639 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht und Antrag

des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung


über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 geändert wird


Im Zuge seiner Beratungen über den Antrag 398/A der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 und das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Südtirolern mit österreichischen Staatsbürgern auf bestimmten Verwaltungsgebieten geändert werden, hat der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung am 14. März 1997 auf Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Lukesch, DDr. Erwin Niederwieser und Genossen mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz einen Selbständigen Antrag vorzulegen, der eine Novelle zum Hochschülerschaftsgesetz 1973 zum Gegenstand hat.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

Begründung zu Z 1:

Mit dem Antrag soll die Einführung des passiven Wahlrechtes für Studierende aus EU-Mitgliedstaaten bei Wahlen für Organe der Österreichischen Hochschülerschaft und den Hochschülerschaften an den Universitäten und Hochschulen künstlerischer Richtung erreicht werden. Überdies wurde § 1 im Sinne des Ministerratsvortrages vom Mai 1995 sprachlich neu und kürzer gefaßt.

Das aktive Wahlrecht bei den Hochschülerschaftswahlen steht Studierenden mit ausländischer Staatsbürgerschaft oder Staatenlosen bereits heute zu. Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 ist es naheliegend, das passive Wahlrecht auch auf Hörer mit der Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Mitgliedstaates auszuweiten. Bisher scheiterte die Bereitschaft zu dieser Ausweitung an den Forderungen nach der Einführung des passiven Wahlrechts für alle ausländischen Studierenden.

Jeder Vergleich mit den wenigen europäischen Staaten, die das passive Wahlrecht für alle ausländischen Studierenden vorsehen, ist unzulässig, wenn man bedenkt, daß Österreich das einzige Land Europas ist, das die Mitwirkungsrechte der Studierenden auf universitärem Boden auf Basis einer Körperschaft öffentlichen Rechts mit Behördencharakter festgelegt hat, wodurch auch das Prinzip der Reziprozität außer Kraft gesetzt ist.

Die Einführung des passiven Wahlrechtes für EU-Bürger ist möglich, auch wenn durch EU-Recht nicht zwingend geboten. Es liegt aber im Sinne der Intention des Art. 8 des EG-Vertrages „Die Unionsbürgerschaft“, Unionsbürgern das passive Wahlrecht zuzubilligen, gerade auch weil die EU-Staaten besondere Schwerpunkte zur Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Forschung und insbesondere Studentenaustausch im Sinne der Internationalität setzen.

Die Einführung des passiven Wahlrechtes sowie die Mitwirkung an der Willensbildung in akademischen Behörden für Studierende ohne österreichische Staatsbürgerschaft bedarf einer verfassungsrechtlichen Regelung (Abs. 4), da gemäß Art. 3 Abs. 2 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867, Ausländer keine öffentlichen Ämter bekleiden dürfen.

Begründung zu Z 2:

Durch die vorgeschlagene Inkrafttretens- und Übergangsbestimmung soll die Erweiterung des passiven Wahlrechts bereits für die Hochschülerschaftswahlen 1997 anwendbar sein. Denn der Stichtag für die Einreichung von Wahlvorschlägen ist für die Hochschülerschaftswahlen im Jahre 1997 gemäß § 10 Abs. 1 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983 mit 15. April 1997 festgelegt worden. Um Studierenden mit EU-Staatsbürgerschaft das passive Wahlrecht für die Hochschülerschaftswahlen vom 13. bis 15. Mai 1997 einzuräumen, ist die einmalige Verlegung des Stichtages bezüglich des passiven Wahlrechts von sieben auf vier Wochen vor dem ersten Wahltag (ursprünglich 25. März 1997, nunmehr 15. April 1997) für die Hochschülerschaftswahlen 1997 erforderlich.“


An der diesbezüglichen Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch, Mag. Walter Posch, Dr. Martin Graf, Sonja Ablinger und MMag. Dr. Willi Brauneder.

Zum Berichterstatter für das Haus wurde Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1997 03 14

                        DDr. Erwin Niederwieser                                                     Dr. Michael Krüger

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann

Anlage

Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Hochschülerschaftsgesetz 1973, BGBl. Nr. 309, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 257/1993, wird wie folgt geändert:

1. § 1 lautet:

„Österreichische Hochschülerschaft

§ 1. (1) Die Österreichische Hochschülerschaft ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Ihr gehören die ordentlichen und außerordentlichen Hörer an Universitäten und Hochschulen künstlerischer Richtung an.

(2) Die ordentlichen Hörer sind nach Maßgabe der Abs. 3 und 4 für die Wahl von Organen der Österreichischen Hochschülerschaft und der Hochschülerschaften an den Universitäten und Hochschulen künstlerischer Richtung aktiv und passiv wahlberechtigt, wenn sie vor dem 1. Jänner des Wahljahres das 17. Lebensjahr vollendet haben.

(3) Das aktive Wahlrecht für Organe der Österreichischen Hochschülerschaft und der Hochschüler­schaften an den Universitäten und Hochschulen künstlerischer Richtung ist von der österreichischen Staatsbürgerschaft unabhängig.

(4) (Verfassungsbestimmung) Passiv wahlberechtigt und zur Funktionsausübung in den akade­mischen Behörden berechtigt sind die ordentlichen Hörer österreichischer Staatsbürgerschaft sowie der Staatsangehörigkeit einer anderen Vertragspartei des EU-Beitrittsvertrages, BGBl. Nr. 45/1995.

(5) Das aktive und passive Wahlrecht richtet sich nach dem Stichtag, der sieben Wochen vor dem ersten Wahltag liegt.“

2. Der bisherige § 26 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“. Der zweite Satz entfällt. Folgende Abs. 2 und 3 werden angefügt:

„(2) (Verfassungsbestimmung) § 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. .../1997 tritt mit 14. April 1997 in Kraft.

(3) Abweichend von § 1 Abs. 5 richtet sich das passive Wahlrecht für die Hochschülerschaftswahlen im Jahre 1997 nach dem Stichtag, der vier Wochen vor dem ersten Wahltag liegt.“


 

Abweichende persönliche Stellungnahme

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic gemäß § 42 Abs. 5 GOG zum Bericht und Antrag des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Hochschülerschaftsgesetz 1973 geändert wird


In seiner Sitzung vom 14. März 1997 hat der Wissenschaftsausschuß mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP das passive Wahlrecht betreffend die österreichische HochschülerInnenschaft auf EU-AusländerInnen ausgeweitet. Weitergehende Anträge der grünen Fraktion und der sozialdemokratischen Fraktion (!), die allen in Österreich Studierenden das passive Wahlrecht zuerkannt hätten, wurden vertagt.

Damit wurde der auf die XIII. (!) Gesetzgebungsperiode – derzeit XX. GP – zurückgehende Wunsch der österreichischen HochschülerInnenschaft auf Gleichstellung aller Studierenden erneut nicht erfüllt. Eine sachlich befriedigende Begründung für diese kleinliche Erweiterung des passiven Wahlrechts konnte im Ausschuß nicht gegeben werden.

Die unterfertigte Abgeordnete wies bei den Ausschußberatungen ausdrücklich auf das internationale Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung (Bundesgesetzblatt Nr. 377/1972) sowie das in Ausführung dieses Übereinkommens im Jahre 1973 verabschiedete
Bundesverfassungsgesetz (Bundesgesetzblatt Nr. 390/1973) hin. Auf Grund dieses Bundes­verfassungsgesetzes sind Gesetzgebung und Verwaltung verpflichtet, jede Unterscheidung aus dem alleinigen Grund . . . der nationalen oder ethnischen Herkunft zu unterlassen. Wesentlicher Inhalt dieses BVG ist somit die Ausdehnung des Gleichheitsgrundsatzes auf die Behandlung der AusländerInnen untereinander. Es handelt sich dabei also um ein echtes AusländerInnengrundrecht, dessen Einhaltung vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann. Die im Ausschuß vor allem von Abgeordneten der Österreichischen Volkspartei, insbesondere vom Abgeordneten Dr. Lukesch, angeführten Gründe für eine Beschränkung des passiven AusländerInnenwahlrechts auf EU-Angehörige sind in der Sache unhaltbar. Insbesondere kann aus der österreichischen EU-Mitgliedschaft, aus den Verträgen betreffend die Europäische Union, den österreichischen Beitrittsleistungen und der Teilhabe Österreichs an den gemeinschaftlich finanzierten EU-Forschungsprojekten keine ausreichende Begründung für Differenzierungen beim passiven Wahlrecht abgeleitet werden. Die unterfertigte Abgeordnete hat darauf hingewiesen, daß eine verfassungsrechtliche Zugehörigkeit Österreichs samt Beitragsleistungen auch zu anderen internationalen Organisationen, insbesondere zur UNO, bestehe, daß zweitens die Zugehörigkeit zu einem Binnenmarkt kein sachliches Kriterium für Differenzierungen bei HochschülerInnenschaftswahlen sei und daß es drittens auch gemeinschaftlich finanzierte Forschungskooperationen mit Nicht-EU-Staaten gäbe.

Der Hinweis der Regierungsparteien auf die im Rahmen der EU bestehenden Grundfreiheiten, insbesondere die Niederlassungsfreiheit und auf die teilweise vereinheitlichte Steuerpflicht im EU-Raum, sind ebenfalls keine tauglichen Unterscheidungsgrundlagen, da sich die Freizügigkeit für ArbeitnehmerInnen nach EU-Recht insbesondere auch auf „GastarbeiterInnen“ bezieht, welche ebenfalls im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Die Ausführungen der Regierungsparteien zugrundelegend, müßte man zwingend das passive Wahlrecht für ausländische Studierende aus Familien von „GastarbeiterInnen“ per sofort eröffnen.

Die unterfertigte Abgeordnete hat angesichts der völlig offen gebliebenen Kritikpunkte bei den Ausschußberatungen angekündigt, daß das Ergebnis der im Mai stattfindenden ÖH-Wahlen voraussichtlich von nicht EU-AusländerInnen angefochten werden wird, da die nun von den Regierungsparteien gegen den erklärten Wunsch der ÖH durchgesetzte Regelung vom österreichischen Verfassungsrecht nicht gedeckt wird.

MMag. Dr. Madeleine Petrovic