2070/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Bestrafung von Zeitungskolpor-

teuren wegen Verstoß gegen das Pornographiegesetz, gerichtet und folgende Fra-

gen gestellt:

"1. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 1995 und 1996 von der Staatsanwalt-

schaft ein Strafantrag gegen Kioskbesitzer, Zeitungskolporteure u.a. wegen

Vergehens nach § 1 Abs 1 lit c Pornographiegesetz gestellt?

2. Wie oft kam es zu Verurteilungen?

3. Welcher konkrete Tatbestand lag dem Strafverfahren 12 U 548/1995 zugrun-

de?

4. Teilen Sie die Auffassung, daß die heute von den Zeitungskolporteuren

und Kioskbesitzern angebotenen pornographischen Zeitschriften und Abbildun-

gen das Zusammenleben der Menschen nicht stört und für die normal empfin-

denden Durchschnittsmenschen nicht unerträglich ist?

5. Wenn ja, werden Sie dafür sorgen, daß die Gerichte entlastet und die Staats-

anwaltschaft aus diesen Gründen nicht gegen ausländische Zeitungskolpor-

teure strafrechtlich vorgeht?"

lch beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1 und 2:

Nach den aus Anlaß der Anfrage eingeholten Berichten der Staatsanwaltschaften

wurden in den Jahren 1995 und 1996 insgesamt drei solcher Strafan-

träge gegen Kioskbesitzer bzw. Kolporteure eingebracht. In allen Fällen wurden die

Angezeigten antragsgemäß verurteilt.

Zu3:

Im Strafverfahren 12 U 548/95 des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien wurde der

Zeitungskolporteur M.H. mit Strafverfügung vom 29.6.1995 rechtskräftig verurteilt,

am 11.1.1995 in Wien pornographische Zeitschriften, die Gewaltdarstellungen und

lesbische Szenen zeigten, in gewinnsüchtiger Absicht öffentlich zum Verkauf ausge-

stellt und dadurch das Vergehen nach § 1 Abs. 1 lit. c Pornographiegesetz began-

gen zu haben.

Zu 4:

ln der Einstellung der Gesellschaft zur Sexualität und ihrer medialen Darstellung ist

zweifellos ein Wandel dahingehend festzustellen, daß heute mit diesem Thema frei-

zügiger umgegangen wird als zur Zeit der Entstehung des Pornographiegesetzes.

Dementsprechend hat sich auch die Bedeutung des für das Pornographiegesetz

zentralen Begriffs der "Unzüchtigkeit" gewandelt - also (nach der Rechtsprechung)

dessen, was für den normal empfindenden, sozial integrierten Durchschnittsmen-

schen unerträglich ist.

Die Rechtsprechung hat sich in diesem Zusammenhang wiederholt um eine lebens-

nahe und zeitgemäße Auslegung dieses unbestimmten Begriffs bemüht. Der

Rechtsfortbildung durch die Judikatur sind aber Grenzen gesetzt, deren Verände-

rung dem Gesetzgeber vorbehalten ist. In diesem Zusammenhang erinnere ich an

den vom Bundesministerium für Justiz ausgearbeiteten Entwurf für ein neues Porno-

graphiegesetz aus dem Jahr 1994, der in der Folge aber auf politischer Ebene nicht

weiterverfolgt wurde.

Das Tatbestandselement der Unzüchtigkeit wird nach der derzeitigen Rechtspre-

chung von der sogenannten "harten" Pornographie erfüllt, worunter die Darstellung

sexueller Gewalttätigkeiten und von Unzuchtsakten mit Unmündigen oder Tieren

verstanden wird (absolute Unzüchtigkeit). Für sonstige pornographische Darstellun-

gen folgert die Judikatur aus den Schutzzwecken des Gesetzes, daß Unzüchtigkeit

nicht gegeben ist, wenn die Erregung öffentlichen Ärgernisses und die Gefährdung

Jugendlicher ausgeschlossen ist (relative Unzüchtigkeit).

Über die Zuordnung von pornographischen Darstellungen zur "harten', Pornographie

bzw. über deren Bewertung als "unzüchtig" mag es unterschiedliche Ansichten ge-

ben, doch kann nicht generell davon ausgegangen werden, daß es grundsätzlich

keine (von Zeitungskolporteuren und Kioskbesitzern angebotenen) pornographi-

schen Zeitschriften und Abbildungen mehr gäbe, die das Zusammenleben der Men-

schen stören und für einen normal empfindenden Durchschnittsmenschen unerträg-

lich sind. Vielmehr muß bei jeder Entscheidung im Einzelfall nach wie vor auf den

konkreten Inhalt und unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes auch auf das

äußere Erscheinungsbild von pornographischen Zeitschriften und deren Prä-

sentation in der Öffentlichkeit abgestellt werden.

Zu 5:

Die Staatsanwaltschaften werden ihre Entscheidungen über allfällige Strafverfol-

gungsmaßnahmen weiterhin auf der Grundlage der bestehenden Gesetze und unter

Bedachtnahme auf die herrschende Judikatur treffen. Dabei gehe ich davon aus,

daß insbesondere der Entfall der besonderen Strafbestimmung des § 220 StGB im

Bereich der Homosexualität zu einer diesbezüglichen "Relativierung" in der Ausle-

gung des Tatbestandselements der Unzüchtigkeit führen wird. Eine solche Entwick-

lung der Rechtsprechung, die sich in den letzten Jahren zum Teil bereits abgezeich-

net hat, stünde auch im Einklang mit den internationalen Entwicklungen.

Im übrigen möchte ich den aus der Formulierung der Frage allenfalls ableitbaren

Vorwurf zurückweisen, die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden unterscheide

nach der Staatsangehörigkeit des Beschuldigten.