413 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 13. 12. 1996

Regierungsvorlage


ABKOMMEN

ZWISCHEN DER REPUBLIK ÖSTERREICH UND DEM FÜRSTENTUM LIECHTENSTEIN ÜBER SOZIALE SICHERHEIT

Die Republik Österreich und das Fürstentum Liechtenstein

1

in dem Wunsche, unter Bedachtnahme auf Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit zwischen den beiden Staaten über die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72 hinausgehend Personen zu schützen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder beider Staaten geschützt sind oder waren,

sind übereingekommen, folgendes Abkommen zu schließen, das an die Stelle des Abkommens vom 26. September 1968 zwischen den beiden Staaten über Soziale Sicherheit in der Fassung des Zusatzabkommens vom 16. Mai 1977 und des Zweiten Zusatzabkommens vom 22. Oktober 1987 tritt:

ABSCHNITT I

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 1

(1) In diesem Abkommen bedeuten die Ausdrücke

        1.   „Verordnung“

              die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der zwischen den beiden Vertragsstaaten jeweils geltenden Fassung;

        2.   „Durchführungsverordnung“

              die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der zwischen den beiden Vertragsstaaten jeweils geltenden Fassung.

(2) In diesem Abkommen haben andere Ausdrücke die Bedeutung, die ihnen nach der Verordnung und der Durchführungsverordnung oder, soweit diese nichts anderes bestimmen, den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zukommt.

Artikel 2

(1) Dieses Abkommen gilt für die Rechtsvorschriften, die vom sachlichen Geltungsbereich der Verordnung erfaßt sind, mit Ausnahme der Leistungen bei Arbeitslosigkeit.

(2) Dieses Abkommen bezieht sich nicht auf das Karenzurlaubsgeld nach den österreichischen Rechtsvorschriften.

Artikel 3

(1) Dieses Abkommen gilt für Personen, die vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung erfaßt sind.


(2) Dieses Abkommen gilt ferner für folgende Personen, die nicht vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung erfaßt sind:

         a)  Personen, für die die Rechtsvorschriften eines oder beider Vertragsstaaten gelten oder galten;

         b)  Personen, die Familienangehörige oder Hinterbliebene der in Buchstabe a) genannten Personen sind.

Artikel 4

(1) Die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates, die außerhalb des Gebietes eines Staates wohnen, für den die Verordnung gilt, stehen bei Anwendung der Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates den Staatsangehörigen dieses Vertragsstaates gleich.

(2) Absatz 1 berührt nicht die Rechtsvorschriften der beiden Vertragsstaaten betreffend die Versicherung von Personen, die bei einer amtlichen Vertretung eines der beiden Vertragsstaaten in einem anderen Staat als einem Staat, für den die Verordnung gilt, oder bei Mitgliedern einer solchen Vertretung beschäftigt sind.

(3) Absatz 1 berührt nicht die liechtensteinischen Rechtsvorschriften über die freiwillige Versicherung der im Ausland niedergelassenen liechtensteinischen Staatsangehörigen.

Artikel 5

(1) Für die in Artikel 3 Absatz 2 genannten Personen finden im Verhältnis zwischen den beiden Vertragsstaaten die Verordnung, die Durchführungsverordnung und die zu ihrer Durchführung getroffenen Vereinbarungen entsprechend Anwendung, soweit in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist.

(2) Artikel 3 der Verordnung gilt in bezug auf die in Artikel 3 Absatz 2 genannten Personen nur für die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten, für Flüchtlinge und Staatenlose sowie für die Familienangehörigen und Hinterbliebenen dieser Personen.

(3) Absatz 1 findet keine Anwendung auf Leistungen nach Titel III Kapitel 8 der Verordnung.

ABSCHNITT II

Besondere Bestimmungen

Artikel 6

Die Familienangehörigen eines Grenzgängers können Sachleistungen nach Artikel 20 der Verordnung auch im Gebiet des zuständigen Staates in derselben Weise wie der Grenzgänger erhalten.

Artikel 7

(1) Nichterwerbstätige österreichische Staatsangehörige erhalten Eingliederungsmaßnahmen der liechtensteinischen Invalidenversicherung, wenn sie unmittelbar bevor diese Maßnahmen in Betracht kommen und während der Durchführung dieser Maßnahmen in Liechtenstein Wohnsitz haben.

(2) In Ergänzung zu Absatz 1 werden Kinder, die Staatsangehörige eines Vertragsstaates und in Österreich invalid geboren sind und deren Mutter sich dort vor der Geburt insgesamt während höchstens zwei Monaten aufgehalten hat, den in Liechtenstein invalid geborenen Kindern gleichgestellt. Die liechtensteinische Invalidenversicherung übernimmt im Falle eines Geburtsgebrechens des Kindes auch die während der ersten drei Monate nach der Geburt in Österreich entstandenen Kosten bis zu dem Umfang, in dem sie solche Leistungen in Liechtenstein hätte gewähren müssen.

(3) Die liechtensteinischen Rechtsvorschriften über die Eingliederungsmaßnahmen der Invalidenversicherung für minderjährige Liechtensteiner Bürger mit Wohnsitz im Ausland gelten nicht für die in Artikel 3 Absatz 2 genannten Personen.

Artikel 8

Soweit nach den Rechtsvorschriften über die liechtensteinische Rentenversicherung der Anspruch auf Renten vom Bestehen eines Versicherungsverhältnisses im Zeitpunkt des Versicherungsfalles abhängig ist, gelten als Versicherte im Sinne dieser Rechtsvorschriften auch österreichische Beamte sowie die Bezieher einer österreichischen Rentenleistung bei Invalidität oder bei Alter für Beamte.

Artikel 9

Für die in Artikel 3 Absätze 1 und 2 genannten Personen, die außerhalb des Gebietes eines Staates wohnen, für den die Verordnung gilt, und für die in Artikel 3 Absatz 2 genannten Personen, die im Gebiet eines Staates wohnen, für den die Verordnung gilt, findet in bezug auf

         a)  Kinderzuschüsse zu Alters- und Invaliditätsrenten,

         b)  Waisenrenten mit Ausnahme von Waisenrenten aus der Versicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten

Titel III Kapitel 3 der Verordnung entsprechend Anwendung.

ABSCHNITT III

Verschiedene Bestimmungen

Artikel 10

2

In jenen Fällen, in denen die Vertragsstaaten anstelle der nach den Artikeln 93 bis 96 der Durchführungsverordnung vorgesehenen Kostenerstattung eine Erstattung auf der Grundlage eines Pauschbetrages oder einen Verzicht auf eine Erstattung vereinbaren, können die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten folgendes vereinbaren:

         a)  die Bezeichnung des Trägers des Wohnortes als zuständiger Träger;

         b)  Maßnahmen zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Belastung, die sich für einen Träger oder für eine Verbindungsstelle aus der Erstattung auf der Grundlage eines Pauschbetrages oder aus dem Verzicht auf eine Erstattung ergeben würde.

Artikel 11

(1) Die vollstreckbaren Entscheidungen der Gerichte sowie die vollstreckbaren Bescheide und Rückstandsausweise (Urkunden) der Träger oder der Behörden eines Vertragsstaates über Beiträge und sonstige Forderungen aus der sozialen Sicherheit werden im anderen Vertragsstaat anerkannt.

(2) Die Anerkennung darf nur versagt werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung des Vertragsstaates widerspricht, in dem die Entscheidung oder die Urkunde anerkannt werden soll.

(3) Die nach Absatz 1 anerkannten vollstreckbaren Entscheidungen und Urkunden werden im anderen Vertragsstaat vollstreckt. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach den Rechtsvorschriften, die in dem Vertragsstaat, in dessen Gebiet vollstreckt werden soll, für die Vollstreckung der in diesem Vertragsstaat erlassenen entsprechenden Entscheidungen und Urkunden gelten. Die Ausfertigung der Entscheidung oder der Urkunde muß mit der Bestätigung ihrer Vollstreckbarkeit (Vollstreckungsklausel) versehen sein.

(4) Forderungen von Trägern im Gebiet eines Vertragsstaates aus Beitragsrückständen haben bei der Zwangsvollstreckung sowie im Konkurs- und Ausgleichsverfahren im Gebiet des anderen Vertragsstaates die gleichen Vorrechte wie entsprechende Forderungen im Gebiet dieses Vertragsstaates.

Artikel 12

Streitigkeiten zwischen den Vertragsstaaten über die Auslegung oder die Anwendung dieses Abkommens sollen, soweit möglich, durch die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten beigelegt werden.

ABSCHNITT IV

Übergangs- und Schlußbestimmungen

Artikel 13

Für die Feststellung und Neufeststellung von Leistungen nach diesem Abkommen gelten die Artikel 94 und 95 der Verordnung sowie die Artikel 118 und 119 der Durchführungsverordnung mit Inkrafttreten dieses Abkommens entsprechend.

Artikel 14

(1) Dieses Abkommen ist zu ratifizieren. Die Ratifikationsurkunden sind so bald wie möglich in Vaduz auszutauschen.

(2) Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des dritten Monats nach Ablauf des Monats in Kraft, in dem die Ratifikationsurkunden ausgetauscht werden.

(3) Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Jeder Vertragsstaat kann es unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten schriftlich auf diplomatischem Weg kündigen.


(4) Im Falle der Kündigung gelten die Bestimmungen dieses Abkommens für erworbene Ansprüche weiter.

Artikel 15

Mit Inkrafttreten dieses Abkommens treten außer Kraft:

         a)  das Abkommen vom 26. September 1968 zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Soziale Sicherheit samt Schlußprotokoll in der Fassung des Zusatzabkommens vom 16. Mai 1977 und des Zweiten Zusatzabkommens vom 22. Oktober 1987;

         b)  die Vereinbarung vom 30. Oktober 1968 zur Durchführung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über Soziale Sicherheit in der Fassung der Zusatzvereinbarung vom 8. Mai 1974, der Zweiten Zusatzvereinbarung vom 9. Juni 1977 und der Dritten Zusatzvereinbarung vom 27. Oktober 1988.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten beider Vertragsstaaten dieses Abkommen unterzeichnet.

Geschehen zu Wien, am 23. September 1996 in zwei Urschriften.

Für die Republik Österreich:

Franz Hums

Für das Fürstentum Liechtenstein:

Dr. Michael Ritter

vorblatt

Problem:

Im Rahmen des EWR-Abkommens werden die Beziehungen zwischen Österreich und Liechtenstein im Bereich der sozialen Sicherheit durch die diesbezüglich maßgebenden Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72 geregelt. Allerdings bleibt für bestimmte Personengruppen, die von diesen EWG-Verordnungen nicht erfaßt werden, das geltende bilaterale Abkommen über soziale Sicherheit zwischen beiden Staaten weiterhin anwendbar, was vor allem in administrativer aber auch in sozialpolitischer Hinsicht problematisch ist.

Ziel und Inhalt:

Durch das vorliegende Abkommen, das an die Stelle des geltenden bilateralen Abkommens tritt, werden Regelungen in Ergänzung zu den EWG-Verordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit entsprechend dem geltenden Abkommen vorgesehen und zur Rechtsvereinheitlichung insbesondere die Regelungen dieser EWG-Verordnungen für die hievon nicht erfaßten Personengruppen für entsprechend anwendbar erklärt.

Alternativen:

Keine.

Kosten:

Mehrkosten von rund 370 000 S im Zeitraum 1997 bis 1999.

EG-Konformität:

Hinsichtlich der von den EWG-Verordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit nicht geregelten Detailbereiche bzw. der von diesen EWG-Verordnungen nicht erfaßten Personen stehen keine EG-Vorschriften in Kraft. Durch die entsprechende Anwendung der EWG-Verordnungen auf diesen Personenkreis wird auch dafür eine EG-konforme Regelung erreicht.

Erläuterungen


I. Allgemeiner Teil

1. Allgemeine Überlegungen

Das vorliegende österreichisch-liechtensteinische Abkommen über soziale Sicherheit hat gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2     B-VG nicht erforderlich ist. Das Abkommen enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Das vorliegende Abkommen ersetzt das derzeit in Kraft stehende österreichisch-liechtensteinische Abkommen über soziale Sicherheit vom 26. September 1968, BGBl. Nr. 72/1969, in der Fassung des Zusatzabkommens vom 16. Mai 1977, BGBl. Nr. 39/1978, und des Zweiten Zusatzabkommens vom 22. Oktober 1987, BGBl. Nr. 620/1988 (im folgenden als „geltendes Abkommen“ bezeichnet).

2. Werdegang des Abkommens

Als Folge der Verhandlungen zur Vorbereitung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen), BGBl. Nr. 909/1993, ist Österreich bestrebt, mit allen EG-Mitgliedstaaten bzw. den vom EWR-Abkommen erfaßten EFTA-Staaten neue Abkommen unter Bedachtnahme auf das im Rahmen des EWR-Abkommens wirksam werdende EG-Recht zu schließen. Die diesbezüglichen Besprechungen mit Liechtenstein wurden im August 1995 aufgenommen und konnten nunmehr abgeschlossen werden.

3. Das Abkommen im allgemeinen

Mit dem Beitritt Liechtensteins zum EWR-Abkommen mit 1. Mai 1995 (Beschluß des EWR-Rates Nr. 1/95, ABl. Nr. L 86 vom 20. 4. 1995, S. 58) sind für die Beziehungen zwischen beiden Staaten im Bereich der sozialen Sicherheit die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, sowie die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung dieser Verordnung maßgebend (siehe Anhang VI zum EWR-Abkommen, Punkte 1 und 2).

Nach Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 tritt diese Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereiches an die Stelle der zwischen den EWR-Staaten geschlossenen bilateralen Abkommen. Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (Art. 2) umfaßt im wesentlichen nur die Arbeitnehmer und Selbständigen, die Staatsangehörige eines EWR-Staates sind, sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Das geltende österreichisch-liechtensteinische Abkommen bleibt daher hinsichtlich der von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten Personengruppen (insbesondere Nichterwerbstätige, was unter anderem in bezug auf das liechtensteinische Rentensystem von Bedeutung ist) weiterhin anwendbar. Im Hinblick auf Unterschiede zwischen dem „alten“ bilateralen Abkommensrecht und dem EG-Recht, die sich zum einen in Einzelfällen für die Betroffenen positiv oder negativ auswirken können, zum anderen aber zu einer kaum zu bewältigenden administrativen Belastung der mit der Anwendung betrauten Versicherungsträger führen, ist Österreich – wie die meisten anderen betroffenen europäischen Staaten – bemüht, durch den Abschluß neuer bilateraler Abkommen das EG-Recht im Bereich der sozialen Sicherheit insbesondere für die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten Personen entsprechend zur Anwendung zu bringen. Dadurch wird – entsprechend den zuletzt getroffenen bilateralen Abkommen – auch im Verhältnis zu Liechtenstein eine Ausdehnung des bisherigen Anwendungsbereiches der bilateralen Beziehungen auf die Staatsangehörigen von Drittstaaten erreicht.

Dieser Ausdehnung kommt insbesondere im Bereich der anzuwendenden Rechtsvorschriften (Vermeidung von Doppelversicherungen bzw. des Fehlens eines Versicherungsschutzes) sowie im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung hinsichtlich der möglichen Sachleistungsgewährung während eines vorübergehenden Aufenthaltes im anderen Vertragsstaat Bedeutung zu. Im Bereich der Pensionsversicherung hat sie im Hinblick auf die geringe Fluktuation von Erwerbstätigen mit einer Staatsangehörigkeit eines Nicht-EWR-Staates zwischen den beiden Staaten keine wesentliche Bedeutung.

Das vorliegende Abkommen hat daher primär eine Rechtsvereinheitlichung im Verhältnis zu Liechtenstein zum Ziel, dehnt darüber hinaus aber auch die bilateralen Beziehungen im erforderlichen Ausmaß auf die Staatsangehörigen von Drittstaaten aus und enthält in Detailbereichen, hinsichtlich derer das EG-Recht einen Gestaltungsspielraum zuläßt, die erforderlichen Regelungen.

Das vorliegende Abkommen entspricht damit im wesentlichen den anderen in letzter Zeit mit EG- bzw. EFTA-Staaten geschlossenen neuen „Ergänzungsabkommen“, wie insbesondere dem bereits mit 1. Februar 1996 in Kraft getretenen Abkommen mit Island (BGBl. Nr. 62/1996) und den bereits unterzeichneten neuen Abkommen mit Deutschland vom 4. Oktober 1995 und mit Schweden vom 21. März 1996.

Wie die genannten Abkommen ist auch das vorliegende Abkommen in vier Abschnitte gegliedert:

Abschnitt I enthält allgemeine Bestimmungen, die im wesentlichen den sachlichen und persönlichen Geltungsbereich, den Grundsatz der Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen und die entsprechende Anwendung des EG-Rechts im zweiseitigen Bereich auf die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten Personengruppen betreffen.

Abschnitt II sieht hinsichtlich der einzelnen Zweige der sozialen Sicherheit ergänzende Regelungen vor.

Abschnitt III enthält Regelungen betreffend die Kostenerstattung, die Vollstreckungshilfe sowie die Beilegung von Streitigkeiten.

Abschnitt IV enthält Übergangs- und Schlußbestimmungen.

4. Finanzielle Auswirkungen

Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen des Abkommens ist zunächst darauf hinzuweisen, daß das Abkommen primär im Sinne einer Rechtsvereinheitlichung für die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten österreichischen und liechtensteinischen (nicht erwerbstätigen) Staatsangehörigen anstelle der geltenden Abkommensregelungen die Regelungen der Verordnung anwendbar macht.

Der Ausdehnung der bilateralen Beziehungen auf die Staatsangehörigen von Drittstaaten kommt – worauf bereits in den allgemeinen Bemerkungen unter Punkt 3 hingewiesen wurde – primär im Bereich der anzuwendenden Rechtsvorschriften sowie im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung Bedeutung zu, wobei sich daraus aber kein finanzieller Mehraufwand ergibt.

Hinsichtlich des Bereiches des Pensionsversicherung ist zu berücksichtigen, daß im Hinblick auf die geringe Anzahl von Nicht-EWR-Staatsangehörigen an der liechtensteinischen Wohn- bzw. erwerbstätigen Bevölkerung sowie die zweifellos geringe Fluktuation dieser Personen zwischen den beiden Vertragsstaaten die Anzahl solcher zwischenstaatlichen Pensionsfälle sehr gering sein wird. Hinsichtlich der neu einbezogenen Drittstaatsangehörigen kann daher mit zwei Neuzugängen mit Inkrafttreten des Abkommens sowie pro Jahr mit einem weiteren Neuzugang gerechnet werden, wobei unter Berücksichtigung der 287 zwischenstaatlichen Überweisungsfälle nach Liechtenstein im Dezember 1994 von einer Durchschnittsleistung von rund 2 060 S pro Monat ausgegangen werden kann.

Bei einem Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens mit 1. Jänner 1997 kann daher für den Zeitraum 1997 bis 1999 mit einem finanziellen Mehraufwand bei den Pensionsleistungen in der Höhe von 370 000 S gerechnet werden.

II. Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Dieser Artikel enthält die erforderlichen Begriffsbestimmungen, insbesondere betreffend die beiden EWG-Verordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 (Abs. 1).

Durch die Übernahme der in diesen beiden Verordnungen verwendeten Begriffe (Abs. 2) werden Interpretationsprobleme bei der Anwendung des vorliegenden Abkommens vermieden. Die bisher lediglich auf der Rechtssprache Deutschlands beruhende deutsche Textfassung der beiden Verordnungen hat zur Folge, daß in dem vorliegenden Abkommen von der österreichischen Rechtssprache abweichende Begriffe verwendet werden. So ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß zB „Pension“ oder „Pensionist“ im Rahmen des EG-Rechtes als „Rente“ oder „Rentner“ bezeichnet werden.

Zu Art. 2:

Dieser Artikel legt den sachlichen Geltungsbereich des Abkommens fest, indem auf den sachlichen Geltungsbereich der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 (Art. 4) verwiesen wird (Abs. 1). Im Hinblick darauf, daß derzeit der Bereich der Arbeitslosenversicherung durch ein eigenes Abkommen vom 24. Juli 1981, BGBl. Nr. 76/1982, geregelt wird, bezieht sich auch das vorliegende Abkommen nicht auf diesen Bereich. Hinsichtlich weiterer Einschränkungen betreffend einzelne Leistungen der sozialen Sicherheit siehe insbesondere Art. 5 Abs. 3 des vorliegenden Abkommens.

Abs. 2 sieht schließlich vor, daß sich das Abkommen nicht auf das Karenzurlaubsgeld nach den österreichischen Rechtsvorschriften (§§ 26 ff. AlVG) bezieht, da diese Leistung auch vom geltenden Abkommen über Arbeitslosenversicherung nicht erfaßt wird. Ergänzend ist zu bemerken, daß im Unterschied zur Systematik des österreichischen Rechts das Karenzurlaubsgeld aus der Sicht des EG-Rechts im Hinblick auf die sozialpolitische Zielsetzung dieser Leistung zu den Familienleistungen und nicht zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu zählen ist.

Zu Art. 3:

Dieser Artikel regelt den persönlichen Geltungsbereich des vorliegenden Abkommens. Für das Verständnis des Abkommens sind dabei zwei Personengruppen zu unterscheiden:

         –   Personen, die vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (Art. 2) erfaßt sind (Abs. 1). Dazu zählen insbesondere Arbeitnehmer und Selbständige, die Staatsangehörige eines EWR-Staates sind, sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene; darüber hinaus auch Hinterbliebene von Arbeitnehmern oder Selbständigen unabhängig von der Staatsangehörigkeit dieser Erwerbstätigen, sofern die Hinterbliebenen EWR-Staatsangehörige sind. Den EWR-Staatsangehörigen sind Staatenlose und Flüchtlinge gleichgestellt.

         –   Personen die vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßt sind (Abs. 2). Hiezu zählen zum einen EWR-Staatsangehörige, die nicht als Arbeitnehmer, Selbständige oder Familienangehörige bzw. Hinterbliebene anzusehen sind. Zum anderen fallen darunter alle Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Nicht-EWR-Staates besitzen, unabhängig davon, ob diese dem System eines Vertragsstaates als Arbeitnehmer, Selbständiger oder als Nichterwerbstätiger unterliegen oder deren Familienangehörige bzw. Hinterbliebene sind.

Zu Art. 4:

Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 sieht die Gleichbehandlung der von der Verordnung erfaßten Personen (siehe diesbezüglich die Erläuterungen zu Art. 3 des vorliegenden Abkommens) nur hinsichtlich jener Personen vor, die im Gebiet eines EWR-Staates wohnen. Im Unterschied dazu sieht das geltende Abkommen (Art. 4) eine Gleichbehandlung der Staatsangehörigen unabhängig von ihrem Wohnort vor.

Im Abs. 1 wird daher festgelegt, daß die Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten über die Regelung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 hinausgehend auch dann gleichzubehandeln sind, wenn sie in einem Nicht-EWR-Staat wohnen. Diese Regelung betrifft gleichermaßen Staatsangehörige, die vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erfaßt sind, als auch (nichterwerbstätige) Staatsangehörige der beiden Vertragsstaaten, die außerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 stehen.

Zur Vermeidung ungewollter Auswirkungen wird – wie im geltenden Abkommen (Z 3 lit. c des Schlußprotokolls zum Abkommen) ergänzend vorgesehen (Abs. 2), daß der Gleichbehandlungsregelung keine Wirkung hinsichtlich der nationalen Regelungen betreffend die Versicherung der bei einer amtlichen Vertretungsbehörde eines Vertragsstaates in einem Nicht-EWR-Staat beschäftigten Personen (in Österreich § 3 Abs. 2 lit. f ASVG) zukommt. Dadurch wird ausgeschlossen, daß liechtensteinische Staatsangehörige, die zB bei der Österreichischen Botschaft in Tokio beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in Österreich unterliegen.

Entsprechend der diesbezüglich im geltenden Abkommen enthaltenen Ausnahme (Z 3 lit. e des Schlußprotokolls zum Abkommen) sieht Abs. 3 ergänzend eine Ausnahme von der Gleichbehandlung hinsichtlich der liechtensteinischen freiwilligen Versicherung bei Wohnort in einem Nicht-EWR-Staat vor.

Zu Art. 5:

Abs. 1 legt für die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten Personen (siehe diesbezüglich die Erläuterungen zu Art. 3 des vorliegenden Abkommens) fest, daß die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 sowie die zu ihrer Durchführung getroffenen Vereinbarungen entsprechend anzuwenden sind.

Auf die vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung  (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten Personen sind daher neben den beiden Verordnungen insbesondere die Beschlüsse der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Anhang VI Punkte 3 ff. des EWR-Abkommens) sowie zB auch die mit Liechtenstein geschlossene Kostenerstattungsvereinbarung vom 14. Dezember 1995, BGBl. Nr. 61/1996, anzuwenden.

Im Hinblick darauf, daß nach Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 sämtliche Personen gleichzubehandeln sind, die vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung erfaßt werden, eine entsprechende Anwendung auch auf sämtliche von der Verordnung nicht erfaßten Personen (dazu zählen insbesondere auch alle Staatsangehörigen eines Nicht-EWR-Staates) aber von beiden Vertragsstaaten nicht beabsichtigt und auch im geltenden Abkommen (Art. 4) nicht vorgesehen ist, wird im Abs. 2 die Anwendung der Gleichbehandlungsregelung des Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 auf die (nicht erwerbstätigen) Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten, Flüchtlinge und Staatenlose bzw. deren Familienangehörige und Hinterbliebene eingeschränkt. Hinsichtlich der Gleichbehandlung der Staatsangehörigen, die in einem Nicht-EWR-Staat wohnen, siehe die Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 1 des vorliegenden Abkommens.

Ergänzend sieht Abs. 3 eine Ausnahme hinsichtlich der Anwendung der leistungsrechtlichen Bestimmungen der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 betreffend Leistungen für unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern und für Waisen (Titel III Kapitel 8) vor (siehe diesbezüglich auch die Erläuterungen zu Art. 9 des vorliegenden Abkommens, der für diese Leistung die entsprechende Anwendung des Titels III Kapitel 3 der Verordnung betreffend Leistungen bei Alter und Tod festlegt).

Zu Art. 6:

Nach Art. 20 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 können Grenzgänger Leistungen nicht nur nach Art. 19 der Verordnung im Wohnortstaat sondern auch im zuständigen Staat (jener Staat, in dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird) erhalten. Für die Familienangehörigen des Grenzgängers ist die Leistungsgewährung im zuständigen Staat allerdings auf Dringlichkeitsfälle bzw. auf jene Fälle beschränkt, in denen der zuständige Träger zur jeweiligen Behandlung seine Zustimmung erteilt. Allerdings können die jeweils betroffenen Staaten die Anwendung der für die Grenzgänger geltenden Regelung auf deren Familienangehörige vereinbaren. Mit der vorliegenden Regelung werden daher die Familienangehörigen dem Grenzgänger selbst gleichgestellt, wodurch auch diese ohne weitere Beschränkungen die Leistungen im zuständigen Staat in Anspruch nehmen können.

Zu Art. 7:

Dieser Artikel enthält besondere Bestimmungen betreffend die Gewährung von Eingliederungsmaßnahmen aus der liechtensteinischen Invalidenversicherung entsprechend den diesbezüglich im geltenden Abkommen vorgesehenen Regelungen.

Abs. 1 bekräftigt entsprechend Art. 16a Abs. 2 des geltenden Abkommens den innerstaatlichen Grundsatz, wonach nichterwerbstätige Personen für den Anspruch auf Eingliederungsmaßnahmen in Liechtenstein ihren zivilrechtlichen Wohnsitz haben müssen, wobei aber die im geltenden Abkommen enthaltene weitere Anspruchsvoraussetzung des Vorliegens einer unmittelbar vorangehenden ununterbrochenen Wohnsitzdauer von einem Jahr nicht mehr erforderlich ist.

Entsprechend der diesbezüglichen Sonderregelung der Ziffer 8a des Schlußprotokolls zum geltenden Abkommen wird die bisher für geburtsinvalide Kinder vorgesehene Besserstellung im Abs. 2 aufrechterhalten.

So wie bereits im geltenden Abkommen schließt Abs. 3 eine über den Abs. 2 hinausgehende generelle Gleichstellung mit den minderjährigen liechtensteinischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Ausland aus.

Art. 8:

Durch die Regelung wird die im Anhang VI Abschnitt P Liechtenstein Z 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in der Fassung des EWR-Abkommens vorgesehene Gleichstellung bestimmter in Österreich vorliegender Sachverhalt für die Voraussetzung des Vorliegens eines aktuellen Versicherungsverhältnisses in Liechtenstein bei Eintritt des Versicherungsfalles („Versicherungsklausel“) um Personen ergänzt, die bei Eintritt des Versicherungsfalles aktive österreichische Beamte bzw. Bezieher eines Ruhe- oder Versorgungsgenusses aus einem österreichischen Beamten-Pensionssystem sind. Durch diese Regelung kann im Interesse der Betroffenen eine Lücke geschlossen werden, die in der Vergangenheit österreichische Beamte in bestimmten Fällen vom Anspruch auf Leistungen der liechtensteinischen Invalidenversicherung ausgeschlossen hat.

Zu Art. 9:

Titel III Kapitel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 enthält lediglich einen Koordinierungsmechanismus für Leistungen an Personen, die in einem EWR-Staat wohnen. Auch für die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erfaßten Personen (siehe diesbezüglich die Erläuterungen zu Art. 3 des vorliegenden Abkommens), die in einem Nicht-EWR-Staat wohnen, ist daher die Gewährung von Kinderzuschüssen zu Alters- und Invaliditätspensionen, von Familienbeihilfen an Pensions- und Rentenbezieher, von Waisenpensionen und von Familienbeihilfen an Waisen in der Verordnung nicht geregelt. Darüber hinaus läßt der Koordinierungsmechanismus des Titels III Kapitel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (zuständig ist grundsätzlich nur der Wohnortstaat, der für die Leistungsberechnung auch sämtliche in anderen EWR-Staaten zurückgelegte Versicherungszeiten zu übernehmen hat) sich auf die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten Personen, die in einem EWR-Staat wohnen, nicht problemlos übertragen.

Entsprechend den bisher von Österreich in den Abkommen über soziale Sicherheit verfolgten Grundsätzen wird daher im Verhältnis zu Liechtenstein für die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht geregelten Fälle vorgesehen, daß Kinderzuschüsse und Waisenpensionen in entsprechender Anwendung des Kapitels betreffend die Pensionsversicherung [Titel III Kapitel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71] festzustellen sind. Danach sind die in beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten für die Erfüllung der nach den österreichischen bzw. liechtensteinischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen (zB Wartezeit nach § 236 ASVG) zusammenzurechnen [Art. 45 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71]. In der Folge ist der nach der „pro-rata-temporis-Berechnungsmethode“ gebührende Betrag sowie bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen auch ohne Zusammenrechnung der Versicherungszeiten auch der nur nach nationalem Recht gebührende Betrag zu errechnen [Art. 46 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71]. Als Leistung gebührt der jeweils höhere dieser beiden Beträge.

Regelungen betreffend die Familienbeihilfen sind im Hinblick auf die bisherige Rechtslage (Art. 19 des geltenden Abkommens), nach der für die in Betracht kommenden Personengruppen ebenfalls keine Regelungen bestehen, für die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten Fälle nicht vorgesehen.

Zu Art. 10:

Art. 36 Abs. 3 und Art. 63 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 enthalten die Ermächtigung für die zuständigen Behörden [in Österreich: Bundesminister für Arbeit und Soziales – siehe Anhang 1 zur Verordnung (EWG) Nr. 574/72], von den nach dem EG-Recht an sich vorgesehenen Kostenerstattungen für die von einem Staat aushilfsweise gewährten Sachleistungen der Kranken- und Unfallversicherung [Kostenerstattung in Höhe des tatsächlichen Betrages oder in bestimmten Fällen durch Pauschbeträge – Art. 93 bis 96 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72] abweichende Erstattungsverfahren zu vereinbaren. Als solche abweichende Erstattungsverfahren kommen insbesondere die Festlegung von Pauschbeträgen auch in Fällen, in denen nach dem EG-Recht eine Erstattung der tatsächlichen Kosten vorgesehen ist, oder ein Kostenerstattungsverzicht in Betracht.

Bei einer solchen abweichenden Kostenerstattungsvereinbarung ist aber darauf Bedacht zu nehmen, daß nach der Systematik des EG-Rechts jener Träger, der für die aushilfsweise Sachleistungsgewährung einen Pauschbetrag erhält, als zuständiger Träger gilt [zB Art. 93 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72].

Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, daß ohne ergänzende Regelung zB bei einem Kostenerstattungsverzicht die als aushelfende Träger des Aufenthalts- oder Wohnortes in Betracht kommenden Träger [in Österreich die Gebietskrankenkassen – siehe Anhang 3 zur Verordnung (EWG) Nr. 574/72] einseitig belastet werden können, da diese keine Erstattung der für im anderen Staat anspruchsberechtigte Personen erbrachten Sachleistungen erhalten. Zum anderen hätten alle übrigen Krankenversicherungsträger (in Österreich zB die Sozialversicherungsträger für selbständig Erwerbstätige), deren Anspruchberechtigte im anderen Staat Leistungen in Anspruch nehmen, keine Kosten zu erstatten.

Für den österreichischen Rechtsbereich enthält bereits § 7 des Bundesgesetzes betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnung (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit, BGBl. Nr. 154/1994, die erforderlichen Ermächtigungen, im Rahmen der Kostenerstattungsvereinbarungen den aushelfenden Träger des Wohnortes als zuständiger Träger bezeichnen (lit. a) bzw. entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung von außergewöhnlichen Belastungen treffen zu können (lit. b).

Die vorliegende Bestimmung des Art. 10 sieht diese innerstaatliche Regelung nunmehr als bilaterale Regelung vor.

Zu Art. 11:

Im Hinblick darauf, daß das EG-Recht im Bereich der sozialen Sicherheit keine Regelungen betreffend die Vollstreckungshilfe vorsieht, besteht diesbezüglich eine Lücke, die durch die vorliegende Regelung sowohl für die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 erfaßten Personen als auch für die von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht erfaßten Personen (siehe diesbezüglich die Erläuterungen zu Art. 3 des vorliegenden Abkommens) geschlossen wird. Diese Regelung entspricht der bisherigen zwischenstaatlichen Rechtslage im Verhältnis zu anderen Staaten, wie insbesondere auch zB in den neuen Abkommen mit Island (Art. 9) und Deutschland (Art. 10).

Zu Art. 12:

Dieser Artikel enthält die in zwischenstaatlichen Abkommen übliche Streitbeilegungsregelung.

Zu Art. 13:

Die in diesem Artikel zitierten Regelungen der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 sind Übergangsregelungen, die insbesondere festlegen, welche Auswirkungen das EG-Recht auf vor seinem Inkrafttreten für den jeweils in Betracht kommenden Staat zurückgelegte Versicherungszeiten bzw. eingetretene Versicherungsfälle hat.

Durch die vorliegende Regelung treten die Rechtswirkungen der genannten Übergangsbestimmungen der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens ein, sodaß insbesondere die im Art. 94 Abs. 6 und Art. 95 Abs. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vorgesehene Zweijahresfrist für die Antragstellung betreffend die rückwirkende (Neu-)Feststellung von Leistungen erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt.

Zu Art. 14:

Dieser Artikel enthält die üblichen Schlußbestimmungen insbesondere betreffend das Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens.

Zu Art. 15:

Durch diese Regelung werden das geltende Abkommen vom 26. September 1968, BGBl. Nr. 72/1969, in der Fassung der beiden Zusatzabkommen vom 16. Mai 1977 und 22. Oktober 1987 (BGBl. Nr. 39/1978 und 620/1988) sowie die geltende Vereinbarung vom 30. Oktober 1968 zur Durchführung des Abkommens, BGBl. Nr. 73/1969, in der Fassung der Zusatzvereinbarungen vom 8. Mai 1974, 9. Juni 1977 und 27. Oktober 1988 (BGBl. Nr. 342/1974, 40/1978 und 621/1988) formell außer Kraft gesetzt.