3388/AB XX.GP

 

Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie bei-

geschlossene - schriftliche Anfrage der Abgeordneten Wenitsch und

Kollegen vom 10.12.1997, Nr. 3400/J, betreffend Kooperation mit dem

Wawilow-Institut, beehre ich mich folgendes mitzuteilen:

Bevor ich auf die Beantwortung der Fragen eingehe, darf ich

feststellen:

Die Sammlungen des N.I. Vavilov All-Russian Institute of Plant In-

dustry (VIR) in St.Petersburg enthalten etwa 350.000 Genbankmuster

und sind damit eine der größten Sammlungen der Welt. Die EU verwal-

tet ca. 900.000 Muster, weltweit werden ca. 4,8 Mill. Genbankmuster

in etwa 1.220 Genbanken und botanischen Gärten aufbewahrt. Von

Experten wird die Lage des VIR als sehr kritisch eingestuft, da die

erforderlichen Arbeiten nicht durchgeführt werden können. Internen

Informationen zufolge ist das Reproduktionprogramm zusammenge-

brochen. Die im VIR aufbewahrten Muster sind wegen des Mangels an

finanziellen Ressourcen unzureichend dokumentiert und somit, aus-

genommen bei Sonder— und Hilfsprojekten, nur schwer zugänglich. In-

ternationale Tauschlisten enthalten nur eine geringe Anzahl von

Mustern.

Rußland ist, wie die USA oder Österreich Mitglied der zwischen-

staatlichen Commission on Genetic Resources. Der Zugriff auf Gen—

banken und der Austausch von pflanzengenetischen Ressourcen beruht

auf dem multilateralen System des Global Plan of Action der FAO.

Danach hat jeder Austausch von pflanzengenetischem Material unter

Respektierung der Souveränitätsrechte eines jeden Staates zu er-

folgen.

Dieses multilaterale System sieht für jeden an dem System teilneh-

menden Staat prinzipiell den freien Zugriff auf genetische Res-

sourcen und relevante Informationen vor. Gebühren sind nur für

allfällige Manipulation zu entrichten. Dieses multilaterale Aus-

tauschsystem sieht aber auch ein Benefit Sharing, d. h. gerechte

Gewinnverteilung aus der Anwendung der genetischen Ressourcen vor.

Österreich bekennt sich, wie die übrigen Eu-Mitgliedstaaten und die

meisten der 156 in der Commission on Genetic Resources vertretenen

Staaten zu diesem multilateralen Austauschsystem, und erteilt dem

von einigen wenigen Staaten wie den USA betriebenen bilateralen

Austauschbestrebungen eine klare Absage.

Richtigzustellen ist, daß die Russische Föderation den Aufbau eines

nationalen Sortenschutzsystems anstrebt und den Beitritt zum

Internationalen Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV)

vorbereitet. Es geht dabei jedoch nicht um Patentierung von Pflan-

zen, sondern um den Sortenschutz.

Grundvoraussetzung für jede Anwendung von genetischem Material ist

seine genaue Beschreibung und Evaluierung. Die im VIR vorhandene

Sammlung ist jedoch infolge der dort dürftigen finanziellen Aus-

stattung nur unzureichend dokumentiert und somit von der Pflanzen-

züchtung nicht bedarfsgerecht einsetzbar.

Es ist richtig, daß gentechnische Manipulationen (Veränderungen)

die genetische Variabilität erhöhen und so neue Sektionsmöglich-

keiten eröffnen. Falsch ist, daß der Zugriff auf eine Genbank von

vornherein die in Österreich auftretenden Probleme mit Pflanzen-

krankheiten sowie Kürbisvirosen, Scharka oder Kastanienminiermotte

löst. Alte, atavistische Sorten aus anderen Ländern, Primitivsorten

und wilde Ausgangsvarianten von Kulturpflanzen können nur durch

entsprechende Züchtungsverfahren verwertet werden. Eine direkte

Ausbringung solchen Materials ist nicht zielführend.

So sehr an sich eine Unterstützung des VIR zu begrüßen wäre, muß

auf den Umstand hingewiesen werden, daß ein Nutzen für die öster-

reichische Pflanzenzüchtung erst nach langwierigen Evaluierungs-

programmen zu erzielen wäre. Solche Projekte würden die Leistungs-

fähigkeit der österreichischen Pflanzenzüchtung bei weitem über-

steigen und müßten daher aus anderen Quellen finanziert werden.

Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen im einzelnen:

Zu Frage 1:

Es bestehen lediglich lose wissenschaftliche Kontakte seitens des

Bundesamtes und Forschungszentrums für Landwirtschaft (BFL), Wien,

und des Bundesamtes für Agrarbiologie (BAB), Linz, mit dem VIR,

insbesondere im Rahmen des internationalen Netzwerkes von Genbanken

und des IPGRI (Intern. Plant Genetic Resources Institute) in Rom.

Im Rahmen einer Arbeitsgruppe für Futterpflanzen bestehen Kontakte

zur Bundesanstalt für alpenländische Landwirtschaft (BAL). Der

wissenschaftliche Kontakt beschränkt sich auf den Bezug einzelner

Saatgutmuster und auf den Schriftenaustausch.

Seitens des VIR gab es in der Vergangenheit Anfragen betreffend

intensiver Zusammenarbeit, wobei allen voran wissenschaftliches

Personal des VIR um Aufenthalte in Österreich bemüht war. Diese

Kontakte kamen nicht zustande, da keine der angesprochenen Öffent-

lichen und privaten Institutionen Budgetmittel für einen solchen

Austausch besitzt. Darüber hinaus fehlten diesen Anfragen klare

Programmvorstellungen.

Öffentliche oder private Entwicklungs- oder Hilfsprojekte für das

VIR wurden bisher seitens Österreichs nicht eingeleitet.

Zu Frage 2:

Materialaustausch ist über das internationale Netzwerk von

Genbanken jederzeit und ohne spezielle Abkommen möglich. Etwaige

Anforderungen an Mustern werden zumeist über die bundesdeutsche

Genbank in Gatersleben abgewickelt.

Ein beschränkter Austausch mit dem VIR findet aber bei Ölfrüchten

und Getreide statt (Bezug von Mustern von Weizen vom BFL an das VIR

und von Crambre, Leindotter, Saflor und Rizinus vom VIR an das

BFL).

Zu Frage 3:

Mangels von Österreich finanzierten Kooperationsprojekten finden

Nachbauversuche nur in sehr eingeschränktem Ausmaß statt, da das

vom VIR erhältliche Material nicht direkt verwertbar ist.

Nachbauversuche erfolgen derzeit nur bei Varietäten von Crambe,

Leindotter, Saflor und Rizinus. Kreuzungsversuche mit zwei Weizen-

sorten aus der Sammlung des VIR durch die Fa. Saatbau Linz mit 2

Weizensorten erzielten nicht die gewünschten Ergebnisse.

Zu Frage 4:

Eine Intensivierung der Zusammenarbeit wird trotz der schwierigen

technischen und finanziellen Situation des VIR begrüßt, jedoch ist

eine etwaige Kooperation an das Vorhandensein finanzieller Mittel

gebunden. Diese stehen den betroffenen öffentlichen und privaten

Institutionen nicht im ausreichenden Maß zur Verfügung.

In der Zusammenarbeit mit dem VIR konnten neben den finanziellen

auch sprachliche und organisatorische Barrieren festgestellt wer-

den. Das ist auch der Grund, warum die Genbank Gatersleben als di-

rekter Partner bevorzugt wird.

Zu Frage 5:

Zur Nutzung von Ausgangsmaterial ist die exakte Beschreibung und

Evaluierung notwendig, die in den meisten Fällen im VIR nicht ge-

schehen ist. Auch wenn der Zugang zu Material aus dem VIR gegeben

ist, fehlen Hinweise auf die Eigenschaften des Materials im erfor-

derlichen Ausmaß, sodaß eine gezielte Beschaffung krankheitsresi-

stenter Sorten nicht möglich ist.

Umfangreiche Einkreuzungsversuche müßten außerdem seitens der

Pflanzenzüchter vorgenommen werden, um die praktische Relevanz, so

zur Beseitigung neuer Krankheitssymptome bei Nutzpflanzen, fest-

zustellen. Die österreichische Pflanzenzüchtung ist privat und in

ihrer Züchtungsstrategie unabhängig. Die Pflanzenzüchter greifen in

der Regel zuerst auf firmeninterne Genbanken zurück. Wenn sie Ma-

terial benötigen, können solche Anforderungen, wie bisher, über ei-

ne der österreichischen Genbanken erfolgen, wo entsprechende

Kataloge des ECP/GR (European cooperative Programm on Plant Genetic

Resources) und der wichtigsten Genbanken aufliegen.

Zu Frage 6:

Österreich unterstützt wie die meisten anderen Mitgliedstaaten der

EU die Bemühungen um ein multilaterales Austauschsystem von pflan-

zengenetischen Ressourcen, während die USA nur an einem bilateralen

Austausch interessiert ist.

Wie bereits ausgeführt, kann wertvolles Material nur als Gegenlei-

stung oder Nebenwirkung von technischen Hilfsprogrammen und Koope-

rationsprojekten identifiziert und beschafft werden.

Zu Frage 7:

Nach dem Saatgutgesetz 1937, dem Pflanzenzuchtgesetz 1948 und nach

dem mit 01.07.1997 in Kraft getretenen Saatgutgesetz 1997, EGBl. I

Nr. 72/1997, wurden in den Jahren 1993 bis 1997 bei landwirtschaft-

lichen Arten 2.275 Züchtungen (818 bei Getreide, 544 bei Mais, 6

bei Sorghum, 14 bei Hanf, 74 bei Kartoffeln, 289 bei Ölfrüchten,

151 bei Eiweißfrüchten, 227 bei Futterpflanzen und 152 bei Zucker-

und Futterrüben) zur Sortenzulassung eingereicht. Davon wurden

jedoch nur 423 Sorten zugelassen und somit im Zuchtbuch bzw. im

Sortenverzeichnis registriert. In diesem Zeitraum wurden bei Gemüse

64 Züchtungen zur Sortenzulassung beantragt, wobei 56 Sorten hievon

zugelassen und registriert wurden. Die zur Sortenzulassung einge-

reichten Neuzüchtungen stammen fast ausschließlich aus heimischen

Saatgut- und Pflanzenzuchtfirmen.

Das Zuchtbuch und das Sortenverzeichnis wurde bis 1997 jährlich in

der Wiener Zeitung veröffentlicht, die Sortenliste nach dem SaatG

1997 wird im Sorten— und Saatgutblatt veröffentlicht und ist beim

BFL und BAB für jedermann einsehbar.

Die Patentierung von Pflanzensorten ist gemäß § 2 Z 3 Patentgesetz

1970 idgF. nicht zulässig. Wohl können aber für neue Pflanzensorten

bestimmter Arten Schutzrechte nach dem Sortenschutzgesetz, BGBl.

Nr. 108/1993, vergeben werden. Zwischen 1993 und 1997 wurden zur

Erteilung des Sortenschutzes 122 neue Sorten angemeldet, davon 63

bei Getreide, 18 bei Kartoffeln, 11 bei Öl-, Eiweiß- und Futter-

pflanzen, 17 bei Gemüse sowie Sorten von Mais, Hirse, Mohn, Öl-

kürbis und Wurzelzichore. Nach der EU-Verordnung Nr. 2100/1994

wurden für 13 österreichische Sorten ein EU-weit geltender Sorten-

schutz erteilt.