503 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP mmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmnmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnmmmmmmmmmmmmnnnnnnnnnnmmmmmmmmmmmmmmmmmmm

Nachdruck vom 10. 12. 1996

Regierungsvorlage

Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE‑BVG)


Der Nationalrat hat beschlossen:

§ 1. Zur solidarischen Teilnahme an

        1.   Maßnahmen der Friedenssicherung einschließlich der Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte im Rahmen einer internationalen Organisation oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder in Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik oder

        2.   Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe oder

        3.   Maßnahmen der Such‑ und Rettungsdienste oder

        4.   Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zu den in Z 1 bis 3 genannten Zwecken

sowie zur Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der militärischen Landesverteidigung (Art. 79 Abs. 1 B‑VG) können Einheiten und einzelne Personen in das Ausland entsendet werden. Dabei ist auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs, die Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen sowie der Schlußakte von Helsinki und auf die Gemeinsame Außen‑ und Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf Grund des Titels V des Vertrages über die Europäische Union Bedacht zu nehmen.

§ 2. (1) Zu Entsendungen nach § 1 Z 1 und 2 ist die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates berufen.

(2) Zu Entsendungen nach § 1 Z 3 ist der zuständige Bundesminister berufen; der Bundesregierung ist über die Entsendung von Einheiten unverzüglich zu berichten.

(3) Zu Entsendungen nach § 1 Z 4 ist der zuständige Bundesminister im Rahmen eines von der Bundesregierung beschlossenen Übungs‑ und Ausbildungsplans berufen. Der zuständige Bundesminister hat der Bundesregierung spätestens sechs Wochen vor Ablauf des Kalenderjahres den Entwurf eines Übungs‑ und Ausbildungsplans jeweils für das folgende Kalenderjahr vorzulegen. Dem Hauptausschuß des Nationalrates ist über den von der Bundesregierung beschlossenen Übungs‑ und Ausbildungsplan unverzüglich zu berichten. Ferner ist ihm über die im vorangegangenen Kalenderjahr auf Grund des Übungs‑ und Ausbildungsplans durchgeführten Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zu berichten.

(4) Zu Entsendungen zur Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der militärischen Landesverteidigung (Art. 79 Abs. 1 B‑VG) ist der zuständige Bundesminister berufen. Die Entsendung zu diesen Zwecken von Personen, die den ordentlichen Präsenzdienst leisten, obliegt der Bundesregierung; dem Hauptausschuß des Nationalrates ist darüber unverzüglich zu berichten.

(5) Erfordert die besondere Dringlichkeit der Lage eine unverzügliche Entsendung gemäß § 1 Z 2, so kommen die nach diesem Bundesverfassungsgesetz der Bundesregierung zustehenden Befugnisse dem Bundeskanzler, dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten sowie jedem in seinem Zuständigkeitsbereich berührten Bundesminister zu, die einvernehmlich beschließen können, an einer Maßnahme gemäß § 1 Z 2 teilzunehmen. Hierüber haben sie der Bundesregierung und dem Hauptausschuß des Nationalrates unverzüglich zu berichten. Der Hauptausschuß des Nationalrates kann innerhalb von zwei Wochen nach der Berichterstattung gegen die Entsendung Einspruch erheben; in diesem Fall ist die Entsendung zu beenden.

(6) Im Fall einer zeitlich begrenzten Entsendung, in dem das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates herzustellen ist, kann dieser beschließen, daß die Bundesregierung diese nach Ablauf der Frist ohne neuerliche Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuß fortsetzen kann. Über eine solche Fortsetzung der Entsendung hat die Bundesregierung dem Hauptausschuß unverzüglich zu berichten. Dieser kann innerhalb von zwei Wochen nach der Berichterstattung gegen die Fortsetzung der Entsendung Einspruch erheben; in diesem Fall ist die Entsendung zu beenden.

§ 3. Die Bundesregierung kann in den Fällen ihrer Zuständigkeit zur Entsendung unter Bedachtnahme auf den gesetzmäßigen Wirkungsbereich der Bundesministerien und auf den Zweck der Entsendung bestimmen, welchem Bundesminister oder welchen Bundesministern die Durchführung der Entsendung obliegt; sie kann auch bestimmen, inwiefern ein Bundesminister dabei im Einvernehmen mit einem anderen Bundesminister oder mit anderen Bundesministern vorzugehen hat. Im übrigen bleibt der gesetzmäßige Wirkungsbereich der Bundesministerien unberührt.

§ 4. (1) Für Zwecke nach § 1 können entsendet werden

        1.   Angehörige des Bundesheeres,

        2.   Angehörige der Wachkörper des Bundes und

        3.   andere Personen, wenn sie sich zur Teilnahme verpflichtet haben.

(2) Nach § 1 Z 1 bis 4 dürfen Personen nur auf Grund freiwilliger Meldung entsendet werden. Für die Entsendung nach § 1 von Personen, die den ordentlichen Präsenzdienst leisten, ist jedenfalls deren persönliche freiwillige Meldung in schriftlicher Form erforderlich.

(3) Entsendete Personen werden unter der Leitung (Art. 20 Abs. 1 B‑VG) des zuständigen Bundesministers tätig. Die Bundesregierung kann bestimmen, ob und wieweit die entsendeten Personen hinsichtlich ihrer Verwendung im Ausland nach § 1 Z 1 bis 4 die Weisungen der Organe einer internationalen Organisation oder ausländischer Organe zu befolgen haben.

(4) Die nach österreichischen Rechtsvorschriften bestehende organisatorische Unterordnung von entsendeten Personen gegenüber ihren Vorgesetzten im Inland ruht auf die Dauer ihrer Tätigkeit im Ausland gemäß § 1 Z 1 bis 4.

(5) Anläßlich einer Entsendung können die entsendeten Personen zu einer Einheit oder zu mehreren Einheiten zusammengefaßt werden. Für jede in das Ausland entsendete Einheit ist vom zuständigen Bundesminister ein Vorgesetzter zu bestellen.

(6) Für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin innerhalb der Einheit hat ausschließlich der Vorgesetzte Sorge zu tragen; er hat gegenüber Mitgliedern der Einheit die dienstrechtliche Stellung eines Vorstandes der Dienstbehörde. Er ist auch hiebei an die Weisungen des zuständigen Bundesministers gebunden.

(7) Widersprechen einander die unmittelbar erteilten Weisungen des in Betracht kommenden internationalen oder ausländischen Organs und die Weisungen eines zuständigen österreichischen Organs, so haben die entsendeten Personen die letzteren zu befolgen. Sie haben jedoch das zuständige österreichische Organ unverzüglich von einer widersprechenden Weisung des internationalen oder ausländischen Organs in Kenntnis zu setzen. Das zuständige österreichische Organ hat unverzüglich an das Organ, das die widersprechende Weisung erteilt hat, zum Zweck der Beseitigung des Widerspruchs heranzutreten.

§ 5. Die Bundesregierung ist ermächtigt, die Durchführung der Entsendung mit der in Betracht kommenden internationalen Organisation oder dem Empfangsstaat im Rahmen des Völkerrechts näher zu regeln.

§ 6. Nach Beendigung der Entsendung einer Einheit hat der Vorgesetzte dem zuständigen Bundesminister einen zusammenfassenden Bericht über die Entsendung vorzulegen. Dieser Bericht ist vom zuständigen Bundesminister der Bundesregierung zuzuleiten. Während der Entsendung hat der Vorgesetzte auf Verlangen der Bundesregierung oder des zuständigen Bundesministers jederzeit die gewünschten Berichte zu erstatten und die verlangten Auskünfte zu erteilen.

§ 7. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Ein‑, Aus‑ und Durchfuhr von Kriegsmaterial sind auf Entsendungen nach § 1 nicht anzuwenden.

§ 8. Durch Bundesgesetz ist die besoldungs‑, sozial‑ und abgabenrechtliche Stellung der im § 4 Abs. 1 Z 3 genannten, in das Ausland entsendeten Personen, soweit sie nicht dem Dienststand angehören, zu regeln.


§ 9. (1) Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesverfassungsgesetzes tritt das Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBl. Nr. 173/1965, außer Kraft.

2

(2) In Bundesgesetzen wird die Verweisung auf das Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen durch die Verweisung auf dieses Bundesverfassungsgesetz ersetzt.

§ 10. Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist, soweit darin nicht anderes bestimmt ist, die Bundesregierung betraut.

vorblatt

Problem:

Wie die Erfahrung zeigt, kann die geltende Verfassungsrechtslage den Entwicklungen auf internationaler Ebene nicht ausreichend Rechnung tragen, um unter anderem folgende Anliegen verwirklichen zu können:

         –   Entsendung von einzelnen Personen,

         –   Entsendung auf Ersuchen eines Staates um Hilfeleistung in Katastrophenfällen oder im Rahmen von Such‑ und Rettungsdiensten,

         –   Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik,

         –   Teilnahme an den im Ausland stattfindenden Übungen und Ausbildungsvorhaben im Rahmen der NATO‑„Partnerschaft für den Frieden“,

         –   Durchführung von Übungen und Ausbildungsvorhaben im Bereich der militärischen Landesverteidigung im Ausland,

         –   prompte Entsendung zur Hilfeleistung in besonders dringlichen Situationen,

         –   befristete Fortsetzung von zeitlich begrenzten Entsendungen ohne vorherige Einvernehmensherstellung mit dem Hauptausschuß des Nationalrates.

Lösung:

Überarbeitung und formelle Neuerlassung der entsprechenden verfassungsgesetzlichen Bestimmungen.

Alternativen:

Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage. Diesfalls könnte den aktuellen Entwicklungen der internationalen Praxis nicht Rechnung getragen werden.

Kosten:

Da keine rechtliche Verpflichtung zur Entsendung von Einheiten bzw. von einzelnen Personen geschaffen wird, entstehen aus dem vorliegenden Entwurf für sich genommen keine Kosten. Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen einer Ausweitung von Entsendungen wird auf den Allgemeinen Teil der Erläuterungen verwiesen.

EU‑Konformität:

Ist gegeben.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil


1. Angesichts der jüngsten internationalen Entwicklungen erweist sich der sachliche Anwendungsbereich des geltenden Bundesverfassungsgesetzes über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBl. Nr. 173/1965, als zu eng. So hat Österreich seine Bereitschaft und Fähigkeit bekundet, „sich im vollen Umfang und aktiv an der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik, so wie sie im Vertrag über die Europäische Union definiert ist, zu beteiligen“ (siehe die Gemeinsame Erklärung zur Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik in der Schlußakte zum Beitrittsvertrag, in: BGBl. Nr. 45/1995). Dies wird etwa auf die Durchführung von gemeinsamen Aktionen nach Art. J.3 des Vertrages über die Europäische Union sowie auf eine allfällige Teilnahme an Petersberg‑Aufgaben im Rahmen der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik der Union zutreffen.

Um der Bedeutung der NATO‑Initiative „Partnerschaft für den Frieden“ für die Stabilität und Sicherheit der Nachbarn Österreichs in Zentral‑ und Osteuropa, der Rolle dieser Initiative für die Entwicklung eines umfassenden europäischen Sicherheitssystems sowie ihrer damit verbundenen Bedeutung für die österreichische Sicherheit Rechnung zu tragen, nimmt Österreich seit 10. Februar 1995 an der NATO‑„Partnerschaft für den Frieden“ teil. Am 23. Mai 1995 hat die Bundesregierung das Österreichische Einführungsdokument für die Partnerschaft für den Frieden beschlossen. Darin wurde unter anderem folgendes zum Ausdruck gebracht:

„Für Österreich ist von Bedeutung, daß im Zentrum der partnerschaftlichen Aktivitäten die Verbesserung der Voraussetzungen für friedenserhaltende Operationen steht. Es entspricht der langjährigen österreichischen Tradition, an friedenserhaltenden Operationen im Rahmen der Vereinten Nationen wie auch in Zukunft an solchen der OSZE als Beitrag zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit teilzunehmen. Ebenso von Interesse für Österreich sind die Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen für gemeinsame humanitäre und Katastrophenhilfe und Such‑ und Rettungsdienste zu verbessern. Österreich beabsichtigt daher, sich an Maßnahmen in diesen Bereichen zu beteiligen. Österreich erwartet sich, daß es durch seine Teilnahme nicht nur anderen Partnern helfen wird können, entsprechende Kapazitäten aufzubauen und zu erhalten, sondern auch seine eigene Fähigkeit für Operationen auf diesen Gebieten auszubauen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich von Planungsabläufen, Kommunikation, personellen Ressourcen und Ausrüstung.“

Ferner wurde im Einführungsdokument folgendes festgehalten:

„Österreich ist zu einer Kooperation mit der NATO und anderen PfF‑Partnern insbesondere in den Bereichen friedenserhaltende Operationen, humanitäre und Katastrophenhilfe sowie Such‑ und Rettungsdienste bereit.“

Dazu hat die Bundesregierung im genannten Einführungsdokument auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß zur Realisierung einiger der genannten Vorhaben die Schaffung entsprechender rechtlicher Grundlagen erforderlich sei.

2. Der vorliegende Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland ist im wesentlichen von der Absicht getragen, auch für die Teilnahme an Maßnahmen der Friedenssicherung der OSZE sowie für die Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik sowie zur Teilnahme an der NATO‑„Partnerschaft für den Frieden“ die entsprechenden innerstaatlichen Voraussetzungen zu schaffen. Dem Gedanken der internationalen Solidarität soll überdies dadurch Rechnung getragen werden, daß dem Ersuchen eines Staates um Hilfeleistung entsprochen werden kann. Daneben erscheint es zweckmäßig, im Ausland Übungen und Ausbildungsvorhaben durchzuführen, um eine wirksame Vorbereitung auf Einsatzfälle in den Bereichen der Friedenssicherung, der humanitären Hilfe und Katastrophenhilfe, der Such‑ und Rettungsdienste sowie der militärischen Landesverteidigung zu ermöglichen.

Schließlich soll es dem entsendenden Organ ermöglicht werden, nicht nur geschlossene Kontingente von Angehörigen des Bundesheeres, von Angehörigen der Wachkörper des Bundes und von Personen, die sich zur Dienstleistung für den betreffenden Einsatz verpflichtet haben, sondern auch einzelne Personen in das Ausland zu entsenden. Hier ist etwa an solche zivilen Experten gedacht, die im Zuge von Katastrophenfällen eingesetzt werden können.

Für Fälle besonderer Dringlichkeit zur Durchführung von Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe wurde nunmehr ein Verfahren vorgesehen, das eine wirksame und unverzügliche Hilfeleistung sicherstellen soll. Eine erleichterte Entsendungsmodalität sollte auch im Falle einer zeitlich begrenzten Entsendung, der der Hauptausschuß des Nationalrates zugestimmt hat, zum Tragen kommen (siehe unten zu § 2 im Besonderen Teil der Erläuterungen).

3. Um den gegenständlichen Regelungsbedarf zu decken, bedarf es aus zweierlei Gründen einer verfassungsgesetzlichen Regelung:

Erstens sind „weitere Aufgaben“ des Bundesheeres nach Art. 79 Abs. 3 B‑VG durch Bundesverfassungsgesetz zu regeln. In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung wurde darauf hingewiesen, daß als eine solche Regelung das Bundesverfassungsgesetz vom 30. Juni 1965 über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBl. Nr. 173, zu verstehen sei (siehe 1461 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP, S 6). Ausgehend davon wird der mögliche Aufgabenkreis des Bundesheeres durch die angesprochenen Regelungsvorhaben erweitert.

Zweitens kann bei formaler Betrachtung eine Änderung des formellen Verfassungsrechts nur im Wege eines Bundesverfassungsgesetzes vorgenommen werden.

4. Da durch die vorgeschlagenen Regelungen nahezu alle Bestimmungen des geltenden Bundesverfassungsgesetzes über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen betroffen wären, erscheint es aus legistischer Sicht zweckmäßig, die gegenständliche Materie nicht bloß durch eine Novelle zum geltenden Bundesverfassungsgesetz zu regeln, sondern der Übersichtlichkeit halber ein einheitliches Bundesverfassungsgesetz formell neu zu erlassen. In den vorliegenden Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes werden im wesentlichen auch jene Regelungen aufgenommen, wie sie das geltende Bundesverfassungsgesetz im Hinblick auf die Bestellung des Vorgesetzten einer Einheit, die Ausübung des Weisungsrechts, die Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin, die organisatorische Unterordnung von entsendeten Personen sowie die Berichts‑ und Auskunftspflichten vorsieht.

Geringfügige Anpassungen sind unter anderem im Hinblick auf die Entsendung von einzelnen Personen erforderlich.

5. Da das im Entwurf vorliegende Bundesverfassungsgesetz lediglich eine Ermächtigung und keine Verpflichtung zur Entsendung von Einheiten bzw. einzelnen Personen vorsehen würde, können die finanziellen Auswirkungen nicht genau abgeschätzt werden. Erfahrungsgemäß wird jedoch primär mit Personalkosten zu rechnen sein. Insbesondere werden die dadurch entstehenden Kosten anläßlich der konkreten Entsendung dargestellt werden. Bei Entsendungen durch die Bundesregierung wären Aussagen über die budgetäre Bedeckung im Ministerratsvortrag zu treffen.

6. Soweit die im vorliegenden Entwurf enthaltenen Regelungen mit jenen des geltenden Bundesverfassungsgesetzes über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen übereinstimmen, wird auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieses Bundesverfassungsgesetzes (633 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates X.GP) verwiesen.

7. Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des im Entwurf vorliegenden Bundesverfassungsgesetzes ergibt sich aus dem Kompetenztatbestand „Bundesverfassung“ (Art. 10 Abs. 1 Z 1 B‑VG).

Besonderer Teil:

Zu § 1:

Mit § 1 knüpft der vorliegende Entwurf an jene Fälle der Entsendung von den in § 4 Abs. 1 bezeichneten Personen in das Ausland an, deren Zweck in der solidarischen Teilnahme an internationalen Maßnahmen der Friedenssicherung, an Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe, an Maßnahmen der Such‑ und Rettungsdienste oder an entsprechenden Übungen und Ausbildungsmaßnahmen oder in der Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der militärischen Landesverteidigung besteht. Andere Arten des Tätigwerdens österreichischer Organe im Ausland unterliegen nicht dem Anwendungsbereich des vorgeschlagenen Bundesverfassungsgesetzes.

Mangels völkerrechtlicher Definition wird der Begriff der „solidarischen Teilnahme“ in der politischen Praxis jeweils nach Maßgabe der geltenden Rechtsvorschriften und tatsächlichen Möglichkeiten der Republik Österreich zu konkretisieren sein. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Art. J.1 Abs. 4 des Vertrages über die Europäische Union dazu verpflichtet haben, „die Außen‑ und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geist der Loyalität und gegenseitigen Solidarität“ zu unterstützen.

Die seitens einer internationalen Organisation (insbesondere der Vereinten Nationen), der OSZE oder in Durchführung eines Beschlusses im Rahmen der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ergriffenen Maßnahmen der Friedenssicherung können in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen Maßnahmen umfassen, wie sie etwa im Bericht des UN‑Generalsekretärs an den Sicherheitsrat „An Agenda for Peace“, vorgelegt in New York am 17. Juli 1992, enthalten sind. Diesem Begriffsverständnis entsprechend werden Maßnahmen der kollektiven Selbstverteidigung nicht als solche der Z 1 zu verstehen sein.

Hinsichtlich der solidarischen Teilnahme an Maßnahmen zur Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte ist vornehmlich an die Entsendung ziviler Experten zum Aufbau der Strukturen einer zivilen Gesellschaft („civil society“) zu denken, die etwa auf den Gebieten der Wahlhilfe, Wahlbeobachtung, humanitären Hilfe, der nachhaltigen Entwicklung („sustainable development“), des Menschenrechts‑Monitoring und der Mediation tätig werden.

Z 2 hat die solidarische Teilnahme an Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe (Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges) zum Gegenstand. Nunmehr kann entsprechende Hilfe auch auf Ersuchen eines betroffenen Staates geleistet werden. Ermöglicht werden soll auch die humanitäre Hilfeleistung im Rahmen etwa der Europäischen Union (zB im Zusammenhang mit der Tätigkeit des European Community Humanitarian Office – ECHO).

Z 3 bezieht sich auf außergewöhnliche Maßnahmen der Such‑ und Rettungsdienste (Vermißten­suche, Versorgung von Verletzten und Flüchtlingen im Ausland), die im Unterschied zu Z 2 besondere, unaufschiebbare und kurzfristige Maßnahmen der Katastrophenhilfe darstellen. Maßnahmen der Such‑ und Rettungsdienste werden im Sinne der vom Department for Humanitarian Aid der Vereinten Nationen entwickelten allgemeinen Begriffsbestimmung wie folgt zu verstehen sein:

„The function of Search and Rescue (SAR) is to provide short‑term international emergency relief in case of disaster. Search and Rescue operates in situations involving large numbers of missing, injured and homeless persons with which the relevant national auhorities are unable to cope quickly and efficiently enough due to the magnitude and nature of the disaster.“

[deutsche Übersetzung: „Die Aufgabe von Suche und Rettung (SAR) besteht darin, kurzfristige internationale Notstandshilfe im Katastrophenfall zur Verfügung zu stellen. Suche und Rettung greift in Situationen, die eine große Anzahl von Vermißten, Verletzten und Obdachlosen betreffen und mit denen die maßgeblichen staatlichen Stellen wegen des Ausmaßes und der Natur der Katastrophe nicht rasch und wirksam genug zurechtkommen können.“]

Während sich unter Bedachtnahme auf diese Definition beispielsweise die Suche und Bergung von Erdbebenopfern als Fall der Z 3 darstellen kann, werden Maßnahmen zur Wiedererrichtung der Infrastruktur im Gefolge eines Erdbebens unter die Z 2 zu subsumieren sein. Diese Unterscheidung ist deshalb bedeutsam, weil zu Entsendungen nach Z 3 nach § 2 Abs. 2 der zuständige Bundesminister, zu Entsendungen nach Z 2 nach § 2 Abs. 1 jedoch die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates berufen ist.

Z 4 soll die Einsatzvorbereitung im Ausland durch Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zu den in Z 1, 2 und 3 genannten Zwecken ermöglichen. Damit wird auch eine verfassungsrechtliche Grundlage für Entsendungen zu partnerschaftlichen Übungen in den Bereichen friedenserhaltender Operationen, humanitärer Aktionen und der Katastrophenhilfe sowie der Such‑ und Rettungsdienste im Rahmen der NATO‑„Partnerschaft für den Frieden“ geschaffen.

Der fünfte Entsendungsfall hat solche Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zum Gegenstand, die auf Grund der Erfordernisse der dem Bundesheer nach Art. 79 Abs. 1 B‑VG obliegenden Aufgabe der militärischen Landesverteidigung notwendigerweise durchzuführen sind, insbesondere dann, wenn eine wirksame und optimale übungs‑ und ausbildungsmäßige Einsatzvorbereitung im Inland nicht ausreichend sichergestellt werden kann.

Nach der vorgeschlagenen Bestimmung sind Entsendungen dem Handlungsermessen der zur Entsendung berufenen Organe anheimgestellt, dh. es kann, muß aber nicht entsendet werden. Allerdings wird ihre Ermessensausübung durch die Vorgaben des § 1 letzter Satz determiniert. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise Bedacht zu nehmen auf Art. 2 Z 5 der Satzung der Vereinten Nationen, BGBl. Nr. 120/1956, auf Beschlüsse des Sicherheitsrates nach den Kapiteln VI und VII der Satzung der Vereinten Nationen, auf gemeinsame Standpunkte und gemeinsame Aktionen der Europäischen Union nach Art. J.2 und J.3 des Vertrages über die Europäische Union, auf die den Inhalt der immerwährenden Neutralität bestimmenden völkerrechtlichen Normen, auf allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechts nach Art. 9 Abs. 1 B‑VG (zB das Erfordernis der völkerrechtlichen Einwilligung des Empfangsstaates hinsichtlich der Gewährung des Aufenthaltsrechts), auf den Grundsatz der internationalen Zusammenarbeit (wie er etwa in Prinzip IX der in der Schlußakte von Helsinki der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa enthaltenen Erklärung über die die Beziehungen der Teilnehmerstaaten leitenden Prinzipien Ausdruck gefunden hat), usw.

Zu § 2:

Hinsichtlich der solidarischen Teilnahme an Maßnahmen der Friedenssicherung oder an solchen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe soll die Zuständigkeit zur Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen in das Ausland nach Abs. 1 grundsätzlich der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates obliegen. Von diesem Grundsatz kann im Fall der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe nach Abs. 5 sowie im Fall der befristeten Fortsetzung von zeitlich begrenzten Entsendungen nach Abs. 6 abgewichen werden:

         –   Im Interesse einer unverzüglichen Entsendung zur Hilfeleistung können in Situationen besonderer Dringlichkeit der Bundeskanzler, der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten sowie jeder in seinem Zuständigkeitsbereich berührte Bundesminister gemeinsam und ohne Herstellung eines Einvernehmens mit dem Hauptausschuß des Nationalrates beschließen, einem Ersuchen um Hilfeleistung zu entsprechen.

         –   Hat der Hauptausschuß des Nationalrates anläßlich einer zeitlich begrenzten Entsendung beschlossen, daß diese nach Ablauf der Frist ohne Zustimmung des Hauptausschusses seitens der Bundesregierung auf bestimmte Zeit fortgesetzt werden kann, so muß diesfalls die Bundesregierung nicht das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß herstellen.

Um trotz Lockerung der Entsendungsmodalitäten die Information und Mitwirkung des Nationalrates an der Vollziehung in jedem Fall sicherzustellen, ist jeweils eine Pflicht zur unverzüglichen Berichterstattung an den Hauptausschuß des Nationalrates vorgesehen. Da im Fall des Abs. 5 nicht die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit, sondern lediglich der Bundeskanzler und einzelne bestimmte Bundesminister tätig werden können, soll auch an die Bundesregierung unverzüglich Bericht erstattet werden.

In den beschriebenen Fällen der Abs. 5 und 6 tritt anstelle der Verpflichtung der Bundesregierung, das vorherige Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates herzustellen, die Befugnis des Hauptausschusses, innerhalb von zwei Wochen nach der Berichterstattung gegen die Entsendung bzw. Fortsetzung der Entsendung nachträglich Einspruch zu erheben. Die Bundesregierung ist an einen solchen Einspruch gebunden und hat die Entsendung zu beenden.

Während zu Entsendungen nach § 1 Z 1 und 2 grundsätzlich die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates zuständig ist, soll zu den sonstigen Entsendungen aus Gründen der Effizienz und Flexibilität grundsätzlich der jeweils zuständige Bundesminister berufen sein:

         –   Der zuständige Bundesminister soll zur solidarischen Teilnahme an Maßnahmen der Such‑ und Rettungsdienste aus eigenem entsenden können.

         –   Zu Übungen und Ausbildungsvorhaben nach § 1 Z 4 kann der zuständige Bundesminister nur im Rahmen eines von der Bundesregierung beschlossenen Übungs‑ und Ausbildungsplans entsenden. Den Entwurf eines Übungs‑ und Ausbildungsplans für das folgende Kalenderjahr hat der zuständige Bundesminister der Bundesregierung spätestens sechs Wochen vor Ablauf des Kalenderjahres vorzulegen. Falls jedoch im laufenden Kalenderjahr auf Grund veränderter Voraussetzungen eine Aktualisierung des Übungs‑ und Ausbildungsplans erforderlich wird, kann die Bundesregierung nach Befassung durch den zuständigen Bundesminister Änderungen dazu beschließen.

         –   Zur Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der militärischen Landesverteidigung kann der zuständige Bundesminister Angehörige des Bundesheeres – mit Ausnahme von Personen, die den ordentlichen Präsenzdienst leisten – aus eigenem entsenden. Die entsprechende Entsendung von Personen, die den ordentlichen Präsenzdienst leisten, soll der Bundesregierung obliegen (zum Begriffsbild von „Personen, die den ordentlichen Präsenzdienst leisten“ siehe unten die Erläuterungen zu § 4). Diese Befugnis schließt auch die Möglichkeit ein, solche Personen zu bestimmten Kategorien von Übungs‑ und Ausbildungsmaßnahmen zu entsenden (zB routinemäßige Benutzung von grenznahen Übungsplätzen).

Um innerhalb der Vollziehung bzw. gegenüber dem Nationalrat den Informationsfluß sicherzustellen, wird eine Reihe von verschiedenen Berichtspflichten vorgesehen:

Werden zur solidarischen Teilnahme an Maßnahmen der Such‑ und Rettungsdienste Einheiten entsendet, ist der Bundesregierung darüber unverzüglich zu berichten. Im Bereich der Übungs‑ und Ausbildungsmaßnahmen nach § 1 Z 4 ist dem Hauptausschuß des Nationalrates über einen von der Bundesregierung beschlossenen Übungs‑ und Ausbildungsplan sowie über die auf Grund des Übungs‑ und Ausbildungsplans im Vorjahr durchgeführten Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zu berichten. Dem Hauptausschuß des Nationalrates ist über die Entsendung von Personen, die den ordentlichen Präsenzdienst leisten, durch die Bundesregierung unverzüglich zu berichten.

Zu § 3:

Unbeschadet ihrer Zuständigkeiten nach § 4 Abs. 3 letzter Satz und § 5 soll die praktische Durchführung der Entsendung von der Bundesregierung unter Bedachtnahme auf den gesetzmäßigen Wirkungsbereich der Bundesministerien und auf den Zweck der Entsendung einem bestimmten Bundesminister bzw. bestimmten Bundesministern vorbehalten werden. In diesem Zusammenhang kann auch bestimmt werden, ob die berufenen Bundesminister einvernehmlich vorzugehen haben. Der gesetzmäßige Wirkungsbereich der Bundesministerien, wie er sich aus § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986, BGBl. Nr. 76, in der geltenden Fassung, ergibt, soll im übrigen unberührt bleiben.

Zu § 4:

Die in Abs. 1 vorgesehene Regelung über die Personenkreise, die nach § 1 entsendet werden können, entspricht im wesentlichen der geltenden Bestimmung über die Zusammensetzung einer Einheit; ein Unterschied besteht lediglich darin, daß eine „vertragliche“ Verpflichtung von Personen für die betreffende Auslandsentsendung nicht ausdrücklich gefordert wird, weil im militärischen Bereich eine Dienstpflicht schon auf Grund freiwilliger Meldung besteht.

Nach Abs. 2 soll in den Entsendungsfällen nach § 1 Z 1 bis 4 der Grundsatz der freiwilligen Meldung gelten. Darüber hinaus setzt die konkrete Entsendung einer Person, die den ordentlichen Präsenzdienst leistet, in sämtlichen Entsendungsfällen deren persönliche freiwillige Meldung in schriftlicher Form voraus. Das Begriffsbild des „ordentlichen Präsenzdienstes“ orientiert sich in diesem Zusammenhang an den Definitionselementen des § 27 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 305/1990 in der geltenden Fassung, wonach der „ordentliche Präsenzdienst“ den „Grundwehrdienst“ und die „Truppen­übungen“ umfaßt.

Für sonstige Angehörige des Bundesheeres gilt der Grundsatz der Freiwilligkeit im engen Bereich der Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet der militärischen Landesverteidigung nicht, weil für diesen Personenkreis aus Gründen einer wirksamen Einsatzvorbereitung die Entsendung nicht vom Willen der zu entsendenden Person abhängig gemacht werden soll.

Die Bestimmungen, die die Einbindung in den Weisungszusammenhang von entsendeten Personen im Ausland zum Gegenstand haben, entsprechen im wesentlichen den §§ 2, 3 und 4 des geltenden Bundesverfassungsgesetzes über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBl. Nr. 173/1965. Außer bei Entsendungen zur Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der militärischen Landesverteidigung soll nach Abs. 4 die organisatorische Unterordnung von entsendeten Personen gegenüber ihren Vorgesetzten im Inland ruhen.

Grundsätzlich ist der zuständige Bundesminister gegenüber entsendeten Personen nach Art. 20 Abs. 1 B‑VG weisungsbefugt. Die Bundesregierung kann in den Fällen des § 1 Z 1 bis 4 bestimmen, ob und wieweit Organe einer internationalen Organisation oder ausländische Organe gegenüber den entsendeten Personen hinsichtlich ihrer Verwendung im Ausland weisungsbefugt sind.

Unter „Organen einer internationalen Organisation“ bzw. „ausländischen Organen“ sind Organe zu verstehen, die gesetzlich nicht zur Ausübung von österreichischer Staatsgewalt berufen sind. Bei Durchführung von Übungen und Ausbildungsvorhaben im Bereich der militärischen Landesverteidigung im Ausland kann ein Weisungszusammenhang gegenüber Organen einer internationalen Organisation oder ausländischen Organen nicht begründet werden.

Nach Abs. 5 können entsendete Personen fakultativ zu einer Einheit oder zu mehreren Einheiten zusammengefaßt werden. Diese Einheiten können sowohl bewaffnet als auch unbewaffnet sein. Sie können sowohl aus allen in Abs. 1 erwähnten Personengruppen zusammengesetzt sein als auch aus einzelnen dieser Personengruppen. Der Begriff der „Einheit“ im Sinne des Entwurfs muß sich nicht unbedingt mit dem in den militärischen Dienstvorschriften gebrauchten gleichlautenden Ausdruck decken.

Wird anläßlich einer Entsendung eine Einheit gebildet, ist vom zuständigen Bundesminister jedenfalls ein Vorgesetzter zu bestellen. Diesem kommt nach Abs. 6 die ausschließliche Befugnis zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin innerhalb der Einheit zu. Insoweit kann auch Organen einer internationalen Organisation oder ausländischen Organen nach Abs. 3 seitens der Bundesregierung eine Weisungsbefugnis nicht eingeräumt werden.

Zu § 5:

Aus Gründen der Effizienz und Raschheit des Handelns soll die Bundesregierung verfassungsrechtlich ermächtigt werden, praktische Fragen der Durchführung einer konkreten Entsendung (zB Verwendung der Einheit, Weisungsbefugnis nach § 4 Abs. 3 letzter Satz, Finanzierung, Haftung) mit der in Betracht kommenden internationalen Organisation oder dem Empfangsstaat völkerrechtlich zu regeln. In diesem engen Regelungsbereich wird insoweit eine Ausnahmebestimmung zu Art. 65 Abs. 1, Art. 66 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 1 B‑VG geschaffen.

Zu § 6:

Die hier vorgesehenen Berichte des Vorgesetzten der Einheit sollen der Bundesregierung erstattet werden; ebenso sind ihr bzw. dem gemäß § 3 bezeichneten Bundesminister während der Entsendung jederzeit die verlangten Auskünfte zu erteilen.

Zu § 7:

Da eine wirksame Durchführung von Entsendungen notwendigerweise in vielen Fällen auch das Verbringen von Kriegsmaterial über die Staatsgrenze erforderlich macht, soll aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung verfassungsrechtlich normiert werden, daß die gesetzlichen Bestimmungen über die Ein‑, Aus‑ und Durchfuhr von Kriegsmaterial (dh. jene des Bundesgesetzes vom 18. Oktober 1977 über die Ein‑, Aus‑ und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540, in der geltenden Fassung) im Fall solcher Entsendungen nicht anzuwenden sind.

Zu § 8:

Da für Personen, die sich zur Teilnahme an einer Entsendung verpflichten (§ 4 Abs. 1 Z 3), aber dem Dienststand nicht angehören, eigene bundesgesetzliche Vorschriften nicht bestehen, erfolgt durch § 8 seitens des Verfassungsgesetzgebers ein Auftrag an den einfachen Gesetzgeber, die besoldungs‑, sozial‑ und abgabenrechtliche Stellung dieses Personenkreises zu regeln.

Zu § 9:

Mit Inkrafttreten des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland soll das Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBl. Nr. 173/1965, außer Kraft treten. Die zu diesem Zeitpunkt laufenden Entsendungen unterliegen in weiterer Folge der neuen Rechtslage.

Da zahlreiche Bundesgesetze (zB §§ 145a, 152, 264 und 271 BDG, § 37a des Bundespersonalvertretungsgesetzes, § 1 des Auslandseinsatzgesetzes) auf das geltende Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen verweisen, sollen diese Verweise aus legistischen Gründen von Verfassungs wegen mit Inkrafttreten des neuen Bundesverfassungsgesetzes jeweils mit Verweis auf dieses ersetzt werden. In diesem Zusammenhang wird hinsichtlich der Anpassung von Verweisungen auf Richtlinie Nr. 72 der Legistischen Richtlinien 1990 hingewiesen.

Zu § 10:

Die vorliegende Bestimmung enthält die übliche Vollzugsklausel.