5956/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde haben am 10.

Mai 1999 unter der Nummer 6217/J eine dringliche parlamentarische Anfrage

betreffend „den Tod des Flüchtlings Marcus Omofuma“ an mich gerichtet.

 

Die Fragen 1 bis 5, 7, 13 bis 49 habe ich bereits am 10.05.1999 in der 168.

Sitzung des Nationalrates beantwortet. In dieser Sitzung habe ich die

schriftliche Beantwortung der Fragen 6 und 8 bis 12 zugesichert.

 

Diese Fragen beantworte ich folgendermaßen:

 

Zu Frage 6:

 

Insgesamt sind mir bisher acht vergleichbare Fälle bekannt geworden, wobei

ich davon ausgehe, dass unter vergleichbare solche Fälle gemeint sind, in

denen eine Verklebung des Mundes stattgefunden hat.

 

Der Fall aus dem Jahre 1993 war bereits Gegenstand der parlamentarischen

Anfrage Nr.4861 /J und ich darf diesbezüglich auf die damalige

Anfragebeantwortung verweisen.

Die übrigen Sachverhalte stellen sich wie folgt dar:

 

*) Teile der Anfrage 6217/J wurden bereits in der 168. Sitzung des Nationalrates

    vom 10. Mai 1999 gemäß § 91 Abs. 4 GOG mündlich beantwortet.

14. Juli 1998 P.A., alias A.K., alias F. - idF P.A. (ghanesischer Stbg.):

 

P.A. sollte aufgrund eines Abschiebeauftrages der BH Grieskirchen durch

Beamte der Sondereinsatzgruppe des LGK Oberösterreich am 14.06.1998

nach Ghana abgeschoben werden. Bereits im Wachlokal des PGH - Steyr

widersetzte er sich mit Tritten und Schlägen dem Versuch der Beamten, ihm

eine Handfessel am Rücken anzulegen. Erst mit Unterstützung anderer

Beamter konnte er geschlossen werden.

 

P.A. wurde von zwei Beamten des SEG/Oberösterreich nach Wien Schwechat

gebracht.

 

Da P.A. ständig und laut schrie und mit den Beinen um sich trat, wurden die

Passagiere im Flugzeug auf dieses Verhalten aufmerksam. Um die Störung im

Flugzeug möglichst gering zu halten, wurde der Mund des P.A. mittels

Leukoplastes verklebt.

 

Kurz darauf konnte er sich das Leukoplast vom Mund reißen. Anschließend

beruhigte er sich für kurze Zeit. Plötzlich, völlig unerwartet, wandte er sich

gegen einen der beiden Beamten und biss ihn in den rechten Unterarm,

wodurch dieser eine schmerzhafte, blutende Wunde erlitt.

 

19. Juli 1996 U. (nigerianischer Sta.):

 

Am 19.07.1996 war die Überstellung des Schubhäftlings U. vom PGH Graz

zwecks Abschiebung vorgesehen. U. kam der Aufforderung, die Zelle zu

verlassen, nicht nach. U. trat mit seinen Beinen gegen einen Beamten und

schlug um sich. U. wurden Hand - und Fußfesseln angelegt und zum Fahrzeug

getragen. Dort versuchte er permanent die Beamten zu beißen. Mit

psychologischem Einfühlungsvermögen wurde auf U. eingeredet. Er war jedoch

derart erregt, dass ein Gespräch mit ihm nicht geführt werden konnte.

 

Aufgrund der fehlenden Kooperationsbereitschaft und der immanenten Gefahr

gebissen zu werden, wurde ihm unter größtmöglicher Schonung der Person ein

Klebeband auf den Mund geklebt. Das Klebeband wurde so angebracht, dass

ein Atmen durch die Nase einwandfrei gewährleistet war. Unmittelbar vor der

Stadtgrenze Wiens wurde U. das Klebeband vom Mund genommen.

 

Eine Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden. Weil U. laut schluchzte

und weinte untersagte der zuständige Stationsleiter der Fluglinie eine

Mitbeförderung, da er dieses Verhalten von U. den anderen Passagieren nicht

zumuten wollte.

 

Das ist jener Fall, in dem der UVS/Steiermark das Zukleben des Mundes für

unzulässig erachtet hat.

24. April 1999 Abschiebung des E. (nigerianischer Stbg):

 

E. wurde am 24.4.1999 abgeschoben. Bereits im PGH - Ost der BPD Wien sagte

er, er werde auf keinen Fall freiwillig in seine Heimat zurückkehren. Im

Zellenbereich leistete er Widerstand, sodass ihm im PGH eine Handfessel

angelegt werden musste. Es bestand Gefahr, er werde die begleitenden

Beamten oder sich selbst gefährden. Die Beamten versuchten psychologisch

auf ihn einzuwirken; dies war jedoch vergeblich.

 

Am Flughafen versuchte E. einen der Beamten in den Finger zu beißen,

weshalb ihm kurzfristig der Mund mit Hansaplast verklebt wurde. Er musste

in das Flugzeug getragen werden. Kurz nach dem Start stellte der

Schubhäftling sein aggressives Verhalten ein; es wurde ihm unverzüglich die

Handfessel abgenommen und das Hansaplast vom Mund entfernt.

 

21. April 1998, A.H.M. (Sudanesischer Stbg.):

 

A. H. M. kündigte bereits bei seiner Abholung aus dem PGH der BPD Wien an,

sich seiner Abschiebung zu widersetzen, da er nicht freiwillig in seine Heimat

zurückkehren werde. Die Beamten wirkten beruhigend auf ihn ein; er konnte

ohne Probleme zum Flughafen gebracht werden. Bei der Verbringung in das

Flugzeug schlug der Schubhäftling heftig um sich und begann zu schreien. Zur

Hintanhaltung der Gefährdung von Personen und Beschädigung von Sachen

wurde dem A.H.M. eine Handfessel am Rücken angelegt. Der Schubhäftling

wurde laut schreiend in das Flugzeug gebracht. Als er bemerkte, dass sein

Schreien nicht zum Erfolg führte, versuchte er die Beamten zu beißen.

Daraufhin wurde dem Schubhäftling der Mund mit einem Pflaster verklebt.

Nach dem Start gab A.H.M. zu verstehen, dass er keinen weiteren Widerstand

mehr leisten werde, woraufhin ihm das Pflaster sofort abgenommen wurde. Der

Kapitän ließ den Beamten durch die Besatzung mitteilen, dass die Handfessel

während des Fluges nicht entfernt werden dürfe. Die Handfessel wurde in

Kairo abgenommen; der Weiterflug in den Sudan verlief problemlos und ohne

Fesselung.

 

26. März 1995 A. K. K. (ghanesischer Stbg.):

 

Am 26.03.1995 wurde A.K.K. zwecks Abschiebung nach Ghana vom PGH der

BPD Wien zum Flughafen Schwechat gebracht. Der Flug verlief ohne Vorfälle.

Bei der Zwischenlandung am Flughafen Rom, im Transitraum des Flughafens,

weigerte sich A.K.K. in das Anschlussflugzeug einzusteigen. Mit Unterstützung

italienischer Beamter wurde versucht, A.K.K. in das Flugzeug zu verbringen.

Dabei versetzte A.K.K. beiden Beamten einen Stoß, entriss sich dem

Festhaltegriff und flüchtete quer über das Rollfeld. Unmittelbar darauf konnte

A.K.K. von den Beamten eingeholt und am Körper erfasst werden. Im Zuge

dessen fiel A.K.K. mit der Brust und seinem Gesicht auf den Boden des

Rollfeldes. Ein italienischer Polizist fixierte A. K. K. mittels eines Festhaltegriffes

und legte ihm die Handfessel mit den Händen am Rücken an. A.K.K. versuchte

die Beamten zu beißen und dadurch zu verletzen. Um eine weitere Gefährdung

zu vermeiden, wurde ihm ein mitgeführtes Hansaplast auf den Mund geklebt.

Dabei wurde Bedacht genommen, dass ein Atmen durch die Nase weiter

möglich war. Gemeinsam mit den anwesenden italienischen Polizisten wurde

A.K.K. in die Maschine getragen. Die im Flugzeug befindlichen afrikanischen

Fluggäste beschwerten sich lautstark über das polizeiliche Vorgehen. Sie

bedrohten die Beamten. Diese mussten das Flugzeug mit A.K.K. aufgrund der

für sie bedrohlichen Situation verlassen. Unmittelbar nach Verlassen des

Flugzeuges wurde das am Mund befindliche Pflaster entfernt. In einem

unversperrten Arrestraum des Flughafengebäudes wurde A.K.K. die Handfessel

wieder abgenommen. Am 27.03.1995 erfolgte der Rückflug nach Österreich,

welcher ohne Vorfälle verlief. A.K.K. wurde wiederum in das PGH - Wien

verbracht.

 

20. Juli 1996 I.A.M. (nigerianischer Stbg.):

 

Am 20.07.1996 erfolgte eine versuchte Abschiebung des I.A.M. nach Lagos. Im

Flugzeug begann I.A.M. mit den Füßen gegen die Rückenlehne der Vordersitze

zu treten, sodass die Beamten gezwungen waren, seine Beine festzuhalten und

ihn wieder in den Sitz zu drücken. I.A.M. begann um sich zu beißen, sodass

versucht wurde, dies durch Aufkleben eines Leukoplastes auf den Mund zu

unterbinden.

 

Der Abschiebevorgang musste abgebrochen werden, da sich der Kapitän

weigerte I.A.M. mitzunehmen.

 

10. September 1997, O. B. (nigerianischer Stbg.):

 

O. versuchte sich während der Fahrt zum Flughafen Wien Schwechat mit dem

Sicherheitsgurt zu strangulieren. Weiters verhielt er sich aggressiv und schrie

laut. Beim "Check - in“ warf sich O. zu Boden und weigerte sich, mit den

Beamten mitzukommen. Daraufhin wurde O. mit einem Arrestantenwagen zum

Flugzeug transportiert. Bereits während des Transportes versuchte er sich mit

Körperkraft zu befreien und schrie lautstark. Im Flugzeug wurde versucht, O.

den Mund mittels Klebebandes zu verkleben, was jedoch wenig Wirkung zeigte.

 

Der Kapitän lehnte den Transport des tobenden O. ab. Er wurde um 12.02 Uhr

freigelassen, da die Abschiebung nicht vollzogen werden konnte.

 

Die Beantwortung der weiteren Frage, wer diese Berichte verfasst habe und

wem die Berichte vorgelegt worden seien, verwehrt mir die mir gem. Art. 20

Abs. 3 B - VG 1920 i.d.F. 1929 auferlegte Verschwiegenheitspflicht im Hinblick

auf das schützenswerte Interesse aller Betroffenen.

 

Aus diesem Grund habe ich auch die mir vorliegenden Berichte anonymisiert

zusammengefasst.

 

Aus den mir vorliegenden Berichten geht jedoch hervor, dass die jeweiligen

Protokolle den zuständigen Behörden übermittelt worden sind.

Zu Frage 8:

 

Seit 1997 erfolgten sieben Anzeigen von Organen der Fremdenpolizei wegen

Widerstandes gegen die Staatsgewalt im Zuge von Abschiebungen. Es betrifft

dies sechs Fälle, da von einer Amtshandlung zwei Fremde betroffen waren.

 

Zu Frage 9:

 

In den Jahren 1990 bis 1997 wurden zwölf Anzeigen wegen Widerstandes

gegen die Staatsgewalt im Zuge von Abschiebungen erstattet. Es betrifft dies

neun Fälle, da von einer Amtshandlung drei Fremde betroffen waren.

 

Zu Frage 10:

 

Nachstehend gebe ich die Geschäftszahlen der Protokolle und die Beschreibung

der Ruhigstellungen der in den Fragen 8 und 9 angeführten Amtshandlungen

bekannt:

 

Vorfall vom 01.02.1992, GZ.: II - 169/92

Der Schubhäftling, nig. Stbg., protestierte am Flughafen gegen seine

bevorstehende Abschiebung. Er setzte vorerst passiven Widerstand. Im

Kraftfahrzeug wickelte er sich den Sicherheitsgurt mehrmals um den

Unterarm und umklammerte ihn mit den Fingern. Gleichzeitig begann er laut

in englischer Sprache zu schreien. Aufgrund seiner Unwilligkeit verblieb er

vorerst im Kraftfahrzeug. Als die Beamten versuchten, ihn aus dem Fahrzeug

zu bringen, stieß er ständig mit dem Kopf gegen die Fensterscheibe und

brüllte.

 

Die Beamten versuchten O. die Hände am Rücken zu fesseln. Dagegen wehrte

er sich auf das Heftigste, indem er seine rechte Hand, auf der sich die

Handfessel befand, zwischen seine Füße steckte. Nur durch die Anwendung

von Körperkraft konnte ihm die Handfessel angelegt werden.

 

Die Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden, da der Flugkapitän die

Mitnahme von O. verweigerte.

 

Vorfall vom 18.06.1992, GZ.: II - 882/92

 

M. M., zair. Stbg., wurde von drei Beamten mit einer Handfessel am

Transportweg geschlossen und zum Flugzeug gebracht. Die Handfessel wurde

angelegt, da sich der Genannte am 17.6.1992 eine Selbstverletzung zugefügt

hatte, um die Abschiebung zu verhindern.

 

Beim Betreten des Flugzeuges wurde ihm die Handfessel abgenommen. M. riss

sich los und versuchte davonzulaufen. Nachdem er eingeholt werden konnte,

fügte er sich mit seiner Gürtelschnalle mehrere Stichwunden zu. Um ihn vor

weiteren Selbstverletzungen zu schützen, musste ihm unter Anwendung von

Zwangsgewalt die Handfessel wieder angelegt werden.

 

Die Abschiebung konnte nicht vollzogen werden.

 

Vorfall vom 06.09.1992, GZ.: II - 1234/92

 

O. T., nig. Stbg., versuchte seine Abschiebung durch sein Entkleiden vorerst zu

verhindern. Der die Abschiebung durchführende Beamte versuchte ihn zu

beruhigen. Anschließend sprang O.T. aus dem Fahrzeug und wollte flüchten.

Die Beamten versuchten ihn zu beruhigen; dies gelang jedoch nicht, da O.T.

mit den Händen wild um sich schlug.

 

Die Abschiebung konnte nicht vollzogen werden.

 

Vorfall vom 06.11.1992, GZ.: II - 1506/92

 

A. G. M., ägypt. Stbg., widersetzte sich seiner Abschiebung mit Gewalt, indem

er die Beamten tätlich angriff und einem Beamten ein Eck des Schneidezahnes

ausschlug. Der Flugkapitän verweigerte die Mitnahme. Es wurde Körperkraft

angewandt und A. die Handfessel angelegt.

 

Die Abschiebung konnte nicht vollzogen werden.

 

Vorfall vom 31.03.1993,GZ.: II - 412/93

 

A. A., ägypt. Stbg. Da A. A. schon während des Transportes zum Flughafen

aggressives Verhalten an den Tag legte, wurden seine Hände am Rücken mit

der Handfessel geschlossen. Er konnte nur durch Anwendung von Körperkraft

in das Flugzeug gebracht werden. Beim Fixieren des Sicherheitsgurtes biss A.

einen Beamten in den rechten Oberarm. A. verbiss sich derartig heftig, dass

der Beamte sich nur durch mehrere Schläge gegen den Kopf A‘s. aus dem Biss

befreien konnte. A‘s. Beine wurden mit einem Tape Fixiert. Der das Geschehen

beobachtende Flugkapitän entschied eine Nichtmitnahme des A.A.

 

Vorfall vom 30.10.1993, GZ.: II - 1416/93

 

A. O. B., nig. Stbg., wurde mit dem Stkw bis zur Abstellposition des

Flugzeuges gebracht. Beim Verlassen des Arrestantenwagens ließ er sich

fallen und schrie „Kill me, kill me". Aufgrund dieses Verhaltens wurde der

Transport ohne Flugbegleiter durch den Stationsleiter untersagt. Die

Beamten verschafften A. wieder in den Arrestantenwagen. Dort schlug A.

mit Händen und Füßen um sich und rannte mit dem Kopf gegen die Wand

des Wagens. Als die Beamten A. beruhigen bzw. von einer Selbstverletzung

abhalten wollten, biss er einen der Beamten in den kleinen Finger. Der

andere Beamte schlug ihn daraufhin mit der rechten offenen Hand in die

linke Gesichtshälfte, sodass A. zu beißen aufhörte.

Vorfall vom 14.06.1993, GZ.: II - 741/93

 

E. O., nig. Stbg., randalierte am Flughafen, sodass die ihn begleitenden

Beamten über Funk um Hilfe ansuchten. Zwei Beamte der Einsatzgruppe der

BPD Schwechat begaben sich zu den Beamten. Als ein Beamter der

Einsatzgruppe E. bei der linken Schulter nahm und ihm sagte, er solle ihm

folgen, fing E. an zu toben und auf die Beamten einzuschlagen. In weiterer

Folge kamen E. und der Beamte zu Sturz. Auf dem Boden liegend, wehrte sich

E. mit Händen und Füßen gegen die Beamten. Nur unter Anwendung von

Körperkraft gelang es den Beamten, E. einigermaßen zu bändigen und ihm die

Handfessel anzulegen.

 

Die Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden.

 

Vorfall vom 14.01.1994, GZ.:II - 85/94

 

K. O., K. Z. und D.H., alle türk. Stbg., weigerten sich, das Flugzeug zu

besteigen. Aus diesem Grund wurden sie wieder zum Büro der GREKO -

Schwechat zurückgebracht. Unmittelbar vor dem Büro ergriff K.Ö. die Krawatte

eines Beamten und riss ihn mit Hilfe der anderen beiden Schubhäftlinge zu

Boden. Dann schlugen sie auf den am Boden liegenden Beamten ein. Um einen

Waffengebrauch zu vermeiden, wurde der bedrängte Beamte von anderen

Beamten unter Anwendung von Körperkraft befreit. Die drei randalierenden

Schubhäftlinge wurden anschließend unter erheblichen Schwierigkeiten in das

Büro der GREKO verschafft. Sowohl ein Beamter als auch K.Ö. wurden im

Zuge des Handgemenges verletzt. Der Beamte wies oberflächliche

Hautabschürfungen auf, K.Ö. erlitt Nasenbluten. Die beiden anderen

Schubhäftlinge erlitten keine Verletzungen. Da bei den Schubhäftlingen eine

Selbst - und Fremdgefährdung nicht auszuschließen war, wurden ihre Hände

mit Handfesseln am Rücken geschlossen.

 

Vorfall vom 08.01.1996, GZ.: II - 20/96

 

A. J., vermutl. liban. Stbg., versuchte am Flughafen Düsseldorf mit einem

polnischen Pass nach Deutschland einzureisen. Dies wurde von den dortigen

Beamten verhindert. Es wurde versucht, ihn und seine Familie nach

Damaskus mit Zwischenstop in Wien zurückzubringen. Kurz vor der

,,Boardingtime" in Wien Schwechat weigerte sich A. in das Flugzeug zu steigen.

Mehrere Beamte der GREKO forderten A. höflich auf mitzukommen, um ihn

und seine Familie mit einem Dienstkfz. zur Maschine zu bringen. Er tat

lautstark kund, dass er auf keinen Fall fliegen werde. Plötzlich ging er mit einer

Schere auf die anwesenden Beamten los. Die Schere hatte er vermutlich in

seinen Kleidern versteckt. Er versuchte auf die Beamten einzustechen. Im

Laufe des Handgemenges wurde ein Beamter mit der Schere an der linken

Handinnenfläche verletzt. Unter Anwendung von Zwangsgewalt gelang es den

Beamten, A. die Schere zu entwinden. A. wurde die Handfessel angelegt. A. gab

über Dolmetsch an, dass er sich aber nicht die Beamten verletzen wollte.

Dadurch wollte er die Abschiebung verhindern.

Vorfall vom 27.09.1996, GZ.: II - 1465/96

 

K. M. W., afgh. Stbg., versuchte seine Abschiebung, während er über die

Außenstiege zur Flugzeugtür gebracht wurde, durch Schreien und um sich

Schlagen zu verhindern. Dabei wurde ein Beamter verletzt. Der Kapitän des

Kursfluges verlangte, dass dem Schubhäftling die Handfessel abgenommen

werde. Da sich K. nicht beruhigte, weigerte sich der Kapitän ihn zu befördern.

 

Vorfall vom 06.03.1996, GZ.: II - 272/97

 

O. A., Stbg. von Zaire, versuchte seine Abschiebung dadurch zu verhindern,

indem er sich kurz vor dem Abflug an Bord des Flugzeuges entkleidete und zu

schreien begann. Die die Abschiebung durchführenden Beamten versuchten

ihn zu beruhigen. Da dies erfolglos war, versuchten die Beamten, ihm mit

Körperkraft die Handfessel anzulegen. Dabei wurden ein Beamter und eine

Flugbegleiterin, die sich in unmittelbarer Nähe des Tobenden befand, verletzt.

 

Vorfall vom 03.07.1997, GZ.: II - 906/97.

 

Der alb. Stbg., H., versuchte seine Abschiebung dadurch zu verhindern, dass

er, obgleich an beiden Händen vorne geschlossen, plötzlich ein Fixiermesser in

der Hand hatte und die offene Klinge gegen seinen Körper richtete. Er wolle

nicht nach Albanien zurück, sondern in Österreich bleiben. Die Beamten

konnten H. das Fixiermesser entwenden. Der weitere Verlauf der Abschiebung

blieb ohne Zwischenfälle.

 

Vorfall vom 10.09.1997, GZ.: II - 1199 97.

 

Diesen Vorfall habe ich in der Frage 6 (Fall 8) beantwortet. Es wurde versucht,

dem abzuschiebenden Fremden den Mund zu verkleben.

 

Vorfall vom 21.01.1998, GZ.: II - 75/98.

 

A. F., nig. Stbg., und I.T.‚ liber. Stbg., versuchten ihre Abschiebung zu

verhindern. Bei der Visitation durch einen Sicherheitsbeamten der Firma

„VIAS“ wurde bei A.F. ein ca. 7 cm langer Nagel im Sweater gefunden. Den

beiden Schubhäftlingen wurden von den Beamten aus Gründen der

Eigensicherung und Verhinderung der Selbstgefährdung die Handfesseln am

Rücken angelegt. Kurz vor dem Start versuchte I.T. trotz der Handfessel sich

die Hose herunter zu ziehen und auf seinen Sitzplatz zu urinieren. Daraufhin

wurde I.T. von zwei Beamten zur Toilette begleitet. A.F. wurde einstweilen von

dem dritten Beamten auf seinem Sitzplatz bewacht. I.T. zog sich auf der

Toilette die Hose hinunter und stieg gleichzeitig mit beiden Beinen durch die

am Rücken geschlossenen Arme. Unmittelbar darauf kam er auf einen der vor

dem WC anwesenden Beamten zu, drängte ihn zur Seite und begann lauthals

zu schreien. Der Beamte versuchte I.T. auf seinen Sitzplatz zu bringen. Dabei

wehrte sich I.T., sodass es zu einem heftige Handgemenge kam. Nur durch

einsatzbezogene Körperkraft konnte I. T. wieder unter Kontrolle gebracht

werden. Gleichzeitig begann auch A.F. lauthals zu schreien und wollte seinen

Sitzplatz verlassen. Bei diesem Versuch wurde er jedoch von seinem Bewacher

zurückgedrängt; dabei trat A.F. mit voller Kraft und unkontrolliert mit seinen

Beinen gegen den Beamten. A.F. konnte nur durch Anwendung von

Körperkraft unter Kontrolle gebracht werden. Die Schubhäftlinge wurden

daraufhin vom Kapitän vom Flug ausgeschlossen, da der Großteil der anderen

Passagiere in Panik geriet und fluchtartig die Sitzplätze verließ.

 

Vorfall vom 09.05.1999, GZ.: II - 6795/99

 

S. W., chin. Stbg., wurden in der Abflughalle vor dem China Air Schalter seine

Ausreisepapiere ausgehändigt, da es sich um eine Ausreiseüberwachung

handelte. Nach erfolgter Übernahme der Dokumente zerriss S. sein Flugticket,

warf es zu Boden und ging auf den Beamten los. Dabei schlug er wild um sich

und schrie "jetzt bin ich frei!" Der Beamte und S. gingen infolge dieses

Angriffes zu Boden. Am Boden liegend versuchte S. den Beamten immer wieder

in die Hände zu beißen. Der Beamte wurde am Daumen der rechten Hand

verletzt. Mit Unterstützung herbeigeeilter Kräfte wurde S. mit den Händen am

Rücken geschlossen. Die Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden.

 

Zu Frage 11:

 

Am 03.05.1999 wurde von der Bundespolizeidirektion Wien eine

Sachverhaltsdarstellung unter dem Betreff „Abschiebeversuch mit Todesfolge“

an die Staatsanwaltschaft Wien weitergeleitet.

 

 

Die Sachverhaltsdarstellung lautet:

 

„Der nigerianische Staatsangehörige Hr. O., am 10.05.1973 geboren, reiste am

16. September 1998 in Österreich ein und stellte einen Antrag auf

Asylgewährung. Dieser Asylantrag wurde am 07. Dezember 1998 vom

Bundesasylamt Traiskirchen erstinstanzlich abgewiesen. Am 15. Dezember

1998 verfügte die zuständige Bezirkshauptmannschaft Baden die Ausweisung

gem. § 33 Abs. 1 FrG 1997 gegen Hrn. O. und ordnete gegen ihn die Schubhaft

an.

 

Am 09. Februar 1999 wurde Hr. O. aus Kapazitätsgründen vom

Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Schwechat in das

Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Wien überstellt.

 

Am 28. April 1999 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Baden, nachdem das

für die Abschiebung notwendige Heimreisezertifikat der nigerianischen

Botschaft eingelangt und das Asylverfahren auch in II. Instanz durch den

Unabhängigen Bundesasylsenat negativ beschieden worden war, die

Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, Hrn. O., welcher im

örtlichen Wirkungsbereich der Bundespolizeidirektion Wien angehalten wurde,

nach Nigeria am Luftweg abzuschieben. Da erheblicher Widerstand zu

erwarten war, wurde seitens der Sicherheitsdirektion für das Bundesland

Niederösterreich beim Bundesministerium für Inneres, Abteilung III/16, um

Zustimmung zur Begleitung durch drei Kriminalbeamte angefragt. Mit Erlass

vom 26. April 1999, Zl. 881.287/2 - III/16/99, hat das Bundesministerium für

Inneres der Abschiebung und der Begleitung von Hrn. O. durch drei

Kriminalbeamte zugestimmt.

 

Beim Österreichischen Verkehrsbüro wurden am 28. April 1999 4 Flugtickets

für Hrn. O. und die drei Kriminalbeamten für einen Flug mit der BALKAN AIR

bestellt; der Flug sah eine Zwischenlandung in Sofia vor.

 

Durch das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten wurde der

Journaldienst des Bundesministeriums für Inneres am 02. Mai 1999 in

Kenntnis gesetzt, dass Hr. O. bei der Abschiebung verstorben ist. Die drei

Kriminalbeamten der Fremdenpolizei haben bezüglich der Abschiebung einen

Bericht gelegt, welcher in der Beilage angeschlossen ist. Laut diesem Bericht

kam es bereits vor dem Abflug zu erheblichen Widerstand des Hrn. O. Laut

Bericht mussten zwei Sicherheitswachebeamte und zwei Kriminalbeamte der

Grenzkontrollstelle Schwechat den drei Kriminalbeamten helfen, den

Widerstand zu überwinden. Bei den unterstützenden Beamten der

Bundespolizeidirektion Schwechat handelte es sich um Hrn. G. und Hrn. D.

Die Namen der anderen beiden Beamten der Grenzkontrolle Schwechat sind

ha. derzeit nicht bekannt.

 

Weitere Zeugen der Abschiebung wären insbesondere die Crew des Flugzeuges,

mit dem die Abschiebung durchgeführt wurde. Die Namen dieser Personen der

BALKAN AIR sind ha. ebenfalls nicht bekannt.

 

Laut ha. Information wurden den drei Kriminalbeamten die Reisepässe

abgenommen und werden sie voraussichtlich heute von der Staatsanwaltschaft

in Sofia zu der durchgeführten Abschiebung mit Todesfolge einvernommen

werden.

 

Laut Mitteilung des Österreichischen Botschafters in Sofia, Hr. Dr. P., wird

heute eine gerichtliche Obduktion der Leiche durchgeführt.

 

Diese Sachverhaltsmitteilung wurde zur Kenntnisnahme, strafrechtlichen

Beurteilung und allfällige weitere Auftragserteilung der Staatsanwaltschaft

Wien vorgelegt.

 

Zu Frage 12:

 

Die Disziplinaranzeige lautet:

 

„Am 02.05.1999, gegen 01.55 Uhr, wurde die Bundespolizeidirektion Wien aus

Sofia/Bulgarien fernmündlich verständigt, dass der 26jährige Schubhäftling

O. während der Abschiebung verstorben ist (siehe Aktenvermerk v. 02.05.1999

- Beilage 1). In einem folgenden schriftlichen Bericht (Beilage 2) der

Kriminalbeamten B., R. und K., welcher als Fax via Österreichische Botschaft

in Sofia beim Journaldienst der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit

eingelangt war, ist zu entnehmen, dass die genannten Kriminalbeamten des

Fremdenpolizeilichen Büros beauftragt waren, am 01.05.1999 den

Schubhäftling O. via Sofia in sein Heimatland Nigeria abzuschieben. Der

Abschiebung war ein Asylverfahren vorangegangen, welches vom

Bundesasylamt für O. in II. Instanz negativ beschieden wurde.

 

Die Beamten wussten, dass es sich bei dem Begleitauftrag um eine so

genannte "Problemabschiebung“ handelt, weil wegen des zu erwartenden

Widerstandes das Bundesministerium für Inneres für die Durchführung der

Abschiebung eine Anzahl von drei Kriminalbeamten angeordnet hat. Bereits bei

der Abholung vom Polizeigefangenenhaus erklärte O., dass er nicht freiwillig

nach Lagos zurückkehren werde. Daraufhin wurden ihm vorerst die Hände vor

dem Körper gefesselt und mittels Dienstfahrzeuges zum Flughafen Schwechat

verschafft. Dabei verhielt sich O. ruhig. Erst als das Dienstfahrzeug am

Flughafengelände auf der Fahrt zum Abstellplatz des Flugzeuges aus

administrativen Gründen beim Gate der Balkan - Air anhalten musste, wurde O.

renitent und versuchte zu flüchten. O., der laut schreiend wild um sich trat

und sein gewalttätiges Verhalten nicht einstellte, musste schließlich von den

Beamten an den Beinen gefesselt werden. Aus Schutz vor Bissverletzungen

wurde dem Tobenden schließlich ein Leukoplastverband über den Mund

geklebt. Anschließend wurde er mittels Dienstfahrzeuges, in Begleitung eines

SW - Funkwagens der Flughafeneinsatzstelle, zur Maschine der Balkan - Air

gebracht und von den Beamten in das Flugzeuginnere getragen.

 

Da O. auch während des Fluges sein renitentes Verhalten nicht einstellte,

wurde er von den begleitenden Beamten mittels Klebeband am Sitz fixiert.

Nach der Landung in Sofia wurden die Fesseln und Klebebänder gelöst. Dabei

wurde festgestellt, dass O. in sich zusammengesunken war. Einer der Beamten

konnte noch den Puls fühlen, doch stellte ein herbeigerufener Arzt fest, dass O.

verstorben war. Ein eindeutiges Ergebnis über die Todesursache liegt derzeit

noch nicht vor, doch dürfte der Tod durch Ersticken eingetreten sein.

 

Die Kriminalbeamten B., R. und K. durften auf Anordnung der

Staatsanwaltschaft Sofia vorerst nicht verlassen und trafen schließlich nach

mehreren Einvernahmen durch die bulgarischen Behörden am 05.05.1999

wieder in Wien ein. Unmittelbar nach ihrer Ankunft wurden die Beamten, die

O. durch seine gewalttätigen Angriffe verletzt hatten, im

Bezirkspolizeikommissariat Simmering amtsärztlich untersucht.

 

Am 03.05.1999 legte Hr. K. der Staatsanwaltschaft Wien eine

Sachverhaltsmitteilung mit dem Ersuchen um strafrechtliche Beurteilung und

allfällige Auftragserteilung vor. Nach Entscheidung des Bundesministeriums

für Justiz wurde der Akt an die Staatsanwaltschaft Korneuburg (Tatort

Schwechat) abgetreten. Die Voruntersuchung wegen Verdacht des § 312 Abs. 1

und 3 StGB wurde gegen die Beamten eingeleitet.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und unter Vorbehalt einer anders

lautenden Entscheidung des Landesgerichtes Korneuburg besteht der

Verdacht, dass O. durch Handlungen oder Unterlassungen der genannten

Beamten zu Tode gekommen ist. Abgesehen davon vertritt das

Kriminalbeamteninspektorat die Auffassung, dass die Vorgangsweise der

involvierten Kriminalbeamten im Zusammenhang mit der Verwendung von

Klebebändern als Hilfsmittel zur Fixierung von Häftlingen nicht gestattet und

daher als Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 43/1 BDG zu werten ist. Auf

die Bestimmungen des § 9 Abs. 3 Punkt c PVG wurde Bedacht genommen.