407 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Justizausschusses


über die Regierungsvorlage (252 der Beilagen): Bundesgesetz über Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG)

Gewalt in der Familie ist in unserer Gesellschaft ein weitverbreitetes Phänomen. Die Realisierung des Schutzes der körperlichen Sicherheit auch im häuslichen Bereich stößt jedoch auf Schwierigkeiten, was insbesondere auf drei Ursachen zurückzuführen ist:

         –   Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Gewalttäter das Verlassen der Wohnung aufgetragen wird, in der Exekutionsordnung sind zu streng. Auch die Sanktion zur Durchsetzung dieser einstweiligen Verfügung, die Verhängung von Beugestrafen, hat sich nicht bewährt.

         –   Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können zur Zeit bei Gewalt in der Familie nur einschreiten, wenn auch eine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt. Die derzeitigen Regelungen des Sicherheitspolizeigesetzes erfassen nicht auch die Aufgabenstellung des vorbeugenden Schutzes gegen drohende Gewalttaten in der Familie.

Daher soll durch den Gesetzentwurf das Institut der einstweiligen Verfügung auf einen größeren Personenkreis ausgeweitet werden; die Voraussetzungen werden entschärft und die Durchsetzung wird erleichtert.

         –   Die Kooperation zwischen Gerichten und Sicherheitsbehörden bei Gewalt in der Familie wird verbessert.

         –   Den Sicherheitsbehörden und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes werden zusätzliche Kompetenzen zum Einschreiten bei Gewalt in der Familie übertragen.

An der sich an die Ausführungen der Berichterstatterin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Harald Ofner, Dr. Willi Fuhrmann, Dr. Michael Krüger, Dr. Walter Schwimmer, Dr. Irmtraut Karlsson, Mag. Terezija Stoisits, Rosemarie Bauer, Franz Lafer, Mag. Thomas Barmüller, MMag. Dr. Willi Brauneder, Dr. Wolfgang Riedler, Mag. Dr. Josef Trinkl, die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Dr. Willi Fuhrmann in der diesem Bericht beigedruckten Fassung mit Mehrheit angenommen.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde der Abgeordnete Josef Schrefel gewählt.

Zu den vom Justizausschuß vorgenommenen Änderungen ist nachstehendes zu bemerken:

Allgemeiner Teil

In den Beratungen über die Regierungsvorlage 252 der Beilagen wurde wegen des sachlichen Zusammenhangs, nämlich der Bekämpfung von Gewalt in der Familie, der eine Änderung des § 1328 ABGB betreffende zivilrechtliche Teil des Initiativantrags 282/A miterledigt.


Besonderer Teil

Zu Art. I Z 2 (§ 1328 ABGB):

Eine angemessene Entschädigung der Opfer sexueller Mißbräuche kann im Schadenersatzrecht bisweilen Probleme bereiten. Vor allem ist nicht in jedem Fall gesichert, daß die Leiden der Opfer auch immateriell entsprechend kompensiert werden. Zwar wird der Mißbrauch eines Kindes, der physische und in deren Folge auch psychische Beeinträchtigungen oder auch schwerwiegende psychische Schäden allein nach sich zieht, als Körperverletzung im Sinn des § 1325 ABGB zu beurteilen sein. In solchen Fällen wird der Täter dem Opfer Schadenersatz einschließlich allfälliger Therapiekosten und einschließlich eines angemessenen Schmerzengeldes zu leisten haben. Ähnlich wird die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn ein sexueller Mißbrauch mit einer, nach § 1329 ABGB zum Ersatz immaterieller Schäden führenden Freiheitsberaubung einhergeht (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB² Rz 14 zu § 1328 ABGB). Lassen sich aber die Folgen des Mißbrauchs – noch – nicht als Körperverletzung qualifizieren und war das Opfer auch nicht in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, so kann gemäß § 1328 ABGB nur der materielle Schaden (also etwa die Kosten einer psychologischen oder psychotherapeutischen Behandlung), nicht aber „Schmerzengeld“ zuerkannt werden. Wie der Oberste Gerichtshof nämlich wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa OGH 15. 10. 1992, JBl. 1993, 595; 24. 8. 1995, 2 Ob 554/95 ua.) können auf der Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmung – die Fälle der Notzucht oder des gewaltsamen Mißbrauchs ausgenommen – immaterielle Beeinträchtigungen des Opfers nicht entschädigt werden.

Diese Rechtslage ist, wie sowohl von der Lehre (F. Bydlinski, Der Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl. 1965, 237 ff.; Strasser, Zum schadensrechtlichen Schutz der Geschlechtssphäre, JBl. 1965, 573 ff.) als auch von der Rechtsprechung (vgl. nur OGH 24. 8. 1995, 2 Ob 554/95) anerkannt wird, in hohem Maße unbefriedigend. Daher empfiehlt es sich, die derzeit geltende Beschränkung von Schadenersatzansprüchen bei Beeinträchtigung der geschlechtlichen Selbstbestimmung zu beseitigen. Die Neuregelung soll den Opfern sexuellen Mißbrauchs zu einem angemessenen Schadenersatz verhelfen. Darüber hinaus geht es darum, die Folgen einer Beeinträchtigung der sexuellen Entscheidungsfreiheit, eines wesentlichen Bestandteils der Privatsphäre (vgl. § 16 ABGB), neu zu gestalten.

Im einzelnen soll zunächst die geltende Regelung, die nach ihrem Wortlaut nur einer „Frauens­person“ zugute kommen kann, geschlechtsneutral gefaßt werden. Dadurch soll jeder Zweifel ausgeschlossen werden, daß vom Schutzbereich des § 1328 ABGB auch die sexuelle Selbstbestimmung eines Mannes erfaßt wird. Dies wird insbesondere für diejenigen Fälle Bedeutung haben, in denen Buben Opfer der in § 1328 ABGB verpönten Handlungen werden.

Weiters soll nicht nur die mißbräuchliche Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses, sondern auch der Mißbrauch eines „Autoritätsverhältnisses“ (vgl. § 212 StGB) erfaßt werden. Diese Neuerung dient ebenfalls der Klarstellung, sie zielt auf diejenigen Fälle ab, in denen nicht von vornherein gesichert ist, daß das Opfer vom Schädiger im eigentlichen Sinn des Wortes faktisch oder auch rechtlich „abhängt“. Auch diese Neuerung bringt keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage mit sich, zumal der Oberste Gerichtshof ohnehin zu einer extensiveren Auslegung des Ausdrucks „Abhängigkeitsverhältnis“ im Sinn des § 1328 ABGB tendiert (vgl. OGH 15. 10. 1992, JBl. 1993, 595).

Wie bereits erwähnt, wird der Ausschluß immaterieller Schadenersatzansprüche bei Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung nicht lückenlos durchgehalten: Der Oberste Gerichtshof hat nämlich im Anschluß an F. Bydlinski, JBl. 1965, 245, 252, mehrfach ausgesprochen, daß im Fall der Notzucht oder des (gewaltsamen) Mißbrauchs auch Schmerzengeld verlangt werden kann. Da bei derart gewalttätigen Beeinträchtigungen der geschlechtlichen Selbstbestimmung nicht mehr von einer „Gestattung der außerehelichen Beiwohnung“ gesprochen werden kann, wird der Zuspruch immateriellen Schadenersatzes hier aber auf die allgemeinen Regeln (§§ 1295 und 1323 f. ABGB) gestützt. Die überfällige Neuordnung der Folgen der Beeinträchtigung der sexuellen Entscheidungsfreiheit soll nun zum Anlaß genommen werden, diese Ungereimtheit des geltenden Rechts zu beseitigen. Es kann nämlich für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen der Beeinträchtigung der sexuellen Integrität einer Frau oder eines Mannes in der Tat nicht darauf ankommen, ob die oder der Betroffene die Beiwohnung durch den Täter „gestattet“ oder vom Täter zur Beiwohnung durch Gewalthandlungen gezwungen wird. Mit dieser Korrektur ist im Ergebnis ebenfalls keine Änderung der Rechtslage verbunden, zumal der Oberste Gerichtshof in den Fällen der Notzucht oder des gewaltsamen Mißbrauchs eben auch ideelle Schadenersatzansprüche zuerkennt. Die Neufassung bringt aber deutlicher als der geltende Text zum Ausdruck, daß in Hinkunft bei jeder schuldhaften und rechtswidrigen Verletzung der sexuellen Integrität Schadenersatz einschließlich des ideellen Schadens zu leisten ist.


Weiters soll in Hinkunft nicht nur die Gestattung der außerehelichen Beiwohnung schadenersatzpflichtig machen. Im Hinblick auf die mit der StGNov 1989 BGBl. Nr. 242 eingeführte Strafbarkeit (auch) einer „Vergewaltigung in der Ehe“ ist es nicht mehr gerechtfertigt, in der auf strafbare Handlungen ausdrücklich Bezug nehmenden Schadenersatzregelung des § 1328 ABGB nur auf sexuelle Handlungen „außerhalb der Ehe“ Bedacht zu nehmen. Eine Regelung, mit der zwar dem Partner einer Lebensgemeinschaft, nicht aber einem Ehegatten Ersatzansprüche zuerkannt würden, begegnete größten verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal Ehegatten trotz des Ausschlusses der Geltendmachung von Ansprüchen im Bereich der persönlichen Rechtswirkungen der „allgemeine Rechtsgüterschutz“ nicht versagt wird (vgl. OGH 26. 5. 1988, SZ 61/133).

Gerade in den Fällen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern muß es nicht immer zu einem Beischlaf kommen, weit häufiger werden „bloße“ unzüchtige Handlungen vorkommen. Für die Folgen und insbesondere die psychischen Schäden des Opfers kann es aber keinen Unterschied machen, in welcher Weise die Freiheit zur Selbstbestimmung der geschlechtlichen Sphäre beeinträchtigt wird. Daher sollen in Hinkunft auch mißbräuchliche geschlechtliche Handlungen explizit erfaßt werden. Auch insoweit wird die geltende Rechtslage also klargestellt.

Letztlich wird vorgesehen, über das bisherige Recht hinaus in allen Fällen des § 1328 ABGB einen Ersatz immateriellen Schadens zuzulassen. Wie ebenfalls bereits erwähnt, sind die geltenden Beschränkungen in hohem Maße unbillig. Es ist weiters sachlich kaum zu rechtfertigen, daß zwar die sexuelle Diskriminierung am Arbeitsplatz allfällige immaterielle Schadenersatzansprüche rechtfertigt (siehe § 2a Abs. 7 GlBG), nicht aber andere Beeinträchtigungen der geschlechtlichen Selbstbestimmung und der sexuellen Würde. Eine allenfalls befürchtete „Ausuferung“ immaterieller Schadenersatzansprüche ist mit der vorgesehenen Regelung nicht verbunden, zumal sich diese auf einen vergleichsweise doch eingeschränkten Bereich bezieht.

Der Begriff „Beeinträchtigung“ umfaßt zum einen die „bloße“ Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung des Opfers. Zum anderen werden mit diesem Ausdruck aber auch allfällige Folgen des Mißbrauchs des Opfers verstanden, die noch nicht als Beeinträchtigung der – psychischen – Gesundheit verstanden werden können, wie etwa bloße „Ungemach-“ oder „Unlustgefühle“.

Klargestellt sei schließlich, daß die Neuregelung andere Fälle der Verpflichtung zur Leistung immateriellen Schadenersatzes nicht berührt. Im besonderen gilt das für die einleitend erwähnten Bestimmungen der §§ 1325 und 1329 ABGB, die bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nach wie vor anwendbar sein sollen. Eine allfällige Konkurrenz der Ansprüche kann das Gericht zweckmäßigerweise im Rahmen der im Bereich des immateriellen Schadens üblichen „Globalbemessung“ berücksichtigen, wobei die Beeinträchtigung der geschlechtlichen Selbstbestimmung entsprechend zu gewichten sein wird.

Im Zuge der Ausschußberatungen ist auch erörtert worden, ob für Schadenersatzansprüche (kindlicher) Opfer eine Regelung erforderlich ist, die verhindert, daß solche Ansprüche verjähren, bevor sie rein tatsächlich überhaupt geltend gemacht werden können. Eine solche Regelung scheint aus folgenden Überlegungen nicht nötig:

Nach § 1489 ABGB verjähren Schadenersatzansprüche mit Ablauf von drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers, unabhängig von dieser Kenntnis nach dreißig Jahren. Für die beantwortende Frage ist naturgemäß nur die dreijährige Frist von Bedeutung.

Dabei ist zunächst davon auszugehen, daß für den Beginn des Laufs der dreijährigen Verjäh­rungsfrist bei Handlungsunfähigen, also etwa Minderjährigen, nicht deren eigene Kenntnis maßgebend ist, sondern die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters (OGH 3. 5. 1979, EFSlg 33 877; 28. 6. 1988, SZ 61/156). Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen minderjähriger Opfer beginnt also jedenfalls erst, wenn der gesetzliche Vertreter von dem sexuellen Mißbrauch Kenntnis erhält, also in der Regel entweder ein Elternteil oder – bei getrennt lebenden Eltern – derjenige Elternteil, dem die Obsorge für den Minderjährigen zukommt.

Darüber hinaus beginnt nach § 1495 ABGB zwischen Kindern und ihren Eltern und Vormündern die Verjährung nicht zu laufen, solange jene unter elterlicher oder vormundschaftlicher Gewalt stehen. Ist also der Täter ein Elternteil, so beginnt die Verjährungsfrist überhaupt erst mit Eintritt der Eigenberechtigung des Kindes zu laufen (und zwar auch die 30-Jahres-Frist). Dies gilt auch bei einer Trenung der Eltern gegenüber demjenigen Elternteil, der nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist (OGH 17. 7. 1963, SZ 36/101).

Es verbleibt die Fallgruppe, bei der der Täter mit dem Opfer nicht verwandt ist, jedoch zu dem gesetzlichen Vertreter des Opfers in einer so engen Beziehung steht, daß dieser trotz Kenntnis des sexuellen Mißbrauchs und der sich daraus ergebenden Schadenersatzansprüche diese nicht verfolgt; typische Situation ist der sexuelle Mißbrauch durch den Stiefvater oder den Lebensgefährten der Mutter, die allein obsorgeberechtigt und gesetzlicher Vertreter des Opfers ist. Verbleibt in diesem Fall der gesetzliche Vertreter mit dem Täter und dem Opfer in der Hausgemeinschaft, ohne die Ansprüche des Opfers geltend zu machen, so verletzt er damit seine Pflichten gegenüber dem Opfer und wird diesem schadenersatzpflichtig. Dies allein bedeutet eine Kollision der vom gesetzlichen Vertreter wahrzunehmenden Interessen des Opfers und den persönlichen Interessen des gesetzlichen Vertreters. Allein das Bestehen eines derartigen Interessenkonflikts bewirkt, daß dem Opfer nach § 271 ABGB ein Kollisionskurator zur Durchsetzung seiner Ansprüche zu bestellen ist. Darauf, ob eine solche Interessenkollision vom gesetzlichen Vertreter auch subjektiv als solche empfunden wird oder er sie voraussichtlich tatsächlich zum Nachteil des Pflegebefohlenen lösen wird, kommt es nicht an (OGH 30. 3. 1979, EvBl. 1979/214), es genügt, daß eine gesetzmäßige Vertretung des Pflegebefohlenen durch den gesetzlichen Vertreter nicht zu erwarten ist (OGH 31. 10. 1980, SZ 53/136). Ist jedoch für einen nicht Eigenberechtigten der erforderliche gesetzliche Vertreter nicht bestellt, so kann nach § 1494 ABGB gegen ihn keine Verjährung zu laufen beginnen, eine bereits angefangene Verjährungszeit kann nicht vor Ablauf von zwei Jahren „nach den gehobenen Hindernissen“ ablaufen, also nach Bestellung eines Kollisionskurators oder nach Erreichung der Eigenberechtigung. Diese Regel gilt auch für den Fall, daß ein nicht Eigenberechtigter zwar einen gesetzlichen Vertreter hat, aber eines Kollisionskurators bedürfte (OGH 2. 9. 1987, SZ 60/163).


Es ist also kein Fall denkbar, bei dem eine Verjährung der Schadenersatzansprüche des Opfers eintritt, bevor er selbst zur Geltendmachung der Ansprüche in der Lage oder ein seine Interessen wirksam vertretender gesetzlicher Vertreter vorhanden ist.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Justizausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle dem
angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 24. Oktober 1996            

                                  Josef Schrefel                                                   Mag. Dr. Maria Theresia Fekter

                                   Berichterstatter                                                                           Obfrau


Bundesgesetz über Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG)

Artikel I

Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs

Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 25/1995, wird wie folgt geändert:

1. § 215 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

,,Eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO und deren Vollzug nach § 382d EO kann der Jugendwohlfahrtsträger als Sachwalter des Minderjährigen beantragen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat; § 212 Abs. 4 gilt hiefür entsprechend.“

2. § 1328 ABGB hat samt Überschrift zu lauten:

„1a. an der geschlechtlichen Selbstbestimmung

§ 1328. Wer jemanden durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen Handlungen mißbraucht, hat ihm den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten.“

Artikel II

Änderungen der Exekutionsordnung

Die Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 519/1995, wird wie folgt geändert:

1. § 26 Abs. 2 Satz 1 hat zu lauten:

,,Die Vollstreckungsorgane können zur Beseitigung eines ihnen entgegengestellten Widerstands die den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unmittelbar um Unterstützung ersuchen.“

2. § 55 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

,,Jede Partei kann verlangen, daß außer ihrem Bevollmächtigten einer Person ihres Vertrauens die Anwesenheit bei ihrer mündlichen Einvernahme gestattet werde. Der Vertrauensperson kann die Anwesenheit untersagt werden, wenn begründete Besorgnis besteht, daß die Anwesenheit zur Störung der Einvernahme oder zur Erschwerung der Sachverhaltsfeststellung mißbraucht werde.“

3. In § 177 Abs. 3 wird das Wort ,,Sicherheitsorgane“ durch die Worte ,,den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes“ ersetzt.

4. § 382 Abs. 1 Z 8 lit. b und Abs. 2 werden aufgehoben.


5. Nach § 382a werden folgende Bestimmungen eingefügt:

,,Schutz vor Gewalt in der Familie

§ 382b. (1) Das Gericht hat einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf dessen Antrag

        1.   das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und

        2.   die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten,

wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient.

(2) Das Gericht hat einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf dessen Antrag

        1.   den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten und

        2.   aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden,

soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen.

(3) Nahe Angehörige im Sinn der Abs. 1 und 2 sind:

         1. a)    Ehegatten und Lebensgefährten,

              b)    Geschwister und Verwandte in gerader Linie, einschließlich der Wahl- und Pflegekinder sowie der Wahl- und Pflegeeltern,

              c)    die Ehegatten und Lebensgefährten der unter lit. b genannten Personen,

         2. a)    Verwandte in gerader Linie, einschließlich der Wahl- und Pflegekinder und der Wahl- und Pflegeeltern, des Ehegatten oder Lebensgefährten, sowie

              b)    Geschwister des Ehegatten oder Lebensgefährten,

wenn sie mit dem Antragsgegner in häuslicher Gemeinschaft leben oder innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung gelebt haben.

(4) Eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 oder 2 kann unabhängig vom Fortbestehen der häuslichen Gemeinschaft der Parteien und auch ohne Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, einem Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse oder einem Verfahren zur Klärung der Benützungsberechtigung an der Wohnung erlassen werden, doch darf, solange ein solches Verfahren nicht anhängig ist, die Zeit, für die eine derartige Verfügung getroffen wird, insgesamt drei Monate nicht übersteigen.

Verfahren und Anordnung

§ 382c. (1) Von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung der einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 ist insbesondere abzusehen, wenn eine weitere Gefährdung durch den Antragsgegner unmittelbar droht. Dies kann sich vor allem aus einem Bericht der Sicherheitsbehörde ergeben, den das Gericht von Amts wegen beizuschaffen hat; die Sicherheitsbehörden sind verpflichtet, solche Berichte den Gerichten unverzüglich zu übersenden. Wird jedoch der Antrag ohne unnötigen Aufschub nach einem Rückkehrverbot gestellt (§ 38a Abs. 7 SPG), ist dieser dem Antragsgegner unverzüglich zuzustellen.

(2) Der Auftrag zum Verlassen der Wohnung ist, wenn der Antragsteller nichts anderes beantragt, dem Antragsgegner durch das Vollstreckungsorgan beim Vollzug zuzustellen. Dieser Zeitpunkt ist dem Antragsteller mitzuteilen.

(3) Vom Inhalt des Beschlusses, mit dem über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b entschieden wird, und von einem Beschluß, mit dem die einstweilige Verfügung aufgehoben wird, sind auch

        1.   im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion diese, sonst die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde,

        2.   ist eine der Parteien minderjährig, auch der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger

unverzüglich zu verständigen.

(4) Hat der Antragsgegner gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus Anlaß einer Wegweisung nach § 38a Abs. 3 SPG eine Abgabestelle bekanntgegeben, so gilt diese als Abgabestelle für das gerichtliche Verfahren. Hat der Antragsgegner eine solche Bekanntgabe trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen unterlassen, so können die Zustellungen im Verfahren über die einstweilige Verfügung durch Hinterlegung so lange ohne vorausgehenden Zustellversuch vorgenommen werden (§§ 8 und 23 Zustellgesetz), bis dem Gericht eine Abgabestelle bekanntgegeben wird.

Vollzug

§ 382d. (1) Einstweilige Verfügungen nach § 382b Abs. 1 sind sofort von Amts wegen oder auf Antrag zu vollziehen.

(2) Das Vollstreckungsorgan hat den Antragsgegner aus der Wohnung zu weisen und ihm alle Schlüssel zur Wohnung abzunehmen und bei Gericht zu erlegen. Es hat dem Antragsgegner Gelegenheit zur Mitnahme seiner persönlichen Wertsachen und Dokumente sowie jener Sachen zu gewähren, die seinem alleinigen persönlichen Gebrauch oder der Ausübung seines Berufs dienen.

(3) Ist der Antragsgegner beim Vollzug nicht anwesend, so hat ihm das Vollstreckungsorgan auf seinen Antrag binnen zweier Tage Gelegenheit zu geben, seine Sachen im Sinn des Abs. 2 aus der Wohnung abzuholen. Auf dieses Recht ist der Antragsgegner vom Vollstreckungsorgan durch Hinterlassung einer Nachricht an der Wohnungstüre hinzuweisen.

(4) Das Gericht kann auch die Sicherheitsbehörden mit dem Vollzug einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 durch die ihnen zur Verfügung stehenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beauftragen. In diesem Fall sind diese Organe als Vollstreckungsorgane jeweils auf Ersuchen des Antragstellers verpflichtet, den einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs. 1 entsprechenden Zustand durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt herzustellen und dem Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, darüber zu berichten.“

6.    § 387 Abs. 3 wird wie folgt geändert:

a)   Nach dem Zitat ,,§ 382 Abs. 1 Z 8“ wird das Zitat ,,oder nach § 382b“ eingefügt.

b)   Folgender Satz wird angefügt:

,,Wird nur eine einstweilige Verfügung nach § 382b Abs. 2 beantragt, so ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“

7. In § 390 Abs. 4 wird das Zitat ,,dem § 382 Abs. 1 Z 8 oder dem § 382a“ durch das Zitat ,,§ 382 Abs. 1 Z 8, § 382a oder § 382b“ ersetzt.

8. In § 393 Abs. 2 wird das Zitat ,,§ 382 Abs. 1 Z 8 lit. b und Abs. 2“ durch das Zitat ,,§ 382b“ ersetzt.

Artikel III

Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes

Das Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 201/1996, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 38 wird folgender § 38a samt Überschrift eingefügt:

,,Wegweisung und Rückkehrverbot bei Gewalt in Wohnungen

§ 38a. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind überdies ermächtigt, dem Betroffenen die Rückkehr in den nach Abs. 1 bestimmten Bereich zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Rückkehrverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen.

(3) Im Falle eines Rückkehrverbotes sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet, vom Betroffenen die Bekanntgabe einer Abgabestelle für Zwecke der Zustellung einer Information über die Aufhebung des Rückkehrverbotes oder einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO zu verlangen. Unterläßt er dies, kann die Zustellung solcher Schriftstücke so lange durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch erfolgen, bis eine Bekanntgabe erfolgt; darauf ist der Betroffene hinzuweisen.


(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind weiters verpflichtet, den Gefährdeten von der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO und von geeigneten Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 2) zu informieren.

(5) Bei der Dokumentation der Anordnung eines Rückkehrverbotes ist nicht bloß auf die für das Einschreiten maßgeblichen Umstände, sondern auch auf jene Bedacht zu nehmen, die für ein Verfahren nach § 382b EO von Bedeutung sein können.

(6) Die Anordnung eines Rückkehrverbotes ist der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Hiezu kann die Sicherheitsbehörde alle Einrichtungen und Stellen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde kann überdies die im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzte heranziehen. Sie hat, sobald sich ergibt, daß die Voraussetzungen für die Anordnung des Rückkehrverbotes nicht mehr bestehen, dieses aufzuheben und hievon den Betroffenen und den Gefährdeten unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die nach Abs. 2 abgenommenen Schlüssel sind mit Aufhebung des Rückkehrverbotes dem Betroffenen auszufolgen, im Falle eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO bei Gericht zu erlegen.

(7) Das Rückkehrverbot endet mit Ablauf des siebenten Tages nach seiner Anordnung; es endet in jenen Fällen, in denen das Gericht die Sicherheitsbehörde von einem ohne unnötigen Aufschub eingebrachten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO in Kenntnis gesetzt hat, mit dem vom Gericht bekanntgegebenen Tag der Entscheidung, spätestens jedoch nach 14 Tagen.“

2. § 56 Abs. 1 wird folgende Z 8 angefügt:

      ,,8.   an geeignete Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 2), soweit dies zum Schutz gefährdeter Menschen erforderlich ist.“

3. § 84 Abs. 1 lautet:

,,(1) Wer

        1.   einem mit Verordnung gemäß § 36 Abs. 1 erlassenen Verbot zuwider einen Gefahrenbereich betritt oder sich in ihm aufhält oder

        2.   ein Rückkehrverbot gemäß § 38a Abs. 2 mißachtet oder

        3.   einer mit Verordnung gemäß § 49 Abs. 1 getroffenen Maßnahme, deren Nichtbefolgung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, zuwiderhandelt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5 000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen.“

4. § 94 wird folgender Abs. 4 angefügt:

,,(4) Die §§ 38a, 56 Abs. 1 Z 8 und 84 Abs. 1 in der Fassung des BGBl. Nr. .../1996 treten mit dem 1. Mai 1997 in Kraft.“

5. In § 98 Abs. 2 treten an die Stelle des Ausdrucks ,,des § 47 Abs. 3“ die Worte ,,der §§ 38a Abs. 5 und 47 Abs. 3“.

Artikel IV

Übergangs- und Schlußbestimmungen

§ 1. Art. I Z 1 und II dieses Bundesgesetzes treten mit 1. Mai 1997 in Kraft. Sie sind auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 30. April 1997 anhängig gemacht worden sind.

§ 2. Art. I Z 2 tritt mit 1. Jänner 1997 in Kraft. Er ist auf Tathandlungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 gesetzt worden sind.