92 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 25. 4. 1996

Regierungsvorlage


Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 1013/1994, wird wie folgt geändert:

1. Art. 49 lautet:

Artikel 49. (1) Die Bundesgesetze und die im Art. 50 bezeichneten Staatsverträge sind vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Ihre verbindende Kraft beginnt, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem die Nummer des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird, und erstreckt sich, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, auf das gesamte Bundesgebiet; dies gilt jedoch nicht für Staatsverträge, die durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sind (Art. 50 Abs. 2).

(2) Anläßlich der Genehmigung von Staatsverträgen gemäß Art. 50 kann der Nationalrat beschließen, daß der Staatsvertrag oder einzelne genau bezeichnete Teile des Staatsvertrages nicht im Bundesgesetzblatt, sondern in anderer zweckentsprechender Weise kundzumachen sind. Ein solcher Beschluß des Nationalrates hat die Kundmachungsweise, die die Zugänglichkeit des Staatsvertrages für die Dauer seiner Geltung gewährleisten muß, anzugeben und ist vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Die verbindende Kraft solcher Staatsverträge beginnt, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem die Nummer des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung des Beschlusses des Nationalrates enthält, herausgegeben und versendet wird, und erstreckt sich, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, auf das gesamte Bundesgebiet.

(3) Über das Bundesgesetzblatt ergeht ein besonderes Bundesgesetz.“

2. Art. 49a Abs. 1 lautet:

„(1) Der Bundeskanzler ist gemeinsam mit den zuständigen Bundesministern ermächtigt, Bundesgesetze und im Bundesgesetzblatt kundgemachte Staatsverträge mit verbindlicher Wirkung in der geltenden Fassung durch Kundmachung im Bundesgesetzblatt wiederzuverlautbaren.“

3. In Art. 49a Abs. 3 werden die Worte „des Bundesgesetzes“ gestrichen.

4. Art. 117 Abs. 6 lautet:

„(6) Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat gewählt. In der Landesverfassung kann vorgesehen werden, daß die zur Wahl des Gemeinderates Berechtigten den Bürgermeister wählen.“

5. In Art. 139 Abs. 5 werden im letzten Satz die Worte „ein Jahr“ durch „18 Monate“ ersetzt.

6. Art. 151 wird folgender Absatz angefügt:

„(12) Art. 49 und Art. 49a Abs. 1 und 3 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. xxx/xxxx treten mit 1. Jänner 1997 in Kraft.“

vorblatt

Problem:

1. Die Gliederung des Bundesgesetzblattes in „Stücke“ ist überflüssig und kann zu zeitlichen Verzögerungen in der Kundmachung von Rechtsvorschriften führen.

2. Eine Wiederverlautbarung von Staatsverträgen ist derzeit nicht zulässig, obwohl es auch novellierte Staatsverträge gibt.

3. Art. 117 Abs. 6 schließt EU-Bürger von der Direktwahl der Bürgermeister aus.

4. Die Fristsetzungen in Art. 139 Abs. 5 und Art. 140 Abs. 5 B-VG sind nicht synchron.

Lösung:

1. Die Gliederung des Bundesgesetzblattes in „Stücke“ wird aufgelassen.

2. Eine Ermächtigung zur Wiederverlautbarung von Staatsverträgen wird in die Bundesverfassung aufgenommen.

3. Änderung des Art. 117 Abs. 6 B-VG im Sinne der Zulassung von EU-Bürgern zur direkten Bürgermeisterwahl.

4. Synchronisierung der Fristen in Art. 139 Abs. 5 und 140 Abs. 5.

Alternative:

Beibehaltung des geltenden Rechtszustandes, aber Erforderlichkeit der Anpassung des Art. 117 Abs. 6 B-VG an EU-Recht.

Kosten:

Aus den vorgeschlagenen Änderungen sind keine Kosten für den Bund zu erwarten.

EU‑Konformität:

Das EU‑Recht enthält keine vergleichbaren Bestimmungen. Die vorgeschlagenen Änderungen stehen daher nicht im Widerspruch zu bestehendem EU‑Recht, führen dieses teilweise vielmehr durch.

Erläuterungen

Die vorgeschlagene – kompetenzrechtlich auf Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG beruhende – Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes setzt sich folgende Ziele:


        1.   Es besteht die Absicht, im Zusammenhang mit einer Neuordnung des Kundmachungswesens die Gliederung des Bundesgesetzblattes in „Stücke“ aufzulassen. Derzeit ist das Bundesgesetzblatt in „Stücke“ und „Nummern“ gegliedert. Eine Gliederung in „Stücke“ hat sich als überflüssig herausgestellt, weil die Vollständigkeit des Bundesgesetzblattes auch anhand der Seitenzahlen überprüft werden kann. Auf der anderen Seite ist eine derartige Gliederung zum Teil auch hinderlich, weil es zu Verzögerungen in der Kundmachung kommen kann, wenn auch eine Gliederung nach „Stücken“ vorgenommen werden muß. Künftighin wird das Bundesgesetzblatt daher nur nach Nummern gegliedert werden, wonach es auch zitiert wird.

              Da der Art. 49 B-VG auf die Stücke des Bundesgesetzblattes Bezug nimmt, war im Abs. 1 und 2 der Hinweis auf das „Stück“ jeweils zu streichen. Andere Änderungen wurden nicht vorgenommen. Der Vollständigkeit halber wurde auch der Abs. 3 des Art. 49 B-VG in die Novellierung aufgenommen, obwohl die Bestimmung nicht geändert wurde.

        2.   Der Art. 49a Abs. 1 B-VG erlaubt nur die Wiederverlautbarung von Bundesgesetzen, nicht aber die Wiederverlautbarung von Staatsverträgen. Nunmehr hat sich aber ein Bedürfnis auch nach Wiederverlautbarungen von Staatsverträgen ergeben. Durch das 11. Protokoll zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) wurde deren Text ebenso geändert, wie der der dazu ergangenen Zusatzprotokolle. Es besteht daher die Absicht, nach Inkrafttreten des 11. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention diese einschließlich der Zusatzprotokolle wiederzuverlautbaren, um den Bürgern einen integralen Text dieser für Österreich so bedeutsamen Konvention zur Verfügung zu stellen und damit die Rechtsanwendung zu erleichtern. Um dies zu ermöglichen, ist die vorgeschlagene Änderung des Art. 49a Abs. 1 erforderlich. Es kann darüberhinaus nicht ausgeschlossen werden, daß in Zukunft auch in anderen Fällen die Wiederverlautbarung von Staatsverträgen sich als zweckmäßig erweist. In Abs. 3 war der Hinweis auf Bundesgesetze folgerichtig zu streichen.

        3.   Die Z 4 führt die Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, durch. Art. 117 Abs. 6 B-VG stellt derzeit nur auf „Staatsbürger“ ab und schließt daher Unionsbürger von einer allfälligen Direktwahl des Bürgermeisters aus. Das entspricht nicht der erwähnten Richtlinie. Durch die Neufassung des Artikels soll die Teilnahme von Unionsbürgern an derartigen Wahlen ermöglicht werden.

        4.   Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Bericht über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1994 darauf hingewiesen, die geltenden bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen über das Setzen von Fristen für das Außerkrafttreten aufgehobener Rechtsvorschriften nicht befriedigend seien.

              Ursprünglich war vorgesehen, daß eine Frist für die Aufhebung der Gesetze von einem Jahr und für Verordnungen von sechs Monaten festgesetzt werden konnte. Mit dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 302/1975 wurde diese Frist insofern synchronisiert, als auch im Verordnungsprüfungsverfahren eine Frist von einem Jahr gesetzt werden konnte, wenn gesetzliche Vorkehrungen erforderlich sind. Mit dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 276/1992 wurde die Frist für das Gesetzesprüfungsverfahren auf 18 Monate erstreckt, während die Höchstfrist für das Verordnungsprüfungsverfahren gleichgeblieben ist.


              Wenn sich daher ergibt, daß im Gesetzesprüfungsverfahren die Setzung einer längeren Frist wünschenswert wäre, kann im mit diesem Verfahren korrespondierendem Verordnungsprüfungsverfahren nicht dieselbe Frist gesetzt werden. Das ist – wie der Verfassungsgerichtshof zurecht ausführt – wenig befriedigend. Es wird deshalb vorgeschlagen, die beiden Fristen wieder in gleicher Höhe anzusetzen. Das bedeutet eine Erhöhung der Frist im Art. 139 Abs. 5 B-VG von einem Jahr auf 18 Monate in jenen Fällen, in denen gesetzliche Vorkehrungen im Falle der Aufhebung einer Verordnung zu setzen sind.