1043 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 20. 1. 1998

Regierungsvorlage


Bundesgesetz über Maßnahmen und Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information (Gesundheitsförderungsgesetz – GfG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Gegenstand

§ 1. (1) Gegenstand dieses Bundesgesetzes sind Maßnahmen und Initiativen, die zur Erreichung folgender Zielsetzungen beitragen:

           1. Erhaltung, Förderung und Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung im ganzheitlichen Sinn und in allen Phasen des Lebens;

           2. Aufklärung und Information über vermeidbare Krankheiten sowie über die die Gesundheit beeinflussenden seelischen, geistigen und sozialen Faktoren.

(2) Maßnahmen und Initiativen, die in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Sozialversicherung fallen, bzw. auf Grundlage anderer gesetzlicher Bestimmungen durchgeführt werden, sind nicht Gegenstand dieses Bundesgesetzes.

(3) Soweit in diesem Gesetz personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise.

Erreichung der Ziele

§ 2. Folgende grundlegende Strategien sind zur Erreichung der in § 1 genannten Zielsetzungen vorzusehen:

           1. Strukturaufbau für Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention unter Berücksichtigung und Einbindung bestehender Einrichtungen und Strukturen;

           2. Entwicklung und Vergabe von bevölkerungsnahen, kontextbezogenen Programmen und Angeboten in Gemeinden, Städten, Schulen, Betrieben und im öffentlichen Gesundheitswesen;

           3. Entwicklung zielgruppenspezifischer Programme zur Information und Beratung über gesunden Lebensstil, Krankheitsprävention sowie Umgang mit chronischen Krankheiten und Krisensitua­tionen;

           4. wissenschaftliche Programme zur Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung und Krankheits­prävention sowie der Epidemiologie, Evaluation und Qualitätssicherung in diesem Bereich;

           5. Unterstützung der Fortbildung von Personen, die in der Gesundheitsförderung und Krankheits­prävention tätig sind;

           6. Abstimmung der Maßnahmen und Initiativen im Sinne dieses Bundesgesetzes mit bestehenden Aktivitäten im Bereich der Gesundheitsförderung.

Durchführung der Aufgaben

§ 3. (1) Die Durchführung von Maßnahmen und Initiativen im Sinne dieses Bundesgesetzes wird dem gemeinnützigen Fonds „Gesundes Österreich“, Fonds im Sinne des Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetzes BGBl. Nr. 11/1975 in der jeweils geltenden Fassung, mit Sitz in Wien, übertragen.

(2) Die Tätigkeit des Fonds „Gesundes Österreich“ kann vom Bund unter Verwendung der nach dem jeweiligen Bundesfinanzgesetz verfügbaren Bundesmittel gemäß § 4 gefördert werden. Diese für das jeweilige Kalenderjahr gewährten Zuschüsse können durch allfällige Auflösung von Rücklagen von in den Vorjahren nicht in Anspruch genommenen Mitteln erhöht werden.

(3) Vor der Gewährung von Zuschüssen hat sich der Fonds „Gesundes Österreich“ dem Bund gegenüber zu verpflichten, zum Zweck der Überwachung der widmungsgemäßen Verwendung der Zuschüsse, Organen des Bundes oder von diesen beauftragten Personen die Überprüfung der Durchführung durch Einsicht in die Aufzeichnungen und Belege sowie durch Einschau an Ort und Stelle zu gestatten und ihnen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Ferner hat sich der Fonds „Gesundes Österreich“ zu verpflichten, bei nicht widmungsgemäßer Verwendung von Zuschüssen diese dem Bund zurückzuzahlen.

(4) Die langfristige sowie jährliche Planung zur Umsetzung der Maßnahmen und Initiativen hat unter Bedachtnahme auf die von anderen Gebietskörperschaften gesetzten Maßnahmen und Initiativen durch den Fonds „Gesundes Österreich“ zu erfolgen. Der Fonds „Gesundes Österreich“ hat einen jährlichen Geschäftsbericht zu erstellen und zu veröffentlichen.

Finanzaufkommen

§ 4. Für Zwecke der Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information werden ab dem Jahr 1998 jährlich Anteile am Aufkommen an der Umsatzsteuer nach Maßgabe des jeweiligen Finanzausgleichs­gesetzes zur Verfügung gestellt.

Vollziehung

§ 5. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist, sofern Abs. 2 nichts anderes bestimmt, der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales betraut.

(2) Mit der Vollziehung des § 4 ist der Bundesminister für Finanzen betraut.

Vorblatt

Problem:

Die steigenden Kosten im Gesundheitswesen machen es zusätzlich zu den zwischenzeitlich eingeleiteten strukturellen Veränderungen notwendig, verstärkt Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu setzen. Es ist daher ein gesundheitspolitisches Ziel, den Wissenstand der Bevölkerung über Gesundheitsgefahren und gesundheitsfördernde Maßnahmen zu erweitern, Informationen über gesunde Lebensgestaltung zu vermitteln und sowohl die Entwicklung positiver Verhaltensweisen als auch gesundheitsfördernder Rahmenbedingungen dafür zu unterstützen.

Ziel:

Mit dem vorliegenden Bundesgesetz erfolgt eine Zieldefinition sowie die Definition von Strategien für die Verwendung zweckgebundener Finanzmittel, die aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer zur Verfügung gestellt und beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales budgetiert werden. Die ab dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes jährlich zur Verfügung gestellten Mittel erlauben nunmehr eine kohärente, langfristige Planung und Umsetzung im Bereich der Gesundheitsförderung, -aufklärung und
-information.

Inhalt:

Diese zusätzlichen Mittel sollen in Ergänzung der bereits etablierten Vorsorgemaßnahmen der Förderung und Durchführung praktischer Aktivitäten und flankierender wissenschaftlicher Studien in der Gesundheitsförderung dienen und gleichzeitig die Schaffung einer nachhaltigen unterstützenden Struktur für derartige Maßnahmen und Initiativen ermöglichen.

Mit der Abwicklung wird der bestehende gemeinnützige Fonds „Gesundes Österreich“ betraut.

Alternativen:

Einzelmaßnahmen allein im Rahmen der jährlichen Budgetierung ohne gesetzlich garantierte langfristige Finanzplanung. Diese Variante stellt jedoch nach den bisherigen internationalen Erfahrungen eine sehr wenig effiziente Vorgangsweise in der Gesundheitsförderung dar. Den erwünschten Effekt bringen nur nachhaltige, langfristig konzipierte Programme.

Kosten:

Siehe § 4. Die aus dem Finanzausgleichsgesetz zur Umsetzung der vorliegenden „Initiative Gesundheits­förderung“ zur Verfügung gestellten Mittel belaufen sich derzeit auf 100 Millionen Schilling jährlich – Mehrkosten sind nicht zu erwarten.

EU-Konformität:

Gegeben.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Im Regierungsübereinkommen vom 11. März 1996 wird betont, daß – auch im Zusammenhang mit der Sicherstellung der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems – der Gesundheitsförderung und -vorsorge ein hoher Stellenwert zukommt.

Bund, Länder, Gemeinden und Städte haben sich nun darauf geeinigt, vor Aufteilung der Umsatzsteuer­mittel auf die Gebietskörperschaften einen Betrag von 100 Millionen Schilling für Maßnahmen zur Gesundheits­förderung zur Verfügung zu stellen.

Durch die „Initiative Gesundheitsförderung“ wird es nunmehr auch in Österreich möglich, eine Entwicklung einzuleiten, die den Aufbau und die Durchführung langfristiger Programme für prioritäre Zielgruppen erlaubt. Die Mittel sollen in Ergänzung der bereits etablierten Maßnahmen eingesetzt werden.

Internationale Erfahrungen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung, -aufklärung, und -information haben gezeigt, daß nur langfristige Programme, die auch die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen berücksichtigen, die gewünschte Wirksamkeit erzielen. Als strukturelle Basis für diese Zielsetzung haben die meisten europäischen Länder organisatorische Vorkehrungen für Gesundheitsförderung getroffen und damit gute Erfolge erzielt. In bestimmten Bereichen konnten auch Kosteneinsparungen nachgewiesen werden.

Mit der administrativen und inhaltlichen Abwicklung von Projekten im Rahmen dieses Bundesgesetzes wird der Fonds „Gesundes Österreich“ (FGÖ) betraut werden, welcher über langjährige Erfahrung in der Projektdurchführung im Bereich Gesundheits­förderung verfügt.

Die durch den erweiterten Aufgabenbereich des FGÖ notwendige strukturelle Anpassung der Satzung wird in der Besetzung der Fondsorgane zusätzlich zu den Fondsgründern auch alle jene Gebietskörper­schaften zu berücksichtigen haben, die durch ihre Zustimmung zum Finanzausgleichsgesetz die Aufbringung der Mittel für die „Initiative Gesundheitsförderung“ ermöglicht haben. Darüberhinaus werden alle maßgeblichen Akteure der Gesundheitsförderung in die operationelle Umsetzung einbezogen werden.

Die Möglichkeit zur Einreichung von Projekten im Hinblick auf die Mitfinanzierung aus den für die vorliegende Gesetzesinitiative zur Verfügung gestellten Mitteln steht jeder natürlichen und/oder juristischen Person offen, sofern diese Projekte mit den Zielsetzungen des Gesetzes und/oder den Jahresarbeitsprogrammen des Fonds im Einklang stehen.

Kompetenzrechtsgrundlage ist Art. 10 Abs. 1 Z 12 in Verbindung mit Art. 17 B-VG.

Besonderer Teil

Zu § 1:

Die Ziele orientieren sich an dem umfassenden Gesundheitsbegriff der WHO, der neben dem biomedizinischen Ansatz, die Bedeutung der psychosozialen und gesellschaftlichen Aspekte von Gesundheit betont. Sie schließen an die Ottawa Charta der WHO zur Gesundheitsförderung an, die sich europaweit als fachliches Rahmenkonzept für Gesundheitsförderung bewährt hat.

Die Mitgliedstaaten der EU richten seit 1996 transnationale Netzwerke ein, die durch Kooperation und Erfahrungsaustausch über besonders wirksame, nachhaltige und akzeptierte Maßnahmen der Gesundheits­förderung zur Qualitätsentwicklung in diesem Bereich beitragen. Die „Initiative Gesundheitsförderung“ strebt daher auch an, in dieser europaweiten Zusammenarbeit mitzuwirken und vor allem den Einsatz evaluierter, qualitätsgesicherter Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention zu unterstützen. Neben der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Bevölkerung sollen auch spezielle Ziele angestrebt werden, wie zB die Senkung der Krankenstände durch Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung.

Ziel der vorliegenden Initiative ist es, die Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention auszuweiten, zu verstärken und weiterzuentwickeln. Eine Kostentragung aus Mitteln dieses Bundesgesetzes für einschlägige Aktivitäten, die auf anderen gesetzlichen Bestimmungen basieren (zB ASVG, ASchG) ist nicht vorgesehen.

Zu § 2:

Die Strategien setzen auf mehreren Ebenen an: sie umfassen die Strukturentwicklung und die Entwicklung integrierter Programme auf individueller Ebene sowie im Zusammenhang mit dem Lebenskontext der Menschen. Sie zielen auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Information über Vorsorgemaßnahmen und gesunden Lebensstil sowie auf komplexere Interventionen im psychosozialen Bereich und in der organisationsgestützen Gesundheitsförderung. Langfristige Umsetzungsstrategien sollen sowohl die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen als auch die Rahmenbedingungen für Gesundheit fördern (WHO Ottawa Charta 1986). Dabei ist stärker als bisher die Verbindung zwischen den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung, der praktischen Umsetzung und der Evaluation herzustellen.

Darüber hinaus ist im Sinne einer effizienten Mittelverwendung die Abstimmung bei der Umsetzung dieser Initiative mit bestehenden Aktivitäten in Österreich im Rahmen der Jahresarbeitspläne und der Projektvergaben zu gewährleisten.

Prioritäre Schwerpunkte der Umsetzung sind:

–   die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen (sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich, einschließlich von Maßnahmen zur Prävention von Abhängigkeitserkrankungen);

–   die Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz (zB partizipatorische Interventionsansätze, Gesundheits­zirkel, Verbesserung der Gemeinschaftsverpflegung, spezielle Programme für Klein- und Mittel­betriebe), im Zusammenhang mit dem Arbeitsumfeld sind auch die durch gesundheitsfördernde Maßnahmen beeinflußbaren Indikatoren, wie zB Krankenstände, anzusprechen;

–   spezielle Zielgruppen, wie chronisch Kranke (zB DiabetikerInnen, Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen bzw. Risikofaktoren), ältere Menschen (einschließlich der Gesundheits­förderung für pflegende Angehörige) sowie Information und Aufklärung im Bereich Schwangerschaft und frühe Kindheit, insbesondere Mutter-Kind-Paß.

Dabei ist neben der körperlichen Gesundheit auch die psychosoziale Gesundheit zu fördern, ebenso sind die sozioökonomischen Lebensumstände der Zielgruppen sowie spezielle Krisensituationen zu berücksichtigen (zB kritische Lebensereignisse, Gewalt, Suizid- und Sektengefahr).

Da eine wirksame Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention nur durch langfristige Umsetzungs­strategien erreicht werden kann – deren Qualität überprüft und ständig verbessert wird – umfaßt die „Initiative Gesundheitsförderung“ auch die dafür erforderlichen flankierenden Maßnahmen wie Epi­demiologie, Evaluation, Qualitätsmanagement und Fortbildung.

Zu § 3:

Die Durchführung der Maßnahmen und Initiativen wird dem Fonds „Gesundes Österreich“ (FGÖ) übertragen, einer Organisation, die speziell für Gesundheitsförderung eingerichtet wurde und auch bisher schon – im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten – Aufgaben als Informations- und Koordinations­plattform für Gesundheitsförderung wahrgenommen hat. Als privater Fonds verfügt diese Einrichtung über die notwendige Flexibilität für die Durchführung von Programmen in Österreich und erlaubt auch die Beteiligung Österreichs an den internationalen Projekten des EU-Aktionsprogrammes zur Gesundheits­förderung, -aufklärung und -information.

Die bisherigen Aktivitäten des FGÖ sollen in die nunmehrige Gesamtinitiative integriert werden. Die bereits beim Fonds etablierten Dokumentationen über Gesundheitsförderung und Selbsthilfegruppen bieten im Hinblick auf die zwingend notwendige Koordination und Abstimmung eine wertvolle Grundlage.

Um eine langfristige Planung und Umsetzung sicherzustellen, ist die Möglichkeit der Rücklagenauflösung und Verwendung in den Folgejahren vorgesehen.

Festzuhalten ist, daß die Kosten für die Infrastruktur der Fondsgeschäftsstelle aus dem Gesamtaufkommen der für die Umsetzung dieses Bundesgesetzes zur Verfügung stehenden Bundesmittel zu bedecken sein werden, wobei jedoch sowohl in den Fondsstatuten als auch im jährlichen mit dem Fonds abzuschließenden Rahmenförderungsvertrag eine prozentuelle Deckelung der Overhead-Kosten vorzusehen sein wird.

Die Kontrollauflagen entsprechen den üblicherweise bei Förderungsverträgen des Bundes vorgesehenen Vorkehrungen.

Im Zuge der Neufassung der Satzung des FGÖ werden neben den Facheinrichtungen sowohl die Bundesebene als auch die Landes-, Gemeinde- und Städteebene die Möglichkeit haben, Vertreter in entsprechender Zahl in die Organe des Fonds zu entsenden, wodurch eine Einbindung in die Entscheidung über die Mittelverwendung in partnerschaftlicher Form gewährleistet sein wird.


Im Sinne der erforderlichen Transparenz und Nachvollziehbarkeit der FGÖ-Aktivitäten ist ein jährlicher Tätigkeitsbericht zu erstellen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Zu § 4:

Ab dem Haushaltsjahr 1998 ist gemäß § 7 Abs. 2 Z 3 Finanzausgleichsgesetz 1997 bei der Umsatzsteuer für Zwecke der Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information ein Betrag in Höhe von 100 Millionen Schilling jährlich vor der Teilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abzuziehen. Dieser Fixbetrag ist nicht mit dem Umsatzsteueraufkommen valorisiert und hat für Maßnahmen und Initiativen im Sinne dieses Bundesgesetzes Verwendung zu finden.

Zu § 5:

Der Vollzug dieses Bundesgesetzes fällt in den Kompetenzbereich des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit Ausnahme des § 4. Auf Grund des § 4 werden die Geldmittel für die vorliegende Gesundheitsförderungsinitiative über das Finanzausgleichsgesetz aufgebracht, dessen Vollzug dem Bundesminister für Finanzen obliegt.