterstützungsangeboten bei Unternehmensgründungen.
Weiters weise ich darauf hin, daß durch die angesprochenen Maßnahmen des Sparpakets im
öffentlichen Dienst Mittel für Investitionsvorhaben des Bundes frei werden sollen. Der da-
durch zu erwartende Impuls für die österreichische Wirtschaft sollte zu einer Belebung des
Arbeitsmarkts auch für junge Universitätsabgänger führen. Ebenso könnte eine gezielte In-
formationspolitik über besonders "problematische" Studienrichtungen zur Entspannung der
Situation beitragen.
Hinzuweisen ist darauf, daß der Bund im Jahr 1 996 trotz der schon im vergangenen Jahr wirk-
samen Sparmaßnahmen an die 900
Akademiker eingestellt hat.
ZU Frage 36:
Eine Sicherung der Bemessungsgrundlage aus einem vorangegangenen Leistungsbezug ist
vom Gesetzgeber nur dann vorgesehen zum Zeitpunkt des Eintritts der damaligen Ar-
beitslosigkeit Frauen das 45. Lebensjahr und Männer das 50. Lebensjahr vollendet haben.
In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Bestimmungen des Arbeitslosenversiche-
rungsgesetzes, wonach eine Beschäftigung nur dann zumutbar ist, wenn sie angemessen ent-
lohnt wird. Als angemessene Entlohnung ist nach geltender Judikatur das nach dem Kollek-
tivvertrag gebührenden Entgelt anzusehen. Im Falle einer Förderung durch das Arbeits-
marktservice ist das Dienstverhältnis ebenfalls mindestens kollektivvertraglich zu entlohnen.
Grundsätzlich ist zur betreffenden Fragestellung festzuhalten, daß es primäre Aufgabe der
Arbeitsmarktpolitik ist, Langzeitarbeitslose dauerhaft in den regulären Arbeitsmarkt zu inte-
grieren und somit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Erwerbsarbeit als hauptsäch-
liche Einkommensquelle fungieren kann. Die Erfolge von Programmen, die zur Bekämpfung
der Langzeitarbeitslosigkeit eingesetzt werden, wie zum Beispiel die Gemeinnützige Einglie-
derungsbeihilfe (vormals Aktion 8000), zeigen, daß dies in vielen Fällen auch gelingt.
Zu Frage 37:
Sollte mit Mindestlohn ein gesetzlicher Mindestlohn gemeint sein, so ist unter anderem auf
die negativen ausländischen Beispiele mit diesem Instrument hinzuweisen (siehe z.B. USA),
die durch die massiven Reallohnverluste bestehen.
Dem ist gegenüberzustellen, daß die realen Netto-Masseneinkommen in Österreich von 1983
bis 1993 im Jahresdurchschnitt um 2,7 Prozent und 1994 und 1995 um weitere 1,7 bzw. O,2
Prozent gestiegen sind.
Hinsichtlich der geäußerten Frage nach dem Brutto-Monatseinkommen wird auf den Bericht
über die soziale Lage 1 995 samt
Datenband hingewiesen.
Als Erfolg österreichischer Kollektivvertragspolitik ist jedenfalls die Verringerung der Zahl
der Beschäftigten mit einem Monatseinkommen von unter S 12.000 - auszuweisen (siehe So-
zialbericht 1995):
1989 1995 Differenz absolut in %
850.000 240.000 - 610.000 - 72
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Kollektivvertrag das adäquate Mittel ist, um
Löhne bzw. Gehälter festzusetzen. Dies entspricht auch dem Grundsatz der Kollektivver-
tragsautonomie. Die Bundesregierung wird jedenfalls nicht in die erfolgreiche, produktivi-
tätsorientierte Lohnpolitik der Kollektivvertragspartner durch gesetzliche Festlegung von
Mindestlöhnen eingreifen.
Für Bereiche, in denen es keine Kollektivverträge gibt, sieht das Arbeitsverfassungsgesetz
zwei Einrichtungen vor, die dazu dienen, den Kollektivvertrag zu ergänzen: Zum einen ist auf
die Satzungserklärung eines Kollektivvertrags hinzuweisen, wodurch einem Kollektivvertrag
über seinen eigentlichen Geltungsbereich hinaus normative Wirkung verliehen wird. Zum
anderen auf den Mindestlohntarif, der in Branchen, in denen es wegen des Fehlens einer kol-
lektivvertragsfähigen Körperschaft auf Arbeitgeberseite keine Kollektivverträge geben kann,
die Festsetzung von Mindestentgelten erlaubt. Zu betonen ist dabei auch, daß diese Instrumen-
te dazu dienen, das System des Kollektivvertrags abzusichern. Es ist daher Sache der kollek-
tivvertragsfähigen Körperschaften, vor allem der Arbeitnehmer, ein Verfahren zur Satzungs-
erklärung eines Kollektivvertrags oder zur Erlassung eines Mindestlohntarifs zu initiieren.
Zu Frage 38:
Das österreichische Steuersystem setzt sich aus einer Vielzahl verschiedener Abgaben zusam-
men, von denen einige progressiv wirken und andere keinen Progressionseffekt haben. Einen
besonderen Stellenwert nimmt dabei die mit einem progressiven Staffeltarif ausgestattete Ein-
kommensteuer ein.
Wesentlich für einen richtigen Progressionseffekt ist die Feststellung der zutreffenden Bemes-
sungsgrundlage. Es ist richtig, daß in der Vergangenheit die Bemessungsgrundlage vielfach
durch Gestaltungen und das Nutzen von
Schlupflöchern ausgehöhlt worden ist. Die Bundes-
regierung verfolgt bereits seit der ersten Etappe der Steuerreform im Jahr 1988 das Ziel, die
Bemessungsgrundlage möglichst zu verbreitern und dafür die Tarife nicht zu verändern. Maß-
nahmen in diese Richtung wurden auch im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes 1996 ge-
troffen. So wurden beispielsweise beschleunigte Abschreibungen bei Bauherrenmodellen ge-
strichen und neue Verlustausgleichsverbote geschaffen. Dieser Weg wird nach wie vor konse-
qent weiterverfolgt, was auch aus einer am 1O. Dezember 1996 vom Bundesministerium für
Finanzen erlassenen Verordnung ersichtlich ist, durch die in letzter Zeit aufgetretene Verlust-
beteiligungsmodelle, die auf einem Handel mit Wertpapieren und der Sofortabsetzung der An-
schaffungskosten dieser Papiere aufbauen, wirksam bekämpft werden.
In Hinblick auf die Umverteilungswirkungen durch das Sozialversicherungssystem ist fol-
gendes festzustellen: Die Aussagekraft der Studie zu diesem Bereich ist eingeschränkt, da die
Pensionsversicherung von dieser Analyse ausgenommen war. Richtig ist jedoch, daß die So-
zialversicherungsbeiträge wegen der Höchstbeitragsgrundlage und der Beitragsdisparitäten
(Arbeiter zahlen mehr Krankenversicherungsbeiträge als Angestellte) grundsätzlich regressiv
auf die Einkommensverteilung wirken. So bewegt sich die Sozialabgabenquote der unselb-
ständig Beschäftigten Haushalte zwischen 15,5 % im untersten und 11 % im obersten Dezil.
Es wäre aber ein Fehler, daraus zu schließen, daß das Sozialversicherungssystem insgesamt
regressiv ist, da man immer einen Zusammenhang zwischen Abgaben und Leistungen herstel-
len muß. Es ist schwierig, bei der Sozialversicherung auf ein durchgehend progressives Sy-
stem zu bauen, weil die Höchstbeitragsgrundlage eine wichtige Rolle für den Leistungsbe-
reich spielt. Die Alternative könnte nur eine Abkehr vom Versicherungsprinzip und eine Ein-
bindung in das Steuersystem sein.
Weiters ist darauf hinzuweisen, daß auch die Neuordnung der Pflegevorsorge als Beitrag zur
Armutsbekämpfung gewertet werden kann. Das Pflegegeld kommt vor allem den unteren
Einkommensgruppen zugute. Insbesondere ist festzuhalten:
. Beinahe 29 % der Pflegegeldbezieher erhielten eine Pension unter S 7.100,- brutto im Monat.
. Das Pflegegeld kommt zu 70 % Personen zugute, die weniger als S 1O.000.- brutto monatlich
Pension beziehen.
. Nicht einmal 1% der Pflegegeldbezieher erhielten Pensionen über der Höchstbeitragsgrund-
lage.
Im Bereich der Sozialversicherung bezogen Ende des Jahres 1994 über 57 % der Pflegegeld-
bezieher eine Pension unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz - dieser lag 1994 bei S 7.500,-.
Verbrauchsteuern hingegen ist ein progressiver Effekt an sich wesensfremd, da dabei eben am
Verbrauch angeknüpft wird. Es wäre beispielsweise undenkbar, die Mineralölsteuer ein-
kommensorientiert zu staffeln. Im Rahmen der Umsatzbesteuerung unterliegen die Grund-
bedürfnisse (Miete, Lebensmittel), die bei ärmeren Haushalten relativ stärker ins Gewicht
fallen, ohnehin dem ermächtigten Steuersatz, sodaß hier eine gewisse soziale Komponente
besteht.
Zu den fragen 39a bis c:
Eine Begünstigung der Finanzanlagen gegenüber Realkapital wäre nicht gerechtfertigt und ist
derzeit auch nicht gegeben. Es ist daher auch nicht notwendig, diesbezügliche steuerpolitische
Schritte zu setzen.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß der Steuerertrag aus der ange-
hobenen und mit Endbesteuerungswirkung ausgestatteten Kapitalertragsteuer ein Mehrfaches
des früheren Steueraufkommens aus Kapitalanlagen und erträgen ist.
Zu Frage 39d:
Es bestehen bereits nach der derzeitigen Rechtslage steuerliche Instrumente zur Lenkung in
Realinvestitionen (z.B. Investitionsfreibetrag, der im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes
sogar angehoben worden ist, Ausschluß der Übertragung stiller Reserven auf Finanzanlagen).
Eine gießkannenartige stärkere steuerliche Begünstigung für Realinvestitionen würde hinge-
gen wiederum zu einer Ungleichbehandlung
führen und ist daher nicht angezeigt.
Zu Frage 40:
Mit dem Themenkomplex "Erbschaftssteuer" wird sich die wieder reaktivierte Steuerreform-
kommission eingehend beschäftigen. Es wird um Verständnis ersucht, daß deren Ergebnissen
nicht vorgegriffn werden kann.