5956/AB XX.GP
Die Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde haben am 10.
Mai 1999 unter der Nummer 6217/J eine dringliche parlamentarische Anfrage
betreffend „den Tod des Flüchtlings Marcus Omofuma“ an mich gerichtet.
Die Fragen 1 bis 5, 7, 13 bis 49 habe ich bereits am 10.05.1999 in der 168.
Sitzung des Nationalrates beantwortet. In dieser Sitzung habe ich die
schriftliche Beantwortung der Fragen 6 und 8 bis 12 zugesichert.
Diese Fragen beantworte ich folgendermaßen:
Zu Frage 6:
Insgesamt sind mir bisher acht vergleichbare Fälle bekannt geworden, wobei
ich davon ausgehe, dass unter vergleichbare solche Fälle gemeint sind, in
denen eine Verklebung des Mundes stattgefunden hat.
Der Fall aus dem Jahre 1993 war bereits Gegenstand der parlamentarischen
Anfrage Nr.4861 /J und ich darf diesbezüglich auf die damalige
Anfragebeantwortung verweisen.
Die übrigen Sachverhalte stellen sich wie folgt dar:
*) Teile der Anfrage 6217/J wurden bereits in der 168. Sitzung des Nationalrates
vom 10. Mai 1999
gemäß § 91 Abs. 4 GOG mündlich beantwortet.
14. Juli 1998 P.A., alias A.K., alias F. - idF P.A. (ghanesischer Stbg.):
P.A. sollte aufgrund eines Abschiebeauftrages der BH Grieskirchen durch
Beamte der Sondereinsatzgruppe des LGK Oberösterreich am 14.06.1998
nach Ghana abgeschoben werden. Bereits im Wachlokal des PGH - Steyr
widersetzte er sich mit Tritten und Schlägen dem Versuch der Beamten, ihm
eine Handfessel am Rücken anzulegen. Erst mit Unterstützung anderer
Beamter konnte er geschlossen werden.
P.A. wurde von zwei Beamten des SEG/Oberösterreich nach Wien Schwechat
gebracht.
Da P.A. ständig und laut schrie und mit den Beinen um sich trat, wurden die
Passagiere im Flugzeug auf dieses Verhalten aufmerksam. Um die Störung im
Flugzeug möglichst gering zu halten, wurde der Mund des P.A. mittels
Leukoplastes verklebt.
Kurz darauf konnte er sich das Leukoplast vom Mund reißen. Anschließend
beruhigte er sich für kurze Zeit. Plötzlich, völlig unerwartet, wandte er sich
gegen einen der beiden Beamten und biss ihn in den rechten Unterarm,
wodurch dieser eine schmerzhafte, blutende Wunde erlitt.
19. Juli 1996 U. (nigerianischer Sta.):
Am 19.07.1996 war die Überstellung des Schubhäftlings U. vom PGH Graz
zwecks Abschiebung vorgesehen. U. kam der Aufforderung, die Zelle zu
verlassen, nicht nach. U. trat mit seinen Beinen gegen einen Beamten und
schlug um sich. U. wurden Hand - und Fußfesseln angelegt und zum Fahrzeug
getragen. Dort versuchte er permanent die Beamten zu beißen. Mit
psychologischem Einfühlungsvermögen wurde auf U. eingeredet. Er war jedoch
derart erregt, dass ein Gespräch mit ihm nicht geführt werden konnte.
Aufgrund der fehlenden Kooperationsbereitschaft und der immanenten Gefahr
gebissen zu werden, wurde ihm unter größtmöglicher Schonung der Person ein
Klebeband auf den Mund geklebt. Das Klebeband wurde so angebracht, dass
ein Atmen durch die Nase einwandfrei gewährleistet war. Unmittelbar vor der
Stadtgrenze Wiens wurde U. das Klebeband vom Mund genommen.
Eine Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden. Weil U. laut schluchzte
und weinte untersagte der zuständige Stationsleiter der Fluglinie eine
Mitbeförderung, da er dieses Verhalten von U. den anderen Passagieren nicht
zumuten wollte.
Das ist jener Fall, in dem der UVS/Steiermark das Zukleben des Mundes für
unzulässig erachtet hat.
24. April 1999 Abschiebung des E. (nigerianischer Stbg):
E. wurde am 24.4.1999 abgeschoben. Bereits im PGH - Ost der BPD Wien sagte
er, er werde auf keinen Fall freiwillig in seine Heimat zurückkehren. Im
Zellenbereich leistete er Widerstand, sodass ihm im PGH eine Handfessel
angelegt werden musste. Es bestand Gefahr, er werde die begleitenden
Beamten oder sich selbst gefährden. Die Beamten versuchten psychologisch
auf ihn einzuwirken; dies war jedoch vergeblich.
Am Flughafen versuchte E. einen der Beamten in den Finger zu beißen,
weshalb ihm kurzfristig der Mund mit Hansaplast verklebt wurde. Er musste
in das Flugzeug getragen werden. Kurz nach dem Start stellte der
Schubhäftling sein aggressives Verhalten ein; es wurde ihm unverzüglich die
Handfessel abgenommen und das Hansaplast vom Mund entfernt.
21. April 1998, A.H.M. (Sudanesischer Stbg.):
A. H. M. kündigte bereits bei seiner Abholung aus dem PGH der BPD Wien an,
sich seiner Abschiebung zu widersetzen, da er nicht freiwillig in seine Heimat
zurückkehren werde. Die Beamten wirkten beruhigend auf ihn ein; er konnte
ohne Probleme zum Flughafen gebracht werden. Bei der Verbringung in das
Flugzeug schlug der Schubhäftling heftig um sich und begann zu schreien. Zur
Hintanhaltung der Gefährdung von Personen und Beschädigung von Sachen
wurde dem A.H.M. eine Handfessel am Rücken angelegt. Der Schubhäftling
wurde laut schreiend in das Flugzeug gebracht. Als er bemerkte, dass sein
Schreien nicht zum Erfolg führte, versuchte er die Beamten zu beißen.
Daraufhin wurde dem Schubhäftling der Mund mit einem Pflaster verklebt.
Nach dem Start gab A.H.M. zu verstehen, dass er keinen weiteren Widerstand
mehr leisten werde, woraufhin ihm das Pflaster sofort abgenommen wurde. Der
Kapitän ließ den Beamten durch die Besatzung mitteilen, dass die Handfessel
während des Fluges nicht entfernt werden dürfe. Die Handfessel wurde in
Kairo abgenommen; der Weiterflug in den Sudan verlief problemlos und ohne
Fesselung.
26. März 1995 A. K. K. (ghanesischer Stbg.):
Am 26.03.1995 wurde A.K.K. zwecks Abschiebung nach Ghana vom PGH der
BPD Wien zum Flughafen Schwechat gebracht. Der Flug verlief ohne Vorfälle.
Bei der Zwischenlandung am Flughafen Rom, im Transitraum des Flughafens,
weigerte sich A.K.K. in das Anschlussflugzeug einzusteigen. Mit Unterstützung
italienischer Beamter wurde versucht, A.K.K. in das Flugzeug zu verbringen.
Dabei versetzte A.K.K. beiden Beamten einen Stoß, entriss sich dem
Festhaltegriff und flüchtete quer über das Rollfeld. Unmittelbar darauf konnte
A.K.K. von den Beamten eingeholt und am Körper erfasst werden. Im Zuge
dessen fiel A.K.K. mit der Brust und seinem Gesicht auf den Boden des
Rollfeldes. Ein italienischer Polizist fixierte A. K. K. mittels eines Festhaltegriffes
und legte ihm die Handfessel mit den Händen am Rücken an. A.K.K. versuchte
die Beamten zu beißen und dadurch zu
verletzen. Um eine weitere Gefährdung
zu vermeiden, wurde ihm ein mitgeführtes Hansaplast auf den Mund geklebt.
Dabei wurde Bedacht genommen, dass ein Atmen durch die Nase weiter
möglich war. Gemeinsam mit den anwesenden italienischen Polizisten wurde
A.K.K. in die Maschine getragen. Die im Flugzeug befindlichen afrikanischen
Fluggäste beschwerten sich lautstark über das polizeiliche Vorgehen. Sie
bedrohten die Beamten. Diese mussten das Flugzeug mit A.K.K. aufgrund der
für sie bedrohlichen Situation verlassen. Unmittelbar nach Verlassen des
Flugzeuges wurde das am Mund befindliche Pflaster entfernt. In einem
unversperrten Arrestraum des Flughafengebäudes wurde A.K.K. die Handfessel
wieder abgenommen. Am 27.03.1995 erfolgte der Rückflug nach Österreich,
welcher ohne Vorfälle verlief. A.K.K. wurde wiederum in das PGH - Wien
verbracht.
20. Juli 1996 I.A.M. (nigerianischer Stbg.):
Am 20.07.1996 erfolgte eine versuchte Abschiebung des I.A.M. nach Lagos. Im
Flugzeug begann I.A.M. mit den Füßen gegen die Rückenlehne der Vordersitze
zu treten, sodass die Beamten gezwungen waren, seine Beine festzuhalten und
ihn wieder in den Sitz zu drücken. I.A.M. begann um sich zu beißen, sodass
versucht wurde, dies durch Aufkleben eines Leukoplastes auf den Mund zu
unterbinden.
Der Abschiebevorgang musste abgebrochen werden, da sich der Kapitän
weigerte I.A.M. mitzunehmen.
10. September 1997, O. B. (nigerianischer Stbg.):
O. versuchte sich während der Fahrt zum Flughafen Wien Schwechat mit dem
Sicherheitsgurt zu strangulieren. Weiters verhielt er sich aggressiv und schrie
laut. Beim "Check - in“ warf sich O. zu Boden und weigerte sich, mit den
Beamten mitzukommen. Daraufhin wurde O. mit einem Arrestantenwagen zum
Flugzeug transportiert. Bereits während des Transportes versuchte er sich mit
Körperkraft zu befreien und schrie lautstark. Im Flugzeug wurde versucht, O.
den Mund mittels Klebebandes zu verkleben, was jedoch wenig Wirkung zeigte.
Der Kapitän lehnte den Transport des tobenden O. ab. Er wurde um 12.02 Uhr
freigelassen, da die Abschiebung nicht vollzogen werden konnte.
Die Beantwortung der weiteren Frage, wer diese Berichte verfasst habe und
wem die Berichte vorgelegt worden seien, verwehrt mir die mir gem. Art. 20
Abs. 3 B - VG 1920 i.d.F. 1929 auferlegte Verschwiegenheitspflicht im Hinblick
auf das schützenswerte Interesse aller Betroffenen.
Aus diesem Grund habe ich auch die mir vorliegenden Berichte anonymisiert
zusammengefasst.
Aus den mir vorliegenden Berichten geht jedoch hervor, dass die jeweiligen
Protokolle den zuständigen Behörden
übermittelt worden sind.
Zu Frage 8:
Seit 1997 erfolgten sieben Anzeigen von Organen der Fremdenpolizei wegen
Widerstandes gegen die Staatsgewalt im Zuge von Abschiebungen. Es betrifft
dies sechs Fälle, da von einer Amtshandlung zwei Fremde betroffen waren.
Zu Frage 9:
In den Jahren 1990 bis 1997 wurden zwölf Anzeigen wegen Widerstandes
gegen die Staatsgewalt im Zuge von Abschiebungen erstattet. Es betrifft dies
neun Fälle, da von einer Amtshandlung drei Fremde betroffen waren.
Zu Frage 10:
Nachstehend gebe ich die Geschäftszahlen der Protokolle und die Beschreibung
der Ruhigstellungen der in den Fragen 8 und 9 angeführten Amtshandlungen
bekannt:
Der Schubhäftling, nig. Stbg., protestierte am Flughafen gegen seine
bevorstehende Abschiebung. Er setzte vorerst passiven Widerstand. Im
Kraftfahrzeug wickelte er sich den Sicherheitsgurt mehrmals um den
Unterarm und umklammerte ihn mit den Fingern. Gleichzeitig begann er laut
in englischer Sprache zu schreien. Aufgrund seiner Unwilligkeit verblieb er
vorerst im Kraftfahrzeug. Als die Beamten versuchten, ihn aus dem Fahrzeug
zu bringen, stieß er ständig mit dem Kopf gegen die Fensterscheibe und
brüllte.
Die Beamten versuchten O. die Hände am Rücken zu fesseln. Dagegen wehrte
er sich auf das Heftigste, indem er seine rechte Hand, auf der sich die
Handfessel befand, zwischen seine Füße steckte. Nur durch die Anwendung
von Körperkraft konnte ihm die Handfessel angelegt werden.
Die Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden, da der Flugkapitän die
Mitnahme von O. verweigerte.
M. M., zair. Stbg., wurde von drei Beamten mit einer Handfessel am
Transportweg geschlossen und zum Flugzeug gebracht. Die Handfessel wurde
angelegt, da sich der Genannte am 17.6.1992 eine Selbstverletzung zugefügt
hatte, um die Abschiebung zu verhindern.
Beim Betreten des Flugzeuges wurde ihm die Handfessel abgenommen. M. riss
sich los und versuchte davonzulaufen. Nachdem er eingeholt werden konnte,
fügte er sich mit seiner
Gürtelschnalle mehrere Stichwunden zu. Um ihn vor
weiteren Selbstverletzungen zu schützen, musste ihm unter Anwendung von
Zwangsgewalt die Handfessel wieder angelegt werden.
Die Abschiebung konnte nicht vollzogen werden.
O. T., nig. Stbg., versuchte seine Abschiebung durch sein Entkleiden vorerst zu
verhindern. Der die Abschiebung durchführende Beamte versuchte ihn zu
beruhigen. Anschließend sprang O.T. aus dem Fahrzeug und wollte flüchten.
Die Beamten versuchten ihn zu beruhigen; dies gelang jedoch nicht, da O.T.
mit den Händen wild um sich schlug.
Die Abschiebung konnte nicht vollzogen werden.
A. G. M., ägypt. Stbg., widersetzte sich seiner Abschiebung mit Gewalt, indem
er die Beamten tätlich angriff und einem Beamten ein Eck des Schneidezahnes
ausschlug. Der Flugkapitän verweigerte die Mitnahme. Es wurde Körperkraft
angewandt und A. die Handfessel angelegt.
Die Abschiebung konnte nicht vollzogen werden.
A. A., ägypt. Stbg. Da A. A. schon während des Transportes zum Flughafen
aggressives Verhalten an den Tag legte, wurden seine Hände am Rücken mit
der Handfessel geschlossen. Er konnte nur durch Anwendung von Körperkraft
in das Flugzeug gebracht werden. Beim Fixieren des Sicherheitsgurtes biss A.
einen Beamten in den rechten Oberarm. A. verbiss sich derartig heftig, dass
der Beamte sich nur durch mehrere Schläge gegen den Kopf A‘s. aus dem Biss
befreien konnte. A‘s. Beine wurden mit einem Tape Fixiert. Der das Geschehen
beobachtende Flugkapitän entschied eine Nichtmitnahme des A.A.
A. O. B., nig. Stbg., wurde mit dem Stkw bis zur Abstellposition des
Flugzeuges gebracht. Beim Verlassen des Arrestantenwagens ließ er sich
fallen und schrie „Kill me, kill me". Aufgrund dieses Verhaltens wurde der
Transport ohne Flugbegleiter durch den Stationsleiter untersagt. Die
Beamten verschafften A. wieder in den Arrestantenwagen. Dort schlug A.
mit Händen und Füßen um sich und rannte mit dem Kopf gegen die Wand
des Wagens. Als die Beamten A. beruhigen bzw. von einer Selbstverletzung
abhalten wollten, biss er einen der Beamten in den kleinen Finger. Der
andere Beamte schlug ihn daraufhin mit der rechten offenen Hand in die
linke Gesichtshälfte, sodass A. zu
beißen aufhörte.
E. O., nig. Stbg., randalierte am Flughafen, sodass die ihn begleitenden
Beamten über Funk um Hilfe ansuchten. Zwei Beamte der Einsatzgruppe der
BPD Schwechat begaben sich zu den Beamten. Als ein Beamter der
Einsatzgruppe E. bei der linken Schulter nahm und ihm sagte, er solle ihm
folgen, fing E. an zu toben und auf die Beamten einzuschlagen. In weiterer
Folge kamen E. und der Beamte zu Sturz. Auf dem Boden liegend, wehrte sich
E. mit Händen und Füßen gegen die Beamten. Nur unter Anwendung von
Körperkraft gelang es den Beamten, E. einigermaßen zu bändigen und ihm die
Handfessel anzulegen.
Die Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden.
K. O., K. Z. und D.H., alle türk. Stbg., weigerten sich, das Flugzeug zu
besteigen. Aus diesem Grund wurden sie wieder zum Büro der GREKO -
Schwechat zurückgebracht. Unmittelbar vor dem Büro ergriff K.Ö. die Krawatte
eines Beamten und riss ihn mit Hilfe der anderen beiden Schubhäftlinge zu
Boden. Dann schlugen sie auf den am Boden liegenden Beamten ein. Um einen
Waffengebrauch zu vermeiden, wurde der bedrängte Beamte von anderen
Beamten unter Anwendung von Körperkraft befreit. Die drei randalierenden
Schubhäftlinge wurden anschließend unter erheblichen Schwierigkeiten in das
Büro der GREKO verschafft. Sowohl ein Beamter als auch K.Ö. wurden im
Zuge des Handgemenges verletzt. Der Beamte wies oberflächliche
Hautabschürfungen auf, K.Ö. erlitt Nasenbluten. Die beiden anderen
Schubhäftlinge erlitten keine Verletzungen. Da bei den Schubhäftlingen eine
Selbst - und Fremdgefährdung nicht auszuschließen war, wurden ihre Hände
mit Handfesseln am Rücken geschlossen.
A. J., vermutl. liban. Stbg., versuchte am Flughafen Düsseldorf mit einem
polnischen Pass nach Deutschland einzureisen. Dies wurde von den dortigen
Beamten verhindert. Es wurde versucht, ihn und seine Familie nach
Damaskus mit Zwischenstop in Wien zurückzubringen. Kurz vor der
,,Boardingtime" in Wien Schwechat weigerte sich A. in das Flugzeug zu steigen.
Mehrere Beamte der GREKO forderten A. höflich auf mitzukommen, um ihn
und seine Familie mit einem Dienstkfz. zur Maschine zu bringen. Er tat
lautstark kund, dass er auf keinen Fall fliegen werde. Plötzlich ging er mit einer
Schere auf die anwesenden Beamten los. Die Schere hatte er vermutlich in
seinen Kleidern versteckt. Er versuchte auf die Beamten einzustechen. Im
Laufe des Handgemenges wurde ein Beamter mit der Schere an der linken
Handinnenfläche verletzt. Unter Anwendung von Zwangsgewalt gelang es den
Beamten, A. die Schere zu entwinden. A. wurde die Handfessel angelegt. A. gab
über Dolmetsch an, dass er sich aber nicht die Beamten verletzen wollte.
Dadurch wollte er die Abschiebung verhindern.
K. M. W., afgh. Stbg., versuchte seine Abschiebung, während er über die
Außenstiege zur Flugzeugtür gebracht wurde, durch Schreien und um sich
Schlagen zu verhindern. Dabei wurde ein Beamter verletzt. Der Kapitän des
Kursfluges verlangte, dass dem Schubhäftling die Handfessel abgenommen
werde. Da sich K. nicht beruhigte, weigerte sich der Kapitän ihn zu befördern.
O. A., Stbg. von Zaire, versuchte seine Abschiebung dadurch zu verhindern,
indem er sich kurz vor dem Abflug an Bord des Flugzeuges entkleidete und zu
schreien begann. Die die Abschiebung durchführenden Beamten versuchten
ihn zu beruhigen. Da dies erfolglos war, versuchten die Beamten, ihm mit
Körperkraft die Handfessel anzulegen. Dabei wurden ein Beamter und eine
Flugbegleiterin, die sich in unmittelbarer Nähe des Tobenden befand, verletzt.
Vorfall vom 03.07.1997, GZ.: II - 906/97.
Der alb. Stbg., H., versuchte seine Abschiebung dadurch zu verhindern, dass
er, obgleich an beiden Händen vorne geschlossen, plötzlich ein Fixiermesser in
der Hand hatte und die offene Klinge gegen seinen Körper richtete. Er wolle
nicht nach Albanien zurück, sondern in Österreich bleiben. Die Beamten
konnten H. das Fixiermesser entwenden. Der weitere Verlauf der Abschiebung
blieb ohne Zwischenfälle.
Vorfall vom 10.09.1997, GZ.: II - 1199 97.
Diesen Vorfall habe ich in der Frage 6 (Fall 8) beantwortet. Es wurde versucht,
dem abzuschiebenden Fremden den Mund zu verkleben.
Vorfall vom 21.01.1998, GZ.: II - 75/98.
A. F., nig. Stbg., und I.T.‚ liber. Stbg., versuchten ihre Abschiebung zu
verhindern. Bei der Visitation durch einen Sicherheitsbeamten der Firma
„VIAS“ wurde bei A.F. ein ca. 7 cm langer Nagel im Sweater gefunden. Den
beiden Schubhäftlingen wurden von den Beamten aus Gründen der
Eigensicherung und Verhinderung der Selbstgefährdung die Handfesseln am
Rücken angelegt. Kurz vor dem Start versuchte I.T. trotz der Handfessel sich
die Hose herunter zu ziehen und auf seinen Sitzplatz zu urinieren. Daraufhin
wurde I.T. von zwei Beamten zur Toilette begleitet. A.F. wurde einstweilen von
dem dritten Beamten auf seinem Sitzplatz bewacht. I.T. zog sich auf der
Toilette die Hose hinunter und stieg gleichzeitig mit beiden Beinen durch die
am Rücken geschlossenen Arme. Unmittelbar darauf kam er auf einen der vor
dem WC anwesenden Beamten zu, drängte ihn zur Seite und begann lauthals
zu schreien. Der Beamte versuchte I.T. auf seinen Sitzplatz zu bringen. Dabei
wehrte sich I.T., sodass es zu einem heftige Handgemenge kam. Nur durch
einsatzbezogene Körperkraft konnte I. T. wieder unter Kontrolle gebracht
werden. Gleichzeitig begann auch A.F. lauthals zu schreien und wollte seinen
Sitzplatz verlassen. Bei diesem Versuch wurde
er jedoch von seinem Bewacher
zurückgedrängt; dabei trat A.F. mit voller Kraft und unkontrolliert mit seinen
Beinen gegen den Beamten. A.F. konnte nur durch Anwendung von
Körperkraft unter Kontrolle gebracht werden. Die Schubhäftlinge wurden
daraufhin vom Kapitän vom Flug ausgeschlossen, da der Großteil der anderen
Passagiere in Panik geriet und fluchtartig die Sitzplätze verließ.
S. W., chin. Stbg., wurden in der Abflughalle vor dem China Air Schalter seine
Ausreisepapiere ausgehändigt, da es sich um eine Ausreiseüberwachung
handelte. Nach erfolgter Übernahme der Dokumente zerriss S. sein Flugticket,
warf es zu Boden und ging auf den Beamten los. Dabei schlug er wild um sich
und schrie "jetzt bin ich frei!" Der Beamte und S. gingen infolge dieses
Angriffes zu Boden. Am Boden liegend versuchte S. den Beamten immer wieder
in die Hände zu beißen. Der Beamte wurde am Daumen der rechten Hand
verletzt. Mit Unterstützung herbeigeeilter Kräfte wurde S. mit den Händen am
Rücken geschlossen. Die Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden.
Zu Frage 11:
Am 03.05.1999 wurde von der Bundespolizeidirektion Wien eine
Sachverhaltsdarstellung unter dem Betreff „Abschiebeversuch mit Todesfolge“
an die Staatsanwaltschaft Wien weitergeleitet.
Die Sachverhaltsdarstellung lautet:
„Der nigerianische Staatsangehörige Hr. O., am 10.05.1973 geboren, reiste am
16. September 1998 in Österreich ein und stellte einen Antrag auf
Asylgewährung. Dieser Asylantrag wurde am 07. Dezember 1998 vom
Bundesasylamt Traiskirchen erstinstanzlich abgewiesen. Am 15. Dezember
1998 verfügte die zuständige Bezirkshauptmannschaft Baden die Ausweisung
gem. § 33 Abs. 1 FrG 1997 gegen Hrn. O. und ordnete gegen ihn die Schubhaft
an.
Am 09. Februar 1999 wurde Hr. O. aus Kapazitätsgründen vom
Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Schwechat in das
Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Wien überstellt.
Am 28. April 1999 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Baden, nachdem das
für die Abschiebung notwendige Heimreisezertifikat der nigerianischen
Botschaft eingelangt und das Asylverfahren auch in II. Instanz durch den
Unabhängigen Bundesasylsenat negativ beschieden worden war, die
Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, Hrn. O., welcher im
örtlichen Wirkungsbereich der Bundespolizeidirektion Wien angehalten wurde,
nach Nigeria am Luftweg abzuschieben. Da
erheblicher Widerstand zu
erwarten war, wurde seitens der Sicherheitsdirektion für das Bundesland
Niederösterreich beim Bundesministerium für Inneres, Abteilung III/16, um
Zustimmung zur Begleitung durch drei Kriminalbeamte angefragt. Mit Erlass
vom 26. April 1999, Zl. 881.287/2 - III/16/99, hat das Bundesministerium für
Inneres der Abschiebung und der Begleitung von Hrn. O. durch drei
Kriminalbeamte zugestimmt.
Beim Österreichischen Verkehrsbüro wurden am 28. April 1999 4 Flugtickets
für Hrn. O. und die drei Kriminalbeamten für einen Flug mit der BALKAN AIR
bestellt; der Flug sah eine Zwischenlandung in Sofia vor.
Durch das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten wurde der
Journaldienst des Bundesministeriums für Inneres am 02. Mai 1999 in
Kenntnis gesetzt, dass Hr. O. bei der Abschiebung verstorben ist. Die drei
Kriminalbeamten der Fremdenpolizei haben bezüglich der Abschiebung einen
Bericht gelegt, welcher in der Beilage angeschlossen ist. Laut diesem Bericht
kam es bereits vor dem Abflug zu erheblichen Widerstand des Hrn. O. Laut
Bericht mussten zwei Sicherheitswachebeamte und zwei Kriminalbeamte der
Grenzkontrollstelle Schwechat den drei Kriminalbeamten helfen, den
Widerstand zu überwinden. Bei den unterstützenden Beamten der
Bundespolizeidirektion Schwechat handelte es sich um Hrn. G. und Hrn. D.
Die Namen der anderen beiden Beamten der Grenzkontrolle Schwechat sind
ha. derzeit nicht bekannt.
Weitere Zeugen der Abschiebung wären insbesondere die Crew des Flugzeuges,
mit dem die Abschiebung durchgeführt wurde. Die Namen dieser Personen der
BALKAN AIR sind ha. ebenfalls nicht bekannt.
Laut ha. Information wurden den drei Kriminalbeamten die Reisepässe
abgenommen und werden sie voraussichtlich heute von der Staatsanwaltschaft
in Sofia zu der durchgeführten Abschiebung mit Todesfolge einvernommen
werden.
Laut Mitteilung des Österreichischen Botschafters in Sofia, Hr. Dr. P., wird
heute eine gerichtliche Obduktion der Leiche durchgeführt.
Diese Sachverhaltsmitteilung wurde zur Kenntnisnahme, strafrechtlichen
Beurteilung und allfällige weitere Auftragserteilung der Staatsanwaltschaft
Wien vorgelegt.
Zu Frage 12:
Die Disziplinaranzeige lautet:
„Am 02.05.1999, gegen 01.55 Uhr, wurde die Bundespolizeidirektion Wien aus
Sofia/Bulgarien fernmündlich verständigt, dass der 26jährige Schubhäftling
O. während der Abschiebung verstorben ist (siehe Aktenvermerk v. 02.05.1999
- Beilage 1). In einem folgenden schriftlichen
Bericht (Beilage 2) der
Kriminalbeamten B., R. und K., welcher als Fax via Österreichische Botschaft
in Sofia beim Journaldienst der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit
eingelangt war, ist zu entnehmen, dass die genannten Kriminalbeamten des
Fremdenpolizeilichen Büros beauftragt waren, am 01.05.1999 den
Schubhäftling O. via Sofia in sein Heimatland Nigeria abzuschieben. Der
Abschiebung war ein Asylverfahren vorangegangen, welches vom
Bundesasylamt für O. in II. Instanz negativ beschieden wurde.
Die Beamten wussten, dass es sich bei dem Begleitauftrag um eine so
genannte "Problemabschiebung“ handelt, weil wegen des zu erwartenden
Widerstandes das Bundesministerium für Inneres für die Durchführung der
Abschiebung eine Anzahl von drei Kriminalbeamten angeordnet hat. Bereits bei
der Abholung vom Polizeigefangenenhaus erklärte O., dass er nicht freiwillig
nach Lagos zurückkehren werde. Daraufhin wurden ihm vorerst die Hände vor
dem Körper gefesselt und mittels Dienstfahrzeuges zum Flughafen Schwechat
verschafft. Dabei verhielt sich O. ruhig. Erst als das Dienstfahrzeug am
Flughafengelände auf der Fahrt zum Abstellplatz des Flugzeuges aus
administrativen Gründen beim Gate der Balkan - Air anhalten musste, wurde O.
renitent und versuchte zu flüchten. O., der laut schreiend wild um sich trat
und sein gewalttätiges Verhalten nicht einstellte, musste schließlich von den
Beamten an den Beinen gefesselt werden. Aus Schutz vor Bissverletzungen
wurde dem Tobenden schließlich ein Leukoplastverband über den Mund
geklebt. Anschließend wurde er mittels Dienstfahrzeuges, in Begleitung eines
SW - Funkwagens der Flughafeneinsatzstelle, zur Maschine der Balkan - Air
gebracht und von den Beamten in das Flugzeuginnere getragen.
Da O. auch während des Fluges sein renitentes Verhalten nicht einstellte,
wurde er von den begleitenden Beamten mittels Klebeband am Sitz fixiert.
Nach der Landung in Sofia wurden die Fesseln und Klebebänder gelöst. Dabei
wurde festgestellt, dass O. in sich zusammengesunken war. Einer der Beamten
konnte noch den Puls fühlen, doch stellte ein herbeigerufener Arzt fest, dass O.
verstorben war. Ein eindeutiges Ergebnis über die Todesursache liegt derzeit
noch nicht vor, doch dürfte der Tod durch Ersticken eingetreten sein.
Die Kriminalbeamten B., R. und K. durften auf Anordnung der
Staatsanwaltschaft Sofia vorerst nicht verlassen und trafen schließlich nach
mehreren Einvernahmen durch die bulgarischen Behörden am 05.05.1999
wieder in Wien ein. Unmittelbar nach ihrer Ankunft wurden die Beamten, die
O. durch seine gewalttätigen Angriffe verletzt hatten, im
Bezirkspolizeikommissariat Simmering amtsärztlich untersucht.
Am 03.05.1999 legte Hr. K. der Staatsanwaltschaft Wien eine
Sachverhaltsmitteilung mit dem Ersuchen um strafrechtliche Beurteilung und
allfällige Auftragserteilung vor. Nach Entscheidung des Bundesministeriums
für Justiz wurde der Akt an die Staatsanwaltschaft Korneuburg (Tatort
Schwechat) abgetreten. Die Voruntersuchung wegen Verdacht des § 312 Abs. 1
und 3 StGB wurde gegen die Beamten
eingeleitet.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und unter Vorbehalt einer anders
lautenden Entscheidung des Landesgerichtes Korneuburg besteht der
Verdacht, dass O. durch Handlungen oder Unterlassungen der genannten
Beamten zu Tode gekommen ist. Abgesehen davon vertritt das
Kriminalbeamteninspektorat die Auffassung, dass die Vorgangsweise der
involvierten Kriminalbeamten im Zusammenhang mit der Verwendung von
Klebebändern als Hilfsmittel zur Fixierung von Häftlingen nicht gestattet und
daher als Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 43/1 BDG zu werten ist. Auf
die Bestimmungen des § 9 Abs. 3 Punkt c PVG wurde Bedacht genommen.