846 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 17. 9. 1997

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsgesetz SSR und das Verteilungsgesetz DDR geändert werden


Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Das Entschädigungsgesetz SSR, BGBl. Nr. 452/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 549/1982, wird wie folgt geändert:

Nach § 42 wird folgender § 42a, der nach der Überschrift ABSCHNITT IV, Schlußbestimmungen, einzuschalten ist, eingefügt:

„§ 42a. (1) Für die mit rechtswirksamem Vergleich oder rechtskräftiger Entscheidung der Bundesentschädigungskommission erledigten Anmeldungen ist von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland von Amts wegen der zuerkannte Entschädigungsbetrag um 34% zu erhöhen. Bei Anmeldungen, die noch unerledigt bei der Bundesentschädigungskommission anhängig sind, hat diese im Falle der Zuerkennung einer Entschädigung von Amts wegen den Erhöhungsbetrag zu ermitteln und dem Berechtigten bzw. seinen Rechtsnachfolgern von Todes wegen anzubieten. § 38 gelangt nicht zur Anwendung.

(2) Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat dem Berechtigten bzw. seinen Rechtsnachfolgern von Todes wegen einen Entschädigungsbetrag gemäß Abs. 1 anzubieten, wobei Beträge bis 100 S nicht anzubieten sind. Wird der angebotene Betrag innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Zustellung des Anbotes schriftlich angenommen, so ist dadurch der Anspruch auf Erhöhung durch Vergleich bereinigt. Wird von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland ein Erhöhungsbetrag angeboten und kommt innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Anbotes keine Einigung durch Vergleich zustande, so ist die Finanzlandesdirektion nicht mehr an ihr Anbot gebunden.

(3) Der Berechtigte bzw. seine Rechtsnachfolger von Todes wegen können innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist ihren Anspruch auf Erhöhung der Entschädigung bei der Bundesentschädigungskommission geltend machen. Die Bundesentschädigungskommission kann nur wegen unrichtiger Berechnung des angebotenen Erhöhungsbetrages oder unrichtiger Annahme von Erbquoten angerufen werden.

(4) Ansprüche, die nicht durch Vergleich bereinigt oder innerhalb der in Abs. 3 genannten Frist von drei Monaten bei der Bundesentschädigungskommission geltend gemacht werden, sind erloschen.

(5) Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat die Zahlung binnen vier Wochen ab Einlangen der fristgerechten Annahmeerklärung oder der Entscheidung der Bundesent­schädigungskommission bei der Finanzlandesdirektion zu leisten.

(6) Hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland bis zum 31. Dezem­ber 2004 einem Berechtigten bzw. seinen Rechtsnachfolgern von Todes wegen kein Anbot über die gemäß Abs. 1 erhöhte Entschädigung zugestellt, so kann der Erhöhungsanspruch bei der Bundesent­schädigungskommission geltend gemacht werden.

(7) Entschädigungsmittel, die nicht zur Verteilung gelangen, verfallen nach Abschluß aller Ver­fahren zugunsten des Bundes. Erhöhungsbeträge bis 100 S je Berechtigtem oder Rechtsnachfolger von Todes wegen gelangen nicht zur Auszahlung.

Artikel II


Das Verteilungsgesetz DDR, BGBl. Nr. 189/1988, wird wie folgt geändert:

1. § 20 Abs. 6 entfällt.

2. § 29 entfällt.

Artikel III

Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Finanzen betraut.

Vorblatt

Problem:

EG-SSR: Nach Abschluß nahezu aller Entschädigungsverfahren ist ein Teil der Globalentschädi­gung noch nicht zur Verteilung gelangt.

VG-DDR: Die Möglichkeit der Nachsicht von der Fristversäumnis verhindert den Abschluß der anhängigen Verfahren und die Ermittlung und Auszahlung der Restquote an die Antragsteller.

Problemlösung:

EG-SSR: Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Erhöhung der bereits rechtskräftig oder rechtswirksam zuerkannten Entschädigungszahlungen.

VG-DDR: Entfall des § 20 Abs. 6.

Ziel:

Abschließende Bereinigung der Entschädigungsmaterien SSR und DDR.

Alternativen:

Keine.

Kosten und Dauer:

EG-SSR: Der mit der Vollziehung im Zusammenhang stehende Personal- und Sachaufwand wird mit rund 20 Millionen Schilling veranschlagt. Dazu kommt noch ein Betrag von rund 385 Millionen Schilling an Zahlungen für Entschädigungen. Für die Vollziehung ist ein Zeitraum von etwa acht Jahren vorgesehen.

VG-DDR: Es entsteht kein zusätzlicher Personal- und Sachaufwand. Für die Auszahlung der Restquote sind etwa 30 Millionen Schilling zu veranschlagen.

Konformität mit EU-Recht:

In diesem Bereich gibt es kein EU-Recht.

Erläuterungen

Allgemeiner Teil


Mit Bundesgesetz vom 3. Juli 1975, BGBl. Nr. 452/1975, wurde die Grundlage für die innerstaatliche Weitergabe der von der ehemaligen SSR auf Grund des am 19. Dezember 1974 unterzeichneten Vermögensvertrages geleisteten Globalentschädigung an geschädigte österreichische Staatsbürger und juristische Personen geschaffen. Der Wert des jeweiligen Vermögensverlustes wurde auf Grund von im Gesetz näher definierten Rechnungseinheiten (RE) ermittelt, welche degressiv nach der Höhe des Verlustes abgestuft sind.

Die Republik Österreich hat auf Grund des Vermögensvertrages von der ehemaligen SSR eine Milliarde Schilling bar erhalten. Daneben wurden an Österreich im Bundesgebiet befindliche Vermögenswerte übertragen, die in einem komplizierten Verfahren nach dem Vermögensabwicklungs­gesetz, BGBl. Nr. 713/1976, vom Handelsgericht abgewickelt werden mußten, und einen Betrag von 435 674 352 S erbrachten. Hinzu kommt noch ein Betrag von 87 531 150 S gemäß Briefwechsel 4 des Vermögens­vertrages. Somit ergibt sich eine Gesamtsumme von 1 523 205 502 S. Davon sind bisher 1 134 780 243 S an Antragsteller ausgezahlt worden. Für die derzeit noch anhängigen Verfahren und jene, wo die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland den zuerkannten Betrag noch nicht überweisen konnte, weil Todesfälle oder sonstige Ereignisse eine Auszahlung bisher verhindert haben, ist noch ein Betrag von 2,6 Millionen Schilling zu berücksichtigen. Es ist somit noch ein Betrag von 385 825 259 S zu verteilen.

Da die Anzahl der Anträge nach dem Entschädigungsgesetz SSR (EG-SSR) deutlich unter den Erwartungen geblieben ist, wurden die RE bereits in der Novelle vom 18. Dezember 1979, BGBl. Nr. 557/1979, um einheitlich 4 S je RE aufgestockt.

Nach Verwertung der übertragenen Vermögenswerte und Abschluß nahezu aller Entschädigungs­verfahren, in denen etwa 47 200 Personen Leistungen erhalten haben, soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine abschließende Erhöhung der bereits rechtskräftig oder rechtswirksam zuerkannten Entschädigungsbeträge erfolgen. Die Erhöhungsverfahren werden von Amts wegen durchgeführt, um den Geschädigten oder ihren Rechtsnachfolgern unbürokratisch weitere Entschädigungszahlungen zukommen lassen zu können. Bei Inkraftreten des Entschädigungsgesetzes SSR hat der Gesetzgeber, wie den Erläuterungen zu diesem Gesetz zu entnehmen ist, die Anzahl der zu erwartenden Entschädigungsanträge auf etwa 90 000 geschätzt. Da die Anzahl der erwarteten Anmeldungen und die Höhe der ausgezahlten Entschädigungsbeträge wesentlich gegenüber jenen Zahlen zurückgeblieben ist, die Gegenstand der jahrelangen Vermögensverhandlungen gewesen sind, wurde neben einigen anderen Verbesserungen der Rechtslage für die Antragsteller auch der Schillingbetrag je RE erstmals aufgestockt. Die ursprünglich sehr vorsichtige Bemessung des Gegenwertes der RE war auch in der nicht genau abzuschätzenden Höhe der Gesamtverluste begründet. Das Vorhandensein ausreichender Mittel gibt dem Gesetzgeber in dieser abschließenden Regelung die Möglichkeit, jeden bereits zuerkannten Entschädigungsbetrag um 34% zu erhöhen.

Für die Dauer der Vollziehung dieses Bundesgesetzes entsteht ein zusätzlicher Personalaufwand im Bereich der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, der durch interne Umschichtungen zu bedecken sein wird. Der Personal- und Sachaufwand wird für die Neuberechnung der 36 273 Aktenvorgänge mit bisher bekannten rund 47 200 Antragstellern mit etwa 20 Millionen Schilling veranschlagt, wobei allein die Portogebühren nach heutigen Tarifen nach Berechnung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland voraussichtlich rund 7 Millionen Schilling betragen werden. Die veranschlagten Kosten basieren auf den von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland anhand mehrerer Akten vorgenommenen fiktiven Kosten­berechnungen und verteilen sich auf die voraussichtliche Vollzugsdauer von acht Jahren. Steigerungen bei den Personalkosten und den Gebühren bleiben unberücksichtigt. Dazu ist noch ein Betrag von 385 825 259 S für Entschädigungszahlungen, verteilt über den Vollzugszeitraum, zu veranschlagen.

Die Kosten sind bei den jeweiligen Ansätzen des Bundesministeriums für Finanzen und der Finanz­landesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland zu budgetieren.

Das Verteilungsgesetz DDR (VG-DDR), BGBl. Nr. 189/1988, ist die Umsetzung des zwischen der Republik Österreich und der ehemaligen DDR am 21. August 1987 abgeschlossenen Globalentschädi­gungsabkommens. Auf Grund dieses völkerrechtlichen Vertrages ist ein Gesamtbetrag von 136,4 Millio­nen Schilling an die Republik Österreich geflossen. Derzeit sind noch etwa 30 Verfahren unerledigt anhängig, 37,4 Millionen Schilling sind noch nicht zur Verteilung gelangt.

Jene Antragsteller, welche bereits Entschädigungen zuerkannt erhalten haben, haben davon bisher einen Betrag von 70% der Höhe des festgestellten Vermögensverlustes überwiesen bekommen. Die noch ausständige Restquote gelangt nach Inkrafttreten des Verteilungsplanes gemäß § 27 zur Auszahlung, was aber den Abschluß aller noch anhängigen Verfahren voraussetzt.

Der vorliegende Gesetzentwurf soll sicherstellen, daß so rasch als möglich die anhängigen Verfahren abgeschlossen werden können und die Erstellung des Verteilungsplanes zügig in Angriff genommen werden kann.

Die Vollziehung der Novelle zum VG-DDR verursacht hinsichtlich des Entfalls des § 20 Abs. 6 keine Kosten, es wird lediglich der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verteilungsplanes vorverlegt, so daß die restlichen Entschädigungsmittel – geschätzte 30 Millionen Schilling – zu einem früheren Zeitpunkt ausgezahlt werden. Die grundsätzliche Zahlungspflicht besteht schon nach der bisherigen Rechtslage (§ 27 Abs. 3).

Die Zuständigkeit zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 15 B-VG.

Besonderer Teil

Artikel I

Zu § 42a:

Das für die Ermittlung des Erhöhungsbetrages vorgesehene Verfahren entspricht jenem für die Berechnung der Entschädigung selbst mit zwei wesentlichen Abweichungen. Einerseits kommt es zu keiner neuerlichen Berechnung der RE bzw. Entschädigungssumme, da Grundlage der Berechnung die bereits rechtskräftig oder rechtswirksam feststehenden Entschädigungsbeträge sind, andererseits ist das Verfahren ein amtswegiges. Da die Vermögensverluste bereits der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland bekannt sind, ist auf dieser Basis die Neuberechnung durchzuführen. Bei Verfahren, die bei der Bundesentschädigungskommission anhängig sind, ist der Erhöhungsbetrag im Falle der Zuerkennung einer Entschädigung gleichzeitig mit dieser zu berechnen. Wenngleich es sich dabei nur um einige Fälle handelt, so soll mit dieser Regelung eine Rückübertragung des Aktes an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vermieden werden.

Bei der Anbotspflicht der Finanzlandesdirektion bleiben Beträge unter 100 Schilling aus arbeitsökono­mischen und verwaltungstechnischen Gründen unberücksichtigt. Auch die Rechtsnachfolger von Todes wegen werden von Amts wegen ausgeforscht, womit auch die voraussichtliche lange Verfahrensdauer begründet ist. Die Erfahrung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit derartigen Entschädigungsverfahren hat gezeigt, daß in den seltensten Fällen den Erben bekannt ist, welche Leistungen die Erblasser erhalten haben. Es soll daher nicht von der zufälligen Kenntnis abhängen, daß jemand eine weitere Entschädigungsleistung erhält.

Berechtigte im Sinne dieser Gesetzesvorlage sind jene Geschädigten, denen durch rechtswirksamen Vergleich oder rechtskräftige Entscheidung der Bundesentschädigungskommission Entschädigungs­leistungen zuerkannt worden sind.

Die in Abs. 7 aufgenommene Verfallsbestimmung findet ihre Berechtigung darin, daß einerseits mit dieser Gesetzesvorlage eine abschließende Regelung getroffen werden soll, andererseits die Republik Österreich aus dem allgemeinen Steueraufkommen für die bisherige Vollziehung etwa 80 Millionen Schilling aufgewendet hat.

Mit der Regelung, daß Erhöhungsbeträge bis 100 Schilling nicht zur Auszahlung gelangen, soll vermieden werden, daß Beträge ausgezahlt werden müssen, deren Ermittlung höhere Kosten verursacht als sie selbst betragen. Durch teilweise mehrmalige Erbgänge haben sich zum Teil so geringe Erbquoten ergeben, daß aus arbeitsökonomischen und verwaltungstechnischen Gründen Beträge unter 100 Schilling nicht zur Anweisung gelangen. Zugunsten des Bundes verfallende Beträge werden zur zumindest teilweisen Deckung der Vollziehungskosten herangezogen.

Artikel II

Obwohl die Anmeldefrist für Vermögensverluste bereits am 31. Dezember 1988 abgelaufen ist, können auf Grund einer im Verteilungsgesetz DDR enthaltenen Ausnahmebestimmung weiterhin wirksam Anträge eingebracht werden. Auf Grund des § 20 Abs. 6 leg. cit. hat die Bundesverteilungskommission, solange der Verteilungsplan nicht in Kraft getreten ist, eine Nachsicht von der Fristversäumnis zu gewähren, wenn der Verlust dem Bundesministerium für Finanzen bereits früher angezeigt worden ist oder ausdrücklich Gegenstand der zwischenstaatlichen Verhandlungen mit der ehemaligen DDR gewesen ist.

Bei Betrachtung der Konsequenzen dieser Regelung ist es diese zum Vorteil vieler Antragsteller ins Gesetz aufgenommene Bestimmung, die den Abschluß der anhängigen Verfahren und somit die Erstellung des Verteilungsplanes verhindert. Seit dem Inkraftreten des VG-DDR haben zahlreiche Antragsteller von dieser Nachsichtsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Eine weitere Verzögerung der Auszahlung der Restquote ist nicht mehr vertretbar, da viele der Antragsteller bereits ein sehr hohes Alter erreicht haben und auf Grund zum Teil sehr geringer Pensionen dringend auf die Überweisung der Restquote angewiesen sind.


Für Anträge, welche bis zum Inkraftreten dieser Gesetzesvorlage bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland einlangen, gelangt § 20 Abs. 6 weiterhin zur Anwendung.

In § 29 ist vorgesehen, daß Mittel laut § 1, die einem Entschädigungswerber infolge seines Verzichtes nicht ausgezahlt werden, nicht zu verteilen sind. Darüber hinaus haben drei Entschädigungswerber die ihnen bisher zuerkannten und teilweise überwiesenen Entschädigungen in Gesamthöhe von rund 500 000 S zurückgezahlt. Dieser Betrag soll ebenfalls an die Geschädigten zur Verteilung gelangen. Mit dem Entfall dieser Bestimmung ist daher gewährleistet, daß der gesamte Entschädigungsbetrag, der auf der Grundlage des Vermögensvertrages an die Republik Österreich geflossen ist, auch den Geschädigten zugute kommt.