1158 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Nachdruck vom 19. 5. 1998

Regierungsvorlage


Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen)


Der Nationalrat hat beschlossen:

Zweck des Gesetzes

§ 1. (1) Zweck dieses Bundesgesetzes ist die Einrichtung einer Stelle, deren Aufgabe es ist, Gefährdungen, die von Sekten oder von sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können, zu dokumentieren und darüber zu informieren.

(2) Auf gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen findet dieses Bundesgesetz keine Anwendung.

Begriffsbestimmung

§ 2. Dokumentation und Information über Sekten oder sektenähnliche Aktivitäten im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Dokumentation und Information über glaubens- und weltanschauungsbezogene Gemeinschaften oder Aktivitäten, von denen Gefährdungen im Sinne des § 4 Abs. 1 ausgehen können.

Einrichtung der Bundesstelle für Sektenfragen

§ 3. (1) Zur Wahrnehmung der Aufgabe (§ 4) wird unter der Bezeichnung “Bundesstelle für Sektenfragen” eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes eingerichtet.

(2) Der Sitz der Bundesstelle für Sektenfragen ist Wien. Die Bundesstelle für Sektenfragen ist berechtigt, ihrer Bezeichnung das Bundeswappen beizusetzen.

Aufgabenbereich

§ 4. (1) Aufgabe der Bundesstelle für Sektenfragen ist die Dokumentation und Information über Gefährdungen, die von Programmen oder Aktivitäten von Sekten oder von sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können, sofern ein begründeter Verdacht vorliegt und diese Gefährdungen allgemein

           1. das Leben oder die physische oder psychische Gesundheit von Menschen,

           2. die freie Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit einschließlich der Freiheit zum Eintritt zu oder Austritt aus religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften,

           3. die Integrität des Familienlebens,

           4. das Eigentum oder die finanzielle Eigenständigkeit von Menschen oder

           5. die freie geistige und körperliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen betreffen.

(2) Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe (Abs. 1) ist die Achtung der Toleranz für alle Glaubens­gemeinschaften und Weltanschauungen sowie die Achtung der Grundfreiheiten und Menschenrechte einschließlich der Glaubens-, Religions- und Gewissensfreiheit aller Bürger maßgeblich. Die Bundestelle für Sektenfragen ist bei ihrer Tätigkeit jedenfalls dem Gebot einer sachlichen, objektiven und wahrheitsgetreuen Information verpflichtet.

(3) Zur Erfüllung der Aufgabe gemäß Abs. 1 ist die Bundesstelle für Sektenfragen, nach Maßgabe des § 5, insbesondere berechtigt zur:

           1. Sammlung, Auswertung und Weitergabe von Informationen;

           2. Beratung von Betroffenen;

           3. Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit in- und ausländischen Stellen;

           4. Entwicklung, Koordination und Leitung von Forschungsprojekten.

(4) Die Bundesstelle für Sektenfragen ist weiters berechtigt, Aufgaben im Sinne der Abs. 1 bis 3 und nach Maßgabe des § 5 von Dritten vertraglich zu übernehmen.

Behandlung von Daten, Datenschutz

§ 5. (1 ) Zur Erfüllung ihrer Aufgabe ist die Bundesstelle für Sektenfragen berechtigt nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7 Daten zu ermitteln, zu verarbeiten und zu übermitteln.

(2) Die Bundesstelle für Sektenfragen ist berechtigt, bereits öffentlich zugängliche personenbezogene Daten über glaubens- oder weltanschauungsbezogene Gemeinschaften, ihre Programme und Aktivitäten sowie öffentlich zugängliche Daten über glaubens- oder weltanschauungsbezogene Aktivitäten von Einzelpersonen zu erheben und zu verarbeiten. Liegt ein begründeter Verdacht einer Gefährdung gemäß § 4 Abs. 1 vor, ist die Bundesstelle für Sektenfragen berechtigt, die erhobenen und verarbeiteten öffent­lich zugänglichen personenbezogenen Daten zu übermitteln. Ansonsten ist eine Übermittlung dieser Daten zulässig, wenn kein Grund zur Annahme besteht, daß schutzwürdige Belange der davon Betroffenen überwiegen; personenbezogene Daten natürlicher Personen können in diesem Zusammen­hang jedoch nur dann übermittelt werden, wenn der Betroffene die zu übermittelnden personenbezogenen Daten selbst offenkundig öffentlich gemacht hat.

(3) Personenbezogene Daten über glaubens- oder weltanschauungsbezogene Gemeinschaften, ihre Programme und Aktivitäten, die nicht öffentlich zugänglich sind, können erhoben und verarbeitet werden, soweit sie der Bundesstelle für Sektenfragen freiwillig mitgeteilt werden oder sonst ohne jegliche Zwangsmaßnahmen rechtmäßig in ihren Besitz gelangen, wenn ein begründeter Verdacht einer Gefähr­dung gemäß § 4 Abs. 1 vorliegt. Das Erheben und das Verarbeiten von nicht öffentlich zugänglichen personenbezogenen Daten natürlicher Personen ist darüber hinaus nur zulässig, wenn die betreffende Person über eine bloße Mitgliedschaft hinausgehend in der betreffenden Glaubens- oder Weltanschau­ungsgemeinschaft aktiv mitwirkt oder als Einzelperson glaubens- oder weltanschauungsbezogene Aktivi­täten setzt. Die in diesem Zusammenhang erhobenen und verarbeiteten personen­bezogenen Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

           1. es zur Erfüllung der Aufgaben gemäß § 4 Abs. 1 erforderlich ist und

           2. schutzwürdige Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegen.

(4) Die Übermittlung personenbezogener Daten darf nur erfolgen, wenn nach vorangehender Prüfung anzunehmen ist, daß die Daten beim Empfänger nur zu dem der Übermittlung zugrundeliegenden Zweck verwendet werden.

(5) Die Veröffentlichung personenbezogener Daten natürlicher Personen ist nur zulässig, wenn von einer Person eine unmittelbar drohende Gefahr der Verwirklichung einer strafbaren Handlung gegen die Schutzgüter gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 bis 5, der nicht anders als durch die Veröffentlichung begegnet werden kann, ausgeht. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn der Betroffene die zu veröffentlichenden personenbezogenen Daten selbst offenkundig öffentlich gemacht hat.

(6) Die Speicherung der erhobenen personenbezogenen Daten ist spätestens nach zwei Jahren auf ihre Erforderlichkeit zu prüfen. Personenbezogene Daten, die für die Erfüllung der Aufgaben gemäß § 4 nicht unentbehrlich sind, sind unverzüglich zu löschen.

(7) Sofern nicht ausdrücklich anderes angeordnet wird, finden die Bestimmungen des Datenschutz­gesetzes, BGBI. Nr. 565/1978 in der jeweils geltenden Fassung, Anwendung.

Leitung der Bundesstelle für Sektenfragen

§ 6. (1 ) Die Bundesstelle für Sektenfragen wird von einem vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie zu bestellenden Geschäftsführer geleitet. Der Geschäftsführer hat aus den Dienstnehmern der Bundesstelle für Sektenfragen einen Stellvertreter zu bestellen; diese Bestellung bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie.

(2) Die Funktion des Geschäftsführers ist ausschließlich auf Grund einer besonderen Eignung der Bewerber zu vergeben. Die Eignung ist insbesondere auf Grund fachlicher Vorbildung und bisheriger Berufserfahrung der Bewerber, ihrer Fähigkeit zur Menschenführung, ihrer organisatorischen Fähigkeiten, ihrer persönlichen Zuverlässigkeit sowie auf Grund ihrer Unbefangenheit und Unbeeinflußbarkeit festzustellen.

(3) Der Dienstvertrag mit dem Geschäftsführer wird vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie abgeschlossen. Die Entlohnung des Geschäftsführers hat sich an der Besoldung für Bundes­bedienstete zu orientieren.

(4) Der Aufgabenbereich der Geschäftsführers umfaßt insbesondere folgende Angelegenheiten:

           1. Leitung der Bundesstelle für Sektenfragen;

           2. Führung der laufenden Angelegenheiten der Bundesstelle für Sektenfragen;

           3. jährliche Erstellung eines Arbeitsprogramms sowie eines Finanz- und Personalplanes für das folgende Kalenderjahr (§ 8);

           4. jährliche Erstellung des Geschäftsberichtes einschließlich eines Tätigkeitsberichtes und des Rechnungsabschlusses (§ 9);

           5. halbjährliche Berichterstattung über die von der Bundesstelle für Sektenfragen wahrgenommenen Dokumentations- und Informationsfälle an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie (§ 10 Abs. 1);

           6. regelmäßige Berichterstattung über die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie auf dessen Verlangen.

(5) Der Geschäftsführer ist berechtigt, Angestellte durch Dienstvertrag einzustellen sowie ein Dienstverhältnis durch Kündigung zu beenden. Auf das Dienstverhältnis der Dienstnehmer ist das Angestelltengesetz, BGBI. Nr. 292/1921 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden.

(6) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat die Bestellung zum Geschäftsführer aus wichtigen Gründen, wie grober Pflichtverletzung sowie bei Verzicht oder bei längerfristiger Dienst­verhinderung, zu widerrufen.

Aufsichtsrecht

§ 7. (1) Die Bundesstelle für Sektenfragen unterliegt hinsichtlich der Besorgung ihrer Aufgaben (§ 4) der Aufsicht durch den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie. Diese Aufsicht umfaßt die Sorge für die Rechtmäßigkeit der Führung der Geschäfte und die Aufrechterhaltung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben sowie die Kontrolle der Gebarung der Bundesstelle für Sektenfragen.

(2) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat Entscheidungen des Geschäftsführers aufzuheben, wenn diese in Widerspruch zu der geltenden Rechtsordnung stehen, der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben gemäß diesem Bundesgesetz zuwiderlaufen oder wegen der finanziellen Auswirkungen nicht durchführbar sind.

Arbeitsprogramm, Finanz- und Personalplan

§ 8. (1) Die Bundesstelle für Sektenfragen hat jährlich spätestens bis 1. November für das jeweils folgende Kalenderjahr ein Arbeitsprogramm sowie einen Finanz- und Personalplan zu erstellen, die der Genehmigung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie bedürfen.

(2) Jene Aufgaben, die gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 von der Bundesstelle für Sektenfragen erbracht werden, sind im Arbeitsprogramm sowie im Finanzplan gesondert auszuweisen.

(3) Der Bund hat die laut Arbeitsprogramm und Finanzplan gemäß Abs. 2 ausgewiesenen und genehmigten Kosten des notwendigen Personal- und Sachaufwandes der Bundesstelle für Sektenfragen nach Maßgabe der jeweils geltenden finanzgesetzlichen Ermächtigung zu tragen.

(4) Die Bundesstelle für Sektenfragen hat Einnahmen, die aus der Durchführung von Aufgaben für Dritte gemäß § 4 Abs. 4 erzielt werden, im Finanzplan zu berücksichtigen und zur Bestreitung ihrer Ausgaben zu verwenden. Diese Einnahmen mindern die vom Bund gemäß Abs. 3 zu tragenden Kosten.

Rechnungsabschluß, Geschäfts- und Tätigkeitsbericht

§ 9. Die Bundesstelle für Sektenfragen hat für jedes Kalenderjahr einen Rechnungsabschluß in Form der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie einen Geschäftsbericht nach den Grundsätzen eines ordentlichen Kaufmannes zu erstellen. Der Geschäftsbericht hat einen umfassenden Bericht über die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen zu enthalten. Der Rechnungsabschluß und der Geschäftsbericht sind bis spätestens 30. April des Folgejahres dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie vorzulegen und bedürfen dessen Genehmigung.

Besondere Berichtslegungspflichten

§ 10. (1) Die Bundesstelle für Sektenfragen hat die von ihr wahrgenommenen Dokumentations- und Informationsfälle in einem zusammengefaßten Bericht unter Darlegung aller datenschutzrelevanten Sachverhalte halbjährlich dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie vorzulegen. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat den Bericht dem Datenschutzrat zur Kenntnis zu bringen. Ein vom Datenschutzrat einzusetzender Arbeitsausschuß ist berechtigt, Einschau in die bei der Bundesstelle für Sektenfragen vorhandenen Unterlagen zu halten.

(2) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat dem Nationalrat jährlich einen Bericht über die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen zu erstatten.

Verschwiegenheit


§ 11. Die Organe und die Dienstnehmer der Bundesstelle für Sektenfragen sind, unbeschadet der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Ver­schwiegenheit über alle ihnen aus ihrer Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gilt auch nach dem Ausscheiden aus der Funktion und nach Beendigung des Dienstverhältnisses. Eine Entbindung von der Verpflichtung zur Ver­schwiegenheit kann durch den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie erfolgen, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.

Befreiung von Gebühren und Abgaben

§ 12. Die Bundesstelle für Sektenfragen gilt abgabenrechtlich als Körperschaft öffentlichen Rechts soweit sie in Erfüllung der Aufgaben gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 tätig wird. Die dem Aufgabenbereich des § 4 Abs. 1 bis 3 entsprechende Tätigkeit ist abgabenrechtlich kein Betrieb gewerblicher Art. 

Vollziehung

§ 13. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betraut, soweit Abs. 2 nicht anderes bestimmt.

(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist hinsichtlich § 10 Abs. 1 letzter Satz der Bundes­kanzler, hinsichtlich § 12 der Bundesminister für Finanzen betraut.

Inkrafttreten

§ 14. Dieses Bundesgesetz tritt mit dem seiner Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft.

Vorblatt

Problem:

Der Informationsvermittlung über Aktivitäten von Sekten kommt in der heutigen Gesellschaft eine steigende Bedeutung zu. Es gilt als Anliegen und Pflicht des Staates im öffentlichen Interesse sachlich und objektiv tätig zu werden.

Die Wahrnehmung dieser Aufgabe mit den Mitteln der staatlichen Verwaltung stellt sich hier jedoch in vieler Hinsicht als unzureichend und ungeeignet dar.

Da staatliche Aufklärungsarbeit in diesem besonders sensiblen Bereich zu Eingriffen in die Grund­rechtssphäre von Betroffenen (insbesondere in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, das Grund­recht auf Datenschutz und die Gewissens-, Glaubens- und Religionsausübungsfreiheit) führen kann, ist für die Wahrnehmung dieser Aufgabe jedenfalls eine gesetzliche Regelung, und zwar innerhalb der zu­lässigen Grundrechtseinschränkungen, erforderlich.

Ziel:

Es soll eine Stelle eingerichtet werden, die staatliche Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der Dokumentation und Information über Sekten wahrnimmt.

Inhalt:

Mit dem vorliegenden Bundesgesetz wird eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts, die Bundesstelle für Sektenfragen, eingerichtet. Aufgabe der Bundesstelle ist die Dokumentation und die Information über Gefährdungen, die von Sekten oder sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können. Die Bundesstelle ist mit keinen Zwangsbefugnissen ausgestattet. Sie darf die für ihre Arbeit erforderlichen Daten nur aus öffentlich zugänglichen Quellen oder aus freiwilligen Mitteilungen erheben. Grundlage für die Tätigkeit der Bundesstelle bildet der im vorliegenden Bundesgesetz, unter Bedachtnahme auf die grundrechtlichen – insbesondere auch datenschutzrechtlichen – Schranken, geschaffene Rahmen.

Weiters werden gesetzliche Regelungen über den Geschäftsführer der Bundesstelle sowie die Grundsätze der Aufgabenplanung und die Art der Finanzierung durch das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie vorgesehen.

Alternativen:

–   Unmittelbare Wahrnehmung der Aufgabe der Aufklärung über Sektenfragen durch das Bundes­ministerium für Umwelt, Jugend und Familie.

     Diese Alternative weist jedoch nicht die notwendige Flexibilität und Selbständigkeit auf.

–   Übertragung der Aufgaben an einen bereits bestehenden Privatrechtsträger.

Bei dieser Alternative ist die Gefahr der Einflußnahme durch Interessen Dritter und dadurch eine Beein­trächtigung der Objektivität der Vorgangsweise gegeben.

Auch in dem Fall, daß die Öffentlichkeitsarbeit über Sekten unmittelbar vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie wahrgenommen werden sollte, bzw. an einen Verein übertragen werden sollte, ist im Hinblick auf die mit der Aufklärungstätigkeit verbundenen möglichen Grundrechtseingriffe eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich.

Kosten:

Durch die Einrichtung und den Betrieb der Bundesstelle für Sektenfragen werden dem Bund nachfolgende Ausgaben entstehen:

–   einmalige Errichtungskosten in der Höhe von zirka 1 Million Schilling sowie

–   Kosten in der Höhe von zirka 5 Millionen Schilling jährlich für den laufenden Sach- und Personal­aufwand, wovon aber nur etwa 50% einen zusätzlichen Mehraufwand zu den bisherigen Ausgaben des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie für den Bereich Sektenfragen darstellen.

EU-Konformität:

Gegeben.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

1. Mit Entschließung des Nationalrates (E 155-NR/XVIII.GP.) vom 14. Juli 1994 wurde die Bundes­regierung ersucht, sich mit “Sekten, pseudoreligiösen Gruppen, Vereinigungen und Organi­sationen sowie destruktiven Kulten” auseinanderzusetzen und entsprechende Schritte durch Aufklärung und Information, wie die Herausgabe einer Aufklärungsbroschüre, die Unterstützung von Aufklärungsaktionen an Schulen, Familienberatungs- und Erwachsenenbildungseinrichtungen sowie bei Eltern- und Familienorganisationen und die Förderung von Selbsthilfegruppen für Betroffene und Aussteiger sowie von Beratungs­einrichtungen, zu setzen.

So kamen auch in der “Aktuellen Stunde” des Nationalrates (11. Dezember 1996, 51. Sitzung der XX. GP) die Redner fast aller im Nationalrat vertretenen Parteien zu dem Schluß, daß eine vermehrte Information und Aufklärung der Bevölkerung und dementsprechende Maßnahmen der Bundesregierung vonnöten seien.

Im Bereich des Europarates legte schon im Februar 1992 das “Comittee on legal affairs and human rights” der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einen Bericht über “Sects and new religious movements” vor. In diesem kommt das Comittee ua. zu der Schlußfolgerung, daß (Zitat) “Information on the nature and activities of sects should be provided, particularly for adolescents. Independent bodies could be given the task of collecting and circulating this Information”.

In einer Entschließung des Europäischen Parlaments fordert dieses die Mitgliedsstaaten auf “den gegenseitigen Austausch von Informationen zu verstärken, um Informationen über das Sektenphänomen zusammenzutragen”.

Die Fälle der (teilweise erzwungenen) Massen(selbst)morde der Volkstempel-Sekte des Jim Jones (Jones­town/Guyana; 1978), der Davidianer-Sekte des David Koresh (Waco/USA; 1993), der Sonnentempler (Cheryl/Schweiz; 1994) oder der UFO-Gruppe “Heaven's Gate” (Kalifornien, März 1997) haben gezeigt, daß es unter Umständen zu extremsten Verhaltensweisen bei Sektenmitgliedern kommen kann. Obwohl es in Österreich noch nicht zu solchen Auswüchsen gekommen ist, erscheint es angebracht, Entwicklungen die in diese Richtung gehen könnten zu dokumentieren und gegebenenfalls öffentlich aufzuzeigen.

Die steigende Anzahl an Anfragen zur Thematik in allen Beratungsstellen und insbesondere die Reak­tionen aus der Bevölkerung auf die vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie herausgegebene Informationsbroschüre “Sekten – Wissen schützt” haben gezeigt, daß das Bedürfnis nach sachlicher Information in der Bevölkerung in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist.

Somit hat sich auch der Anspruch an die Bundesregierung zu dieser Thematik Stellung zu nehmen bzw. entsprechende Informationsarbeit in der Bevölkerung zu leisten, verstärkt.

2. Durch den vorliegenden Gesetzentwurfwird eine Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen als selbständiger Rechtsträger des öffentlichen Rechts (Anstalt) mit eigener Rechtspersön­lichkeit eingerichtet. Diese Stelle übernimmt Aufgaben staatlicher Aufklärungsarbeit im Sinne der oben genannten Entschließungen. Ihre Aufgabe ist es, Gefahren, die von Sekten ausgehen können und be­stimmte besonders schützenswerte Güter und Interessen der davon Betroffenen bedrohen, zu dokumen­tieren und die Allgemeinheit darüber zu informieren. Die Arbeit der Stelle stützt sich dabei auf öffentlich zugängliche bzw. der Stelle freiwillig mitgeteilte Informationen. Die Bundesstelle ist mit keinen Zwangsbefugnissen ausgestattet und darf keine Zwangsmaßnahmen oder sonstige Sanktionen setzen. Ihre Aufgabe ist es, eine sachliche und objektive Information zu vermitteln und so den Einzelnen in die Lage zu versetzen, eine selbständige und eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.

3. Folgende Überlegungen haben zur Entscheidung geführt, die Aufgabe durch eine selbständige und unabhängige Stelle wahrnehmen zu lassen:

–   Die Bundesstelle wird die Aufgaben nach den im Gesetz festgelegten und für staatliche Tätigkeit maßgebenden Grundsätzen (religiöse Neutralität, Achtung der Grundrechte, Sachlichkeit, Objektivität, Wahrheitspflicht) wahrnehmen. Dennoch wird die Bundesstelle in eine Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit vom Staat entlassen, und ist dadurch im Hinblick auf die Akzeptanz ein geeigneterer Ansprechpartner für die Informationssuchenden.

–   Durch die Einrichtung einer selbständigen Dokumentations- und Informationsstelle, die mit genau definierten und insbesondere aus datenschutzrechtlicher Sicht genau abgesicherten Aufgaben betraut ist, soll zum Ausdruck gebracht werden, daß in diesem besonders sensiblen Bereich nach klaren, die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte respektierenden Vorgaben, vorgegangen wird.

–   Nicht zuletzt soll durch die gesetzliche Verankerung der Existenz einer eigenen Stelle die Bedeutung dieses Anliegens zum Ausdruck gebracht werden sowie dessen dauerhafte Behandlung gesichert werden.

–   Ein außerhalb der staatlichen Verwaltungsorganisation stehender Rechtsträger bietet außerdem erhebliche Vorteile durch die Möglichkeit einer raschen und unbürokratischen Vorgangsweise und Entscheidungsfindung sowie eines formlosen, flexiblen Handelns.

–   Nicht unbedeutend ist auch die Möglichkeit der Drittfinanzierung durch die Übernahme der entgeltlichen Durchführung von Dokumentations- und Informationsaufgaben für Dritte (Stellen außerhalb des Bundes) gegeben. Derartige Arbeiten müssen sich jedoch in dem für die Tätigkeit der Bundesstelle gesetzlich vorgesehenen grundrechtlichen, insbesondere datenschutzrechtlichen Rahmen halten.

4. Eine gesetzliche Ermächtigung für eine staatliche Öffentlichkeitsarbeit über Sekten ist jedoch, auch ohne Einrichtung eines eigenen Rechtsträgers, notwendig.

Da, wie unten ausgeführt, mit bestimmten Formen staatlicher Dokumentations- und Informationstätigkeit über Sekten verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrechte (Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, Grundrecht auf Datenschutz, Gewissens-, Glaubens- und Religionsausübungsfreiheit) von Sekten oder Sektenmitgliedern berührt werden könnten, kann eine derartige Tätigkeit nur im Rahmen der jeweiligen Grundrechtsschranken erfolgen und bedarf jedenfalls einer gesetzlichen Ermächtigung.

In diesem Zusammenhang darf etwa auf die Regelung des Landesdatenschutzgesetzes des Landes Schleswig-Holstein vom November 1994 (GVOBI. Schl.-H. 1994 S. 508) hingewiesen werden, die zur Dokumentation und Information über gefährliche Aktivitäten von Sekten ermächtigt.

5. Rechtsformal betrachtet sind Akte einer staatlichen Öffentlichkeitsarbeit über Sekten in den in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Formen dem Bereich des nichthoheitlichen Verwaltungshandelns zuzuordnen. Dennoch ist staatliche Aufklärungsarbeit über Gefährdungen, die von Sekten ausgehen, – etwa für die Gesundheit von Menschen, die Integrität des Familienlebens oder die Entwicklung von Jugendlichen – als die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe zu qualifizieren. Die Grundlage für die staatliche Tätigkeit ist hier durchaus im Abschnitt L des Teiles 2 der Anlage zu § 2, Z 3, Z 7 lit. d u. f und Z 11 des BMG 1986 idF BGBI 1996/201 vorgesehen.

Der OGH ordnet staatliche Auskünfte in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben als Verwaltungsakte dem Geltungsbereich des § 1 AHG zu. Nach der Rechtsprechung des OGH ist davon auszugehen, daß auch die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen in den Anwendungsbereich des Amtshaftungsrechts fällt. Für die von Organen oder Dienstnehmern der Bundesstelle in Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben zugefügte Schäden haftet daher der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes. Das Organ oder der Dienstnehmer haften dem Geschädigten nicht persönlich.

6. Der Begriff “Sekte” wurde im Gesetzentwurf bewußt nicht ausdrücklich definiert. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden darunter glaubens- oder weltanschauungsbezogene Gemeinschaften, die sich durch ein bestimmtes Verhalten von der Gesellschaft abgrenzen, verstanden. Mit eingeschlossen sind Organisationen, die mit einem religiösen oder weltanschaulichen Anspruch auftreten, deren glaubens- und weltanschauungsbezogene Aktivitäten aber nur ein Deckmantel für die Verfolgung anderer, vor allem wirtschaftlicher Ziele sind.

Von einer – in manchen Schriften versuchten – restriktiven Definition des Begriffs Sekte über sogenannte sektiererische Merkmale (wie stark abgeschlossene Gemeinschaft, normierte in alltägliche Lebensläufe eingreifende Lebenspraxis, vehemente Abgrenzung gegenüber Andersdenkenden, absolute Lehre, Ab­hängigkeit der Mitglieder von einer Führungsfigur, übersteigerte Autoritätshörigkeit, u. dgl.) wurde Abstand genommen. Zum einen wird durch das Nennen derartiger Merkmale eine zusätzliche Wertung des ohnehin bereits im allgemeinen Sprachgebrauch negativ besetzten Begriffes “Sekte” zum Ausdruck gebracht, obwohl diese Merkmale nicht bei allen Gruppierungen oder nicht in der formulierten Intensität vorkommen. Zum anderen sind solche Merkmale auch durchaus außerhalb des Bereiches Sekten zu finden.

Der Gesetzentwurf geht bewußt von einer nicht wertenden Verwendung des Begriffs Sekte aus. Erst bei Vorliegen bestimmter Gefahren und der Dokumentation und Information darüber, kommt dadurch zwangsläufig der damit verbundene negative Wert zum Ausdruck. In diesem Fall ist auch die Legitimation zur Bezeichnung einer Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft als Sekte gegeben.

Eine ausreichende gesetzliche Determinierung der Tätigkeit der Bundesstelle kann daher nicht durch eine versuchte Definition des Begriffes “Sekte”, sondern nur durch einen Gefahrenkatalog sowie durch differenzierte datenschutzrechtliche Bestimmungen erreicht werden.

Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen sind im Hinblick auf die Verfassungsgarantie des Art. 15 StGG vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ausge­nommen.

7. Die Bundesstelle für Sektenfragen nimmt – wie oben ausgeführt – Aufgaben staatlicher Öffentlich­keitsarbeit wahr, die an bestimmte – für das staatliche Handeln geltende – zum Teil ausdrücklich in der Verfassung normierte oder aus ihr abgeleitete Grundsätze gebunden ist. Als wesentliche Grundsätze und Grenzen der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit können im vorliegenden Zusammenhang das Gebot der Sachlichkeit, der Objektivität, der wahrheitsgetreuen Information bzw. der Pflicht zur möglichst sorg­fältigen Sachverhaltsermittlung bei ungewissen Sachverhalten wie auch die Pflicht zur Amtsver­schwiegenheit genannt werden. Sofern durch staatliche Öffentlichkeitsarbeit grundrechtlich geschützte Bereiche berührt werden sollten, unterliegt sie weiteren, über die genannten Grenzen hinausgehenden, grundrechtlichen Bedingungen und Schranken.

Sie bedarf jedenfalls einer förmlichen gesetzlichen Ermächtigung. Darüber hinaus ist sie nach Maßgabe der berührten Grundrechte nur zulässig, wenn sie zur Verfolgung bestimmter öffentlicher oder privater Schutzgüter erforderlich ist.

Die durch bestimmte Formen staatlicher Aufklärungsarbeit über Sekten möglicherweise betroffenen Grundrechte sind in erster Linie das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK), das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) sowie die Gewissens-, Glaubens- und Religionsausübungsfreiheit (Art. 14 StGG, Art. 63 Abs. 2 StV St. Germain, Art. 9 EMRK).

Die Entscheidung des Einzelnen, sich zu einem bestimmten Glauben oder zu einer Weltanschauung zu bekennen und nach diesen Überzeugungen zu leben, gehört zum Bereich des geschützten Privatlebens. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darf der dem Privatleben eingeräumte Achtungsanspruch nur eingeschränkt werden, soweit dies in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Weil Art. 8 EMRK die Integrität der menschlichen Person verbürgt, können sich juristische Personen, abweichend vom Grundrecht auf Datenschutz, nicht auf den Schutz der Privatsphäre berufen.

Gemäß § 1 Abs. 1 DSG hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personen­bezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat. Einschränkungen des Grundrechts auf Datenschutz sind nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen oder auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind, wobei auch im Fall solcher Beschränkungen der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten der Vorrang gegeben werden muß. Die Personen­bezogenheit von Daten entfällt, wenn die Informationen anonymisiert erfaßt werden. Bei bereits veröffentlichten Daten ist die vorausgesetzte Geheimheit der betreffenden Informationen nicht gegeben. Zumindest bei sensiblen Daten wird trotzdem zu prüfen sein, ob nicht dennoch schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen vorliegen.

In den Schutzbereich der Glaubens- und Religionsausübungsfreiheit fallen alle Überzeugungen mit religiösem oder weltanschaulichem Bezug. Zumindest Art. 9 EMRK gewährleistet, neben einem Individualrecht einzelner Menschen, auch den religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften selbst die Religionsfreiheit als Korporationsrecht.

Nach Art. 9 Abs. 2 EMRK darf die Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.

Abgesehen von einer grundrechtlich neutralen Öffentlichkeitsarbeit der Bundesstelle für Sektenfragen, die auch zu einem ihrer wesentlichen Aufgabenbereiche zählt, darf die gesetzliche Ermächtigung für die Tätigkeit der Bundesstelle nur im Rahmen der genannten Grundrechtsschranken erfolgen.

Eine Legitimation zu einer grundrechtsbeeinträchtigenden Information über Sekten ist dann gegeben, wenn einzelne Sekten oder ihre Mitglieder im Verdacht strafbarer Handlungen stehen. Im Vordergrund einer sachbezogenen Information steht jedoch nicht die Prävention einzelner konkreter Straftaten, sondern die Information über andere Aktivitäten, die gewisse öffentliche Interessen oder schutzwürdige Interessen Einzelner gefährden können. Ausgehend von den Schrankenvorbehalten der einschlägigen Grundrechte und den dort angeführten Schutzgütern, zeigt sich in dieser Hinsicht, daß staatliche Organe auch über Gefährdungen jenseits der Schwelle einzelner strafbarer Handlungen, die bestimmte schutzwürdige Rechtsgüter (von der Rechtsordnung als schutzwürdig eingestufte Rechtsgüter) bedrohen, informieren dürfen, wenn sie nach sorgfältig und verantwortungsbewußt erwogenen Einschätzungen zur Auffassung gelangen, daß derartige Gefährdungen vorliegen:

So darf der Staat unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Gesundheit auf mögliche Bedrohungen der Gesundheit hinweisen, die von einzelnen Sektenaktivitäten ausgehen können, und zwar sowohl im Hinblick auf körperliche Schädigungen als auch psychische Beeinträchtigungen unterhalb der Schwelle strafrechtlich relevanter Delikte. Eine staatliche Aufklärungstätigkeit über Aktivitäten, welche die menschliche Persönlichkeitsentwicklung und freie Selbstentfaltung gefährden können, kann zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer legitim sein. Gleiches gilt für Maßnahmen der Sektenaufklärung, die zum Schutz der Integrität des Familienlebens und der grundrechtlich unter Schutz gestellten Aufgaben der Familie bei der Erziehung getroffen werden. Legitim sind auch Aufklärungsmaßnahmen, die vor der Gefahr der finanziellen Verstrickungen warnen. Das Gewicht der eine staatliche Sektenaufklärung rechtfertigenden Gründe verstärkt sich, wenn sich diese Aufklärung Kindern und Jugendlichen zuwendet, deren besondere Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit ein die gesamte Rechtsordnung durch­ziehendes Prinzip ist.

Auch im Bereich der Information über allfällige Gefahren wird sich die Bundesstelle nur auf öffentlich zugängliche oder ihr freiwillig mitgeteilte Informationen stützen, wobei die Übermittlung von personenbezogenen Daten nur zu den im Gesetz vorgesehenen Bedingungen und nach einer sorgfältigen Interessensabwägung vorgenommen werden darf.

In diesem Zusammenhang wurde geprüft, ob eine allgemeine und wertneutrale, sich auf bereits öffentlich zugängliches Material stützende Aufklärungsarbeit über Sekten unabhängig vom Vorliegen einer Gefährdung von schutzwürdigen Interessen anderer verfassungsrechtlich zulässig wäre. Würde davon ausgegangen werden, daß der Begriff “Sekte” ein wertfreier ist, so wäre eine solche Tätigkeit zulässig. Wie bereits oben festgehalten, ist der Begriff “Sekte” jedoch nicht wertfrei, sondern bringt eine gewisse Beurteilung zum Ausdruck. Es wäre daher bereits die Bezeichnung einer Glaubens- oder Welt­anschauungsgemeinschaft als Sekte als eine möglicherweise in die Grundrechte der betreffenden Gemeinschaft eingreifende Bewertung zu deuten. Ohne daß von einer Glaubens- oder Weltanschauungs­gemeinschaft bestimmte Beeinträchtigungen und Gefahren für schutzwürdige Interessen Betroffener ausgehen, wäre ein solcher Grundrechtseingriff im Hinblick auf die zulässigen Grundrechtsschranken nicht gerechtfertigt.

8. Die Grundrechtskonformität des vorliegenden Gesetzentwurfes, einschließlich der Zulässigkeit der Datenregelung, wie auch die ausreichende Bestimmtheit der vorgesehenen gesetzlichen Ermächtigungen (Art. 18 B-VG) wurden einer eingehenden Prüfung unterzogen.

Diese Fragen waren auch Gegenstand der Auseinandersetzung im Rahmen von verfassungsrechtlichen Gutachten. Die Gutachtensergebnisse werden im Anschluß an den besonderen Teil wiedergegeben und können wie folgt zusammengefaßt werden:

–   Eine auf bestimmte (in § 4 Abs. 1 des Entwurfes ausreichend konkretisierte) Gefährdungslagen eingeschränkte staatliche Informationstätigkeit über Sekten dient dem Schutz bestimmter in den Grundrechtsvorbehalten angeführter Rechtsgüter (zB Schutz der Rechte anderer) und kann von daher verfassungsrechtlich als unbedenklich beurteilt werden. Im Hinblick auf die mit der Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten verbundenen möglichen Grundrechts­eingriffe schafft § 5 des Entwurfes ein abgestuftes System von Ermittlungs- und Übermittlungs­befugnissen, das die jeweilige Intensität des Eingriffs und das Gewicht der diesen Eingriff legitimieren­den Gründe berücksichtigt. Dieser Ansatz entspricht dem allgemeinen grundrechtlichen Erfordernis nach einer Abwägung der berührten Interessen durch den Gesetzgeber und erfüllt auch das datenschutzrechtliche Erfordernis, konkrete Ermächtigungen für den Umgang mit personenbezogenen Daten zu schaffen.

–   Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Determinierungsgebot erfüllen die vorgeschlagenen Regelungen das Kriterium der ausreichenden Bestimmtheit; auch im Hinblick auf die Judikatur des VfGH zu vergleichbaren grundrechtlichen Konfliktsituationen.

9. Kosten: Durch die Einrichtung und den Betrieb der Bundessteile für Sektenfragen werden dem Bund einmalige Errichtungskosten in der Höhe von zirka einer Million Schilling sowie Kosten in der Höhe von zirka fünf Millionen Schilling jährlich für den laufenden Sach- und Personalaufwand entstehen.

Diese Kosten erscheinen in keiner Relation zu jenen Schäden, materieller wie immaterieller Art, die durch schädigendes Wirken von Sekten verursacht werden, zu stehen. Durch staatliche Aufklärungsarbeit kann der Entstehung derartiger Schäden gezielt entgegengewirkt werden.

Dem jährlichen Sach- und Personalkostenaufwand der Bundesstelle für Sektenfragen liegt die nachfolgende Kalkulation zugrunde:

Kosten des laufenden Betriebes:

Personalkosten:

1 GeschäftsführerIn und 1 akademische(r) MitarbeiterIn................... 1 800 000,00                                

1 MitarbeiterIn (Maturaniveau)................................................................. 600 000,00                                

1 Sekretariatskraft........................................................................................ 420 000,00                                

Dienstreisen................................................................................................. 100 000,00                                

Buchhaltung, Rechtsberatung, externe wissenschaftliche Be­ratung – Honorare usw.                        .......................................................................................................... 200 000,00        

Summe Personalkosten.................................................................................................             3 120 000,00

Sachkosten:

Miete für zirka 150 m2 (200 S pro m2)......................................................... 360 000,00                                

Betriebs- und Erhaltungskosten............................................................... 360 000,00                                

Telefongebühren......................................................................................... 200 000,00                                

Telefongebühren (0 660-Nummer)............................................................ 120 000,00                                

Postgebühren............................................................................................... 200 000,00                                

Kopierkosten................................................................................................ 120 000,00                                

Büromaterial................................................................................................. 150 000,00                                

Literatur......................................................................................................... 100 000,00                                

Pressespiegel............................................................................................... 100 000,00                                

Dokumentations- und Archivmaterial (Videokassetten, Hänge­mappen, Ordner …)                            .......................................................................................................... 100 000,00        

Gebühren (Fernsehen, Radio, Telekabel …)................................................ 6 000,00                                

Internet inklusive Homepage....................................................................... 60 000,00                                

Supervision.................................................................................................... 30 000,00                                

Summe.............................................................................................................................             1 876 000,00

Gesamtsumme (laufende Kosten)...............................................................................             4 996 000,00

Besonderer Teil

Zu § 1:

Der Zweck des Gesetzes ist die Einrichtung einer Steile zur Dokumentation und Information über Gefährdungen, die von Sekten oder von sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können.

Die Bundesstelle für Sektenfragen ist mit keinen Zwangsbefugnissen ausgestattet. Sie erhebt ihre Daten aus öffentlich zugänglichen oder der Stelle freiwillig mitgeteilten Informationen. Bei der Behandlung von Daten ist die Bundesstelle an den durch § 5 gezogenen datenschutzrechtlichen Rahmen gebunden.

Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften fallen nicht in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes. Die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften sind auf Grund des Art. 15 StGG 1867 in der selbständigen Regelung ihrer inneren Angelegenheiten, wozu auch die Organisation ihrer Einrichtungen gehört, verfassungsrechtlich geschützt. Es wird daher davon anzugehen sein, daß es Sache der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ist, etwaige Mißstände, die bei ihren Einrichtungen auftreten, abzustellen.

Zu § 2:

Im allgemeinen Teil der Erläuterungen wurde ausgeführt, daß der Begriff “Sekte” kein wertneutraler ist und eine Definition durch bestimmte Merkmale nicht zielführend ist. Im § 2 wird daher zum Ausdruck gebracht, daß die Bezeichnung Sekte dann verwendet werden darf, wenn von einer Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft bestimmte Gefahren im Sinne des § 4 Abs. 1 ausgehen.

Zu § 3:

Die Dokumentations- und Informationsaufgabe wird von einem als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts eingerichteten Rechtsträger mit eigener Rechtspersönlichkeit wahrgenommen werden.

Diese Rechtsform wurde gewählt, da sie unter den möglichen Alternativen als die für die Erfüllung der Aufgaben geeignetste erscheint.

Hiermit soll die Zugehörigkeit der von der Stelle zu erfüllenden Aufgaben zu den staatlichen Aufgaben, aber auch die Bindung an die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundfreiheiten und Menschenrechte, einschließlich des Grundrechtes auf Datenschutz, sowie die Bindung an die haushaltsrechtlichen Vorschriften (Kontrolle durch den Rechnungshof) klar zum Ausdruck gebracht werden.

Zu § 4:

Aufgabe der Bundesstelle ist die Dokumentation und Information über Gefährdungen, die von Programmen oder Aktivitäten von Sekten oder von sektenähnlichen Aktivitäten ausgehen können und für deren Vorliegen ein begründeter Verdacht besteht, wenn diese Gefährdungen bestimmte besonders schutzwürdige Güter oder Interessen betreffen.

Das Erfordernis des § 4 Abs. 1, daß ein begründeter Verdacht bestehen muß, bedeutet, daß konkrete Umstände eine solche Gefahr wahrscheinlich erscheinen lassen.

Die Gefährdungen müssen allgemein sein. Es ist nicht hinreichend, daß ein psychisch besonders labiler Mensch in Gefahr geraten ist, sondern es wird für das Vorliegen einer Gefährdung ein allgemeiner Standard maßgebend sein.

Etwa auf folgende Gefahren kann hingewiesen werden: Beeinträchtigung der Persönlichkeit durch psychische Manipulationen, psychische Abhängigkeitsverhältnisse, Verlust der Fähigkeit zur eigen­verantwortlichen Lebensgestaltung, Gefährdung der Gesundheit durch die Ablehnung oder Vorenthaltung wirksamer Heilbehandlungen, Isolation von Verwandten oder Freunden, Verlust der Bindungs- und Verantwortungsfähigkeit gegenüber Familie und Gesellschaft, die Verweigerung der Mitwirkung am Staat oder die finanzielle Ausbeutung.

Ausgehend von den Schrankenvorbehalten der einschlägigen Grundrechte (Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, das Grundrecht auf Datenschutz sowie die Gewissens-, Glaubens- und Religions­ausübungsfreiheit) werden folgende staatliche Maßnahmen in diesem – besonders sensiblen – Bereich als gerechtfertigt angesehen:

–   Maßnahmen zum Schutz des menschlichen Lebens und der Gesundheit.

     Nach den Schrankenvorbehalten in Art. 8 Abs. 2 EMRK, § 1 DSG und Art. 9 Abs. 2 EMRK sind Eingriffe in diese Grundrechte zulässig, die in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Gesundheit erforderlich sind. Der Begriff der Gesundheit wird von den Straßburger Konventions­organen in einem weiten Sinn verstanden und umfaßt das psychische und das physische Wohlbefinden von einzelnen Individuen. Der Staat darf daher auf die Bedrohungen der Gesundheit hinweisen, die von einzelnen Sektenaktivitäten ausgehen können, und zwar sowohl im Hinblick auf körperliche Schädigungen als auch psychische Beeinträchtigungen unterhalb der Schwelle strafrechtlich relevanter Delikte. Er darf dies auch dann, wenn die Disposition über die eigene körperliche Integrität grundsätzlich der freien Entscheidung des Einzelnen anheim gestellt ist. Daß dieses Selbstbestim­mungsrecht nicht grenzenlos ist, zeigt etwa § 90 StGB, der einer Zustimmung zu einer Körper­verletzung nur innerhalb der Grenzen der guten Sitten rechtfertigende Wirkung zuerkennt. Beschränkt sich der Staat daher auf Akte der Information, so ist ein Schutz vor Selbstgefährdung legitim.

     Deutliche Gefährdungen der menschlichen Gesundheit können darüber hinaus eine staatliche Schutzpflicht auslösen, sodaß der Staat unter Umständen von Verfassungs wegen verpflichtet ist auf drohende Gefahren zumindest hinzuweisen.

–   Eine staatliche Aufklärungstätigkeit über Aktivitäten, welche die menschliche Persönlichkeits­entwicklung und freie Selbstentfaltung gefährden können, kann zum “Schutz der Rechte und Freiheiten anderer” legitim sein (Art. 8 Abs. 2 EMRK, § 1 Abs. 2 DSG, Art. 9 Abs. 2 EMRK). Daß es sich bei der freien Entfaltung der menschlichen Person um ein schutzwürdiges Rechtsgut handelt, steht außer Frage. Grundrechtlich ist die Persönlichkeitsentfaltung in erster Linie im Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) angelegt, das einen umfassenden Schutz der Person in ihrer eigenverantwortlichen Individualität verbürgt. Im übrigen ist die freie Persönlichkeitsentfaltung auch durch zahlreiche einfachgesetzliche Rechtsvorschriften als ein schutzwürdiges Rechtsgut ausgewiesen (zB § 16 ABGB, Art. 13 UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Art. 6 Abs. 2, Art. 12 und 14 Kinderrechtskonvention).

     Staatliche Maßnahmen zum Schutz der freien Persönlichkeitsentfaltung müssen berücksichtigen, daß die Zuwendung eines Menschen zu einer bestimmten Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft gerade ein zentraler Ausdruck seiner freien, selbstbestimmten Persönlichkeit ist. Daraus erwächst der staatlichen Sektenaufklärung eine Grenze: Sie muß diese Freiheit respektieren und darf deshalb den Einzelnen durch Aufklärungsmaßnahmen nur in die Lage versetzen, eine Entscheidung in Freiheit zu treffen.

–   Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des “Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer” legitimiert können Maßnahmen der Sektenaufklärung sein, die sich der Integrität des Familienlebens zuwenden. Dieses Schutzgut ist grundrechtlich ebenfalls in Art. 8 EMRK verankert, der einen Achtungsanspruch zugunsten der Familie verbürgt. Der Familie verheißt aber auch Art. 23 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. Nr. 591/1978) als “natürlicher Keimzelle der Gesellschaft” besonderen Schutz durch den Staat und Gesellschaft und weist sie dadurch als einen ihrer Grundwerte aus. Schwerwiegende Störungen der Integrität des Familienlebens darf der Staat daher aufzeigen.

     Auch der Schutz des Familienlebens durch den Art. 8 EMRK kann positive staatliche Handlungspflichten nach sich ziehen. Der Staat ist daher von Verfassungs wegen verpflichtet, die Familie und die von ihr erbrachten Leistungen durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu unterstützen. Informationen über die Familie gefährdenden Aktivitäten können daher auch rechtlich geboten sein.

–   Eine Aufklärung über die Gefahren finanzieller Ausbeutung oder die Verstrickung in finanzielle Abhängigkeit dient dem Eigentumsschutz und damit ebenfalls dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Auch hier muß der Staat die freie Entscheidung des mündigen Einzelnen, der sein Vermögen beliebig verwenden darf, respektieren.

–   Das Gewicht der eine staatliche Sektenaufklärung rechtfertigenden Gründe wird sich verstärken, wenn sich diese Aufklärung Kindern und Jugendlichen zuwendet. Die besondere Schutzwürdigkeit von Kindern und Jugendlichen ist ein die ganze Rechtsordnung durchziehendes Prinzip.

Im Vordergrund der Tätigkeit der Bundesstelle steht nicht die Prävention einzelner Straftaten. Hier sind die gerichtlichen und die sicherheitsbehördlichen Zuständigkeiten maßgebend.

Die Arbeit der Bundesstelle wird sich auf Aufklärung von Gefährdungen erstrecken, die die Schwelle strafbarer Handlungen nicht oder noch nicht erreicht haben. Wie oben ausgeführt, ist staatliche Öffentlichkeitsarbeit, die sich auf öffentlich zugängliche oder freiwillig mitgeteilte Quellen unter Berücksichtigung einer besonderen Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten stützt, sich auf Aufklärung über diese Gefährdungen beschränkt und die letzte Entscheidung dem Einzelnen überläßt, auch jenseits der Schwelle strafbarer Handlungen aus grundrechtlicher Sicht zulässig.

Im Abs. 2 des § 4 sind die wesentlichen Grundsätze für die Tätigkeit der Bundesstelle enthalten: Einerseits wird die Verpflichtung zur religiösen Toleranz und Neutralität und insgesamt zur Achtung der Grundfreiheiten und Menschenrechte ausdrücklich hervorgehoben; andererseits werden leitende Gebote, die allgemein für das staatliche Handeln gelten, genannt. Auch wenn diese Bedingungen und Gebote aus der Verfassung allgemein für das staatliche Handeln ableitbar sind, scheint es dennoch erforderlich, sie im vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich und zusammenfassend als Leitprinzipien für die Tätigkeit der Bundesstelle anzuführen.

Im Abs. 4 wird die Bundesstelle dazu ermächtigt, auch Aufgaben von Stellen außerhalb des Bundes zu übernehmen (etwa entgeltliche Aufträge). Diese Aufgaben müssen sich jedoch in dem gesetzlich vorgesehenen grundrechtlichen, insbesondere auch datenschutzrechtlichen, Rahmen halten.

Zu § 5:

Wie bereits im allgemeinen Teil ausgeführt, hat gemäß § 1 Abs. 1 DSG jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat. Einschränkungen des Grundrechts auf Datenschutz sind nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen oder auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind. Auch im Fall solcher Beschränkungen muß jedoch der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten der Vorrang gegeben werden.

Träger dieses Grundrechtes sind nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen und Personengemeinschaften. Sachlich schützt das Recht auf Datenschutz nicht nur Geheimnisse des Privat- und Familienlebens, sondern auch wirtschaftsbezogene Aktivitäten, soweit an ihrer Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse besteht.

Der grundrechtliche Anspruch des § 1 DSG bezieht sich nicht nur auf die Geheimhaltung von Daten, sondern auch bereits auf ihre Ermittlung.

Die Personenbezogenheit von Daten entfällt, wenn die Informationen anonymisiert erfaßt werden bzw. wenn es sich um statistisches Datenmaterial handelt, das ausreichend viele Einzeldaten enthält.

Bei bereits veröffentlichten Daten kann entweder die vorausgesetzte Geheimheit der betreffenden Information oder das Vorliegen schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen verneint werden. Zumindest bei sensiblen Daten wird trotzdem zu prüfen sein, wem gegenüber und zu welchem Zweck bestimmte Daten offengelegt wurden und ob diese Offenlegung tatsächlich die Schutzwürdigkelt beseitigt hat.

Gemäß der bis zum 24. Oktober 1998 umzusetzenden EU-Datenschutzrichtlinie gehören personen­bezogene Daten, aus denen die religiösen oder philosophischen Überzeugungen hervorgehen, zu den besonders sensiblen Daten. Staatliche Eingriffe sind hier grundsätzlich untersagt. Abgesehen von den in der RL genannten Fällen können die Mitgliedstaaten, vorbehaltlich angemessener Garantien, nur aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses entweder im Wege einer nationalen Vorschrift oder im Wege einer Entscheidung der Kontrollstelle andere als die in der RL enthaltenen Ausnahmen vorsehen. Allerdings beschränkt sich die Richtlinie auf den Schutz natürlicher Personen. Nicht umfaßt sind außerdem Daten, die die betreffende Person “offenkundig öffentlich” gemacht hat.

Die Aufklärungsarbeit der Bundesstelle ist als die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe (siehe im allgemeinen Teil) anzusehen. Sofern von der Bundesstelle personenbezogene Daten – die ja weitgehend zu den besonders sensiblen Daten gehören – verwendet werden, sind daher datenschutzrechtlich die im DSG für den öffentlichen Bereich vorgesehenen Kriterien maßgebend sowie die umzusetzende EU-Datenschutz-RL zu beachten.

Für die Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten ist daher eine ausdrückliche, ausreichend determinierte, gesetzliche Ermächtigung erforderlich, die sich im Rahmen der zulässigen Beschränkungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK hält. Im Zweifel ist der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten der Vorrang zu geben. Die im Rahmen des Grundrechts durch § 1 Abs. 2 Satz 2 DSG gesondert hervorgehobene Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwingt dazu, daß der Staat sich auf den geringstnötigen Eingriff beschränkt.

Im § 5 Abs. 2 wird die Bundesstelle ermächtigt, personenbezogene Daten über glaubens- und weltan­schauungsbezogene Gemeinschaften, ihre Programme und Aktivitäten sowie Daten über glaubens- und weltanschauungsbezogene Aktivitäten von Einzelpersonen, die bereits öffentlich zugänglich sind, zu erheben und zu verarbeiten. Die Übermittlung der erhobenen und verarbeiteten öffentlich zugänglichen personenbezogenen Daten ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn von einer Gruppe oder Person Gefahren im Sinne des § 4 Abs. 1 ausgehen. Liegt der Verdacht einer solchen Gefahr nicht vor, ist die Übermittlung dieser Daten zulässig, wenn nicht schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Öffentlich zugängliche personenbezogene Daten natürlicher Personen können, wenn eine Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 nicht vorliegt, jedoch nur dann weitergegeben werden, wenn der Betroffene die zu übermitfeinden Daten selbst offenkundig öffentlich gemacht hat (Diktion der Datenschutz-RL).

In diesem Bereich wird sich die Bundesstelle zweifellos auf zahlreiche Quellen beziehen dürfen, die von den Sekten selbst publiziert wurden. Bei anderen öffentlich zugänglichen, dh. nicht geheimen, Informa­tionen wird dennoch zu prüfen sein, wem gegenüber und zu welchem Zweck bestimmte Daten offengelegt wurden.

Nach § 5 Abs. 3 ist die Bundesstelle bei Vorliegen eines begründeten Verdachts von Gefährdungen im Sinne des § 4 Abs. 1 berechtigt, auch andere als öffentlich zugängliche personenbezogene Daten zu erheben und zu verarbeiten, allerdings nur soweit sie der Bundesstelle freiwillig mitgeteilt werden oder an sie sonst ohne jede Zwangsausübung rechtmäßig gelangen. Die Bundesstelle ist daher nicht befugt, Informationen, wie auch immer, zu erzwingen. Personenbezogene Daten natürlicher Personen (die nicht bereits öffentlich zugänglich sind) dürfen, auch wenn ein Gefahrenverdacht vorliegt, nur erhoben und verarbeitet werden, wenn diese Person in einer Sekte tatsächlich aktiv wird. Ihre Mitgliedschaft allein ist für eine Datenerhebung nicht rechtfertigend. Die Übermittlung der bei Gefahrenverdacht erhobenen und verarbeiteten (nicht öffentlich zugänglichen) Daten ist nur nach einer den Bestimmungen des DSG entsprechenden Interessensabwägung zulässig.

Die Veröffentlichung personenbezogener Daten natürlicher Personen ist nur in dem im § 5 Abs. 5 vorgesehenen Ausnahmefall zulässig, etwa wenn eine Gefahrenabwehr durch die Sicherheitsbehörden wegen besonderer Umstände (zB ausländische Sektenaktivitäten) nicht möglich ist.

Durch Abs. 3 erster Satz wird ua. klargestellt, daß der Bundesstelle keine hoheitlichen Zwangsbefugnisse zur Ermittlung von personenbezogenen Daten über religiöse oder weltanschauliche Aktivitäten zukommen. Soweit Privatpersonen über solche Daten verfügen, darf sie die Bundesstelle nur dann erfassen, wenn ihr die entsprechenden Informationen vom Verfügungsberechtigten freiwillig zur Verfügung gestellt werden. Ob Daten aus dem öffentlichen Bereich an die Bundesstelle übermittelt werden dürfen, ist nach den Rechtsvorschriften zu beurteilen, die für den über diese Daten jeweils Verfügungsberechtigten gelten; eine gegenüber der Bundesstelle bestehende Verpflichtung, solche Daten etwa im Wege der Amtshilfe zur Verfügung zu stellen, ist nach dem Wortlaut des Gesetzesentwurfes nicht gegeben.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird insbesondere dadurch beachtet, daß die Bundesstelle nur öffentlich zugängliche oder der Stelle freiwillig mitgeteilte Informationen verarbeitet, sich auf sachliche und objektive Information beschränkt, die dem Einzelnen einen freien Raum für die eigene Entscheidung offen läßt sowie eine namentliche Erfassung einzelner Sektenmitglieder bzw. eine entsprechende Informationsweitergabe nur unter besonderen, den schutzwürdigen Interessen von Betroffenen den Vorrang gebenden Voraussetzungen zulässig ist.


Zu § 6:

Im vorliegenden Gesetzentwurf werden auch die wesentlichen organisatorischen Züge der Bundesstelle für Sektenfragen festgelegt.

Die Leitung der Bundesstelle übernimmt ein Geschäftsführer, der vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie ausschließlich auf Grund seiner Eignung zu bestellen ist. Im Abs. 2 werden die wichtigsten Aufgaben des Geschäftsführers geregelt. Der Geschäftsführer, wie auch sonstiges Personal der Bundesstelle sind weisungsfrei und unterliegen nur im Rahmen des im § 7 vorgesehenen Aufsichtsrechts der Aufsicht durch den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie.

Zu § 7:

Im § 7 wird dem Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie ein Aufsichtsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Tätigkeit der Bundesstelle, der Aufrechterhaltung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben sowie der Kontrolle der Gebarung eingeräumt. Die Bundesstelle wird daher die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben in einer weitgehenden Unabhängigkeit und Selbständigkeit sowie in Weisungsfreiheit wahrnehmen.

Zu § 8:

Die Bundesstelle hat jährlich ein Arbeitsprogramm und einen Finanzplan zu erstellen, die der Genehmigung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie bedürfen und eine Grundlage für die Zurverfügungstellung der finanziellen Mittel bilden.

Zu § 9:

Die Bundesstelle hat jährlich ihre Tätigkeit und ihre Gebarung in einem Geschäftsbericht und einem Rechnungsabschluß zu dokumentieren. Einen wesentlichen Teil des Geschäftsberichtes hat ein umfassender Bericht über die Dokumentations- und Informationstätigkeit der Bundesstelle zu bilden.

Zu § 10:

Insbesondere im Hinblick auf die Offenlegung der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen hat die Bundesstelle für Sektenfragen halbjährlich Berichte über die von ihr wahrgenommenen Dokumentations- und Informationsfälle zu erstellen und an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie vorzulegen. Diese Berichte werden dem durch das DSG als Kontrollorgan eingerichteten Datenschutzrat zur Kenntnis gebracht. Sollte es der Datenschutzrat für notwendig erachten, kann er einen Arbeitsausschuß einsetzen und Einsicht in weitere bei der Bundesstelle vorhandene Unterlagen nehmen.

Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat den Nationalrat über die Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen in jährlichen Berichten zu informieren.

Zu § 11:

Die Bundesstelle erfüllt staatliche Aufgaben. Ihre Tätigkeit erstreckt sich auf einen Bereich, in dem sensible personenbezogene Daten behandelt werden. Die Organe und Dienstnehmer der Bundesstelle müssen daher an die Pflicht zur Verschwiegenheit gebunden sein.

Zu § 12:

Die Bundesstelle nimmt, soweit sie gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 tätig wird, staatliche Aufgaben wahr. Sie gilt daher in diesem Bereich abgabenrechtlich als Körperschaft des öffentlichen Rechts und nicht als Betrieb gewerblicher Art.