250 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Industrieausschusses


über die Entschließungsanträge 16/A(E) der Abgeordneten Fritz Verzetnitsch und Genossen betreffend finanzielle Förderung von Ausbildungsbetrieben, die durch Lehrwerkstätten außerordentliche Leistungen in der Berufsausbildung erbringen

und

203/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre

sowie

240/A(E) der Abgeordneten Ing. Leopold Maderthaner und Genossen betreffend Förderung von betrieblicher Ausbildung

Die Abgeordneten Fritz Verzetnitsch und Genossen haben den Entschließungsantrag 16/A(E) am 15. Jänner 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

,,Die Qualität der Ausbildung in Betrieben mit eigener Lehrwerkstätte und Zusatzunterricht ist unbestritten hoch. In der Regel liegt sie erheblich über dem allgemeinen Ausbildungsniveau. Die gesamte Wirtschaft profitiert von dieser meist vorbildlichen Ausbildungsleistung der Betriebe, ohne öffentliche Budgets zu belasten.

Rund jeder zweite Schüler dieser Altersgruppe erwirbt über ein Lehrverhältnis seine Ausbildung. Der andere Teil über eine allgemeinbildende oder berufsbildende weiterführende Schule. Dazu ist festzustellen, daß der Finanzbedarf des Bundes für Schüler weiterführender Schulen rund zehnmal höher ist, als vergleichsweise für Lehrlinge.

Auf Grund des verschärften nationalen und internationalen Wettbewerbs steigt für Betriebe die Bedeutung des Kostenfaktors ,,Ausbildung“. Wie Statistiken der letzten Jahre zeigen, wirkt sich dieser Kostendruck dramatisch auf die qualitativ hochwertige und im allgemeinen attraktive industrielle Lehrausbildung aus. Potentielle Lehrlinge werden in Betrieben zugunsten schulisch Ausgebildeter verdrängt, indem man ihnen keine beziehungsweise eine geringere Anzahl an Lehrplätzen anbietet.

Die Lehrlingsstatistik 1992 der Bundeswirtschaftskammer belegt, daß die Anzahl der Ausbildungsbetriebe von 65 000 im Jahr 1980 auf 43 000 im Jahr 1992 zurückging. Die aktuelle Entwicklung im Jahr 1993 läßt ein weiteres überproportionales Absinken befürchten. Waren es in der Vergangenheit Handelsbetriebe, die aus Kostengründen entweder den Betrieb selbst stillegten oder zumindest die Lehrlingsausbildung einstellten, so sind es nun vor allem die Industriebetriebe, und hier vor allem die Großindustrie, insbesondere die verstaatlichte Industrie, die keine beziehungsweise deutlich weniger Lehrlinge mehr aufnehmen. Dieser dramatische Rückgang an attraktiven Ausbildungsplätzen in der Industrie muß gestoppt werden.“

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen haben den Entschließungsantrag 203/A(E) am 22. Mai 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

,,Die Folgen der jahrelangen Mißwirtschaft der öffentlichen Hand lassen sich nicht länger verheimlichen. Über Jahre hinweg wurde von der sozialistischen Koalitionsregierung über eine ,gezielte‘ Sub­ventionspolitik alles unternommen, um Österreicher zur bloßen ,verlängerten Werkbank‘ werden zu lassen.


So wurden Milliardenbeträge in die Erhaltung von ,einfachen‘ Arbeitsplätzen gesteckt, um danach feststellen zu müssen, daß es nach Ablauf der vereinbarten Beschäftigungsgarantiezeiten sofort zu Produktionsverlagerungen ins Ausland und damit zu Standortverlusten kommt. Die langfristigen Folgen dieser Entwicklung sind Arbeitsplatzverluste, Entindustrialisierung, Versiegen der Investitionstätigkeit und Verlust der Innovationsfähigkeit.

Auch für die nahe Zukunft ist keine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung zu erwarten.

Die gesellschaftlichen Folgen der ständig steigenden Arbeitslosigkeit, die sich nun auch in Österreich dem EU-Durchschnitt annähert, sind jedoch in keiner Weise akzeptabel.

Gerade der Wirtschafts- und Industriestandort Österreich benötigt eine große Zahl erstklassig ausgebildeter Fachkräfte, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.“

Die Abgeordneten Ing. Leopold Maderthaner und Genossen haben den Entschließungsantrag 240/A(E) am 27. Juni 1996 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

,,Mit der Lehrlingsausbildung (dualen Ausbildung) verfügt Österreich über ein im Rahmen der Europäischen Union vorbildliches System der Qualifizierung Jugendlicher, hohe Ausbildungsqualifikationen durch die Ausbildungsleistungen der Betriebe und der Berufsschulen erbringt und damit einen wichtigen internationalen Wettbewerbsvorteil Österreichs darstellt. Rund jeder zweite Schüler der Altersgruppe der Fünfzehn- bis Achtzehnjährigen erwirbt über ein Lehrverhältnis seine Ausbildung. Der andere Teil über eine allgemeinbildende oder berufsbildende weiterführende Schule. Dazu ist festzustellen, daß der Finanzbedarf des Bundes für Schüler weiterführender Schulen rund zehnmal höher ist als für Lehrlinge. Auf Grund des verschärften nationalen und internationalen Wettbewerbs steigt für die Betriebe die Bedeutung des Kostenfaktors Ausbildung. Wie Statistiken der letzten Jahre zeigen, wirkt sich dieser Kostendruck auf die Lehrlingsausbildung aus. Die hohe Ausbildungsbereitschaft der österreichischen Betriebe muß aus gesamtwirtschaftlichen Gründen aufrechterhalten werden. Eine Verdrängung der Lehrlingsausbildung zugunsten der schulischen Ausbildung würde Österreich einen wichtigen nationalen und internationalen Konkurrenzvorteil nehmen. Lehrlingsstatistiken beweisen, daß die Zahl der Ausbildungsbetriebe zurückgeht; dieser Rückgang der Ausbildungsbetriebe hat zahlreiche Gründe, einer davon ist sicherlich die Kostenbelastung, die eine qualitativ hochstehende Lehrlingsausbildung mit sich bringt. Das Wenigerwerden von Ausbildungsplätzen in der Wirtschaft muß daher gestoppt und rechtzeitig gegengesteuert werden.“

Der Industrieausschuß hat die erwähnten Entschließungsanträge in seiner Sitzung am 3. Juli 1996 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter im Ausschuß zum Antrag 16/A(E) fungierte Abgeordneter Erhard Koppler, zum Antrag 203/A(E) Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und zum Antrag 240/A(E) Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Erhard Koppler, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Alexander Van der Bellen, Dr. Volker Kier, Hermann Böhacker, Anton Blünegger, Peter Marizzi, Franz Kampichler, Ing. Kurt Gartlehner, Ing. Leopold Maderthaner, Josef Meisinger, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Franz Stampler, Heinz Gradwohl, Helmut Dietachmayr, der Ausschußobmann Fritz Verzetnitsch sowie der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner und der Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums.

Die Abgeordneten Fritz Verzetnitsch und Ing. Leopold Maderthaner brachten einen umfassenden Abänderungsantrag zum Entschließungsantrag 16/A(E) ein.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Annahme des Antrages 16/A(E) in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Fritz Verzetnitsch und Ing. Leopold Maderthaner zu empfehlen.

Die Anträge 203/A(E) und 240/A(E) sind als miterledigt anzusehen.

Als Berichterstatter für das Haus wurde Abgeordneter Helmut Dietachmayr gewählt.

Als Ergebnis seiner Verhandlungen stellt der Industrieausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle

        1.   diesen Bericht zur Kenntnis nehmen;

        2.   die beigedruckte Entschließung

annehmen.

Wien, 1996 07 03

                            Helmut Dietachmayr                                                          Fritz Verzetnitsch

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann

Entschließung

Die zuständigen Regierungsmitglieder werden ersucht, folgende Maßnahmen zu setzen:

Aus Mitteln des Sozialministeriums (AMS) bzw. des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten sollen im Verhältnis drei Viertel zu einem Viertel Lehrwerkstätten gefördert werden können, die über ihren Bedarf hinaus Lehrlinge ausbilden. Diese Regelung soll hinsichtlich der Mittelaufbringung bis Ende 1996 gelten und durch legistische Maßnahmen hinsichtlich eines Lastenausgleiches zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Unternehmen einschließlich der öffentlichen Hand abgelöst werden. In den nächsten Monaten soll zwischen den zuständigen Regierungsmitgliedern und den Sozialpartnern ein Modell des Lastenausgleiches erarbeitet werden, in dem ein teilweiser Kostenausgleich zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Unternehmen einschließlich öffentlicher Hand gefunden wird. Dieses Modell soll 1996 legistisch umgesetzt werden.

Darüber hinaus sind über die Sommermonate Gespräche zwischen den zuständigen Regierungsmitgliedern und den Sozialpartnern über eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Lehrlingsausbildung zu führen.

Weiters wird die Bundesregierung ersucht, folgende Maßnahmen zu prüfen:

         –   die Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge für Lehrlingsentschädigungen während des ersten und zweiten Lehrjahres aus Mitteln des AMS;

         –   die Sicherstellung der Ausbildungszeit im Betrieb;

         –   die Überprüfung der Altersgrenze im Ausbildungssystem, sowie

         –   die Finanzierung der Vorbereitungszeit für die Meisterprüfung durch das AMS;

         –   ein vom Bund finanziertes Lehrlings-Leistungsstipendium für überdurchschnittliche Leistungen bis zur Höhe der für AHS-Schüler im Vergleich mehr anfallenden Kosten;

         –   einen Lehrlingsausbildungsfreibetrag in Höhe von 30 Prozent des Aufwandes für Ausbildungsbetriebe;

         –   die Nichtberücksichtigung der Lehrlingsentschädigung bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer;

         –   eine Neuorganisation der Lehrlingsausbildung durch eine nach Wirtschaftsbereichen getrennte, konzentrierte schulische Ausbildung anstelle des Polytechnischen Lehrganges vor der berufsspezifischen, betrieblichen Lehre;

         –   eine allgemeine Förderung einer Lehrlingsweiterbildung im Ausland;

         –   die Schaffung der Möglichkeit für Unternehmer bei Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die ausschließlich Ausbildungszwecken dienen, einen erhöhten Investitionfreibetrag geltend zu machen und

         –   eine Gleichstellung der Meisterprüfung mit der B-Matura im öffentlichen Dienst und den freien Zugang zu einschlägigen Fachhochschulen;

         –   die Einrichtung von Schlichtungsstellen für Problemlösungen im Bereich der dualen Ausbildung.

Darüber hinaus ist die Verwirklichung

         –   der Berufsreifeprüfung;

         –   von Maßnahmen zur Anhebung des Images der Lehrausbildung sowie

         –   eine früheinsetzende Information aller Schüler über sämtliche Bildungs- und Berufsmöglichkeiten im Bereich der Lehre zu prüfen;


         –   der Erweiterung bestehender Unterrichtsgegenstände in Berufsschulen vorzunehmen, um damit auch Schlüsselqualifikationen (wie Kommunikation, Sprachkompetenz, Teamfähigkeit usw.) zu fördern;

         –   der Teilnahme an Bildungsprogrammen der Europäischen Union zu ermöglichen;

         –   der Schaffung von Möglichkeiten zu prüfen, den vorerst erfolglos gewesenen Lehrstellensuchenden den Eintritt in die Berufsschule unter anderem für Berufsorientierungsmaßnahmen zu eröffnen;

         –   der Umsetzung der bereits sozialpartnerschaftlich ausverhandelten neuen Ausbildungsrichtlinien durch Verordnungen des zuständigen Wirtschaftsministeriums zu realisieren;

zu unterstützen.